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German Pages 399 [400] Year 2012
Pathologie des Bewegungsapparates Veit Krenn, Wolfgang Rüther (Hrsg.)
Pathologie des Bewegungsapparates Herausgegeben von Veit Krenn und Wolfgang Rüther 2., aktualisierte Auflage
DE GRUYTER
Herausgeber Prof. Dr. med. Veit Krenn Zentrum für Histologie, Zytologie und Molekulare Diagnostik Max-Planck-Str. 18–20 54296 Trier [email protected]
Prof. Dr. med. Wolfgang Rüther Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Klinik und Poliklinik für Orthopädie Martinistr. 52 20251 Hamburg
Das Buch enthält 258 Abbildungen und 54 Tabellen.
ISBN 978-3-11-028596-3 e-ISBN 978-3-11-028701-1 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalogue record for this book is available from the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2012 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/Boston Der Verlag hat für die Wiedergabe aller in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen etc.) mit Autoren bzw. Herausgebern große Mühe darauf verwandt, diese Angaben genau entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abzudrucken. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Die Wiedergabe der Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen und dergleichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass solche Namen ohne weiteres von jedermann benutzt werden dürfen. Vielmehr handelt es sich häufig um gesetzlich geschützte, eingetragene Warenzeichen, auch wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind. Printed in Germany www.degruyter.com Satz: Beltz Bad Langensalza GmbH, Bad Langensalza Druck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen
Vorwort
Da nach kurzer Zeit die 1. Auflage dieses Buches vergriffen war, haben sich die Herausgeber entschlossen, zeitnah eine 2., leichtgradig überarbeitete Auflage herauszugeben. Ziel des Buches ist die Darstellung des äußerst heterogenen Erkrankungsspektrums von Erkrankungen des Bewegungsapparates. Nach Auffassung der Herausgeber kann man dieser Aufgabe nur gerecht werden, wenn eine Vielzahl an Spezialisten und Subspezialisten zu Wort kommen, um so die verschiedenen Erkrankungsmuster wie entzündliche Erkrankungen, infektiöse Erkrankungen, metabolische Erkrankungen, systemische Knochenerkrankungen, maligne Erkrankungen des Binde- und Stützgewebes sowie maligne Erkrankungen des Knochensystems differenziert und aktuell darzustellen. Im Zeitalter der evidenzbasierten diagnostischen Medizin sind insbesondere die Pathologen angehalten, histopathologische Typisierungen und Graduierungen mit hoher Reproduzierbarkeit und geringer Interobserver-Variabilität anzuwenden. Dieser Tatsache Rechnung tragend wurde im vorliegenden Werk großer Wert auf Systematik, Typisierungen und Scores unterschiedlicher Erkrankungsentitäten gelegt. Ein wesentliches Ziel wäre erreicht, wenn dieses Buch einen Beitrag leisten könnte, die Zusammenarbeit von Pathologen, Orthopäden, Rheumatologen und Unfallchirurgen zu optimieren. Der bewusst in das erste Kapitel gesetzte medizinhistorische Beitrag veranschaulicht an Hand ausgesuchter und eindrucksvoller Präparate, dass durch die bedeutenden Entwicklungen in Diagnostik und Therapie die Ausprägungen bestimmter Erkrankungen hinsichtlich ihrer Größe und ihrer Bedrohlichkeit für den Menschen abgenommen haben. Des Weiteren bieten diese Präparate als optischer Blickfang insbesondere den noch nicht so erfahrenen Lesern einen visuell eindrücklichen Zugang zur intensiveren Beschäftigung mit den verschiedensten Erkrankungsbildern. Die Herausgeber möchten sich insbesondere bei den Mitarbeitern des Verlags De Gruyter Berlin bedanken; hier seien vor allem Frau Simone Pfitzner und Frau Britta Nagl genannt. Trier/Hamburg, Juni 2012
Veit Krenn, Wolfgang Rüther
Inhalt
Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XV Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII 1
Im Virchow-Modus – Präparate zur Pathologie des Bewegungsapparates aus dem Berliner Medizinhistorischen Museum der Charité Thomas Schnalke und Veit Krenn
1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.2.6
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Präparate mit spezifischen Krankheiten des Bewegungssystems . . . Gichttophi über Achillessehne und Großzehe . . . . . . . . . . . . . . . . Arthrosis deformans beider Kniegelenke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Empyem des rechten Kniegelenks bei Polyarthritis rheumatica . . . . Osteoporose der Wirbelsäule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spondylitis tuberculosa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ewing-Sarkom im linken Humerus (histologisch: polymorphzelliges Retikulumzellsarkom) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Winddorn des linken Femur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Morbus Paget . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2.7 1.2.8
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. . . 10 . . . 11 . . . 12
2
Pathogenese – Prinzipien entzündlicher rheumatischer Erkrankungen Glaudia Berek
2.1 2.2 2.3 2.4 2.4.1 2.4.2
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Genetische Prädisposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Autoantikörper in RA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die zellulären und molekularen Mechanismen der Entzündungsreaktion T-Lymphozyten und ihre Funktion für das Immunsystem . . . . . . . . . . . B-Zellen sind die Vorläufer von Autoantikörper-sezernierenden Plasmazellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . T-Zellen unterstützen den Entzündungsvorgang und die Gelenkzerstörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Zytokin-Netzwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Synovialitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ACPA-Autoantikörper könnten für die Entstehung der RA entscheidend sein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Biologika eröffnen neue Therapiemöglichkeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.4.3 2.4.4 2.5 2.6 2.7
1 5 5 6 7 8 9
15 16 17 18 18 19 19 20 21 23 24
3
Synovialitis – Das differentialdiagnostische Spektrum der Synovialitis Veit Krenn
3.1 3.1.1
Synovialitis-Score . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Synovialitis-Score: Low-grade-/High-grade-Synovialitis . . . . . . . . . . . . . 29
VIII
|
3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.1.5 3.1.6 3.1.7 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.3 3.4 3.4.1 3.4.2 3.5 3.6 3.7 3.8 3.9 3.10 3.11 3.12 3.13 3.14 3.14.1 3.14.2
Inhalt
Immunhistochemische Validierung und Trennschärfe des Synovialitis-Scores . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Relevanz der Synovialitis-Diagnostik für den Rheumatologen . . . . . Die Relevanz der Synovialitis-Diagnostik für den Orthopäden . . . . . . . Histopathologische Bestimmung der aktuellen entzündlichen Aktivität . . Typisierung der Synovialitis nach Stiehl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klinische Diagnosekriterien der Rheumatoiden Arthritis . . . . . . . . . . . . . Low-grade-Synovialitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arthrose-assoziierte Synovialitis (ICD 10: M68.8) . . . . . . . . . . . . . . . . . Low-grade-Synovialitis bei degenerativer Meniskopathie . . . . . . . . . . . . Low-grade-Synovialitis bei Hämochromatose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Low-grade-Synovialitis bei Hoffaitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Low-grade-Synovialitis bei viralen Infektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Detritussynovialitis (ICD 10: M24.89) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . High-grade-Synovialitis bei Rheumatoider Arthritis . . . . . . . . . . . . . . . . High-grade-Synovialitis (ICD 10: M05.8) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . High-grade-Tenosynovialitis (ICD 10: M05.8) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Synoviale Beteiligung bei Lipidstoffwechselstörungen und Speichererkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sarkoidose (ICD 10: M14.8) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diffuse Variante des tenosynovialen Riesenzelltumors (ICD 10 M12.26), sogenannte pigmentierte villonoduläre Synovialitis, PVNS . . . . . . . . . . . Lokalisierte Variante des tenosynovialen Riesenzelltumors, sogenannter tenosynovialer Riesenzelltumor der Sehnenscheide (ICD 10: M12.24) . . . Fremdkörperinduzierte Synovialitis (ICD 10: M65.86, T80.2) . . . . . . . . . Synoviale Chondromatose, Morbus Reichel (ICD 10: Q78.4) . . . . . . . . . Synovialis-Lipom, Lipoma aborescens (ICD-10: D17.7) . . . . . . . . . . . . . Synoviales Hämangiom (ICD 10: D18.08) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eitrige infektiöse Synovialitis (ICD 10: M65.1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Granulomatöse Synovialitiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mykobakterielle Synovialitis (tuberkulöse Arthritis) (ICD 10: M68.0, A18) Granulomatöse Synovialtiden bei Brucellose, mykotischer Infektion und anderen Bakterien/Mikroorganismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
Kristallarthropathien Josef Zustin
4.1 4.2
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chondrokalzinose (Kalziumpyrophosphatdihydrat-Kristallarthropathie, CPPD, CPPDD, Pseudogicht; ICD-10: M11.1-) . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ätiopathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologische Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Apatit-Kalzinose (basische Kalziumphosphat-Arthropathie, BCP-Kalzinose; ICD-10: M11.0-) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ätiopathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.3 4.3.1 4.3.2
29 32 33 33 34 34 35 35 36 36 37 37 37 38 38 38 39 40 41 43 44 45 46 47 47 49 49 50
. . 53 . . . .
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54 54 54 55
. . 56 . . 56 . . 57
| IX
Inhalt
4.3.3 4.3.4 4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.5 4.5.1 4.5.2 4.6
Pathologische Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumorförmige Kalzinose (Morbus Teutschländer; ICD-10: E83.5-) . Gicht (ICD-10: M10.-) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ätiopathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologische Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oxalose (ICD-10: E74.8, M11.8-) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung und Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologische Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit für die Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
Osteoarthrose (ICD 10: M15–M19) Josef Zustin
5.1 5.2 5.3 5.4
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologische Befunde . . . . . . . . . . . . Klassifizierung der Gelenkdegeneration Fazit für die Praxis . . . . . . . . . . . . . . .
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57 58 59 59 59 60 61 61 61 61
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67 69 72 74
6
Pathologie der Wirbelsäule Stephan Söder
6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.2 6.2.1 6.2.2
Nichtneoplastische Erkrankungen der Wirbelsäule Degenerative Erkrankungen der Bandscheiben . . . Herniationen der Bandscheiben (ICD-10: M51) . . . Erkrankungen der Wirbelkörper . . . . . . . . . . . . . . Neoplastische Erkrankungen der Wirbelsäule . . . . Primäre Knochentumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . Knochenmetastasen (ICD 10: C79.5) . . . . . . . . . .
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77 77 79 81 91 91 107
7
Endoprothetik Lars Morawietz und Thorsten Gehrke
7.1 7.2 7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.3
Indikationen und Häufigkeit endoprothetischer Eingriffe . . . . . . . . . . . Probleme der Endoprothetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aseptische und septische Lockerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die periprothetische Lockerungsmembran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arthrofibrose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Histologische Diagnostik der Endoprothesenlockerung (ICD-10: T84.0, T84.5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abriebinduzierter Typ (Typ I) ICD-10: T84.0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Infektiöser Typ (Typ II) ICD-10: T84.5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mischtyp (Typ III) ICD-10: T84.5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indifferenztyp (Typ IV) ICD-10: T84.0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostik im Rahmen des intraoperativen Schnellschnitts . . . . . . . . . . Histopathologische Diagnostik der Arthrofibrose und periprothetischen Ossifikation (ICD-10: T84.8) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arthrofibrose (ICD 10: M24.6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Periprothetische Ossifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
113 114 114 115 116
7.5 7.6
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7.3.1 7.3.2 7.3.3 7.3.4 7.3.5 7.4
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117 118 121 122 123 124 125 125 126
X
|
Inhalt
8
Endoprothetik und Allergie Peter Thomas, J. Schneider, B. Summer und M. J. Flaig
8.1 8.2 8.2.1 8.2.2 8.3 8.3.1 8.3.2 8.3.3 8.4 8.4.1 8.4.2 8.5
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klinische Bilder einer Metallimplantatallergie . . . . . . . . . . . . . . . Hautreaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Reaktionsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Charakteristika einer hyperergen/allergischen Gewebereaktion . . . Allergisches Kontaktekzem (Beispiel Nickel) . . . . . . . . . . . . . . . . Arzneireaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aspekte der periimplantären hyperergen Reaktion (ICD-10: T78.4) Diagnostik bei Verdacht auf Implantatunverträglichkeit . . . . . . . . Anamnese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Epikutantestung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
Infektiöse Erkrankungen des Bewegungsapparates Andreas H. Tiemann und Veit Krenn
9.1 9.1.1 9.1.2 9.1.3 9.1.4 9.1.5 9.1.6 9.1.7 9.1.8 9.2 9.2.1 9.2.2 9.2.3 9.2.4 9.2.5 9.2.6 9.2.7 9.3 9.3.1 9.3.2 9.3.3 9.3.4 9.3.5
Osteitis/Osteomyelitis . . . . . . . . . . . . . . Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inzidenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Histopathologische Differentialdiagnosen Spezifische Osteomyelitis . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gelenkinfektionen (ICD 10: M00.99) . . . Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inzidenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachbehandlung und Rehabilitation . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weichteilinfektionen . . . . . . . . . . . . . . . Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erregerausbreitung . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnostik und Therapie . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10
Begutachtung des Bewegungsapparates Harald Hempfling und Veit Krenn
10.1 10.1.1 10.1.2
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Degeneration und Texturstörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Juristische Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
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129 129 129 130 131 132 132 132 134 135 135 135
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139 139 139 140 141 149 150 151 153 154 154 154 156 156 159 160 161 161 161 161 162 164 164
| XI
Inhalt
10.1.3 10.2 10.3 10.3.1 10.3.2 10.3.3 10.4 10.4.1 10.4.2 10.5 10.5.1 10.5.2 10.6 10.6.1 10.6.2
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169 172 176 176 177 181 181 181 186 186 186 187 189 189
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190 192 192 194 194 195 195 198 198 200
11
Muskelerkrankungen und Neuropathien Joachim Weis
11.1 11.2 11.3 11.4 11.5 11.6 11.7 11.8 11.9 11.10 11.11 11.12 11.13
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Myositiden und andere entzündliche Myopathien . . . . . . . . . . . . . . . . Kongenitale Myopathien, Muskeldystrophien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mitochondriale Myopathien, ICD-10: G71.3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vakuoläre Myopathien, ICD-10: G72.9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neurogene Muskelatrophien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündliche Neuropathien (ICD-10: G62.9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paraneoplastische Neuropathien (ICD-10: G13.0) . . . . . . . . . . . . . . . . Dysimmun-Neuropathien und Amyloid-Neuropathien (ICD-10: G99.0) . Hereditäre Neuropathien (ICD-10: G60.9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Toxische Neuropathien (ICD-10: G62.2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vaskulitiden (ICD-10: I77.6) mit Nerven- und Muskelbeteiligung . . . . . Durchführung von Muskel- und Nervenbiopsien . . . . . . . . . . . . . . . . .
203 204 206 207 207 207 208 208 209 209 209 209 210
12
Vaskulitis Konstanze Holl-Ulrich
12.1 12.2
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Diagnostik von Vaskulitiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214
10.6.3 10.6.4 10.7 10.7.1 10.7.2 10.7.3 10.8 10.8.1 10.8.2
Medizinische Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begutachtung von Knorpelschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Meniskusbegutachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Meniskusschädigung (ICD 10: M23.39). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Histopathologische Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Resultat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begutachtung des Labrum glenoidale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schädigung des Labrum glenoidale (ICD 10: S43.00) . . . . . . . . . . . . . Histopathologische Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begutachtung am Handgelenkdiskus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schädigung des Handgelenkdiskus (ICD 10: S63.50) . . . . . . . . . . . . . Histopathologische Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sehnenbegutachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sehnenschädigung (ICD 10: T14.6, M66.59) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Histopathologische Kennzeichen der Texturstörungen von tendinösem Gewebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Achillessehne (ICD 10: S86.0) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rotatorenmanschette (ICD 10: M75.1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begutachtung von Bandschäden (ICD 10: S83.7) . . . . . . . . . . . . . . . . Bandschädigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Histopathologische Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Patellaluxation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beurteilung der Ganglien (ICD 10: M67.49) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ganglienentstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Histopathologische Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XII
|
12.2.1 12.2.2 12.2.3 12.2.4 12.2.5 12.2.6 12.3 12.3.1 12.3.2 12.3.3 12.3.4 12.3.5 12.3.6
12.3.7 12.3.8 12.4 12.4.1 12.4.2 12.4.3
12.4.4 12.5
Inhalt
Entnahme von Biopsien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 Untersuchungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 Gefäßbefallsmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 Der Begriff „Kleingefäßvaskulitis“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 Entzündungsmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Begutachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Primär systemische Vaskulitiden (PSV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 Riesenzellarteriitis/Arteriitis temporalis (RZA/AT) (ICD-10: M31.5 mit Polymyalgia rheumatica, M31.6 ohne Polymyalgia rheumatica) . . . . . . 218 Takayasu-Arteriitis (ICD 10: M31.4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Klassische Polyarteriitis nodosa (cPAN) (ICD 10: M30.0) . . . . . . . . . . . 223 Kawasaki-Syndrom (ICD 10: M30.3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 ANCA-assoziierte Vaskulitiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Leukozytoklastische Hautvaskulitis (LCV, Synonyme: kutane leukozytoklastische Angiitis, Vasculitis allergica, Hypersensitivitätsvaskulitis, kutane nekrotisierende Vaskulitis, kutane Immunkomplexvaskulitis) (ICD 10: M31.0) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Kryoglobulinämische Vaskulitis (CV) (ICD 10: D89.1) . . . . . . . . . . . . . 237 Purpura Schoenlein-Henoch (PSH) (ICD 10: D69.0) . . . . . . . . . . . . . . 238 Isolierte Organvaskulitiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Isolierte bzw. lokalisierte granulomatöse Arteriitis/Riesenzellarteriitis innerer Organe (ICD 10: M31.6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Isolierte Organvaskulitis innerer Organe vom Typ der Polyarteriitis nodosa (ICD 10: M31.9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Mesenteriale Riesenzellphlebitis (mesenteriale inflammatorische veno-okklusive Erkrankung, enterokolische lymphozytäre Phlebitis) (ICD 10: I80.8) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 Granulomatöse ZNS-Vaskulitis (granulomatous angiitis of CNS, GACNS) (ICD 10: I67.7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Sekundäre Vaskulitiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247
13
Systemische Osteopathien Gabriele Lehmann
13.1 13.1.1 13.1.2 13.1.3 13.2 13.2.1 13.2.2 13.2.3 13.3 13.3.1 13.3.2 13.4 13.5
Knochenentnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entnahmeort und Entnahmetechnik . . . . . . . . . . . . . . . . Bearbeitung des Knochenzylinders . . . . . . . . . . . . . . . . . Färbungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Histomorphometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Knochenzellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Statische histomorphometrische Parameter (Auswahl) . . . Dynamische histomorphometrische Parameter (Auswahl) . Osteoporose (ICD 10: M81.99). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Glukokortikoid-induzierte Osteoporose . . . . . . . . . . . . . Transplantations-Osteoporose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Osteomalazie (ICD 10: M83.99) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Primärer Hyperparathyreoidismus (pHPT) . . . . . . . . . . . .
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253 253 253 254 255 255 257 260 261 264 265 266 268
| XIII
Inhalt
13.6 13.6.1 13.7
Sekundärer Hyperparathyreoidismus (sHPT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Formen der renalen Osteodystrophie (ICD 10: N25.0) . . . . . . . . . . . . . 272 Osteopetrose (ICD 10: Q78.2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275
14
Tumoren des Knochens Gernot Jundt
14.1 14.2 14.2.1 14.2.2 14.2.3 14.2.4 14.2.5 14.2.6 14.2.7 14.2.8 14.2.9 14.2.10 14.2.11 14.3 14.3.1 14.3.2 14.3.3 14.4 14.5 14.5.1 14.5.2 14.5.3 14.6 14.6.1 14.6.2 14.6.3 14.6.4 14.6.5 14.7 14.7.1 14.7.2 14.8 14.8.1 14.8.2 14.9 14.9.1 14.9.2 14.10 14.10.1 14.10.2
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Knorpelbildende Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Osteochondrom (ICD 10: D16.9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Enchondrom (ICD 10: D16.9). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Periostales Chondrom (ICD 10: D16.9) . . . . . . . . . . . . . . . . . Chondroblastom (ICD 10: D16.9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chondromyxoidfibrom (ICD 10: D16.9) . . . . . . . . . . . . . . . . Chondrosarkom (ICD 10: C41.9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Periostales Chondrosarkom (ICD 10: C41.9) . . . . . . . . . . . . . Klarzellchondrosarkom (ICD 10: C41.9) . . . . . . . . . . . . . . . . Dedifferenziertes Chondrosarkom (ICD 10: C41.9) . . . . . . . . Mesenchymales Chondrosarkom (ICD 10: C41.9) . . . . . . . . . Sekundäre Chondrosarkome (ICD 10: C41.9) . . . . . . . . . . . . Knochenbildende Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Osteoid-Osteom (ICD 10: D16.9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Osteoblastom (ICD 10: D16.9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Osteosarkom (ICD 10: C41.9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Riesenzelltumor (ICD 10: D48.0) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rundzellige Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Langerhans-Zell-Histiozytose (ICD 10: C96.5) . . . . . . . . . . . . Ewing-Tumoren (ICD 10: C41.9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Primäres Lymphom des Knochens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vaskuläre Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Epitheloides Hämangiom (ICD 10: D18.00) . . . . . . . . . . . . . Epitheloides Hämangioendotheliom (ICD 10: D48.1) . . . . . . . Angiosarkom (ICD 10: C49.9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Glomustumor (ICD 10: D18.00) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bindegewebige Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Desmoplastisches Fibrom (ICD 10: D21.9) . . . . . . . . . . . . . . Fibrosarkom (ICD 10: C49.9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fibrohistiozytäre Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Benignes fibröses Histiozytom (ICD 10: D21.9) . . . . . . . . . . . Malignes fibröses Histiozytom (ICD 10: C49.9) . . . . . . . . . . . Andere Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chordom (ICD 10: D48.0) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Adamantinom (ICD 10: D48.0). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumorähnliche Läsionen (ICD 10: D16.9) . . . . . . . . . . . . . . . Nicht ossifizierendes Knochenfibrom/fibröser Kortikalisdefekt . Aneurysmatische Knochenzyste (ICD 10: D16.9) . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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281 283 283 284 286 287 289 291 294 295 296 298 301 301 301 305 307 319 321 321 323 325 326 326 327 328 330 332 333 333 335 336 336 338 339 339 341 343 343 344
XIV
|
Inhalt
14.10.3 14.10.4 14.10.5
Solitäre/juvenile Knochenzyste (ICD 10: D16.9) . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 Fibröse Dysplasie (ICD 10: D16.9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 Osteofibröse Dysplasie (ICD 10: D16.9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350
15
Diagnostik und Differentialdiagnostik der Sarkome: Histologie, Immunhistochemie und Molekularpathologie Christopher Poremba
15.1
Benigne und maligne mesenchymale Tumoren: Epidemiologie, Grundlagen der Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zytogenetische Alterationen und Karyotyp-Veränderungen definieren zwei Sarkom-Subgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Detektion chromosomaler Translokationen und ihrer Genfusionstranskripte: charakteristische genetische Veränderungen bestimmter Sarkome Detektion von Punktmutationen bei Sarkomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Detektion minimal residueller Erkrankung („minimal residual disease“) bei translokationspositiven Sarkomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Genetische Tumordispositionen mit Auftreten von Sarkomen . . . . . . . . Zusammenfassung und Ausblick: Moderne Differentialdiagnostik der Sarkome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiele benigner und maligner Weichteiltumoren . . . . . . . . . . . . . . . Benigne Weichteiltumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maligne Weichteiltumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15.2 15.2.1 15.2.2 15.2.3 15.3 15.4 15.5 15.5.1 15.5.2
353 356 357 357 358 358 359 360 360 364
Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371
Autorenverzeichnis
Priv.-Doz. Dr. rer. nat. Claudia Berek Deutsches Rheumaforschungszentrum Berlin B-Zell-Immunologie Chariteplatz 1 10117 Berlin [email protected] Kapitel 2 Prof. Dr. med. Thorsten Gehrke Endo-Klinik Hamburg Holstenstr. 2 22767 Hamburg Kapitel 7 Prof. Dr. med. Harald Hempfling Leitender Arzt Büro Muranu Gabriele-Münter-Platz 2 82418 Murnau [email protected] Kapitel 10 Dr. med. Konstanze Holl-Ulrich Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Lübeck, Institut für Pathologie Ratzeburger Allee 160 23562 Lübeck [email protected] Kapitel 12 Prof. Dr. med. Gernot Jundt Universität Basel Institut für Pathologie Schönbeinstraße 40 4056 Basel [email protected] Kapitel 14
Prof. Dr. med. Veit Krenn Zentrum für Histologie, Zytologie und Molekulare Diagnostik Max-Planck-Str. 18–20 54296 Trier [email protected] Kapitel 1, 3, 9, 10 Prof. Dr. med. Gabriele Lehmann Uniklinik Jena Innere Medizin III Erlangener Allee 101 07747 Jena [email protected] Kapitel 13 Dr. med. Lars Morawietz Charité – Centrum für Diagnostische und Präventive Labormedizin (CC5) Institut für Pathologie – Campus Mitte Chariteplatz 1 10117 Berlin [email protected] Kapitel 7 Prof. Dr. med. Christopher Poremba Zentrum für Histologie, Zytologie und Molekulare Diagnostik Max-Planck-Str. 18–20 54296 Trier [email protected] Kapitel 15 Prof. Dr. med. Thomas Schnalke Berliner Medizinhistorisches Museum der Charité Chariteplatz 1 10117 Berlin [email protected] Kapitel 1
XVI
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Autorenverzeichnis
Dr. med. J. Schneider Ludwig-Maximilians-Universität Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie Frauenlobstr. 9–11 80337 München [email protected] Kapitel 8
Prof. Dr. med. Peter Thomas Ludwig-Maximilians-Universität Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie Frauenlobstr. 9–11 80337 München [email protected] Kapitel 8
Dr. med. Stephan Söder Universität Erlangen Pathologisches Institut Krankenhausstr. 12 91054 Erlangen [email protected] Kapitel 6
Prof. Dr. med. Joachim Weis Universitätsklinikum der RWTH Institut für Neuropathologie Pauwelsstr. 30 52074 Aachen [email protected] Kapitel 11
Dr. rer. nat. B. Summer Ludwig-Maximilians-Universität Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie Frauenlobstr. 9–11 80337 München [email protected] Kapitel 8
Dr. med. Jozef Zustin Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Institut für Pathologie Martinistr. 52 20251 Hamburg [email protected] Kapitel 4, 5
Prof. Dr. med. Andreas H. Tiemann BG Kliniken Bergmannstrost Merseburger Str. 165 06112 Halle/Saale [email protected] Kapitel 9
Abkürzungen
ACE ACPA ADO AKZ ALS ALVAL ANCA ap AR ARA ARO AUB BCP BMI BWK c-ANCA CCS CHCC CIAP CIDP CKD (c)PAN CPPA CPPD CRMO CRP CT CTLA4 CV DBS DD DFSP DGU DIF DISH DXA ECT EMA ES ESSG
Angiotensin-converting enzyme Antikörper mit Spezifität für citrullinierte Peptidantigene autosomal dominante Osteopetrose aneurysmatische Knochenzyste Amyotrophe Lateralsklerose aseptic lymphocytic vasculitis-associated lesion Antineutrophilen-cytoplasmatische Antikörper anterior-posterior Arzneireaktion(en) American Rheumatology Association autosomal rezessive Osteopetrose Allgemeinen Versicherungsbedingungen basisches Kalziumphosphat Body-Mass-Index Brustwirbelkörper zytoplasmatische ANCA (gegen Proteinase 3) Churg-Strauss-Syndrom Chapel-Hill Consensus Conference chronisch-inflammatorische axonale Polyneuropathie chronisch-inflammatorische demyelinisierende Neuropathie chronic kidney disease (klassische) Polyarteriitis nodosa Kalziumpyrophosphatarthropathie Chondrokalzinose chronische rekurrente multifokale Osteomyelitis C-reaktives Protein Computertomografie cytotoxic T-lymphocyte antigen 4 kryoglobulinämische Vaskulitis Durchblutungsstörung Differentialdiagnose Dermatofibrosarcoma protuberans Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie direkte Immunfluoreszenz diffuse idiopathic skeletal hyperostosis Dual-X-Ray-Absorptiometrie Epikutantest epitheliales Membranantigen Ewing-Sarkom European Spondylarthropathy Study Group
XVIII
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Abkürzungen
EvG FDG FISH FUK GAP GC GFR GIST GN GUV HBV HCV HE HLA HPF IFN IL IPEX-syndrome ISSVA KDIGO KM LCA LCV LJ LWK MALT MCP MdE MFH MIQ MMP MPA MPNST MPO MRT NG NITEGE NOF NSE NTPPPH OA PAD p-ANCA PAS PCR PDGF
Elastica-van-Gieson Fluorodesoxyglukose Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung Fläche unter der ROC-Kurve GTPase-aktivierendes Protein Glukokortikoide glomerulären Filtartionsrate gastrointestinale Stromatumoren Glomerulonephritis gesetzliche Unfallversicherung Hepatitis-B-Virus Hepatitis-C-Virus Hämatoxylin-Eosin Humanes Leukozyten-Antigen high power field Interferon Interleukin immunodysregulation polyendocrinopathy enteropathy X-linked syndrome International Society for the Study of Vascular Anomalies Kidney Disease Improving Global Outcomes Kontrastmittel leucocyte common antigen leukozytoklastische Vaskulitis Lebensjahr Lendenwirbelkörper mucosa associated lymphoid tissue Metacarpophalangealgelenk Minderung der Erwerbsfähigkeit malignes fibröses Histiozytom Mikrobiologisch-infektiologische Qualitätsstandards Matrixmetalloproteinase mikroskopische Polyangiitis maligner peripherer Nervenscheidentumor Myeloperoxidase Magnetresonanztomografie neutrophile Granulozyten G1-Fragment des Aggrecans nicht ossifizierendes Fibrom neuronenspezifische Enolase Nukleosidtriphosphatase-pyrophosphohydrolase Osteoarthrose Peptidyl-Arginin-Deiminase perinukleäre ANCA (meist gegen MPO) periodic acid-Schiff reaction Polymerase-Kettenreaktion platelet derived growth factor
Abkürzungen
PE PET pHPT PIP PMMA PNET PNET PNS PPi PSA PSH PSI PSV PUV PVNS RA RANK RF ROD RT-PCR SE SFT sHTP SLAP SLE SNP SRP SS TGF-β TH TNFα Treg VEGF WG WHO WS
Polyethylen Positronenemissionstomografie primärer Hyperparathyreoidismus proximale Interphalangealgelenke Polymethylmethacrylat peripherer neuroektodermaler Tumor primitive neuroendokrine Tumoren peripheres Nervensystem Pyrophosphat prostataspezifisches Antigen Purpura Schoenlein-Henoch posterior-superiores Impingement primär systemische Vaskulitis private Unfallversicherung Pigmentierte villonoduläre Synovialitis Rheumatoidarthritis Receptor Activator of NF-κB Rheumafaktor renale Osteodystrophie Realtime-PCR gemeinsames (shared) epitope solitäre fibröse Tumoren sekundärer Hyperparathyreoidismus superior labrum anterior to posterior systemischer Lupus erythematodes single nucleotid polymorphism signal-recognition particel Synovialsarkom transforming growth factor β T-Helferzelle Tumornekrosefaktor α T-Regulatorzelle vascular endothelial growth factor Wegener-Granulomatose World Health Organization Wirbelsäule
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1 Im Virchow-Modus – Präparate zur Pathologie des Bewegungsapparates aus dem Berliner Medizinhistorischen Museum der Charité Thomas Schnalke und Veit Krenn
1.1 Einleitung Rudolf Virchow genoss den Augenblick. Sein gesamtes berufliches Leben hatte der in der Welt hoch geachtete Berliner Pathologe auf diesen Moment hin gearbeitet. Am 27. Juni 1899 konnte der 77-Jährige vor einer großen Schar geladener Gäste das auf dem nordwestlichen Gelände der Charité errichtete Pathologische Museum der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin eröffnen. Der Bau trug seine Handschrift. An einem Seitenarm der Spree, dem Alexanderufer, gelegen, bot das Museum über fünf weitläufige und lichtdurchflutete Geschossebenen mit insgesamt 2.000 m2 Schaufläche hinweg Platz für Virchows einzigartige, 23.066 Einzelobjekte umfassende Sammlung humanpathologischer Feucht- und Trockenpräparate. In doppelter Weise sollten diese Stücke zum Einsatz kommen: als Lehrmittel im Rahmen der systematischen Vorlesungen zu Grundlagen und speziellen Aspekten der Pathologie – hierfür hatte sich Virchow einen eigenen amphitheatralisch gebauten Hörsaal ausbedungen, der als integraler Baukörper des Museumsgebäudes mit den Schauräumen kurzgeschlossen war – und als Schauobjekte für die allgemeine interessierte Öffentlichkeit. Ihr überließ er immerhin zwei der fünf Etagen, eigens mit höher gezogenen Wänden und repräsentativer ausgestattet: quasi ein Museum im Museum. Mit seinen Präparaten verfolgte Rudolf Virchow (1821–1902) ein besonderes Ziel. Über die Flure des Museums hinweg sollten sie ein begehbares Inventar aller menschlichen Krankheiten eröffnen. Die Betrachter, egal ob Studenten, ärztliche Kollegen oder Laien, sollten vor den langgezogenen Stahl-Glas-Vitrinen die Entwicklungen der dokumentierten Krankheiten in ihrem Verlauf vom ersten Anheben der unter der Haut in den betroffenen Organen sichtbar werdenden Symptomatik bis in das möglicherweise finale Stadium hinein optisch nachvollziehen können. Hierzu wollte Virchow über eine oder mehrere horizontal gezogene Regalebenen hinweg „ganze Reihen“ (Virchow, 1899, S. 21) von Präparaten des immer gleichen Organs zeigen, in welchen der Betrachter Schritt für Schritt die feinen Unterschiede im fortschreitenden Krankheitsprozess mit einem zu schulenden vergleichenden Blick erfassen und verinnerlichen könnte. In seiner Rede anlässlich der Eröffnung des Museums äußerte sich Virchow enthusiastisch über den Schauwert seiner Präparate. Er pries sie als „wirkliche Bilder“ (Virchow, 1899, S. 9), die dem interessierten wie forschenden Blick eine „unmittelbare Anschauung“ (Virchow, 1899, S. 6) böten. Gerade die Unmittelbarkeit des Beobachtungsgegenstandes war für den wissenschaftlich ambitionierten wie auch für den klinisch orientierten Pathologen stets von allerhöchster Wichtigkeit.
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1 Im Virchow-Modus – Präparate zur Pathologie des Bewegungsapparates
Lange Zeit ließ Virchow für seine Arbeit nur das Substrat und den Aspekt des frisch eröffneten Leichnams als Wahrnehmungsgrundlage für weitergehende makroskopische und mikroskopische Studien oder zu vermittelnde Erkenntnisse gelten. Bildhafte Dokumente wie Illustrationen, Nachbildungen und zur Verdeutlichung bestimmter Sachverhalte gefertigte Präparate sammelte er zwar mit aller Entschiedenheit und setzte sie auch für seine wissenschaftlichen und didaktischen Belange ein; allerdings war er sich der jeweiligen Nachteile dieser Medien stets bewusst und äußerte sich hierzu wiederholt kritisch. Noch 1890 betonte er, dass der „Anfänger [auf dem Gebiet der Pathologie …] die pathologischen Objekte in ihrer ursprünglichen Gestalt, namentlich in ihrer natürlichen Farbe und Konsistenz kennen lernen“ (Virchow, 1890, S. 77) müsse. Nur das Studium an frischen Leichnamen könnte diesen Anspruch erfüllen. Konservierte Präparate würden hierbei versagen, da sie „häufig so verändert [sind], dass ihre Betrachtung in der Erinnerung des Lernenden falsche Eindrücke hinterlässt“ (Virchow, 1890, S. 77). Jedoch sei die Vorstellung frischer Fälle immer nur ein Element des pathologischen Unterrichts. Sinnvollerweise seien sie stets zu ergänzen durch systematische Vorlesungen, in welchen „die verschiedenen Einzelveränderungen, welche uns als unmittelbare Ergebnisse der objektiven Beobachtung bekannt geworden sind, zu ordnen [sind, um] daraus Gruppen zu bilden, welche den im Leben beobachteten Krankheiten parallel sind und welche zu diesen in ein nahes Verhältnis gebracht werden müssen“ (Virchow, 1890, S. 86). Präparate waren nach Virchows Auffassung in diesem Zusammenhang unverzichtbar, da nur höchst selten frische Organe für den festgelegten Lehrinhalt am entsprechenden Tag zur Verfügung stünden. Der Lehrer müsste sich jedoch leider, so der Pathologe, „damit begnügen, ältere Präparate vorzuführen, die inzwischen längst ihre Farbe verloren, häufig auch ihre ursprüngliche Konsistenz, ihre Grösse und Gestalt geändert haben“ (Virchow, 1890, S. 87). Ein Ersatz des „frischen Materials durch Wachs- oder Gypsmodelle, Abbildungen u. s. f.“ (Virchow, 1890, S. 87) sei zwar sehr nützlich, allerdings seien diese Surrogate für den handfesten Einsatz im Unterricht zu delikat. Aufgrund ihrer Fragilität und Kostbarkeit verböte es sich, diese Gegenstände durch die Zuhörerreihen wandern zu lassen. „Es bleibt daher nichts Anderes übrig“, so Virchow 1890 in seinem Resümee, „als die Vorzeigung der verblassten SammlungsPräparate und die nachträgliche Betrachtung der aufgestellten Modelle und Abbildungen“ (Virchow, 1890, S. 87). Wie erklärt sich vor dem Hintergrund dieser Aussagen Virchows grenzenlose Begeisterung für seine Präparate zur Eröffnung des Pathologischen Museums im Jahre 1899? Virchow selbst verwies in seiner Eröffnungsrede auf den Grund: Erst wenige Jahre zuvor, 1896, hatte sich an seinem Institut für Pathologie eine technische Revolution ereignet. Virchows wissenschaftlichem Mitarbeiter, dem auch für die Sammlung zuständigen Pathologen Carl Kaiserling (1869–1942), war es gelungen, mithilfe neuer Substanzmischungen ein Fixier- und Konservierungsverfahren zu entwickeln (Kaiserling, 1896), das den Aspekt frisch entnommener Organe unverändert bannte und Form und Farbe der gefertigten Präparate über Jahre hinweg – die (berechtigte) Hoffnung war: auf Dauer – konstant erhielt. Inzwischen hatte Kaiserling seine Technik „mit grosser Virtuosität“ (Virchow, 1899, S. 8) ausgebaut und bei seinem Chef einen grundlegenden Sinneswandel bewirkt. Der frische Leichnam und nach neuestem Standard gefertigte Präparate rangierten in Virchows didaktischer Gunst nun gleichauf. Die Präparate besaßen für ihn inzwischen
1.1 Einleitung
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jedoch gegenüber dem immer nur zufällig verfügbaren und stets rasch vergänglichen Leichnam den entscheidenden Vorteil, dass sie den morphologischen Aspekt des Krankhaften aus der zeitlichen Veränderlichkeit organischer Prozesse freisetzten und den Befund gewissermaßen auf Dauer stellten. Sie ließen sich überdies im großen Stile sammeln und derart arrangieren, als wäre der menschliche Körper in all seinen krankhaften Erscheinungsformen im Schauraum so präsent, wie ihn der Pathologe im Augenblick der Leicheneröffnung zu Gesicht bekam und wie er sich den Verlauf der Krankheiten aufgrund seiner Erfahrungen in einer langjährigen Sektionspraxis rekonstruieren konnte. Im Brustton seiner neu gewonnenen Begeisterung für das Präparat konnte Virchow nun fordern: „Der Fortschritt, der sich jetzt vollzogen hat, würde, wenn er allein existirte, schon ausreichen, um zu motiviren, dass man ein besonderes Museum dafür braucht. Alle die alten Museen müssen nun allmählich reformirt und in die neuen Formen übergeführt werden“ (Virchow, 1899, S. 9). Sein eigenes Museum hatte Virchow freilich schon zur Gründung auf den neuen Standard eingeschworen. Über das gesamten 20. Jahrhundert hinweg fühlten sich alle Nachfolger Rudolf Virchows im Amt des Lehrstuhlinhabers für Pathologie an der Charité dem Virchow-Modus einer form- und farberhaltenden Präparatefertigung verpflichtet. Auf Grundlage des Kaiserling-Verfahrens, später auch der von Leonhard Jores (1866–1935), einem in Marburg an der Lahn und in Kiel lehrenden Pathologen, angegebenen Technik, mehrten sie die Bestände kontinuierlich. Obgleich durch Bombentreffer im Jahre 1944/45 und durch einen Dachstuhlbrand 1957 stark dezimiert, hat sich die Sammlung bis heute mit rund 10.000 Präparaten aus dem Zeitraum von 1729 bis 2000 erhalten. Während der öffentliche Ausstellungsbereich des Pathologischen Museums aufgrund der finanziellen Engpässe und der personell aufwendigen Betreuung spätestens mit Ende des Ersten Weltkriegs geschlossen und der gesamte Präparatebestand seitdem ausschließlich als Lehr- und Studienmittel für den fachinternen Unterricht genutzt worden war, war nach dem Zweiten Weltkrieg aufgrund des stark zerstörten Museumsgebäudes und der notwendigen Fremdnutzung des renovierten Bauwerks für anderweitige Charité-Belange an einen Museumsbetrieb im ursprünglichen Sinne für lange Zeit nicht zu denken. Seit 1998 gibt es an gleicher Stelle wieder ein Museum, allerdings kein Pathologisches Museum mehr im Virchow-Stil. Vielmehr befindet sich im selben Gebäude das Berliner Medizinhistorische Museum der Charité. Es verfolgt in seiner Dauerausstellung zwar das weiter gefasste Ziel, Einblicke in die Entwicklung der naturkundlich und naturwissenschaftlich gegründeten Medizin der letzten 300 Jahre zu geben, jedoch steht im Zentrum der Präsentation nach wie vor die von Rudolf Virchow und seinen Mitarbeitern maßgeblich ausgefeilte Praktik des pathologischen Sezierens und Präparierens. Das Herzstück der Schausammlung ist ein großer Saal mit etwa 750 humanpathologischen Feucht- und Trockenpräparaten, die – in originalen Virchow-Vitrinen dargeboten – nach wie vor einen Gang durch die Anatomie des menschlichen Körpers anbieten, um für jedes aufgerufene Körpersystem ein Spektrum verschiedener Erkrankungen sowie ein spezifisch zugeordnetes besonderes Krankheitsbild vorzustellen. Die von vielen Besucherinnen und Besuchern des Museums immer wieder von Neuem wahrgenommene Brillanz der Präparate hat einen Grund: die form- und farberhaltende, an gleicher Stätte vor über 100 Jahren entwickelte Fixier- und Konservierungstechnik, die bis heute im Museumslabor mit höchstem restauratorischem Anspruch gepflegt und weiterentwickelt wird. Maßgabe für die öffentliche Präsentation
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1 Im Virchow-Modus – Präparate zur Pathologie des Bewegungsapparates
der Präparate im Museum ist unter anderem, sehr im Sinne Virchows, der optimale Erhaltungszustand der gezeigten Stücke. Gar nicht selten erweisen sich auch ältere Stücke als ursprünglich so gut gearbeitet, dass sie mit wenig Aufwand in die Regale der Schauvitrinen eingestellt werden können. So kam und kommt es bei den Feuchtpräparaten insbesondere darauf an, wie gut und dicht die Präparategläser verschlossen und versiegelt sind. Häufig müssen jedoch die Konservierungsflüssigkeiten ergänzt oder im Fall von Verunreinigungen und Eintrübungen durch die Präparatorin ausgetauscht und dabei die Organe in den Behältnissen neu positioniert und fixiert werden. Durch die didaktische Platzierung des präparierten Organs – als Trockenpräparat auf einer Halterung, als Feuchtpräparat im Glas – wird das Objekt zum Bild. Das Präparat zeigt sich dem Betrachter idealerweise mit seinen intendierten Schauflächen in jener Pose, die spezifische Krankheitszeichen für den forschenden oder lernenden Blick eindeutig und anschaulich kenntlich machen. Verantwortlich für dieses gestaltende Arrangieren ist die Präparatorin (an anderen Orten der Präparator), die ihre Ideen zum einen aus der Mitarbeit im Seziersaal und zum anderen vor allem auch aus der Wahrnehmung der eigenen überkommenen, aber auch fremder aktueller und historischer Sammlungsbestände bezieht. Somit lebt und arbeitet diese plastische Illustratorin in einer sehr eigenen Bilderwelt, die eigene Bildtypen kennt und eine eigene Bildersprache entwickelt hat. In diesem bildlichen Vokabular liegt der Keim einer ganzen medizinischen Ikonografie, in die über Generationen hinweg nicht nur spezifische Körper- und Menschenbilder eingeflossen sind, sondern die zugleich auch in ihrer nach wie vor ungebrochenen Unmittelbarkeit eine plastische Anschauung bietet, die dem Betrachter selbst im Zeitalter digitaler Bilderwelten den Atem nimmt. Aus jenen Beständen des Berliner Medizinhistorischen Museums der Charite, die im engeren und weiteren Sinne Krankheiten des Bewegungssystems dokumentieren, wurden für die folgende Bilderstrecke1 exemplarisch acht Präparate ausgewählt. Diese dokumentieren zum einen Spektrum und Reichhaltigkeit eines umschriebenen Teilbestands. Zum anderen sind sie vor allem für den lesenden Betrachter als Angebot gedacht, sich diesen Objekten mit einem klaren medizinisch gefassten Blick erneut zuzuwenden, um darin das historische, typische oder auch individuell Besondere zu entdecken. In einem doppelten Zugriff wird im vorliegenden Band jedes Präparat auf zwei Zeitebenen kommentiert: über eine historische Bestimmung auf der Grundlage noch vorhandener Sektionsprotokolle und im aktuellen Kommentar des pathologischen Experten. Damit gerät das Präparat zu einem epistemischen Ding, zu einem Objekt, um das sich Erkenntnisspiralen legen lassen, die sich aus der historischen Betrachtung und der aktuellen Analyse miteinander verschränken. Diese liefern Ausgangspunkte für kleinere und größere Objektgeschichten, aus welchen sich Impulse für eine fortzusetzende Forschung ableiten lassen.
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Wir danken Navena Widulin, Präparatorin des Berliner Medizinhistorischen Museums der Charité, für die Bereitstellung und konservatorische Bearbeitung der historischen Präparate und Christoph Weber, Fotograf des Instituts für Pathologie der Charité, für die Anfertigung aller PräparateBilder.
1.2 Präparate mit spezifischen Krankheiten des Bewegungssystems
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1.2 Präparate mit spezifischen Krankheiten des Bewegungssystems 1.2.1 Gichttophi über Achillessehne und Großzehe Der 60-jährige Patient verstarb 1961. Bei einer Körpergröße von 170 cm war er stark übergewichtig. Im Sektionsprotokoll findet sich zu den Extremitäten folgender Lokalbefund: „Die Gelenke sind alle verdickt, besonders erscheinen an den großen Gelenken des Armes und des Beines über pflaumengroße derbe Knoten unter der Haut, die im Gebiet der Ellenbogen mehrfache Aufbrüche und kleine Fisteln zeigen. Das Gewebe darunter ist weißlich krümelig-bröckelig. Die Knoten sind im Allgemeinen verschiebbar. Die linke Hand ist ödematös und angeschwollen. Im Bereich beider Achillessehnen sind bis etwa pflaumengroße, weißgrau Knoten sichtbar, die ebenfalls aus einer krümeligen Masse bestehen. Der linke große Zeh ist erheblich verdickt und zeigt mehrfache Knoten. Das Metatarsophalangealgelenk ist verbreitert und enthält krümelig-grauweiße Massen. Die Oberfläche des Gelenkknorpels erscheint rau. Kleinere Knötchen lassen sich auch an den übrigen Zehen erkennen.“ Aktueller Kommentar Die für eine Gicht charakteristischen morphologischen Läsionen sind die knotigen Gichttophi (Uratkristall-Ablagerungen mit angrenzender Fibrose und Makrophagen-/ Riesenzellreaktion) in den periartikulären Weichteilen und in fortgeschrittenen Läsionen auch im Knochen/Gelenk. Am Präparat sind subkutane Knoten im Gelenkbereich erkennbar, die freigelegten Knoten bestehen aus dicht gepackten gelblichen Depositionen. Im Bereich des Gelenkes können sich fokal destruktive Läsionen mit Aufhebung des Periostes oder intraossärer Invasion entwickeln. Das Präparat demonstriert in anschaulichster Weise die typischen Veränderung der Gicht in der sogenannten tophösen Verlaufsform.
Abb. 1.1: Gichttophi über Achillessehne und Großzehe, 1961, Feuchtpräparat, 60 Jahre, ♂, BMM, Inv.-Nr. 164/1961.
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1 Im Virchow-Modus – Präparate zur Pathologie des Bewegungsapparates
1.2.2 Arthrosis deformans beider Kniegelenke Die 1960 im Alter von 63 Jahren verstorbene Patientin war 152 cm groß und wog 62,5 kg. Im Sektionsprotokoll finden sich zu den Veränderungen an ihren Knien folgender Lokal- und Histologiebefund: makroskopisch: „Femur: Der Knorpelüberzug des Kniegelenkes fehlt. Die Struktur der Gelenkfläche ist durch knöcherne Auflagerung mit rauer Oberfläche weitgehend zerstört.“ Mikroskopisch: „Gelenkkapsel, H. E., van Gieson: Kollagenfaserreiches Bindegewebe. Die Lumina der kleinen Gefäße erscheinen auffallend eng. Dabei enthält die verdickte Wandung reichlich Zellen mit ovalären chromatinreichen Kernen, die mit ihrer Längsachse radiär zum Zentrum stehen. Granulome sind nicht erkennbar.“ Aktueller Kommentar Der Arthrosis deformans (heute: Osteoarthrose/Arthrose) liegt eine degenerative Erkrankung des hyalinen Gelenkknorpels zugrunde, welcher Ausdruck einer gestörten Balance zwischen anabolen und katabolen Faktoren des Gewebes ist. Morphologisch ist dies durch einen Abbau und regeneratorischen Aufbau des Gewebes erkennbar. Beide, nebeneinander auftretende Vorgänge sind am Präparat sehr gut erkennbar: Die abgebaute Knorpeloberfläche ist glatt. Angrenzende, erhaben und unregelmäßig begrenzte Areale bestehen aus regenerativ enstandenem und funktionell minderwertigem Regeneratknorpel. Die unregelmäßige Begrenzung an der Gelenkflächenperipherie ist durch reaktive Knochenneubildung (sogenannten Osteophyten) bedingt. Auch heute noch sind die fortgeschrittenen Stadien der Arthrose (Grad IV nach Otte) prävalent, eine optimale Therapie besteht in der Endoprothesen-Implantation.
Abb. 1.2: Arthrosis deformans beider Kniegelenke, 1960, Feuchtpräparat, 63 Jahre, ♀, BMM, Inv.-Nr. 88/1960.
1.2 Präparate mit spezifischen Krankheiten des Bewegungssystems
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1.2.3 Empyem des rechten Kniegelenks bei Polyarthritis rheumatica Die 1956 verstorbene Patientin war 57 Jahre alt. Zu Körpergröße und -gewicht finden sich keine Angaben. Hinsichtlich des rechten Kniegelenks weist das Sektionsprotokoll folgende Befunde auf: makroskopisch: „Das rechte Kniegelenk wird eröffnet. Aus der verdickten und mit dicken Fibrin- und Eitermassen bedeckten Kapsel entleert sich eine reichliche Menge nicht riechenden milchigen Eiters. Auch die Gelenkflächen zeigen Eiter- und Fibrinauflagerungen. In den Recessus des Kniegelenks ist der Eiter stark eingedickt.“ Mikroskopisch: „Kniegelenkskapsel, H. E.: Die Kapsel zeigt stärkere fibrinöse Auflagerungen, die reichlich mit Leukozyten durchsetzt sind. Die Leukozyteninfiltrate erstrecken sich bis tief in das Innere der Kapsel. In der Umgebung der Gefäße zum Teil stärkere Anhäufung von Histiozyten, die jedoch an keiner Stelle das typische Bild von Aschoff’schen Knötchen erkennen lassen.“ Aktueller Kommentar Das Wesen der rheumatoiden Arthritis (früher Polyarthritis rheumatica) besteht in einer ausgeprägten chronischen Synovialitis (sog. „high-grade“-Synovialitis), die unbehandelt zur vollständigen Zerstörung von Gelenkknorpel, Gelenkknochen, Gelenkbinnenstrukturen und periartikulärem Weichgewebe führt. Die Pathogenese ist ungeklärt, die wahrscheinlichste Deutung ist eine immunologische Dysbalance in der spezifischen Immunantwort. Das vorliegende Präparat demonstriert diese umfassende Gelenkzerstörung. Die Fibrinauflagerungen sind als Zeichen einer hohen floriden entzündlichen
Abb. 1.3: Empyem des rechten Kniegelenks bei Polyarthritis rheumatica, 1956, Feuchtpräparat, 57 Jahre, ♀, BMM, Inv.-Nr. 929/1956.
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Komponente zu interpretieren. Ob es sich hierbei um eine mögliche zusätzliche bakterielle Infektion handelt oder ob die Leukozyteninfiltrate eben als Ausdruck einer hohen sogenannten aktuellen entzündlichen Aktivität zu interpretieren sind, ist makroskopisch nicht zu beantworten.
1.2.4 Osteoporose der Wirbelsäule Die 1954 im Alter von 50 Jahren verstorbene Patientin war 156 cm groß und 65 kg schwer. Im Sektionsprotokoll findet sich folgender Lokalbefund: „Knochensystem: Das gesamte Knochensystem ist stark porotisch. Die Osteoporose wird besonders im Bereich der Wirbelkörper deutlich, die stärkstens abgeflacht sind unter kompensatorischer Ausdehnung der Zwischenwirbelscheiben. Diese Veränderungen sind besonders im Bereich der Cervical- und Lumbalwirbelsäule ausgeprägt. Das Knochenmark des Femur zeigt keine Regeneration, obwohl eine stärkere Anämie besteht.“ Aktueller Kommentar Definiert ist die Osteoporose als ein „Knochengewebebilanzdefizit“. Histopathologisch ist diese durch eine Rarefizierung der Trabekel und eine Reduktion der intertrabekulären Vernetzung des spongiösen Knochengewebes gekennzeichnet. Funktionell ist dies mit einer reduzierten Belastungsfähigkeit mit hoher Frakturneigung des Knochengewebes verbunden. An dem vorliegenden Präparat ist die Folge der reduzierten Belastungs-
Abb. 1.4: Osteoporose der Wirbelsäule, 1954, Feuchtpräparat, 50 Jahre, ♀, BMM, Inv.-Nr. 424/ 1954.
1.2 Präparate mit spezifischen Krankheiten des Bewegungssystems
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fähigkeit durch die Reduktion der Wirbelkörperhöhe (diese wirken im Vergleich zu den Zwischenwirbelscheiben verkürzt) gut erkennbar. Der unterste Wirbelkörper zeigt seitlich eine Kompression des Knochengewebes durch die kompensatorisch verbreiterte Zwischenwirbelscheibe. Dieser Befund stellt eine sogenannte Kompressionsfraktur dar.
1.2.5 Spondylitis tuberculosa Bei der 1960 verstorbenen Frau handelte es sich um eine 72-jährige Patientin mit einer Körpergröße von 150 cm und einem Körpergewicht von 32 kg. Zur Lendenwirbelsäule findet sich im Sektionsprotokoll folgender Lokalbefund: „A. d. S. [Auf der Seite] erkennt man vom 1. LWK nur noch das craniale, vom 2. LWK das caudale Drittel. Zwischen den beiden Wirbelkörperresten liegt eine etwa walnußgroße, mit dickrahmiger, gelbweißer Flüssigkeit gefüllte Höhlung. Ein Discus intervertebralis ist nicht erkennbar. Zwischen der Höhlung und den Wirbelkörperresten finden sich konfluierende, etwa haselnußgroße, grauweiße Knötchen käseartiger Konsistenz. Die gleichen Herde begrenzen die Höhlung nach dorsal, wo sie das Lig. longitudinale commune dorsale in den Wirbelkanal vordrängen, und diesen dadurch zur Hälfte stenosieren. Das Lendenmark ist dadurch geringgradig komprimiert.“ Aktueller Kommentar Im Rahmen einer hämatogenen Tuberkulose ist am häufigsten die Wirbelsäule betroffen. Bei der Spondylitis tuberculosa werden typischerweise zwei benachbarte Wir-
Abb. 1.5: Spondylitis tuberculosa, 1960, Feuchtpräparat, 72 Jahre, ♀, BMM, Inv.-Nr. 129/1960.
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1 Im Virchow-Modus – Präparate zur Pathologie des Bewegungsapparates
belkörper befallen. Bei chronifiziertem Verlauf entwickelt sich die am Präparat gut sichtbare Komplikation einer Rückenmarkskompression. Aktuell erfährt dieses Erkrankungsbild durch multiresistente Mykobakterien und durch AIDS eine erneute Bedeutung.
1.2.6 Ewing-Sarkom im linken Humerus (histologisch: polymorphzelliges Retikulumzellsarkom) Bei dem 1963 verstorbenen Patienten handelte es sich um einen 20-jährigen Mann mit einer Körpergröße von 156 cm und einem Körpergewicht von 56,5 kg. Im Sektionsprotokoll finden sich zum ausgedehnten Tumor im linken Oberarmknochen folgende Befunde: makroskopisch: „Mannsfaustgroßer weicher weißer Tumor im Markraum der linken Humerusdiaphyse, der die Cortikalis des Knochens auseinandertreibt, mit Fraktur im Tumorbereich.“ Mikroskopisch: „Humerustumor, H. E., van Gieson, Tibor Pap, Tibor Pap und Haemalaun: In einem Balkenwerk von kollagenen Fasern liegen teils diffus, teils alveolär und trabekulär, vereinzelt auch rosettenförmig angeordnete Geschwulstzellen mit kleinen, teils runden, teils polygonalen hyperchromatischen Kernen, die durch feine Ausläufer, die nicht immer argyrophil sind, miteinander in Verbindung stehen. Es fallen Blutungen, Nekrosen und Verflüssigung von Geschwulstzellen und Stroma auf. Diagnose: Polymorphzelliges Retikulumzellsarkom.“
Abb. 1.6: Ewing-Sarkom, 1963, Feuchtpräparat, 20 Jahre, ♂, BMM, Inv.-Nr. 608/1963.
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Aktueller Kommentar Bei dem Ewing-Sarkom handelt es sich um den dritthäufigsten hochmalignen Knochentumor des Kindesalters (Erkrankungsmaximum: erste und zweite Lebensdekade). Das vorliegende Präparat zeigt einen ausgedehnten sarkomatösen Prozess, welcher zur Kortikalisrarefizierung und -destruktion führt. Hierdurch wird eine der möglichen Erstsymptomatiken dieser Erkrankung, „spontane Knochenfraktur“ verständlich. Das typische histologische Bild besteht in den beschriebenen kleinen, lymphozytenähnlichen Zellen mit polygonalen und hyperchromatischen Kernen. Die definitive Diagnose erfolgt heute neben der Morphologie durch den Nachweis einer für das EwingSarkom charakteristischen chromosomalen Translokation t(11;22)(q24;q12).
1.2.7 Winddorn des linken Femur Zu der vor 1796 verstorbenen Patientin „von einigen 30 Jahren“ haben sich keine allgemeinen Angaben erhalten. Das Präparat des linken proximalen Oberschenkelknochens fand Eingang in die Sammlung der Berliner Anatomen Johann Gottlieb Walter (1734–1818) und Friedrich August Walter (1764–1826). Im 1796 erschienenen Katalog des Walterschen „Anatomischen Museums“ findet sich folgende Beschreibung des „Winddorns“, das heute als tuberkulöse Veränderung des Knochens gedeutet wird: „Das Oberschenkelbein der linken Seite, welches ein Paar Zoll unter dem kleinen Trochanter abgenommen. […] Fast der ganze Körper und das ganze untere Ende des Oberschenkelknochens sind durch diese Art des Winddorns angegriffen. Der Knochen ist sehr aufgetrieben. Sein äußerer Umfang beträgt 18 Zoll. Er ist ganz blätterartig und
Abb. 1.7: Winddorn, vor 1796, Trockenpräparat, 30–40 Jahre, ♀, M. A., BMM, Inv.-Nr. 1796/ 419.
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1 Im Virchow-Modus – Präparate zur Pathologie des Bewegungsapparates
hin und wieder durchlöchert, so daß man Zellen in ihm findet, und er beinah einem Bienenstokke ähnlich siehet.“ Aktueller Kommentar Histopathologisch und ätiologisch liegt dem Winddorn eine ungewöhnlich proliferativ verlaufende Osteomyelitis zugrunde. Das Wesen einer chronischen Osteomyelitis ist die kontinuierliche Bildung von neuem Knochen (sog. Geflechtknochen). Somit führt eine bakterielle Infektion des spongiösen Knochengewebes (Osteomyelitis) bei fehlender antibiotischer Therapie zu einem kontinuierlichen Knochenneubildungsprozess. Dieses Präparat veranschaulicht in eindruckvollster Art und Weise die Möglicheit einer reaktiven Knochenneubildung bedingt durch eine chronische bakterielle Infektion.
1.2.8 Morbus Paget Zu dem 1915 verstorbenen 68-jährigen Patienten findet sich nur ein knappes Sektionsprotokoll ohne nähere Angaben zum Befund am Schädelknochen: „Diagnose: Lungenentzündung: Graue Hepatisation des rechten Oberlappens. Eitrig fibrinische Pleuritis ebenda. Starke pleuritische Verwachsungen beidseits. Schwere Tracheorachitis. Starke eitrige Perikarditis. Braune Atrophie von Herz und Leber. Geringe Arteriosklerose der Aorta. Beginnende Prostatahypertrophie und Balkenblase.“ Aktueller Kommentar Das vorliegende Präparat demonstriert in besonders eindrucksvoller Weise die Veränderungen einer sogenannten systemischen Knochenerkrankung, die mit Zunahme der Knochengewebsmasse einhergeht. Die Volumenzunahme betrifft das kortikale sowie das spongiöse Knochengewebe. Gut erkennbar sind die hochgradig verbreiterte
Abb. 1.8: Morbus Paget, 1915, Trockenpräparat, 68 Jahre, ♂, BMM, Inv.-Nr. 124/1915.
Literatur
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innere und äußere Kortikalis des Schädeldachskelettes und die knotig imponierende Spongiosa. Histopathologisch finden sich verbreiterte, konfluente Knochentrabekel. Diese grenzen an sogenannte Riesenosteoklasten an, welche mehr als 100 Zellkerne aufweisen können. Die sogenannten plumpen Osteoklasten mit dichter Lagerung und die Fibrose der Markräume vervollständigen den histopathologischen Befund. Die Ätiologie dieser seltenen Erkrankung ist nach wie vor ungeklärt. Diskutiert wird eine Virusgenese. Durch die Deformitäten des Bewegungsapparates und die reduzierte Belastungsfähigkeit des Knochens sind Frakturen und eine Herzhypertrophie (bedingt durch die ossäre Hyperzirkulation) die Folge. Literatur Kaiserling C. Ueber die Conservirung von Sammlungspräparaten mit Erhaltung der natürlichen Farben. Berliner Klinische Wochenschrift 1896;35: 775–7. Krietsch P, Dietel M. Pathologisch-Anatomisches Cabinet. Vom Virchow-Museum zum Berliner Medizinhistorischen Museum in der Charité. Berlin, Wien: Blackwell Wissenschafts-Verlag, 1996. Schnalke T, Atzl I, Herausgeber. Dem Leben auf der Spur im Berliner Medizinhistorischen Museum der Charité. München, Berlin: Prestel, 2010. Schnalke T. Ohne Sinn und Verstand? Rudolf Virchows Strategie des Sammelns am Beispiel seines Pathologischen Museums. Acta historica Leopoldina 2007;48: 217–39. Schnalke T. Wissenswerte – Lebensspuren. Rudolf Virchow und das medizinische Sammeln. In: Te Heesen A, Herausgeberin. Cut and paste um 1900. Der Zeitungsausschnitt in den Wissenschaften. Berlin: Kaleidoskopien, 2002: 82–98. Schnalke T. Zurück ins Leben. Zur Geschichte des Instituts für Pathologie der Charité. In: Atzl I, Hess V, Schnalke T, Herausgeber. Zeitzeugen Charité. Arbeitswelten des Instituts für Pathologie 1952–2005. Münster: LIT Verlag, 2006: 9–23. Virchow R. Die Eröffnung des Pathologischen Museums der König[lichen] Friedrich-WilhelmsUniversität zu Berlin. Berlin: August Hirschwald, 1899. Virchow R. Über den Unterricht in der pathologischen Anatomie. Klinisches Jahrbuch 1890;2: 75–100. Wirth I. Zur Sektionstätigkeit im Pathologischen Institut der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin von 1856–1902. Ein Beitrag zur Virchow-Forschung. Berlin: Logos Verlag, 2005.
2 Pathogenese – Prinzipien entzündlicher rheumatischer Erkrankungen Claudia Berek
2.1 Einleitung Rheumatoidarthritis (RA) ist eine chronische progredient verlaufende Systemerkrankung des Bindegewebes, die sich mit destruierenden Veränderungen an den Gelenken manifestiert. Für die Zerstörung der Gelenke sind hauptsächlich in der Gelenkinnenhaut residente Fibroblasten und Makrophagen verantwortlich. Als Folge der Entzündung werden aus ruhigen, harmlosen Zellen aggressive Angreifer. Es bildet sich ein tumorartiges Gewebe, der sogenannte Pannus, der sich in den Knorpel hineinfrisst. Invasive Fibroblasten sind dabei die Hauptakteure. Zunächst wird nur die Knorpelschutzschicht verletzt, letztlich wird aber auch der Knochen angegriffen und mit fortschreitender Erosion des Knochens das Gelenk zerstört. Die RA ist aber auch eine immunologische Erkrankung, wie das Auftreten von Autoantikörpern verdeutlicht. Beides, die Entzündungsvorgänge wie auch die immunologischen Prozesse, tragen zur Pathologie bei. Die zellulären und die molekularen Mechanismen greifen ineinander und sind eng miteinander verflochten. Dies erklärt, warum die Behandlung der immunologischen Fehlsteuerung zu einer Verbesserung der Entzündungspathologie führt und gleichermaßen die Unterdrückung der Entzündungsreaktion eine Beruhigung der Immunvorgänge bewirkt. Anhand einiger Beispiele sollen die komplexen Mechanismen, die zur RA führen, und die enge Verflechtung von Entzündungsmechanismen und immunologischen Abläufen aufgezeigt werden. Ein besseres Verständnis der vielschichtigen Vorgänge ist notwendig, um gezielter in die Behandlung der RA eingreifen zu können. Bis heute wissen wir noch nicht, warum sich eine RA entwickelt. Es gibt ganz unterschiedliche Modelle, die zu erklären versuchen, wie es zur Krankheit kommt (siehe Referenzen zum Thema RA-Erkrankung). Die Heterogenität der RA-Patienten und die sehr unterschiedlichen Krankheitsverläufe machen es wahrscheinlich, dass es nicht nur eine Antwort auf diese Frage gibt. Der auslösende Faktor könnte ein scheinbar harmloser Infekt sein, der das Immunsystem aus dem Gleichgewicht bringt. Wenn zusätzlich eine genetische Prädisposition vorliegt, könnten schon kleinste Störungen des hoch komplexen, fein ausbalancierten Immunsystems dazu führen, dass sich eine RA entwickelt. Auch Umweltfaktoren, Stress oder starkes Rauchen können zur Ausbildung einer RA beitragen. Aber nicht nur die Entstehung der Krankheit, auch der Verlauf ist von Patient zu Patient ganz unterschiedlich. Dies könnte erklären, warum es keinen festen Weg für die Behandlung gibt und warum auf die eingesetzten Therapien immer nur ein Teil der Patienten anspricht.
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2.2 Genetische Prädisposition Die Beobachtung familiärer Häufung war ein erster Hinweis darauf, dass genetische Faktoren bei der Entstehung der RA eine Rolle spielen. Die stärkste genetische Assoziation wurde mit dem humanen Leukozyten-Antigen (HLA) der Klasse II gefunden, vor allem mit bestimmten Allelen des HLA-DRB1-Gens, welches für die β1-Kette des DR-Moleküls codiert. Insbesondere Träger der Allele HLA-DRB1*04 und DRB1*01 besitzen ein erhöhtes relatives Risiko, eine RA zu entwickeln. Beiden Allelen ist ein bestimmtes Epitop, das sogenannte „shared epitope“ (HLA-DRB1-SE), gemeinsam. Dieses Epitop besteht aus einer kurzen Aminosäuresequenz (QKRAA; Aminosäure 70 bis 74) in der β1-Kette des DR-Moleküls. Wie aber hat man sich vorzustellen, dass dieser kleine Bereich im HLA-DRB1-Molekül von so entscheidender Bedeutung für die Pathogenese der RA ist? Eine enge Assoziation mit HLA ist typisch für Autoimmunerkrankungen. Der Grund dafür liegt darin, dass die HLA-Klasse-II-Gene entscheidend dazu beitragen, welche Antigene vom Immunsystem erkannt werden und somit eine Immunreaktion auslösen. Um dies verständlich zu machen, soll im Folgenden kurz beschrieben werden, wie die Antigenerkennung der B- und der T-Lymphozyten abläuft. B-Lymphozyten erkennen Antigene über ihre Oberflächenrezeptoren, die Antikörpermoleküle (Abb. 2.1). Auch T-Lymphozyten besitzen Antigenrezeptoren, aber im Gegensatz zu B-Zellen bindet der T-Zellrezeptor nur prozessiertes, nicht aber intaktes Antigen. T-Helferzellen (TH-Zellen) erkennen Peptide, nur dann, wenn sie ihnen vom HLA der Klasse II dargeboten werden. Das „shared epitope“ liegt genau in dem Bereich des HLA-Klasse-II-Moleküls, der für die Bindung der Peptide verantwortlich ist, und bestimmt somit, welche Peptide von HLA-DRB1 gebunden und den TH-Zellen präsentiert werden. Da nur ein kleiner Bruchteil von allen möglichen Peptiden von einem bestimmten HLA-Klasse-II-Molekül präsentiert wird, hat die Peptiderkennung einen maßgeblichen Einfluss darauf, welche Antigene von T-Zellen erkannt werden. Damit ist aber auch festgelegt, welche B-Zellen Hilfe von TH-Zellen erhalten. Aus dem großen Repertoire von B-Zellen mit unterschiedlichen Antigenrezeptoren werden nur die wenigen aktiviert werden und zu B-Gedächtnis- und Plasmazellen ausdifferenzieren, die das Antigen binden und die entsprechenden Peptidfragmente mithilfe von HLA-Klasse II auf ihrer Oberfläche präsentieren können. Die komplexen Interaktionen zwischen B- und T-Zellen, die in dem Schema nur angedeutet sind (Abb. 2.1), zeigen die gegenseitige Abhängigkeit von TH- und B-Zellen und verdeutlichen, warum es eine so enge Assoziation zwischen Genen des HLA-Lokus und einer Prädisposition für eine Autoimmunerkrankung gibt. Mithilfe genomweiter Studien großer Patienten- und Kontollkohorten konnten weitere Gene definiert werden, die mit RA assoziiert sind. Insbesondere die Entwicklung von Hochdichte-Mikroarrays ermöglichte es, „single nucleotid polymorphisms“ (SNPs) in Genomen aufzuzeigen und nach krankheitsassoziierten genetischen Markern zu suchen. Für verschiedene Gene wurde eine moderate bis schwache Assoziation mit RA gefunden. Die beschriebenen Genvarianten hatten aber im Allgemeinen nur einen sehr geringen Einfluss auf die Krankheitsentstehung und/oder den Krankheitsverlauf.
2.3 Autoantikörper in RA
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Abb. 2.1: HLA-Klasse II bestimmt, welche Peptide dem T-Zellrezeptor präsentiert werden. Schematische Darstellung der Interaktion zwischen B-Lymphozyten (violett) und T-Lymphozyten (hellgrün). Mithilfe des HLA-Klasse-II-Moleküls werden Peptidfragmente (pEp) auf die Oberfläche der B-Lymphozyten gebracht und dem T-Zellrezeptor präsentiert. In der Folge kommt es zur gegenseitigen Aktivierung und zur Differenzierung des B-Lymphozyten zur Gedächtnis- und/oder Plasmazelle.
2.3 Autoantikörper in RA Charakteristisch für Autoimmunerkrankungen sind Antikörper, die gegen körpereigene Strukturen gerichtet sind. Einer der am längsten bekannten und meistuntersuchten Autoantikörper ist der Rheumafaktor (RF), ein Antikörper mit Spezifität für das eigene Immunoglobulin, der in ungefähr 70 % der RA-Patienten gefunden wird (seropositiv). Trotz der hohen Prävalenz ist der RF aber kein guter diagnostischer Marker für die RA, denn die Spezifität liegt bei nur 80 %. Autoantikörper mit dieser Spezifität treten auch in anderen Autoimmunerkrankungen, zum Beispiel dem systemischen Lupus erythematodes, systemischer Sklerose, Kryoglobulinämie oder Sjögren-Syndrom, auf und werden sogar in gesunden Personen beobachtet. Vor allen bei älteren Menschen findet man häufig erhöhte RF-Werte, ohne dass eine RA vorliegt. Zu einem vorübergehenden Anstieg des Serum-RF-Spiegels kann es nach einer Infektion kommen; jedoch normalisieren sich die Werte schon nach wenigen Tagen wieder. Nur eine chronische Titererhöhung spricht für eine Autoimmunerkrankung. Weiterere Autoantikörper, die bei ungefähr 70 % der RA-Patienten gefunden werden, sind Antikörper mit Spezifität für citrullinierte Peptidantigene (ACPA). Citrulllin ist eine Aminosäure, die durch Deiminierung von Arginin entsteht. Sie wird in einer enzymatischen Reaktion gebildet, die von dem Enzym Peptidyl-Arginin-Deiminase (PAD) katalysiert wird. Citrullinmodifikationen konnten in ganz unterschiedlichen Proteinen nachgewiesen werden. ACPA-Autoantikörper der RA-Patienten sind aber hauptsächlich gegen Citrullinmodifikationen von Vimentin gerichtet. Der Befund, dass diese mo-
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difizierten Vimentin-Peptide von HLA-DRB1-SE gebunden und damit den T-Zellen präsentiert werden können, würde erklären, warum hauptsächlich für ACPA-positive Patienten eine starke Assoziation mit dem HLA-DRB1-SE gefunden wurde. Groß angelegte internationale Studien zeigten, dass bei 30–40 % der RA-Patienten ACPA-Antikörper sogar schon Jahre vor der Manifestation klinischer Symptome nachweisbar sind, was dafür sprechen würde, dass ACPA-Autoantikörper das treibende Element in der Entwicklung einer RA sind. ACPA-Autoantikörper sind aber nicht nur ein wichtiger Faktor in der Frühdiagnose der RA, sondern auch von hohem prognostischem Wert, da ACPA-positive RA-Patienten einen deutlich schlechteren Krankheitsverlauf aufweisen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass RF und APCA zwei klar voneinander getrennte Autoantikörpersysteme darstellen, die unterschiedliche Informationen liefern und sich damit gegenseitig ergänzen. Seit vielen Jahren ist der Rheumafaktornachweis im Serum ein wichtiges Kriterium für die Diagnose, ob eine RA vorliegt (Kriterien der American Rheumatology Association, ARA-Kriterien). Die hohe Spezifität der ACPAAutoantikörper für die RA-Erkrankung (>95 %) zusammen mit ihrem prognostischen Wert zeigt, wie wichtig es ist, ACPA-Autoantikörper in die Diagnose mit einzubeziehen.
2.4 Die zellulären und molekularen Mechanismen der Entzündungsreaktion 2.4.1 T-Lymphozyten und ihre Funktion für das Immunsystem T-Zellen regulieren die Immunantwort und kontrollieren in vielfacher Weise die Immunvorgänge, hauptsächlich durch Abgabe von Zytokinen, die auch als Interleukine (IL) bezeichnet werden. Man klassifiziert T-Zellen nach ihrer Funktion in T-Helferzellen (TH), T-Regulatorzellen (Treg) und zytotoxische T-Zellen. TH-Zellen unterscheidet man nach ihrem Zytokinmuster in TH-1-, TH-2- und TH-17-Zellen. Bei der RA sind es hauptsächlich TH-1- und TH-17-Zellen, die für den Krankheitsverlauf von Bedeutung sind. TH-1-Zellen helfen B-Zellen und sind damit für die Induktion der spezifischen Antikörperimmunantwort verantwortlich (Abb. 2.1). Der chronische Verlauf des Entzündungsprozesses wird von TH-1-Zellen und vor allem auch TH-17-Zellen über die Abgabe von Zytokinen unterstützt. Eine besonders wichtige T-Zell-Subpopulation sind Treg, da sie an der Aufrechterhaltung der peripheren Toleranz entscheidend mitwirken. Ohne diese regulatorischen Zellen kommt es zu Autoimmunkrankheiten, wie man es zum Beispiel bei Patienten mit einem IPEX-Syndrom (immunodysregulation polyendocrinopathy enteropathy X-linked syndrome) sehr deutlich sehen kann. In einer normalen Immunreaktion sind Treg dafür verantwortlich, dass die Immunantwort kontrolliert abläuft und ein Überschießen der Immunreaktion verhindert wird. Bei RA-Patienten wird der Entzündungsprozess durch fehlgesteuerte Immunreaktionen noch weiter verstärkt. Regulatorische T-Zellen schaffen es nicht, das Entzündungsgeschehen zu kontrollieren. Es wird durch proinflammatorische T-Zellen, wie den TH-17-Zellen, sogar noch weiter angefacht. Zusätzlich können auch zytotoxische T-Zellen an der Zerstörung des eigenen Gewebes beteiligt sein und damit direkt zur Zerstörung von Knorpelstrukturen beitragen.
2.4 Die zellulären und molekularen Mechanismen der Entzündungsreaktion
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2.4.2 B-Zellen sind die Vorläufer von Autoantikörper-sezernierenden Plasmazellen TH-Zellen unterstützen die Aktivierung der B-Zellen durch Antigen und gleichzeitig kontrollieren sie die Entwicklung der B-Zellen zu Plasmazellen und Gedächtniszellen. Nur in einer T-Zell-abhängigen Immunantwort bildet sich die Keimzentrumsstruktur, die den Prozess der Affinitätsreifung der humoralen Immunantwort unterstützt. Während der Keimzentrumsreaktion verändert sich der Antigenrezeptor einer B-Zelle dahingehend, dass die Affinität für das Antigen schrittweise erhöht wird. Ein Selektionsprozess sorgt dafür, dass nur die B-Zellen, die einen hoch affinen Antikörperrezeptor tragen, zu Plasmazellen oder auch Gedächtniszellen differenzieren. Die im Keimzentrum neu gebildeten Plasmazellen wandern in das Knochenmark, wo sich spezielle Stromazellnischen bilden, die das Überleben der Plasmazellen über viele Jahre und die kontinuierliche Antikörperproduktion sicherstellen. Plasmazellen sind somit Teil des immunologischen Gedächtnisses und schützen zusammen mit den Gedächtniszellen den Organismus vor erneuten Infektionen. In den Langzeitüberlebensnischen des Knochenmarks finden sich aber nicht nur schützende Plasmazellen. Auch autoreaktive Plasmazellen haben Zutritt zu diesen Nischen. Man kann sich vorstellen, was dies für eine chronische Autoimmunerkrankung bedeutet. Durch die dauernde Aktivierung des Immunsystems werden kontinuierlich neue Plasmazellen gebildet, die sich im Knochenmark anhäufen. Die Folge sind hohe Autoantikörperspiegel im Blut, eine vermehrte Antigen-Antikörper-Komplexbildung und damit eine weitere Verstärkung der Entzündungsprozesse. Die Strukturen im Knochenmark, die das Langzeitüberleben der Plasmazellen sichern, machen es außerordentlich schwierig, einmal gebildete Plasmazellen anzugreifen und die Autoantikörperbildung zu unterbinden.
2.4.3 T-Zellen unterstützen den Entzündungsvorgang und die Gelenkzerstörung Lange ist man davon ausgegangen, dass eine TH-1-vermittelte Immunaktivierung von Makrophagen entscheidend für die Entwicklung einer RA ist. Erst in den letzten Jahren zeigte sich mit der Auffindung und der Erforschung der TH-17-Zellen, dass diese Zellen im Zentrum des Geschehens stehen und auf vielfältige Weise in den Entzündungsvorgang eingreifen. TH-17-Zellen und das von ihnen produzierte Zytokin IL-17 haben eine entscheidende Funktion für den zerstörerischen Entzündungsprozess (Abb. 2.2). Das Zytokin IL-17, nach dem TH-17-Zellen benannt worden sind, verstärkt die Aktivierung von synovialen Makrophagen und Fibroblasten, was zu einer vermehrten Bildung der entzündungsfördernden Zytokine Tumornekrosefaktor α (TNF-α), IL-6, IL-1, IL-15 und auch IL-17 führt. Durch IL-17 werden außerdem Osteoblasten aktiviert, wodurch eine Hochregulation von einem Rezeptor-Aktivator des nuklearen Faktors κB (RANKL) bewirkt wird. Dieser Ligand fördert die vermehrte Differenzierung von Monozyten zu Osteoklasten, wodurch sich die ausgewogene Balance zwischen Osteoblasten und Osteoklasten zugunsten der Knochen abbauenden Osteoklasten verschiebt. Zusätzlich löst das Zytokin IL-17 in Fibroblasten und Makrophagen die Bildung von matrixzerstörenden Enzymen (Matrix-Metallo-Proteinasen) aus. TH-17-Zellen spielen
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Abb. 2.2: TH-17-Zellen kontrollieren den Entzündungsvorgang. Interaktionen zwischen T-Lymphozyten (hellgrün), myeloiden Makrophagen (Mø) und Osteoklasten (blau) und mesenchymalen Zellen (Osteoblasten und Fibroblasten) (dunkelgrün) fördern den Entzündungsvorgang, der letztlich zur Gelenkzerstörung führt.
damit nicht nur eine zentrale Rolle in der Verstärkung des Entzündungsprozesses, sondern sind auch entscheidend an der fortschreitenden Gelenkzerstörung beteiligt.
2.4.4 Das Zytokin-Netzwerk Zur Kontrolle von Autoinflammation und Autoimmunreaktionen ist das Zusammenspiel von entzündungsfördernden und -supprimierenden Zellpopulationen ausschlaggebend. Die verschiedenen Zellpopulationen sind über ein Zytokin-Netzwerk miteinander verbunden, das die Aktivierung und Differenzierung, das Überleben und das Wachstum, aber auch die Effektorfunktionen der unterschiedlichen Zellpopulationen kontrolliert. Im normalen, gesunden Gewebe stehen die Zellen in einem ausbalancierten Gleichgewicht zueinander. Der Entzündungsprozess muss als Störung dieser Balance angesehen werden. Ein Teufelskreis von unterschiedlichen Zytokinen, die sich gegenseitig unterstützen, sorgt dafür, dass die Entzündungs- und Zerstörungsprozesse im erkrankten Gelenk immer weiter hochgeschraubt werden. An einem vereinfachten Beispiel soll die enge Verknüpfung der verschiedenen Zellpopulationen über das Zytokin-Netzwerk verdeutlicht werden (Abb. 2.3). Von aktivierten Makrophagen und vor allem auch von Fibroblasten wird in großen Mengen der transforming growth factor β (TGF-β) produziert. Dieses Zytokin induziert die Differenzierung von naiven T-Zellen zu regulatorischen Treg. Ihre Aufgabe ist es, die Immunreaktion herunterzuregulieren und damit für eine Beruhigung des Entzündungsvorganges zu sorgen. Wird aber gleichzeitig von aktivierten Makrophagen das proinflammatorische Zytokin IL-6 gebildet, so wird die Entwicklung von Treg-Zellen nicht gefördert, sondern sogar blockiert. Verschlimmert wird die Situation noch dadurch, dass TGF-β in Kombination mit IL-6 die Differenzierung von naiven T-Zellen zu proinflammtorischen TH-17-Effektorzellen auslöst. Dies bedeutet, dass sich im entzündeten Synovialgewebe durch Unterdrückung von Treg-Zellen und gleichzeitig ver-
2.5 Synovialitis
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Abb. 2.3: Enge Verknüpfung von Immun- und Entzündungspathologie. Aktivierung naiver B(blaurot) und T-Zellen (hellgrün) und deren Differenzierung zu Effektorzellen (grüner Pfeil). Abgabe (schwarze Pfeile) von proinflammatorischen (grün) und suppressiven (rot) Mediatoren ist gezeigt. Die verschiedenen Zellpopulationen sind dargestellt, wie in Abb. 2.2 beschrieben.
mehrter Bildung von TH-17-Zellen die Entzündungsprozesse nicht beruhigen, sondern sogar verstärken. Dieser Vorgang wird noch weiter gesteigert, wenn aktivierte Makrophagen IL-23 abgegeben, denn dieses Zytokin unterdrückt die Produktion des suppressiven Zytokins IL-10 und fördert gleichzeitig die weitere Differenzierung von naiven T Zellen zu TH-17-Zellen. Die gesteigerte Abgabe des proinflammatorischen IL-17 führt, wie oben beschrieben, zur vermehrten Bildung von Osteoklasten und damit zu verstärkter Knochenerosion.
2.5 Synovialitis Die normale Gelenkinnenhaut ist eine dünne, zwei- bis dreizellschichtige Membran. Bei einer Entzündung kommt es zur Aktivierung der residenten Fibroblasten und Makrophagen. Besonders Fibroblasten unterstützen die Angiogenese und damit das Einwandern von proinflammatorischen Zellen, zunächst hauptsächlich Neutrophilen. Mit der vermehrten Vaskularisierung wandern verstärkt Lymphozyten in das darunter liegende Bindegewebe ein. Meist beobachtet man eine hauptsächlich diffuse Verteilung von Immunzellen in der entzündlich veränderten Gelenkinnenhaut. Mit fortschreitendem Entzündungsvorgang kann sich die ursprüngliche Synovialmembran aber auch zu einem hoch organisierten Lymphgewebe entwickeln (Abb. 2.4a). Die Beobachtung, dass die Mikroanatomie mit dem Zytokinstatus korreliert, wird als Hinweis gedeutet, dass unterschiedliche zelluläre und molekulare Pathomechanismen zur Manifestation der Synovialitis führen. Zunächst sind es hauptsächlich T-Zellen, die sich in Bereiche um die Gefäße herum ansiedeln. Wandern vermehrt B-Zellen ein, dann kommt es zur Bildung von Follikelähnlichen Strukturen, die häufig von einem Ring aus Plasmazellen umgeben sind.
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Abb. 2.4: Entzündlich veränderte Gelenkinnenhaut. a: Bildung von Lymphfollikeln in der chronisch entzündeten Synovialis eines RA-Patienten. (linke Seite). b: Granulomabildung mit zentraler fibrinoider Nekrose. Hämatoxilin-Färbungen von Gewebeschnitten sind gezeigt.
Durch Interaktion zwischen den einwandernden B-Zellen und dem mesenchymalen Stroma kann es zur Entwicklung von funktionsfähigem Lymphgewebe kommen (Abb. 2.4a). B-Zellen sind damit nicht nur Vorläuferzellen für Plasmazellen, sondern haben auch eine wichtige Funktion beim Aufbau und der Organisation von Lymphstrukturen. Untersuchungen haben gezeigt, dass diese neu entstandenen, ektopischen Lymphstrukturen eine Keimzentrumsreaktion voll unterstützen. Dies bedeutet, dass vor Ort im entzündeten Synovialgewebe aus Antigen-aktivierten B-Zellen Plasmazellen entstehen, die hoch affine Antikörper sezernieren. Neuere Arbeiten sprechen dafür, dass solche ektopische Keimzentren auch der Ort sind, wo ACPA-spezifische B-Zellen zu Plasmazellen ausreifen. Wie schon oben beschrieben, überleben Plasmazellen normalerweise für lange Zeit im Knochenmark. Es scheint, dass auch das entzündete Synovialgewebe das Überleben der Plasmazellen unterstützt und es deswegen dort im Verlauf der Krankheit zu einer Anhäufung von Plasmazellen kommt. Bei einer kontinuierlichen Aktivierung autospezifischer B-Zellklone werden über einen langen Zeitraum hin sehr viele Plasmazellen entstehen, die große Mengen an Autoantikörper direkt ins Synovialgewebe abgeben. Plasmazellen und die von ihnen sezernierten Antikörper sind damit ein wichtiger Faktor im lang andauernden Entzündungsvorgang und tragen zur Verstärkung der Entzündungsreaktion bei. Bei einer Minderheit von Patienten, vor allem bei seropositiven mit einem besonders schweren Krankheitsverlauf, entwickelt sich eine granulomatöse Synovialitis (Abb. 2.4b). In einem Synovialgewebe mit Rheumagranulomen fehlen B-Zellinfiltrate, obwohl man erwarten würde, dass die hohe Expression von proinflammatorischen Zytokinen wie IFN-γ, IL1-β und TNF-α die Bildung von B-Zellfollikeln unterstützen sollte. Das Rheumagranulom ist definiert als ein Palisaden bildendes, zentral eine fibrinoide Nekrose aufweisendes Granulom. Die Pathogenese der fibrinoiden Bindegewebsnekrose ist ungeklärt, ein vaskulitische Genese aber eher unwahrscheinlich. Komplementfaktor-Ablagerungen wurden im Bereich der Nekrosenbildung beschrieben. Möglicherweise kommt veränderten kollagenen Fibrillen eine pathogenetische Bedeutung zu.
2.6 ACPA-Autoantikörper könnten für die Entstehung der RA entscheidend sein
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2.6 ACPA-Autoantikörper könnten für die Entstehung der RA entscheidend sein Viel ist darüber diskutiert worden, wie alles beginnt und warum sich der Entzündungsprozess in der Gelenkinnenhaut manifestiert. In einer kürzlich erschienenen Arbeit (Klareskog et al., 2008) wird ein neues Modell beschrieben, das zu erklären versucht, wie es zu einer RA kommen und was die Ursache für die Entstehung einer Synovialitis sein könnte (Abb. 2.5). Das Modell basiert auf drei Beobachtungen: a) ACPA-Antikörper treten schon lange vor Krankheitsbeginn auf; b) Raucher haben ein erhöhtes Risiko und c) es besteht eine enge Assoziation zwischen HLA-DRB1-SE und der Wahrscheinlichkeit, eine chronisch destruktive RA zu entwickeln. In diesem Modell wird postuliert, dass zunächst, zum Beispiel durch Rauchen, Entzündungsvorgänge in der Lunge ausgelöst werden. Toxische Komponenten führen zur Aktivierung von Makrophagen und damit zur Induktion des deiminierenden Enzyms PAD. Als Folge werden lokal in der Lunge Citrullinierungen von Proteinen stattfinden. Wenn citrullinierte Peptide vermehrt von HLA-DRB1-SE präsentiert werden, könnte die Toleranz gebrochen und als Folge eine humorale Immunantwort induziert werden. Dies würde erklären, warum RA-Patienten schon viele Jahre, bevor sich eine Arthritis entwickelt, APCA-positiv sind. Wie aber verschiebt sich die Entzündung in das Gelenk? Sind es einfach unspezifische Reize, wie Trauma oder eine Infektion, die einen Entzündungsprozess in der Synovia auslösen? Oder lagern sich Antigen-Antikörper-Komplexe bevorzugt in den Gelenken ab und induzieren damit eine lokale Entzündungsreaktion? Mit der Aktivierung residenter Syoviozyten kommt es zunächst zur Einwanderung von Neutrophilen, dann von T- und schließlich auch B-Zellen. Wird von aktivierten synovialen Makrophagen und Fibroblasten vermehrt das Enzym PAD gebildet, führt dies zur Deiminierung von Arginin-Resten und damit zur somatischen Veränderung von Selbstproteinen. In der Folge könnten citrullinierte synoviale Proteine, wie zum Beispiel Vimentin oder Kollagen II, dann lokal eine Immunantwort auslösen. Durch die Immunreaktion im
Abb. 2.5: Ein Modell zur Ätiologie der RA (Klareskog et al., 2008).
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entzündeten Synovialgewebe wird wiederum der Entzündungsprozess weiter verstärkt. Ist dieser gefährliche Zyklus von gegenseitiger Aktivierung erst einmal gestartet, kann er schnell außer Kontrolle geraten. Dies könnte dazu führen, dass sich mit der Zeit eine chronische RA entwickelt. Wie anfangs diskutiert, ist das Krankheitsbild der RA sehr heterogen. Es ist deshalb unwahrscheinlich, dass es nur einen Weg gibt, der zur Erkrankung führt. Das Modell von Klareskog et al. beschreibt somit nur eine von vielen Möglichkeiten.
2.7 Biologika eröffnen neue Therapiemöglichkeiten Die Behandlung der entzündlich-rheumatischen Erkrankungen hat sich in den letzten Jahren grundlegend verändert. Neue Behandlungsmöglichkeiten ergeben sich aus der Entwicklung von biologischen Hemmstoffen, den sogenannten Biologika. Mit diesen Biologika ist es zum ersten Mal möglich, gezielt in den Entzündungsprozess einzugreifen, bestimmte Zellpopulationen zu depletieren oder spezifisch deren Effektorfunktion zu blockieren (Tab. 2.1). Den Durchbruch brachte die Behandlung von RA-Patienten mit einem monoklonalen Antikörper, der gegen das proinflammatorische Zytokin TNF-α gerichtet ist (Infliximab). Mit diesen Antikörpern wird spezifisch die Aktivierung der Makrophagen und die damit einhergehende Verstärkung der Entzündungsprozesse unterdrückt (Abb. 2.6). Sehr schnell wurde dann ein weiteres Biologikum zur Hemmung von TNF-α entwickelt. Mithilfe von molekularbiologischen Methoden wurde ein Fusionsprotein aus dem TNF-Rezeptor 1 und dem menschlichem IgG synthetisiert (Enbrel; Tab. 2.1). Der TNF-Rezeptor fängt TNF-α ab und verhindert damit seine proinflammatorische Wirkung. Inzwischen hat sich die Behandlung von RA-Patienten mit „TNF-Blockern“ zu einer etablierten Therapie entwickelt. Die Häufigkeit und Schwere von NebenwirkunTab. 2.1: Zur Behandlung von RA-Patienten zugelassene Biologika Biologikum
Wirkstoff
Funktion
Infliximab (Remicade) Etanercept (Enbrel) Adalumimab (Humira)
mAk spezifisch für TNF-α Fp: TNF-Rezeptor 1 und IgG mAk spezifisch für TNF-α
Hemmung von TNF-α und damit Unterdrückung des Entzündungsvorgangs
Rituximab
mAk spezifisch für CD20
Depletion von B-Zellen
Tocilizumab
mAk spezifisch für IL-6-Rezeptor
Hemmung von IL-6 und damit Unterdrückung des Entzündungsvorgangs
Anakinra
IL-1-Rezeptorantagonist
Hemmung von IL-1-β und damit Unterdrückung des Entzündungsvorgangs
Abatacept
Fp: CTLA-4 und IgG
Hemmung der Kostimulation unterdrückt Aktivierung von T-Zellen
CTAL-4 – Cytotoxic T-Lymphocyte Antigen 4; Fp – Fusionsprotein; mAK – monoklonaler Antikörper; TNFR1 – TNF-Rezeptor 1
2.7 Biologika eröffnen neue Therapiemöglichkeiten
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Abb. 2.6: Unterdrückung des Entzündungsprozesses durch Behandlung mit Biologika. Zielproteine (rote Schrift), Hemmung der Zelldifferenzierung (┴) und Verminderung des Entzündungsvorganges (→) werden gezeigt. Die verschiedenen Zellpopulationen sind wie in Abb. 2.2 beschrieben dargestellt.
gen sind gering, problematisch ist nur, dass es durch Hemmung von TNF-α zur Reaktivierung latenter Tuberkulosen kommen kann. Inzwischen wurde eine Reihe von weiteren Biologika zur Hemmung von entzündungsunterstützenden Zytokinen wie IL-1-β und IL-6 entwickelt (Tab. 2.1). Um die T-Zellaktivierung zu unterdrücken, werden RA-Patienten mit einem Fusionsprotein von CTLA4 (cytotoxic T-lymphocyte antigen 4) und humanem IgG behandelt (Abatacept). Dieses Fusionsprotein verhindert die Kostimulation von B- und T-Zellen (Abb. 2.6) und hat hauptsächlich auf T-Zellen einen dämpfenden Effekt. Rituximab ist ein monoklonaler Antikörper, der sehr erfolgreich zur Therapie von RA-Patienten eingesetzt wird (Tab. 2.1). Dieser Antikörper ist spezifisch für CD20, einem Oberflächenprotein auf B-Zellen (Abb. 2.6). Die Behandlung mit Rituximab führt damit zur spezifischen Depletion von B-Zellen, nicht aber von Plasmazellen. Durch die Depletion der B-Gedächtniszellen wird jedoch die weitere Bildung von autoreaktiven Plasmazellen verhindert. Dies erklärt, warum die Autoantikörperspiegel absinken. Außerdem führt die Behandlung mit Rituximab zu einer generellen Beruhigung des Entzündungsprozesses. In RA-Patienten, die auf Rituximab ansprechen, kommt es nach einer einmaligen Gabe von Rituximab (zwei Infusionen im Abstand von 14 Tagen) zu einer über viele Monate anhaltenden Remission. Erst wenn nach einem halben bis zu einem Jahr B-Zellen neu gebildet werden, steigen die Entzündungswerte wieder an. Diese Befunde unterstützen die These, dass B-Zellen eine zentrale Rolle in der Pathogenese der RA spielen. Im Allgemeinen kommt es nach der Behandlung mit Biologika bei ungefähr 60 % der Patienten zu einer Verbesserung des Krankheitsbildes. Bisher ist es aber nicht möglich vorherzusagen, welches der Biologika für welchen Patienten am besten geeignet ist, und leider gibt es auch Patienten, die nicht auf die Behandlung ansprechen. Die neu entwickelten Therapien haben eine deutliche Verbesserung der Behandlungsmöglichkeiten für RA-Patienten gebracht, sodass es nur noch relativ selten zu schweren
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Literatur
Krankheitsverläufen kommt. Es besteht berechtigte Hoffnung, dass es mit einer frühen Diagnose und einer weiteren Optimierung der Therapie möglich sein wird, RA-Patienten zu heilen.
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3 Synovialitis – Das differentialdiagnostische Spektrum der Synovialitis Veit Krenn
3.1 Synovialitis-Score Der histopathologische Synovialitis-Score (Krenn et al., 2005) bewertet die immunologischen und entzündlichen Gewebsveränderungen der Synovialitis in einer für diagnostische histopathologische Scores üblichen abgestuften, semiquantitativen Weise. Die Tatsache, dass in degenerativen und entzündlich rheumatischen Gelenkerkrankungen eine unterschiedliche geweblich-entzündliche Ausprägung in der Synovialis besteht ist, nicht neu. Durch den Synovialitis-Score ist jedoch erstmals ein diagnostischer, standardisierter histopathologischer Bewertungsmodus gegeben. Der Score erfasst die histopathologischen Veränderungen der drei Kompartimente der Synovialitis: 1. synoviale Deckzellschicht, 2. Zelldichte des synovialen Stromas und 3. entzündliches Infiltrat in einer vierstufigen Skala: nicht vorhanden, leichtgradig, mäßiggradig und schwergradig (Abb. 3.1, Abb. 3.2 und Tab. 3.1). Durch die Addition der Werte (normal = 0, leichtgradig = 1, mäßiggradig = 2, schwergradig = 3) ergibt sich der Scorewert (Abb. 3.1 und Abb. 3.2).
3.1.1 Synovialitis-Score: Low-grade-/High-grade-Synovialitis Mittels des Synovialitis-Scores ist es möglich, eine Aussage über degenerative/posttraumatische („Low-grade-Synovialitis“) und entzündliche/rheumatische Erkrankungen („High-grade-Synovialitis“) (Tab. 3.1) mit einer Sensitivität von 73 % und einer Spezifität von 86 % zu treffen (Krenn et al., 2002; Krenn et al., 2006). Ein Synovialitis-Score von ≤ 4 wird als „Low-grade-Synovialitis“, ein Score von ≥ 5 als „High-grade-Synovialitis“ bezeichnet.
3.1.2 Immunhistochemische Validierung und Trennschärfe des Synovialitis-Scores In einer immunhistochemischen Analyse konnte eine gute Korrelation der SynovialitisScore-Werte mit der Infiltration von CD68+-Makrophagen und der Proliferationsfraktion (Ki67) gezeigt werden (Ogdie et al., 2009; Pessler et al., 2008). Die diagnostische Trennschärfe des Synovialitis-Scores und jeder seiner Einzelkomponenten ist mit der „receiver operating characteristic curve“-Analyse untersucht worden. Bei dieser Methode entspricht die Fläche unter der ROC-Kurve (FUK) der diagnostischen Wertigkeit eines Tests (FUK 0,50–0,75 = mittelmäßig, 0,75–0,92 = gut, 0,92–0,97 = sehr gut, 0,97–1,00 = ausgezeichnet). Der Score erzielte FUKs im Bereich 0,8–0,9 in den Unterscheidungen zwischen entzündlichen (z. B. Rheumatoide Arthritis) und degenerativen
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3 Synovialitis – Das differentialdiagnostische Spektrum der Synovialitis
Abb. 3.1: Histopathologische Kriterien des Synovialitis-Scores: I. synoviale Deckzellschicht (schwarz markiert ist die Grenze zwischen Deckzellschicht und synovialem Stroma.): a leichtgradige Deckzellschichtverbreiterung b mäßiggradige Deckzellschichtverbreiterung c hochgradige Deckzellschichtverbreiterung (mit Deckzellschicht-Ulzeration und Fibrininsudationen) II. Zelldichte des synovialen Stromas (siehe Zelldichte innerhalb des beispielhaft hervorgehobenen Areals) a leichtgradige Zunahme der Zellularität des synovialen Stromas b mäßiggradige Zunahme der Zellularität des synovialen Stromas c hochgradige Zunahme der Zellularität des synovialen Stromas III. entzündliches Infiltrat (lymphozytäre Infiltrate bzw. Follikel sind mittels des Kreises markiert) a leichtgradige lymphozytäre entzündliche Infiltration b mäßiggradige lymphozytäre entzündliche Infiltration c hochgradige lymphozytäre entzündliche Infiltration
(z. B. Osteoarthrose) Arthropathien und eine FUK von 0,87–0,98 in der Abgrenzung von degenerativen Arthropathien vom Normalgewebe. Eine multikategorielle ROCAnalyse (Li und Fine Biostatistics, 2008) zeigte, 1. dass die Komponenten Stromadichte und Intimahyperplasie viel mehr als die Infiltrationskomponente zur diagnostischen Trennschärfe des Scores beitragen und 2. dass die Vereinigung der Einzelkomponenten zu dem kompletten Score die allgemeine diagnostische Wertigkeit synergistisch um ein Mehrfaches steigert (Slansky et al., 2010).
3.1 Synovialitis-Score
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Abb. 3.2: Beispielhafte Anwendung des Synovialitis-Scores anhand einer Synovialisprobe auf High-grade-Synovialitis (6/9). Es zeigt sich einemäßiggradige Deckzellschichtverbreiterung (A, 2 Punkte), eine leichtgradige Erhöhung der Stroma-Zellularität (B, 1 Punkt) und eine hochgradige lymphozytäre Infiltration mit aktiviertem Follikel (C, 3 Punkte) (Originalvergrößerung 150-fach). Tab. 3.1: Schema der histopathologischen Kriterien des Synovialitis-Scores Synoviale Deckzellschicht (Verbreiterung der synovialen Deckzellschicht) 0 Punkte 1 Punkt 2 Punkte 3 Punkte
synoviale Deckzellschicht synoviale Deckzellschicht synoviale Deckzellschicht synoviale Deckzellschicht
mit 1–2 Zelllagen mit 2–3 Zelllagen mit 4–5 Zelllagen mit >5 Zelllagen oder Deckzellschicht-Ulzerationen
Synoviales Stroma (Zellularität des synovialen Stromas) 0 Punkte
normale Zellularität des synovialen Stromas
1 Punkt
Das Synovialstroma zeigt eine geringgradig erhöhte Zelldichte
2 Punkte
Das Synovialstroma zeigt eine mäßiggradig erhöhte Zelldichte mit vereinzeltem Nachweis multinukleärer Riesenzellen
3 Punkte
Das Synovialstroma zeigt eine hohe Zelldichte mit zahlreichen multinukleären Riesenzellen. fakultativ: rheumatoide Hemi-/Granulome = 9 Punkte im Synovialitis-Score
Leukozytäres Infiltrat (Muster der leukozytären entzündlichen Infiltration) 0 Punkte
keine entzündliche Infiltration
1 Punkt
geringgradige, perivaskulär akzentuierte lymphozytäre entzündliche Infiltration mit kleinsten Lymphozytenaggregaten
2 Punkte
größere Lymphozytenaggregate
3 Punkte
dichtes konfluentes plasmazellreiches entzündliches Infiltrat oder lymphatische Follikel mit erkennbaren Keimzentren
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3 Synovialitis – Das differentialdiagnostische Spektrum der Synovialitis
Abb. 3.3: Flussdiagramm zur Differentialdiagnostik der chronischen Synovialitis
Die diagnostische Wertigkeit des Synovialitis-Scores für die Differentialdiagnostik der Arthritis (insbesondere Monarthritis) ist im diagnostischen Flussdiagramm dargestellt (Abb. 3.3). Die klinische Differentialdiagnose „Monarthritis“ ergibt sich typischerweise bei einem großen, entzündlich veränderten Gelenk (z. B. klinische Differentialdiagnose Gonarthritis).
3.1.3 Die Relevanz der Synovialitis-Diagnostik für den Rheumatologen Da die Synovialisbiopsie als ein Verfahren mit erhöhter Komplikationsmöglichkeit angesehen wird und die internationalen Klassifikationskriterien der Rheumatoiden Arthritis (ACR 1987) primär klinisch/serologische Kriterien sind (Morgensteifigkeit, Bewegungsschmerzen, symmetrische Schwellung, positiver Rheumafaktor-Test), kommt der histopathologischen Synovialitis-Diagnostik hauptsächlich bei Arthritiden großer Gelenke eine Bedeutung zu. Vonseiten des Rheumatologen erfolgt die Veranlassung einer Synovialisbiopsie bei unklaren Arthritiden insbesondere großer Gelenke (z. B. sogenannte undifferenzierte Arthritis). Hier kann eine histopathologische Begutachtung mittels des Synovialitis-Scores einen diagnostischen Beitrag leisten (Jacobs et al., 2007).
3.1 Synovialitis-Score
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3.1.4 Die Relevanz der Synovialitis-Diagnostik für den Orthopäden Führt der Rheumatologe die initiale Diagnose einer Rheumatoiden Arthritis durch, so ist der Orthopäde/Rheumaorthopäde im Allgemeinen für die Behandlung Rheumatoider Arthritis-Endstadien zuständig. Dies umfasst in erster Linie die Synovialektomie bei medikamentös nicht beeinflussbaren Verlaufsformen sowie bei nötig gewordenen Endoprothesenimplantationen. In beiden Fällen wird das Synovialispräparat dem Pathologen mit der Fragestellung nach charakteristischen Veränderungen der Rheumatoiden Arthritis übersandt. Die Wertigkeit einer „sekundären rheumatoiden Arthritisdiagnostik“ besteht darin, dass zum Zeitpunkt des operativen Eingriffes die Diagnose der Gelenkerkrankung (Osteoarthrose? Rheumatoide Arthritis?) unklar ist. Im Falle einer Endoprothesenimplantation ist die Standzeit der Endoprothese auch von der Grunderkrankung (degenerative Osteoarthrose/Arthrose, Rheumatoide Arthritis) beeinflusst. Die Relevanz der Synovialektomiepräparat-Diagnostik (bei endoprothetischen Eingriffen) besteht nicht nur in der Beurteilung des Entzündungsgrades (SynovialitisScore), sondern auch im Ausschluss einer infektiösen Arthritis, einer pigmentierten villonodulären Synovialitis sowie einer Kalziumpyrophosphat-Arthropathie, welche die Standzeit der Endoprothese negativ beeinflussen.
3.1.5 Histopathologische Bestimmung der aktuellen entzündlichen Aktivität Unabhängig von der Typisierung der Synovialitis durch den Synovialitis-Score (Highgrade-/Low-grade-Synovialitis) ist die Beurteilung der aktuellen entzündlichen Aktivität (sog. Floridität). Die aktuelle Aktivität ist durch folgende Kennzeichen definiert: fokales oder diffuses granulozytäres entzündliches Infiltrat, Ödem, Fibrinpräzipitate und fibrinoide Nekrosen (Tab. 3.2). Diese Veränderungen stehen für ein florides entzündliches Geschehen und sollten in die histopathologische Begutachtung einer Synovialitis einbezogen werden (Stiehl, 2001). Abgrenzung von bakteriellen Infektionen In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass fokale Granulozyten Ansammlungen als Zeichen der Floridität aber auch als Zeichen einer bakteriellen Infektion oder einer Gichtsynovialitis zu werten sind. Dies kann differentialdiagnostische Probleme ergeben und eine mikrobiologische Abklärung bzw. eine immuhistochemische Infektionsabklärung erfordern, wie sie in der Endoprothesen-Pathologie Anwendung (bakterielle Low-grade-Infektion) findet (Morawietz et al., 2009). Tab. 3.2: Histopathologische Kennzeichen der aktuellen entzündlichen Aktivität (Floriditätskriterien) ● ● ● ● ● ●
gruppiert oder diffus gelagerte neutrophile Granulozyten Fibrininsudationen/Fibrinpräzipitate Ödem fibrinoide Nekrosen Deckzellschicht-Ulzerationen Vaskulitis
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3 Synovialitis – Das differentialdiagnostische Spektrum der Synovialitis
3.1.6 Typisierung der Synovialitis nach Stiehl Stiehl Typ I: Polypöse Hyperplasie der Synovialmembran, mäßiggradige Deckzellschichtverbreiterung sowie kein Nachweis von Deckzellschicht-Ulzerationen oder rheumatoiden Granulomen, plasmazellreiches entzündliches Infiltrat mit lymphatischen Aggregaten (B-Lymphozyten) oder Follikeln (Stiehl und Geiler, 1974). Stiehl Typ II: Keine polypöse Hyperplasie, Nachweis von flächenhaften Deckzellschicht-Ulzerationen, entzündlichem, diffusem T-Lymphozyten- und Makrophagenreichem Infiltrat, fibrinoiden Nekrosen und Fibrininsudationen (Stiehl und Geiler, 1974). Stiehl Typ III: Kombination der oben genannten Charakteristika (Stiehl und Geiler, 1974; Tab. 3.3). Der Stiehl Typ I zeigt eine geringe Assoziation zu HLA-DR4 (15 %) und ist somit mit einem klinisch eher günstigeren Verlauf der Rheumatoiden Arthritis assoziiert. Der Stiehl Typ II hingegen zeigt eine höhere HLA-DR4-Assoziation mit progredientem Verlauf. Dieser Typisierung kommt somit im Hinblick auf den klinischen Verlauf der Rheumatoiden Arthritis eine Bedeutung zu. Das Wesen der Stiehl-Typisierung besteht in der Bewertung des „destruktiven Potenzials“ der Synovialitis. Dieses Klassifikationsschema gilt für die Rheumatoide Arthritis und stellt eine Subtypisierung der High-grade-Synovialitis dar. Möglicherweise stellt die unterschiedliche Zusammensetzung der entzündlichen Infiltration mit divergenten Chemokinprofilen (Typ I, B-Zell-/Plasmazell-reich und Typ II, T-Zell-/Makrophagen-reich; Rupschler et al., 2002) die Basis für eine zellgerichtete Therapie (z. B. Anti-CD20-Antikörper, Anti-TNF-Therapie) dar. Ferner könnte hierdurch ein Therapieversagen erklärbar sein.
3.1.7 Klinische Diagnosekriterien der Rheumatoiden Arthritis Die Rheumatoide Arthritis (RA) stellt die häufigste entzündliche systemische Bindegewebserkrankung mit überwiegender Manifestation an den Gelenken und extraartikuläTab. 3.3: Subtypisierung der High-grade-Synovialitis (Stiehl-Klassifikation) Subtyp
Beschreibung
Stiehl Typ I
polypöse Hyperplasie der Synovialmembran plasmazellreiches entzündliches Infiltrat lymphatische Follikel kontinuierlich erhaltene synoviale Deckzellschicht
Stiehl Typ II
lineare, nicht polypöse Hyperplasie der Synovialmembran prädominant makrophagenreiches entzündliches Infiltrat keine lymphatischen Follikel fibrinoide Nekrosen fokale Fibrininsudationen Deckzellschicht-Ulzerationen
Stiehl Typ III
Kombination der oben genannten Charakteristika (weder Typ I noch Typ II)
3.2 Low-grade-Synovialitis
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rer Einbeziehung von Schleimbeuteln, Sehnenscheiden, Gefäßen, Augen, serösen Häuten und inneren Organen dar. Ätiologisch besteht ein erhöhtes Krankheitsrisiko bei Trägern bestimmter HLA-Antigene. Formalpathogenetisch liegt der Rheumatoiden Arthritis eine chronische, destruktive Synovialitis zugrunde, welche auf einer Dysregulation des Immunsystems beruht. Im Gegensatz zur Arthrose/Osteoarthrose (OA) – hier ist die Synovialitis sekundär und der Knorpelschaden primär – liegt bei der Rheumatoiden Arthritis eine primäre Synovialitis mit sekundärem Knorpelschaden vor. Ungeklärt ist bei der Arthrose jedoch eine mögliche, zusätzliche pathogenetische Bedeutung der Synovialitis. In Hinblick auf die histopathologische Diagnose ist festzuhalten, dass die Diagnose der Rheumatoiden Arthritis eine klinisch/serologisch/immunologische Diagnose ist und in den verbindlichen internationalen Klassifikationskriterien der Rheumatoiden Arthritis histopathologische Veränderungen einen untergeordneten Stellenwert besitzen. In der international gültigen ACR-Klassifikation ist der Rheumaknoten eines von sieben diagnostischen Kriterien, wobei die Diagnose Rheumaknoten in diesem Kontext eine klinische und nicht notwendigerweise histopathologische Diagnose darstellt. In der historischen ARA-Klassifikation ist die charakteristische Histopathologie der Synovialmembran sowie die charakteristische Histopathologie des Rheumaknotens jeweils ein Punkt von elf Klassifikationskriterien und somit ein notwendiger Bestandteil der Diagnose. Hieraus geht hervor, dass die Synovialisbiopsie für die Diagnose der RA gemäß den international gültigen ACR-Kriterien nicht erforderlich ist. Bei unklaren Arthritiden der großen Gelenke kann jedoch eine Synovialisbiopsie einen wesentlichen diagnostischen Beitrag in der rheumatologischen und orthopädischen Diagnostik leisten (Jacobs et al., 2007). Die folgenden Erkrankungsentitäten werden gemäß dem Flussdiagramm (Abb. 3.3) beschrieben, welches formal die Differentialdiagnosen der Synovialitis darstellt.
3.2 Low-grade-Synovialitis 3.2.1 Arthrose-assoziierte Synovialitis (ICD 10: M68.8) Der degenerativen Arthrose liegt eine primäre Schädigung des hyalinen Knorpels (Dysregulation des Knorpelmetabolismus) mit reduzierter mechanischer Belastungsfähigkeit zugrunde (Aigner und Söder, 2006). Bei der Arthrose besteht somit primär eine Alteration des hyalinen Gelenkknorpels (mit konsekutiven Abbau- und Umbauprozessen) und sekundär eine Synovialitis. Diagnostische Kriterien Die Arthrose-assoziierte Synovialitis ist durch eine Low-grade-Synovialitis (SynovialitisScore = ≤ 4/9) gekennzeichnet: Es bestehen geringgradige entzündliche Veränderungen (leichtgradige Deckzellschichtverbreiterung, leichtgradig erhöhte Zelldichte des synovialen Stromas und leichtgradige leukozytäre entzündliche Infiltration, Abb. 3.4). Typischerweise finden sich perivaskulär teils isoliert, teils gruppiert gelagerte reife Plasmazellen, welche dieser Synovialitis auch die Bezeichnung „lymphoplasmazelluläre Synovialitis“ (wie bei Arthrose) gegeben haben. Ausgeschlossen werden sollte in jedem Fall eine infektiöse Synovialitis sowie eine Kalziumpyrophosphat-Arthropathie.
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3 Synovialitis – Das differentialdiagnostische Spektrum der Synovialitis
Abb. 3.4: Low-grade-Synovialitis mit leichtgradiger Deckzellschichtverbreiterung, leichtgradiger Zellularität des synovialen Stromas sowie leichtgradiger lymphozytärer entzündlicher Infiltration. Im Bereich der Deckzellschicht finden sich einzelne basophile Partikel, welche devitalen Knochenfragmenten entsprechen (Originalvergrößerung etwa 150-fach).
Falls im übersandten Untersuchungsgut keine knöchernen und knorpeligen Gewebsbestandteile beinhaltet sein sollten und die Beurteilung ausschließlich auf der Synovialis basiert, kann die Beurteilung mittels des Synovialitis-Scores zur Diagnose einer Low-grade-Synovialitis, wie bei Arthrose, führen. Klinisch, in den bildgebenden Verfahren oder intraoperativ entsteht aufgrund der synovialen, villösen Hyperplasie oft der Eindruck einer schwergradigen Synovialitis. Die histopathologische Bewertung führt jedoch zu einer Low-grade-Synovialitis, wie diese typischerweise bei Arthrose vorliegt. Villöse/lipomatöse synoviale Hyperplasien sind bei schwergradigen Arthrosen nachweisbar. Das differentialdiagnostisch abzugrenzende „Lipoma arborescens“ wird typischerweise bei jungen Patienten in nichtarthrotisch erkrankten Gelenken nachgewiesen. Neben der lymphoplasmazellulären Synovialitis (Low-grade-Synovialitis) tritt bei der Arthrose die sogenannte Detritussynovialitis auf. Diese zeichnet sich durch intrasynoviale Knorpel- und Knocheneinlagerungen aus und steht für einen schwergradigen, lang bestehenden Gelenkschaden.
3.2.2 Low-grade-Synovialitis bei degenerativer Meniskopathie Das histopathologische Bild einer Low-grade-Synovialitis bei degenerativer Meniskopathie unterscheidet sich nicht von dem Bild einer Low-grade-Synovialitis bei Arthrose, es sei denn, es sind Knorpelfragmente in der Synovialmembran nachweisbar. Dieses stellt einen relativ typischen Befund der arthroseassoziierten Synovialitis dar.
3.2.3 Low-grade-Synovialitis bei Hämochromatose Die geweblichen Ausprägungen der Low-grade-Synovialitis bei Hämochromatose können sich durch Hämosiderindepositionen in der synovialen Deckzellschicht manifestieren (Ruiz Heiland et al., 2009). Dieser Befund ist nicht Hämochromatose-spezifisch, da er auch bei einem Zustand nach intraartikulärer Einblutung nachweisbar ist.
3.3 Detritussynovialitis
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3.2.4 Low-grade-Synovialitis bei Hoffaitis Die geweblichen Veränderungen im Rahmen einer sog. Hoffaitis sind Ausdruck einer chronischen mechanischen Schädigung (zumeist mechanische Einklemmung) des Synovialgewebes. Hieraus resultieren geringgradige entzündliche Veränderungen mit Vernarbung, Fibrosierung sowie der Nachweis von Blutungsresiduen im Sinne einer Low-grade-Synovialitis.
3.2.5 Low-grade-Synovialitis bei viralen Infektionen Auch bei diesem Erkrankungsbild stehen geringgradige entzündliche Veränderungen im Vordergrund. Im Rahmen viraler Erkrankungen (beispielsweise Parvovirus-B19-Infektion, Rubellavirus-Infektion, Hepatitis-A- und Hepatitis-B-Infektion) tritt eine sog. Begleitsynovialitis auf. Diese manifestiert sich als eine geringe lymphozytäre Infiltration im Sinne einer Low-grade-Synovialitis.
3.3 Detritussynovialitis (ICD 10: M24.89) Die Detritussynovialitis stellt das Endstadium eines Gelenk und Gelenkknorpel zerstörenden Prozesses dar (z. B. Arthrose, Charcot-Gelenk, Pseudarthrose, Rheumatoide Arthritis, aseptische Knochennekrose). Diagnostische Kriterien: Die Kennzeichen sind intrasynoviale, zumeist devitale hyaline Knorpelfragmente (in unterschiedlicher Größe), Kochenfragmente und Kalzifikationen. Das angrenzende Stroma weist zumeist eine hohe Zellularität, resorptive Entzündung und Fibrininsudationen auf (Abb. 3.5). Die Deckzellschicht ist oft ulzeriert, Blutungsresiduen sind häufig in den tieferen Gewebsschichten nachweisbar. Fazit für die Histopathologie: Eine ursächliche Unterscheidung im Endstadium der Detritussynovialitis ist nicht möglich („Zirrhose der Synovialmembran“). Aus diesem
Abb. 3.5: Detritussynovialitis: Deckzellschicht-Ulzeration mit bandartigen Fibrinauflagerungen und kleinherdigen Fibrininsudationen. Im subsynovialen Stroma zahlreiche, zum Teil devitale Knochenpartikel mit perifokalen Nekrosen, Fibrininsudationen sowie einer lymphozytären entzündlichen Infiltration (Originalvergrößerung 150-fach).
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3 Synovialitis – Das differentialdiagnostische Spektrum der Synovialitis
Grund ist eine Beurteilung einer Detritussynovialitis durch den Synovialitis-Score nicht möglich. Die histopathologische Beurteilung erfolgt im HE-/Giemsa-Präparat; Blutungsresiduen sollten mittels Berliner-Blau-Reaktion dargestellt werden.
3.4 High-grade-Synovialitis bei Rheumatoider Arthritis 3.4.1 High-grade-Synovialitis (ICD 10: M05.8) Diagnostische Kriterien: Mäßiggradige Deckzellschichtverbreiterung, mäßiggradige Zelldichte des synovialen Stromas sowie hochgradige leukozytäre entzündliche Infiltration mit Ausbildung sekundärer lymphatischer Follikel bzw. konfluierender, plasmazellreicher, entzündlicher Infiltrate (Synovialitis-Score ≥5/9, Abb. 3.6). Fazit für die Histopathologie: Die histopathologische Graduierung der Synovialitis erfolgt im HE-/Giemsa-Präparat; Blutungsresiduen sollten mittels Berliner-Blau-Reaktion dargestellt werden. Eine polarisationsoptische Analyse dient dem Ausschluss einer zusätzlich bestehenden Kalziumpyrophosphat-Deposition. Die wichtigste Differentialdiagnose stellt die Low-grade-Synovialitis dar.
3.4.2 High-grade-Tenosynovialitis (ICD 10: M05.8) Diagnostische Kriterien: Die rheumatoide Tenosynovialitis zeigt gleiche morphologische Veränderungen wie die Rheumatoide Arthritis im Sinne einer High-grade-Tenosynovialitis (Abb. 3.7). Beweisend für eine rheumatoide Tenosynovialitis sind die rheumatoiden Nekrosen bzw. sog. rheumatoide Granulome (Abb. 3.8; Knoess et al., 2006), welche sich hauptsächlich im tendinösen Gewebe (typischerweise Ellenbogen) nachweisen lassen. Fazit für die Histopathologie und Diagnostik: Eine Rheumatoide Arthritis kann sich als eine Tenosynovialitis manifestieren. Die morphologischen Kriterien einer rheumatoiden Tenosynovialitis sind identisch zu solchen der High-grade-Synovialis (High-grade-
Abb. 3.6: High-grade-Synovialitis mit mäßiggradiger Deckzellschichtverbreiterung, geringgradiger Zellularität des subsynovialen Stromas sowie hochgradiger lymphozytärer entzündlicher Infiltration mit Ausbildung eines sekundären lymphatischen Follikels (Originalvergrößerung 150-fach).
3.5 Synoviale Beteiligung bei Lipidstoffwechselstörungen und Speichererkrankungen
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Abb. 3.7: High-grade-Tenosynovialitis mit hochgradig verbreiterter Deckzellschicht und Deckzellschicht-Ulzerationen, bandartigen Fibrinauflagerungen, mäßiggradig erhöhter Zellularität des subsynovialen Stromas und leichtgradiger entzündlicher Infiltration (Originalvergrößerung 150-fach).
Abb. 3.8: Rheumatoides Granulom mit angedeutet zonalem Aufbau und zentral amorphem nekrotischem Material. Angrenzend einzelne sog. Einzelzellnekrosen. In den peripheren Abschnitten angedeutet palisadenartig angeordnete fibroblastäre Zellen (Originalvergrößerung 150-fach).
Tenosynovialitis). High-grade-Synovialitis bei Psoriasis-Arthritis, bei Reaktiver Arthritis, Morbus Lyme und Morbus Bechterew manifestieren sich als High-grade-Synovialitis. Eine Unterscheidung ist histopathologisch nicht möglich.
3.5 Synoviale Beteiligung bei Lipidstoffwechselstörungen und Speichererkrankungen Die Synovialis, insbesondere die Synovialis der Sehnenscheiden, wird bei Lipidstoffwechselstörungen und seltener bei Lipidspeichererkrankungen mit einbezogen. Bei der Primären Hyperlipoproteinämie kommt es zu makrophagenreichen entzündlichen Infiltrationen. Die Makrophagen zeigen vakuolisierte Zytoplasmen (sog. Schaumzellen). Insbesonders werden die Strecksehnen der Finger und die Achillessehne entzündlich infiltriert. Hierbei kann es zu Sehnenrupturen kommen.
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3 Synovialitis – Das differentialdiagnostische Spektrum der Synovialitis
Bei den seltenen Lipidspeichererkrankungen z. B. bei Morbus Gaucher finden sich lipidspeichernde Makrophagen in verschiedenen Organsystemen. Vor allem die Anreicherung von Makrophagen in den Röhrenknochen ruft Knochendeformitäten hervor. Die Synovialmembran wird selten durch Makrophagen infiltriert. Die Diagnose eines Morbus Gaucher wird in erster Linie biochemisch und durch eine Knochenmarksbiopsie gestellt.
3.6 Sarkoidose (ICD 10: M14.8) Diagnostische Kriterien: Granulome vom Sarkoidose-Typ. Differentialdiagnose: Mykobakterielle Synovialitis, mykotische Synovialitis, fremdkörperinduzierte Synovialitis. Die Sarkoidose ist eine systemische Erkrankung mit granulomatöser Reaktion (Granulom vom Sarkoidose-Typ), die in nahezu allen Körperregionen (z. B. Oligoarthritis) auftreten kann. Die akute Sarkoidose tritt in einer klassischen Kombination mit bihilären Lymphknotenvergrößerungen, Erythema nodosum und Arthritis (der unteren Extremitäten) auf (sog. Löfgren-Syndrom). Die histologische Diagnose von Granulomen (Granulom vom Sarkoidose-Typ) bei fehlender Evidenz für eine andere Genese der Erkrankung führt zur Diagnose einer Sarkoidose. Typischerweise liegen nicht verkäsende Granulome, „Granulome vom Sarkoidose-Typ“, mit zonalem Aufbau und Nachweis von Langhans-Riesenzellen vor (Abb. 3.9). In den Langhans-Riesenzellen können basophile Präzipitate (SchaumannKörper) oder sternförmige basophile Strukturen (Asteroid-Körper) nachgewiesen werden. Als charakteristischer Manifestationsort (bei etwa 15 % der Patienten!) gilt die obere Sprunggelenkarthritis mit symmetrischer Ausprägung. Fazit für die Histopathologie und Diagnostik: Nachweis von nicht verkäsenden synovialen Granulomen bei Ausschluss einer Fremdkörpersynovialitis sowie Ausschluss einer mykotischen und mykobakteriellen Synovialitis. Als Färbungen werden neben der
Abb. 3.9: Granulomatöse Synovialitis mit Granulomen vom Sarkoidose-Typ. Keine erkennbaren Nekrosen. Im Zentrum eines Granuloms eine multinukleäre Riesenzelle vom Touton-Typ (Originalvergrößerung 150-fach).
3.7 Diffuse Variante des tenosynovialen Riesenzelltumors
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konventionellen HE-Färbung eine polarisationsoptische Analyse, eine PAS-, Grocott-, Ziehl-Neelsen-Reaktion sowie PCR-basierter Erregernachweis empfohlen. Wegweisend für die klinische Diagnostik ist sind zusätzlich serologische Parameter (erhöhte ACEAktivität) und die lymphozytäre Alveolitis (CD4/CD8-Quotient größer als 4).
3.7 Diffuse Variante des tenosynovialen Riesenzelltumors (ICD 10 M12.26), sogenannte pigmentierte villonoduläre Synovialitis, PVNS Wenngleich die PVNS eine nichtentzündliche, tumorartige Erkrankung darstellt (Berger et al., 2005), wird diese nicht im Kapitel Tumoren abgehandelt, da sich die PVNS erfahrungsgemäß klinisch oft als eine „entzündliche Erkrankung“ manifestiert. Diagnostische Kriterien: Histologisch stellt sich eine villös konfigurierte Tunica synovialis mit umschriebenen zelldichten Abschnitten dar. Diese bestehen aus fibrohistiozytären Zellformen mit zahlreichen multinukleären Riesenzellen (osteoklastärer Zelltyp) sowie umschriebenen Schaumzellnestern (Abb. 3.10) mit breitzytoplasmatischen Makrophagen (helle, vakuolisierte Zytoplasmen). In der Berliner-Blau-Reaktion besteht eine charakteristische, ausgeprägte, feinstgranuläre Hämosiderindeposition, die sog. staubförmige Hämosiderose (Abb. 3.11). Polarisationsoptisch findet sich kein Nachweis einer Fremdmaterialablagerung. Problematisch stellen sich fokale, initiale Manifestationen der PVNS dar. In diesen Fällen werden Synovialisproben ohne klinische Fragestellung in Hinblick auf eine PVNS übersandt. Die histopathologischen Veränderungen betreffen hier nur minimale Anteile der Synovialis. Somit ist eine immunhistochemische Analyse (Darstellung CD68-positiver multinukleärer Riesenzellen) sowie eine genaue Durchsicht auf nodale, subsynoviale, feinstgranuläre Hämosiderin Depositionen erforderlich. Die sogenannte diffuse Variante des tenosynovialen Riesenzelltumors (sog. pigmentierte villonoduläre Synovialitis) unterscheidet sich von der soliden Variante hauptsächlich durch die Lokalisation. Solide Varianten treten in den Sehnenscheiden, diffuse Varianten ausschließlich intraartikulär (typischerweise Kniegelenk) auf. Solide Varianten
Abb. 3.10: Diffuse Variante des tenosynovialen Riesenzelltumors. Typische Histologie mit multinukleären Riesenzellen, spindeligen Zellen mit breiten Zytoplasmen und feinstgranulären bräunlichfarbenen Pigmentdepositionen (Originalvergrößerung 150-fach).
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3 Synovialitis – Das differentialdiagnostische Spektrum der Synovialitis
Abb. 3.11: Inhomogene Hämosiderindepositionen mit typischen feinstgranulären, sog. staubförmigen Hämosiderindepotionen in Makrophagen (Originalvergrößerung 150-fach).
imponieren histopathologisch zumeist als eine nodale, umschriebene Läsion. Demzufolge ist eine Trennung einer diffusen von einer lokalisierten Variante durch die Histopathologie und durch die Lokalisation (Sehnenscheide versus intraartikuläre Lokalisation) möglich. Die diffuse Variante zeigt ein infiltratives, destruierendes Wachstum mit einer erschwerten, vollständigen Resezierbarkeit. Dies erklärt die erhöhten Rezidivraten (etwa 40–60 %). Differentialdiagnosen Synovialsiderose (bei Zustand nach Trauma, Hämarthros): Diese zeichnen sich durch eine prädominant auf die synoviale Deckzellschicht akzentuierte Hämosiderindeposition aus. Das subsynoviale Gewebe bei einer synovialen Siderose ist im Gegensatz zu einem tenosynovialen Riesenzelltumor zellarm. Ossäre Riesenzelltumoren: Sie sind aufgrund der andersartigen Lokalisation, der reaktiven Knochenbildung sowie des hohen Kerngehaltes der Riesenzellen von der PVNS unterscheidbar. Detritussynovialitis: Sie ist durch die zum Teil devitalen, intrasynovialen Knorpel- und Knochenfragmente charakterisiert, das angrenzende Stroma ist fibroblastenreich. Synoviale Sarkome: Bei einem zytologisch monotonen Aspekt, Fehlen von Riesenzellen, Fehlen einer Hämosiderindeposition sowie Auftreten von Mitosen und Nekrosen (Abb. 3.12) sollten synoviale Sarkome in die Differentialdiagnose insbesondere bei jüngeren Patienten einbezogen werden. Daher empfiehlt sich bei unklarer Morphologie der immunhistochemische Ausschluss einer epithelialen Komponente (DD Synovialsarkom), z. B. durch Darstellung der Antigene EMA und Panzytokeratin (AE1/AE3). Eine translokationsanalytische FISH-Analyse sollte bei unklarem Immunphänotyp und unklarer Morphologie angeschlossen werden. High-grade-Synovialitiden: Diese können aufgrund der hohen Zellularität des synovialen Stromas, der dichten Makrophageninfiltration sowie mehrkerniger Riesenzellen in der synovialen Deckzellschicht in die Differentialdiagnose einbezogen werden. Die
3.8 Lokalisierte Variante des tenosynovialen Riesenzelltumors
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Abb. 3.12: Biphasisches Synovialsarkom. Die epitheloide Komponente ist erkennbar an kohäsiv gelagerten, zum Teil strangförmig strukturierten Zellen mit pleomorph, hyperchromatischen Kernen. Die Stromakomponente weist eine hohe Zellularität und den vereinzeltem Nachweis von Nekrosen auf (Originalvergrößerung 150-fach).
oben genannten Charakteristika der PVNS lassen aber eine eindeutige diagnostische Unterscheidung zu. Fazit für die Histopathologie und Diagnostik: Die HE-Färbung, die Berliner-Blau-Reaktion und die PAS-Färbung (PAS-Positivität der Schaumzellakkumulate) führen zur Diagnose eines tenosynovialen Riesenzelltumors. Die Unterscheidung der lokalisierten Variante von der diffusen Variante ist durch den nodalen Aspekt und die Lokalisation (Sehnenscheide versus intraartikuläre Lokalisation) möglich.
3.8 Lokalisierte Variante des tenosynovialen Riesenzelltumors, sogenannter tenosynovialer Riesenzelltumor der Sehnenscheide (ICD 10: M12.24) Diagnostische Kriterien: Nodal aufgebaute, Zelldichte, zumeist scharf begrenzte, fibrohistiozytäre Läsion bestehend aus monomorphen, fibrohistiozytären Zellformen mit zahlreichen osteoklastenartigen Riesenzellen und kleinen umschriebenen Schaumzellansammlungen (Abb. 3.13) In der Berliner-Blau-Reaktion zeigt sich eine sog. staubförmige Hämosiderindeposition. Histopathologisch ist eine eindeutige Unterscheidung zwischen der lokalisierten Variante des tenosynovialen Riesenzelltumors (sogenannter Riesenzelltumor der Sehnenscheide) von einer diffusen Variante des tenosynovialen Riesenzelltumors (sogenannte pigmentierte villonoduläre Synovialitis) bei charakteristischer Ausprägung (nodaler Aspekt) und unter Miteinbeziehung der Lokalisation möglich. Daher erleichtert die Lokalisationsangabe (Sehnenscheide) die Unterscheidung der lokalisierten Variante von der diffusen Variante. Lokalisierte, zumeist Sehnenscheiden-assoziierte, tenosynoviale Riesenzelltumoren werden oft unter der Verdachtsdiagnose „Lipom, Atherom“ reseziert und zeigen aufgrund des nodalen Befallsmuster und der damit verbundenen vollständigeren Resezierbarkeit eine vergleichsweise geringere Rezidivrate von etwa 10–20 %.
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3 Synovialitis – Das differentialdiagnostische Spektrum der Synovialitis
Abb. 3.13: Charakteristische sog. Schaumzellansammlung in einem tenosynovialen Riesenzelltumor der Sehnenscheide. Die Schaumzellen zeigen breite, gering vakuolisierte, leicht basophile Zytoplasmen mit zentral gelegenen abgerundeten Kernen (Originalvergrößerung 150-fach).
Fazit für die Histopathologie und Diagnostik: Mittels HE-Färbung, Berliner-Blau-Reaktion und PAS-Färbung (PAS-Positivität der Schaumzellakkumulate) ist die Diagnose eines tenosynovialen Riesenzelltumors zu stellen. Die Unterscheidung der lokalisierten Variante von der diffusen Variante ist nicht durch das histopathologische Bild, sondern nur durch die Lokalisation (Sehnenscheide versus intraartikulär) möglich. Sogenannte Synovialsiderosen (bei Zustand nach Trauma, Hämarthros) zeichnen sich durch eine ausschließlich auf die synoviale Deckzellschicht akzentuierte Hämosiderindeposition aus. Das subsynoviale Gewebe bei einer synovialen Siderose ist im Gegensatz zu einem tenosynovialen Riesenzelltumor zellarm.
3.9 Fremdkörperinduzierte Synovialitis (ICD 10: M65.86, T80.2) Mikroskopischer Befund: Synovialgewebe mit umschriebenen fibrösen Abschnitten und einem Lymphozyten-, Makrophagen- und Plasmazell-reichen entzündlichen Infiltrat. Es stellen sich fokale Ansammlungen von multinukleären Riesenzellen (Fremdkörpertyp) dar (Abb. 3.14); polarisationsoptisch kann der Nachweis von intrazytoplasmatisch lokalisiertem, doppelbrechendem Material gelingen. Diagnostische Kriterien: Multinukleäre Riesenzellreaktion (vom Fremdkörpertyp) mit polarisationsoptischem Nachweis von doppelbrechenden, intrazytoplasmatisch lokalisierten Partikeln. Differentialdiagnose: Artikuläre/synoviale Sarkoidose, artikuläre/synoviale Tuberkulose. Die fokale, multinukleäre Fremdkörperriesenzellreaktion mit zumeist polarisationsoptischem Nachweis von doppelbrechenden, intrazytoplasmatischen Partikeln führt zur Diagnose einer Fremdköpersynovialitis. Fremdkörperinduzierte Synovialitiden werden typischerweise nach intraartikulärer Injektionstherapie beobachtet. Bei jüngeren Patienten besteht anamnestisch oft ein Trauma. In seltenen Fällen werden intrasynovial Dornreste gefunden. Die Abgrenzung zur Sarkoidose und Mykobakteriose ergibt sich durch die histopathologischen Charakteristika einer multinukleären Fremdkörperriesenzellreaktion.
3.10 Synoviale Chondromatose, Morbus Reichel
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Abb. 3.14: Fremdkörperinduzierte Synovialitis mit Nachweis von polarisationsoptisch noch doppelbrechenden Partikeln in multinukleären Riesenzellen (vom Fremdkörpertyp) (Originalvergrößerung 150-fach).
Fazit für die Histopathologie und Diagnostik: Im konventionellen HE-Präparat lässt sich die multinukleäre Riesenzellreaktion vom Fremdkörpertyp sicher diagnostizieren, Fremdmaterialdepositionen sollten mithilfe der polarisationsoptischen Analyse charakterisiert werden.
3.10 Synoviale Chondromatose, Morbus Reichel (ICD 10: Q78.4) Mikroskopischer Befund: Synovialgewebe (fibrös-adipöser Typ) mit kontinuierlich erhaltener synovialer Deckzellschicht. An die synoviale Deckzellschicht angrenzend zeigt sich lobulär aufgebautes, reifes, hyalines Knorpelgewebe mit regelhafter Kernmorphologie und nicht kalzifizierter, homogener Grundsubstanz des hyalinen Knorpels (Abb. 3.15).
Abb. 3.15: Synoviale Chondromatose mit subsynovialen hyalinen inselartigen Knorpelproliferaten. Die synoviale Deckzellschicht ist kontinuierlich erhalten, die Zellularität der hyalinen Knorpelproliferate nicht wesentlich erhöht. Keine Atypien, keine Nekrosen (Originalvergrößerung 150-fach).
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3 Synovialitis – Das differentialdiagnostische Spektrum der Synovialitis
Diagnostische Kriterien: Eine polypös konfigurierte Synovialis mit kontinuierlich erhaltener Deckzellschicht und subsynovial lokalisierten, lobulär aufgebauten, hyalinen Knorpelinseln mit zytologisch regelhaften Chondrozyten. Differentialdiagnose: Freie Gelenkkörper bei Osteochondrosis dissecans, Detritussynovialitis, synovialem Chondrosarkom. Die primäre synoviale Chondromatose (Morbus Reichel) unterscheidet sich von der sekundären synovialen Chondromatose einerseits durch die Pathogenese, andererseits durch das histopathologische Bild. Ihre Ätiologie ist ungeklärt, hingegen findet sich bei der sogenannten sekundären synovialen Chondromatose ein Zustand nach rezidivierenden Traumata (sog. Judo-Ellenbogen) sowie eine vorbestehende primäre Gelenkerkrankung (Osteochondrosis dissecans, Arthrose). Bei der sekundären synovialen Chondromatose zeigen die lobulären hyalinen Knorpelfragmente umschriebene Kalzifikationen mit sekundärer Knochenneubildung. Klinisch ist die Unterscheidung einer primären von einer sekundären synovialen Chondromatose zweitrangig, da sich das führende Symptom der synovialen Chondromatose – die Gelenkblockade – durch die z. T. auch freigesetzten hyalinen Knorpelfragmente (Corpus librum) darstellt. Als Therapie ist eine radikale Synovektomie indiziert. Eine maligne Transformation der synovialen Chondromatose stellt ein nur durch einzelne Fallberichte beschriebenes Ereignis dar. Fazit für die Histopathologie und Diagnostik: Die hyalinen, lobulären Knorpelfragmente werden in der HE-Färbung, PAS- Färbung und Alcianblau-Färbung dargestellt. Der Nachweis älterer Blutungsresiduen (Osteochondrosis dissecans, Arthrose) erfolgt mittels Berliner-Blau-Reaktion.
3.11 Synovialis-Lipom, Lipoma aborescens (ICD-10: D17.7) Diagnostische Kriterien: Poypoid konfiguriertes fettzellreiches Synovialgewebe mit kohäsiv gelagerten, gering vergrößerten und formgleichen Lipozyten mit lobulärem Aufbau (Abb. 3.16). Interlobär zeigen sich faserreiche, zarte Gewebssepten mit einzelnen
Abb. 3.16: Synoviales Lipom. Die synoviale Deckzellschicht ist rarefiziert. Subsynovial vergrößerte, kohäsiv gelagerte Lipozyten (Originalvergrößerung 150-fach).
3.13 Eitrige infektiöse Synovialitis
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ektatischen Gefäßen. Atypische Zellen oder atypische Gefäßproliferate sind nicht nachweisbar. Das Lipoma arborescens als eigenständiges Erkrankungsbild ist in der Literatur umstritten, da gleichnamige Entitäten bei verschiedenen chronisch entzündlichen und degenerativen Gelenkerkrankungen auftreten, sodass diese Läsionen auch als lipomatöse Hyperplasie des synovialen Fettgewebes klassifiziert werden. Typischerweise werden bei schwergradigen Arthrosen villöse, adipöse Hyperplasien nachgewiesen. Diese lipomatösen Hyperplasien sind von einem synovialen intraartikulären Lipom (Lipoma arborescens im eigentlichen Sinn) nur bei eindeutiger Ausprägung des Lipoms (uniform vergrößerte und kohäsive gelagerte Lipozyten) zu unterscheiden. Da intraartikuläre Lipome auch einen birnenförmigen Aufbau aufweisen können (im Sinne eines gestielten Lipoms), können hämorrhagische Infarzierungen des Fettgewebes auftreten, welche arthroskopisch die Differentialdiagnose einer pigmentierten villonodulären Synovialitis möglich erscheinen lassen. Fazit für die Histopathologie und Diagnostik: Das Lipoma arborescens mit den histopathologischen Kriterien eines Lipoms ergibt in Fällen ohne hämorrhagische Infarzierung keine differentialdiagnostischen Probleme. Bestehen ausgedehnte hämorrhagische Infarzierungen mit einer makrophagenreichen Entzündung und Hämosiderindepositionen, kommen differentialdiagnostisch die diffuse Variante des tenosynovialen Riesenzelltumors (sog. pigmentierte villonoduläre Synovialitis, PVNS) und das synoviale Hämangiom in Betracht. Eine definitive Abgrenzung zu einer lipomatösen Hyperplasie der Synovialmembran kann problematisch sein, wobei in Fällen einer schwergradigen, chronischen Gelenkerkrankung (z. B. Arthrose) eine lipomatöse Hyperplasie die wahrscheinlichere Diagnose ist.
3.12 Synoviales Hämangiom (ICD 10: D18.08) Intrasynoviale Hämangiome stellen klinisch eine schwierige Diagnose dar, da sie von regressiv veränderten Lipomen (Einblutungen, Vernarbungen, Nekrosen) oder von einer diffusen Variante eines tenosynovialen Riesenzelltumors nicht eindeutig getrennt werden können. Diagnostische Kriterien: Histopathologisch handelt es sich meistens um sog. kavernöse Hämangiome mit hochgradig ektatischen Blutgefäßen. Lobulär kapilläre und arteriovenöse Typen sind seltener. Durch rezidivierende Einklemmungen mit Gewebsischämie kann die histopathologische Diagnostik erschwert sein. Hilfreich für die Abgrenzung einer regressiv veränderten diffusen Variante eines tenosynovialen Riesenzelltumors kann der fehlende Nachweis CD68-positiver, multinukleärer Riesenzellen sein.
3.13 Eitrige infektiöse Synovialitis (ICD 10: M65.1) Die Diagnose einer eitrigen, infektiösen Arthritis ist durch das histologische Bild einer eitrigen Entzündung in den meisten Fällen eindeutig. Diagnostische Kriterien: Synovialmembran mit dichter granulozytenreicher, entzündlicher Infiltration, Nekrosen, Deckzellschicht-Ulzerationen mit Fibrinauflagerungen und
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3 Synovialitis – Das differentialdiagnostische Spektrum der Synovialitis
Abb. 3.17: Eitrige, bakterielle, infektiöse Synovialitis mit Deckzellschicht-Ulzerationen, dichter granulozytärer entzündlicher Infiltration mit Ausbildung von Abszessen und Mikroabszessen (Originalvergrößerung 150-fach).
fokalen Fibrininsudationen sowie Mikroabszessausbildung (Abb. 3.17). Problematisch können bereits antibiotisch anbehandelte Fälle sein, in denen nur eine leichtgradige granulozytäre Infiltration besteht, sowie Fälle mit minimaler bakterieller Infektion (sog. Low-grade-Infektionen). Ätiologisch liegt meistens eine Staphylokokken-Infektion (60 %) und bei Kleinkindern unter zwei Jahren eine Haemophilus-influenzae-Infektion vor. Der Infektionsweg ist einerseits exogen durch Verletzung, andererseits durch unsterile intraartikuläre Injektionen geprägt. Selten liegt eine fortgeleitete Infektion bei einer gelenknahen Osteomyelitis vor (Kleinkinder). Bei Säuglingen und Kleinkindern treten auch typischerweise hämatogene Infektionen (bei Bakteriämie) auf. Prädisponierende Faktoren sind Diabetes mellitus, chronischer Alkoholismus, Arthritis urica und Chondrokalzinose. Eine erhöhte Gefahr einer sogenannten iatrogenen Infektarthritis besteht bei Patienten mit Steroidtherapie und Therapie mit Biologika (z. B. bei Rheumatoider Arthritis). Mithilfe der PAS-Reaktion oder der Reaktion nach Grocott kann eine Pilzinfektion diagnostiziert oder ausgeschlossen werden. Die Untersuchung mit der Ziehl-NeelsenReaktion komplementiert die Diagnostik, da akute granulozytenreiche Synovialitiden auch durch Mykobakterien induziert sein können. Darüber hinaus können hochspezifische genomische Targets zur eindeutigen Genus-, Spezies- und möglichen Resistenzdifferenzierung über Multiplex-PCR nach mechanischem Aufschluss der Zellen und Keime, Gesamt-DNA-Isolation und selektiver Anreicherung der Erreger-DNA (z. B. VYOO®, SIRS-Lab) in Synovialflüssigkeit detektiert werden. Der molekularpathologische Nachweis von bakterieller DNA ist in der Synovialflüssigkeit und in Synovialisbiopsien möglich. Diese Verfahren erlauben aber derzeit nur eine begrenzte Aussage über Vitalität und Antibiotikasensitivität oder Resistenz, sodass eine mikrobiologische Abklärung erforderlich ist. Fazit für die Histopathologie und Diagnostik: In der konventionellen HE- und PASFärbung lässt sich die Diagnose einer eitrigen Synovialitis unproblematisch stellen. Eine Gram-Färbung kann zur Keimdetektion herangezogen werden, da in etwa 80 % der
3.14 Granulomatöse Synovialitiden
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Infektionen grampositive Mikroorganismen vorliegen (Staphylokokken 60 %, Streptokokken 20 %). Da eine akute Gicht-Arthropathie/Synovialitis auch einen hohen Granulozytenanteil im entzündlichen Infiltrat aufweisen kann, sollte unbedingt auf intrasynoviale Gichttophi geachtet werden. Die reaktive (postinfektiöse) Arthritis sowie die monoartikuläre Rheumatoide Arthritis zeichnen sich durch eine chronische Synovialitis mit einem lymphoplasmazellulären entzündlichen Infiltrat aus. Die definitive Einordnung der Infektion mit Antibiotika Sensitivitätsabklärung erfolgt mikrobiologisch. Eine PCR-basierte Diagnostik kann ebenfalls zur Keimspezifizierung einen Beitrag leisten.
3.14 Granulomatöse Synovialitiden 3.14.1 Mykobakterielle Synovialitis (tuberkulöse Arthritis) (ICD 10: M68.0, A18) Die tuberkulöse Arthritis hat im letzten Jahrzehnt eine Zunahme der Häufigkeit erfahren. Dies ist auf die Migration aus Ländern mit höherer TBC-Prävalenz, die erhöhte Verbreitung von Patienten mit reduziertem Immunstatus (Therapie mit Biologika, AIDS) und auch auf die wachsende Anzahl an alten und gebrechlichen Patienten zurückzuführen. Von der primär synovialen Verlaufsform wird die primär ossäre Verlaufsform unterschieden. Primäre synoviale/tenosynoviale Verlaufsform Diese manifestiert sich schleichend und typischerweise mit einer Tenosynovialitis (Unterarm, Handgelenk). Primäre synoviale Verlaufsformen werden in den meisten Fällen von sogenannten atypischen Mykobakterien verursacht. Anamnestisch besteht im Bereich der befallenen Region oft ein Zustand nach Trauma (mykobakteriell kontaminiertes Badewasser im Hochsommer, mykobakteriell kontaminiertes Wasser von Aquarien). Mykobakterielle Tenosynovialitiden werden u. a. auch bei Zustand nach Haustierbiss (z. B. Hund) im Bereich des Handgelenkes beobachtet. Diagnostische Kriterien: Granulome vom Tuberkulosetyp (Abb. 3.18) und spezifischer Erregernachweis in der Ziehl-Neelsen-Färbung. Die Differentialdiagnose umfasst die Sarkoidose-Synovialitis und die fremdkörperinduzierte Synovialitis. Primäre ossäre Verlaufsform Diese betrifft zu 85 % die gewichttragenden Gelenke (Knie, Hüft- und Talocruralgelenk) und zeichnet sich durch einen progredienten Verlauf aus. Aufgrund der variablen Ausprägungen von Granulomen bei atypischer und typischer mykobakterieller Infektion lässt sich eine definitive Diagnose nur durch PCR mit Sequenzierung des Amplifikates (Subspezifikation des Erregers) durchführen. Die Diagnostik mykobakterieller Infektionen kann mittels histochemischer (Ziehl-Neelsen-Reaktion) und fluoreszenzmikroskopischer Verfahren erfolgen. Die immunhistochemische Diagnostik hat sich hingegen nicht durchgesetzt. Als Standardverfahren ist die molekularpathologische Diagnostik mykobakterieller Infektionen etabliert. Besonders beachtet werden muss der mechanische Aufschluss
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3 Synovialitis – Das differentialdiagnostische Spektrum der Synovialitis
Abb. 3.18: Granulomatöse Synovialitis mit Nachweis von Granulomen des Tuberkulosetyps. Im Zentrum der Granulome finden sich Nekrosen. Angrenzend einzelne Apoptosen sowie multinukleäre Riesenzellen (teilweise vom Touton, teilweise vom Fremdkörpertyp). Fokale Fibrininsudationen sowie Deckzellschicht-Ulzerationen (Originalvergrößerung 150-fach).
der Zellen und Bakterien zur DNA-Gewinnung. Zum Nachweis mykobakterieller Infektionen eignet sich die PCR. Die Subtypisierung der Mykobakterien wird durch Sequenzierung oder mit Chip-basierten Methoden (Hybridisierung auf spezifische Sequenzen) durchgeführt. Fazit für die Praxis: Histologischer Nachweis von Granulomen (Tuberkulosetyp), säurefester Stäbchen (Ziehl-Neelsen-Färbung) sowie Ausschluss einer mykotischen Infektion (Grocott, PAS). Eine definitive Diagnosestellung, insbesonders ein Ausschluss einer atypischen Mykobakteriose, bzw. eine Typisierung der mykobakteriellen Infektion sollte mittels PCR-basierter Techniken erfolgen.
3.14.2 Granulomatöse Synovialtiden bei Brucellose, mykotischer Infektion und anderen Bakterien/Mikroorganismen Granulomatöse Synovialitis bei Brucellose Die Brucellose gehört zu einer der weltweit verbreiteten Infektionserkrankungen (Brucellen). Als Hauptinfektionsrisiko gilt der Konsum von nichtpasteurisierten Milchprodukten. Diagnostische Kriterien: Histopathologisch finden sich kleine Granulome bestehend aus Makrophagen und degenerierenden neutrophilen Granulozyten. Zu den in Mitteleuropa sehr seltenen granulomatösen Synovialitiden gehören die Gelenksyphillis und die Lepra. Mykotische Synovialitis Für die mykotische Synovialitis gilt, wie auch für die tuberkulöse Synovialitis, ein erhöhtes Risiko durch einen reduzierten Immunstatus (beispielsweise wegen einer Biologika-Therapie).
Literatur
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Diagnostische Kriterien: Nekrosen, Fibrininsudationen sowie Granulome (vom Tuberkulose-Typ). Hyphen/Sporen sind in der Spezialfärbung (PAS, Grocott) in den meisten Fällen darstellbar. Eine mikrobiologische bzw. PCR-basierte Diagnostik ist erforderlich. Literatur Aigner T, Söder S. Histopathologische Begutachtung der Gelenkdegeneration. Typing, Grading und Staging der Osteoarthrose. Der Pathologe 2006;27(6): 431–8. Berger I, Weckauf H, Helmchen B, et al.: Rheumatoid arthritis and pigmented villonodular synovitis: comparative analysis of cell polyploidy, cell cycle phases and expression of macrophage and fibroblast markers in proliferating synovial cells. Histopathology 2005;46: 490–7. Jakobs M, Morawietz L, Rothschenk H, Hopf T, Weiner S, Schauten H, Krukemeyer MG, Krenn V. Synovitis score: value of histopathological diagnostics in unclear arthritis: Case reports from rheumatological pathological practice. Z Rheumatol 2007;66(8): 706–12. Knoess M, Krukemeyer MG, Gehrke T, Otto C, Meyer-Scholten C, Otto M, Kriegsmann J. Differentialdiagnostik des rheumatoiden Granuloms. Pathologe 2006;27: 409–15. Krenn V, Morawietz L, Burmester GR, Häupl T. Synovialitis score: Histopathological grading system for chronic rheumatic and non-rheumatic synovialitis. Z Rheumatol 2005;64(5): 334–42. Krenn V, Morawietz L, Häupl T, Neidel J, Petersen I, König A. Grading of chronic synovitis – a histopathological grading system for molecular and diagnostic pathology. Pathol Res Pract 2002;198(5): 317–25. Krenn V, Morawietz L, Burmester G-R, Kinne RW, Mueller-Ladner U, Muller B, Häupl T. Synovitis score: discrimination between chronic low-grade and hig-grade synovitis. Histopathology 2006;49: 358–64. Morawietz L, Tiddens O, Mueller M, Tohtz S, Gansukh T, Schroeder JH, Perka C, Krenn V. Twenty-three neutrophil granulocytes in 10 high-power fields is the best histopathological threshold to differentiate between aseptic and septic endoprosthesis loosening. Histopathology 2009;54(7): 847–53. Ogdie A, Li J, Dai L, Paessler ME, Yu X, Diaz-Torne C, Akmatov M, Schumacher HR, Pessler F. Identification of broadly discriminatory tissue biomarkers of synovitis with binary and multicategory receiver operating characteristic analysis. Biomarkers 2010;15(2): 183–90. Pessler F, Ogdie A, Diaz-Torne C, Dai L, Yu X., Einhorn E, Gay S, Schumacher HR. Subinitimal Ki-67 as a synovial tissue biomarker for inflammatory arthropathies. Ann Rheum Dis 2008;67 (2): 162–7. Ruiz Heiland G, Aigner E, Dallos T, Sahinbegovic E, Krenn V, Thaler C, Weiss G, Distler JH, Datz C, Schett G, Zwerina J. Synovial immunopathology in hemochromatosis arthropathy. Ann Rheum Dis 2010;69(6): 1214–9. Rupschler P, Stiehl P. Shift in Th1 (IL-2 and IFN-gamma) and Th2 (IL-10 and IL-4) cytokine mRNA balance within two new histological main-types of rheumatoid-arthritis (RA). Cell Mol Biol (Noisy-le-grand) 2002;48(3): 285–93. Slansky E, Li J, Häupl T, Morawietz L, Krenn V, Pessler F.Quantitative determination of the diagnostic accuracy of the synovitis score and its components. Histopathology 2010;57(3): 436– 43. Stiehl P, Geiler G. Morphological activity estimation of rheumatoid arthrits: a comparartive stufy of synovial fluid and synovial membrane. Z Rheumatol 1974;33(1): 54–62. Stiehl P. Histological classification of synovial membranes of patients with rheumatoid arthritis. Surgical Pathology Update 2001. Berlin: ABW-Wissenschaftsverlag GmbH, 2001.
4 Kristallarthropathien Jozef Zustin
4.1 Einführung Kristallarthropathien (Abb. 4.1) sind häufige Stoffwechselerkrankungen des Mannes mit zunehmender Inzidenz in höheren Altersgruppen. Sie können zu einer akuten oder chronischen Entzündung von artikulärem Gewebe führen und so eine Gelenkdegeneration mit potenziell folgender Destruktion hervorrufen. Die Identifizierung von Kristallen in der Gelenkflüssigkeit und/oder Gelenkbiopsien stellt einen Schlüssel zur korrekten Diagnose dar und beeinflusst die weitere Therapie. Die Behandlung dieser
Abb. 4.1: Kristallarthopathien, Übersicht
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4 Kristallarthropathien
Grunderkrankungen hilft nicht nur bei Reduzierung von extraartikulären Manifestationen, sondern kann auch zu einer verbesserten Therapie der Arthrose beitragen. Kristallablagerungen werden anhand des makroskopischen, kontaktradiografischen und mikroskopischen Erscheinungsbildes, der typischen Struktur von abgelagerten Kristallen und deren Lokalisation innerhalb der unterschiedlichen Gelenke klassifiziert.
4.2 Chondrokalzinose (Kalziumpyrophosphatdihydrat-Kristallarthropathie, CPPD, CPPDD, Pseudogicht; ICD-10: M11.1-) 4.2.1 Einführung Die mit Abstand häufigste Kristallarthropathie ist die durch Ablagerung von Kalziumpyrophosphatdihydrat-Kristallen in Faser- und hyalinem Knorpel des Gelenkes und der Wirbelsäule sowie in Weichteilen charakterisierte Chondrokalzinose. Erstmals wurden derartige makroskopisch kleine, kreideweiße Kalkkörner an den Zwischenwirbelscheiben von Luschka 1856 beschrieben. Eine histologische Erstbeschreibung einer amorphen, feinkörnigen Masse im senilen Knorpel erfolgte kurz danach durch Weichselbaum. Kalziumphosphatkristalle in der Synovialflüssigkeit und das Pseudogichtsyndrom wurden von Kohn 1962 berichtet. 1958 beschrieben Zitnan und Sitaj eine bei mehreren Mitgliedern von fünf Familien aufgetretene polyartikuläre Chondrokalzinose. Die Chondrokalzinose tritt sporadisch im späten Erwachsenenalter oder seltener in hereditär-familiärer Form auch bei jüngeren Patienten auf. Die Prävalenz steigt von 10–15 % bei 65- und 75-jährigen auf mehr als 40 % der über 80-jährigen Personen. Es zeigt sich eine Verbindung von CPPD mit verschiedenen endokrinen und metabolischen Symptomen und Krankheiten (z. B. Hyperparathyreoidismus, Hämochromatose, Gicht, Morbus Wilson, Hypophosphatasie, Hypothyreose u. a.) (Gaucher et al., 1977a, Gaucher et al., 1977b). Fokale Kalziumpyrophosphatkristallablagerungen können als Zufallsbefund in Gelenkbiopsien ohne spezifische Symptomatik nachgewiesen werden. Vor allem in schwierigen Fällen einer Chondrokalzinose können Symptome wie Gelenkschmerzen und Synovialitis (Pseudogicht) auftreten oder eine dauerhafte Alteration von Knorpelstruktur und Osteoarthrose (OA) durch Kristallablagerung begünstigt werden (Doherty und Dieppe, 1988; Kohn et al., 1962).
4.2.2 Ätiopathogenese Nach der Erstbeschreibung der familiären Chondrokalzinose von Gelenkknorpel in der Slowakei wurden mehrere klinische Studien durchgeführt, die auf einen autosomal dominanten Erbmodus hinwiesen (Gaucher et al., 1977a, 1977b; Moskowitz und Katz, 1964; Reginato et al., 1994; Richardson et al., 1983; Sakaguchi et al., 1982). Als zugrunde liegende ätiopathogenetische Veränderung für CPPD wurde Anfang der 1990er-Jahre aufgrund von Untersuchungen einer großen Familie auf der Chiloé-Insel mit schwerer früher OA, spondyloepiphysealer Dysplasie und Chondrokalzinose eine heterozygote Mutation des COL2A1-Gens erkannt. Diese führt zu einer ARG/CYS-Substitution in der Aminosäure 75 des Kollagen-Typ-II-Moleküls der extrazellulären Matrix (Reginato et al., 1994; Williams et al., 1993). Später wurde allerdings diskutiert, dass sich die Chondrokalzinose möglicherweise erst sekundär nach schwerer OA bei diesen
4.2 Chondrokalzinose
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Fällen entwickelt haben könnte. Weitere potenzielle Gene für die familiäre CPPD wurden direkt im Metabolismus von Knorpelzellen studiert. In erster Linie handelte es sich um Enzyme der chondrozytären Produktion von kristallbildendem anorganischem Pyrophosphat (PPi), wie z. B. Nukleosidtriphosphatase-pyrophosphohydrolase (NTPPPH) (Howell et al., 1984; Munitz et al., 1984; Ryan et al., 1986). Später wurden ausreichend viele Familien mit CPPD identifiziert, um eine statistisch relevante Anzahl von betroffenen Personen zu untersuchen, und weitere für CPPD verantwortliche Gene wie CCAL1 in Chromosom 8q studiert. Nach heutigem Kenntnisstand wird als der in der europäischen Population wichtigste Lokus 5p15 angesehen, der mehrere potenzielle Gene für CPPD enthält. Neben Großbritannien und Frankreich1 wurde dieser Lokus auch bei Patienten mit familiärer CPPD in Argentinien gefunden. Es war möglich, die in diesem Lokus gefundenen Gene weiter im Mausmodell für progressive Ankylose (ank) zu studieren (Gurley et al., 2006; Pendleton et al., 2002; Wang et al., 2009). Bei der Chondrokalzinose kommt es zu einer frühen und variablen multifokalen Manifestation im Kniegelenk, in der Symphyse, den Bandscheiben oder den Handgelenken. Darüber hinaus wurden auch Fälle mit schwerer Arthrose und Ausbildung großer subchondraler Pseudozysten beschrieben. Die klinische Erstmanifestation wird durch eine gichtähnliche Symptomatik mit einer anfallartigen akuten Monoarthritis oder seltener Oligoarthritis meist großer Gelenke mit einer allgemein geringeren Intensität als bei der Arthritis urica charakterisiert. Radiologische Befunde (Choi et al., 2006; Huang et al., 1993; Kijowski et al., 2006; Li et al., 2009) führen zumindest bei fortgeschrittenen Fällen meistens zu einer zuverlässigen präoperativen Diagnose der CPPD. Bei gering ausgeprägten radiologischen Befunden steigt jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass die Krankheit erst histopathologisch erkannt wird. Hierzu ist ein ausgedehntes Aufarbeiten des bei der Biopsie gewonnenen Weich- und Knochengewebes notwendig, da die diagnostisch relevanten Befunde oft nur fokal auftreten.
4.2.3 Pathologische Befunde Makroskopisch (Abb. 4.2 a) lassen sich an der Synovialmembran, den Menisken und dem Gelenkknorpel neben anderen Zeichen einer OA punktförmige oder kleinknotige, stellenweise konfluierende, kalkspritzerartige Ablagerungen erkennen. Oft findet man fingerförmige Proliferationen der Gelenkinnenhaut mit kreideweißer Ablagerung und bröckeliger Konsistenz. Am Gelenkknorpel kommen meist punktförmige Kristallablagerungen zur Darstellung (Cave: Entkalkung führt in der Regel zum Herauslösen von Kristallen!). Histologisch lassen sich in frühen Phasen der Krankheit nach unentkalkter Präparation in oberflächlichen und mittleren Zonen des Knorpels fokal umschriebene Herde mit unregelmäßiger feingranulärer Struktur (Abb. 4.2 b) und leicht erhöhter Basophilie der Grundsubstanz erkennen. Sie kommen prädominant in zellarmen Gewebsabschitten ohne histiozytäre Abräumungsreaktion zur Darstellung, häufig auch im Faserknorpel mit dem Bild einer kartilaginären Metaplasie (Beutler et al., 1993; Scapinelli und Little, 1970) von Fibroblasten. Bei polarisationsoptischer Untersuchung (Abb. 4.2 c) stellen sich in diesen Herden multiple, kleine, plumpe, quaderähnliche und stellenweise auch nadelförmige Kristalle dar. Nach Pseudogichtanfällen können im Rahmen einer akuten Arthropathie zusätzlich reaktive Infiltrate durch neutrophile Granulozyten
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4 Kristallarthropathien
Abb. 4.2: Chondrokalzinose. a: Meniskusresektat mit multiplen feingranulären, teilweise konfluierenden weißen Ablagerungen an der Gelenkoberfläche. b: Histologisch zeigen sich innerhalb von Knorpel- oder zellarmem Fibrosegewebe dichte, feingranuläre Ablagerungen. Es kommt keine entzündliche Reaktion zur Darstellung. Einzelne Fibroblasten weisen abgerundete Zellhöfe und runde hyperchrome Zellkerne, passend zu einer kartilaginären Metaplasie, auf. c: Im polarisierten Licht lässt sich die quaderförmige Struktur von Kristallen darstellen (unentkalkte Präparation, Toluidinblau-Färbung, 400-fach).
und unterschiedlich stark ausgeprägte Infiltrationen durch Hämosiderophagen auftreten. Letztere können entweder Folge einer Hämochromatose sein oder ein Korrelat für vorausgegangene Mikrotraumata darstellen. Subsynovial kann es auch zu einer fokalen Fremdkörperreaktion und histiozytärer Infiltration kommen.
4.3 Apatit-Kalzinose (basische Kalziumphosphat-Arthropathie, BCP-Kalzinose; ICD-10: M11.0-) 4.3.1 Einführung Die mit basischem Kalziumphosphat (BCP) assoziierten Kristallarthropathien bzw. Apatit-Krankheiten sind die zweithäufigsten Kristallarthropathien. BCP-Kristalle wurden sehr häufig in der Synovialflüssigkeit (Derfus et al., 2002; Nalbant et al., 2003) und weniger oft in Knorpelproben (Fuerst et al., 2009) von arthrotischen Gelenken gefunden. Sie sind auch mit spezifischen Krankheitsbildern wie z. B. schwerer Schulterarthropathie assoziiert, die als Milwaukee-Schulter-Syndrom bezeichnet wird (Halverson et al., 1981), sowie mit schwerer rapid progressiver Arthritis. Weitere durch Apatitkristallablagerung charakterisierte Erkrankungen sind die tumorbildende Kalzinose und kalzifizierte Tendopathie. Die katabolische Einwirkung von CPPD und BCP auf hyalinen Knorpel konnte experimentell nachgewiesen werden (Landis und Haskard, 2001). Darüber hinaus konnte im Experiment gezeigt werden, dass BCP eine entzündliche Antwort hervorrufen kann (Prudhommeaux et al., 1996).
4.3 Apatit-Kalzinose
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4.3.2 Ätiopathogenese Klinisch kommt es hierbei hauptsächlich zur Kristallablagerung im Fibrosegewebe wie z. B. den Sehnen oder der Rotatorenmanschette. Auch bei BCP-Kristallarthropathien steigt die Prävalenz mit dem Patientenalter. BCP-assoziierte Kristallarthropathien werden in bestimmten Lokalisationen (Rotatorenmanschette) auch bei asymptomatischen Patienten mit einer Häufigkeit von mehr als 20 % beobachtet. Die Ätiologie von Apatit-Ablagerungen wurde bislang nicht ausreichend geklärt. Bei der tumorbildenden Kalzinose handelt es sich um eine seltene Erkrankung mit ausgedehnten ektopen Kalzifizierungen in periartikulären Lokalisationen. Diese Erkrankung kann anhand des klinischen Bildes in drei Formen (Knowles et al., 1983; Slavin et al., 1993) eingeteilt werden. Die erste Form geht mit einer Hyperphosphatämie einher und ist assoziiert mit Anomalien von Dentin und erhöhten 1,25-OH-Vitamin-D-Werten im Serum. Die zweite Form ist mit der Hämodialyse verknüpft. Die letzte, familiäre Form wird laborchemisch durch normale oder erhöhte 1,25-OH-Vitamin-D-Werte charakterisiert. In neueren Studien konnte ein autosomal rezessiver (Araya et al., 2005; Benet-Pages et al., 2005; Ichikawa et al., 2005; Savaci et al., 2000; Topaz et al., 2005) und seltener auch ein autosomal dominanter Erbmodus gezeigt werden (Lyles et al., 1985; Polykandriotis et al., 2004). Als am häufigsten für eine tumorbildende Kalzinose verantwortliche Gene wurden Mutationen in GALNT3 und FGF23 diskutiert sowie weitere biochemische Korrelationen zwischen Veränderungen im Metabolismus von Kalzium, Phosphaten und Vitamin D gezeigt Benet-Pages et al., 2005; Ichikawa et al., 2007; Joseph et al., 2010; Lyles et al., 1985; Polykandriotis et al., 2004). Das GALNT3-Gen codiert für die UDP-N-acetyl-alpha-D-Galaktosamin-Transferase 3 (ppGalNacT3), welche sich an der posttranslationalen O-Glykolysierung von Phosphaten beteiligt. Interessanterweise kann der Fibroblasten-Wachstumsfaktor 23 (FGF-23) neben der tumorbildenden Kalzinose auch zur Hypophosphatämie oder onkogenen Osteomalazie führen.
4.3.3 Pathologische Befunde Makroskopisch erkennt man im periartikulären Weichgewebe bei einer BCP-Kalzinose fokale tumorförmige, trocken aussehende und teilweise zahnpastaähnliche Kalkherde, die beim Anschneiden knirschen können. Bei vorausgegangener Blutung können diese auch beige gefärbt werden und eine zähflüssige Konsistenz aufweisen, die an Eiter aus einer Abszesshöhle erinnern könnte. Bei mikroskopischer Untersuchung (Abb. 4.3) stellen sich inhomogene, teils basophile Auflagerungen mit multiplen, kleinen, psammomartigen oder grobgranulären Einschlüssen und dunkel basophilen Kalksalzniederschlägen dar. Unter polarisiertem Licht lassen sich keine kristalloiden Strukturen nachweisen, sobald es sich um keine Mischform von Stoffwechselstörung mit Beimischung von anderen Kristalltypen handelt. Innerhalb von zellarmen Gelenkkapselabschnitten, z. B. der Rotatorenmanschette, lassen sich BCP-Kristalle zwischen Kollagenfasern ohne zelluläre Reaktionen nachweisen. Bei synovialer BCP-Kalzinose kommen diese verstreut innerhalb von proliferierenden Synoviozyten zur Darstellung, wobei keine wesentlichen resorptiven Vorgänge zur Ansicht kommen. Auch wenn sich die BCP-Kristalle mit polarisiertem Licht nicht darstellen, ist eine solche mikroskopische Untersuchung empfehlenswert, weil diffe-
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Abb. 4.3: Basische Apatitkalzinose. a: Die fibröse Gelenkkapsel lässt multiple, kleine, fein- bis grobkörnige basophile Ablagerungen, manchmal mit Psammomkörpern, erkennen. Dazwischen ebenfalls basophile Matrix. Polarisationsoptisch stellen sich diese Ablagerungen nicht dar (Paraffineinbettung, Hämatoxylin-Eosin, 200-fach). b: Beim Befund von BCP-Kristallen in Synovium stellt sich eine multifokale Kalkablagerung innerhalb reaktiv proliferierender Deckzellschicht ohne wesentliche entzündliche Infiltration dar (unentkalkte Präparation, Toluidinblau, 200-fach).
rentialdiagnostisch einerseits Mischformen mit Chondrokalzinose und andererseits Knochendetritusfragmente mit fokal erkennbarer lamellärer Grundstruktur identifiziert werden können.
4.3.4 Tumorförmige Kalzinose (Morbus Teutschländer; ICD-10: E83.5-) Tumorförmige Kalzinose stellt eine seltene autosomale rezessive metabolische Erkrankung dar, die durch persistierende Kalkablagerungen in periartikulärem Weichgewebe (Abb. 4.4) charakterisiert wird. Diese treten typischerweise bei Kindern auf und sind oft mit Infekten und Narbenbildung assoziiert. Mikroskopisch lassen sich dichte unter-
Abb. 4.4: Tumorförmige Kalzinose. a: Bei kleiner Vergrößerung kommen dichte extraossäre Apatitablagerungen angrenzend an narbiges Fibrosegewebe zur Darstellung (Paraffineinbettung, Hämatoxylin-Eosin, 25-fach). b: Die Kalkablagerung besteht aus Psammomkörpern und breiten azellulären Apatitablagerungen ohne Nachweis von Doppelbrechung im polarisierten Licht (Paraffineinbettung, Hämatoxylin-Eosin, 200-fach).
4.4 Gicht
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schiedlich große, polarisationsoptisch nicht doppelbrechende Kristalle und multiple Psammomkörpern erkennen. Laborchemisch findet man signifikant erhöhte Phosphatund nur leicht erhöhte 1,25-Dihydroxy-Vitamin-D-Werte bei normalem Kalzium, alkalischer Phosphatase sowie normalem oder niedrigem Parathormon (Prince et al., 1982). Ursächlich für tumorförmige Kalzinose und oft auch für das Hyperostose-Hyperphosphatämie-Syndrom erscheinen Mutationen in GALNT3-Genen (Frishberg et al., 2005; Ichikawa et al., 2005; Ichikawa et al., 2007; Joseph et al., 2010; Olauson et al., 2008) und FGF-23-Genen (Benet-Pages et al., 2005; Garringer et al., 2008; Masi et al., 2009). Die sekundäre tumorförmige Kalzinose wird bei Patienten mit Störungen des Kalziumstoffwechsels bei Niereninsuffizienz und Hyperparathyroidismus beobachtet (Tezelman et al., 1993).
4.4 Gicht (ICD-10: M10.-) 4.4.1 Einführung Die Gicht gehört zu den ältesten Erkrankungen des Menschen, die bereits im alten Ägypten identifiziert und von Hippokrates im 4. Jh. v. Ch. beschrieben wurde. Intraläsionale Kristallablagerungen wurden im 18. und 19. Jh. beobachtet und Mitte des 20. Jh. wurden in der Synovialflüssigkeit durch McCarty und Hollander Natriumurate nachgewiesen (Benedek und Rodnan, 1982; Nuki und Simkin, 2006). Syndeham beschrieb 1683 anhand eigener Erfahrungen einen akuten Gichtanfall (Nuki und Simkin, 2006). Gicht gehört heute zu den am besten erklärten und therapierbaren systemischen rheumatischen Erkrankungen. Es handelt sich um eine Kristallarthropathie bei Hyperurikämie.
4.4.2 Ätiopathogenese Urate stellen ein Endprodukt des Purinstoffwechsels dar, welche durch die Nieren ausgeschieden werden. Ein wichtiger Punkt dabei ist die Degradation von Xanthin und Hypoxanthin durch die Xanthinoxidase. Genpolymorphismen in Transportproteinen für Urate wie z. B. in humanem URAT1 oder in Fruktose-Transporter SCL2A9 können zur Störung der renalen Ausscheidung und Akkumulation von Uraten führen (Graessler et al., 2006a; Graessler et al., 2006b). Gicht ist oft mit anderen metabolischen Syndromen (chronische Erkrankungen von Nieren, Hypertonie, Obesität, Diabetes mellitus) assoziiert und tritt bei einer Hyperurikämie über 390 μmol/L (6,5 mg/dL) auf. Die Prävalenz der Gicht liegt bei etwa 1,4 % und steigt deutlich mit dem Patientenalter. Männer sind häufiger befallen, Frauen leiden an einer Gichtarthropathie in der Regel erst nach der Menopause. Urate werden in der Leber, ein kleiner Anteil auch im Dünndarm synthetisiert und darüber hinaus auch über die Nahrung aufgenommen. Der erhöhte Metabolismus von Nukleinsäuren bei myeloproliferativen und lymphoproliferativen Erkrankungen, Psoriasis und hämolytischer Anämie ist oft mit einer Hyperurikämie verbunden. Diese kann einerseits zur Kristallablagerungen im Bereich von Gelenken und andererseits zu einer Uratnephropathie bzw. Konkrementbildung in ableitenden Harnwegen führen. Die Präzipitation von Mononatriumuratkristallen in der Synovialflüssigkeit und Gewebe bei Hyperurikämie hängt von mehreren Faktoren (u. a. Hydratation der Synovial-
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flüssigkeit, Körpertemperatur am axialen Skelett, pH-Wert, Vorhandensein von extrazellulären Matrixproteinen – niedriger Proteoglykan bei Arthrose) ab (Choi et al., 2006; Roddy et al., 2007). Natriumuratkristalle weisen einen durch Interleukin 1β vermittelten proinflammatorischen Effekt auf. Durch Interaktion von IL-1β mit zytoplasmatischen Komplexen bilden sich sog. „Inflammasome“ (Martinon et al., 2009; Sidiropoulos et al., 2008) aus, die extrazellulär ausgeschüttet werden und auf weitere entzündliche Zellelemente und proinflammatorische Zytokine sowie Proenzyme aktivierend einwirken. Das häufigste erste klinische Symptom einer Hyperurikämie ist der Gichtanfall im Bereich des Großzehengrundgelenks. In weiterem Verlauf der Krankheit werden aber auch andere Gelenke sowie Schleimbeutel, Sehnenscheiden und Phalangen befallen. Mit der Zeit kommt es zur Häufung von Anfällen und zur Gelenkzerstörung sowie Deformitäten. Die chronische Gicht manifestiert sich in Ablagerungen von Mononatriumurat im Gelenkbereich und führt zu einer granulomatösen entzündlichen Infiltration. Gelegentlich manifestiert sich die Hyperurikämie durch extraskelettale Kristallablagerung in der Niere (Hernandez-Molina et al., 2008) oder anderen viszeralen Organen. Diese können klinisch sogar einen malignen Tumor vortäuschen.
4.4.3 Pathologische Befunde Die für eine Gicht charakteristischen morphologischen Läsionen sind die knotigen Gichttophi (Abb. 4.5 a) in den periartikulären Weichteilen und in fortgeschrittenen Läsionen auch im Knochen. Makroskopisch sieht man subkutane Knoten im Gelenk-
Abb. 4.5: Tophöse Gicht. a: Periartikuläres Fibrosegewebe mit Septen und weiß-gelblichen Einschlüssen. b: Nach Paraffineinbettung stellen sich multiple Granulome mit teils lamellär strukturiertem zellarmem Zentrum und histiozytärem Saum dar. Im polarisierten Licht sind in Abhängigkeit von der technischer Aufarbeitung Kristalle oft nicht erkennbar (Paraffineinbettung, Hämatoxylin-Eosin, 400-fach). c: In einem Abstrich von der makroskopisch erkannten weißen Ablagerung, die ungefärbt mit Glyzeringelatine eingedeckt wurde, kommen im polarisierten Licht parallel angeordnete schmale, nadelförmige Kristalle zur Darstellung (Nativpräparat, ungefärbt, Polarisationsoptik, 400-fach).
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bereich, die auf der Schnittfläche dicht gepackte gelbliche bzw. grauweiße Abschnitte und fibröse Septen aufweisen. Im Bereich des Gelenkes können sich fokal destruktive Läsionen mit Aufhebung des Periostes oder intraossärer Invasion entwickeln. Die histopathologische Diagnose beruht auf dem Nachweis des typischen schmalen, nagelförmigen Natriummonourats (Abb. 4.5 b) und seiner spezifischen Doppelbrechung im polarisierten Licht (Abb. 4.5 c). Es muss darauf hingewiesen werden, dass sich diese in wässrigen Lösungen und weiterer technischer Aufarbeitung von Untersuchungsmaterial im pathologischen Labor meistens aus dem Gewebe herauslösen und ein polarisationsoptischer Nachweis oft nicht gelingt. Beim klinischen Verdacht auf eine Gicht empfiehlt sich daher die Einsendung des Biopsiematerials in 100 % Alkohol oder die Anfertigung nativer Abstriche aus der Gelenkflüssigkeit. Die Natriumuratkristallablagerungen führen zu einer massiven entzündlichen Reaktion des umgebenden Gewebes sowie einer fokalen Granulombildung und histiozytenreicher Fremdkörperreaktion. Man findet typische Granulome mit histiozytärem Saum und eosinophilem Material im Zentrum. Das klinische Bild einer Gichtarthropathie in Kombination mit Laborwerten der Hyperurikämie erlaubt eine sichere Diagnosestellung, allerdings meistens ohne bioptische Untersuchung.
4.5 Oxalose (ICD-10: E74.8, M11.8-) 4.5.1 Einführung und Pathogenese Im Vergleich mit anderen Kristallarthropathien wird die Oxalose extrem selten in Weich- bzw. Knochengewebe von Patienten mit akuter oder chronischer Arthrose gefunden. Oxalatkristalle werden bei Kindern mit primärer Hyperoxalurie Typ 1 und 2 sowie bei erwachsenen Patienten mit langjähriger Hämodialyse für fortgeschrittene Niereninsuffizienz gesehen. Die Oxalatkristalle lagern sich in den Nieren und im weiteren Krankheitsverlauf auch systemisch in Knochen, Haut und Blutgefäßwänden und seltener in periartikulärem Weichgewebe (Defus et al., 2002) an. Seltene Fälle können durch leukoerythroblastische Anämie bei ausgeprägter Knochenmarkablagerung (Taipa et al., 2008) klinisch manifest werden.
4.5.2 Pathologische Befunde Bei einer Oxalose des Knochengewebes lassen sich intraossär neben Zeichen einer renalen Osteodystrophie (vor allem Fibroosteoklasie, Trabekeltunnelierung, Hyperosteoidose) zusätzliche intramedulläre Kristallablagerungen mit randlicher Fremdkörperreaktion erkennen. Meistens liegt eine fokale, oft peritrabekuläre Markraumfibrose mit mehreren Granulomen vor. Im Zentrum dieser Granulome (Abb. 4.6 a) stellen sich teilweise radiär angeordnete, breitere, polarisationsoptisch doppelbrechende Kristalle (Abb. 4.6 b) dar. Am Rande dieser Kristallablagerung sieht man typische mehrkernige Fremdkörperriesenzellen und weniger mononukleäre Histiozyten.
4.6 Fazit für die Praxis Kristallablagerungen (Abb. 4.7) kommen in den Gewebeproben von orthopädischen und unfallchirurgischen Einsendern regelmäßig zur Darstellung. Für eine korrekte histopatho-
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Abb. 4.6: Oxalose des Knochenmarks. a: Fibrosiertes Knochenmark eines erwachsenen Patienten mit terminalem Nierenversagen zeigt drei Fremdkörpergranulome mit glassplitterartigen Einschlüssen und mehrkernigen Riesenzellen vom Fremdkörpertyp. b: Unter polarisiertem Licht erkennt man Kristallablagerung mit breiteren, doppelbrechenden Kristallen (unentkalkte Präparation, Toluidinblau, 400-fach).
logische Diagnose sind die Kenntnis von klinischen Angaben über Entnahmelokalisation der Biopsie, mögliche metabolische Grunderkrankung, alternative Aufarbeitung der Biopsie (Transport in Alkohol, Eindecken von kreideweißen Ablagerungen mit Glyze-
Abb. 4.7: Kristallarthropathien, diagnostischer Algorithmus
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ringelatine) und vor allem polarisationsoptische Untersuchung erforderlich. Die polarisationsoptische Analyse von doppelbrechenden Kristallen im periartikulären Gewebe führt zuverlässig zur Diagnose einer Gicht oder Chondrokalzinose. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass die sekundäre Chondrokalzinose auch in Assoziation mit einer Gicht auftreten kann. Im Unterschied zur Gicht zeigt die Chondrokalzinose nie eine viszerale Manifestation. Literatur Andrew LJ, Brancolini V, de la Pena LS, Devoto M, Caeiro F, Marchegiani R, Reginato A, Gaucher A, Netter P, Gillet P, Loeuille D, Prockop DJ, Carr A, Wordsworth BF, Lathrop M, Butcher S, Considine E, Everts K, Nicod A, Walsh S, Williams CJ. Refinement of the chromosome 5p locus for familial calcium pyrophosphate dihydrate deposition disease. Am J Hum Genet 1999;64: 136–45. Araya K, Fukumoto S, Backenroth R, Takeuchi Y, Nakayama K, Ito N, Yoshii N, Yamazaki Y, Yamashita T, Silver J, Igarashi T, Fujita T. A novel mutation in fibroblast growth factor 23 gene as a cause of tumoral calcinosis. J Clin Endocrinol Metab 2005;90: 5523–7. Benedek TG, Rodnan GP. A brief history of the rheumatic diseases. Bull Rheum Dis 1982;32(6): 59–68. Benet-Pages A, Orlik P, Strom TM, Lorenz-Depiereux B. An FGF23 missense mutation causes familial tumoral calcinosis with hyperphosphatemia. Hum Mol Genet 2005;14: 385–90. Beutler A, Rothfuss S, Clayburne G, Sieck M, Schumacher HR, Jr. Calcium pyrophosphate dihydrate crystal deposition in synovium. Relationship to collagen fibers and chondrometaplasia. Arthritis Rheum 1993;36: 704–15. Choi MH, MacKenzie JD, Dalinka MK. Imaging features of crystal-induced arthropathy. Rheum Dis Clin North Am 2006;32: 427–46, viii. Derfus BA, Kurian JB, Butler JJ, Daft LJ, Carrera GF, Ryan LM, Rosenthal AK. The high prevalence of pathologic calcium crystals in pre-operative knees. J Rheumatol 2002;29: 570–4. Doherty M, Dieppe P. Clinical aspects of calcium pyrophosphate dihydrate crystal deposition. Rheum Dis Clin North Am 1988;14: 395–414. Frishberg Y, Topaz O, Bergman R, Behar D, Fisher D, Gordon D, Richard G, Sprecher E. Identification of a recurrent mutation in GALNT3 demonstrates that hyperostosis-hyperphosphatemia syndrome and familial tumoral calcinosis are allelic disorders. J Mol Med 2005;83: 33–8. Fuerst M, Bertrand J, Lammers L, Dreier R, Echtermeyer F, Nitschke Y, Rutsch F, Schafer FK, Niggemeyer O, Steinhagen J, Lohmann CH, Pap T, Ruther W. Calcification of articular cartilage in human osteoarthritis. Arthritis Rheum 2009;60: 2694–703. Garringer HJ, Malekpour M, Esteghamat F, Mortazavi SM, Davis SI, Farrow EG, Yu X, Arking DE, Dietz HC, White KE. Molecular genetic and biochemical analyses of FGF23 mutations in familial tumoral calcinosis. Am J Physiol Endocrinol Metab 2008;295: E929–37. Gaucher A, Faure G, Netter P, Pourel J, Raffoux C, Streiff F, Tongio MM, Mayer S. Hereditary diffuse articular chondrocalcinosis. Dominant manifestation without close linkage with the HLA system in a large pedigree. Scand J Rheumatol 1977a;6: 217–21. Gaucher A, Pourel J, Faure G, Netter P, Peterschmitt J, Cromer R. Diffuse hereditary articular chondrocalcinosis. Rev Rhum Mal Osteoartic 1977b;44: 589–97. Graessler J, Graessler A, Unger S, Kopprasch S, Tausche AK, Kuhlisch E, Schroeder HE. Association of the human urate transporter 1 with reduced renal uric acid excretion and hyperuricemia in a German Caucasian population. Arthritis Rheum 2006a;54: 292–300. Graessler J, Unger S, Tausche AK, Kopprasch S, Bornstein SR. Gout – new insights into a forgotten disease. Horm Metab Res 2006b;38: 203–4. Gurley KA, Reimer RJ, Kingsley DM. Biochemical and genetic analysis of ANK in arthritis and bone disease Am J Hum Genet 2006;79: 1017–29.
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4 Kristallarthropathien
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5 Osteoarthrose (ICD 10: M15–M19) Jozef Zustin
5.1 Einführung Synoviale Gelenke stellen ein spezialisiertes Organsystem des Bewegungsapparates dar, das aus von hyalinem Knorpel überzogenen Gelenkflächen, den angrenzenden Knochen und der Gelenkkapsel mit Auskleidung durch die Gelenkinnenhaut besteht. Die von der Gelenkinnenhaut produzierte Synovialflüssigkeit hat neben einer mechanischen Funktion im Sinne einer Reibungsreduktion (Lubrikation) auch eine nutritive Funktion für den hyalinen Gelenkknorpel. Makroskopisch erkennt man den intakten hyalinen Gelenkknorpel an seiner weißlichen, weitgehend glatten und spiegelnden Oberfläche im Endbereich der Röhrenknochen. Mikroskopisch stellt er ein zellarmes mesenchymales Gewebe mit wenigen, meist einzeln oder in Zweiergruppen gelegenen Knorpelzellen und histochemisch gleichmäßig anfärbbarer proteoglykan- und kollagenreicher Matrix dar. Die für die biomechanischen Funktionen wichtigen Eigenschaften des Gelenkknorpels sind in der spezifischen biochemischen Beschaffenheit der extrazellulären Matrix begründet, die aus einem Netzwerk von Kollagenfibrillen (Bruckner und van der Rest, 1994) und einer proteoglykanreichen Knorpelgrundsubstanz besteht Roughley und Lee, 1994). Für die Reißfestigkeit und damit auch für die strukturelle Integrität des Gelenkknorpels ist das Kollagennetzwerk verantwortlich. Der subchondrale Knochen stellt das Stützgerüst des Gelenksystems dar. Die Osteoarthrose (OA) stellt eine progressive degenerative Gelenkerkrankung mit wichtigen soziologischen und ökonomischen Folgen für die Gesellschaft dar. Sie betrifft ungefähr 5 % der Population über 65 Lebensjahren und anhand von demografischen Studien kann vermutet werden, dass diese Zahl auf 20–33 % in den Vereinigten Staaten im Jahr 2030 steigen wird (Haq et al., 2003). Bei der OA kommt es zu einer progressiven Degeneration des hyalinen Gelenkknorpels. In frühen Stadien stellt sich eine Depletion von Proteoglykanen in den oberflächlichen Knorpelschichten dar. Gleichzeitig lassen sich auch Alterationen des Netzwerks von Kollagenfibrillen und eine Reduktion im Kollagengehalt des Knorpelgewebes beobachten. Es erhöht sich sekundär die Permeabilität des Gewebes für Wasser und andere Moleküle, was zu einer weiteren Schädigung der Integrität des Gelenkknorpels führt Mazieres et al., 2006). Gängige Modelle der Arthroseentstehung sehen den Ort der primären Läsion im Knorpelgewebe aufgrund des Ungleichgewichts von anabolischen und katabolischen Prozessen von Chondrozyten (Abb. 5.1) und werten entzündliche Veränderungen der Synovialmembran und des subchondralen Knochens als sekundäre Folge der Knorpeldegeneration und -destruktion. Dennoch scheint zumindest bei einem Teil der Fälle eine Kombination von kartilaginären und synovialen Alterationen pathogenetisch bedeutsam zu sein (Oehler et al., 2002).
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5 Osteoarthrose
Abb. 5.1: Schematische Darstellung von metabolischen Prozessen bei Arthrose. Zur Arthroseentstehung kommt es beim Ungleichgewicht von anabolischen und katabolischen Prozessen in Knorpelzellen und in extrazellulärer Matrix.
Das Verhalten von Knorpelzellen nach Stimulation oder in Krankheitsprozessen ist bis heute nur ansatzweise verstanden, nicht zuletzt da die beteiligten Gene bis jetzt weitestgehend nicht identifiziert und charakterisiert sind (Poole et al., 1986). Hier liegt die Stärke des Einsatzes der modernen Genescreen-Technologie mittels cDNA oder Oligo-Arrays. Sie erlaubt eine gleichzeitige molekularbiologische Analyse der messengerRNA-Expression von Tausenden von Genen Eisen et al., 1998). Derartige Genanalysen zeigten eindrucksvoll ein Ungleichgewicht des Matrixumbaus im osteoarthrotischen Knorpelgewebe (Aigner et al., 2001; Aigner et al., 2006) sowie weitere Regulationskontexte, die vermutlich bei der Entstehung und Progression der Osteoarthrose eine entscheidende Rolle spielen. Insbesondere Matrixmetalloproteinasen (MMPs) sind offenbar an dem Krankheitsprozess beteiligt. Es zeigte sich die deutliche anabole Aktivierung der osteoarthrotischen Knorpelzellen mit verstärkter Expression des Knorpelkollagens Typ II (Aigner et al., 1992) sowie eine erhöhte Expression der kollagendegradierenden Matrixmetalloproteinasen MMP-13 (Kollagenase C) und MMP-2 (Gelatinase A). Die hauptsächlich im normalen Gelenkknorpel exprimierte Matrixmetalloproteinase MMP-3 (Stromelysin 1) ist im spätarthrotischen Knorpel hochsignifikant herunterreguliert (Aigner und McKenna, 2002). Vor Kurzem wurde eine wichtige regulatorische Rolle von Syndecan-4 auf ADAMTS-5 und Knorpeldegeneration nachgewiesen (Chappard et al., 2006). Die verstärkte Expression von Fibronektin bereits in frühen Degenerationsstadien ist insofern besonders interessant, als Fibronektinfragmente die katabole Aktivität der Chondrozyten erhöhen (Homandberg, 1999; Homandberg und Wen, 1998) und damit Fibronektin einen entscheidenden Regulator des Knorpelmatrixturnovers in frühen Degenerationsstadien darstellen könnte. Weitere relevante Gengruppen stellen Moleküle der Zelldifferenzierung sowie Enzyme dar, die in die Abwehr des oxidativen Stresses innerhalb der Zellen involviert sind. Gerade oxidativer Stress ist höchstwahrscheinlich eine der treibenden Kräfte für die osteoarthrosetypische Zellalterung und -degeneration (Aigner et al., 2001; Aigner und Kim, 2002; Aigner et al., 2004; Aigner et al., 2007). Die Entdeckung medikamentöser Interventionsmöglichkeiten und die Verwendung von Produkten des Tissue Engineerings würden mit Sicherheit auch das Bild der histopathologischen Diagnostik erheblich verändern und neue Anforderungen an den Pathologen stellen. Hierfür wäre dann – abhängig von den entwickelten Therapeutika –
5.2 Pathologische Befunde
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eine adäquate Frühdiagnostik mit prognostischer Signifikanz und Qualitätskontrolle des Therapieerfolgs von zentraler Bedeutung. Bisher ist dies weder klinisch-radiologisch noch mit biochemisch-pathologischen Testverfahren adäquat möglich. Klinisch kann unter Einbeziehung von radiologischen Befunden im Regelfall ein bereits symptomatisches Stadium der Erkrankung mit fortgeschrittenen makroskopischen Knorpelschäden festgestellt werden. Dies kann gegebenenfalls arthroskopisch bestätigt und genauer dokumentiert werden. Langzeitstudien haben jedoch gezeigt, dass ein lokalisierter Knorpelschaden bzw. eine Fibrillierung des Knorpels alleine keine zuverlässige prognostische Abschätzung des Krankheitsverlaufes zulassen. Während ein Teil der Läsionen progredient und damit eigentlich therapiebedürftig ist, zeigt ein erheblicher Teil der Patienten keine (wesentliche) Progression der degenerativen Knorpelläsionen. Indikatoren der progredierenden Knorpelzerstörung im Serum oder der Synovialflüssigkeit konnten hier bislang ebenfalls keine größere prognostische Sicherheit gewährleisten. Auch die bei arthroskopischen Eingriffen gewonnenen bioptischen Proben (Synovial- und Knorpelmaterial) haben bisher nur eine bedingte Aussagekraft. Sie können zwar Arthritiden bzw. Arthropathien anderer Genese (Rheumatoide Arthritis, Gichtarthritis, septische Arthritis etc.) weitgehend ausschließen und die Knorpelmatrixdestruktion genauer graduieren, eine zuverlässige Aussage zur Progression der Knorpeldegeneration ist allerdings derzeit nicht möglich. Die bisher für die Routinediagnostik angewandten konventionellen histologischen und histochemischen Färbetechniken erscheinen unzureichend für aussagekräftige Analysen. Deshalb müssen zukünftig weitere, über die konventionelle Histomorphologie hinausgehende diagnostische Verfahren entwickelt werden. Gedacht werden kann hierbei an Methoden der molekularen Pathologie wie beispielsweise Protein- und Expressionslokalisation in histologischen Schnittpräparaten oder in zytologischen Gelenkflüssigkeitspräparaten zur Detektion von Zellaktivierungsund Zelldifferenzierungsprozessen, wie sie bereits zur Diagnose und Differentialdiagnose von entzündlichen und neoplastischen Veränderungen in anderen Teilgebieten der Medizin/Pathologie routinemäßig eingesetzt werden. Im Vordergrund des heutigen diagnostischen Interesses steht die Klassifizierung und Beurteilung des Schweregrades (Typing, Grading und Staging) von Krankheitsprozessen in den eingesandten Knochenresektaten bei prothetischen Eingriffen. Zusätzliche histologische Befunde wie Osteonekrose oder Vorhandensein von Kristallarthropathien können zur weiteren Abklärung der Ätiologie der Gelenkdegeneration beitragen. Bei bekanntem Tumorleiden ist auch der Ausschluss bzw. der Nachweis einer möglichen ossären Metastasierung bedeutsam.
5.2 Pathologische Befunde Als früheste makroskopische Zeichen osteoarthrotischer Veränderungen sind der Verlust des normalen Glanzes und Gelbverfärbung des oberflächlichen Gelenkknorpels anzusehen. Im weiteren Verlauf kommt es zur Erweichung und Rissbildungen, Substanzverlust bis zum kompletten Schwund des hyalinen Gelenkknorpels bzw. Sichtbarwerden des subchondralen Knochens (sog. Knochenglatze) (Abb. 5.2 a, b). Im subchondralen Knochen finden reaktive Prozesse wie Knochenmarködem und reaktive Osteoidose sowie Sklerosierung statt. Gelegentlich lassen sich bei fortgeschrittenen Fällen sogar oberflächliche Schliffspuren in den Hauptbelastungszonen und Defor-
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5 Osteoarthrose
Abb. 5.2: Coxarthrose. a: Fortgeschrittene Stadien sind durch eine Verschmälerung des Gelenkknorpels bis hin zum kompletten Knorpelschwund gekennzeichnet. Oberflächlich lässt sich stellenweise subchondraler Knochen statt Knorpelschicht (sog. Knochenglatze) erkennen. Im angrenzenden Knochen lassen sich gelbliche, Osteonekrose-verdächtige, dreieckige Areale mit Basis auf der Oberfläche und multiple weiße intertabekuläre Areale erkennen. b: Kontaktradiografisch lassen sich fokale Usurationen und Sklerose des subchondralen kortikalen Knochens nachweisen. c: Subchondrale Pseudozysten kann man an ihrer weichen Konsistenz erkennen. d: Radiologisch stellen sich eine stärkere subchondrale Sklerose und randständige Osteophyten dar.
mität der artikulierenden Flächen beobachten. Bei Brüchen des subchondralen Knochens kommt es zur Entstehung von intraossären Pseudozysten und angrenzender Knochensklerose. Sekundäre Mikrokallusbildung bei Trabekelbrüchen oder fokale Gewebsnekrosen können ebenfalls beobachtet werden. Randständig in den nicht gewichttragenden Gewebsbezirken kommt es in der Regel zu einer periostalen osteokartilaginären Metaplasie bzw. Osteophytenbildung (Abb. 5.2 c, d) (Gelse et al., 2003). Frühe degenerative Veränderungen äußern sich histologisch bzw. histochemisch als Verlust des Proteoglykananteils der Knorpelmatrix (Abb. 5.3 a, b) sowie einer minimalen Zellproliferation (Poole et al., 1986). Die supramolekulare Destruktion des Kollagen-Netzwerks zeigt sich in Form von superfizieller Fibrillierung, Rissbildungen (Abb. 5.3 c) und schließlich am Fehlen ganzer Knorpelschichten (Abb. 5.3 d) mit unregelmäßiger Konturierung der Knorpeloberfläche (Knorpelusuren). Zusätzlich kommt es zu einem bzgl. seines Ausmaßes noch strittigen apoptotischen Zelltod (Aigner und Kim, 2002; Aigner und McKenna, 2002; Aigner et al., 2001; Homandberg, 1999; Homandberg und Wen, 1998), welcher vermutlich zu einem in den oberflächlichen Schichten des Knorpels stärker ausgeprägten Chondrozytenschwund führt.
5.2 Pathologische Befunde
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Abb. 5.3: Histologische Befunde bei Arthrose (unentkalkte Präparation, Toluidinblau). a: Ein wichtiges Merkmal der Arthrose stellt die Verschmälerung des Gelenkknorpels dar, die sich am besten bei kleiner Vergrößerung beurteilen lässt. Zusätzlich stellt sich eine leichte Sklerose des subchondralen Knochens mit unregelmäßig vernetzten Knochenbalken dar. b: Proteoglykanverluste führen in Toluidinblau zu einer helleren bzw. teils violetten Anfärbbarkeit der extrazellulären Matrix. Oberflächennah kommen zusätzliche einzelne Kristallablagerungen zur Darstellung. Der kortikale Knochen wird durchbrochen und von einem reichlich vaskularisierten Pannusgewebe durchsetzt. c: Stark ausgeprägte Verschmälerung und Fibrillierung des Gelenkknorpels mit lockerer Markraumfibrose und multifokaler Mikrokallusbildung. d: Bei komplettem Knorpelschwund sieht man multiple Knochenbrüche, kartilaginäre Metaplasien und subchondrale Pseudozystenbildung. e: Bei großer Vergrößerung stellen sich auch weniger ausgeprägte und zelluläre Veränderungen von Knorpelzellen dar. Neben Fibrillierung der Knorpeloberfläche kann man eine Aufhellung der Knorpelmatrix und Hyperchromasien von Knorpelzellnuklei erkennen. f: Man findet gelegentlich vor allem am Rande von Gelenkflächen fokalen Pannusüberzug mit kleinen Kristallablagerungen und reparativen Faserknorpel. g: Proliferierende Knorpelzellen in den Lakunen werden als sog. Brutkapsel bezeichnet. h: Multiplizierung von parallel verlaufenden Kitlinien stellt ebenfalls ein wichtiges Merkmal der OA dar.
Bei stärkerer Vergrößerung lassen sich superfizielle Fibrillierungen und degenerative Hyperchromasien von Chondrozytenkernen bei vermindertem Proteoglykangehalt der extrazellulären Matrix (Abb. 5.3 e) beobachten. Vor allem am Rand des Gelenkknorpels wird der Knorpel mitunter von fibrösem Pannus bedeckt (Abb. 5.3 f). Kompensationsversuche der ortsständigen Zellen auf die voranschreitende Knorpeldestruktion sind eine gesteigerte Synthese von Knorpelmatrixkomponenten (Aigner et al., 1993) und eine erhöhte Proliferation der Knorpelzellen vor allem in den oberen und mittleren Knorpelzonen. Letzteres zeigt sich zunächst durch das Auftreten einer diffusen irregulären Hyperzellularität mit kleineren Zellkomplexen, später durch die für den osteoarthrotischen Knorpel typischen Bildung von Knorpelnestern (Brutkapseln) (Abb. 5.3 g). Zellbiologisch interessant ist zudem, dass es in bestimmten Knorpelbereichen zu Umdifferenzierungen der Knorpelzellen kommen kann (Aigner et al., 1993; Kuhn et al., 2004); die hypertrophe Differenzierung der Knorpelzellen mit der Expression entprechender
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5 Osteoarthrose
Markergene wie Typ X Kollagen (Gelse et al., 2003) gilt als Erklärung für die im Verlauf der Erkrankung zunehmende Kalzifizierung der untersten Knorpelschichten und die histomorphologisch beobachtete Vervielfachung der sog. „Tidemark“ (Abb. 5.3 h). Veränderungen der feingeweblichen Struktur der extrazellulären Matrix lassen sich am besten mit histologischen Spezialfärbungen (Safranin-O, Toluidinblau) darstellen. Subchondrale Einsprossungen von blutgefäßreichem Pannusgewebe können die kortikale Knochenschicht komplett durchbrechen und sich in den tiefen Knorpel invasiv ausbreiten. Der subchondrale Knochen weist zuerst eine erhöhte Umbauaktivität und in fortgeschrittenen Läsionen eine fokale Markraumfibrose und Trabekelsklerose auf. Vor allem die subchondrale Sklerose, die durch erhöhte biomechanische Belastung bei verschmälertem Gelenkknorpel erklärt wird, kann klinisch-radiologisch gut erkannt werden und stellt ein wichtiges klinisches diagnostisches Kriterium dar. Bei Brüchen der Kortikalis kann es zur Pseudozystenbildung (sog. Geröllzysten) und fokaler kompletter Resorption von Knochenbalken kommen. Pseudozysten werden ebenfalls klinisch-radiologisch erkannt und sprechen immer für eine fortgeschrittene OA. In Arealen von Deckplatteneinbrüchen kommt es fokal zur Chondro- bzw. Osteometaplasie der Knochenmarkzellen, welche als Inseln von Faserknorpel oder als Areale mit metaplastischer Knochenneubildung imponieren (Milgram, 1983). Sekundäre Osteonekrosen bei OA werden makroskopisch durch ihre dreieckige Form und gelbliche Anfärbung und histologisch als Knochentrabekel mit leeren Osteozytenlakunen bei disorganisiertem Markraum sowie angrenzender Fibrose und osteoklastärer Resorption von nekrotischen Knochenbalken charakterisiert.
5.3 Klassifizierung der Gelenkdegeneration Die Klassifizierung und die Graduierung der degenerativen und reaktiven Veränderungen im Rahmen der Osteoarthrose sind komplex und nur bedingt pathologisch sinnvoll. Weiterhin hat sich eine eingehendere Klassifikation separat auf die verschiedenen Gelenkkompartimenten zu beziehen, was die Komplexität noch zusätzlich deutlich erhöht. Auftretende subchondrale Veränderungen werden im Befund bisher nur beschrieben, jedoch nicht näher klassifiziert. Die Beschreibung und die Klassifikation der synovialen Alterationen sind detailliert in Kapitel 3 beschrieben. Zusätzliche Läsionen im Bereich periartikulärer Weichteile weisen ebenfalls auf die Komplexität von feingeweblichen Veränderungen bei degenerativen Erkrankungen des Bewegungsapparates hin. Im pathologischen Alltag wird die Beschreibung, Klassifizierung und Graduierung von Gelenkveränderungen bei der Beurteilung von Resektaten im Rahmen der Prothesenchirurgie (v. a. Hüft- und Knieendoprothetik) auf das Prinzipielle beschränkt, da einer genauen Subklassifizierung bisher kaum klinische Relevanz zukommt. Für den klinischen Kollegen ist allerdings die Abgrenzung sekundärer Gelenkdestruktionen durch nicht vorbekannte rheumatoide Grunderkrankungen, Kristallarthropathien oder ausgedehntere Knochennekrosen bzw. septische Arthritiden von besonderer Bedeutung. Bei Patienten mit bekanntem Tumorleiden sollte eine ossäre Tumorausbreitung histologisch ausgeschlossen werden. Insgesamt haben die oben kurz skizzierten, in allen möglichen Kombinationen und Ausmaßen vorkommenden Alterationen insbesondere des Gelenkknorpels zu multi-
5.3 Klassifizierung der Gelenkdegeneration
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Abb. 5.4: Vergleichende Darstellung (Aigner und Soder, 2008) des Gradings nach Mankin (Mankin, 1971; Mankin et al., 1971) und der Stadieneinteilung von Otte (bezogen auf das Areal der stärksten Knorpelschädigung).
plen, immer wieder modifizierten Einteilungsschemata geführt. Häufig in Deutschland angewandt ist hierbei das relativ grobe, jedoch für den pathologisch-klinischen Alltag völlig ausreichende Stagingschema nach Otte (Abb. 5.4): Dieses stellt im Wesentlichen einen summarischen Gesamtbefund des Gelenkes dar, der, ohne auf Details einzugehen, die Operationsindikation (Grad IV nach Otte) bestätigt und auf im Moment weitgehend unverwertbare Zusatzinformationen zumindest in der Befundzusammenfassung verzichtet (immer vorausgesetzt, dass keine zugrunde liegende Ursache des Destruktionsprozesses erkennbar ist). Eine deutlich höhere Anforderung an Sensitivität und Spezifität des Befundes ergibt sich im Falle von Päparaten aus früheren Degenerationsstadien (bei arthroskopischen Biopsaten), bei ärztlicher Begutachtung von Versicherungsfällen oder im Rahmen wissenschaftlicher Studien (z. B. anhand von autoptischem Material): Hier ist ein reines Staging nach Otte als zu grob und nicht ausreichend anzusehen. Gelegentlich werden auch Biopsate von autotransplantiertem Knorpel nach identischen Kriterien beurteilt. Das klassische und international mit Abstand am meisten angewandte Graduierungssystem ist hierbei das Grading nach Mankin (Mankin, 1971; Mankin et al., 1971). Dieses Graduierungssystem ist im Ansatz einfach und arithmetisch auswertbar, auch wenn immer wieder Studien auf eine relativ hohe interindividuelle Varianz der Auswertungssicherheit hindeuten (Aigner et al., 2001; van der Sluijs et al., 1992). Ein großer Nachteil der Einteilung nach Mankin besteht darin, dass teilweise Beurteilungskategorien aufgenommen wurden, die sich auf Regeneratknorpel beziehen; dies gilt insbesondere für die Kriterien „pannusartiges Gewebe“ und „totale Desorganisation“ in der Safranin-O-Färbung. Außerdem bezieht sich der Mankins-Grad auf die jeweils
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5 Osteoarthrose
unterschiedliche Lokalisation innerhalb eines Gelenkes und erfasst nicht die Integrität des Gelenkes als Ganzes (Staging). Die Synovialmembran des arthrotischen Gelenkes wird in Frühstadien der Erkrankung durch molekulare Degradationsprodukte (Knorpelabbaufragmente), im späteren Krankheitsverlauf durch komplett abgeriebene kleine Knorpel- und Knochenfragmente in Gang gesetzt und aufrechterhalten. Reaktionsformen stellen die osteoarthrotische reaktive Synovialitis mit bis mäßiggradig ausgeprägten lymphozytären Infiltraten (T- und B-Zellen, Plasmazellen), die „hyperplastische Synoviopathie“ ohne wesentliches zelluläres entzündliches Infiltrat, die „fibrotische Synoviopathie“ mit deutlicher Verdickung und Faservermehrung der Gelenkkapsel und Einsteifung des Gelenkes sowie die „detritusreiche“ Synovitis mit ausgeprägter Fremdkörperreaktion aufgrund massenhaft eingelagerter Knorpel- und Kochenfragmente dar (Oehler et al., 2002). Entzündung, Synovialzellproliferation und -aktivierung mit Ergussbildung und Gelenkkapselfibrose sind hierbei morphologische Korrelate der klinischen Zeichen Schmerz, Schwellung und Einsteifung (zur Frage der genaueren Graduierung der arthrotischen Synovialitis bzw. Synoviopathie siehe Kapitel 3). An der gelenknahen Skelettmuskulatur lassen sich oft Zeichen einer sekundären Muskelatrophie erkennen (Glasberg et al., 1986).
5.4 Fazit für die Praxis Die histopathologische Beurteilung erfolgt in Standardfärbungen für degenerative Gewebsänderungen und umfasst die HE- und Alcian-PAS-Färbung. Mithilfe der Polarisationsoptik sollte eine mögliche Kristallarthropathie ausgeschlossen werden. Die Graduierung der Gelenkknorpeldegeneration erfolgt gemäß der Otte- oder MankinKlassifikation. Literatur Aigner T, Bertling W, Stoss H, Weseloh G, von der Mark K. Independent expression of fibrilforming collagens I, II, and III in chondrocytes of human osteoarthritic cartilage. J Clin Invest 1993;91: 829–37. Aigner T, Fundel K, Saas J, Gebhard PM, Haag J, Weiss T, Zien A, Obermayr F, Zimmer R, Bartnik E. Large-scale gene expression profiling reveals major pathogenetic pathways of cartilage degeneration in osteoarthritis. Arthritis Rheum 2006;54: 3533–44. Aigner T, Hemmel M, Neureiter D, Gebhard PM, Zeiler G, Kirchner T, McKenna L. Apoptotic cell death is not a widespread phenomenon in normal aging and osteoarthritis human articular knee cartilage: a study of proliferation, programmed cell death (apoptosis), and viability of chondrocytes in normal and osteoarthritic human knee cartilage. Arthritis Rheum 2001;44: 1304–12. Aigner T, Kim HA. Apoptosis and cellular vitality: issues in osteoarthritic cartilage degeneration. Arthritis Rheum 2002;46: 1986–96. Aigner T, McKenna L. Molecular pathology and pathobiology of osteoarthritic cartilage. Cell Mol Life Sci 2002; 59: 5–18. Aigner T, Rose J, Martin J, Buckwalter J. Aging theories of primary osteoarthritis: from epidemiology to molecular biology. Rejuvenation Res 2004;7: 134–45. Aigner T, Soder S. Typing, grading and staging of osteoarthritis: histopathological assessment of joint degeneration. Z Rheumatol 2008;67: 32–6, 38–40. Aigner T, Soder S, Gebhard PM, McAlinden A, Haag J. Mechanisms of disease: role of chondrocytes in the pathogenesis of osteoarthritis – structure, chaos and senescence. Nat Clin Pract Rheumatol 2007;3: 391–9.
Literatur
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6 Pathologie der Wirbelsäule Stephan Söder
6.1 Nichtneoplastische Erkrankungen der Wirbelsäule Die Wirbelsäule ist aufgrund ihrer zentralen Lage im Skelettsystem entscheidend für das Funktionieren des gesamten Bewegungsapparates. Durch die physiologisch hohe Belastung durch den aufrechten Gang, aber auch infolge von unphysiologischen Belastungen (z. B. Heben schwerer Lasten) kann es zu degenerativen Veränderungen der Wirbelkörper, der Bandscheiben und des sie stabilisierenden Bandapparates kommen. Da die Wirbelsäule eine funktionelle Einheit bildet, hat jede Schädigung eines Teilbereiches (z. B. der Bandscheiben) einen teils profunden Effekt auf die gesamte Wirbelsäule.
6.1.1 Degenerative Erkrankungen der Bandscheiben Diskosen sind degenerative Erkrankungen der Bandscheiben. Die Chondrose bzw. Chondrosis intervertebralis (Francois et al., 1995) bezeichnet degenerative Veränderungen der Bandscheibe durch Dehydrierung der Knorpelmatrix und konsekutiven Elastizitätsverlust. Überwiegend betroffen ist der zentral gelegene Nucleus pulposus. Dieser enthält, anders als der kollagenfaserreiche Anulus fibrosus, einen hohen Anteil an Proteoglykanen, die Wassermoleküle binden und so für die typische Prallelastizität des Nucleus pulposus verantwortlich sind. Bis zu einem gewissen Grad treten diese Veränderungen physiologischerweise im Rahmen des Alterungsprozesses auf. Kommt es zusätzlich zu reaktiven Knochenveränderungen der Wirbelkörperdeckplatten, spricht man von einer Osteochondromatose (ICD-10 M42) (Francois et al., 1995; Schmorl und Junghans, 1988). Insbesondere bei fortgeschrittenen Formen kann es zu einem deutlichen Höhenverlust der Bandscheibe kommen, die dann durch die erhöhte Druckbelastung und gesteigerte Mobilität zu sekundären Veränderungen, z. B. an den Facettengelenken, führen (Tiedjen und Müller, 2001) (Einteilung siehe Tab. 6.1). Ob Krankheitssymptome auftreten, hängt im Einzelfall sowohl von der Ausprägung der Veränderungen als auch von den individuellen Gegebenheiten ab. Daneben zeigen sich häufig Einrisse in der Peripherie der Bandscheibe im Anulus fibrosus. Diese sind bereits bei 20 % der 30-Jährigen und 90 % der 80-Jährigen in der Lendenwirbelsäule bei L4/5 nachzuweisen (Vernon-Roberts et al., 2007). Nach einer von Osti et al. (1992) vorgeschlagenen Einteilung werden periphere, konzentrische und radiäre Einrisse unterschieden (Abb. 6.1). Als Ursache für die Einrisse werden insbesondere Mikrotraumen vermutet. Die Rissbildungen können auch die Dehydrierung des Nucleus pulposus beschleunigen und so die Ausbildung der Chondrose/Osteochondrose beeinflussen (Osti et al., 1992).
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6 Pathologie der Wirbelsäule
Tab. 6.1: Einteilung der Osteochondrose nach morphologischen Kriterien (nach Tiedjen und Müller, 2001) Nucleus pulposus
Anulus fibrosus
Endplatten
Wirbelkörper
Grad I
initiale Fibrose
muzinöse Ablagerungen
Dichteunterschiede der Knorpelzonen
regelrechte Randleisten
Grad II
deutliche Fibrose
Ablagerungen Faserdegeneration
fokale Defekte
verbreiterte Randleisten
Grad III
horizontale Fibrose
Diskoloration Demarkation Fissur
subchondrale fokale Sklerose
initiale Osteophytenbildung
Grad IV
Fissuren im Nucleus und Anulusbereich
Texturstörung und Rissbildung Dislokation
diffuse Sklerose Deckplatteneinbrüche
deutliche Osteophytenbildung
Abb. 6.1: Klassifikation von Einrissen der Bandscheiben. a: Periphere, b: konzentrische und c: radiäre Einrisse nach Osti et al. (1992).
In den vorgeschädigten Bandscheiben kommt es zu sekundär reaktiven Veränderungen wie Gefäßeinsprossungen in den Anulus fibrosus. Der Nucleus pulposus ist anfällig für Verkalkungen und das Auftreten von Chondrokalzinose (Pseudogicht). Vernarbungen können dazu führen, dass die Dämpfungsfunktion des Nucleus pulposus zunehmend kompromittiert wird. In fortgeschrittenen Fällen kann es durch heterotype Ossifikation in der Bandscheibe zur Ankylisierung von mehreren Wirbelkörpern kommen (Schmorl und Junghans, 1988; Tiedjen und Müller, 2001). Makroskopischer und radiologischer Befund: Im Initialstadium der Chondrose zeigt sich nur eine bräunliche Verfärbung des Gewebes bei ansonsten unauffälliger Morphologie der Bandscheibe. Mit Fortschreiten der Degeneration kommt es zu einer zunehmenden Höhenabnahme und zum Auftreten von Rissformationen und zystischen Veränderungen. In aller Regel kommt es zusätzlich zu einer Sklerose der Deckplatten der Wirbelkörper und damit zum Übergang der Chondrose in eine Osteochondrose. Die Höhenabnahme sowie die Sklerose des Knochens sind bereits in der konventionellen Röntgenaufnahme erkennbar. Zum radiologischen Nachweis der Bandscheibenveränderungen sind CT- bzw. MRT-Untersuchungen nötig. Einrisse und Zysten sind oft gasgefüllt und können als sogenanntes „Vakuumphänomen“ nachgewiesen werden (Resnick et al., 1981). In fortgeschritten Fällen kann es neben einer hochgradigen Fibrose außerdem zu Verkalkungen und Verknöcherungen kommen (Tiedjen und Müller, 2001), die dann auch in der Radiologie zur Darstellung kommen.
6.1 Nichtneoplastische Erkrankungen der Wirbelsäule
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Abb. 6.2: Degenerative Veränderungen der Bandscheiben. a: Osteochondrose mit Verschmälerung des Zwischenwirbelraums im Segment LWK 2/3 mit fehlender Abgrenzbarkeit der angrenzenden Deck- und Grundplatte. b: Rissformationen, c: klonale Proliferate, d: Chondrokalzinose und e: Gefäßeinsprossungen in Bandscheibengewebe (Originalvergrößerung: b 40-fach; c 200fach; d, e 100-fach).
Mikroskopischer Befund: Die Chondrose ist geprägt durch eine gestörte Gewebsarchitektur, insbesondere das Auftreten klonaler Proliferate aus Knorpelzellen (sog. Brutkapseln), Rissformationen sowie eine Fibrose. Zusätzlich kommt es oft zu einer mukoiden Degeneration der Knorpelmatrix, teils mit Übergang in pseudozystische Bereiche. Lokalisiert überwiegend im Anulus fibrosus, kann das Einsprossen von Gefäßen auftreten. Diese können sowohl von den Markräumen der Wirbelkörper als auch von dem Bereich der Längsbänder ausgehen (Kauppila, 1995). Bei der Osteochondrose kommt zusätzlich noch eine Sklerose des kortikospongiösen Knochengewebes im Bereich der Deckplatten hinzu, die sich histologisch als Verdickung der Knochenbälkchen darstellt. In fortgeschrittenen Fällen zeigen sich zum Teil eine heterotope Knochenneubildung mit Bildung von Faserknochen oder eine Chondrokalzinose mit (doppelbrechenden) Pyrophosphatkristallen (Tiedjen und Müller, 2001) (Abb. 6.2).
6.1.2 Herniationen der Bandscheiben (ICD-10: M51) Auf dem Boden einer vorgeschädigten Bandscheibe kann es, gebahnt durch Einrisse im Anulus fibrosus, zur Verlagerung (Herniation) von Anteilen des Nucleus pulposus kommen. Nach dem Ausmaß der Verlagerung unterscheidet man zwischen Protrusion, Prolaps, Extrusion und Sequestrierung. Eine Protrusion liegt vor, wenn sich Anteile des Nucleus pulposus in den Anulus fibrosus verlagern. Durchbricht der Nucleus pulposus den Anulus fibrosus und erreicht die Längsbänder an der Oberfläche, so spricht man von einem Prolaps. Wird auch das (ventrale oder dorsale) Längsband durchbrochen, entsteht eine Extrusion. Löst sich ein Anteil des prolabierten Materials, liegt eine Sequestrierung vor (Bullogh, 1992). Beim Prolaps und in geringerem Ausmaß bei der
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6 Pathologie der Wirbelsäule
Protrusion kommt es durch die gesteigerte punktuelle Belastung des Längsbandes und des Wirbelkörpers zu reaktiven Veränderungen, die in eine Spondylosis deformans münden können. Wie schon bei der Chondrose treten Protrusion und Prolaps des Nucleus pulposus besonders in ihren leichten Ausprägungen mit hoher Inzidenz im Verlauf des Alterungsprozesses auf (Bullogh, 1992; Tiedjen und Müller, 2001). In einer MRT-Reihenuntersuchung von Jensen und Kollegen (1994) an 98 Patienten (Durchschnitt 43,2 Jahre) ohne klinische Rückenbeschwerden waren Protrusionen im Durchschnitt bei 52 % nachweisbar, bei den über 60-Jährigen sogar in mehr als 80 %. Ob die Veränderungen einen Krankheitswert bekommen, hängt neben der Ausprägung des Befundes in erster Linie von seiner Lokalisation ab. Eine Herniation nach ventral ist fast immer unproblematisch. Eine Herniation nach dorsal mit Einengung des Spinalkanals oder dorsolateral mit Einengung einer Nervenwurzel kann zu ausgeprägten und zum Teil akut behandlungsbedürftigen Komplikationen führen. Am häufigsten betroffen ist die lumbale Wirbelsäule (besonders L4/5 und L5/S1), gefolgt von der zervikalen Wirbelsäule. Die Kompression des Rückenmarks im Zervikalbereich kann jedoch zu einer massiven neurologischen Symptomatik führen. Bandscheibenvorfälle der thorakalen Wirbelsäule sind hingegen selten, da die dortige Wirbelsäule durch die Rippen zusätzlich stabilisiert wird und so für degenerative Veränderungen weniger anfällig ist (Dehbrunner, 2002). Ein Spezialfall einer Herniation sind die sogenannten Schmorl-Knoten, bei denen Bandscheibenanteile durch die knöcherne Deckplatte in den benachbarten Wirbelkörper prolabieren. Schmorl-Knoten selbst haben keinen eigenen Krankheitswert und sind als Symptom einer Schädigung des Bandscheiben/Wirbelapparates zu sehen. Multiple Schmorl-Knoten sind beim Morbus Scheuermann zu beobachten. Makroskopischer und radiologischer Befund: Die Einteilung in Protrusion, Prolaps, Extrusion und Sequestrierung erfolgt anhand der beschrieben Kriterien (Bullogh, 1992). Da Weichgewebe in der konventionellen Röntgenaufnahme nicht dargestellt werden, ist der Einsatz von CT- bzw. MRT-Untersuchungen das Mittel der Wahl. Schmorl-Knoten können auch in der konventionellen Radiologie erkannt werden, da sie als Negativbild zur Darstellung kommen und in aller Regel durch eine Sklerose des angrenzenden Knochens weiter akzentuiert werden. Mikroskopischer Befund: Das histologische Bild von Material aus einer Herniation ist sehr variabel, da für die Untersuchung im Allgemeinen nur fragmentiertes Gewebe aus der operativen Abtragung oder Ausräumung des Befundes zur Verfügung steht. Sofern es bei einer Protrusion überhaupt eine entsprechende Klinik und damit eine Operationsindikation gibt, zeigen sich primär kollagenfasereiche Anteile des Anulus fibrosus mit myxoiden Herden. Zum Teil sind zusätzlich die typischerweise im degenerierten Anulus fibrosus auftretenden Gefäßeinsprossungen sichtbar und können die diagnostische Sicherheit erhöhen (Weidner und Rice, 1988; Yasuma et al., 1986). Bei dem im Operationsgut häufiger auftretenden Material von Bandscheibenprolaps und -extrusion zeigt sich neben Anteilen des Anulus fibrosus auch mehr oder minder stark degenerativ verändertes Gewebe des Nucleus pulposus. Bei sequestriertem Bandscheibengewebe treten zusätzlich zum Teil ausgeprägte Nekrosen auf (Abb. 6.3).
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Abb. 6.3: Bandscheibenprolaps. a: MRT-Darstellung eines Bandscheibenprolaps im Segment LWK 2/3 mit Einengung des Spinalkanals. b: Beginnender Deckplattendurchbruch LWK 2 entsprechend einem sog. „Schmorl-Knoten“ (Originalvergrößerung: 200-fach).
6.1.3 Erkrankungen der Wirbelkörper Veränderungen der knöchernen Anteile der Wirbelkörper sind überwiegend degenerativer Natur (z. B. Spondylosis deformans). Daneben können die Wirbelkörper auch bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises (besonders M. Bechterew) und generalisierten Erkrankungen des Skelettsystems wie der Osteoporose involviert sein. Einen Spezialfall stellen Fehlbildungen der Wirbelkörper dar, da hier die Wirbelkörper den Ausgangspunkt der Veränderungen der Bandscheiben und Gelenke bilden. Spondylosis deformans (ICD-10: M47) Einer der häufigsten radiologischen Befunde im Bereich der Wirbelsäule sind osteophytäre Bildungen an den Kanten der Wirbelkörper, sogenannte „Randzacken“. Typischerweise handelt es sich dabei um eine Spondylosis deformans (Francois et al., 1995). Die Spondylosis deformans kann bereits im Kindes- und Jugendalter die Ursache von Rückenschmerzen sein. Mit zunehmendem Alter steigt die Inzidenz deutlich an, O’Neill et al. (1999) konnten bei durchschnittlich 63,7 Jahre alten Patienten in 84 % der Männer und 74 % der Frauen radiologisch Hinweise auf eine Spondylosis deformans finden. Risikofaktoren sind neben dem Alter das Körpergewicht und die berufliche Tätigkeit. Die Schwere des Bildes korreliert mit dem Vorliegen und der Ausprägung von Bandscheibenveränderungen (Vernon-Roberts und Pirie, 1977). In vielen Fällen liegen trotz auffälliger Radiologie jedoch keine klinischen Auffälligkeiten (z. B. Rückenschmerzen, neurologische Ausfälle) vor. Am häufigsten betroffen ist die lumbale Wirbelsäule, gefolgt von der zervikalen Wirbelsäule. Eine Spondylosis deformans entwickelt sich, wenn durch eine Protrusion oder einen Prolaps von der Bandscheibe ein erhöhter Druck auf das Längsband ausgeübt wird. Zusätzlich werden durch Einrisse und die Progression der Herniation die vom Knochen in den Anulus fibrosus einstrahlenden Sharpey-Fasern geschwächt und damit die Verbindung zwischen Wirbelkörper und Bandscheibe destabilisiert, wodurch es zu einer pathologisch gesteigerten Mobilität der betroffen Wirbel kommt. Dies erhöht die Belastung auf das vordere und hintere Längsband zusätzlich. Als Reaktion entsteht eine gesteigerte osteophytäre Knochenbildung am Ansatzpunkt der Sehnen am Rand
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6 Pathologie der Wirbelsäule
des Wirbelkörpers. Im Verlauf kann die Ausdehnung der Knochenproliferate zunehmen, und es kann zum Zusammenwachsen der Osteophyten und damit zur Ankylisierung des oder der betroffenen Wirbel kommen (Dehbrunner, 2002; Tiedjen und Müller, 2001). Eine weitere Komplikation kann die Einengung des Spinalkanals oder häufiger die Einengung der Foramina intervertebralia sein, die dann entsprechend der Lokalisation eine typische neurologische Symptomatik hat (Dehbrunner, 2002; Tiedjen und Müller, 2001). Differentialdiagnostisch stellt vor allem die Abgrenzung von der Spondylarthritis ankylosans (M. Bechterew) und von der Spondylosis hyperostotica (M. Forestier) eine Herausforderung dar. Makroskopischer und radiologischer Befund: Anders als bei Bandscheibenveränderungen ist in aller Regel bereits in der konventionellen Röntgenaufnahme eine Diagnose möglich. In kritischen Fällen und zur Abklärung einer neurologischen Symptomatik kann eine Myelografie, eine CT- oder eine MRT-Untersuchung notwendig werden. Besonders bei jungen Patienten sollte eine Spondylarthritis ankylosans (M. Bechterew) ausgeschlossen werden. Sie zeigt ein überwiegend vertikales Wachstumsmuster mit Betonung in den lateralen Anteilen der Wirbelsäule (Tiedjen und Müller, 2001). Neben der Wirbelsäule sind bei der Spondylarthritis ankylosans oft auch die Iliosakralgelenke betroffen. Die Bandscheiben der Patienten zeigen häufig keine oder nur geringe degenerative Veränderungen. Zusätzlich treten bei der Spondylarthritis ankylosans oft Begleitsymptome wie z. B. eine Uveitis auf. Für die Spondylosis hyperostotica (M. Forestier) ist eine ausgeprägte Ossifikation des Bandapparates der Wirbelsäule typisch, und die Ossifikation überbrückt oft vier oder mehr Wirbelkörper. Die Bandscheiben sind auch bei Spondylosis hyperostotica radiologisch unauffällig (Resnick und Niwayama, 1976; Tiedjen und Müller, 2001) (Abb. 6.4).
Abb. 6.4: Spondylosis deformans. a: Frontal- und b: Sagittaldarstellung einer hochgradigen Spondylosis deformans bei einer 69-jährigen Frau.
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Mikroskopischer Befund: In der Histologie sind keine pathognomonischen Veränderungen für die Spondylosis deformans nachweisbar. Sofern operatives Material zur Verfügung steht, kann aber das Vorliegen von degenerativ verändertem Bandscheibengewebe und ausgedehnten Osteophyten wegweisend sein. Spondylarthrose (ICD-10: M47) Degenerative Veränderungen der kleinen Wirbelgelenke (Facettengelenke) werden unter dem Begriff der Spondylarthrose subsumiert (Francois et al., 1995). Sie ist eine typische sekundäre Veränderung bei degenerativen Bandscheibenveränderungen. Da die in der Spondylarthrose mitbetroffene Gelenkkapsel viele freie Nervenendigungen als Nozizeptoren aufweist, kann sie ein wesentlicher Auslöser für die bei degenerativen Wirbelsäulenveränderungen häufige Schmerzsymptomatik sein (Beaman et al., 1993). Die Schmerzsymptomatik beim sogenannten Facettensyndrom ist bewegungsabhängig und auf den Bereich und die nähere Umgebung der betroffenen Wirbelgelenke begrenzt (pseudoradikuläres Lumbalsyndrom). Eine segmentale Schmerzausstrahlung ist nicht zu beobachten, wenn nicht zusätzlich eine Nervenwurzel eingeengt wird (Eisenstein und Parry, 1987; Tiedjen und Müller, 2001). Ursächlich für die Pathogenese der Spondylarthrose sind wiederum degenerative Veränderungen der Bandscheiben, die mit einer Höhenabnahme einhergehen. Dadurch sinkt der oberhalb gelegene Wirbelkörper nach unten, der normalerweise eher geringe Druck auf die Facettengelenke steigt stark an. Bei fortgeschrittener Bandscheibendegeneration kann es bis zur Subluxation der Facettengelenke kommen. Die dabei auftretenden Reaktionsmuster entsprechen dem der Osteoarthrose in den großen Gelenken mit Knorpelschädigungen, subchondraler Sklerose und Osteophytenbildungen. In besonders ausgeprägten Fällen, vorrangig wenn eine Subluxation oder stark ausgeprägte Osteophyten bestehen, kann es auch am Foramen intervertebrale zu einer Einengung von Nervenwurzeln kommen. Differentialdiagnostisch muss die Spondylarthrose als chronisch degenerative Veränderung von Gelenkveränderungen bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises (z. B. Spondylitis ankylosans) abgegrenzt werden. Makroskopischer und radiologischer Befund: Die Spondylarthrose führt zu charakteristischen Veränderungen in der bildgebenden Diagnostik. Schon in der konventionellen Röntgenaufnahme kann die Verschmälerung des Gelenkspaltes und das Vorhandensein von Osteophyten auffällig sein. Aufgrund der komplexen dreidimensionalen Natur der Wirbelsäule ist oft die Beurteilung in der Computertomografie leichter möglich. Weiterhin können auch andere typische Befunde der Osteoarthrose wie Geröllzysten und Sklerose des Knochens nachweisbar sein. Aufgrund der gesteigerten Umbauvorgänge ist die Facettengelenksarthrose häuftig in der PET-Untersuchung nachweisbar. Die Gelenkoberfläche weist oft eine oberflächliche Fibrillierung, Schleifspuren und teils tiefreichende Knorpeldefekte auf, zum Teil ist zumindest fokal der Knorpelüberzug vollständig zerstört (Abb. 6.5). Mikroskopischer Befund: Untersuchungsmaterial aus einer Facettengelenksarthrose zeigt hyalines Knorpelgewebe mit je nach Ausprägung des Befundes progressivem Verlust der oberen und mittleren Knorpelschichten (Superfizial- und Intermediärzone). Daneben zeigen sich zum Teil tiefreichende Einrisse und eine klonale Proliferation der Knorpelzellen. In fortgeschrittenen Arthrosen kann der Knorpel fast vollständig zerstört
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6 Pathologie der Wirbelsäule
Abb. 6.5: Spondylarthrose. Darstellung eines Wirbelkörpers mit Arthrose der Facettengelenke (X markiert die stärksten Veränderungen) sowie begleitendem Gelenkerguss, Bandscheibenprotrusion mit Spinalkanalstenose und Hypertrophie des Liagmentum flavum.
sein. Oft sind dann pannusartige Proliferate, Geröllzysten, eine subchondrale Sklerose und im Randbereich Osteophyten nachweisbar. Die Kapselanteile zeigen reaktive Synovialveränderungen und teils Fibrose, das Bild einer rheumatischen Erkrankung mit einer hochgradigen entzündlichen Aktivität liegt aber nicht vor. Das histologische Bild entspricht damit dem der Arthrose in anderen Lokalisationen. M. Forestier (ICD-10 M48.1) Der M. Forestier (Synonyme: diffuse idiopathic skeletal hyperostosis [DISH], Spondylosis hyperostotica) ist eine der häufigsten Erkrankungen der Wirbelsäule. Die Häufigkeit der Erkrankung nimmt mit dem Alter zu. Der M. Forestier tritt meist nach dem 40. Lebensjahr auf und betrifft ca. 5 bis 15 % der Bevölkerung. Typisch ist die Ossifikation der ventrolateralen Bänder der Wirbelsäule und des angrenzenden Weichgewebes (Cammisa et al., 1998). Anders als bei den degenerativen Wirbelsäulenerkrankungen ist überwiegend die thorakale Wirbelsäule involviert, aber auch die lumbale und zervikale Wirbelsäule sowie häufig Becken, Ferse, Ellenbogen und Knie (Mader et al., 2009). Die Bezeichnung diffuse idiopathic skeletal hyperostosis (DISH) wurde primär wegen der oft zu beobachtenden extraspinalen Beteiligung von Sehnen, Gelenkkapseln und zum Teil Weichgewebe geprägt. Die Ätiologie ist bisher nicht vollständig verstanden. Es wurde ein gehäuftes Auftreten bei Patienten mit Störungen des Stoffwechsels wie Diabetes mellitus, Hyperurikämie und Fettstoffwechselstörungen festgestellt. Darüber hinaus gelten das Metabolische Syndrom und eine schon in der Kindheit bestehende Erhöhung des BMI als Risikofaktoren. Daneben treten viele Fälle sporadisch auf. Die Klinik des M. Forestier wird durch die eingeschränkte Beweglichkeit in den von der Ossifikation betroffenen Bereichen des Körpers dominiert. Differentialdiagnostisch ist vor allem die Abgrenzung von Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis und hier wiederum die Spondylitis ankylosans (M. Bechterew) wichtig, da diese zu einer ähnlichen Klinik führen können. Differentialdiagnostisch kommen aber auch weitere Erkrankungen wie die Psoriasisarthritis oder das Reiter-Syndrom infrage.
6.1 Nichtneoplastische Erkrankungen der Wirbelsäule
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Makroskopischer und radiologischer Befund: Für die Diagnostik des M. Forestier ist seine charakteristische Radiologie entscheidend. Für eine sichere Unterscheidung zu degenerativen Veränderungen oder Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis können neben der konventionellen Radiologie auch die CT- und die MRT-Untersuchung hilfreich sein. Nach den von Resnik (1988) vorgeschlagenen Kriterien sollte ein M. Forestier diagnostiziert werden, wenn in der thorakalen Wirbelsäule vier oder mehr Wirbelkörper durch knöcherne Brücken verbunden werden. Die Höhe der Bandscheiben darf nicht wesentlich verringert sein, und es dürfen keine entzündlichen Veränderungen an den Facettengelenken oder den Iliosakralgelenken bestehen. Eventuelle extraspinale Manifestationen werden von diesen Kriterien nicht erfasst. Die Kriterien von Utsinger (1985) verlangen nur die Überbrückung von drei Wirbelkörpern, beziehen aber extraspinale Herde mit ein. Bei der Spondylarthritis ankylosans sind Verknöcherungen in den lateralen Anteilen der Wirbelsäule lokalisiert und in aller Regel die Facettengelenke oder Ilieosakralgelenke involviert. Mikroskopischer Befund: Sollte Material aus den Verknöcherungszonen zur Verfügung stehen, zeigt sich dort das typische Bild einer heterotopen Ossifikation. Entzündliche Veränderungen sprechen gegen M. Forestier. Eine Sicherung der Diagnose ist nur durch die Radiologie möglich. Spondylitis ankylosans (M. Bechterew) (ICD-10: M45) Die Spondylitis ankylosans (M. Bechterew) ist eine Erkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis und gehört zur Gruppe der Spondylarthropathien. Die Spondylitis ankylosans stellt eine zentrale (axiale) Form der Spondylarthropathien dar und ist der häufigste Vertreter dieser Gruppe. Zusätzlich gibt es peripher betonte Formen wie reaktive Arthritiden (z. B. M. Reiter), die Psoriasisarthritis und Arthritis im Rahmen chronisch entzündlicher Darmerkrankungen (Sieper, 2009). Für die klinische Diagnose wurden von der ESSG (European Spondylarthropathy Study Group) Kriterien definiert (Dougados et al., 1991). Die Prävalenz wird auf 0,2–0,9 % geschätzt. Eine exakte Angabe ist schwierig, da viele Fälle nie das Vollbild einer Spondylitis ankylosans aufweisen oder lange klinisch verkannt werden. Männer sind ca. zweimal häufiger betroffen als Frauen. Das typische Alter der Primärmanifestation ist die 2. oder 3. Dekade, Neuerkrankungen nach den 40. Lebensjahr werden selten beobachtet (Sieper, 2009). Eine vollständige Aufklärung des molekularen Mechanismus steht noch aus, das Ansprechen auf eine Blockade des Rezeptors für den Tumornekrosefaktor α legt eine ursächliche Störung des Immunsystems nahe. Genetische Untersuchungen haben gezeigt, dass ca. 90 % der Patienten HLA-B27 aufweisen. Allerdings erkranken nur 1–5 % der Menschen mit HLA-B27 an Spondylarthritis ankylosans. Zusätzlich scheinen auch ARTS1 (26 % der Fälle) und der Interleukin-23-Rezeptor (6 % der Fälle) eine Rolle zu spielen (Brown, 2009; Sieper, 2009). Primärmanifestation sind in mehr als 90 % Schmerzen im Ilieosakralgelenk und meist auch in der lumbalen und thorakalen Wirbelsäule, dazu kommen oft Enthesiopathien. Die Schmerzsymptomatik in den Gelenken kann der Diagnose der knöchernen Veränderungen um Jahre vorausgehen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass es niemals zu radiologisch nachweisbaren Veränderungen kommt. In bis zu 50 % der langjährigen Krankheitsverläufe kommt es nicht zum Vollbild einer Ankylisierung der Wirbel-
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säule. Neben den zentralen Symptomen sind Manifestationen außerhalb des Bewegungsapparates möglich. Am häufigsten tritt eine meist einseitige Uveitis auf, daneben werden gehäuft chronisch entzündliche Darmerkrankungen und Psoriasis beobachtet. Im weiteren Verlauf kann es zur progressiven Schädigung der Facettengelenke und zur Ossifikationen der Wirbelsäule kommen. In schweren Fällen kann auch eine Versteifung von Gelenken außerhalb der Wirbelsäule auftreten (Sieper, 2009). Makroskopischer und radiologischer Befund: Aufgrund der oft langen Spanne zwischen dem Auftreten einer Schmerzsymptomatik und den ersten in der Bildgebung fassbaren Veränderungen ist die Diagnose oft schwierig. Das Iliosakralgelenk bietet in mehr als 90 % die ersten fassbaren Veränderungen. Die MRT-Untersuchung kann normalerweise die ersten Veränderungen an den Gelenken darstellen. Kommt es zum Fortschreiten der Erkrankung, sind Ossifikationen in der Röntgen- bzw. CT-Untersuchung für die Verlaufsbeurteilung gut geeignet (Maksymowych, 2009). Die Syndesmophyten im fortgeschrittenen Stadium zeigen ein überwiegend vertikales Wachstumsmuster, was eine Differenzierung zur Spondylitis deformans erlaubt, zudem fehlen bei ihr entzündliche Veränderungen in den Facettengelenken. Der M. Forestier zeichnet sich durch ein Fehlen von Bandscheibenschäden und von entzündlichen Gelenkveränderungen aus und ist im Bereich der Bänder akzentuiert (Abb. 6.6). Mikroskopischer Befund: Das histologische Bild ist naturgemäß sehr variabel und stark von der Lokalisation und der Aktivität der Erkrankung abhängig. In der Frühphase dominiert das Bild einer rheumatischen Erkrankung mit Fibrose, reichlich Fibroblasten und Granulationsgewebe mit Kapilareinsprossungen sowie einem primär lymphozytären Entzündungsinfiltrat. Im Bereich der Gelenke zeigt sich eine Destruktion mit teils
Abb. 6.6: Spondylitis ankylosans (M. Bechterew). a: Vollbild eines M. Bechterew mit vollständig verknöchertem vorderem b: Längsband bei normal hohen Wirbelkörpern und Zwischenwirbelräumen. Keine spondylophytären Anbauten.
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ausgeprägter Pannusbildung sowie zunehmend heterotoper Ossifikation, die im Verlauf immer mehr in den Vordergrund tritt. Morbus Scheuermann (ICD-10: M42) Unter M. Scheuermann versteht man eine meist in der Pubertät auftretende Wachstumsstörung der Wirbelsäule, die zu einer pathologisch gesteigerten Kyphose führt. Sie tritt bei etwa 0,4–8 % der Bevölkerung auf (Lowe, 1990). Die Ätiologie der Wachstumsstörung ist noch nicht eindeutig geklärt. Es wird vielfach angenommen, dass mechanische Fehl- und Überbelastungen (z. B. langes gebeugtes Sitzen), besonders bei schwach entwickelter Rückenmuskulatur, zu einer verstärkten ventralen Druckbelastung der Wirbelkörper führen. Konsekutiv komm es zu einer Schädigung der Wachstumszone mit Ausbildung von Keilwirbeln. Oft wird die Deckplatte geschädigt, und es bilden sich Schmorl-Knoten. Typischerweise ist die thorakale Wirbelsäule betroffen. Kompensatorisch bildet sich oft in der Lendenwirbelsäule eine Hyperlordose aus. Mit dem Ende des Längenwachstums limitiert sich die Erkrankung selbst. Bei nicht adäquater Behandlung bleiben die Kyphose und die sekundären degenerativen Veränderungen jedoch bestehen. Als alternative Ursachen werden unter anderem Effekte von Wachstumshormonen, Schädigungen in der Kollagenfaserarchitektur im Bereich der Deckplatten der Wirbelkörper und osteoporotische Veränderungen diskutiert. Es wurden auch episodisch familiäre Häufungen beschrieben, die zumindest in einem Teil der Fälle einen genetischen Hintergrund nahelegen (Fotiadis et al., 2008; Lowe, 1990). Makroskopischer und radiologischer Befund: Die Diagnose wird überwiegend anhand des klinischen Bildes und durch die charakteristische Radiologie gestellt. Typisch sind die Kyphose der thorakalen Wirbelsäule mit Ausbildung von Keilwirbeln sowie zum Teil multiple Schmorl-Knoten. In der lumbalen Wirbelsäule sind eine Hyperlordose und Tonnenwirbel wegweisend. Zusätzlich können sich degenerative Bandscheibenund Wirbelsäulenveränderungen zeigen. Mikroskopischer Befund: Das histologische Bild eines M. Scheuermann ist insgesamt uncharakteristisch. Die beim M. Scheuermann gehäuft auftretenden Schmorl-Knoten zeigen ihre typische Histologie mit degenerativ verändertem Bandscheibengewebe. Wenn knöcherne Anteile miterfasst sind, zeigt sich eine Sklerose des angrenzenden kortikospongiösen Knochens. Daneben können sich aufgrund der Fehlbelastung degenerative Veränderungen und konsekutive Umbauvorgänge im Knochen und Bandscheibengewebe darstellen. Osteoporose der Wirbelkörper (ICD-10: M 80) Die Osteoporose wird ausführlich von PD Dr. Lehmann besprochen (Kap. 13), es wird daher im Folgenden vorrangig auf die spezifischen Befunde der Wirbelsäule eingegangen. Die Osteoporose ist gekennzeichnet durch eine Reduktion der Knochenmasse und eine Störung der Mikrostruktur des Knochens, die zu einer Verringerung der Knochenfestigkeit führt. Laut Definition der WHO liegt eine Osteoporose dann vor, wenn die Knochenmasse mehr als 2,5 Standardabweichungen unter dem geschlechtsspezifischen Normwert liegt. Durch die Verringerung der Knochenfestigkeit kann es bereits unter physiologischen Belastungen in der Wirbelsäule zu Frakturen kommen. Die Wirbelsäule ist die häufigste Lokalisation für osteoporotische Frakturen. Es komm bereits
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in der 6. Dekade zu einem Anstieg der Inzidenz, wohingegen Hüftfrakturen erst in der 8. Dekade deutlich zunehmen (Gardner et al., 2006). Frakturen können anfangs asymptomatisch bleiben, aber langfristig zu Deformierung der Wirbelsäule, Kyphose, Größenverlust und Bewegungseinschränkungen führen. Auch ohne manifeste Frakturen kommt es zu teils ausgeprägten degenerativen Veränderungen der Wirbelkörper, wie Keil- und Fischwirbeln. Nach dem Auftreten der ersten Fraktur steigt das Risiko für weitere Frakturen der Wirbelsäule nach einer Untersuchung von Lindsay und Kollegen (2001) um den Faktor 5 an. Es ist daher medizinisch geboten, eine Osteoporose, wenn möglich, in der Frühphase zu diagnostizieren und eine Behandlung einzuleiten. Osteomyelitis und Infekte der Wirbelsäule (ICD-10: M 46.2) Wie andere Teile des Skeletts kann auch die Wirbelsäule der Ort von Infekten sein. Die Spondylitis bezeichnet eine Osteomyelitis der Wirbelkörper. Der meist synonym gebrauchte Begriff der Spondylodiszitis bezeichnet im engeren Sinne eine Infektion der Bandscheibe. Da die normalerweise avaskuläre Bandscheibe als Primärfokus der Infektion kaum infrage kommt, handelt es sich typischerweise um eine sekundäre Beteiligung der Bandscheibe nach Übergreifen einer Infektion aus dem Wirbelkörper (Sobottke et al., 2008). Aufgrund der bei der Diagnose meist fortgeschritten Gewebsdestruktion ist normalerweise keine genaue Lokalisation des Ausgangspunktes mehr möglich. Nichtspezifische Infekte der knöchernen Wirbelsäule machen 3–5 % aller Osteomyelitiden aus und sind bei Männern ca. dreimal häufiger als bei Frauen. In 85–90 % der Fälle liegt eine endogene Infektion über das Blut oder seltener die Lymphe vor. Die verbleibenden 10–15 % sind exogene Infekte bei Zustand nach intravertebralen Injektionen (z. B. Steroide, Kontrastmittel bei der Myelografie) oder Operationen. Ein besonderes Erkrankungsrisiko besteht bei Multimorbidität, intravenösem Drogenabusus, Leber- und Niereninsuffizienz sowie kardiovaskulären Erkrankungen und Endokarditiden, Diabetes sowie Immunsupression (HIV-Infektion, Steroide, Chemotherapie etc.). Bei Operationen an der Wirbelsäule liegt das Risiko für eine Infektion zwischen 0,1–0,6 % bei minimalinvasiven und 1,4–3,0 % bei offenen Operationen (Sobottke et al., 2008). Die häufigsten Keime sind Staphylococcus aureus (ca. 36 %) sowie Escherichia coli (ca. 23 %) und Streptococcus sanguis (Tab. 6.2) (Nolla et al., 2002), daneben werden sporadisch auch Pilze und Parasiten nachgewiesen. Tab. 6.2: Relative Häufigkeit bakterieller Krankheitserreger bei nichtspezifischen Infekten der Wirbelsäule, nach Nolla et al. (2002) Staphylokokken 39 % ● Staphylococcus aureus, 36 % ● Staphylococcus epidermis, 3 % Gramnegative Bakterien, 39 % ● Escherichia coli, 23 % ● Pseudomonas aeruginosa, 5 % ● Eikenella corrodens, 3 % ● Proteus mirabilis, 3 % Streptokokken 19 % ● Streptococcus sanguis, 8 % ● Streptococcus agalactiae, 5 %
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Obwohl die Wirbelsäule im Skelett eine eher seltene Lokalisation für nichtspezifische Infekte darstellt, ist sie bei spezifischen Infektionen mit einem Anteil von 50 % die häufigste Lokalisation für eine Knochentuberkulose. Mykobaterielle Osteomyelitiden sind bei 3–5 % der TBC-Patienten zu beobachten. Dieser Anteil liegt bei HIV-positiven TBC-Patienten bei bis zu 60 % (Moon, 1997). Bei behandlungsbedürftiger Tuberkulose besteht nach dem Infektionsschutzgesetz eine namentliche Meldeplicht. Die Symptome einer Spondylitis/Spondylodiszitis sind oft unspezifisch und können sich über Monate entwickeln. Am häufigsten werden Rückenschmerzen beobachtet. Laborchemisch liegt häufig eine Erhöhung der Entzündungsparameter (CRP, Blutsenkung) vor, gerade bei chronischen Verläufen können auffällige Veränderungen aber auch fehlen. Ein Keimnachweis im Blut kann in bis zu 70 % geführt werden, wenn die Blutentnahme vor Einleitung einer Antibiotikatherapie erfolgt. Eine CT-gesteuerte Biopsie ermöglicht in aller Regel einen Malignitätsausschluss, ist aber hinsichtlich ihrer Repräsentativität eingeschränkt. Ein Keimnachweis, der eine spezifische antibiotische Therapie ermöglicht, gelingt in ca. 50 % der Fälle. Die höchste Sensitivität erreicht der Keimnachweis durch eine histologische und mikrobiologische Untersuchung des Knochenmaterials aus einer offenen Biopsie. Differentialdiagnostisch müssen insbesondere degenerative Veränderungen wie eine Osteochondrose, osteoporotische Veränderungen, rheumatische Erkrankungen und maligne Prozesse wie Metastasen ausgeschlossen werden. Makroskopischer und radiologischer Befund: Osteomyelitiden gehen meist vom Bereich der Deckplatten aus und führen im Verlauf zu Osteolysen im Wirbelkörper. Wenn die Entzündung auf das angrenzende Weichgewebe, vor allem die Bandscheiben, übergreift, kommt es zu Gewebseinschmelzungen, Abszessen und ödeomatösen Veränderungen. Die höchste Sensitivität, insbesondere in der Anfangsphase der Erkrankung, bietet die MRT-Untersuchung. Röntgenuntersuchungen können erst das Vorliegen von Osteolysen nachweisen. Die CT-Untersuchung bietet gegenüber dem konventionellen Röntgen nur geringe Vorteile. Szintigrafische Techniken (z. B. 18FDGPET) können beim Nachweis einer Entzündungsaktivität hilfreich sein, sind aber der MRT-Untersuchung nicht überlegen (Sobottke et al., 2008). Mikroskopischer Befund: Das histologische Bild bei nichtspezifischen Infekten ist aufgrund des teils langen Verlaufs und der unterschiedlichen Erreger variabel. Es kann eine klassische eitrig-abszedierende Entzündung vorliegen, die von neutrophilen Granulozyten und Fibrinexsudat dominiert wird und bei der avitale Knochenanteile nachweisbar sind, sodass sich das Bild einer eitrig-sequestrierenden Osteomyelitis zeigt. Gerade bei lange bestehenden Infekten kann eine Fibrose mit einem dann lymphozytären Infiltrat in den Vordergrund treten. Oft kommt es zu einer reaktiven Knochenneubildung mit Ausbildung von Faserknochen. Bereiche mit überwiegend florider und mit vorrangig chronischer Entzündung können nebeneinander vorkommen, was eine diagnostische Herausforderung darstellen kann, wenn nur wenig Material (z. B. eine Biopsie) zur Verfügung steht. Im Weichgewebe zeigt sich neben einer eitrig-abszedierenden bzw. phlegmonösen Entzündungsaktivität auch eine chronisch granulierende Entzündung. Zum Nachweis einer Keimbesiedlung ist die Anfertigung einer Gramund Giemsa-Färbung sowie bei Verdacht auf Pilzbesiedlung eine PAS- oder GrocottFärbung sinnvoll. Zeigt sich ein dominierendes lymphozytäres Infiltrat, sollte ein Lymphom in die differentialdiagnostischen Überlegungen einbezogen und durch geeignete
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Abb. 6.7: Spondylitis und Spondylodiscitis. a: KM-MRT mit einer Entzündung der Bandscheibe unter Beteiligung der angrenzenden Wirbelkörper (LWK 2 und LWK 3). b: Eitriger Infekt der Bandscheibe einer 86-jährigen Patientin (Originalvergrößerung: 200-fach).
immunhistochemische Untersuchungen (z. B. CD3 und CD20) oder eine Klonalitätsanalyse ausgeschlossen werden. Eine Osteomyelitis durch Mykobakterien zeigt klassischerweise zentral verkäsende Granulome mit Epitheloidzellen und mehrkernigen Riesenzellen vom Langhans-Typ mit umgebender Fibrose. Insbesondere bei atypischen Mykobakterien findet sich häufig eine unspezifischere Histologie. Mykobakterien können mit der Ziehl-Neelsen-Färbung als säurefeste rote Stäbchen (2–4 μm lang) vor blauem Hintergrund nachgewiesen werden. Alternativ kann mit höherer Sensitivität die Auramin-Rhodamin-Färbung angewandt werden, zu deren Auswertung jedoch ein Fluoreszenzmikroskop benötigt wird. Bei Negativität der Färbungen kann eine PCR-Untersuchung durchgeführt werden. In jedem Fall sollte immer Material in die Mikrobiologie eingesandt werden (Abb. 6.7). Fehlbildungen der Wirbelsäule Die Entwicklung der Wirbelsäule in der Embryonalperiode ist komplex und bildet die Grundlage für einige Fehlbildungen oder Normvarianten. Angeborene Störungen der Wirbelsäule sind absolut nicht selten, bleiben aber oft ohne auffällige Klinik. Man unterscheidet Assimilationstörungen, asymmetrische Wirbelfehlbildungen und Störungen des Neuralrohrschlusses (Dehbrunner, 2002). Assimilationstörungen betreffen die Übergangsbereiche der Wirbelsäule, am häufigsten den Übergang vom Os sacrum und der Lendenwirbelsäule. Es kann zu einer unvollständigen Fusion der Wirbelanlagen des Os sacrum kommen, was zu einem 6. Lendenwirbel führt (Lumbalisation). Alternativ kann der unterste Lendenwirbel mit dem Os sacrum fusionieren (Sakralisation). Krankheitswert erlangen oft partielle Fusionen (Hemilumbalisation, Hemisakralistion), da die partielle Verbindung asymmetrisch belastet wird. Es kommt typischerweise in derartigen Bereichen schneller zu degenerativen Veränderungen wie Spondylose. Im Halsbereich ergeben sich Auffälligkeiten primär in Form von Halsrippen. Durch die Entwicklung der Wirbel aus mehreren Knochenkernen können sich bei fehlerhafter Fusion asymmetrische Fehlbildungen ergeben. Ein Teilwirbel, z. B. Halbwirbel, führt zu einer angeborenen Skoliose. Es bildet sich ober- und unterhalb eine
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kompensatorische Gegenkrümmung der Wirbelsäule aus, die sich im Laufe des Wachstums weiter verstärken kann. Eine weitere Anomalie kann die Bildung von Blockwirbeln (Verschmelzung von mehreren Wirbeln) sein, dies wird z. B. beim Klippel-Feil-Syndrom beobachtet. Sekundär kommt es auch bei derartigen Störungen oft zu degenerativen Veränderungen. Störungen des Schlusses des Neuralrohres decken ein großes klinisches Spektrum ab. Diese Störungen treten meist im Bereich der Lendenwirbelsäule auf. Die Minimalvariante, die Spina bifida occulta, zeigt nur minimale Klinik, wie Auffälligkeiten des Behaarungsmusters oder einen blind endenden Dermalsinus. Radiologisch zeigt sich ein dorsaler Defekt im Wirbelbogen. Bei der Spina bifida aperta ist der Befund auffällig. Eine Meningozele stellt eine Aussackung des Durasackes dar. Das Rückenmark ist meist nicht beeinträchtigt, sodass sich meist keine neurologischen Auffälligkeiten ergeben. Bei einer Meningomyelozele sind auch fehlgebildete Anteile des Rückenmarks enthalten. Meningomyelozele führen daher zu einer neurologischen Symptomatik, die je nach Ausprägung bis zu einer kompletten Querschnittssymptomatik reichen kann. Die Diagnostik aller Fehlbildungen der Wirbelsäule wird primär anhand der Radiologie und des klinischen Bildes durchgeführt. Typische histologische Befunde sind naturgemäß normalerweise nicht zu erheben. Allenfalls zeigen sich sekundäre degenerative Veränderungen wie Osteochondrose und Spondylitis deformans (Dehbrunner, 2002).
6.2 Neoplastische Erkrankungen der Wirbelsäule Die meisten aus dem übrigen Skelettsystem bekannten Knochentumoren können auch in der Wirbelsäule auftreten; einzelne, wie das Chordom, kommen nur in der Wirbelsäule vor (siehe Tab. 6.3). Bei jungen Patienten (< 30 Jahre) sind Tumoren überwiegend benigne. Mit steigendem Lebensalter steigt der Anteil der malignen Prozesse immer mehr an. Dazu trägt insbesondere das vermehrte Auftreten von Metastasen bei (Erlemann, 2006). Tab. 6.3: Anteil der maligen primären Knochentumoren in der Wirbelsäule und des Os sacrum, nach Erlemann (2006) Entität
Anteil der Tumoren in der WS
Anteil der Tumoren im Os sacrum
Plasmozytom Chordom Chondrosarkom Ewing-Sarkom Osteosarkom Peripheres Chondrosarkom NHL
>10 % 8% 7% 6% 3% 3% 1%
>5 % 27 % 12 % 8% 8% 1% 3%
6.2.1 Primäre Knochentumoren Die Wirbelsäule ist eine der seltensten Lokalisationen für Knochentumoren, da nur ca. 5 % aller primären Knochentumoren dort auftreten (Murphey et al., 1996). In der Wir-
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belsäule sind ca. 60 % der primären Knochentumoren benigne, im Os sacrum nur ca. 33 % (Erlemann, 2006). Die überwiegende Anzahl der malignen Läsionen ist sekundär, in Form von Metastasen. Der Anteil der malignen Tumoren steigt mit zunehmendem Lebensalter immer mehr an. In der 1. Dekade sind noch 90 % der Tumoren benigne, wohingegen in der 7. Dekade 90 % maligne Tumoren auftreten (Erlemann, 2006).
6.2.1.1 Benigne Tumoren und tumorartige Läsionen des Knochens Hämangiome (ICD-O: M9120/0) Zusammengesetzt aus Gefäßstrukturen, sind die Hämangiome die häufigsten Tumoren der Wirbelsäule und im Autopsiematerial in ca. 10 % der erwachsenen Bevölkerung nachzuweisen. Anders als bei den übrigen benignen Läsionen der Wirbelsäule ist auch das Auftreten von multiplen Herden nicht ungewöhnlich. Die Wirbelsäule ist zusammen mit der Schädelkalotte die häufigste Lokalisation von intraossären Hämangiomen. Innerhalb der Wirbelsäule ist der distale thorakale und lumbale Bereich die häufigste Lokalisation (Greenspan und Remagen, 2000; Vijay et al., 2008). Hämangiome sind bei Frauen etwa zweimal häufiger als bei Männern und werden meist im Alter von 40–60 Jahren diagnostiziert. Sie sind klinisch meist stumm; ausgedehnte Varianten können den betroffenen Wirbelkörper ausdehnen und zu neurologischen Symptomen führen, wenn Nervenwurzeln oder das Rückenmark komprimiert werden. Differentialdiagnostisch ist besonders an einen Morbus Paget, an ein Plasmazellmyelom, Osteoporose und Metastasen zu denken (Greenspan und Remagen, 2000). Makroskopischer und radiologischer Befund: Die Läsion ist meist im Wirbelkörper lokalisiert, seltener erstreckt sich der Befund in den Dornfortsatz oder die Lamina. Ausgedehnte Hämangiome können den Wirbel deformieren. Radiologisch zeigen sich meist multiple, kleine, gekammerte Osteolyseherde (sogenanntes Honigwabenmuster) oder eine Vertikalsteifung. Im CT ist typischerweise ein „Punktmuster“-Muster zu erkennen (sogenanntes „Polka-dot“-Muster), das durch prominente Trabekel, umgeben von Hämangiomgewebe, bewirkt wird. Beim M. Paget sind die Deckplatten der Wirbelkörper verdickt (Bilderrahmenwirbel) (Greenspan und Remagen, 2000). Mikroskopischer Befund: Das Hämangiom kann in verschiedenen histologischen Typen auftreten. In der Wirbelsäule sind fast nur kapilläre Hämangiome anzutreffen. Diese setzen sich überwiegend aus kleinen, dünnwandigen Gefäßen mit flachen, einreihigen Endothelien zusammen. Das Hämangiom liegt zwischen unauffälligen Trabekeln und zum Teil hämatopoetischem Knochenmark. Eine gesteigerte Mitoserate ist nicht nachweisbar. Kavernöse Hämangiome kommen primär in der Schädelkalotte vor und zeigen überwiegend stark dilatierte, dünnwandige Gefäßstrukturen. Venöse und arteriovenöse Hämangiome sind in der Wirbelsäule Raritäten (Abb. 6.8) (Greenspan und Remagen, 2000). Osteoblastome (ICD-O: 9200/0) Nach Hämangiomen sind Osteoblastome die häufigsten benignen Tumoren der knöchernen Wirbelsäule. Die Wirbelsäule ist mit einem Anteil von 36 % (Saccomanni, 2009) aller Osteoblastome neben den langen Röhrenknochen eine der häufigsten Lokalisationen. Im Os sacrum sind Osteoblastome mit 1 % Häufigkeit sehr selten. Alle
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Abb. 6.8: Hämangiom. a: Kavernöses Hämangiom des BWK 7 bei einem 30-jährigen Patienten (Originalvergrößerung: 100-fach). b: Endothelauskleidung der kavernösen Hohlräume (Originalvergrößerung: 400-fach).
Abschnitte der Wirbelsäule sind in etwa gleich häufig betroffen (Erlemann, 2006; Greenspan und Remagen, 2000; Murphey et al., 1996). Die Tumoren sind in ca. 65 % im posterioren Anteil des Wirbels gelegen (Dorn- bzw. Querfortsatz oder Wirbelbogen). In ca. 25 % besteht eine Ausdehnung in den Wirbelkörper. Weniger als 10 % sind ausschließlich im Wirbelkörper gelegen (Erlemann, 2006). Osteoblastome sind bei Männern etwa zweimal häufiger als bei Frauen und werden meist im Alter von 10–35 Jahren diagnostiziert (Greenspan und Remagen, 2000). Osteoblastome gehören mit den in vielen Eigenschaften ähnlichen Osteoidosteomen zu den knochenbildenden Tumoren. In 10–15 % der Osteoblastome sind in der Umgebung sekundäre aneurysmatische Knochenzysten nachweisbar (Murphey et al., 1996). Das häufigste Symptom sind Rückenschmerzen, bei Tumoren in der lumbalen Wirbelsäule tritt oft eine Skoliose auf. Die Tumoren zeigen meist ein expansives und in bis zu 20 % lokal aggressives Wachstum. Bei Einengung von Neuroforamina oder des Rückenmarkes können neurologischen Beschwerden bis zur Paraplegie auftreten (Greenspan und Remagen, 2000). Differentialdiagnostisch ist besonders die Abgrenzung zum Osteosarkom, zur aneurysmatischen Knochenzyste, zu Riesenzelltumoren, Knochenabszessen und zum Osteoidosteom wichtig. Makroskopischer und radiologischer Befund: Osteoblastome sind meist >2 cm groß, und mehr als 80 % haben einen scharf begrenzten Rand sowie ein strahlentransparentes, teils sklerosiertes Zentrum. Oft tritt eine Periostreaktion auf die in 86 % von solidem (benignem) Typ ist, aber auch z. B. bei Ausbildung von Spikulae einen radiologisch aggressiven Aspekt haben kann (Greenspan und Remagen, 2000). Die CTUntersuchung ist meist das diagnostisch aussagekräftigste Verfahren, auch wenn sich die Läsion in der Regel bereits in der konventionellen Röntgenaufnahme darstellt. Es werden anhand der Radiologie mehrere typische Wachstumsmuster unterschieden. Ein Typ ähnelt einem Osteoidosteom, ist aber mit > 2 cm größer und zeigt meist eine ausgeprägtere randliche Sklerose. Besonders häufig findet man in der Wirbelsäule einen zweiten Typ mit expansivem Wachstum (sogenannte „Blow-out“-Läsion) und zentral lytischen Läsionen mit kleinherdigen Verkalkungen. Der dritte Typ zeigt ein ag-
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gressives Wachstumsmuster mit Durchbuch der Kortikalis und Weichteilinfiltration. Bei aggressiven Varianten kann die Unterscheidung zu einem Osteosarkom schwierig sein. Selten werden auch auf dem Periost gelegene juxtakortikale Osteoblastome beobachtet (Greenspan und Remagen, 2000; Murphey et al., 1996). Mikroskopischer Befund: Charakteristisch sind unreife Knochenbälkchen mit ausgeprägten zellreichen Osteoblastensäumen und multifokal nachweisbarem Osteoid. Im Gegensatz zum Riesenzelltumor mit einer dominierenden Population von mehrkernigen Riesenzellen vom osteoklastären Typ zeigen sich deutlich weniger Osteoklasten. Zwischen den Trabelen erstreckt sich Bindegewebe mit Spindelzellen. Die Vaskularisierung ist deutlich stärker als beim Osteoidosteom. Das Osteoblastom zeigt im Allgemeinen ein gleichförmiges histologisches Muster, ein ausgeprägter Nidus wie beim Osteoidosteom ist nicht abgrenzbar. Im Randbereich zeigt sich oft ein sklerosierter Randsaum. Im Gegensatz zum Osteosarkom ist der gebildete Knochen regelhafter und sind die Osteoblastensäume gleichförmiger. Im Übergangsbereich zum normalen Knochen ist oft eine klare Grenzzone mit Bindegewebe sichtbar und kein destruierendes und infiltrierendes Wachstum erkennbar. Die sogenannten aggressiven Osteoblastome können eine diagnostische Herausforderung sein, da sie unregelmäßigere, breitere Trabekel haben und die Morphologie der Osteoblasten deutlich variabler ist (Greenspan und Remagen) (Abb. 6.9). Osteoidosteom (ICD-O: 9191/0) In der Wirbelsäule gehört das Osteoidosteom zu den häufigeren, benignen Tumoren auch wenn nur etwa 10 % aller Osteoidosteome dort auftreten. Häufigste Lokalisationen sind die langen Röhrenknochen. Es sind 59 % in der lumbalen, 27 % in der zervikalen und 12 % in der thorakalen Wirbelsäule gelegen. Osteoidosteome des Os sacrum sind mit ca. 1 % aller Fälle selten (Greenspan und Remagen, 2000; Saccomanni,
Abb. 6.9: Osteoblastom. a: Osteoblastom des LWK 3 bei einem 24-jährigen Patienten mit unreifen dichten Bälkchenstrukturen (Originalvergrößerung: 100-fach). b: Vaskularisierung des Tumors dargestellt durch den Endothelmarker CD34 (Originalvergrößerung: 100-fach). c: Einzelne mehrkernige Riesenzellen vom osteoklastären Typ (Originalvergrößerung: 630-fach).
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2009). Osteoidosteome treten in ca. 90 % im posterioren Anteil des Wirbels auf, eine Ausdehnung in den Wirbelkörper besteht in ca. 10 %. Ausschließlich im Wirbelkörper gelegene Herde sind extrem selten (Erlemann, 2006). Osteoidosteome sind bei Männern zwei- bis dreimal häufiger. Die Erstdiagnose erfolgt meist zwischen 10 und 35 Jahren (Erlemann, 2006; Greenspan und Remagen, 2000). Ein diagnostisch wegweisendes Symptom sind in 70 % nächtliche Schmerzen, die sehr gut auf Salizylate ansprechen. Häufiger als beim Osteoblastom kommt es zu einer Skoliose, bei der die Konkavseite der Krümmung die Seite der Läsion anzeigt (Greenspan und Remagen, 2000). Wesentliche Differentialdiagnosen sind das Osteoblastom und das Osteosarkom. Makroskopischer und radiologischer Befund: Osteoidosteome sind kleine, meist 20), sind nicht mit Knochenbälkchen assoziiert und relativ gleichförmig im Tumor verteilt. Das Tumorgewebe ist häufig reich vaskularisiert und zeigt oft Hämosiderinablagerungen als Residuen von Blutungen. Teilweise kann auch ein fibroxanthomatöses Muster mit relativ wenigen zwischen Schaumzellen eingestreuten Riesenzellen auftreten. Für den
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Abb. 6.11: Riesenzelltumor. a: Riesenzelltumor des LWK 4 bei einer 20-jährigen Patientin (Originalvergrößerung: 200-fach). b: Riesenzelle und c: Spindelzellkomponente des Riesenzelltumors (Originalvergrößerung: 630-fach).
Riesenzelltumor wurde ein Graduierungssystem vorgeschlagen, das die Tumoren in drei Grade einteilt: Grad I mit großen Riesenzellen (>100 Kerne) sowie homogener, gleichförmiger Spindelzellpopulation; Grad II mit kleineren Riesenzellen und leichter Pleomorphie der Spindelzellen; Grad III mit noch kleineren und spärlicher vorkommenden Riesenzellen sowie einer stärker polymorphen Spindelzellpopulation. Diese Einteilung wurde aber weitgehend verlassen, da sie keine zuverlässige Voraussage des klinischen Verlaufes insbesondere des Risikos einer malignen Entartung und Metastasierung ermöglichte (Greenspan und Remagen, 2000). Die Unterscheidung von knochen- oder knorpelbildenden Tumoren (z. B. Osteoblastom, Chondrom) ist über das Fehlen einer prominenten Osteoid- oder Knorpelproduktion möglich (Greenspan und Remagen, 2000). Die Differenzierung zur aneurymatischen Knochenzyste kann schwierig sein, da der Riesenzelltumor oft von sekundären aneurymatischen Knochenzysten begleitet wird. In der Regel sind die Riesenzellen beim Riesenzelltumor größer und homogener verteilt sowie der Faseranteil kleiner. So ist auch eine Unterscheidung zu soliden aneurymatischen Knochenzysten möglich. Der braune Tumor kann histologisch ähnlich aussehen, weist aber meist deutlich kleinere Riesenzellen auf und ist nur bei Hyperparathyreoidismus als Differentialdiagnose in Erwägung zu ziehen (Greenspan und Remagen, 2000) (Abb. 6.11). Aneurysmatische Knochenzyste (ICD-10: M85.5) Die aneurysmatische Knochenzyste ist eine von multiplen blutgefüllten Zysten gebildete Läsion, die in ca. 80 % der Fälle bei unter 20-Jährigen auftritt und keine besondere Geschlechtspräferenz zeigt. Sie kann in praktisch jedem Knochen vorkommen, bevorzugt aber die langen Röhrenknochen. Die Wirbelsäule gehört mit einem Anteil von 8 % zu den häufiger befallenen Bereichen des Skeletts. Am häufigsten wird das Os sacrum, gefolgt von der thorakalen, lumbalen und zervikalen Wirbelsäule, befallen (Erlemann, 2006; Greenspan und Remagen, 2000). Die Tumoren sind meist im posterioren Anteil des Wirbels gelegen und breiten sich oft in den Wirbelkörper aus. Ein alleiniger Befall des Wirbelkörpers ist selten (Erlemann, 2006). Wenigstens 65 % der aneurymatische Knochenzysten gelten als primäre Formen (Erlemann, 2006). Als Ursa-
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che werden lokale Störungen der Hämodynamik, insbesondere bei Zustand nach Traumen, diskutiert. Aneurymatische Knochenzysten treten gehäuft in der Umgebung von benignen und malignen Knochentumoren auf und können bei nicht repräsentativen Proben ein diagnostisches Problem darstellen (Erlemann, 2006; Greenspan und Remagen, 2000). Die Symptome sind im Allgemeinen unspezifisch, äußern sich als Rückenschmerzen und mit neurologischen Symptomen. Bei ausgedehnten Herden kann es auch zu pathologischen Frakturen kommen. Wesentlich Differentialdiagnosen sind die einfache Knochenzyste und teleangiektatische Osteosarkome. Makroskopischer und radiologischer Befund: Die aneurymatische Knochenzyste hat meist eine charakteristische Radiologie mit multiplen flüssigkeitsgefüllten Zysten und oft exzentrischer Auftreibung des Knochens. Bei Ausdehnung in die angrenzenden Weichgewebe sind das Periost und zum Teil eine dünne Knochenlammelle erhalten. Oft besteht eine benigne Periostreaktion. Die Diagnose ist am sichersten mit einer CTbzw. MRT-Untersuchung zu stellen, da oft typische Flüssigkeitsspiegel nachzuweisen sind und die Ausdehnung genau bestimmt werden kann (Erlemann, 2006; Greenspan und Remagen, 2000). In ca. 5 % der Fälle liegt ein sogenannter solider Typ vor, bei dem keine oder kaum Zysten nachweisbar sind (Erlemann, 2006). Mikroskopischer Befund: Histologisch zeigen sich multiple blutgefüllte Hohlräume meist ohne Endothelauskleidung. Zwischen den Hohlräumen sind solide, faserreiche Areale mit reicher Vaskularisierung und zahlreiche, meist gruppierte mehrkernige Riesenzellen vom osteoklastären Typ gelegen. Typisch sind auch Blutungsresiedunen und fokal Faserknochenbildung (Greenspan und Remagen, 2000). Das Unterscheidungsmerkmal zur einfachen Knochenzyste ist das Vorliegen von ausgedehnten soliden Bereichen. Beim teleangiektatischen Osteosarkom ist eine hohe Zell- und Kernpolymorphie typisch, und die auffälligen Zellen grenzen direkt an die Zystenformationen. Die solide Variante zeigt kleinere Riesenzellen als bei dem Riesenzelltumoren, die zudem meist gruppiert sind (Abb. 6.12).
Abb. 6.12: Aneurysmatische Knochenzyste. 24-jährige Patientin mit einer aneurysmatischen Knochenzyste in BWK 2. a: Knochentrabekel mit Anteilen der Zyste. b: Zystisches Areal mit einzelnen Riesenzellen und Einblutung. c: Solide Bereiche im Randbereich mit multiplen Riesenzellen (Originalvergrößerung: a–c 200-fach).
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Eosinophiles Granulom (Langerhans-Zell-Granulom) (ICD-IC D-10: C96.6) Ein besonders im Kindesalter (meist 5–10 Jahre) auftretender, insgesamt seltener Tumor ist das eosinophile Granulom; es stellt eine lokalisierte Form der Langerhans-Zell-Histeozytose dar. Bei weitgehend ausgeglichenem Geschlechtsverhältnis besteht eine leichte Präferenz für das männliche Geschlecht (Greenspan und Remagen, 2000). Die Läsionen können multipel auftreten und gehen meistens vom Wirkbelkörper aus, können aber auf die posterioren Anteile des Wirbels übergreifen. Die Wirbelsäule, und hier insbesondere der thorakale Anteil, gehört zu den häufigeren Lokalisationen im Skelett. Durch den Zerfall können Wirbelköper geschädigt werden, was zu einer Höhenverminderung mit anschließender Kompression und daraus resultierenden neurologischen Symptomen führen kann (Greenspan und Remagen, 2000). Differentialdiagnostisch ist neben einer Osteomyelitis auch an maligne Tumoren, z. B. ein Osteosarkom, zu denken. Makroskopischer und radiologischer Befund: Typisch ist das Zusammensintern des befallenen Wirbelköpers zu einer abgeplatteten „Vertebra plana“ bei erhaltener Bandscheibenhöhe. Am Beginn der Erkrankung steht in der Radiologie eine lytische Läsion mit teils scharfem, teils unscharfem Rand. Zu diesem Zeitpunkt kann die Abgrenzung zu aggressiven Prozessen wie einen Ewing- oder Osteosarkom radiologisch schwierig sein. Im Verlauf sklerosiert die Läsion meist zunehmend (Erlemann, 2006; Greenspan und Remagen, 2000). Mikroskopischer Befund: Die Histologie im Verlauf der Erkrankung ist recht variabel. Das Bild wir besonders in der Anfangszeit von großen, plumpen histiozytären Zellen
Abb. 6.13: Eosinophiles Granulom. 28-jähriger Patient mit einem eosinophilen Granulom. a: Infiltrat in der Übersicht (Originalvergrößerung: 100-fach). b: Riesenzellige Komponente neben eosinophilen Granulozyten und histiozytären Zellen (Originalvergrößerung: 400-fach). c: Histiozytäre und d: riesenzellige Komponente in der CD1a Immunhistochemie (Originalvergrößerung: c, d 400-fach).
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mit eosinophilem, leicht körnigem Zytoplasma geprägt. Diese entsprechen Langerhans-Zellen, was durch elektronenmikroskopische Untersuchungen mit Nachweis von sogenannten Bierbeck-Granula belegt werden kann. In der immunhistochemischen Untersuchung sind die Zellen positiv für das S100-Antigen und CD1a. Zusätzlich zeigen sich mehrkernige Riesenzellen mit 5–7 Kernen, die durch Fusion aus den Langerhans-Zellen entstehen. Oft sind Nekrosen und in den Zellen Lipidablagerungen erkennbar. Später wandern zunehmend eosinophile Granulozyten und auch Lymphozyten und Plasmazellen ein. Im weiteren Verlauf fibrosiert die Läsion zunehmend, wobei meist die Histiozyten und eosinophile Granulozyten stark zurückgehen (Abb. 6.13) (Greenspan und Remagen, 2000).
6.2.1.2 Maligne Knochentumoren Plasmazellmyelom (M. Kahler) (ICD-O: M9732/3) Eine monoklonale Proliferation von Plasmazellen bildet die Grundlage für die Plasmazellneoplasien und wird in aller Regel von der Sekretion monoklonaler Immunglobuline begleitet. Das Plasmazellmyelom macht ca. 1 % aller malignen Tumoren aus und ist mit ca. 27 % der häufigste primäre maligne Knochentumor (Greenspan und Remagen, 2000; Swerdlow et al., 2008). Die Wirbelsäule ist mit ca. 66 % der am häufigsten betroffene Bereich des Skeletts, auch wenn jeder Knochen mit hämatopoetischem Knochenmark betroffen sein kann (Erlemann, 2006). Neben dem per definitionem an multiplen Lokalisationen auftretenden Plasmazellmyelom kommen auch lokalisierte Formen wie das solitäre Plasmozytom des Knochens und extraskelettale Formen vor. Die Erkrankung bevorzugt Männer leicht (Geschlechtsverhältnis 1,4 : 1) und tritt erst im höheren Lebensalter auf. Die Erstdiagnose erfolgt im Durchschnitt mit ca. 70 Jahren, Erkrankungen vor dem 30. Lebensjahr sind extrem selten (Swerdlow et al., 2008). Die mittlere Überlebenszeit beträgt 4–5 Jahre. Eine Heilung ist nur über eine myeloablative Therapie mit anschließender Knochenmarkstransplantation möglich. Der klinische Verlauf hängt von der Tumormasse, Beeinträchtigung der Nierenfunktion und dem Mutationsstatus der Tumorzellen ab (Swerdlow et al., 2008). Ein klinisches Stagingsystem wurde von Durie und Salmon (1975) vorgeschlagen. Das erste klinische Symptom sind oft Schmerzen neben Allgemeinsymptomen wie Abgeschlagenheit, Gewichtsverlust und Leistungsminderung (Greenspan und Remagen, 2000; Swerdlow et al., 2008). Die Frakturneigung nimmt im Verlauf zu. Laborchemisch fallen häufig ein M-Gradient (Nachweis von monoklonalen Immunglobulinen oder Leichtketten), Ausscheidung von Leichtketten (Bence-Jones-Proteinurie), Anämie oder Hyperkalzämie auf (Swerdlow et al., 2008). Differentiladignostisch kommen neben degenerativen Veränderungen wie der Osteoporose, Karzinommetastasen und andere hämatologische Erkrankungen in Betracht. Makroskopischer und radiologischer Befund: Typisch sind lytische Läsionen, die sowohl ausgedehnt (geografischer Typ) als auch aus multiplen kleinen Läsionen aufgebaut sein können. Gelegentlich kann das Plasmazellmyelom ein osteoporoseähnliches Bild haben, selten (ca. 1 %) dominiert ein sklerostisches Bild (Greenspan und Remagen, 2000). Das Ausmaß der Skelettbeteiligung kann in der Röntgenuntersuchung und mit größerer Untersuchung bestimmt werden.
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Mikroskopischer Befund: Das Bild des Plasmozytoms ist oft charakteristisch und wird durch einen erhöhten Plasmazellanteil im Knochenmark geprägt. Die Plasmazellen zeichnen sich durch eine Anordnung in kleinen und größeren Gruppen aus. Sie sind nicht überwiegend diffus verteilt oder um Gefäßsinuse angeordnet wie bei reaktiven Lymophoplasmozytosen. Normalerweise sind > 30 % Plasmazellen nachweisbar, auch wenn in ca. 5 % der Fälle der Anteil unter 10 % liegt. Ein Nachweis von Plasmazellen ist über die Marker CD138 sowie VS38c möglich. In seltenen Fällen können auch andere Non-Hodgkin-Lymphome das Bild eines Plasmozytoms imitieren. Das Marginalzonen-Lymphom vom MALT-Typ ist anders als das Plasmozytom stark positiv für CD20 und im Knochenmark selten (Swerdlow et al., 2008). Das lymphoplasmozytische Lymphom hat neben den Plasmazellen meist noch kleinere lymphozytäre Zellen und ist oft mit einen M. Waldenström assoziiert (Swerdlow et al., 2008) (Abb. 6.14). Chordome (ICD-O: 9370/3) Chordome sind eher seltene primäre Knochentumoren. Da sie aus Resten des Notochord entstehen, kommen sie nur in der Wirbelsäule vor und sind dort nach den Plasmazellmyelom der zweithäufigste primäre maligne Tumor (Erlemann, 2006). Etwa 55 % aller Chordome treten im Os sacrum auf und sind dort der mit Abstand häufigste Tumor. Der zweite Prädilektionsort ist die Sphenookzipitalregion, in der weitere 35 % der Chordome auftreten. In der zervikalen Wirbelsäule sind ca. 8 % der Chordome lokalisiert, der Rest tritt in der übrigen Wirbelsäule auf (Greenspan und Remagen, 2000). Männer sind ca. zweimal häufiger betroffen als Frauen (Erlemann, 2006; Greenspan und Remagen, 2000). Das Chordom geht vom Wirbelkörper aus und breitet sich sekundär in posterioren Anteile des Wirbels und die angrenzenden Weichgewebe aus. Der Tumor ist eine Erkrankung der älteren Menschen und wir im Median mit 56 Jahren erstdiagnostiziert. Oft ist das Tumorwachstum sehr langsam, sodass sich die Symptome schleichend ausbilden. Bei Herden im Os sakrum können neben
Abb. 6.14: Plasmozytom. 64-jährige Patientin mit einer pathologischen Fraktur des BWK 12 bei Plasmozytom. a: Knochenmark mit subtotaler Infiltration durch Plasmazellen (Originalvergrößerung: 200-fach). b: Die Zellen des Infiltrates weisen bei hoher Vergrößerung die typische Morphologie von Plasmazellen auf und c: zeigen eine starke Positivität für den Plasmazellmarker CD138 (Originalvergrößerung: 400-fach).
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Schmerzen Störungen des Schließmuskels und Inkontinenz auftreten. Bei Herden in der Sphenookzipitalregion können bei ausgedehnten Läsionen durch Beeinflussung der Hypophyse hormonelle Störungen sowie neurologische Symptome ausgelöst werden (Erlemann, 2006). In bis zu 43 % werden Metastasen beobachtet, die aber meist erst spät im Krankheitsverlauf auftreten (Greenspan und Remagen, 2000; Tsuboi et al., 2007). Differentialdignostisch sind besonders Metastasen und Chondrosarkome von Bedeutung (Greenspan und Remagen, 2000). Makroskopischer und radiologischer Befund: Wesentlich für die Diagnose ist neben der Lokalisation das Bild einer meist ausgedehnten lytischen Läsion mit ausgeprägter Knochendestruktion und häufig einer Weichteilinfiltration. In der MRT-Untersuchung zeigt sich oft ein heterogenes Bild mit einer typischen gelappten Struktur. In der CTUntersuchung können das Ausmaß der Osteolyse sowie in ca. 90 % zumindest fokal dystrophe Verkalkungen nachgewiesen werden. Die Szintigrafie zeigt meist eine gesteigerte Aktivität im Randbereich (Erlemann, 2006; Greenspan und Remagen, 2000). Mikroskopischer Befund: Das klassische Bild eines Chordoms entspricht dem der Chorda dorsalis. Es wird durch teils in Gruppen und teils strangartig angeordnete polygonale Zellen geprägt. Diese haben ein eosinophiles Zytoplasma, in größeren Zellen oft ein blasiges Zytoplasma („physaliphor“ = blasentragend). Zwischen den Zellen ist muzinöse Matrix nachzuweisen. Die Mitoserate ist niedrig. Histologisch werden drei Typen des Chordoms unterschieden: das konventionelle Chordom, welches das typische histologische Bild bietet, das chondroide Chordom, das neben typischen Chordomanteilen ausgedehnte chondroide Areale enthält, und das entdifferenzierte Chordom. Ein klassisches Chordom ist mit seiner typischen Histologie sowie besonders durch physaliphore Zellen eindeutig erkennbar. Die Unterscheidung von einem myxoiden Chondrosarkom kann histologisch schwierig sein, das Chordom ist aber typischerweise positiv für Zytokeratine (z. B. Kl1). Metastasen können, wenn nötig, durch geeignete Marker (z. B. CDX2 bei gastrointestinalen Metastasen) unterschieden werden (Greenspan und Remagen, 2000) (Abb. 6.15). Chondrosarkome (ICD-O: 9220/3) Meist sind Chondrosarkome in den langen Röhrenknochen lokalisiert. Die Wirbelsäule mit ca. 3 % und das Os sacrum mit ca. 2 % sind jeweils seltene Lokalisationen, dennoch sind Chondrosarkome die dritthäufigsten primären maligen Tumoren der Wirbelsäule. Neben primären Chondrosarkomen gibt es auch sekundäre Formen (z. B. bei Osteochondrom oder nach Bestrahlung), die teils als periphere Chondrosarkome bezeichnet werden. Innerhalb der Wirbelsäule ist der thorakale Bereich am häufigsten betroffen (Erlemann, 2006; Greenspan und Remagen, 2000). Die Tumoren sind in 40 % im Wirbelkörper und nur in 15 % im posterioren Bereich gelegen, in den übrigen Fällen sind beide Bereiche betroffen (Murphey et al., 1996). Chondrosarkome sind bei Männern 2–4-mal häufiger als bei Frauen und treten meist zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr auf. Die Prognose ist entscheidend abhängig von histologischen Grading. Die Symptomatik ist meist unspezifisch und abhängig von der lokalen Ausbreitung und gegebenenfalls Infiltration oder Einengung von Nervenstrukturen. Differentialdiagnostisch kommen vorrangig benigne chondroide Läsionen wie Enchondrome und maligne Läsionen wie chondroblastische Osteosarkome und Metastasen in Betracht (Greenspan und Remagen, 2000).
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Abb. 6.15: Chordom. Klassisches sakrales Chordom bei einer 47-jährigen Patientin mit a: myxoidem Stroma, b: blasigem („physaliphorem“) Zytoplasma und Positivität für den c: epithelialen Marker KL-1. d: Teils chondroid differenziertes, sakrales, Chordom bei einem 29-jährigen Patienten. e: Entdifferenziertes sakrales Chordom bei einem 69-jährigen Patienten (Originalvergrößerung: a, c 100-fach; d, e 200-fach; b 630-fach).
Makroskopischer und radiologischer Befund: Die Radiologie zeigt eine lytische Läsion, die in 70 % Verkalkungen aufweist. Die betroffenen Knochen sind meist aufgetrieben. Eine Periostreaktion kann sowohl einen benignen als auch malignen Charakter haben. Für die Bestimmung der Weichteilausbreitung ist die MRT-Untersuchung das Mittel der Wahl. In der Szintigrafie reichert der Tumor meist an und ist so gut detektierbar (Erlemann, 2006; Greenspan und Remagen, 2000). Mikroskopischer Befund: Für die Diagnose eines Chondrosarkoms ist der Nachweis einer atypischen Knorpelbildung wegweisend. Das für die Prognose und natürlich auch für die Aggressivität des therapeutischen Vorgehens entscheidende Grading ist oft schwierig, da exakte Kriterien fehlen. In die Graduierung fließen neben der Tumorstruktur (Zellzahl, Anteil und Aufbau der Knorpelmatrix) die Zellmorphologie (Zellgröße und Pleomorphie) und die Teilungsaktivität ein (Kriterien für das Grading siehe Tab. 6.4). Die Unterscheidung zwischen einen Enchondrom und einem Borderlineoder G1-Chondrosarkom kann allein durch die Histologie schwierig sein und nur durch Einbeziehung der Radiologie möglich werden. In jeden Fall ist es sinnvoll, die radiologischen Befunde mit dem histologischen Bild zu korrelieren. Neben den konventionellen Chondrosarkom, das ca. 80 % der Fälle ausmacht, sind noch einige zum
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Tab. 6.4: Grading von Chondrosarkomen, modifiziert nach Dahlin und Unni (1986) Grad
Histologie
Borderline
histologisch eine Enchondrom entsprechend, radiologisch aggressiv
G1
Zellzahl: leicht vermehrt zytologische Atypien: leicht zunehmende Größe und Polymorphie der Kerne, leicht gesteigerte Hyperchromasie zweikernige Zellen: nur wenige vorhanden Veränderungen der Knorpelmatix: leicht oder fehlend
G2
Zellzahl: mäßig vermehrt zytologische Atypien: mäßig zunehmende Größe und Polymorphie der Kerne, mäßig gesteigerte Hyperchromasie zweikernige Zellen: große Zahl von zwei- und dreikernigen Zellen vorhanden Veränderungen der Knorpelmatix: zumindest herdförmig vorhanden
G3
Zellzahl: deutlich vermehrt zytologische Atypien: stark zunehmende Größe und Polymorphie der Kerne, zweikernige Zellen: große Zahl von doppel- und vielkernigen Zellen Veränderungen Knorpelmatix: meist vorhanden oft kleine Herde spindelförmiger Chondrozyten an der Läppchenperipherie
Teil sehr seltene Varianten beschrieben worden, unter denen das entdifferenzierte Chondrosarkom mit ca. 10 % die häufigste Variante darstellt. Es zeichnet sich durch das Vorhandensein einer hochdiffernzierten Komponente aus, die von einer wenigoder undifferenzierten Komponente (z. B. MFH-ähnlich) begleitet wird. Die Matrixbildung kann besonders gut durch die Toluidin-Blau-Färbung, die saure Proteoglykane anfärbt, dargestellt werden, alternativ eignet sich auch die Alzian-PAS-Färbung. Im Gegensatz zum Chordom fehlt bei Chondrosarkom eine deutliche Positivität für Zytokeratine. Die für das Chordom typischen physaliphoren Zellen treten beim Chondrosarkom nicht auf (Abb. 6.16) (Greenspan und Remagen, 2000).
Abb. 6.16: Chondrosarkom. a: Überwiegend myxoid differenziertes Chondrosarkom (G3, high grade) mit Infiltraten in der Wirbelsäule einer 73-jährigen Patientin (Originalvergrößerung: 100fach). b: Teils chondroides, teils myxoides Areal des Tumors (Originalvergrößerung: 630-fach).
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Ewing-Sarkom (ICD-O: 9260/3) Das Ewing-Sarkom und die eng verwandten primitiven neuroendokrinen Tumoren binden die Ewing/PNET-Gruppe, wobei das Ewing-Sarkom die undifferenzierteste Variante darstellt (Erlemann, 2006). Den Ausgangspunkt für den Tumor bilden nach aktuellem Kenntnistand mesenchymale Stammzellen (Ordóñez et al., 2009). Charakteristisch für die Tumoren der Ewing/PNET-Gruppe sind Translokationen, die zu Fusionen des EWS-Gens mit Vertretern der ETS-Genfamilie führen. Beim Ewing-Sarkom ist meist eine Fusion des EWS-Gens mit FLI1 (90–95 %) oder ERG (5–10 %) nachzuweisen, daneben sind einige seltene Fusionspartner wie FEV, ETV1 und ETV4 bekannt (Ordóñez et al., 2009). Das Ewing-Sarkom tritt meist in den langen Röhrenknochen auf, nur zu etwa 3–10 % im Achsenskelett, wobei das Os sacrum, gefolgt von der lumbalen, thorakalen und zervikalen Wirbelsäule, die häufigste Lokalisation ist. Im Allgemeinen haben die meist ausgedehnten sakralen Ewing-Sarkome eine schlechtere Prognose als die der Wirbelsäule. Bei Herden in der Wirbelsäule handelt es sich zu Teil um Metastasen von Ewing-Sarkomen aus anderen Lokalisationen. Meist sind die Tumoren im Wirbelkörper gelegen. Das Ewing-Sarkom ist ein Tumor des Kindes- und jungen Erwachsenalters (meist 4–25 Jahre) und zeigt eine Bevorzugung des männlichen Geschlechtes. Differentialdiagnostisch ist besonders aufgrund des Alters an Osteosarkome und eosinophie Granulome zu denken (Greenspan und Remagen, 2000). Makroskopischer und radiologischer Befund: Ewing-Sarkome führen meist zu einem permeativen oder mottenfraßartigen Osteolysemuster. Die Periostreaktion ist meist vom lamellären Typ (Zwiebelschalentyp) oder seltener vom Spikulatyp („Sunburst“-Effekt). Eine Mineralisation ist nicht nachweisbar. Sklerotische Veränderungen sind meist mit Nekrosen assoziiert (Erlemann, 2006; Greenspan und Remagen, 2000). Ein oft bestehender Weichteiltumor kann am besten mit der MRT-Untersuchung nachgewiesen werden. In der Szintigrafie kommen die Herde im Allgemeinen gut zur Darstellung (Greenspan und Remagen, 2000). Mikroskopischer Befund: Im Mikroskop erkennt man „kleine blaue runde“ Tumorzellen. Die Differenzierung von anderen Tumoren mit ähnlicher Morphologie ist nur über immunhistochemische Untersuchungen möglich. Die Unterscheidung zu Lymphomen kann durch CD45 (LCA) erfolgen. Primitive neuroendokrine Tumoren und Neuroblastommetastasen sind meist positiv für NSE. Osteosarkome können über eine zumindest fokale Osteoidproduktion abgegrenzt werden. Das eosinophiele Granulom, das eine ähnliche Altersverteilung aufweist, zeigt multiple, mehrkernige Riesenzellen (Abb. 6.17) (Greenspan und Remagen, 2000). Osteosarkom (ICD-O 9180/3) Das Osteosarkom ist der nach dem Plasmazellmyelom der zweithäufigste primäre Knochentumor im gesamten Skelett. In der Wirbelsäule und Os sacrum treten zusammen nur 2–4 % aller Fälle auf und das Osteosarkom ist mit einem Anteil von ca. 5 % einer der selteneren primären malignen Tumoren der Wirbelsäule und des Os sacrum (Erlemann, 2006; Yalnitz et al., 2009). Die Lumbosakralregion ist in der Wirbelsäule am häufigsten befallen, es kann aber grundsätzlich jeder Bereich betroffen sein. Osteosarkome sind meist im Wirbelkörper gelegen und breiten sich oft in den posterioren
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Abb. 6.17: Ewing-Sarkom. a: 12-jähriger Patient mit einem Ewingsarkom im thorakalen Bereich. b: Kräftige membrannöse Positivität für CD99 (MIC2) sowie c: nukleäre Positivität für FLI-1 (Originalvergrößerung: 400-fach).
Bereich aus. Nur 10–17 % haben ihren Ursprung im posterioren Bereich (Erlemann, 2006). Das typische Alter bei der Erstdiagnose von Osteosarkomen in der Wirbelsäule liegt in der 4. Dekade und somit deutlich höher als bei in der Peripherie gelegenen klassischen Osteosarkomen, die meist in der 1. oder 2. Dekade auftreten. Selten können auch sekundäre Osteosarkome vorkommen, die auf dem Boden einer vorbestehenden ossären Erkrankung (M. Paget) oder nach Bestrahlung entstehen. Sie treten meist bei Patienten im höheren Lebensalter auf (Greenspan und Remagen, 2000). Das Osteosarkom zeigt eine Geschlechtspräferenz mit einer leicht erhöhten Erkrankungsfrequenz beim männlichen Geschlecht (Erlemann, 2006; Greenspan und Remagen, 2000). Symptome können neben Schmerzen und neurologischen Symptomen tastbare Schwellungen sein. Als Differentialdiagnose sind benigne Prozesse wie das Osteoblastom sowie maligne Prozesse wie das Ewing-Sarkom, das Chondrosarkom oder Lymphome auszuschließen (Greenspan und Remagen, 2000). Makroskopischer und radiologischer Befund: Wegweisend für die Diagnose ist beim Osteosarkom die Knochenbildung, die auch in einem gegebenenfalls vorhandenen Weichteiltumor nachweisbar ist. Im Knochengewebe zeigt sich meist ein aggressives Wachstumsmuster mit Destruktion spongiöser und kortikaler Knochen. Es kann aber auch eine rein lytische oder ausschließlich sklerosierende Läsion vorliegen. In aller Regel ist eine maligne Periostreaktion nachweisbar (Greenspan und Remagen, 2000). Die MRT-Untersuchung ist meist am besten geeignet, die Weichteilausdehnung der Tumormasse zu untersuchen. Das CT ermöglich den Nachweis der Ossifikation und der Knochenbeteiligung (Erlemann, 2006). Mikroskopischer Befund: Das Osteosarkom kann in einer Vielzahl histologischer Typen auftreten. Bei allen Typen ist eine im Einzelfall unter Umständen auch diskrete Osteoidbildung nachweisbar. Der häufigste Typ ist das konventionelle Osteosarkom (85 %), das als osteoblastischer, chondroblastischer und fibroblastischer (Sub-)Typ vorkommt (Greenspan und Remagen, 2000). In der Wirbelsäule ist der osteoblastische Typ am häufigsten (Erlemann, 2006). Konventionelle Osteosarkome sind meist wenig differenziert (G3/G4). Sie sind normalerweise sicher zu diagnostizieren, da sie eine
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Abb. 6.18: Osteosarkom. 13-jährige Patientin mit einen Osteosarkom (G3, high grade) mit teils a: osteoblastischer und teils b: chondroblastischer Differenzierung (Originalvergrößerung: 200-fach).
deutlich erkennbare Zell- und Kernpolymorphie aufweisen und in aller Regel auch bei den chondroblastischen und fibroblastischen Typen eine Osteoidbildung nachweisbar ist. Probleme können bei den seltenen gut differenzierten Varianten auftreten, die dann schlecht vom aggressiven Osteoblastom zu unterscheiden sind, da das Osteoblastomen ebenfalls eine Osteoidbildung aufweist und leichte Zellatypien auftreten können. Eine Differenzierung ist dann möglich, wenn zumindest fokal ein destruierendes bzw. infiltrierendes Wachstum nachweisbar ist. Eine weitere seltene Variante ist das teleangiektatische Osteosarkom mit einer Häufigkeit von ca. 5 %, das einer aneurymatischen Knochenzyste ähneln kann. Es zeigt blutgefüllte Hohlräume mit einer Auskleidung durch hochgradig polymorphe Tumorzellen und in soliden Bereichen eine Osteoidproduktion (Greenspan und Remagen, 2000). Das seltene (ca. 3 %) riesenzellreiche Osteosarkom muss vom benignen Riesenzelletumor abgegrenzt werden, was aufgrund nur spärlicher Osteoidproduktion und häufig unauffälliger Radiologie schwierig sein kann. Das extrem seltene (ca. 1 %) kleinzellige Osteosarkom ist eine Differentialdiagnose des Ewing-Sarkoms und kann durch den zumindest teilweise nachweisbaren spindeligen Charakter der Tumorzellen sowie fokale Osteoidproduktion abgegrenzt werden (Abb. 6.18) (Greenspan und Remagen, 2000).
6.2.2 Knochenmetastasen (ICD 10: C79.5) Metastasen sind die bei Weitem häufigsten malignen Läsionen in Skelettsystem und machen ca. 70 % aller malignen Tumoren aus. Anders als die primären Knochentumoren, die gehäuft in den Extremitäten auftreten und relativ selten im Achsenskelett vorkommen, sind Metastasen in den zentralen Abschnitten des Skeletts und hier insbesondere in der Wirbelsäule besonders häufig. Distal des Knies oder des Ellenbogens sind Metastasen selten (Greenspan und Remagen, 2000). Zwar kann jeder maligne Tumor auch Knochenmetasten bilden, doch ist eine vergleichsweise kleine Anzahl von Tumorentitäten für den alles überwiegenden Anteil der Metastasen verantwortlich. Bei Frauen sind ca. 70 % aller Knochenmetastasen Metastasen von Mammakarzinomen, beim Mann ca. 60 % Prostatakarzinom-Metastasen. Bei Postmortem-Untersuchungen fand Coleman (2006) bei 73 % der Mammakarzinom-Patienten und 68 % der Prostatakarzinom-Patienten Knochenmetastasen. Besonders häufig kommen Metastasen außerdem bei Bronchial-, Nieren- und Schilddrüsen-
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karzinomen vor. Auch maligne Melanome, Magen-, Kolon- und Urothelkarzinome bilden oft Knochenmetasen. Bei Sarkomen sind Knochenmetastasen eher selten und werden meist nur bei Knochentumoren wie Osteosarkomen oder den Ewing-Sarkom beobachtet (Greenspan und Remagen, 2000). Da die Inzidenz von Karzinomen mit dem Lebensalter stark ansteigt, nimmt auch der Anteil an Metastasen mit dem Alter stark zu. Viele Metastasen sind klinisch stumm. Erstes Symptom sind oft Schmerzen, gefolgt von neurologischen Symptomen, wenn Nervenwurzeln oder Rückenmark eingeengt werden. Pathologische Frakturen sind meist nicht das erste Symptom, sondern treten häufig erst recht spät auf (Greenspan und Remagen, 2000). Makroskopischer und radiologischer Befund: In der konventionellen Röntgenaufnahme sind Metastasen erst zu erkennen, wenn 30–50 % der Knochenmasse verloren gegangen sind. Die CT-Untersuchung ist sensitiver und bietet aufgrund der komplexen Anatomie in der Wirbelsäule eine bessere Beurteilbarkeit. Die höchste Sensivität erreicht das MRT, da es Weichteilstrukturen gut darstellen kann. Auch die Szintigrafie hat eine hohe Sensivität und eignet sich als Screening-Test, da der gesamte Körper erfasst wird. Nach der Strahlentransparenz werden die Metastasen in drei Gruppen eingeteilt: Osteolytische Metastasen (75 %), bei denen eine rein lytische Läsionen besteht, treten besonders bei Nieren-, Bronchus- und Mammakarzinomen auf. Osteosklerotische Metastasen (15 %) werden z. B. bei Prostata-, Mamma-, Ovarial- und Zervixkarzinomen beobachtet. Gemischte Metastasen mit sowohl lytischen als auch
Abb. 6.19: Metastasen. a: Osteolytische Destruktion der Bogenwurzel BWK 2 (weißer Pfeil) und der medialen 2. und 3. Rippe. b: Metastase eines schlecht differenzierten Prostatakarzinoms in BWK 10 bei einen 78-jährigen Patienten (Originalvergrößerung: 100-fach). c: Fokale kräftige Positivität für das prostataspezifische Antigen (PSA) (Originalvergrößerung: 400-fach). d: 64-jährige Patientin mit Osteolysen in der Wirbelsäule. Hier Infiltrate eines schlecht differenzierten invasivduktalen Mammakarzinoms. e: Positiver Nachweis einer nukleären Expression des Östrogenrezeptors (Originalvergrößerung: d, e 200-fach).
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sklerotischen Anteilen (10 %) kommen besonders bei Mamma- und Bronchialkarzinomen vor (Greenspan und Remagen, 2000). Mikroskopischer Befund: Die Metastasen können in ihrer Histologie dem Primärtumor entsprechen. Bei bekanntem Primärtumor ist dann eine Zuordnung meist problemlos möglich. Zum Teil ist aber auch eine Dedifferenzierung zu beobachten, die eine Zuordnung zu einem Primärtumor erschweren kann, insbesondere wenn dieser (noch) nicht bekannt ist. Ein praktisches Problem kann gerade bei kleinen Biopsien die Repräsentativität sein, wenn nur avitales Gewebe oder eine desmoplastische Reaktion ohne Tumorzellen erfasst wird. Eine Eingrenzung der Tumorentität ist auch in schwierigen Fällen oft durch die Immunhistochemie möglich. Zum prinzipiellen Nachweis einer Karzinommetastase kann mit dem KL1-Antikörper die Expression von Zytokeratinen nachgewiesen werden. Eine weitere Eingrenzung kann dann durch weitere immunhistochemische Untersuchungen erreicht werden, zum Beispiel mit Antikörpern gegen PSA (prostataspezifisches Antigen) bei Verdacht auf Prostatakarzinom-Metastasen oder mit CDX2-Antikörpern bei Metastasen von gastrointestinalen Adenokarzinomen (Beispiele: Abb. 6.19). Literatur Beaman DN, Graziano GP, Glover RA, Wojtys EM, Chang V. Substance P innervation of lumbar spine facet joints. Spine (Phila Pa 1976) 1993;18(8): 1044–9. Brown MA. Progress in spondylarthritis. Progress in studies of the genetics of ankylosing spondylitis. Arthritis Res Ther 2009;11(5): 254. Epub 29.10.2009. Bullogh PG. Atlas of orthopedic pathology with clinical and radiological correlations, 2nd ed. London: Gower Medical Publishing, 1992. Cammisa M, De Serio A, Guglielmi G. Diffuse idiopathic skeletal hyperostosis. Eur J Radiol. 1998; 27(Suppl 1): S7–11. Coleman RE. Clinical features of metastatic bone disease and risk of skeletal morbidity. Clin Cancer Res 2006;12: 6243–9. Dahlin DC, Unni KK. Bone tumors. General aspects and data on 8542 cases. 4. Aufl. Springfield: Charles C Thomas; 1986. Dehbrunner AM. Orthopädie, 4 Aufl. Bern: Verlag Hans Huber, 2002. Dhillon MS, Prasad P. Multicentric giant cell tumor. Acta Orthop Belg 2007;73(3): 289–99. Dougados M, van der Linden S, Juhlin R, Huitfeldt B, Amor B, Calin A, Cats A, Dijkmans B, Olivieri I, Pasero G, Vegs E, Zeioller H. The European Spondylarthropathy Study Group preliminary criteria for the classification of spondylarthropathy. Arthritis Rheum 1991;34(10): 1218–27. Durie BG, Salmon SE. A clinical staging system for multiple myeloma. Correlation of measured myeloma cell mass with presenting clinical features, response to treatment, and survival. Cancer 1975;36(3): 842–54. Eisenstein SM, Parry CR. The lumbar facet arthrosis syndrome. Clinical presentation and articular surface changes. J Bone Joint Surg Br 1987; 69(1): 3–7. Erlemann R. Imaging and differential diagnosis of primary bone tumors and tumor-like lesions of the spine. Eur J Radiol 2006 A;58(1): 48–67. Epub 20.1.2006. Fotiadis E, Kenanidis E, Samoladas E, Christodoulou A, Akritopoulos P, Akritopoulou K. Scheuermann’s disease: focus on weight and height role. Eur Spine J 2008;17(5): 673–8. Epub 27.2.2008. Francois RJ, Eulderink F, Bywaters EGL. Commented glossary for rheumatic diseases, based on pathology. Ann Rheum Dis 1995;54: 375–8.
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6 Pathologie der Wirbelsäule
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7 Endoprothetik Lars Morawietz und Thorsten Gehrke
7.1 Indikationen und Häufigkeit endoprothetischer Eingriffe Sowohl degenerative als auch primär entzündliche Gelenkerkrankungen führen zu einer Schädigung des Gelenkknorpels und im fortgeschrittenen Stadium zu einer Destruktion der darunter liegenden Knochendeckplatte. Die Regenerationsfähigkeit des Gelenkknorpels ist äußerst limitiert (Andreas et al., 2008). Zwar werden unter dem Schlagwort „Tissue Engineering“ derzeit Anstrengungen unternommen, umschriebene posttraumatische Knorpeldefekte mittels passgenauer Transplantate wieder aufzubauen; dies übersteigt für die großflächigen Abnutzungserscheinungen der Arthrose jedoch die technische Machbarkeit (Andreas et al., 2008; Endres et al., 2007; Köse et al., 2005). Bei den rheumatischen Erkrankungen gab es in den vergangenen Jahren gute Behandlungserfolge durch zunehmend spezifischere antiinflammatorische Medikamente aus der Gruppe der sogenannten Biologika, zu denen Antikörper oder lösliche Rezeptoren gegen die pathogenetisch wichtigen Zytokine TNF-alpha, Interleukin-1 oder gegen das Lymphozytenantigen CD20 zählen (Castro-Rueda und Kavanaugh, 2008; Dörner und Burmester, 2008; Keystone et al., 2008). Durch eine solche kostenintensive Therapie kann die Entzündung gut kontrolliert werden, allerdings lässt sich ein bereits entstandener Knorpel- oder Knochenschaden nicht mehr rückgängig machen. Daher ist die Implantation einer Endoprothese die Standardtherapie bei Befall der Hüft- oder Kniegelenke (Berry et al., 2002). Hierbei werden die artikulierenden Gelenkflächen vollständig durch eine Prothese aus Metall, Keramik oder Kunststoff ersetzt und mittels eines Metallschafts bzw. einer Metallpfanne im Knochen verankert. Seit den wegweisenden Verbesserungen der in den 1930er-Jahren eingeführten Prothesenmodelle durch Charnley in den 1960er-Jahren ist der Einsatz von künstlichen Gelenken zu einer häufigen Operation avanciert (Charnley, 1960); es wurden in Deutschland im Jahr 2008 160.000 Hüft- und 146.000 Kniegelenktotalendoprothesen sowie jeweils mehrere Tausend künstliche Schulter-, Ellenbogen- und Sprunggelenke implantiert (Ärztezeitung, 2010). Es werden weit über 50 % der Prothesen bei fortgeschrittener Arthrose implantiert. Frakturen stehen an zweiter und die rheumatischen Erkrankungen an dritter Stelle der Indikationen (Lohmander et al., 2006). Weitere Gründe sind die aseptische Hüftkopfnekrose und die Rekonstruktion nach Entfernung von Knochentumoren oder schweren, destruktiven Osteomyelitiden. Bei der primären Implantation sind die Patienten durchschnittlich 60 Jahre alt (Furnes et al., 2007). Prinzipiell können die Prothesen mit Knochenzement aus Polymethylmethacrylat (PMMA) fixiert werden, was eine frühe postoperative Mobilisation ermöglicht, oder sie werden unzementiert implantiert, mit dem Nachteil einer längeren Rehabilitationsphase und dem Vorteil eines festeren und längeren Haltes (Krückhans und Dustmann, 2004).
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7 Endoprothetik
7.2 Probleme der Endoprothetik Das wesentliche Problem der Endoprothetik ist die sogenannte Endoprothesenlockerung. 5 bis 12 % der Prothesenträger entwickeln im Laufe von zehn Jahren Beschwerden des operierten Gelenks, welche unter diesem Begriff zusammengefasst werden. Die Prothesen erscheinen äußerlich kaum locker, vielmehr leiden die Patienten unter Schmerzen, Bewegungseinschränkungen und gegebenenfalls unter allgemeinen Entzündungszeichen (Berry et al., 2002; Kißlinger und Wessinghage, 1995). Prinzipiell ist eine stetige Zunahme der durchschnittlichen Funktionsdauer von Hüftendoprothesen zu verzeichnen, da Materialien und Operationstechniken kontinuierlich verbessert werden. Da Endoprothesen jedoch zunehmend auch jungen Menschen implantiert werden und die Lebenserwartung allgemein steigt, ist damit zu rechnen, dass immer mehr Patienten eine Endoprothesenlockerung erleben werden. Nach 20 Jahren sinkt die Funktionsrate der Endoprothesen auf etwa 75 % (Furnes et al., 2007). Wie mehrere retrospektive Untersuchungen zeigen, scheint die zur Primärimplantation führende Grundkrankheit, insbesondere im Vergleich von Arthrose gegenüber chronischen Gelenkentzündungen, keinen Einfluss auf die Prothesenstandzeit zu haben (Ito et al., 2003).
7.2.1 Aseptische und septische Lockerung Prothesen, die Schmerzen hervorrufen, werden klinisch und radiologisch untersucht (Bozic und Rubash, 2004). Bei gelockerten Endoprothesen sind osteolytische Spalträume zwischen Implantat und Knochen zu sehen (Fink et al., 1991). Diese Spalten sind ein Zeichen dafür, dass die feste Verankerung zwischen Knochen und Prothese aufgehoben ist. Man geht davon aus, dass dadurch Mikroschwingungen der Prothese ermöglicht werden und diese Schwingungen für die Schmerzen verantwortlich sind (Wirtz et al., 1998). Je nachdem, ob darüber hinaus auch Entzündungszeichen wie Rötung oder Überwärmung des Gelenks, subfebrile Temperaturen, erhöhtes C-reaktives Protein im Serum oder ein erhöhter Lymphozytengehalt im Blutbild bestehen, wird der Begriff der „aseptischen“ oder „septischen“ Lockerung verwendet. Eindeutige Kriterien einer sogenannten septischen Lockerung sind die Aspiration eitrigen Materials oder der Nachweis ausreichender Keimmengen bei der Punktion des Gelenks (Bernard et al., 2004). Die aseptische Lockerung tritt mit über 80 % wesentlich häufiger auf (Mohr, 2000). Zwei Pathogenesemechanismen werden für die aseptische Lockerung verantwortlich gemacht: Zum einen entstehen bei der Belastung der Prothese Abriebprodukte aus Polyethylen (PE), PMMA-Zement, Keramik oder Metall, die eine Stimulation von Makrophagen auslösen, welche zu periprothetischen Osteolysen führen (Gehrke et al., 2003). Zum anderen können ein Mangel an initialer Stabilität des Implantates und eine inadäquate Belastung die suffiziente Osteointegration der Prothese verhindern, was besonders bei unzementierten Prothesen ein wesentliches Problem darstellen kann (Krismer et al., 1996). Die septische Lockerung ist die Folge einer bakteriellen Infektion des periprothetischen Gewebes. Diese kann entweder durch eine direkte Kontamination während der Operation entstehen, oder es kommt zu einer sekundären hämatogenen Keimbesiedelung einer primär keimfrei implantierten Prothese im Rahmen einer Bakteriämie, wie
7.2 Probleme der Endoprothetik
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sie z. B. nach Zahnextraktion oder bei chronischen Hautulzerationen auftreten kann (Burton und Schurman, 1975). Von einer hämatogenen Infektion wird ausgegangen, wenn die Beschwerden später als zwei Jahre nach der Primärimplantation eintreten.
7.2.2 Die periprothetische Lockerungsmembran Beide Formen der Prothesenlockerung können letztlich nur durch eine Revisionsoperation behandelt werden, bei der die alte Endoprothese entfernt und der Bereich zwischen altem Implantat und Knochen ausgeschabt wird, bevor eine neue Prothese eingesetzt wird (Bos, 2001). Sowohl bei der aseptischen als auch bei der septischen Prothesenlockerung hat sich ein unterschiedlich breiter Bindegewebssaum zwischen Knochen und Prothese gebildet, welcher als periprothetische Membran bezeichnet wird (Goldring et al., 1983). Dieses Gewebe wird im Rahmen der Wechseloperation zur histopathologischen Untersuchung übersandt und zeigt je nach Ätiologie unterschiedliche Veränderungen, die zur Klärung der Lockerungsursache herangezogen werden könnten. Von der periprothetischen Membran muss die sogenannte Neokapsel oder Neosynovialis abgegrenzt werden, welche sich um das künstliche Gelenk herum bildet. Diese besitzt zwar auch Kontakt zur Prothese, aber nicht zum Knochen, und ist daher nicht direkt für die Osteolysen verantwortlich (Abb. 7.1). Das Neokapselgewebe kann ebenfalls diagnostisch genutzt werden, da es mit dem periprothetischen Raum kommuniziert (Urban et al., 1994) und die histologischen Veränderungen bei einem Patienten in beiden Geweben ähnlich sind. Die klinische Diagnostik der Ursache der Endoprothesenlockerung ist jedoch unsicher und erfordert eine zuverlässige histologische Klärung, damit in Abhängigkeit von der Lockerungsursache ein adäquates Wechselregime gewählt werden kann. Zur Standardisierung der histopathologischen Diagnostik existiert eine Konsensus-Klassifikation,
Abb. 7.1: Radiologische Darstellung einer Totalendoprothese zum Ersatz des rechten Hüftgelenks. Das Gewebe im rot markierten Bereich zwischen Knochen und Prothese wird als periprothetische Membran bezeichnet. Im blau markierten Bereich befindet sich die Neosynovialis.
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7 Endoprothetik
Neosynovialis /periprothetische Membran Typ I Abrieb-Typ ѿ Fibrose Arthrofibrose abriebreduziert
Typ II Infektions-Typ
Typ III Misch-Typ
ѿ Lymphfollikel Implantat Allergie
Typ IV Indifferenz-Typ ѿ Fibrose Arthrofibrose nicht abriebreduziert
ѿ Ossifikation periprothetische Ossifikation
Abb. 7.2: Erweiterte Konsensusklassifikagtion nach Krenn (25). Schema zur histopathologischen Differentialdiagnostik der periprothetischen Membran bzw. Neosynovialis. Neben den vier Membrantypen (I abriebinduziert, II infektassoziiert, III Mischtyp, IV Indifferenztyp) lassen sich durch zusätzliche histomorphologische Charakteristika die Krankheitsbilder der Arthrofibrose (abriebinduziert bei Typ-I-Membran und Fibrose; nicht abriebinduziert bei Typ-IV-Membran und Fibrose), der Implantatallergie (Typ-I-Membran und noduläres lymphatisches Infiltrat) sowie der periprothetischen Ossifikation diagnostizieren.
die den Bedürfnissen der einsendenden Orthopäden und der Pathologen gleichermaßen gerecht wird (Abb. 7.2). Sie ist in der Routinediagnostik problemlos anwendbar und ermöglicht eine Unterscheidung der aseptischen und septischen Lockerung sowie eine genauere Charakterisierung eventuell vorhandener Abriebpartikel.
7.2.3 Arthrofibrose Eine weitere und mit etwa 10 % aller Prothesenträger betreffend häufige Komplikation ist die Arthrofibrose, definiert als eine überschießende, peri- oder intraartikuläre fibröse Reaktion auf den chirurgischen Eingriff (Gollwitzer et al., 2006; Abb. 7.3). Sie wird auch nach Kreuzbandplastiken beobachtet. Klinisch zeichnet sie sich durch eine Unbeweglichkeit und Schmerzhaftigkeit im Bereich des operativ versorgten Gelenkes aus. Klinisch wird zwischen einer primären und sekundären Arthrofibrose unterschieden. Die primäre Arthrofibrose stellt eine generalisierte Narbenbildung der gesamten Gelenkkapsel dar. Die sekundäre Arthrofibrose ist eine lokale, intraartikuläre Vernarbung zumeist als Folge einer anatomisch ungünstigen Kreuzband-Transplantat-Platzierung: Die chronische Einklemmung des dislozierten Kreuzbandes führt zu einer kugelförmigen Vernarbung des Sehnengewebes (Zyklops-Syndrom). Das Ausmaß der fibroblastären Reaktion mit Fibrose ist unterschiedlich ausgeprägt und variiert zwischen den geweblichen Veränderungen einer einfachen Vernarbung und zellreichen, proliferativen Läsionen, die denen einer Fibromatose der Palmaraponeurose ähneln.
7.3 Histologische Diagnostik der Endoprothesenlockerung
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Abb. 7.3: Operationssitus mit einer tumorartig imponierenden, partiell knöchernen periartikulären Fibrose (Pfeile).
7.3 Histologische Diagnostik der Endoprothesenlockerung (ICD-10: T84.0, T84.5) In älteren Publikationen wurde oft kein einheitlicher Begriff für das bei einem Endoprothesenwechsel entnommene periprothetische Gewebe verwendet. Ohne genauere Definition wurden Ausdrücke wie Granulationsgewebe, Lockerungsmembran, periprothetische Membran, Abriebmembran oder Neosynovialis verwendet, wobei manche Orthopäden und auch Pathologen mit der Bezeichnung „Lockerungsmembran“ implizieren wollten, dass kein Abriebmaterial vorhanden sei, während andere Mediziner den Begriff „Abriebmembran“ selbst dann benutzten, wenn kein Abriebmaterial vorhanden war (Gallo et al., 2002; Pizzoferrato et al., 1994). Um Missverständnissen vorzubeugen, sollten nur zwei Begriffe verwendet werden: „Neosynovialis“ bezeichnet die Kapsel um das künstliche Gelenk und „periprothetische Membran“ das Gewebe, das sich zwischen Implantat und Knochen gebildet hat (Morawietz et al., 2004). Beide Gewebe können routinemäßig zur histopathologischen Untersuchung übersandt werden, wobei die Neosynovialis im Rahmen einer präoperativen Arthroskopie bioptiert wird und der Befund möglicherweise auf das weitere operative Procedere Einfluss hat, während die periprothetische Membran nur im Rahmen der Endoprothesen-Wechseloperation entfernt werden kann und dann der Diagnosesicherung dient (Müller et al., 2008). Zur standardisierten Einteilung empfiehlt sich die nachfolgend dargestellte Konsensus-Klassifikation, welche sowohl auf die periprothetische Membran als auch auf Biopsate der Neosynovialis angewendet werden kann (Tab. 7.1). Es ist zu berücksichtigen, dass die Veränderungen sehr heterogen ausgeprägt sein können, weshalb bei kleinen Biopsaten mit einer erniedrigten Sensitivität zu rechnen ist. Bei größeren Gewebeproben lässt sich eine optimale Sensitivität erzielen, indem möglichst viel Gewebe eingebettet wird. Das Anfertigen von zumindest drei Paraffinblöcken ist empfehlenswert. Die Reproduzierbarkeit des Klassifikationssystems beträgt 95 % und der
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7 Endoprothetik
Tab. 7.1: Histologische Typen der periprothetischen Membran Typ I II III IV
Histologische Merkmale abriebinduziert infektiös Mischtyp Indifferenztyp
Makrophagen, multinukleäre Riesenzellen, Abriebpartikel mehr als 23 neutrophile Granulozyten in 10 HPF Kriterien von Typ I und Typ II sind erfüllt Narben- oder Granulationsgewebe, Kriterien von Typ I oder II nicht erfüllt
intraclass correlation coefficient ICC = 0,840, was die Anwendbarkeit dieses Systems in der Praxis unterstreicht (Morawietz et al., 2004).
7.3.1 Abriebinduzierter Typ (Typ I) ICD-10: T84.0 Dies ist der häufigste Typ der periprothetischen Membran. Der Lockerungsprozess wird hierbei durch den Abrieb von Prothesenpartikeln initiiert (Tab. 7.2). Dieser Abrieb wird von Makrophagen inkorporiert, die im periprothetischen Spalt verbleiben. Sie können Osteolysen des knöchernen Prothesenlagers bewirken, die wiederum von makrophagenreichem Bindegewebe ausgefüllt werden. Dadurch wird der feste Sitz der Prothese aufgehoben, es kommt zu schmerzhaften Mikroschwingungen und weiteres Abriebmaterial wird freigesetzt. Der abriebinduzierte Typ tritt bei etwa 70 % der gelockerten zementierten und bei etwa 50 % der gelockerten unzementierten Prothesen auf, sodass eine Zementierung als begünstigender Faktor einer abriebinduzierten Lockerung angesehen werden kann. Die durchschnittliche Prothesenstandzeit bis zum Auftreten einer abriebinduzierten Lockerung beträgt 12 Jahre (Morawietz et al., 2004). Diagnostische Kriterien: Das bindegewebige Grundgerüst der periprothetischen Membran ist dicht durchsetzt von Aggregaten aus Makrophagen und/oder multinukleären Riesenzellen (Abb. 7.4 a, b). Größere Abriebpartikel ab etwa 5 μm2 finden sich eher in multinukleären Riesenzellen, kleinere Partikel in Makrophagen (Hansen et al., 2002). Diese beiden Zellformen sollten zusammen mehr als 20 % der Fläche der Membran einnehmen. Finden sich nur sehr vereinzelte Makrophagen/Riesenzellen, so sollte die Diagnose eines Indifferenztyps (Typ IV, siehe unten) favorisiert werden. Vereinzelt finden sich auch Lymphozyten und Plasmazellen. Neutrophile Granulozyten sollten nicht zu erkennen sein, anderenfalls sind differentialdiagnostisch der infektiöse Typ oder der Mischtyp in Erwägung zu ziehen. Tab. 7.2: Merkmale des Abriebmaterials Material
Histologische Merkmale
Metall PMMA Kontrastmittel Polyethylen Keramik
klein, tiefschwarz, unrund groß, traubenförmig, meist herausgebrochen, Kontrastmittelpartikel klein bzw. traubenförmige Aggregate, grauschwarz, zentral heller, rund größenvariabel, hell, doppelbrechend, länglich, unregelmäßig größenvariabel, graubraun, eckig
7.3 Histologische Diagnostik der Endoprothesenlockerung
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Abb. 7.4: Periprothetische Membran vom abriebinduzierten Typ, bestehend aus a: dicht gelagerten Makrophagen (200x) oder b: zahlreichen multinukleären Riesenzellen (200x). c: Polyethylenabrieb zeigt bizarre längliche Formen und ist polarisationsoptisch doppelbrechend (200x). d: Metallabrieb manifestiert sich als staubartige, unregelmäßige, tiefschwarze Partikel (600x). e: PMMA-Knochenzement ist häufig aus großen Riesenzellen herausgebrochen (200x), darin finden sich noch traubenförmige Aggregate des untermischten Kontrastmittels (e). f: Isolierte Kontrastmittelpartikel ähneln Metallabrieb, sind jedoch gleichmäßiger, runder und heller (600x).
In Abhängigkeit von der Art der verwendeten Gleitpaarung unterscheiden sich die Abriebpartikel in Qualität, Quantität und Größe. Die Zahl der freigesetzten Partikel kann bei einer üblichen PE/Metallgleitpaarung sehr hoch sein (bis zu 500.000 Partikel pro Schritt).
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7 Endoprothetik
Histologische Charakterisierung des Abriebmaterials Polyethylenpartikel: Größere Polyethylenpartikel sind oft länglich, spangenartig und teilweise bizarr geformt. Bei oberflächlicher Betrachtung eines HE-Schnittes sind sie zunächst kaum zu erkennen und imponieren als optisch fast leere Lücken in multinukleären Riesenzellen. Sie zeigen einen hellen, leicht bunten Schimmer und können am einfachsten in der polarisationsoptischen Untersuchung anhand ihrer starken Doppelbrechung identifiziert werden (Abb. 7.4 c). Große Partikel können auch aus dem Gewebe herausgerissen sein. PE-Partikel können sehr klein ( 6 Wochen bis Jahre
chronische Osteitis/Osteomyelitis
Dauersuppressivtherapie
Jahre bis lebenslang
Infektionen mit Rezidivneigungen
Eliminations-/Suppressionstherapie
1 Woche bis 6 Monate
Sekundäre chronische Osteomyelitis (ICD 10: M86.69) Die typische Morphologie der chronischen Osteomyelitis besteht in einem lymphozyten/plasmazellulären entzündlichen Infiltrat und in der Markraumfibrose (Tab. 9.7). Besonders ausgeprägt ist die reaktive Knochenneubildung, welche den histopathologischen Befund dominieren kann (Abb. 9.3 und 9.4). Die reaktive Knochenneubildung ist gekennzeichnet durch irregulär konturierte Geflechtknochen-Formationen (polarisationsoptischer Nachweis von irregulär verlaufenden kollagenen Fibrillen) mit Fibrose und Markraumfibrose im präexistenten spongiösen Knochengewebe. Das entzündliche Infiltrat besteht aus Plasmazellen, Lymphozyten und Makrophagen. Der Anteil neutrophiler Granulozyten ist gering. Oft bestehten neben ausgedehnten chronischen osteomyelitischen Veränderungen kleinherdige granulozytäre Infiltrate. Bei einem Übergang einer akuten in eine chronische Osteomyelitis kann eine zonal aufgebaute Läsion entstehen: 1 (zentral) leukozytäres Infiltrat und Knochennekrosen, 2 angrenzendes Granulationsgewebe und 3 reaktive Geflechtknochenbildung.
Abb. 9.3: Sekundär chronische Osteomyelitis mit proliferativen ossären Veränderungen, reaktiver Geflechtknochenbildung und Markraumfibrose (HE, ca. 60-fach).
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9 Infektiöse Erkrankungen des Bewegungsapparates
Abb. 9.4: Sekundär chronische Osteomyelitis mit chronischer, plasmazellreicher Entzündung in den fibrosierten Markräumen (HE, ca. 120-fach).
Sonderformen der chronische Osteomyelitis Bei den sog. Sonderformen der chronische Osteomyelitiden ist die Pathogenese ungeklärt. Möglicherweise besteht eine transiente, minimale Infektion mit Induktion eines autoimmunologischen Prozesses. Der Pathomechanismus wäre somit mit der reaktiven, postinfektiösen Arthritis vergleichbar. Dies könnte erklären, wieso ein Keimnachweis nicht (sog. sterile Osteomyelitis) bzw. nur in seltenen Fällen gelingt und das Infiltrat einen prädominat lymphozytären Charakter aufweist. Markraumfibrose und reaktive Knochenneubildung ergänzen den histopathologischen Befund; neutrophile Granulozyten sind nicht bzw. kaum nachweisbar. Brodie-Abszess: Dieser Abszess ist eine Sonderform der chronischen Osteomyelitis mit Manifestation in den Metaphysen der langen Röhrenknochen. Es stellt sich ein zonaler Aufbau mit zentraler Einschmelzung, Bindegewebssaum und reaktiver Knochenneubildung dar. Plasmazelluläre Osteomyelitis: Diese ist ebenfalls an den Metaphysen der langen Röhrenknochen lokalisiert (Femur und Tibia). Es dominiert ein plasmazellreiches entzündliches Infiltrat mit ausgeprägter Fibrose und Knochenneubildung. Chronische rekurrente multifokale Osteomyelitis, CRMO (sklerosierende Osteomyelitis Garré): Diese Osteomyelitisform ist typischerweise eine Erkrankung des Kindesalter (Schilling, 1998). Sie ist in der Wirbelsäule und am Unterkiefer lokalisiert und durch Auftreibung und Schwellung des Knochens mit ausgeprägter Sklerose des Knochens charakterisiert. Beschrieben ist ein B- und T-Zell-reiches entzündliches Infiltrat mit Knochenmarkfibrose und Knochenneubildung (Girschick et al., 1999). Es besteht möglicherweise eine Überlappungen mit dem SAPHO-Syndrom (Synovialitis, Akne, Pustulosis der Haut, Hyperostose, Osteitis), bei diesem ist typischerweise Propionebacterium acne mikrobiologisch nachweisbar.
9.1 Osteitis/Osteomyelitis
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9.1.5 Histopathologische Differentialdiagnosen Maligne Erkrankungen Da bildgebende diagnostische Verfahren und die mikrobiologische Diagnostik bei Osteomyelitiden und insbesondere bei chronischen Osteomyelitiden oft keine definitive Einordnung ermöglichen, besteht die wesentliche Aufgabe der histopathologischen Diagnostik in einem vielfältigen Malignitätsausschluss (Tab. 9.8). Akute lokale Osteomyelitis: Ossäre Pseudozysten (z. B. solitäre Knochenzyste), EwingSarkom, nodale Lymphominfiltrate und Knochenmetastasen von Karzinomen. Chronische Osteomyelitis: Diffuse Lymphominfiltrate, diffuse Knochenmarkkarzinosen, das eosinophile Knochengranulom, die Langerhans-Zell-Histiozytose, die Lipoidgranulomatose (Morbus Erdheim-Chester) und die aseptische Knochennekrose (resorptives Stadium). Reaktionsmuster mit Ähnlichkeiten zu chronischen Osteomyelitiden: In Nachbarschaft von malignen Tumoren (insbesondere Knochenmetastasen) können gewebliche Reaktionsmuster vorliegen, welche Ähnlichkeiten mit einer chronischen Osteomyelitis aufweisen. Diese Reaktionsmuster umfassen: 1. reaktive Knochenneubildung, 2. Markraumfibrose und 3. lymphozytäre/makrophagenreiche entzündliche Infiltrate. Folglich ist es notwendig, den histopathologischen Befund mit den bildgebenden Befunden (z. B. Röntgen, CT, MRT) abzugleichen. Im histopathologischen Befund sollte bei einer unklaren Befundkonstellation diskutiert werden, ob möglicherweise nicht eine chronische Osteomyelitis, sondern eine gewebliche Reaktion in unmittelbarer Nachbarschaft eines malignen Tumors besteht. Der eigentliche pathologische Prozess kann somit bioptisch nicht erfasst worden sein und eine Rebiopsie ist erforderlich. Entzündliche, degenerative und vaskulär bedingte Erkrankungen Charcot-Arthropathie: Fehlende Proprio- und Nozizeption des Gelenkes führen insbesondere in den körpergewichttragenden Fußgelenken zu rezidivierenden Mikrofrakturen, welche mit Knochennekrose, Knochenumbau, Markraumfibrose und chronischer Entzündung verbunden sind (neuropathische Arthropathie bei Diabetes mellitus – sog. Charcot-Arthropathie). Diese Veränderungen sind somit nichtinfektös, können aber das histologische Bild einer sekundären chronischen Osteomyelitis imitieren. Pseudarthrose: Rezidivierende mechanische und ischämische Schädigungen des Kochen- und Knorpelgewebes führen zu Knochen- und Knorpelgewebsnekrosen mit repaTab. 9.8: Einteilung des Gelenkinfektes nach Drajer et al., 1994 Stadium
Beschreibung
Stadium 1
Gelenkempyem, Entzündung auf das Gelenkinnere, die Synovialis beschränkt
Stadium 2
Kapsel-Band-Phlegmone oder Panarthritis, entzündlicher Prozess hat auf die fibröse Gelenkkapsel übergegriffen Periartikuläre Weichteile können mitbetroffen sein
Stadium 3
Osteoarthritis: Keimdurchwanderung in den gelenkbildenden spongiösen Knochen
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9 Infektiöse Erkrankungen des Bewegungsapparates
Abb. 9.5: Pseudarthrose mit avitalem Knochen, reparativer Knorpelneubildung (Faserknorpel) und Fibrosierung (HE, ca. 30-fach).
rativer Geflechtknochen- und Knorpelneubildung (Faserknorpel), Fibrosierung (Abb. 9.5) und resorptiver, makrophagenreicher Entzündung. Aseptische Knochennekrose: Die Bezeichnung aseptische Knochennekrose betont die nichtinfektiöse Genese der Knochennekrose (im Gegensatz zur Knochennekrose im Rahmen einer sequestrierenden infektiösen Osteomyelitis). Aseptische Knochennekrosen sind an verschiedenen Stellen des Skelettsytems lokalisiert und tragen bei den sog. primären Knochennekrosen in Abhängigkeit der Lokalisation Eigennamen der Erstbeschreiber: Morbus Calvé (Vertebra plana), Morbus Perthes (Hüftkopfnekrose), Morbus Ahlbäck (Femorkondylennekrose), Morbus Köhler (Os naviculare pedis), Morbus Osgood-Schlatter (Tibiaapophyse). Ätiologische wird eine vaskuläre Genese im Sinne einer ischämischen Schädigung des Knochengewebes diskutiert. Aseptische Knochennekrosen können aber auch Folgeerscheinungen (sog. sekundäre Knochennekrosen) von chronischen Gelenkerkrankungen (beispielsweise hochgradiger Arthrose) und Langzeitmedikationen auftreten (cortisoninduzierte Nekrosen, Bisphosponat-Therapie). Hier ist ebenfalls von einer vaskulären Genese im Sinne einer Zirkulationsstörung auszugehen. Da aseptische Knochennekrose im Allgemeinen erst lange nach dem Eintreten der Nekrose operativ behandelt werden, liegt histopathologisch ein altes sog. resorptives Stadium der Knochennekrose vor: Dies zeichnet sich durch ein umschriebenes Areal einer reaktiven Knochenneubildung mit breiten, zumeist konfluenten Trabekeln aus (Abb. 9.6). Nekrotisches Gewebe ist dann nicht (mehr) nachweisbar. Typische weitere Veränderungen sind das Markraumödem, die Markraumfibrose, reaktive Knochenneubildung und geringradige Makrophagen-Lymphozyteninfiltrate; neutrophile Granulozyten sind nicht nachweisbar.
9.1.6 Spezifische Osteomyelitis Knochentuberkulose (ICD 10: A18.0): Die hämatogene Tuberkulose stellt die häufigste Form der sog. spezifischen Osteomyelitiden dar. Die Histologie entspricht der typischen granulomatösen Epitheloidzellreaktion. Mit Ausnahme der an das Granulom an-
9.1 Osteitis/Osteomyelitis
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Abb. 9.6: Aseptische Knochennekrose: altes, sog. resorptives Stadium der Knochennekrose mit reaktiver Knochenneubildung, bestehend aus verbreiterten konfluenten Trabekeln mit Markraumödem und Markraumfibrose (HE, ca. 15-fach).
grenzenden reaktiven Knochenneubildung bestehen keine Unterschiede zu Granulomen in anderer Lokalisation. Die häufigste Streuquelle einer hämatogenen Aussaat stellt die Lunge dar. Am häufigsten betroffen sind Wirbelsäule (Spondylitis tuberculosa), Hand- und Fußskelett. Bei der Spondylitis tuberculosa werden typischerweise zwei benachbarte Wirbelkörper befallen. Bei chronifiziertem Verlauf entwickelt sich ein Senkungsabszess mit der Komplikation einer Rückenmarkskompression (sog. Spondylitis tuberkulosa). Aktuell erfährt diese Erkrankungsbild durch multiresistente Mykobakterien und durch AIDS eine erneute Bedeutung. Brucellose: Die häufigste Manifestation stellen Spondylitiden dar. Histopathologisch besteht eine kleinherdige, epitheloidzellige, granulomatöse Entzündung mit perifokaler reaktiver Knochenneubildung, es sind auch makrophagenreiche entzündliche Infiltrate in den Markräumen beschrieben (Abd El Bagi et al., 1999). Salmonellose: Eine schwerwiegende Komplikation einer Salmonelleninfektion stellt die Osteomyelitis dar, diese ist am häufigsten in den Wirbelkörpern lokalisiert (Abd El Bagi et al., 1999). Pilzinfektion: Die wichtigsten Vertreter der Pilzinfektion sind die ossäre Candidose und die ossäre Aspergillose. Im Vordergrund stehen Nekrosen, granulomatöse Epitheloidzellreaktionen sowie perifokale reaktive Knochenneubildungen (Abd El Bagi et al., 1999). Parasitosen: Der Befall des Knochens durch Echinococcus alveolaris ist selten. Typischerweise finden sich Absiedelungen im Becken und in der Wirbelsäule (Abd El Bagi et al., 1999).
9.1.7 Therapie Ziele der Behandlung sind: – die Infektberuhigung – der Erhalt oder die Wiederherstellung eines tragfähigen Knochens
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9 Infektiöse Erkrankungen des Bewegungsapparates
– der Erhalt oder die Wiederherstellung eines suffizienten Weichteilmantels – der Erhalt oder die Wiederherstellung eines funktionsfähigen Skelettsystems – der Erhalt oder die Wiederherstellung einer akzeptablen Lebensqualität. In den letzten Jahren hat sich der Begriff Infektberuhigung gegenüber dem Terminus Infekteradikation durchgesetzt. Dies ist dem Umstand zuzuschreiben, dass auch nach konsequenter Behandlung und reiz-/infektfreier Situation die Möglichkeit besteht, dass Infekterreger persistieren, die manchmal nach Jahren eine Osteitis wieder anfachen können. Die chirurgische Therapie der Knochen- und Weichteilinfektion basiert auf fünf Prinzipien: – – – – –
chirurgische Sanierung des Infektherdes am Knochen chirurgische Sanierung des Infektherdes an den umgebenden Weichteilen Stabilisierung des Knochens Rekonstruktion des Weichteilmantels Rekonstruktion des Knochens.
Die chirurgische Infektsanierung an Knochen und Weichteilen stellt eine therapeutische Einheit dar. Parallel zur Sanierung des Infektherdes muss mechanische Stabilität der befallenen Knochen erzielt werden. Die Infektsanierung wirft verschiedene Probleme auf: Umgang mit einliegendem Osteosynthesematerial Hier haben sich durchgesetzt: Akuter Infekt plus suffiziente Osteosynthese: Entfernung der Osteosynthese, konsequentes Debridement des Implantatlagers, Wiedereinbringen der Osteosynthese. Die ausschließliche mechanische Reinigung des „alten“ Osteosynthesematerials und dessen Wiederverwendung ist nicht sinnvoll, weil hier mit einer Keimpersistenz zu rechnen ist (Bioschleimproblematik). Die Arbeiten von Arens et al., (1996) und Costerton et al. (1999) zeigten bereits in den 1990er-Jahren, dass einmal keimbesiedeltes Osteosynthesematerial einerseits nicht keimfrei in situ belassen, andererseits eine Keimfreiheit durch die Langzeiteinwirkung von Desinfektionsmitteln nicht erreicht werden kann. Akuter Infekt plus insuffiziente Osteosynthese: Entfernung der Osteosynthese, konsequentes Debridement des Implantatlagers, Stabilisierung mittels Fixateur externe. Chronischer Infekt: Generelle Entfernung der Osteosynthese, konsequentes Debridement, Stabilisierung mittels Fixateur externe. Häufigkeit der Revisionseingriffe Hier existieren verschiedene Modelle: Etappen- oder programmierte Lavage: Wundrevisionen im festen Zeitabstand ca. alle 48 bis 72 h. Ziel: Keimnachweis in der Wunde nicht mehr möglich (Diefenbeck und Hofmann, 2003). Individuelles Lavage-Konzept: Revisionshäufigkeit richtet sich nach Klinik und Paraklinik. Ziel: klinische und paraklinische Infektberuhigung. Zeitfenster zwischen den einzelnen Eingriffen ca. 5 bis 7 Tage.
9.1 Osteitis/Osteomyelitis
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Einsatz der Jetlavage: Diese hydromechanische Reinigungsmethode des Situs kommt nach dem chirurgischen Debridement zum Einsatz und soll zu einer weiteren Verminderung der Keimzahl führen (Dilution). Obwohl standardmäßig gebraucht, ist die Anwendung durchaus nicht unumstritten (Problematik der Keimverschleppung in den frisch eröffneten spongiösen Knochen, Problematik der Osteoblastenschädigung durch Drücke > 500 kPa) (Hofmann, 2004). Wahl der korrekten Spüllösung: Bei der Jetlavage wird ausschließlich physiologische Kochsalzlösung benutzt. Auf die spezifischen Gefahren spezieller desinfizierender Lösungen wurde in der Literatur in den letzten Jahren nachhaltig verwiesen (Hirsch et al., 2009; Kachn und Eberlein, 2009; Müller und Kramer, 2008). Für die Rekonstruktion der Weichteile steht in Abhängigkeit von der Lokalsituation die ganze Breite der plastischen Defektdeckungsmöglichkeiten zur Verfügung, beginnend bei der Meshgraft-Deckung bis hin zu freien myokutanen Lappen mit mikrovaskulären Anastomosen. Die Rekonstruktion der Knochen erfolgt in der Regel nach der der Weichteile, da der suffiziente Weichteilmantel mit einem guten Regeneratlager Voraussetzung für die erfolgreiche Knochenrekonstruktion ist. Ein sog. offener Transport ist heute die Ausnahme in Ultima-Ratio-Situationen. Als Faustregel für die Methode der Rekonstruktion kann (bei mechanischer Stabilität) Folgendes gelten: – Defekt bis zu 3–4 cm: Spongiosaplastik – Defekt größer: Segmenttransport (Verschiebung eines Knochensegmentes in den Knochendefekt. Verschluss des Defektes und Osteoneogenese in der Distraktionszone). Analog der Weichteilrekonstruktion muss der behandelnde Chirurg auch hier über ausreichende Erfahrungen im Umgang mit den einzelnen Methoden verfügen. Die Applikation von Antibiotika (lokal und systemisch) stellt eine adjuvante Therapie dar. Lokale Antibiotika: Ihre Anwendung (z. B. PMMA-Ketten oder Antibiotika-Vliese) steht unverändert in der Diskussion. Systemische Antibiotika: Ebenso wie die lokale Antibiotika-Applikation richtet sie sich nach den Erregern. Entscheidend dafür ist der korrekte Erregernachweis (s. o.). Von wesentlicher Bedeutung ist die Dauer der Antibiotikagabe. Hofmann (2004) ordnete die Dauer der Antibiotikatherapie spezifischen Indikationen und Strategien zu (Tab. 9.9). Weitere adjuvante Verfahren sind z. B. die hyperbare Sauerstofftherapie oder die gezielte Applikation von Vitaminen und Spurenelementen (Tiemann et al., 2008).
9.1.8 Fazit Infektionen des Knochens und der umgebenden Weichteile sind schwerwiegende Erkrankungen. Die Diagnosestellung ist aufgrund der nicht immer einheitlichen Symptomatik oftmals schwierig. Die Diagnostik basiert auf einem präoperativen (Anamnese, Labor, Bildgebung) und einem intraoperativen (Mikrobiologie, Histologie) Part. Die Behandlung umfasst die chirurgische Fokussanierung und die adjuvante Gabe von Antibiotika; ggf. sind weitere adjuvante Maßnahmen zu prüfen. Die fundierte Kenntnis der
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9 Infektiöse Erkrankungen des Bewegungsapparates
Tab. 9.9: Klinische Einteilung des Geleninfektes nach Kuner (Kriegsmann et al., 2009) Stadium
Bezeichnung
Symptome
Stadium 1
purulente Synovialitis
Schwellung über dem Gelenk, Haut gerötet, glänzend, überwärmt, Ergussbildung, Schonhaltung
Stadium 2
Gelenkempyem
zusätzlich periartikuläre Schwellung und Rötung, starke spontane Schmerzhaftigkeit, Druckdolenz über der Kapsel, Entlastungsstellung in Beugung, Fieber
Stadium 3
Panarthritis
massive Weichteilschwellung, prall gespannte, glänzende Haut, extreme Schmerzhaftigkeit, septische Temperaturen, Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes
Stadium 4
chronische Arthritis
geringe Entzündungszeichen, Deformierung und diffuse Schwellung des Gelenkes, Fistelbildung oder starke Vernarbung, schmerzhafte Instabilität, starke funktionelle Behinderung
rekonstruktiven Maßnahmen an Knochen und Weichteilen und ihrer Durchführbarkeit in der entsprechenden Abteilung sind Grundvoraussetzung für den Therapiebeginn.
9.2 Gelenkinfektionen (ICD 10: M00.99) 9.2.1 Definition Bei der infektiösen Arthritis handelt es sich um eine erregerinduzierte Infektion des Gelenkes. Als Erreger kommen Bakterien, Viren, Pilze und auch Parasiten in Betracht. Je nach Ausdehnung der Erkrankung (zeitlich und räumlich) werden neben der Synovia zunächst sämtliche unmittelbar dem Gelenk zuzuordnenden anatomischen Strukturen (sog. innere Gelenkanteile), dann die angrenzenden Knochen und Weichteile in die Infektion mit einbezogen. Synonym für den Terminus der infektiösen Arthritis werden folgende Begriffe benutzt: septische oder eitrige Arthritis, Pyarthrose, Gelenkinfektion.
9.2.2 Klassifikation Die Einteilung infektiöser Gelenkerkrankungen wird in der Literatur unterschiedlich vorgenommen. Grundsätzlich kann die Unterscheidung erfolgen nach: – – – – – –
dem Infektionsweg der Akuität dem auslösenden Erreger dem pathologisch/anatomischen Erscheinungsbild dem klinischen Bild dem intraoperativen/radiologischen klinischen Befund.
Einteilung nach dem Infektionsweg Primäre/exogenen Gelenkinfektion: Die Erreger dringen von außen in das Gelenk ein (z. B. posttraumatisch, postoperativ oder nach diagnostischen Maßnahmen).
9.2 Gelenkinfektionen
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Sekundäre/endogene Gelenkinfektion: Die Erreger gelangen durch eine endogene Streuung über die Blutbahn in die Gelenke. Einteilung nach der Akuität (Schneider et al., 1996) Frühinfekt: Der Zeitraum zwischen dem Auftreten von Symptomen und dem ursächlichen Ereignis ist kleiner als sechs Wochen. Spätinfekt: Der Zeitraum ist größer als sechs Wochen. Einteilung nach dem auslösenden Erreger Battmann und Jürgens (2004) unterschieden virale und bakterielle Arthritiden von sog. Sonderformen (z. B. Gonokokkenarthritis, granulomatöse Arthritis, Pilzarthritis). Synonym können in diesem Zusammenhang die Begriffe spezifische und unspezifische Gelenkinfektion verwendet werden. Einteilung nach dem pathologisch/anatomischen Bild Hier handelt es sich um die Einteilung nach Draijer et al. (1994). Die Stadien definieren sich nach den beteiligten anatomischen Strukturen im und um das betroffene Gelenk (Tab. 9.10). Einteilung nach dem klinischen Bild Kuner et al. (1987) beschrieben die Stadien des Gelenkinfektes anhand der kritischen Analyse des klinischen Erscheinungsbildes (Tab. 9.11). Einteilung nach dem intraoperativen/(radiologischen) Befund Hier hat sich die Einteilung nach Gächter (1984) durchgesetzt, die dem Gelenkinfekt in Abhängigkeit von seiner Ausprägung vier Stadien zuordnet (Tab. 9.12). Diese EinteiTab. 9.10: Stadieneinteilung des Gelenkinfektes nach Gächter (1984) Stadium
Symptome
Stadium 1
trübe Synovia Rötung der Synovialmembran mögliche petechiale Blutungen keine radiologischen Veränderungen
Stadium 2
schwere Entzündung mit Fibrinablagerungen Pus keine radiologischen Veränderungen
Stadium 3
Verdickung der Synovialmembran Kompartmentformation keine radiologischen Veränderungen
Stadium 4
maligner Pannus knöcherne Erosionen radiologisch subchondrale Osteolysen
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9 Infektiöse Erkrankungen des Bewegungsapparates
Tab. 9.11: Infektkorrelate in der radiologischen Diagnostik beim Gelenkinfekt Verfahren
Infektkorrelat
Projektionsradiografie
Frühveränderungen ● Gelenkspalterweiterung/Gelenkerguss ● juxtaartikuläre Osteoporose/Osteopenie Spätveränderungen ● Gelenkspaltverschmälerung (chron. Infekt) ● Defekte in den Gelenkflächen ● sek. Arthrose/Gelenkdestruktion/Gelenkfehlstellung
CT
Gelenkerguss subchondrale Osteopenie subchondrale Erosionen
MRT
Gelenkerguss Synovialisverdickung Knorpelulzera Begleitödem
lung ist von großem Nutzen in der klinischen Praxis, da sich aus ihr, insbesondere mit der Modifikationen nach Schmidt et al. (2011), Handlungsempfehlungen für die Therapie ableiten lassen.
9.2.3 Inzidenz Insgesamt gesehen sind Gelenkinfektionen selten. Grundsätzlich können alle Gelenke befallen sein. Sekundäre, endogene Gelenkinfektionen treten mit einer Häufigkeit von 2 bis 10 Fällen/100.000 Einwohner auf. Primäre, exogene Gelenkinfektionen finden sich beispielsweise in 0,003 bis 0,34 % nach intraartikulären Injektionen. Der Zusatz von Kortikosteroiden steigert die Infektrate (Ganzer et al., 2001; Pioro und Mandell, 1997). Nach Arthroskopien wird die Häufigkeit von Gelenkinfektionen in der Literatur zwischen 0,04 und 0,42 % angegeben (Armstrong etval., 1992). Nach offenen Gelenkeingriffen beträgt das Risiko zwischen 0,02 und 0,08 % (Rüter et al., 1995). Die Mortalität bei Gelenkinfektionen ist überraschend hoch und beläuft sich auf bis zu 10 % (Gupta et al., 2001).
9.2.4 Diagnostik Gelenkinfektionen sind in ihren klinischen Erscheinungsformen vielfältig und können diagnostische und differentialdiagnostische Schwierigkeiten bereiten (Schnettler und Steinau, 2004). Nach Mathews et al. (2007) wird der „Goldstandard“ in der Diagnose des Gelenkinfektes durch den Erfahrungshorizont des behandelnden Arztes definiert. Die Diagnostik umfasst analog zum Knocheninfekt die Anamnese, die klinische Untersuchung, die Analyse der Laborparameter und natürlich die Bildgebung (Röntgen, CT, MRT, Sonografie). Einen wesentlichen Stellenwert in der Diagnostik nimmt beim Gelenkinfekt die Punktion ein. Sie hat imperativ unter sterilen Kautelen zu erfolgen.
offene Revision 10–20 l Spl. 14 Tage Antibiotikum
5 Tage
ASK Splg. 10–20 l Spl.
Antibiotikum
7 Tage
offene Revision 10–20 l Spl. 14 Tage Antibiotikum
offene Revision 10–20 l Spl.
14 Tage Antibiotikum
Stadium 2 Synovialitis
Fibrinbeläge
Eiter
Stadium 3 Zottenbildung hypertrophe Synovialitis Knorpel angegriffen „Synovialisschwamm“
Stadium 4 radiolog. Gelenkdestruktion „Synovialismalignität“
14 Tage Antibiotikum
offene Revision 10–20 l Spl.
offene Revision 10–20 l Spl. 14 Tage Antibiotikum
14 Tage Antibiotikum
offene Revision 10–20 l Spl.
14 Tage Antibiotikum
offene Revision 10–20 l Spl.
ASK Splg: arthroskopische Spülung; ASK: Arthroskopie; Spl.: Spül-Lösung
offene Revision 10–20 l Spl. 14 Tage Antibiotikum
1× ASK ggf. sofort umsteigen
Antibiotikum
infiziertes Hämarthros Synoviarötung petechiale Einblutungen
1× ASK ggf. sofort umsteigen
ASK Splg. 10–20 l Spl.
14 Tage Antibiotikum
offene Revision 10–20 l Spl.
offene Revision 10–20 l Spl. 14 Tage Antibiotikum
7 Tage
Antibiotikum
ASK Splg. 10–20 l Spl.
5 Tage
Antibiotikum
ASK Splg. 10–20 l Spl.
A Weichteile
V3 = offene Revision
V1 = keine
V2 = ASK
Infektausdehnung
Vorbehandlung
Stadium 1 trüber Erguss
Stadium nach Gächter
14 Tage Antibiotikum
offene Revision 10–20 l Spl.
offene Revision 10–20 l Spl. 14 Tage Antibiotikum
7 Tage
Antibiotikum
ASK Splg. 10–20 l Spl.
5 Tage
Antibiotikum
ASK Splg. 10–20 l Spl.
B nur Gelenk
14 Tage Antibiotikum
offene Revision 10–20 l Spl.
offene Revision 10–20 l Spl. 14 Tage Antibiotikum
14 Tage Antibiotikum
offene Revision 10–20 l Spl.
14 Tage Antibiotikum
offene Revision 10–20 l Spl.
C gelenknaher Knochen
Tab. 9.12: Stadiengerechtes Vorgehen beim Gelenkinfekt nach Gächter (1984), modifiziert nach Schmidt et al. (2011)
14 Tage Antibiotikum
offene Revision 10–20 l Spl.
offene Revision 10–20 l Spl. 14 Tage Antibiotikum
14 Tage Antibiotikum
offene Revision 10–20 l Spl.
14 Tage Antibiotikum
offene Revision 10–20 l Spl.
D Gelenk + gel. Knochen
9.2 Gelenkinfektionen
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9 Infektiöse Erkrankungen des Bewegungsapparates
Die Vorbereitung des Gelenkes zur Punktion entspricht der einer Operation (Op.-FeldDesinfektion, steriles Abdecken). Wesentlich ist, der Tatsache Rechnung zu zollen, dass auch bei einem sicher diagnostizierten Gelenkinfekt im Punktat nicht in jedem Fall ein Keimnachweis zu führen ist. In bis zu 50 % der Fälle erzielt man ein falsch negatives Ergebnis (Weston et al., 1999). Die typischen Entzündungszeichen sind (außer beim hochakuten Infekt) oftmals laviert und nicht immer sind sie alle nachweisbar. Hinzu kommt, dass die Symptome nicht pathognomonisch für die infektiöse Arthritis sind und ebenso bei anderen, nicht erregerinduzierten Arthritiden zu finden sind. Etwas eindeutiger ist die Sachlage beim postoperativen Gelenkinfekt. Hier sind regelhaft Zeichen der Entzündung an den operativen Zugängen zu finden, oftmals besteht eine Sekretion. Fieber ist häufig, aber nicht immer anzutreffen. Die großen Gelenke sind vorzugsweise im Sinne einer Monarthritis betroffen. In bis zu 22 % der Fälle findet sich jedoch primär eine Polyarthritis (Dubost et al., 1993). Der ausgeprägte Weichteilmantel an Schulter und Hüfte macht den frühzeitigen klinischen Nachweis eines Gelenkinfektes schwierig, dass dieser die Symptome vergleichsweise lange coupieren kann. Die frühestmögliche Diagnose eines Gelenkinfektes ist die Grundlage für eine konsequente, erfolgversprechende Therapie mit der Chance, das Gelenk zu erhalten. Der akute Gelenkinfekt ist ein Notfall, der keinen Therapieaufschub duldet. Die Analyse der paraklinischen Parameter entspricht denen der Knocheninfektionen. Auch hier ist neben den absoluten Werten der Verlauf von CRP und Leukozytenzahl von Belang. Analog der Knocheninfektion spielt auch die radiologische Diagnostik eine wesentliche Rolle. Hier wie dort stellt die Projektionsradiografie die Basisuntersuchung dar. Auch hier fehlen in der Frühphase des Infektes typische radiologische Zeichen. Einzig die Verbreiterung des Gelenkspaltes kann ein Indiz für eine vermehrte Flüssigkeitsansammelung intaartikulär infolge eines Infektes sein. Bei der Schnittbilddiagnostik steht die Kernspintomografie im Vordergrund (Tab. 9.13). Sie ist das sensitivste Verfahren zur Darstellung von Frühveränderungen beim Gelenkinfekt. Die Sonografie dient Tab. 9.13: Anatomische Einteilung der Haut-/Weichteilinfektionen, modifiziert nach Kujath (2000) Betroffene anatomische Struktur
Erkrankung
Auslösender Faktor
Lokalisation
Epidermis
Impetigo Ekthyma Erysipel Follikulitis
Bakterien, Viren, Hefen, Dermatophyten, Parasiten
oberflächlich
Dermis/Korium
Furunkel Karbunkel Phlegmone Abszess
z. B. nosokomiale subkutane Infektionen
oberflächlich
Subkutis
Panniculitis nekrotis. Fazititis
Muskel
nekrotis. Fazititis Myositis
oberflächlich/tief z. B. Streptokokken
tief
9.2 Gelenkinfektionen
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Abb. 9.7: Bakterielle, eitrige Synovialitis mit dichter granulozytenreicher Infiltration (CD15-positive Granulozyten; indirekte Immunhistochemie, ca. 60-fach)
zur gezielten Gelenkpunktion, der Darstellung und Beurteilung von Weichteil- und Kapselschwellung ebenso wie zum Nachweis extraartikulärer Flüssigkeitsverhalte. Ebenso kann ein vorhandener Gelenkerguss beurteilt werden. Histopathologische Kriterien Es besteht in der Synovialmembran (sog. bakterielle, eitrige Synovialitis) eine dichter granulozytenreiche Infiltration mit Deckzellschichtulzerationen, Nekrosen und Fibrinauflagerungen sowie Mikroabszessausbildungen (Abb. 9.7). Da histopathologisch eine akute Gicht-Arthropathie/Synovialitis ebenfalls einen sehr hohen Granulozytenanteil aufweisen kann, sollten intrasynoviale Gichttophi ausgeschlossen werden. Da Gichttophi bei der akuten Gicht im Gegensatz zu der chronischen tophösen Gicht nur fokal entwickelt sind, kann eine Stufenaufarbeitung erforderlich sein.
9.2.5 Therapie Die Behandlung des Gelenkinfektes stützt sich auf die chirurgische Sanierung und die adjuvante Therapie. Hierbei werden folgende Ziele verfolgt: 1. primäres Ziel: Erhalt/ Wiederherstellung eines funktionsfähigen, belastbaren Gelenkes; 2. sekundäres Ziel: Infektberuhigung und Vorbereitung eines Gelenkes für eine Arthroplastik; 3. tertiäres Ziel: Infektberuhigung und Vorbereitung einen Gelenkes für eine Arthrodese. Die chirurgische Sanierung wurde und wird klassischerweise mittels offener Arthrotomie und konsequentem Debridement „Synovektomie“ durchgeführt. Arthroskopische Techniken mit ihrem minimalinvasiven Vorgehen rücken jedoch in den letzten Jahren immer weiter in den Vordergrund. In der Literatur zeigen diese Techniken exzellente Ergebnisse. Im Vergleich zur Arthrotomie mit subtotaler Synovektomie konnten durch das arthroskopische Debridement bessere funktionelle Ergebnisse erzielt werden (Wirzt et al., 2001). Im eigenen Vorgehen wird die Indikation zur offenen oder arthroskopischen Technik anhand einer Modifikation der Einteilung nach Gächter, basierend auf den Erkenntnissen von Schmidt gestellt (Bühler et al., 2003) (Tab. 9.14).
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9 Infektiöse Erkrankungen des Bewegungsapparates
Tab. 9.14: Einteilung der Haut-/Weichteilinfektionen nach chirurgischer Dringlichkeit Schweregrad der Infektion
Entität
aufgeschobene Dringlichkeit
Furunkel Impetigo begrenzte Phlegmone Erysipel
dringliche Versorgung
Panaritium Abszess Phlegmone eitrige Bursitis
Notfall
nekrotisierende Fasziitis Gasbrand nekrotisierende Mischinfektion
Die Vorteile der arthroskopischen Gelenkrevision liegen auf der Hand: – – – –
minimalinvasive und somit minimal traumatisierende Technik sehr gute Darstellbarkeit der anatomischen Strukturen schnellere Rekonvaleszenz nach dem Eingriff bessere funktionelle Ergebnisse.
Die Arthroskopie hat immer dann ihre Grenzen, wenn der Infekt das eigentliche Gelenk überschreitet und wenn sich der Infekt in arthroskopisch schlecht oder nicht erreichbaren Gelenkabschnitten befindet. Die Gelenklavage geschieht sowohl beim offenen als auch beim arthroskopischen Vorgehen mit physiologischer Kochsalzlösung (im eigenen Vorgehen nicht unter 10 l). Für die antiseptischen Lösungen gilt das bereits bei den Knocheninfektionen Gesagte. Die Anwendung von Saug-Spül-Drainagen gilt heute allgemein als obsolet. Das Einbringen von Antibiotika-Vliesen in die betroffenen Gelenke wird in der Literatur unterschiedlich bewertet. Während einige Autoren dieses Vorgehen empfehlen, warnen andere vor dem Auftreten einer chemisch induzierten Synovitis (Attmannspacher et al., 2002; Van Huyssteen und Bracey, 1999). Die systemische Antibiotikatherapie gehört, wie bei den Knocheninfektionen, zu den adjuvanten Maßnahmen und unterstützt das chirurgische Management. Die postoperative Verlaufsbeobachtung stützt sich auf die engmaschige Kontrolle von Klinik und paraklinischen Parametern. Der Zeitpunkt für evtl. notwendige Revisionen wird in der Literatur unterschiedlich angegeben. Einige Autoren machen ihn abhängig von Klinik, Paraklinik und mikrobiologischem Ergebnis (Hendrich et al., 2004). Im eigenen Vorgehen führen wir nach etwa einer Woche einen geplanten Revisionseingriff durch. Danach wird das Vorgehen ebenfalls durch die o. g. Parameter bestimmt.
9.2.6 Nachbehandlung und Rehabilitation Analog zur nichtseptischen Gelenkchirurgie hat die frühfunktionelle Behandlung unter ausreichender Analgetikagabe einen sehr hohen Stellenwert. Sie inkludiert physiotherapeutische Maßnahmen mit aktiver und passiver Bewegung des betroffenen Gelenkes
9.3 Weichteilinfektionen
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ebenso wie den Einsatz von Bewegungsschienen. Nur dadurch kann die Funktion des Gelenkes erhalten werden. Im eigenen Vorgehen beginnt die funktionelle Behandlung am Tag nach der Operation.
9.2.7 Fazit Infektionen der Gelenke bedürfen einer konsequenten und zügigen Therapie. Der akute Gelenkinfekt ist ein Notfall. Die Symptomatik ist oftmals laviert. Die Therapie setzt sich aus chirurgischen und adjuvanten Maßnahmen zusammen. Die Behandlung muss stadiengerecht erfolgen. Die frühestmögliche postoperative Physiotherapie ist eine conditio sine qua non.
9.3 Weichteilinfektionen 9.3.1 Definition Der Terminus Weichteilinfektion ist ein Sammelbegriff. Hierunter werden erregerinduzierte Infektionen des gesamten Hautinteguments inklusive der Subkutis, der Muskulatur und der Muskelfaszien subsumiert. Insofern ist es unmöglich, einheitliche klinische Erscheinungsformen zu definieren.
9.3.2 Klassifikation Die Einteilung richtet sich nach unterschiedlichen Gesichtspunkten. Grundsätzlich sind folgende Untergliederungen möglich: – Einteilung nach den beteiligten anatomischen Strukturen (Tab. 9.15) – Einteilung nach den auslösenden Erregern – Einteilung nach der Akuität (Tab. 9.16) Tab. 9.15: Anatomische Einteilung der Haut-Weichteilinfektionen modifiziert nach Kujath (2000) Betroffene anatomische Struktur
Erkrankung
auslösender Faktor
Lokalisation
Epidermis
Impetigo Ekthyma Erysipel Follikulitis
Bakterien, Viren, Hefen, Dermatophyten, Parasiten
oberflächlich
Dermis / Corium
Furunkel Karbunkel Phlegmone Abszess
z. B. nosokomiale subkutane Infektionen
oberflächlich
Subcutis
Panniculitis nekrotis. Fazititis
Muskel
nekrotis. Fazititis Myositis
oberflächlich/tief z. B. Streptokokken
tief
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9 Infektiöse Erkrankungen des Bewegungsapparates
Tab. 9.16: Einteilung der Haut – Weichteilinfektionen nach chirurgischer Dringlichkeit Schweregrad der Infektion
Entität
aufgeschobene Dringlichkeit
Furunkel Impetigo begrenzte Phlegmone Erysipel
dringliche Versorgung
Panaritium Abszess Phlegmone eitrige Bursitis
Notfall
nekrotisierende Fasziitis Gasbrand nekrotisierende Mischinfektion
– Einteilung nach dem Ausmaß der Infektion (Kujat, 2000): Typ I: größere chirurgische Interventionen notwendig Typ II: Infektion erfasst tiefere Gewebsschichten Typ III: schwere Grundkrankheit, die Therapie erschwert. Insbesondere die Einteilung der Weichteilinfektionen nach Akuität sowie nach dem Ausmaß der Infektion haben therapeutische Relevanz, da sich aus den vorgegebenen Stadien Handlungshinweise ableiten lassen.
9.3.3 Erregerausbreitung Die Ausbreitung der Erreger in den Weichteilen kann auf verschiedene Arten vor sich gehen. Man unterscheidet (Jeschke und Nerlich, 2003): – – – – –
Erregerausbreitung Erregerausbreitung Erregerausbreitung Erregerausbreitung Erregerausbreitung
per continuitatem per contiguitatem intrakanalikulär (z. B. in den Lymphbahnen) hämatogen lymphogen.
Insbesondere in der postoperativen Phase können spezifische Situationen auftreten, welche die Entstehung von Haut-/Weichteilinfektionen begünstigen können (Jeschke und Nerlich, 2003): – – – – – –
mangelndes Rohstoffangebot (z. B. bei konsumierenden Erkrankungen) Veränderungen der Blutzusammensetzung verminderte Perfusion nicht optimale Naht-Technik Serome/Hämatome Medikamente wie Immunssppressiva, Kortikosteroide u. a.
Vereinfachend kann man auch von nichtnekrotisierenden und nekrotisierenden Weichteilinfektionen sprechen.
9.3 Weichteilinfektionen
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9.3.3.1 Nichtnekrotisierende Weichteilinfektionen Erysipel (ICD 10: A46) Klinik: Scharf begrenztes, z. T. erhabenes, oft „feuerrotes“ Erythem. Häufig mit einer Lymphangitis und schwerem Krankheitsgefühl kombiniert. Häufigster Erreger: Beta-hämolysierende Streptokokken. Therapie: Hochdosierte Antibiotikatherapie über einen ausreichenden Zeitraum. Phlegmone (ICD 10: L03.9) Klinik: Unscharf begrenztes, blaurotes, deutlich erhabenes, teigiges Erythem. Als Komplikation ist eine Abszedierung möglich. Histopathologie: Die Phlegmone sind durch eine diffuse Infiltration des Weichgewebes durch Granulozyten definiert. Im Weichgewebe finden sich Fibrinpräzipitate und Nekrosen. Die Granulozyten liegen dicht gelagert und zeigen eine verplumpte, pyknotische Chromatintextur als Zeichen der Granulozytenapoptose (Keimphagozytose). Therapie: Hochdosierte Antibiotikatherapie über einen ausreichenden Zeitraum.
9.3.3.2 Nekrotisierende Weichteilinfektionen Abszess (ICD 10: L02.9) Histopathologische Kriterien: Gewissermaßen als Gegensatz zu den Phlegmonen ist der Abszess definiert: fokale Ansammlung von Granulozyten in einem zumeist durch nekrotische Einschmelzung entstandenen Hohlraum. Typischerweise ist in den peripheren Gewebsabschnitten eine sog. Abszess-Membran nachweisbar. Diese besteht aus Granulationsgewebe. Bei prolongierten Verläufen nimmt der Kollagenfasergehalt und somit die Konsistenz zu. Ätiologisch liegen für Abszess und Phlegmone sog. pyogene Keime zugrunde, Phlegmone werden hauptsächlich durch Streptokokken verursacht. Gangräneszierende Entzündung (ICD 10: R02) Histopathologische Kriterien: Die bakterielle Infektion von nekrotischen Geweben führt zur gangräneszierenden Entzündung. Diese Entzündungsform besteht somit aus einem entzündlichen Infiltrat und einer präexistenten Nekrose. Unterscheidbar ist die trockene von der feuchten Gangrän: Bei der trockenen Gangrän dominiert die Nekrose. Da keine bzw. nur eine minimale Infektion besteht, ist kein bzw. nur minimal entzündliches Infiltrat nachweisbar. Beim feuchten Gangrän besteht eine bakterielle Infektion mit einer ausgeprägten entzündlichen Infiltration. Das Ursachenspektrum ist vielfältig und umfasst chemische und physikalische Noxen sowie Durchblutungsstörungen. Nekrotisierende Fasziitis (ICD 10: M72.69) Histopathologische Kriterien: Die nekrotisierende Fasziitis ist gekennzeichnet durch eine Nekrose des subkutanen Fettgewebes, der oberflächlichen Faszie bis zur Skelettmuskulatur. Neben Nekrosen besteht eine diffuse Infiltration des Weichgewebes durch Granulozyten, das Fehlen dieser Veränderungen in der Skelettmuskulatur ist typisch.
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9 Infektiöse Erkrankungen des Bewegungsapparates
9.3.4 Diagnostik und Therapie Wie bei dem breiten Spektrum der unter dem Begriff Haut-/Weichteilinfektionen subsumierten Entitäten nicht anders zu erwarten, lassen sich einheitliche diagnostische und therapeutische Strategien nur schwerlich formulieren. Grundsätzlich gilt bei der Diagnostik zunächst die Regel des „Drandenkens“. Die Anamnese nimmt einen wesentlichen Stellenwert ein, gibt sie doch Auskunft über mögliche Starterverletzungen sowie prädisponierende Komorbiditäten. Die klinische Untersuchung zielt auf die klassischen Entzündungszeichen, die abhängig von Akuität und Lokalisation nicht immer komplett und/oder im Vollbild zu eruieren sind. Die gewissenhafte klinische Untersuchung kann wesentliche Hinweise zur Art der Infektion und zum therapeutischen Weg geben (z. B. Abgrenzung Abszess/ Phlegmone). Die paraklinischen Parameter entsprechen grundsätzlich denen von Knochen-und Gelenkinfektionen. Da die Therapie der Haut-/Weichteilinfektionen wesentlich auf einer gezielten Antibiotikaapplikation beruht, ist die zeitnahe Kenntnis des auslösenden Erregers zwingend notwendig. Insofern nimmt die mikrobiologische Untersuchung von gewonnenen Proben eine zentrale Rolle ein. Die Gewinnung der Proben, ihr Transport und die Aufarbeitung entsprechen denen der Knochen-und Gelenkinfektionen. Eine wesentliche Rolle spielt auch die feingewebliche Zuordnung. Die bildgebende Diagnostik basiert auf den Schnittbildverfahren (bes. MRT)und der Sonografie, da sich diese Untersuchungen besonders für die Untersuchung von Weichteilprozessen eignen. Die Therapie basiert, wie die Behandlung der Knochen- und Gelenkinfektionen, auf der korrekten Kombination von chirurgischer Fokussanierung, gezielter Applikation von Antibiotika und adjuvanten Maßnahmen (z. B. hyperbare Sauerstofftherapie). Abweichend von Knochen-und Gelenkinfektionen, bei denen die chirurgische Fokussanierung regelhaft zwingend notwendig ist, kann auf diese bei bestimmten Haut-/ Weichteilinfektionen verzichtet werden (z. B. Erysipel). Insofern kommt, wie bereits ausgeführt, der akribischen Diagnostik mit einer klaren Definition der vorliegenden Erkrankung eine ganz wesentliche Bedeutung zu.
9.3.5 Fazit Unter dem Begriff Haut-/Weichteilinfektion verbirgt sich eine ganze Reihe von quo ad vitam unterschiedlich bedrohenden Erkrankungen. Die Therapie basiert auf der präzisen Kenntnis der vorliegenden Entität und inkludiert die chirurgische Fokussanierung, die Antibiotikagabe und spezifische adjuvante Verfahren. Anders als regelhaft bei den Knochen-und Gelenkinfektionen kann eine Infektberuhigung auch durch ausschließliche Applikation von Antibiotika erzielt werden. Literatur Abd El Bagi ME, Sammak BM, Al Shahed MS, Yousef BA, Demuren OA. Rare bone infections „excluding the spine“. Eur Radiol 1999;9(6): 1078–87. Amstrong RW, Bolding F, Joseph R. Septic arthritis following arthroscopy: clinical syndromes and analysis of risk factors. Arthroscopy 1992;8: 213–223. Arens S, Schlegel U, Printzen G, Ziegler WJ. Perren SM, Hansis M. Influence of materials for fixation implants on local infection. Experimental study of steel versus titanium DCP in rabbits. J Bone Joint Surg (Br) 1996;78(4): 647–51.
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10 Begutachtung des Bewegungsapparates Harald Hempfling und Veit Krenn
10.1 Einleitung Ein Gutachten ist eine Hilfestellung durch einen medizinischen Sachverständigen für eine Entscheidungsfindung in verschiedenen Rechtsbereichen, häufig durch einen Versicherungsträger. Hier sind meist Unfälle bzw. deren Folgen aufgrund einer Verletzung versichert, das bedeutet, dass tatsächliche Verletzungen von unfallunabhängigen krankhaften Veränderungen oder auch vorausgegangenen Verletzungsfolgen abgegrenzt werden müssen. In der Unfallversicherung unterscheidet man im Wesentlichen zwischen der privaten Unfallversicherung, die sich auf die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AUB) stützt, und der gesetzlichen Unfallversicherung, deren Grundlagen im Sozialgesetzbuch VII festgelegt sind. Nach einem Unfall, der zur Schädigung eines Menschen geführt hat, ist die präzise Diagnose, welche ein durch das Unfallereignis entstandenes pathomorphologische Substrat (= Verletzung) feststellt, von entscheidender Bedeutung. Hierbei ist bei der ärztlichen Berichterstattung darauf zu achten, dass tatsächlich eine Diagnose und nicht eine Symptomenkonstellation (z. B. Zervikobrachialgie) genannt wird. Nur aus einer exakt formulierten Diagnose lassen sich Unfallfolgen feststellen und es gelingt auch die Abgrenzung von vorbestehenden Schäden oder Erkrankungen. Den häufig zu erstattenden Zusammenhangsgutachten wird abverlangt, Kausalitätsfragen zu beantworten, um festzulegen, ob der festgestellte Schaden tatsächlich auf das Unfallereignis zurückgeführt werden kann. Hierzu bedienen sich die Gutachter der verschiedenen diagnostischen Verfahren (klinische Untersuchung, Röntgen, Magnetresonanztomografie, Arthroskopie u. a.) und der Histopathologie, welche einen wesentlichen Beitrag leisten kann. In einer Zeit der differenzierten Diagnostik (z. B. Magnetresonanztomografie) hat die Histopathologie ihren festen Platz dann, wenn sie die aus einer feingeweblichen Untersuchung erwarteten Fragen präzise beantwortet. Ist dies nicht möglich, muss dies auch entsprechend formuliert werden. Dabei sind Begriffe zu verwenden, die präzise definiert sind; in aller Regel sind dies Formulierungen, die sich von der allgemeinen Pathologie ableiten.
10.1.1 Degeneration und Texturstörung Der Begriff der Degeneration wird im alltäglichen diagnostischen Sprachgebrauch und in der Literatur uneinheitlich und somit missverständlich verwendet. Er ist im histopathologischen Sinn als Texturstörung und Abbau des bradytrophen Gewebes definiert (Otte, 1968). Aus diesen Gründen wird von der Kommission Gutachten der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) empfohlen, den Begriff Degeneration zu verlassen und diesen durch den morphologischen Terminus Texturstörung zu ersetzen. Der Begriff der „Degeneration“ wird somit ausschließlich im Sinne einer Texturstörung und
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10 Begutachtung des Bewegungsapparates
Abbau des bradytrophen Gewebes verwendet. Die Degeneration ist ein Begriff der Zellpathologie. Die Aufgabe der Histopathologie ist, die Diagnostik zu vervollständigen, mit dem Ziel einer präzisen Diagnose, welche aus dem pathomorphologische Substrat ablesbar ist. Dieses pathomorphologische Substrat muss dann der Kausalitätsprüfung unterworfen werden, sowohl im juristischen als auch im medizinischen Sinne.
10.1.2 Juristische Voraussetzungen In den verschiedenen Rechtsbereichen und deren Beweisregeln sind die Kausalitätsnormen unterschiedlich definiert. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Kausalität den Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung aus naturwissenschaftlicher/ philosophischer Ordnungsfunktion begründet. Die Ursache für einen Schaden ist (conditio sine qua non) die Bedingung, ohne die nicht geschehen wäre, was geschehen ist. Die Ursachenfeststellung erfolgt nach der Äquivalenztheorie, die Ursachenzurechnung im Zivilrecht nach der Adäquanztheorie und im Sozialleistungsrecht (einschließlich gesetzlicher Unfallversicherung) nach der Theorie der wesentlichen Ursache (Bedingung). Die private Unfallversicherung (PUV) stützt sich auf die allgemeinen Versicherungsbedingungen und ist dem Zivilrecht zuzuordnen. In der gesetzlichen Unfallversicherung (GUV) wird die klinisch nicht relevante Schadensanlage diagnostisch nachweisbar, ist jedoch nicht als manifester Gesundheitsschaden zu werten. Der Vorschaden ist der klinisch manifeste Gesundheitsschaden und beurteilt dazu die Verschlimmerung (Problem der MdE-Einschätzung), der Nachschaden als unfallfremder Gesundheitsschaden folgt dem versicherten Gesundheitsschaden nach. Im Vergleich zur gesetzlichen wird in der privaten Unfallversicherung die Schadensanlage als Krankheit und der Vorschaden als Vorinvalidität bezeichnet. Aus diesen Begrifflichkeiten leiten sich dann die Minderung der Erwerbsfähigkeit in der GUV und die Invalidität in der PUV ab. In der gesetzlichen Unfallversicherung müssen die Verletzung (Unfallschaden) im Vollbeweis und die Unfallfolgen, die zu entschädigen sind, mit Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. In der privaten Unfallversicherung unterliegt das „Erstschadensbild“ (= Verletzung) als Tatsache grundsätzlich dem Vollbeweis, die Invalidität („dauernde Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit“) ist der Sache nach lediglich eine vom ärztlichen Wissenstand zur Zeit der Beurteilung und der Erfahrung des Arztes getragene Prognose (AUB § VII/VI). Die Kausalitätsbegrifflichkeiten für die gesetzliche Unfallversicherung (wesentliche Bedingung, wesentliche Teilursache, Gelegenheitsursache) sind im Sozialgesetzbuch VII festgelegt (SGB VII). Für die private Unfallversicherung gelten die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB). Eine Verschlimmerung liegt in der GUV dann vor, wenn die durch ein Unfallereignis eingetretene Verletzung einer Zunahme der Verletzungsqualität unterliegt. Es handelt sich dann um eine einfache, vorübergehende oder dauernde Verschlimmerung. Resultiert aus dem Unfall eine Verschlimmerung mit einer Änderung des Krankheitsbildes, so ist eine richtunggebende Verschlimmerung festzustellen.
10.1 Einleitung
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10.1.3 Medizinische Voraussetzungen Es ist die Aufgabe des Mediziners, unter Einbeziehung sämtlicher vorgenommener diagnostischer Verfahren einschließlich, falls vorhanden, der Histologie das Erstschadensbild (= Verletzung) im Vollbeweis zu bestimmen. Daraus resultieren die Unfallfolgen, die dann auch zur Entschädigung führen. Sowohl die Bestimmung des Erstschadensbildes als auch der dann später festzustellenden Unfallfolge übernimmt der Mediziner. Bei der Feststellung des Erstschadensbildes ist der Zeitpunkt der Feststellung zur berücksichtigen. Dies trifft insbesondere bei der Beurteilung feingeweblicher Untersuchungen zu, da in aller Regel eine histologische Untersuchung nicht am Unfalltag veranlasst wird, sondern erst im weiteren Verlauf. Somit kommen histologische Präparate beim Pathologen zur Vorlage, in denen nicht primäre Verletzungszeichen, sondern in Abhängigkeit von der Zeit Verletzungsfolgen festzustellen sind. Diese müssen von eventuell vorhandenen altersbedingten Schäden, aber auch vorauseilenden Altersschäden beziehungsweise krankhaften Texturstörungen abgegrenzt werden. In Abhängigkeit von der Art der Versicherung (GUV, PUV) muss dann geklärt werden, ob z. B. beim Meniskusschaden die festgestellte Kontinuitätsunterbrechung dem Unfallereignis oder der schon eventuell vorbestehenden unfallunabhängigen Texturstörung zugeordnet werden kann. Bei der gesetzlichen Unfallversicherung bedarf es der Abklärung im Sinne der rechtlich wesentlichen Bedingung. Vergleichbar ist dieses Problem auch mit Beurteilungen durch die Magnetresonanztomografie, da hier ebenfalls der Zeitpunkt der Untersuchung in Abhängigkeit vom Unfalltag zu berücksichtigen ist. Tatsächliche Verletzungszeichen im Sinne einer frischen Verletzung werden in der Regel innerhalb der ersten zwei Wochen festgestellt, darüber hinaus liegen dann die Zeichen einer veralteten Verletzung vor. Dies muss abgegrenzt und differenziert werden (Abb. 10.1). Alterungsbedingte Texturstörung und vorauseilende Alterung Der normale Alterungsprozess, verbunden mit einer naturgemäßen Abnützung der Strukturen, ist zu berücksichtigen und von einer konstitutions-, berufs- oder sportbedingten Überbelastung („overuse“), meist bedingt durch rezidivierende Mikrotraumen, auch ohne klinische Symptomatik, abzugrenzen. Unter diesen Bedingungen treten physiologische Alterserscheinungen frühzeitiger in Erscheinung (vorauseilender
Abb. 10.1: Zeitlicher Zusammenhang Unfalltag – Zeitpunkt der Diagnostik – Unfallfolgen → Gutachten.
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10 Begutachtung des Bewegungsapparates
Abb. 10.2: Physiologischer (a) und vorauseilender (b) Alterungsprozess.
Alterung) und können dann als pathologische Veränderung bezeichnet werden, während gleichartige Veränderungen beim 80-jährigen Menschen als altersentsprechend normal zu bezeichnen sind. Vergleichbar mit den frühzeitigen Alterserscheinungen sog. vorauseilender Alterung sind die Folgen von Erkrankungen des Bewegungssystems beziehungsweise einzelner Strukturen, die aber entsprechend der Erkrankung dafür typische morphologische Veränderungen (makroskopisch und mikroskopisch) aufweisen können (Abb. 10.2). Kommt es beim physiologischen Alterungsprozess oder auch bei vorauseilender Alterung zu einem zusätzlichen Makrotrauma (Abb. 10.3), so entsteht durch die Verletzung eine einfache dauernde oder auch eine einfache, vorübergehende Verschlimmerung des vorbestehenden Schadens. Diese Verläufe sind abhängig von den reparativen Maßnahmen, die am betroffenen Gewebe ablaufen können, und es kann sich auch eine Verselbstständigung des pathologischen Verlaufs, ausgelöst durch das Makrotrauma, einstellen.
Abb. 10.3: Alterungsprozess und zusätzliches Makrotrauma im physiologischen (a) und vorauseilenden (b) Prozess.
10.1 Einleitung
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Abb. 10.4: Übersicht – Allgemeine Pathologie (Zollinger, 1969; Eder und Gedigk, 1990; Riede und Schaefer, 1993; Grundmann, 2004; Böcker et al., 2004).
Die in den histologischen Befundberichten verwendeten Begriffe sollten mit der allgemeinen Pathologie übereinstimmen. Hierzu liegen entsprechende Lehrbücher vor, die alle einen Überblick über die allgemeine Pathologie geben (Abb. 10.4). Schaden und Verletzung Der Begriff Schaden kann als übergeordneter Begriff für eine Verletzung, Überbeanspruchung oder Erkrankung gewertet werden und beschreibt ein pathomorphologisches Substrat wie eine Ruptur als Verletzung, eine Sehnenaufbraucherscheinung als „overuse“ oder eine Meniskopathie als Erkrankung. Wenn eine anatomische Struktur (Sehne, Band, Meniskus u. a.) in ihrer Kontinuität unterbrochen ist, so kann dies die Folge eines Risses unfallbedingt, aber auch durch eine Texturstörung bedingt sein. Die Begriffe Schaden und Kontinuitätsunterbrechung sagen noch nichts über deren Ursache aus. Die Begriffe Distorsion und Prellung werden häufig als Diagnose verwendet, obgleich zumindest die Distorsion keine Diagnose, sondern einen Unfallmechanismus darstellt. Dieser bedeutet eine Längenänderung eines Bandes beziehungsweise einer
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10 Begutachtung des Bewegungsapparates
Tab. 10.1: Gradeinteilung der „Distorsion“ Grad
„Distorsion“ Längenänderung
Klinische Zeichen
1
Dehnung 5%
Schmerzen keine Blutung keine Schwellung
2
Zerrung = Teilruptur 5–8 %
Schmerzen Schwellung Einblutung (Hämatom)
3
Ruptur über 8 %
Schwellung Einblutung (Hämatom) Instabilität Schmerzen (gering?)
Tab. 10.2: Gradeinteilung der „Kontusion“ Grad
„Kontusion“
Klinische Zeichen
1
Prellung
Schmerzen keine Blutung keine Schwellung
2
Kontusion
Schmerzen, Schwellung Einblutung (Hämatom)
3
Quetschung
Schmerzen Schwellung Gewebestörung (Hämatom)
Sehne und beinhaltet folgende Diagnosen: Dehnung, Zerrung und Ruptur (Tab. 10.1). Der Begriff Kontusion, eigentlich Stauchung oder Stoß, beinhaltet eine direkte Krafteinwirkung auf ein Gewebe mit folgenden Diagnosen: Prellung, Kontusion und Quetschung in Abhängigkeit von der klinischen Symptomatik (Tab. 10.2). Somit kann beiden Begriffen eine Diagnose mit entsprechender Gradeinteilung zugeordnet werden.
10.2 Begutachtung von Knorpelschäden Knorpelschäden können mechanisch, metabolisch oder auch entzündlich erklärt werden. Man unterscheidet Knorpelschäden und Knorpelverletzungen, beide münden im Endeffekt in die Erkrankung der Arthrose. Erst im fortgeschrittenen Stadium ist eine Arthrose am herkömmlichen Röntgenbild erkennbar, z. B. in Form von Osteophyten oder auch subchondraler Sklerosierung. Eine Arthrose verläuft phasenhaft. Was in der Arthroskopie makroskopisch gesehen und gefühlt wird (Glanzverlust, Erweichung), was in der MRT zu erkennen ist (Signal-, Kontur-, Dickenveränderung) und was sich auch im Röntgenbild abbildet (Osteophyten, Sklerose, Verschmälerung der Gelenkspalten), sind alles Erscheinungsformen der Arthrose in den einzelnen Stadien. Vereinfacht lassen sich vier Stadien unterscheiden:
10.2 Begutachtung von Knorpelschäden
1. 2. 3. 4.
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Initialstadium (Zelle und Matrix) Stadium der Knorpelerweichung (Malazie) Stadium der Knochenreaktion Gelenkkollaps.
Dieser Verlauf der Arthrose ist im Schema von Mohr und Hesse (1989) repräsentiert (Abb. 10.5). Die Stadien B–D entsprechen der Chondromalazie, die Stadien E–G der Arthrose im herkömmlichen Sprachgebrauch und das Stadium A dem gesunden Knorpel. Diese verschiedenen Stadien können nicht mit allen diagnostischen Maßnahmen gleich aussagekräftig festgestellt werden. Bezüglich der Knorpeloberfläche ist wohl die Arthroskopie am aussagekräftigsten, gefolgt von der Magnetresonanztomografie ab Stadium C, es folgt die Röntgenuntersuchung ab Stadium E (Tab. 10.3). Es liegen viele Klassifikationsvorschläge zum Knorpelschaden vor, im Prinzip kann aber die Einteilung nach Fründ (1926) als einfaches und nachvollziehbares Schema zugrunde gelegt werden (Abb. 10.6). Diese Klassifikation enthält sowohl makroskopische als auch histologische Beurteilungskriterien. Pathogenethisch spielen mechanische und genetische Faktoren eine Rolle: Mikrotraumen sowie eine gesteigerte mechanische Belastung werden initial durch eine hochregulierte Proteoglykansynthese als Kompensation der Chondrozyten beantwortet. Der insgesamt metabolisch nicht aktive hyaline Knorpel wird in weiterer
Abb. 10.5: Skizzenhafte Darstellung des Ablaufs der Arthrose mit strukturellen Veränderungen an Knorpel und Knochen (innerer Kreis) und Synovialmembran (äußerer Kreis). A = normale Situation, B = Fibrillierung des Knorpels und Chondrozytennekrosen sowie begleitende leichte lymphozytäre Synovialitis, C = fortgeschrittene Fissurierung des Knorpels mit Brutkapselbildung der Chondrozyten und begleitender Knorpeldetritussynovialitis, D = Freilegung der Zone des verkalkten Knorpels und begleitende Knorpeldetritussynovialitis, E = Freilegung der knöchernen Deckplatte und begleitende Knorpeldetritussynovialitis, F = Zerstörung des Knochens mit Deckplatteneinbrüchen und begleitender Knochendetritussynovialitis, G = Ausbildung von „Regeneratherden“ aus Narbengewebe und chondroidem Gewebe in Zonen von Deckplatteneinbrüchen und begleitender Knochendetritussynovialitis (aus: Mohr und Hesse, 1989).
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10 Begutachtung des Bewegungsapparates
Tab. 10.3: Gegenüberstellung von Histologie, Sprachgebrauch, Erkennbarkeit durch diagnostische Verfahren und Makroskopie der Knorpelschädigung bei Arthrose Histologie Arthrosestadien1
„Sprachgebrauch“
A B C D E F G
gesunder Knorpel „Malazie“ „Arthrose“
Diagnostik AS MRI
Rö
– +/– + + + + +
– – – – + + +
– +/– +/– + + + +
Makroskopie Arthrosestadien Initialstadium Stadium der Erweichung Stadium der Knochenreaktion Gelenkkollaps
AS, Arthroskopie; Rö, Röntgenaufnahme; MRI, Magnetresonanztomografie; +, geeignet; –, nicht geeignet; +/–, z. T. geeignet; 1 nach Mohr und Hesse,1989
Folge durch eine Reduktion durch Matrixproteoglykane verändert, die Zellularität wird durch Chondrozytenapoptose reduziert. Funktionell kann diese Texturstörung als eine Dysbalance zwischen anabolen und katabolen Faktoren des bradytrophen Gewebes definiert werden (Aigner und Söder, 2006), welches zu einer Strukturänderung und in weiterer Folge zu einem Abbau des Gewebes führt (Texturstörung mit Minderung der Zellzahl). Die funktionellen Gegenspieler stellen Aggrecan und MMP-1 dar. NITEGE ist eines der Hauptabbauprodukte von Aggrecan (sog. G1-Fragment). Die Texturstörung des hyalinen Knorpels (Arthrose) geht mit einer Aggrecanspaltung und NITEGEFreisetzung einher. Das Fortschreiten der arthrotischen Geschehen lässt sich morphologisch in vier Stadien abbilden (Otte, 1968):
Abb. 10.6: Schematische Darstellung der Chondromalaziegrade I–III und entsprechendem histologischem Bild (aus: Bandi, 1977).
10.2 Begutachtung von Knorpelschäden
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– Stadium I: oberflächennaher Proteoglykanverlust sowie oberflächliche Fissuren – Stadium II: vertiefte Fissuren, diese reichen an die Zone des sog. radiären Knorpels, vereinzelter Knorpelzelluntergang mit Ausbildung sog. Brutkapseln – Stadium III: tiefe Fissuren bis an die subchondrale Knochenplatte mit Freisetzung von Knorpelfragmenten. Detritussynovialitis mit intrasynovialen Knorpelfragmenten – Stadium IV: vollständiger Schwund des Gelenkknorpels mit Freilegung der knöchernen Deckplatte. Reparative Regeneratknorpelbildung. Auftreten sog. Geröllzysten (subchondrale Pseudozysten). Demgegenüber können Knorpelverletzungen (Abb. 10.7) definiert werden. Sowohl bei direkten als auch tangentialen (indirekten) Krafteinwirkungen entstehen, experimentell nachgewiesen, aufgrund des elastischeren Verhaltens des Knorpels im Vergleich zur subchondralen Schicht Knochenödeme, ohne dass der darüber liegende Knorpel verletzt sein muss. Mit Zunahme der Krafteinwirkung bilden sich (zusätzlich) Fissuren im Knorpel bis hin zur Knorpelknochenimpressionsfraktur. Nachweisbar sind derartige Knochenödeme (bone bruise) im Kernspintomogramm. Traumatisch bedingte Knochenödeme bilden sich zurück, arthrosebedingte Knochenödeme dagegen nehmen zu. Somit kann unter Verwendung eines möglichst bald nach dem Unfall durchgeführten MRT in Verbindung mit einem Vergleichskernspintomogramm etwa 3–4 Monate nach dem Unfall eine sehr aussagekräftige Abgrenzung von verletzungsbedingten Knorpelschäden im Vergleich zur Arthrose vorgenommen werden. Histologisch ist eine definitive Unterscheidung zwischen physiologischen Altersveränderungen und initialen arthrotischen Knorpelveränderungen nicht eindeutig möglich. Erste Texturstörungen äußern sich in diesem Zusammenhang in einer variablen Anfärbbarkeit der Matrix, welche als ein Verlust des Proteoglykananteils zu interpretieren ist. Die De-
Abb. 10.7: Klinische Einteilung der Knorpelverletzungen (nach: Hempfling, 2004).
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10 Begutachtung des Bewegungsapparates
struktion des kollagenen Netzwerkes ist histopathologisch an den unterschiedlich ausgedehnten fissuralen Defekten der Matrix erkennbar. Es stehen zur Beurteilung eines Knorpelschadens, abgesehen von den herkömmlichen diagnostischen Methoden, insbesondere die Arthroskopie und die Magnetresonanztomografie zur Verfügung. Die Arthroskopie kann traumatisch bedingte Knorpelschäden mit einer Eröffnung des Knorpels in Verbindung mit dem Nachweis eines Knochenödems in der MRT erkennen. Subchondral gelegene traumatische Veränderungen (bone bruise), die dann später zu einer Knorpelerweichung führen können, sind lediglich in der MRT-Aufnahme mit Nachweis des Knochenödems zu bestätigen (Hempfling und Weise, 2007a).
10.3 Meniskusbegutachtung 10.3.1 Meniskusschädigung (ICD 10: M23.39) Meniskusschäden sind häufig. Meniskusverletzungen nach Unfall, insbesondere isolierter Art, sind selten. Meist liegen Texturstörungen an den Menisken vor, die im Sinne einer Gelegenheitsbedingung schon zur Kontinuitätsunterbrechung führen können. Als geeigneter Unfall wird in der Literatur lediglich noch der Drehsturz gewertet, der eine isolierte Meniskusschädigung verursachen kann. Des Weiteren entstehen traumatisch bedingte Meniskusverletzungen bei Begleitverletzungen, bei denen dann der Meniskus als zusätzliche Verletzung gewertet wird. Für die Begutachtung heißt dies, dass Schwierigkeiten lediglich in der Beurteilung isolierter Meniskusschäden bestehen. Hier muss die Klärung der Zusammenhangsfrage erfolgen, insbesondere bedarf es der Abgrenzung direkter von indirekten Einwirkungen. Die direkten Einwirkungen, der angegebene Sturz, kann aufgrund der Anatomie die Menisken erst nachrangig gefährden. Deutliche Verletzungszeichen an Knochen oder Kapselbandapparat sind somit Voraussetzung dafür, dass eine direkte Verletzung einen Meniskus gefährden könnte. Liegen diese Veränderungen vor, so handelt es sich nicht mehr um einen isolierten Meniskusschaden. Bei den indirekten Verletzungsmechanismen stimmen der Ort des Kraftangriffes und der Ort der festgestellten Schädigung nicht überein. Die Menisken werden erst dann unter Stress gesetzt, wenn der Kapselbandapparat, als primärer Stabilisator des Kniegelenkes, mit verletzt ist, d. h., auch hier handelt es sich nicht um eine isolierte Meniskusverletzung. Als Ausnahme kann lediglich der Drehsturz gewertet werden, wie sich dieser z. B. beim Abspringen vom fahrenden Zug ergibt. Dennoch ist davon auszugehen, dass es zwar einen isolierten Meniskusschaden gibt, aber keine isolierte Meniskusverletzung. Besteht bei einer fraglichen Meniskusverletzung ein blutiger Gelenkerguss, so bedeutet dies grundsätzlich eine Mitbeteiligung des Kapselbandapparates, wenn der Erguss nicht durch die Punktionstechnik entstanden ist. Ein seröser Erguss ist sowohl bei einem texturgestörten Meniskus als auch bei einem altersentsprechenden Meniskus dann erklärbar, wenn die Kontinuitätsunterbrechung nicht im Kapselbandbereich, sondern durch mechanische Irritation der Synovialis erfolgt. Für die Meniskusdiagnostik mit dem Ziel der gleichzeitigen Therapie bietet sich die Arthroskopie an. Als nichtinvasives Verfahren gibt es die Magnetresonanztomografie. Arthroskopisch sind, wenn der Eingriff in der ersten Woche erfolgt, frische Rupturzeichen am Meniskuskörper erkennbar (Abb. 10.8). Derartige klare Aussagen sind aber
10.3 Meniskusbegutachtung
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Abb. 10.8: „Meniskusrisse“ a: frisch traumatisch, b: kein Trauma.
extrem selten, da vermutlich auch diese Art der Kontinuitätsunterbrechung extrem selten ist, abgesehen vom Meniskusriss bei Komplexverletzungen. Normalerweise zeigt sich arthroskopisch eine nicht frische Meniskusteil- oder Komplettverlagerung. Nachdem aus dem Schadensmechanismus sowie dem Schadensbild oft keine klare Entscheidung abzuleiten ist, kommt der histopathologischen Diagnose ein besonders Gewicht zu.
10.3.2 Histopathologische Diagnostik Die Aufgaben der histopathologischen Diagnostik bestehen in 1. der Beurteilung der Meniskustextur in Zusammenhang mit dem Patientenalter. Hierdurch soll die Frage geklärt werden, ob eine über das Patientenalter hinaus bestehende Texturstörung (früher „Degeneration“) besteht. 2. einer histopathologischen Altersbestimmung der Kontinuitätstrennung 3. der Beurteilung (in Verbindung mit den klinischen Informationen), ob die Kontinuitätstrennung traumatisch oder nichttraumatisch bedingt ist.
10.3.2.1 Graduierung der Texturstörung des Meniskus Die geweblichen Veränderungen der Texturstörung des Meniskus lassen sich in einer dreistufigen Graduierung (leichtgradig, mäßiggradig, schwergradig) erfassen, welche die zellulären und die azellulären Komponenten (Matrix) beinhaltet (Abb. 10.9). Durch diesen Score sind gut reproduzierbare Kriterien für die Texturstörung definiert, die eine standardisierbare histopathologische Diagnostik gewährleisten. Die Texturstörungen sind funktionell gesehen Ausdruck einer Dysbalance zwischen anabolen und katabolen Faktoren des bradytrophen Gewebes. Wichtige funktionelle Gegenspieler stellen Aggrecan und MMP-1 dar, NITEGE ist eines der Hauptabbauprodukte von Aggrecan (sog.G1-Fragment). Ein Aggrecan-Abbau kann beim bovinen Meniskus durch MMP-3 und TNF-alpha experimentell induziert werden (Voigt et al., 2009). NITEGE ist insbesondere bei schwergradiger Texturstörung („Degeneration“) im humanen Meniskusgewebe nachweisbar (Abb. 10.10). Somit wird durch die Graduierung der Texturstörung der tatsächliche Abbau des Meniskusgewebes berücksichtigt (Tab. 10.4).
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10 Begutachtung des Bewegungsapparates
Abb. 10.9: Histopathologie des Meniskusgewebes. a: normales Meniskusgewebe mit homogener Verteilung der Meniskuszellen (Originalvergrößerung 150-fach, HE), b: leichtgradige Texturstörungen mit leichtgradig verringerter Zellularität und variabler Anfärbbarkeit der Grundsubstanz (Originalvergrößerung 150-fach, HE), c: mäßiggradige Texturstörungen mit mäßiggradig reduzierter Zellularität, kleinen azellulären Abschnitten und umschriebenen fissuralen Defekten (Originalvergrößerung 150-fach, HE), d: schwergradige Texturstörungen mit ausgedehnten Substanzdefekten, umschriebenen azellulären Arealen, teilweise unter dem Bild von pseudozystischen Defekten der Grundsubstanz (Originalvergrößerung 150-fach, HE).
Abb. 10.10: Immunhistochemischer Nachweis von extrazellulären NITEGE-Ablagerungen bei schwergradigen Texturstörungen (Originalvergrößerung 150-fach, indirekte Immunhistochemie).
10.3 Meniskusbegutachtung
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Tab. 10.4: Histologische Kriterien der Texturstörungsgrade nach Krenn et al. (2010) Texturstörung Grad 0 Normale Morphologie
Chondrozyten isomorph regelhafte Zellularität Matrix eosinophil homogen angefärbt
Low-grade Texturstörung (Grad 1 und Grad 2) Texturstörung Grad 1
Texturstörung Grad 2
leichte Verringerung der Zellularität in kleinen Bereichen inhomogen gefärbte Matrix, NITEGE negativ Matrix mit fokalen, kleinstteiligen Fissuren mäßige Verringerung der Zellularität in großen Bereichen Chondrozyten in Form und Größe variabel, NITEGE (+) Matrix mit mäßigen umschriebenen Fissuren
High-grade Texturstörung (Grad 3) Texturstörung Grad 3
deutliche Verringerung der Zellularität große zellfreie Areale, NITEGE positiv retikulär teils basophil gefärbte Matrix (mukoide Veränderung) Matrix mit Pseudozysten
Ursachen der Texturstörung Primäre Texturstörung: Diese stellt eine das altersübliche Maß überschreitende Texturstörung ohne klinisch bekannte Noxen im Sinne einer vorauseilender Alterung dar. Die Beurteilung einer primären Texturstörung ist somit immer altersabhängig durchzuführen. Mit fortschreitendem Alter erfolgt eine „physiologische“ Texturstörung: Texturstörungen Grad 1 und Grad 2 können im Rahmen von altersbedingten Veränderungen interpretiert werden, eine Texturstörung Grad 3 ist jedoch als eine pathologische, nicht altersbedingte Erkrankung zu werten. Sekundäre Texturstörung: Diese ist eine Texturstörung als Folge von definierten Noxen/Erkrankungen wie beispielsweise entzündliche und „degenerative“ Gelenkerkrankungen (z. B. Rheumatoide Arthritis, Arthrose), metabolische Gelenkerkrankungen (z. B. CPPA), Zustand nach Infektionen sowie Traumata (z. B. in Nachbarschaft eines Risses).
10.3.2.2 Altersbestimmung der Kontinuitätstrennung des Meniskus Durch eine nach der Kontinuitätstrennung erfolgende stadienhafte Meniskusreparation sind vier Zeitphasen histopathologisch erkennbar: Zeitphase I (0–2 Wochen): Es zeigt sich das Bild der Nekrosephase mit einer Ödembildung und Faserlockerung, es bestehen Zellnekrosen und Fibrinablagerungen (Abb. 10.11 a). Zeitphase II (2.–4. Woche): Die Regenerationsphase mit Fibroblastenproliferation sowie mesenchymaler Sklerose liegt vor (Abb. 10.11 b).
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10 Begutachtung des Bewegungsapparates
Abb. 10.11: Zeitphasen der Meniskusreparation. a: frische Ruptur, sog. Nekrosephase mit Auffaserung und einzelnen nekrotischen Gewebsabschnitten (Zeitphase I; Originalvergrößerung 150-fach, HE); b: Zeitphase II der Meniskusruptur mit plump konfigurierter Rissoberfläche mit Fibrinauflagerungen und Fibroblastenproliferaten (Originalvergrößerung 150-fach, HE); c: Zeitphase III der Meniskusruptur mit Rissrandglättung und Ausbildung sog. Pseudoknorpelzellen (Originalvergrößerung 150-fach, HE).
Zeitphase III (4.–20. Woche): Es besteht die Reparationsphase mit Ausbildung des Narbenstadiums, es zeigen sich Rissrandglättungen, Narbenstrukturen und Pseudoknorpelzellen (Abb. 10.11 c). Zeitphase IV (über 20 Wochen): Man spricht von der Spätphase (Fisseler et al., 1986; Müller, 2000/2001). In der Zeitphase I und II ist der Nachweis einer Verletzung im Vollbeweis möglich, in der Zeitphase III noch mit einer einfachen Wahrscheinlichkeit. Über die 20. Woche hinaus (Zeitphase IV) ist die Aussage der Histologie unsicher (Fisseler et al., 1986; Müller, 2000/2001). Liegt nun eine Texturstörung Grad II und III zum Unfallzeitpunkt vor, so ändern sich die Heilungsphasen und sind verlängert. Die Nekrosephase ist in etwa identisch bis zur 2. Woche nachweisbar, die Reparationsphase findet man über die 4. Woche hinaus bis zur 6. Woche und die Vernarbungsphase (Reparationsphase) beginnt nicht in der 2., sondern erst in der 4. Woche und dauert dementsprechend bis zum 4. oder 5. Monat (Müller, 2000/2001). Aus diesen Überlegungen ergibt sich ein Schema, aus dem die histologischen Kriterien zur Beurteilung eines Meniskusschadens abgelesen werden können (Abb. 10.12).
Abb. 10.12: Kriterien der histologischen Meniskusbeurteilung (in Anlehnung an: Fisseler et al., 1986; Müller, 2000/2001; Krenn et al., 2010).
10.4 Begutachtung des Labrum glenoidale
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10.3.2.3 Traumatische Ruptur (ICD 10: S83.7) Die typischen Kriterien einer echten traumatischen Ruptur sind die Kontinuitätstrennungen des Meniskusgewebes bei regelhafter, altersentsprechender Meniskusmorphologie oder nur geringgradigen (Grad 1) Texturstörungen. Sind höhergradige Texturstörungen vorhanden (Grad 2–3), so ist der echte traumatische Charakter mit zunehmendem Grad unwahrscheinlicher (konkurrierende Kausalität). Makroskopische Beurteilungen eines Meniskus nach einer Kontinuitätsunterbrechung erlauben allenfalls in den ersten zwei Wochen Rückschlüsse auf ein möglicherweise abgelaufenes Unfallereignis (vgl. Abb. 10.8). Ab diesem Zeitpunkt ist eine makroskopische Beurteilung bezüglich der Kausalitätsfrage nicht mehr Erfolg versprechend, es gelten dann die makroskopischen Einteilungen nach Dandy (1981), die aber lediglich Angaben über die Form und Art des Meniskusschadens erlauben.
10.3.3 Resultat Für die histopathologische Beurteilung eines Meniskuspräparates ist das Lebensalter des Patienten zum Unfallzeitpunkt Voraussetzung. Die Zeitphase zwischen Unfallzeitpunkt und der Operation (= Entnahme der Histologie) muss beachtet werden, die histopathologische Beurteilung der Altersbestimmung von Kontinuitätstrennungen basiert auf den Zeitphasen I–IV der Meniskusheilung/Reparation. Die histologischen Kriterien der Texturstörung lassen mit zunehmendem Alter ein Ansteigen des Grades erwarten, sodass der Grad 2 im höheren Alter zu finden ist. Im hohen Lebensalter ist auch Grad 3 der Texturstörung nicht altersgemäß, sondern ein pathologischer Befund im Sinne einer sog. vorauseilenden (evtl. genetisch bedingten) oder sekundären Texturstörung (Könn und Rüther, 1976; Krenn et al., 2010).
10.4 Begutachtung des Labrum glenoidale 10.4.1 Schädigung des Labrum glenoidale (ICD 10: S43.00) Das Labrum glenoidale umgrenzt die Schultergelenkspfanne und zeigt insbesondere superior und anterior-superior anatomische Besonderheiten, die auch entsprechende Labrumschäden zulassen. Demzufolge werden Labrumschäden nach der Lokalisation am Glenoid eingeteilt (Abb. 10.13). Ein häufiger Mechanismus, der regelrecht zur Schädigung des Labrums führt, ist die vordere beziehungsweise hintere Schulterluxation, wobei der Labrumschaden allerdings nicht pathognomonisch für den Luxationsmechanismus ist. Vielmehr ist die Voraussetzung für eine Schulterluxation nach vorne eine Ruptur des Ligamentum glenohumerale inferius anterius und bei der hinteren Luxation des Ligamentum glenohumerale posterius inferius. Kommt es zur Verletzung des kapsulolabralen Bandkomplexes glenoidnahe, entsteht eine Bankart-Läsion beziehungsweise eine Perthes-Läsion (Abb. 10.14), die sich in Abhängigkeit des Andauerns der Verletzung sowohl bei der vorderen Luxation als auch bei der hinteren Luxation zu weiteren Schäden entwickeln kann (Abb. 10.15). Die immer häufiger gerade arthroskopisch diagnostizierten SLAPLäsionen (SLAP = superior labrum anterior to posterior) lassen mittlerweise 15 verschiedene Typen erkennen (Typ I–Typ XI B), die durch unterschiedliche Pathomecha-
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10 Begutachtung des Bewegungsapparates
Abb. 10.13: Zuordnung der Labrumläsionen zur Lokalisation am Glenoid; S: superior; A: auterior; I: inferior; P: posterior.
nismen bei Luxationen, aber meist durch Überlastungsschäden entstehen (Abb. 10.16, Tab. 10.5). Bei den Labrumschäden müssen die Normvarianten von der normalen Anatomie abgegrenzt werden. Diese entstehen ohne äußeren Einfluss, aber auch mikrotraumatisch bzw. verschleißbedingt, außerdem gehören dazu die Überlastungsschäden am Labrum und schließlich unfallbedingt die Makroverletzungen, die auf ein bestimmtes Unfallereignis zurückgeführt werden: Andrews-Läsion: Die Andrews-Läsion ist eine Schädigung des anterior-superioren Labrums durch eine kontinuierliche Traktionsbewegung bei der Dezeleration des Armes in der Durchzugsphase bei Wurfbewegungen und ist identisch mit der SLAP-Läsion Typ II A.
Abb. 10.14: Schematischer Aufbau vorderer kapsulolabraler Bandkomplexschäden.
10.4 Begutachtung des Labrum glenoidale
Abb. 10.15: Schematischer Aufbau posteriorer kapsulolabraler Bandkomplexschäden.
Abb. 10.16: Einteilung und Typisierung der SLAP-Läsionen (Erklärung in Tab. 10.5).
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10 Begutachtung des Bewegungsapparates
Tab. 10.5: Aktuelle Klassifikation der SLAP-Läsionen Snyder et al., 1990
I II
partieller Einriss des Labrums im Bereich der vorderen und hinteren kranialen Zirkumferenz Morgan et al., 1998
II A II B II C
Maffet et al., 1995
III
korbhenkelartiger Abriss des Labrums, Bizepssehnenanker intakt
IV
korbhenkelartiger Abriss des Labrums unter Einbezug der langen Bizepssehne
V
SLAP-II-Läsion in Ausweitung in den Bankart-Bereich (= Typ II + Bankart-Läsion)
VI
SLAP-II-Läsion mit instabilem Lappenriss des vorderen oder hinteren Labrums im Bereich des Bizepsankers
VII
VII A
VII B
Nord und Ryu, 2004
Ianotti und Wang, 1992 Hogan et al., 2009
kompletter Abriss des vorderen Labrum- und Bizepssehnenankers kompletter Abriss des hinteren Labrum- und Bizepssehnenankers kompletter Abriss des Bizepssehnenankers mit vorderer und hinterer Labrumbeteiligung
SLAP-II-Läsion mit anteriorer Ausdehnung des Labrumrisses bis zum Lig. glenohumerale medium unter Einbezug desselben SLAP-II-Läsion mit anteriorer Ausdehnung des Labrumrisses bis zum Lig. glenohumerale superius unter Einbezug desselben, Rotatorenintervall-Beteiliung
VIII
SLAP-II-B-Läsion mit Ausdehnung in das gesamte posteriore Labrum (POLPSA)
IX
zirkuläre Labrumlösung
X
SLAP II B + posteriore Labrumlösung mit Ausbildung einer stabilen Brücke zwischen beiden Labrumschäden
XI
XI A XI B
traumatische Fraktur Tuberculum supraglenoidale mit Einbezug des Bizepsankers Stressfraktur Tuberculum supraglenoidale mit Einbezug des Bizepsankers
Bankart-Perthes-Läsion: Die Bankart- und die Perthes-Läsion entstehen als Folge einer vorderen Schulterluxation. Bankart-reversed-Läsion/POLPSA-Läsion: Die reversed Bankart-Läsion, die POLPSALäsion und auch die KIM-Läsion sind Folge der hinteren Schulterluxation. Die Bennett-Läsion wird auch als veraltete POLPSA-Läsion gewertet.
10.4 Begutachtung des Labrum glenoidale
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Abb. 10.17: Entstehungsmechanismen einer SLAP-Läsion. a: plötzlicher distaler Schulterzug (nach Maffet 1995), b: Fall auf den nach vorne gestreckten Arm (nach Snyder 1990), c: Kompressionsmechanismus unter dem Schulterdach (nach Ciullo 1996), d: direkte lokalisierte Krafteinwirkung (nach Ciullo 1996).
SLAP-Läsion: Bei der Vielzahl der SLAP-Typen ist es denkbar schwierig, bestimmte Mechanismen dem entsprechenden Typ zuzuordnen. Eine grobe Einteilung lässt Folgendes erkennen: Die Kompression des Humeruskopfes gegen das obere Labrum führt zu einem Typ I oder Typ II. Der Fall auf den ausgestreckten Arm ergibt einen Typ III beziehungsweise IV, häufig in Verbindung mit einer Rotatorenläsion. Der Sturz auf den außenrotierten Arm führt zum Typ III oder IV, dann in Verbindung mit einer Instabilität. Traktionsverletzungen im Sinne eines Zugs am Arm, verbunden mit einem Heben schwerer Gegenstände, ergeben einen Typ II mit Lösung des Bizepsankers, und schließlich kann eine direkte lokalisierte Krafteinwirkung auf die Schultervorderwand eine SLAP-Läsion auslösen (Abb. 10.17). PSI – posterior-superiores Impingement: Rezidivierende Abduktions-/AußenrotationsMikrotraumata führen zu einem posterior-superioren Impingement, bei dem meist fünf Strukturen betroffen sind (Ligamentum glenohumerale inferius inkl. Labrum, Rotatorenmanschette, posterior-superiores Labrum, Tuberculum majus, knöchernes superiores Glenoid). Anterior-superiores Impingement: Hier wird als Pathomechanismus eine forcierte Abduktion, Flexion und Innenrotation mit Kontakt zwischen Tuberculum minus und dem vorderen Glenoidrand gefordert, mit der Folge einer Pulley-Läsion, die aber auch beim Sturz nach rückwärts auf den extendierten Arm entstehen kann.
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10 Begutachtung des Bewegungsapparates
Abb. 10.18: Labrum glenoidale mit schwergradigen Texturstörungen (Grad III) abschnittsweise mit vollständigem Zellularitätsverlust (Originalvergrößerung 150-fach, HE).
Für eine Kausalitätsbegutachtung sind alle Befunde in Abhängigkeit von Vorschäden, vom Schadensmechanismus und der feingeweblichen Untersuchung zu werten. Diese zeigt keine wesentlichen Unterschiede zur Meniskushistologie.
10.4.2 Histopathologische Diagnostik Im Rahmen eines operativen Eingriffes gelangen Labrum-glenoidale-Anteile, Gelenkkapselgewebe sowie knöcherne Gewebsfragmente des Labrumansatzes zur histopathologischen Begutachtung. Labrumgewebe ist wie Meniskusgewebe aus Faserknorpel aufgebaut, die für Meniskus-Texturstörungen beschriebenen Kriterien der Texturstörungen („Degeneration“) sind auch auf das Labrum glenoidale anwendbar (Abb. 10.18). Die Altersbestimmung der Kontinuitätstrennung orientiert sich folglich ebenfalls an diesen Kriterien. Im Wesentlichen gelten folgende Kriterien: 1. Beurteilung des Labrumgewebes in Zusammenhang mit dem Patientenalter. Hierdurch soll die Frage geklärt werden ob eine über das Patientenalter hinaus bestehende Texturstörung (früher „Degeneration“) besteht. 2. histopathologische Altersbestimmung der Kontinuitätstrennung 3. Beurteilung (in Verbindung mit den klinischen Informationen), ob die Kontinuitätstrennung traumatisch oder nichttraumatisch bedingt ist.
10.5 Begutachtung am Handgelenkdiskus 10.5.1 Schädigung des Handgelenkdiskus (ICD 10: S63.50) Der Handgelenkdiskus ist eine komplexe Struktur und enthält den Discus articularis, die Ligg. radioulnaria, den Meniscus ulnocarpalis, das Ligamentum collaterale ulnare sowie die Sehnenscheide des Extensor carpi ulnaris. Dieses komplex aufgebaute Bandsystem stabilisiert zusammen mit der Membrana interossea des Unterarms den Radius rotationsstabil an die Ulna, ebenso an den Karpus. Sowohl palmar als auch dorsal stabilisieren Faserstrukturen (Ligamenta radioulnaria) den Ulnakopf und erlauben den-
10.5 Begutachtung am Handgelenkdiskus
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noch eine gute Rotation des Radius um die Ulna. In Abhängigkeit von der Ulnavariante erfolgt gleichzeitig eine Kompression des Diskus gegen den Ulnakopf, aber auch gegen den Karpus, sodass bei der Ulna-Plus-Variante eine bevorzugte Verschleißerscheinung des Diskus resultiert (Ulnar-Abutment-Syndrom). Wie beim Meniskus des Kniegelenkes, so stehen auch am Diskus des Handgelenkes die isolierten Schäden gutachterlich im Vordergrund. Bei Begleitverletzungen, insbesondere von Rissen der Ligamenta radioulnaria, ist die Kausalität nicht schwer herzustellen; denn wenn Rupturen beider oder eines dieser Bänder vorliegen, so ist das stabilisierende Moment des Diskus aufgehoben und eine tatsächliche Verletzung anzunehmen. Vier Hauptmechanismen sind für eine Diskusverletzung beschrieben (Geisl und Pühringer, 1989): 1. Das Kompressionstrauma mit Stoßwirkung entlang der Unterarmachse (Sturz auf die abstützende Hand). Dadurch kommt der Diskus zwischen Os lunatum und Ellenkopf, gerade an der schwächsten Stelle, unter Druck. Kernspintomografisch kann dieser Schaden erkannt werden. Bei traumatischen Verletzungen dieser Art sind Knochenödeme an den korrespondierenden ossären Anteilen erforderlich. 2. Bei einer unphysiologischen Zug- oder Druckbelastung kann es zu Schäden bei einer Fehlstellung am distalen Unterarm kommen, also nach knöchern geheilten Frakturen mit Längendifferenz. Hier handelt es sich um eine Verletzungsfolge zur Fraktur. 3. Bei allen Frakturen im Handgelenksbereich, die mit einer Verschiebung der knöchernen Ansatzpunkte des Diskus einhergehen (distale Radiusfraktur). 4. Das forcierte Hypersupinationstrauma mit Zerreißung eines der Ligamenta radioulnaria. Die anerkannte Klassifikation der Diskusschäden stammt von Palmer (1989) mit Unterteilung in Klasse 1 = traumatisch und Klasse 2 = texturgestört (entspricht ulnokarpales Abutment-Syndrom). Da zentrale Diskusdefekte (vgl. Klasse 3) nicht selten bestehen, sind Verletzungen auch in diesem Zustand nachweisbar und klassifizierbar (Hempfling und Weise, 2007b). Alle Diskusschäden (Klasse 1, Klasse 2, Klasse 3) sind kernspintomografisch und arthroskopisch diagnostizierbar (Abb. 10.19), wobei bei der arthroskopischen Diagnostik ein Einblick auf die Ligamenta radioulnaria nicht möglich ist; abgegrenzt werden kann lediglich der Meniskus ulnocarpalis (Schütz et al., 1996). Die histologische Untersuchung ist in der Aussage vergleichbar mit der am Labrum glenoidale sowie am Kniegelenkmeniskus.
10.5.2 Histopathologische Diagnostik Der Handgelenkdiskus (Discus articularis ulnae) besteht wie der Meniskus und das Labrum glenoidale aus Faserknorpelgewebe. Die Kriterien für die Texturstörungen sowie für die Alterbestimmung von Kontinuitätstrennungen gelten gemäß den für den Meniskus genannten Kriterien. Hinzuweisen ist auf die Möglichkeit, dass im Rahmen eines operativen Eingriffes zusätzlich Gelenkkapsel, Gelenkknorpel und Bandanteile entfernt werden und diese zur histopathologischen Begutachtung gelangen können.
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10 Begutachtung des Bewegungsapparates Klasse I
A
C
B ohne Fraktur
D ohne Radiusfraktur
B mit Fraktur
D mit Radiusfraktur
Klasse II
A
B
D
E
C
Klasse III
A
B
C
D
E
F
10.6 Sehnenbegutachtung
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10.6 Sehnenbegutachtung 10.6.1 Sehnenschädigung (ICD 10: T14.6, M66.59) Neben dem Schadensbild – in aller Regel wird man immer das Bild einer frischen Kontinuitätsunterbrechung sehen – ist der Schadensmechanismus von Bedeutung. Während in der privaten Unfallversicherung auch die außergewöhnliche Kraftanstrengung mitversichert ist, trifft dies für die gesetzliche Unfallversicherung nicht zu. Die außergewöhnliche Kraftanstrengung als willentlicher Akt muss die Zugfestigkeit der Sehne berücksichtigen. Nachdem die Zug- und Hebefestigkeit der Sehne über der Kraftbildungsfähigkeit des Muskels liegt, ist vor einer Sehnenschädigung das Versagen des Muskels zu erwarten, d. h., die Last wirkt nicht auf die Sehne ein. Ist eine Sehne weniger zugfest, als der Muskel an Kraft entwickeln kann, so ist die Sehne krankhaft verändert und es besteht eine pathologische Sehnenruptur. Die Ursache für ein derartiges Missverhältnis zwischen Belastung und Belastbarkeit der Sehne ist in einer Texturstörung des Sehnengewebes, in altersbedingten Veränderungen, Erkrankungen oder auch Mikrotraumen durch eine Überbelastung („overuse“) zu sehen. Die histopathologischen Kriterien der Texturstörung umfassen Granulationsgewebsbildung, variable Zellularität (inhomogene Verteilung der Tendozytenkerne), erhöhten Fasergehalt mit erhöhter Eosinophilie der Grundsubstanz (Narbenbildung) und Kalzifikationen/reaktive Geflechtknochenbildung. Anders verhält es sich bei der plötzlichen passiven Bewegung eines muskulär festgestellten Gelenks. Hier führt die maximale Kraftanstrengung in der Muskulatur zu einer Fixierung eines Gelenkes. Wirkt dann eine zusätzliche passive Kraft ein, so kommt es nicht mehr koordiniert gesteuert zu einer Erhöhung der Zugspannung, sondern die auftretende Kraft trifft direkt die kollagenen Fasern in der Sehne. Die Folge kann eine Sehnenruptur aufgrund einer überfallartigen Spitzenlast sein, für die die Sehne nicht geschaffen ist. Histopathologisch ist hier keine Texturstörung zu erwarten, da von einer überfallartigen Spitzenlast auf normales, gesundes Gewebe ausgegangen wird. Kommt es durch einen Stich oder Schnitt im Sinne einer direkten äußeren Krafteinwirkung zu einer Sehnendurchtrennung, so ist die Kausalität klar. Bei stumpfer Krafteinwirkung erholt sich die Sehne, ist aber die Kraft erheblich und quetschend, so kann die Sehne verletzt werden bis hin zur Kontinuitätsunterbrechung in Abhängigkeit von der einwirkenden Kraftstärke. Bestehen Zeichen der Texturstörung und liegt ein geeignetes Unfallereignis vor, so bestehen zwei Ursachen im medizinisch/naturwissenschaftlichem Sinn. Die wesentliche Ursache muss somit im Rechtssinne festgestellt werden. Die Texturstörung und auch das Unfallereignis sind zu bewerten, die Texturstörung muss histopathologisch bewiesen sein. Die erforderliche histologische Untersuchung muss eine über die physiologische Alterung des Gewebes hinausgehende Texturstörung beweisen. Hierdurch kann in der GUV eine Gelegenheitsbedingung angenommen werden. Texturstörungen sind aber auch magnetresonanztomografisch nachweisbar, bei großer Gesamtgenauigkeit dieser Untersuchung. Die histopathologische Altersbestimmung von Kontinuitätstrennungen/Rissen trägt ebenfalls einen wesentlichen Beitrag in der Sehnenbegut◄ Abb. 10.19: Einteilung der Diskusschäden nach Palmer (1989) und bei zentralem Defekt (Hempfling und Weise, 2007b).
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10 Begutachtung des Bewegungsapparates
achtung bei. Eine verwertbare Aussage liefert die Histopathologie bis etwa sechs Wochen nach dem Unfallereignis. Ab etwa dem 3. Monat versagt die histologische Diagnostik, da ein bereits wiederhergestelltes Sehnenengewebe vorliegen kann. Generell ist festzuhalten, dass bei gutachterlichen Fragestellungen im Hinblick auf die Zusammenhangsfrage die endgültige Beurteilung dem klinischen/chirurgischen Begutachter vorbehalten sein sollte.
10.6.2 Histopathologische Kennzeichen der Texturstörungen von tendinösem Gewebe Normales tendinöses Gewebe (sog. kollagenes straffes Bindegewebe) zeichnet sich durch eine homogene Verteilung der Tendozyten/Tendozytenkerne sowie durch eine homogene Anfärbbarkeit der Grundsubstanz aus (Abb. 10.20 a). Wie bei allen bradytrophen Geweben besteht eine geringe kapilläre Vaskularisation mit ebenfalls homogen verteilten Endothelien. Kriterien der Texturstörung des tendinösen Gewebes – Granulationsgewebsbildung – variable Zellularität des tendinösen Gewebes (inhomogene Verteilung der Tendozytenkerne) – erhöhter Fasergehalt mit erhöhter Eosinophilie der Grundsubstanz (Narbenbildung; Abb. 10.20 b und 10.20 c) – Kalzifikationen und reaktive Geflechtknochenbildung Texturstörungen von tendinösen Geweben werden in der Literatur oft mit dem Synonym Vorschädigung bezeichnet. Altersbestimmung von Kontinuitätstrennungen des tendinösen Gewebes Die vorliegenden orientierenden Zeitangaben zu den reparativen Veränderungen nach Teil-Kontinuitätstrennung (sog. Rissaltersbestimmung) stützen sich auf ältere tierexperimentelle Daten (Postacchini et al., 1978) und sind aufgrund der morphologischen Ähnlichkeiten der Gewebe auf humanes Gewebe übertragbar.
Abb. 10.20: Histopathologische Kennzeichen der Texturstörung von tendinösem Gewebe. a: normales tendinöses Gewebe mit homogener Anfärbbarkeit der Grundsubstanz und homogener Verteilung der Tendozyten (Originalvergrößerung 150-fach, HE), b: Texturstörungen/Vorschädigung des tendinösen Gewebes mit Narbenbildung (linke Bildhälfte) und Kapillarproliferaten bei insgesamt variabler Zellularität (Originalvergrößerung 150-fach, HE), c: Texturstörungen/Vorschädigung des tendinösen Gewebes mit Kapillarproliferaten (Originalvergrößerung 150-fach, HE).
10.6 Sehnenbegutachtung
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1. Tag bis 2.Tag: Aufgefasertes Sehnengewebe mit reduzierter Zellularität der Tendozyten (rissnahe Nekrose), Fibrinpräzipitate und dichter neutrophiler granulozytärer entzündlicher Infiltration. In diesem Zusammenhang sollte darauf hingewiesen werden, dass durch die Manipulation des Meniskus beim operativen Eingriff (z. B. durch arthroskopische Zange) ebenfalls Auffaserungen erfolgen bzw. erfolgen können. Diese artifiziellen Auffaserungen können in seltenen Fällen von der eigentlichen frischen Kontinuitätstrennung schwer abgrenzbar sein. Artifizielle Auffaserungen zeigen, da sie weniger als eine Stunde alt sind, im Allgemeinen keine Fibrinpräzipitate und keine neutrophilen granulozytären Infiltrate (Abb. 10.21 a). Bis 4. Tag: Immigration von Endothelien aus dem peritendinösen Gewebe. 5.–7. Tag: Ab diesem Zeitpunkt ist Hämosiderin nachweisbar. 6.–12.Tag: Ausbildung von Granulationsgewebe mit Abbau des nekrotischen Sehnengewebes (Abb. 10.21 b). Ab 21. Tag: Nachweis eines zellarmen Ersatzgewebes (Abb. 10.21 c). Bis zum 64. Tag: Zunahme der Matrix und Wiederherstellung eines weitgehend normalen Sehnengewebes. Ab dem 90. Tag: Weitgehend wiederhergestelltes Sehnengewebe. Die hier beschriebenen Veränderungen betreffen eine partielle Durchtrennung der Achillessehne des Kaninchens, sind aber, abgesehen von der Wiederherstellung des Sehnengewebes, weitgehend auf vollständige Sehnendurchtrennungen übertragbar. Unterscheidung von rissnahem und von rissfernem Gewebe Eine Beurteilung der Texturstörung setzt voraus, dass im übersandten Material rissnahes von rissfernem Gewebe unterscheidbar ist. Dies ist insbesondere bei der Übersendung von fragmentierten Materialien problematisch. Die Notwendigkeit der Beurteilung von rissfernem Gewebe besteht darin, dass einmal im Riss durch die Aufsplitterung/Fragmentierung des Gewebes keine Beurteilung möglich ist und zum anderen rissnahes
Abb. 10.21: Altersbestimmung von Kontinuitätstrennungen des tendinösen Gewebes. a: frische Kontinuitätstrennung des tendinösen Gewebes mit Auffaserung sowie Nachweis neutrophiler Granulozyten und einzelnen Erythrozyten (Originalvergrößerung 150-fach, HE), b: ältere Kontinuitätstrennung des tendinösen Gewebes mit Ausbildung von Granulationsgewebe und Abbau des nekrotischen Sehnengewebes (linke obere Bildhälfte; Originalvergrößerung 150-fach, HE), c: alter Sehnenriss, bestehend aus zellarmem Ersatzgewebe und geglätteter Oberfläche (Originalvergrößerung 150-fach, HE).
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10 Begutachtung des Bewegungsapparates
Gewebe durch den Riss selbst eine Schädigung im Sinne sekundärer Texturstörungen erfährt und somit für die Beurteilung der Texturstörungen nicht geeignet ist. Im Allgemeinen ist rissfernes Gewebe dadurch gekennzeichnet, dass diese Gewebepartikel keine Kenzeichen einer Kontinuitätstrennung aufweisen. Ist diese Unterscheidung nicht möglich, sollte der histopathologische Befund wie folgt abgefasst werden: Da rissfernes Gewebe im übersandten Material nicht eindeutig nachweisbar ist, kann keine Aussage zur Texturstörung des Sehnengewebes erfolgen. In einem solchen Fall beschränkt sich die histopathologische Begutachtung ausschließlich auf die Altersbestimmung der Kontinuitätstrennung.
10.6.3 Achillessehne (ICD 10: S86.0) Als stärkste Sehne des Körpers erleidet die Achillessehne an kritischer Stelle 3–5 cm oberhalb des Ansatzes am Fersenbein häufig Kontinuitätsunterbrechungen. Für die Begutachtung gelten die allgemeinen Kriterien bezüglich des Schadenherganges.
10.6.4 Rotatorenmanschette (ICD 10: M75.1) Die Sehnen der Rotatorenmanschette (Musculus subscapularis, Musculus supraspinatus, Musculus infraspinatus, Musculus teres minor und ergänzend lange Bizepssehne) unterliegen einer besonderen anatomischen Problematik, da es sich nicht um frei verlaufende Sehnen handelt, sondern um Sehnen, die sowohl über ein Hypomochlion gleiten (Humeruskopf) als auch in einem anatomisch vorgegebenem Raum (subakromial) verlaufen. Somit sind die bekannten biomechanischen Eigenheiten des Hypomochlions und gleichzeitig die Einengung in einem knöchernen Raum zu beachten. Das Umlenken von Sehnen über ein Hypomochlion führt histologisch häufig zur chondroiden Metaplasie mit nachfolgender Texturstörung der Sehne, die Einengung im subakromialen Raum hat ebenfalls die Texturstörung zur Folge. Entsteht dadurch, ohne Unfallereignis, eine Defektbildung in der Rotatorenmanschette, so ist nach zwölf Wochen von einer Atrophie der zu der Sehne gehörenden Muskelzellen auszugehen. Diese Atrophie führt zu einer fettigen Infiltration zwischen den Muskelzellen. Es liegt also keine fettige „Degeneration“ vor, wie in der Literatur häufig beschrieben, sondern eine fettige Infiltration bei Atrophie der Muskelzellen im Sinne regressiver Veränderungen (Melis et al., 2010). Das Stadium 2 der fettigen Infiltration findet man etwa 2,5 Jahre nach dem Beginn der Symptomatik einer Kontinuitätsunterbrechung der Rotatorensehnen (Melis et al., 2010). Die Zahl der Rotatorendefekte nimmt mit zunehmendem Alter zu, somit ist auch die Texturstörung altersbedingt häufig. Zu Schäden an der Rotatorenmanschette führen auch die Instabilitätsfolgen z. B. beim anterior-superioren Impingement unter Einbezug der Pulley-Region, daher ist zur Beurteilung der Rotatorenmanschette eine möglichst präzise Diagnose erforderlich. Der Begriff eines subakromialen Impingements allein ist nicht ausreichend, hier sind genauere Hinweise unter Nennung des pathomorphologischen Substrates notwendig. Zwei Mechanismen erscheinen geeignet, eine frische Rotatorenmanschettenruptur zu verursachen:
10.6 Sehnenbegutachtung
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1. das Abscheren des Sehnenansatzes von innen, z. B. bei der Schulterluxation 2. eine zusätzliche exzentrische Belastung der vorgespannten Anteile der Rotatorenmanschette mit Abriss der knöchernen Verankerung oder auch Riss der Sehne in der kritischen Zone. Diese Mechanismen können eine gesunde beziehungsweise altersentsprechende, aber auch im Sinne einer Texturstörung vorgeschädigte Sehne zur Kontinuitätsunterbrechung bringen. Die dann vorliegende Texturstörung, meist mit Zellzahlminderung, muss im Vollbeweis nachgewiesen sein. Hierzu bedarf es dann der histologischen Untersuchung. Bezüglich der Gesamtdiagnose ist neben der Magnetresonanztomografie insbesondere die Arthroskopie erfolgreich, sodass auch das Abgrenzen eines anteriorsuperioren Impingements von einer tatsächlichen Schädigung der Rotatorenmanschette möglich wird. Es gilt, Pro- und Kontrakriterien sowohl bezüglich der klinischen Untersuchung als auch bezüglich der Bildgebung, der Arthroskopie und Operation beziehungsweise Histologie zu berücksichtigen. Histopathologische Kriterien Die Sehnen der Rotatorenmanschette nehmen dahingehend eine Sonderstellung ein, dass sie typischerweise eine sog. chondroide Metaplasie zeigen. Die chondroide Metaplasie ist ursächlich mit dem sog. Impingement verbunden. Aufgrund der Reibung der Sehne (sog. Impingement) in einem umschriebenen, eingesunkenen, von Knorpel begrenzten Areal (Sulcus) erfolgen eine Fragmentierung des Sehnengewebes sowie ein Umbau in ein chondroid aussehendes Gewebe. Aufgrund der Homogenisierung und Basophilie der Grundsubstanz und der isolierten Lagerung vereinzelt liegender Zellen (Tendozyten) ergibt sich ein hyalin-knorpelähnlicher/chondroider Aspekt (Abb. 10.22). Wenngleich hierdurch bei den Rotatorenmanschetten-Sehnen eine besondere Situation vorliegt, gelten die allgemeinen Kriterien der Rissalterbestimmung. Die Veränderungen der Rotatorenmanschetten-Sehnen zeichnen sich durch inkomplette Rupturen mit konsekutiver Granulationsgewebsbildung aus. Ein anderes Erkrankungsbild ist die Tendinosis calcarea, welche aus Gründen der Vollständigkeit genannt wird. Überwiegt die entzündliche Komponente, spricht man
Abb. 10.22: Chondroide Metaplasie der Sehne der Rotatorenmanschette mit oberflächlichen Fibrinablagerungen (Originalvergrößerung 150-fach, HE).
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Abb. 10.23: Tendopathia calcarea mit granulären Kalkdepositionen in Fremdkörperriesenzellen = Psammom-Körperchen (Originalvergrößerung 150-fach, HE).
von der schmerzhaften Tendinitis calcarea. Eine verstärkte Minderdurchblutung führt zur Schädigung der Sehne und des Sehnenansatzes mit der Folge tendinöser Kalzifikationen und Einlagerung von Kalk in der Sehnenmatrix (Abb. 10.23). Bei etwa 50 % älterer Menschen findet man histologisch Mikrokalkdepots, die zu 87 % auf einer Mammografiefolie abgebildet werden können und am Nativröntgenbild eines Patienten zu 69 % erkennbar sind. Einzelne Mikroverkalkungsherde dagegen sieht man lediglich bei 6 % der Röntgenbilder als Kalkdepots (Ott, 1986).
10.7 Begutachtung von Bandschäden (ICD 10: S83.7) 10.7.1 Bandschädigungen Bandverletzungen (frisch oder veraltet) sind auf direkte oder indirekte Mechanismen zurückzuführen. Direkte Krafteinwirkungen bedingen normalerweise eine Verletzung der umgebenden knöchernen Strukturen; die Kreuzbandverletzung ist dann als Begleitverletzung zu werten, z. B. beim Dashboard-Mechanismus mit Verletzung des hinteren Kreuzbandes. Die meisten Bandverletzungen entstehen durch indirekte Krafteinwirkung auf das Gelenk. Das Resultat ist normalerweise eine Komplexverletzung von Bandstrukturen; isolierte vordere Kreuzbandrupturen sind denkbar selten. Voraussetzung für eine Kreuzbandruptur sind Akzelerations-/Dezelerationstraumen oder eine passive Überstreckung des Knies. Alle weiteren Mechanismen führen gewöhnlich zu Kombinationsverletzungen. Wird nach einem Unfall eine vordere Kreuzbandruptur festgestellt, was mittels Magnetresonanztomografie und Arthroskopie normalerweise gelingt, und fehlen Begleitverletzungen, so ist ein Mechanismus ursächlich, der kernspintomografisch durch Knochenödembildungen am lateralen Femurkondylus im zentralen Drittel sowie am dorsolateralen Schienbeinkopf nachweisbar wird. Der Nachweis der frischen Ruptur in Kombination mit diesem bone bruise ist beweisend für eine unfallbedingte Kreuzbandruptur, solange dies innerhalb der ersten zwei Wochen diagnostiziert wird. Bei älteren Kreuzbandverletzungen kann das Knochenödem auch fehlen. Sechs Wochen nach einem Unfall hat sich das Kreuzband aufgrund der fehlenden Zugbeanspruchung weitgehend zurückgebildet, es liegen nur noch Kreuzband-
10.7 Begutachtung von Bandschäden
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Abb. 10.24: Kreuzbandschaden. a: Aplasie, b: frische Ruptur, c: intrasynoviale Ruptur, d: veraltete Ruptur
stummel vor. Noch später fehlen auch diese, sodass der komplette Verlust des vorderen Kreuzbandes die Folge ist. Dieser Zustand muss dann differentialdiagnostisch von einer Kreuzbandaplasie abgrenzt werden, wobei es sich hier um gleichzeitig bestehende Formabwandlungen am Schienbeinkopf handelt (Abb. 10.24). Nach einer traumatischen Kreuzbandruptur wird in aller Regel eine Hämarthrosbildung nachweisbar sein. Die Ausnahme ist die intrasynoviale Ruptur ohne Eröffnen des Synovialschlauches des vorderen Kreuzbandes, dann kann auch eine Ergussbildung fehlen. Andere Bandverletzungen (z. B. Innenband des Knies) unterliegen einer typischen klinischen Symptomatik infolge der sog. „Distorsion“ (vgl. Tab. 10.1).
10.7.2 Histopathologische Kriterien Die histopathologische Beurteilung von Texturstörung (Abb. 10.25) und Altersbestimmung der Kontinuitätstrennungen von Bandgewebe orientieren sich an den Kriterien des Sehnengewebes. Dies ist aufgrund der Baugleichheit von Bandgewebe und Sehnengewebe (sog. geformtes straffes Bindegewebe) zulässig.
10.7.3 Patellaluxation Die Luxation (Verrenkung) der Kniescheibe (immer nach lateral) kann traumatisch unfallbedingt sein, aber auch ohne wesentliches Unfallereignis aufgrund anatomischer Normvarianten zustande kommen. Man unterscheidet die traumatische Patellaluxation
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Abb. 10.25: Schwergradige Vorschädigungen/Texturstörungen des Kreuzbandgewebes mit Kapillarproliferaten und reduzierter Zellularität mit umschriebenen Defekten in der Matrix (Originalvergrößerung 150-fach, HE).
als Erstereignis, in der Folge dann rezidivierende Luxationen bei nicht stabil ausgeheilter Erstluxation, dazu habituelle Luxationen, die auch ohne echtes Unfallereignis entstehen. Schließlich gibt es die permanente Patellaluxation, bei der ein dauernder Verrenkungszustand der Kniescheibe besteht. Bei der habituellen Patellaluxation (gewohnheitsmäßige Luxation) kommt es bei physiologischen bestimmungsgemäßen Bewegungen im Kniegelenk zur Kniescheibenverrenkung. Die rezidivierende Patellaluxation ist an eine vorausgehende traumatische Patellaluxation gekoppelt; die permanente Patellaluxation entsteht als Folge einer Grundkrankheit u. a. auch bei schwerster Arthrose oder nach Implantation einer Totalendoprothese. Zu beurteilen ist die traumatische Patellaluxation, die nur bei einem bestimmten Mechanismus entstehen kann. Diskutiert werden der Valgus-, der Extensions- und der Außenrotationsmechanismus, der Valgus-, der Flexions- und der Innenrotationsmechanismus sowie der Valgus-, der Extensions- und der Innenrotationsmechanismus. Zur Verrenkung der Kniescheibe bei diesen Mechanismen bedarf es aber immer eines adäquaten Quadrizepssehnenzuges (Quadrizepskontraktion). Ohne diesen ist eine Patellaluxation unfallbedingt nicht erklärbar. Die Innenrotation des Oberschenkels bei der notwendigen Valgusstellung und bei gleichzeitiger Quadrizepskontraktion ist der Mechanismus schlechthin (Fox und Del Pizzo, 1993). Schließlich wird auch der direkte Kontakt mit Krafteinwirkung auf die mediale Patellafacette genannt (Abb. 10.26). Ob nun eine Extensionsstellung oder Flexionsstellung im Kniegelenk vorliegt, scheint von untergeordneter Bedeutung zu sein. Wichtig ist aber die Beurteilung anatomischer dispositioneller Faktoren, welche die Luxationsbereitschaft der Kniescheibe erhöhen, wie Patelladysplasien, X-Bein, vergrößerter Q-Winkel über 15° sowie Trochleadysplasien und insbesondere Patellahochstand. Somit werden unfallbedingte (Stellung des Knies zum Unfallzeitpunkt) und anatomische Voraussetzungen (dispositionelle Faktoren) beurteilt. Unabhängig davon bedarf es aber der Quadrizepskontraktion bei allen Krafteinwirkungen, nicht dagegen bei der direkten Krafteinwirkung auf die mediale Patellafacette. Nimmt man die Quadrizepskontraktion bzw. die mediale Krafteinwirkung auf die Kniescheibe als Ausgangsituation,
10.7 Begutachtung von Bandschäden
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Abb. 10.26: Patellaluxation (a, b = Unfallmechanismen). a: Quadrizepskontraktion in Valgusund Oberschenkelinnenrotation, b: Sturz auf die mediale Patellafacette; c: Pathomechanismus
berücksichtigt Femurinnenrotation bzw. Unterschenkelaußenrotation und dies bei einer Valgusstellung, dazu auch die Dispositionsfaktoren auf anatomischer Grundlage, so resultieren Kausalitätsergebnisse (Tab. 10.6). Überwiegen die anatomischen Dispositionsfaktoren, so ist eine Gelegenheitsbedingung anzunehmen, wenn nicht die klassische Situation der Oberschenkelinnenrotation mit Unterschenkelaußenrotation und Valgusstellung bei gleichzeitigen Dispositionsfaktoren vorliegt (= wesentliche Teilursache). Diese wesentliche Teilursache besteht auch dann, wenn eine mediale Krafteinwirkung bei den anatomischen Dispositionsfaktoren zur Patellaluxation führt. Die Quadrizepskontraktion bei Oberschenkelinnenrotation und UnterschenkelaußenrotaTab. 10.6: Beurteilung der Patellaluxation (= Gelegenheitsbedingung, Teilursache = wesentliche Teilursache) Quadrizepskontraktion
Femurinnenrotation
Unterschenkelaußenrotation
Dispositionsfaktoren
Ergebnis
+ + + + + + + mediale Kraft mediale Kraft
+ Ø + Ø + Ø + / /
Ø + + Ø Ø + + / /
+ + + + Ø Ø Ø Ø +
Gelegenheit Gelegenheit Teilursache Gelegenheit Ursache Ursache Ursache Ursache Teilursache
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tion ohne Dispositionsfaktoren bedeuten die Ursächlichkeit, ebenso wie die mediale Krafteinwirkung ohne Dispositionsfaktoren. Zusammengefasst bedeutet dies, dass für die Beurteilung einer Patellaluxation, neben genauer Kenntnis des Unfallmechanismus, auch eine genaue Ausmessung der anatomischen Dispositionsfaktoren erfolgen muss. Die Entscheidung muss im Einzelfall getroffen werden. Histopathologische Kriterien Die geweblichen Bestandteile, welche im Rahmen der Patellaluxation entnommen werden, umfassen hyalines Knorpelgewebe und Sehnengewebe. Die histopathologische Beurteilung von Texturstörung und Altersbestimmung der Kontinuitätstrennungen orientieren sich an den allgemeinen Kriterien des Sehnengewebes.
10.8 Beurteilung der Ganglien (ICD 10: M67.49) 10.8.1 Ganglienentstehung Als Ganglion wird eine zystische Schwellung, ausgehend von einer Gelenkkapsel oder einer Sehnenscheide, die mukoide Flüssigkeit mit einer fibrösen Kollagenwand umhüllt, bezeichnet. Es handelt sich um eine lokalisierte myxoide Veränderung von Bindegewebe. Da der Ausgangspunkt für die Entstehung das Bindegewebe ist, können auch peritendinöse, intratendinöse, periostale, subperiostale, intramuskuläre, adventitiale sowie epi- und intraneurale und intraossäre Ganglien festgestellt werden. Histologisch sind alle Ganglien gleich aufgebaut. Sie besitzen eine Wand aus dichtem fibrösem Bindegewebe mit einer dünnen Innenschicht einzelner flacher Zellen, synoviale Deckzellen liegen aber nicht vor. Die Ganglienwand enthält neben kollagenen Fasern auch Myofibroblasten, die aus Fibroblasten entstanden sind. Die Anwesenheit der Myofibroblasten ist ein Hinweis auf eine Regeneration oder eine proliferative Antwort auf eine Schädigung der Gelenkkaspel bzw. des betroffenen Bindegewebes. Myofibroblasten proliferieren zu einem jungen Bindegewebe und synthetisieren Proteoglykane mit hohem Chondroitinsulfat- und Hyaluronatgehalt. Es werden histologisch erkennbare Veränderungen festgestellt, die gleichzeitig in einem Ganglion an verschiedenen Stellen gesehen werden können. Diese vier histologisch erkennbaren Stadien (Phasen) sind für die Ganglienstruktur von Bedeutung, da sie in einem Ganglion gleichzeitig auftreten können und somit verschiedene Entwicklungsphasen auch gleichzeitig aufzeigen. Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass ein Ganglion „arbeitet“, woraus sich auch erklären würde, dass ein Ganglion aufgebaut wird, in einen statischen Zustand übergeht und sich auch zurückbilden kann: Initialphase: Schwellung kollagener Fasern mit Entmischung und Bruch der Fasern. Zweite Phase: Die Verflüssigung wird fortgesetzt, das Gewebe ist mit basophilem Farbstoff anfärbbar. Dritte Phase: Es entstehen Spalten mit Flüssigkeit, die durch geformtes Bindegewebe umgeben werden. Die Höhlung wird durch eine Reihe von Fibrozyten ausgekleidet; die kollagenen Fasern liegen fest beieinander, sodass histologisch der Eindruck entsteht, der Rand der Innenauskleidung werde durch die Proliferation kollagener Bündel dichter.
10.8 Beurteilung der Ganglien
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Tab. 10.7: Theorien der Ganglienbildung Theorie
Pathogenese
Bruchtheorie
Herniation der Synovialmembran → tendogenes und arthrogenes Ganglion Zysten aus „Follicules synoviales“ „colloide Degeneration des Bindegewebes“ (Zystomtheorie) traumatischer (Mikrotraumen) Entartungsvorgang multilokuläres → unilokuläres Ganglion versprengte Keime bindegewebiger Gelenkanlagen – Arthromtheorie Proliferation von Bindegewebszellen mit gesteigerter Hyaluronatsynthese siehe Text
Retentionstheorie Degenerationstheorie
Neoplasmatheorie Tumortheorie Theorie Umwandlung von Bindegewebe
Endphase: Es besteht ein Rand aus Bindegewebe, der durch Proliferation breiter wird, nachweisbar durch Fibrozyten und Fibroblasten. Ganglien entwickeln sich meist in Gelenknähe oder an Stellen einer vermehrten Stresseinwirkung auf Gewebe. Man findet sie häufig in der Nähe eines Gelenk-, Nerven-, Gefäß- oder Sehnensystems. Es gibt mehrere Theorien der Ganglienbildung (Tab. 10.7). Im Endeffekt handelt es sich aber um eine Proliferation von Bindegewebszellen mit gesteigerter Hyaluronatsynthese. Daraus lässt sich ableiten, dass die Proliferation von Bindegewebe (Tumortheorie; Goldman und Friedman, 1969) an einer überlasteten Stelle im Rahmen der Proliferation eine Texturstörung mit Hyaluronatsynthese zur Folge hat (Degenerationstheorie, Zystomtheorie; Ledderhose, 1889). Aus der Kombination „Texturstörung und Hyaluronat-Produktion“ entstehen kleine Follicules synoviales (Retentionstheorie; Gosselin 1852). Vergrößern sich diese Follikel, so entstehen kleine und auch wachsende Ganglien, die schließlich intraartikulär und auch extraartikulär auftreten können. Der Austritt der sich entwickelnden Ganglien aus der Gelenkkapsel entspräche der Bruchtheorie (Eller, 1746). Somit können die einzelnen Theorien der Gangliogenese, ausgehend vom proliferierenden Bindegewebe, zugeordnet werden (Tab. 10.8). Tab. 10.8: Umwandlung von Bindegewebe mit Ausbildung von Ganglien Ausgangsgewebe
Tumortheorie 1969
Degenerationstheorie Zystomtheorie 1889
Binde- → Proliferation → Texturstörung gewebe
→ Hyaluronatsynthese
Retentionstheorie 1852
Bruchtheorie 1746 innerhalb
Follicules synoviales außerhalb des Entstehungsortes
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Daraus resultiert, dass nicht nur eine der bisher genannten Theorien gültig ist, sondern mehrere. Eine Theorie erklärt aber jeweils nur einen der verschiedenen Schritte der Ganglienentwicklung, z. B. die Retentionstheorie die Entstehung der Follicules synoviales u. a. Aus der Sicht der allgemeinen Pathologie treffen zwei Begriffe zu: einmal die Texturstörung als pathologische Veränderung des kollagenen Fasergeflechts und die Degeneration als zellpathologischer Begriff bei der aktiven Hyaluronat-Produktion aus Zellen. Intraartikuläre und extraartikuläre Ganglienbildungen sind nur erklärbar, wenn das pathomorphologische Substrat in einem Gelenk zu finden ist, z. B. ausgehend von den Menisken des Kniegelenks, vom Labrum glenoidale der Schulter oder auch vom Diskus oder SL-Band des Handgelenks. In Kenntnis des Entwicklungsganges kann ein Ganglion in keiner Weise eine Verletzung oder auch eine Unfallfolge darstellen. Aus Verletzungen sind aber im Sinne der Regeneration Narben zu erwarten. Narben bestehen aus Bindegewebe; und somit gilt für eine Narbe, was für alle Bindegewebsstrukturen gilt: Aus einer Narbe kann sich ein Ganglion entwickeln, aber nur, wenn durch eine überlastungsbedingte Proliferation die Entwicklung des Ganglions in die Wege kommt. Nachdem Ganglien nur an „overuse“-Stellen aus Bindegewebe entstehen, trifft dies auch für Narben an geeigneter Stelle zu. Die Voraussetzung für eine Gangliogenese sind also Bindegewebe (auch Narbengewebe) und gleichzeitig eine Überlastungsreaktion. Sowohl die Bildung von Narbengewebe als auch die Gangliogenese benötigen Zeit und ein geeignetes pathomorphologisches Substrat. Ein unmittelbar nach einem Unfallereignis nachgewiesenes Ganglion kann niemals unfallbedingt sein, da die Entwicklungszeit fehlt. Wird ein für eine Ganglionbildung geeignetes Gewebe unfallbedingt verletzt, so muss als erste Stufe die Narbenbildung einsetzen und abgeschlossen sein (mindestens sechs Wochen). In der Heilungs- und Narbenbildungsphase sind aber Überlastungen nicht zu erwarten. Soll nun ein Ganglion als mittelbare Unfallfolge entstehen, so bedarf es weiterer Zeit, wobei auch bei der Entstehung aus bindegewebigen Narben der Beginn der Proliferation nicht bekannt ist. Nachdem aber nicht die Narbe an sich zu einer Ganglienbildung neigt, sondern dazu eine Überlastungsreaktion eintreten muss, kann auch daraus keine mittelbare Unfallfolge abgeleitet werden, da ja rechtlich wesentlich (für GUV) das Überlastungsproblem gewertet wird und nicht die Narbe an sich. Anders verhält es sich bei Ganglien, wenn sich diese als Folge einer Berufskrankheit entwickeln, z. B. aus der Texturstörung eines Meniskus. Wenn sich hier eine Ganglienbildung zeigt, würde dies eine mittelbare Folge einer Berufskrankheit des Meniskus bedeuten.
10.8.2 Histopathologische Kriterien Das Ganglion ist definiert als eine Pseudozyste und somit als ein Hohlraum mit nichtepithelialen lumenbegrenzenden Zellen (Fibroblasten) (Abb. 10.27). Formal pathogenetisch geht der Pseudozystenbildung eine Proliferation von fibroblastenartigen Zellen voraus, die sich durch eine exzessive Synthese von Matrixbestandteilen auszeichnen (sog. Hyaluronoblasten). Diese sind spindelige Zellformen mit aufgezweigten vakuolisierten eosinophilen Zytoplasmen, eingebettet in eine gering basophile Matrix. Nach Proliferation und Matrixsynthese führt Zelluntergang zur Ausbildung eines Hohlraums. Somit folgt die Ganglienentstehung einem stadienartigen Ablauf.
Literatur
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Abb. 10.27: Mehrkammeriges Ganglion, teils mit vollständiger Lumenbildung (linke Bildhälfte) und fokalen pseudozystisch/myxoid differenzierten Gewebsabschnitten (rechte Bildhälfte; Originalvergrößerung 150-fach, HE).
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11 Muskelerkrankungen und Neuropathien Joachim Weis
11.1 Einleitung Etwa 1/3 der Körpermasse eines Menschen besteht aus Skelettmuskulatur. Die Muskelschwäche ist das Kardinalsymptom sowohl der primären Myopathien als auch der sekundären Schädigungen der Skelettmuskulatur, darunter der neurogenen Muskelatrophien. Skelettmuskulatur und peripheres Nervensystem sind häufig im Rahmen von systemischen Entzündungsprozessen wie Vaskulitiden und außerdem bei Stoffwechselstörungen wie Diabetes mellitus betroffen. Die Muskel- bzw. Nervenschädigung im Zusammenhang mit diesen Krankheitsprozessen ist oft recht selektiv. Die primären Krankheiten der Skelettmuskulatur (Myopathien) umfassen u. a. die Muskeldystrophien sowie die kongenitalen Myopathien, die Myositiden und die toxischen Skelettmuskelschädigungen. Analog wird bei den Krankheiten des PNS (Neuropathien) die Gruppe der hereditären Neuropathien von den nichthereditären, darunter den entzündlichen (Neuritiden) und Dysimmun- bzw. Amyloid-Neuropathien, den paraneoplastischen und den toxischen Neuropathien unterschieden. Bei den Neuropathien ist in der Regel das motorische System mitbetroffen (sensomotorische Neuropathie) bzw. sogar selektiv geschädigt (Motoneuronerkrankungen). Aus der Neurodegeneration im PNS resultiert eine sekundäre Degeneration der Skelettmuskulatur (neurogene Muskelatrophie). Muskel- und Nervenbiopsien werden mit einer stetig zunehmenden Zahl von Methoden diagnostisch ausgewertet (Weis et al., 2009a). Dazu zählen die klassischen Verfahren der Paraffinschnitt-Histologie sowie der Enzymhistochemie und der Semidünnschnitt- und Ultradünnschnitt-Technik einschließlich Elektronenmikroskopie. In Kombination mit den immer differenzierteren immunhistochemischen Methoden erlauben diese Verfahren in vielen Fällen eine Zuordnung des Krankheitsbildes. Immunhistochemie und Elektronenmikroskopie geben vor allem in der Diagnostik entzündlicher Myo- und Neuropathien und bei erblichen Krankheiten der Muskulatur und des PNS wegweisende Informationen. Immunhistochemisch können zahlreiche Strukturproteine der Muskel- und Nervenfasern sowie Populationen von Entzündungszellen markiert werden. Muskel- und Nervenbiopsien können darüber hinaus für quantitative Proteinuntersuchungen mittels Western Blot sowie für DNA-Analysen verwendet werden. Letztere sind allgemein bei Verdacht auf hereditäre Myo- und Neuropathien, besonders aber bei mitochondrialen Erkrankungen von Interesse. Mutationen der mitochondrialen DNA sind in den verschiedenen Geweben unterschiedlich verteilt (Heteroplasmie), manifestieren sich aber häufig in der Skelettmuskulatur, sodass zum Nachweis einer mitochondrialen Erkrankung in vielen Fällen Skelettmuskelgewebe histopathologisch, biochemisch und DNA-analytisch untersucht werden muss.
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11 Muskelerkrankungen und Neuropathien
Die Analyse von Muskel- und Nervenbiopsien erbringt häufig wegweisende Informationen zur Klassifikation der Erkrankung. Sie erlaubt es außerdem, die Progressionsund Regenerationstendenz zu bestimmen. Diese Daten sind für das weitere diagnostische und therapeutische Prozedere wichtig.
11.2 Myositiden und andere entzündliche Myopathien Der klinische Verdacht auf eine Myositis oder eine andere entzündliche Myopathie (Tab. 11.1) ist eine der häufigsten Indikationen zur Muskelbiopsie. Die Muskelbiopsie kann die Diagnose einer entzündlichen Myopathie sichern und die Erkrankung einer bestimmten, durch spezielle morphologische Merkmale charakterisierten Entität zuordnen (Weis und Nolte, 2009). Polymyositis (ICD-10: M33.2): Hier infiltrieren CD8-immunreaktive zytotoxische T-Lymphozyten direkt Skelettmuskelfasern. Die Entzündung führt zu fokal akzentuierten Nekrosen und Regenerationen von Muskelfasern. Einschlusskörpermyositis (ICD-10: M33.2): Auch hier besteht eine fleckförmig akzentuierte, entzündlich-nekrotisierende Myopathie mit Nachweis einer Infiltration von Muskelfasern durch zytotoxische T-Lymphozyten. Daneben finden sich jedoch sogenannte „rimmed vacuoles“ (autophagische Vakuolen), die grobscholliges, oft myelinähnliches Material enthalten (Abb. 11.1). In den elektronenmikroskopischen Präparaten sieht man sogenannte tubulofilamentöse Strukturen sowohl im Sarkoplasma als auch in Myonuklei. Diese Ablagerungen ähneln auffällig den Tau-Ablagerungen in Form von „paired helical filaments“ in Neuronen bei der Alzheimer-Krankheit. Schließlich kommen bei Einschlusskörpermyositis oft sehr ausgeprägte mitochondriale Strukturveränderungen vor. Die Kombination der Befunde einer T-Lymphozyten-ver-
Tab. 11.1: Exemplarische Muskelerkrankungen ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●
Polymyositis (ICD-10: M33.2) Einschlusskörpermyositis (ICD-10: M33.2) Dermatomyositis (ICD-10: M33.9) Anti-Jo-1-Syndrom (ICD-10: M33) Signal-Recognition-Particel- (SRP-) Antikörper-Syndrom (ICD-10: M33 Makrophagen-dominierte Myositis (ICD-10: M33) Medikamenten-induzierte Myositis (ICD-10: M33) Granulomatöse Myositiden Kongenitale Myopathien u. a. Nemalin-, myotubuläre und zentronukleäre Myopathie (alle ICD-10: G71.2) Muskeldystrophien u. a. Duchenne- und Becker-Muskeldystrophien (ICD-10: G71.0) fazioscapulohumerale Muskeldystrophie (ICD-10: G71.0) mitochondriale Myopathien (ICD-10: G71.3) vakuoläre Myopathien (ICD-10: G72.9) neurogene Muskelatrophien vor allem bei Neuropathien (ICD-10: G62.9) und Motoneuronkrankheiten wie der ALS (ICD-10: G12.2)
11.2 Myositiden und andere entzündliche Myopathien
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Abb. 11.1: Typische Muskel- und Nervenbiopsie-Befunde. a: Dermatomyositis mit endo- und perimysialer mononukleärer entzündlicher Infiltration und perifaszikulär akzentuierter Muskelfaseratrophie. Paraffinschnitt, Immunhistochemie mit Muskelfasertypen-spezifischen Myosin-Schwerketten-Antikörpern: Typ-1-Muskelfasern hell-, Typ-2-Muskelfasern dunkelrot. Maßstab = 100 μm. b: Autophagische Vakuole in einer Muskelfaser bei Einschlusskörpermyositis. Elektronenmikroskopische Aufnahme; Maßstab = 1 μm. c: Subsarkolemmale Desmin-immunreaktive Ablagerungen (Pfeile) bei myofibrillärer Myopathie. Paraffinschnitt; Maßstab = 30 μm. d: Mitochondriale Myopathie mit zahlreichen subsarkolemmal lokalisierten abnormen Mitochondrien, welche jeweils multiple parakristalline Ablagerungen enthalten. Elektronenmikroskopische Aufnahme; Maßstab = 2 μm. e: Floride Nervenfaserausfälle (dunkle Pfeile) bei Neuritis; heller Pfeil: intakte markhaltige Nervenfaser. Semidünnschitt, Toluidinblau-Färbung; Maßstab = 25 μm. f: Endoneurale entzündliche Infiltration durch CD8-immunreaktive zytotoxische T-Lymphozyten (Pfeile) bei Neuritis. Paraffinschnitt; Maßstab = 25 μm.
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11 Muskelerkrankungen und Neuropathien
mittelten chronischen Myositis mit autophagischen Vakuolen und tubulofilamentösen Ablagerungen sowie mitochondrialen Strukturveränderungen in Muskelfasern gilt als pathognomonisch für die Einschlusskörpermyositis. Dermatomyositis (ICD-10: M33.9): Man sieht chronisch-entzündliche, rundzellige Zellinfiltrate bevorzugt in Gefäßwänden und perivaskulär im Muskel. In den Infiltraten finden sich häufig relativ zahlreiche B-Lymphozyten, daneben auch T-Lymphozyten. Die intramuskuläre Kapillardichte ist fokal deutlich reduziert. Ein wichtiges indirektes Zeichen einer Dermatomyositis ist die perifaszikulär bevorzugte Muskelfaseratrophie (Abb. 11.1). Die Dermatomyositis wird als eine primär die Blutgefäße betreffende Entzündung angesehen. Neben dem Skelettmuskel sind auch die Haut, fakultativ Gelenke und das Fettgewebe in Form einer Lipodystrophie betroffen. Eine paraneoplastische Genese ist nicht selten. Anti-Jo-1-Syndrom (ICD-10: M33): Im Rahmen dieser systemischen Erkrankung, welche die Haut, die Gelenke und die Lunge befällt, finden sich eine nekrotisierende Myopathie mit perifaszikulär akzentuierter Muskelfaseratrophie, außerdem eine auffällige Vermehrung des perimysialen Bindegewebes sowie eine Makrophagen-dominierte Entzündung. Signal-Recognition-Particel- (SRP-) Antikörper-Syndrom (ICD-10: M33): Bei dieser Erkrankung sind entzündliche Zellinfiltrate in der Regel nur gering oder gar nicht ausgeprägt. Myopathische Veränderungen mit Muskelfaserde- und -regeneration sind kombiniert mit einer frühzeitig auftretenden Vermehrung des endomysialen Bindegewebes und einer Verminderung der endomysialen Kapillardichte. Auffällig sind oft die Vergrößerung von Kapillaren und die Verdickung und Hyalinisierung der Kapillarwände (sogenannte „pipe-stem“-Kapillaren) sowie eine Ablagerung von C5B-9-Komplement assoziiert mit endomysialen Kapillaren. Makrophagen-dominierte Myositis (ICD-10: M33): Diese wird einerseits bei Jo-1-Syndrom beobachtet, andererseits im Rahmen der sogenannten Makrophagen-Myofasziitis. Offensichtlich ist die letztere Erkrankung auf eine inadäquate Reaktion auf Impfungen mit intramuskulärer Injektion zurückzuführen. Medikamenten-induzierte Myopathie/Myositis (ICD-10: M33): Häufig werden nekrotisierende Myopathien von Statinen verursacht. Gelegentlich sind Statine sogar Ursache einer Rhabdomyolyse. Die Statin-induzierte Myopathie kann mit mononukleären, als Myositis imponierenden entzündlichen Infiltraten im Muskelgewebe verbunden sein. Granulomatöse Myositiden: Diese sind einerseits nicht selten im Rahmen einer Sarkoidose, andererseits bei der sogenannten idiopathischen granulomatösen Myositis mit isoliertem Muskelbefall zu beobachten.
11.3 Kongenitale Myopathien, Muskeldystrophien Muskeldystrophien sind erbliche Myopathien mit ausgeprägten Muskelfasernekrosen; kongenitale Myopathien werden als angeborene Muskelerkrankungen mit zumeist nur geringer bis fehlender nekrotisierender Komponente definiert. Ursache dieser Erkrankungen sind Mutationen in Genen, die für den Muskel wichtige Funktionen erfüllen. Dazu zählen Proteine des Sarkolemms, der kontraktilen Elemente (Abb. 11.1), des Zy-
11.6 Neurogene Muskelatrophien
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toskeletts und der Muskelfaserkerne. Charakteristische kongenitale Myopathien sind die Nemalin-, die myotubuläre und die zentronukleäre Myopathie (alle ICD-10: G71.2). Die Diagnose dieser Erkrankungen wird anhand des typischen histologischen, immunhistochemischen, elektronenmikroskopischen und Immunoblot-Musters sowie durch molekulargenetische Analysen gestellt. Bei etlichen erblichen Myopathien können relativ ausgedehnte reaktive, chronischentzündliche Muskelinfiltrate vorkommen. Die Ursache dieser Infiltrationen und auch ihre therapeutische Relevanz sind bisher unklar. Wichtig ist in jedem Falle die Unterscheidung einer hereditären Muskelkrankheit von einer Myositis. Derartige Infiltrate sind u. a. im Rahmen einer Muskelkrankheit aufgrund einer Mutation im DystrophinGen (Duchenne- und Becker-Muskeldystrophie, ICD-10: G71.0), außerdem bei Muskeldystrophien aufgrund von Merosin- und Dysferlin-Mutationen sowie bei der fazioscapulohumeralen Muskeldystrophie (ICD-10: G71.0) zu finden. Eine immunsuppressive Behandlung kann auch in diesen Fällen zu einer Verbesserung des klinischen Bildes führen und eine Absenkung des CK-Wertes bewirken, wodurch der fälschliche Eindruck einer primären Myositis verstärkt werden kann.
11.4 Mitochondriale Myopathien, ICD-10: G71.3 Bei mitochondrialen Erkrankungen ist häufig die Skelettmuskulatur betroffen. Dabei sind die charakteristischen „ragged red“-Muskelfasern mit abnormen Akkumulationen strukturell alterierter Mitochondrien nachweisbar (Abb. 11.1). Oft besteht ein maternaler Erbgang, da die mutierte mitochondriale DNA nur über die Eizelle weitergegeben wird.
11.5 Vakuoläre Myopathien, ICD-10: G72.9 Diese Erkrankungen sind mit zum Teil ausgeprägten Akkumulationen atypischen Materials in den Muskelfasern, häufig in Vakuolen, assoziiert. Viele vakuoläre Myopathien treten erst im höheren Lebensalter auf, darunter die sporadischen, bisher ursächlich nicht zuzuordnenden idiopathischen Einschlusskörpermyopathien, aber auch viele erbliche Formen. Eine Reihe von Medikamenten wie Chloroquin und Colchicin schädigt selektiv den Muskelfasermetabolismus und führt zu oft Lysosomen-assoziierten vakuolären Ablagerungen. Auch Myopathien aufgrund von Mutationen in Myofibrillen-Proteinen und anderen Strukturproteinen sowie Erkrankungen aufgrund von Alterationen der Muskelfaserkerne verursachen spezifische Muskelfasereinschlüsse. Schließlich sind viele Stoffwechselerkrankungen wie der Saure-Maltase-Mangel, Mb. Pompe, sowie die Glykogenose Typ IV (Polyglucosankörperkrankheit) und die Lipofuszinosen dieser Krankheitsgruppe zuzuordnen. Differentialdiagnostisch interessant sind Lipidspeichermyopathien, die ebenfalls zu einer sich spät manifestierenden Muskelschwäche führen können.
11.6 Neurogene Muskelatrophien Häufig wird eine Muskelschwäche und -atrophie nicht durch eine primäre Muskelfaserschädigung, sondern durch einen Ausfall der Innervation durch die motorischen Nervenfasern hervorgerufen (Tab. 11.2). Häufige Ursachen einer derartigen Denerva-
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11 Muskelerkrankungen und Neuropathien
Tab. 11.2: Exemplarische Neuropathien ● ● ● ● ● ● ●
Diabetische Neuropathie Guillain-Barré-Syndrom (ICD-10: G61.0) chronisch entzündliche Neuropathien (ICD-10: G62.9) paraneoplastische Neuropathien (ICD-10: G13.0) Dysimmun-Neuropathien und Amyloid-Neuropathien (ICD-10: G99.0) hereditäre Neuropathien (ICD-10: G60.9) toxische Neuropathien (ICD-10: G62.2)
tion sind sensomotorische Neuropathien (ICD-10: G62.9) sowie neurodegenerative Krankheiten, die selektiv die Motoneurone betreffen, darunter die ALS (ICD-10: G12.2). Oft ist die Muskel-Denervation in frühen Stadien der Erkrankungen nicht symmetrisch ausgeprägt, sodass differentialdiagnostisch Myositiden und Vaskulitiden und andere entzündliche Krankheiten zu erwägen sind. Gerade in solchen Fällen kann eine kombinierte Muskel- und Nervenbiopsie wertvolle Informationen liefern (Weis et al., 2009b).
11.7 Entzündliche Neuropathien (ICD-10: G62.9) Die häufigste Neuropathieform ist die diabetisch-mikroangiopathische Neuropathie. Hier ist eine Nervenbiopsie in der Regel nicht indiziert. Zur histopathologischen Abklärung anderer peripherer Neuropathien kann eine Nervenbiopsie, zumeist des (sensorischen) N. suralis, durchgeführt werden (Sommer et al., 2010). Eine Hauptindikation der Nervenbiopsie sind Krankheiten, welche das Interstitium betreffen. Hier sind die vaskulitischen Neuropathien eine häufige Indikation. Die Neuritiden (Abb. 11.1), vor allem das (akute) Guillain-Barré-Syndrom (ICD-10: G61.0), sowie die chronischen entzündlichen Neuropathien (ICD-10: G62.9), darunter die chronisch-inflammatorische demyelinisierende Neuropathie, CIDP, und die chronisch-inflammatorische axonale Polyneuropathie, CIAP, können ebenfalls durch eine Nervenbiopsie diagnostiziert werden. Diagnostische Kriterien sind jeweils der Nachweis von CD8-immunreaktiven zytotoxischen T-Lymphozyten im Endoneurium sowie eine ausgeprägte, fokal akzentuierte Makrophagenaktivität. Pathognomonisch für eine CIDP ist die elektronenmikroskopisch nachweisbare, direkte Makrophagen-vermittelte Entmarkung.
11.8 Paraneoplastische Neuropathien (ICD-10: G13.0) Im Rahmen von Tumorerkrankungen, oft vor klinischer Manifestation des eigentlichen Tumors, können paraneoplastische Neuropathien auftreten. Häufigster auslösender Tumor ist das kleinzellige Bronchialkarzinom. Dabei besteht oft ein rasch progredienter Nervenfaserzerfall, der nicht selten mit entzündlichen Zellinfiltraten assoziiert ist. Zeichen der Nervenfaserdegeneration fehlen. Differentialdiagnostisch ist bei mononukleärer Infiltration des Nerven auch eine Lymphominfiltration in Betracht zu ziehen. Schließlich können überdies neoplastische Erkrankungen des Nerven selbst multifokal bzw. disseminiert auftreten. Zu diesen Tumoren zählen das Neurinom, das Neurofibrom und das Perineuriom, welche bei der Differentialdiagnose einer fokal akzentuierten Neuropathie berücksichtigt werden müssen.
11.12 Vaskulitiden (ICD-10: I77.6) mit Nerven- und Muskelbeteiligung
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11.9 Dysimmun-Neuropathien und Amyloid-Neuropathien (ICD-10: G99.0) Bei diesen Erkrankungen werden in der Nervenbiopsie immunhistochemisch abnorm lokalisierte Immunglobuline nachweisbar. Eine Amyloid-Neuropathie im Rahmen von hereditären Amyloidosen wird in der Regel durch die Ablagerung von Transthyretin/ Präalbumin hervorgerufen. Die Thioflavin-S-Färbung ist beim Nachweis von Amyloidablagerungen erheblicher sensitiver als die herkömmliche Kongorot-Färbung.
11.10 Hereditäre Neuropathien (ICD-10: G60.9) Einige erbliche Neuropathien werden bei typischer Familienanamnese und klinischem Befund primär molekulargenetisch diagnostiziert. Die Nervenbiopsie ist aber in den Fällen sinnvoll, wenn die gängigen Genmutationen ausgeschlossen wurden oder wenn primär keine charakteristische Anamnese besteht. Viele erbliche Neuropathien sind durch typische histomorphologisch nachweisbare Alterationen charakterisiert. Dazu zählen u. a. die sogenannten tomakulösen Nervenfasern mit fokal stark verdickten Markscheiden. Diese treten bei der erblichen Neuropathie mit Neigung zu Drucklähmung auf. In vielen Fällen hereditärer Neuropathien, in denen am Biopsat keine eindeutige Zuordnung zu einem bestimmten Gendefekt gelingt, wird durch die Biopsieergebnisse zumindest eine ungefähre Zuordnung möglich, sodass die nachfolgende Genanalyse stark vereinfacht wird. Nicht selten bestehen zudem gleichzeitig mehrere Ursachen für eine Neuropathie, z. B. eine Kombination aus einer hereditären mit einer mikroangiopathischen bzw. (prä-)diabetischen Neuropathie.
11.11 Toxische Neuropathien (ICD-10: G62.2) Häufige Ursachen peripherer Neuropathien sind neben dem Alkoholabusus Pharmaka, darunter Zytostatika sowie Medikamente, die zur Therapie rheumatologischer Erkrankungen verwendet werden. Zu diesen neurotoxischen Medikamenten zählen Chloroquin, Gold und Penicillamin. Durch diese Pharmaka wird oft ein charakteristisches Muster von Alterationen, darunter bestimmte Formen von endoneuralen Ablagerungen, hervorgerufen. Neurotoxische Expositionen am Arbeitsplatz sind zwar heutzutage selten, aber immer differentialdiagnostisch zu bedenken.
11.12 Vaskulitiden (ICD-10: I77.6) mit Nerven- und Muskelbeteiligung Ein wichtiges Instrument zur Sicherung der Diagnose einer Vaskulitis mit Muskel- oder Nervenbeteiligung ist die Biopsie. Zur Auswahl des Biopsieortes bei dieser und anderen Indikationen kann eine Untersuchung mit bildgebenden Verfahren (MR oder Sonografie) sinnvoll sein. Eine kombinierte Nerven- und Muskelbiopsie hat eine deutlich höhere Trefferrate in Bezug auf die Detektion vaskulitischer Infiltrate als eine Biopsie nur des Nervens oder nur des Muskels. Die etablierten histologischen Kriterien der Vaskulitis-Klassifikation werden auch bei diesen Entzündungen angewendet. Floride leukozytoplastische Infiltrate und fibrinoide Gefäßwandnekrosen finden sich im akuten Stadium; später dominieren lymphomonozytäre bzw. phagozytäre Infiltrate. Rekanalisierte Blutgefäße und Gefäßaussprossungen sowie Hämosiderinablagerungen kennzeichnen das Residualstadium einer
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11 Muskelerkrankungen und Neuropathien
Tab. 11.3: Unklare Muskelschmerzen und/oder CK-Erhöhung ● ● ● ● ● ● ●
mitochondriale Myopathie Glykogenose Lipidspeichermyopathie Medikamentenwirkung Entzündung erbliche Myopathie/Muskeldystrophie neurogene Muskelatrophie
Vaskulitis mit Nerven- bzw. Muskelbeteiligung. Sehr typisch für die Vaskulitis ist die stark fokal akzentuierte Ausbreitung. Die zu beachtenden Entitäten können histologisch und immunhistochemisch differenziert werden. Wichtig ist die Unterscheidung der Polyarteriitis nodosa (ICD-10: M30.0) bzw. mikroskopischen Angiitis von einer allergischen Granulomatose (ChurgStrauss-Krankheit, ICD-10: M30.1) und einer Wegener-Granulomatose (ICD-10: M31.3). Selten sind die Hypersensitivitätsangiitis und die Riesenzellangiitis (ICD-10: M31.6), häufiger die Virus- und Malignom-assoziierten Vaskulitiden und am häufigsten die Vaskulitiden bei systemischen rheumatischen Erkrankungen wie rheumatoider Arthritis, SLE und Sklerodermie. Die Differentialdiagnose der Vaskulitiden umfasst die o. g. Myositiden sowie die erblichen Myopathien mit entzündlicher Begleitreaktion (s. o.).
11.13 Durchführung von Muskel- und Nervenbiopsien Die Muskelbiopsie sollte aus einem Muskel entnommen werden, welcher vom Krankheitsprozess erheblich betroffen ist, aber noch nicht völlig fibrotisch bzw. lipomatös umgewandelt wurde. Nach möglichst atraumatischer Entnahme ohne Quetschung oder Hämorrhagien werden die exzidierten Muskel- und Nervenabschnitte aufgeteilt. Ein Teil wird jeweils in Formaldehyd, ein zweiter in Glutaraldehyd fixiert. Von Muskelbiopsien sollte zudem ein dritter Anteil abgetrennt werden, der unfixiert kryoasserviert wird. Hieran können spezielle enzym- und immunhistochemische sowie Western-Blot-Analysen durchgeführt werden. Generell ist zu beachten, dass Muskel- und Nervenbiopsien nur in spezialisierten, apparativ und personell adäquat eingerichteten Institutionen weiterverarbeitet werden sollten. Dadurch ist sichergestellt, dass das Optimum an diagnostischer Information gewonnen wird. Für praktische Hinweise und weitere Literatur siehe http://www. neuropathologie.ukaachen.de und http://www.neuromuskulaeres-referenzzentrum. dgnn.rwth-aachen.de/.
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12 Vaskulitis Konstanze Holl-Ulrich
12.1 Einleitung Als Vaskulitis bezeichnet man eine Entzündung von Blutgefäßen durch autoimmune oder infektiöse Prozesse mit Alteration oder Zerstörung der Gefäßwand. Ätiologisch können drei Gruppen unterschieden werden: 1. idiopathische, primär systemische Vaskulitiden, 2. isolierte organbezogene Vaskulitiden und 3. sekundäre Vaskulitiden als Folge anderer Erkrankungen. Entzündungen der Blutgefäße können in allen Abschnitten des Gefäßbettes mit einer Vielzahl klinischer Manifestationen auftreten (Abb. 12.1). Histopathologisch wesentliche Kriterien der Vaskulitis-Diagnostik sind Art und Größe der befallenen Blutgefäße, der Entzündungstyp sowie ggf. der Nachweis von Immunkomplexen und extravaskulären entzündlichen Veränderungen, die in Verbindung mit den typischen Organbeteiligungen und den klinisch-serologischen Daten auch die Grundlage der Klassifikationen bilden. Eine Vaskulitis kann Zeichen einer möglicherweise lebensbedrohlichen Systemerkrankung sein, die Manifestation einer anderen chronischen Erkrankung darstellen oder als Zufallsbefund ohne weitere therapeutische Erfordernisse bleiben. Vielfach ist eine eindeutige histopathologische Diagnose nur in Verbindung mit den klinischen und serologischen Daten zu stellen.
Abb. 12.1: Klinische Manifestationen von Vaskulitiden.
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12 Vaskulitis
12.2 Diagnostik von Vaskulitiden 12.2.1 Entnahme von Biopsien Eine schlüssige Diagnosestellung einer Vaskulitis ist abhängig vom richtigen Zeitpunkt und der Wahl geeigneten Biopsiematerials. Biopsien sollten prinzipiell aus dem Randbereich einer möglichst frischen Veränderung und in ausreichender Größe und Tiefe (Nasenschleimhaut mehrere, mindestens je 0,3 cm große Biopsate, Haut unter Einschluss von Subkutis, bei Ulzeration mit Randbereich, A. temporalis mindestens 1 cm lang) entnommen werden. Der beste Zeitpunkt für eine Hautbiopsie ist ca. 24–48 Stunden nach Auftreten der Läsion (Stein et al., 2008). Herdbefunde in inneren Organen sollten möglichst vollständig entnommen und aufgearbeitet werden, daneben auch angrenzendes makroskopisch unauffälliges Gewebe, da sich hier eine Vaskulitis oftmals eindeutiger diagnostizieren lässt als im (z. T. sekundär) entzündlich alterierten Zentrum. Bei Kleingefäßvaskulitiden kann ggf. zum Nachweis von Immunkomplexen eine separate Probe für die direkte Immunfluoreszenz in speziellem Transportmedium übersandt werden.
12.2.2 Untersuchungsmethoden HE- und Elastica-van-Gieson-Färbung sind für fast alle Vaskulitisformen der Goldstandard der Diagnostik. Da zahlreiche Vaskulitiden einen fokalen oder segmentalen Gefäßbefall zeigen, sind serielle Stufenschnitte sinnvoll. Daneben können Ladewig- und Eisenfärbung zum Nachweis von Fibrin und vorausgegangenen Blutungen sowie zur immunhistochemischen Charakterisierung des entzündlichen Infiltrates ASD-Cl, CD 3 und CD 68 hilfreich sein. Darüber hinaus kann der Nachweis bzw. das Fehlen von Immunkomplexen in der Diagnostik der Kleingefäßvaskulitiden genutzt werden, wenn eine separate Probe für die direkte Immunfluoreszenz in speziellem Transportmedium übersandt wurde. Weitere Spezialfärbungen (PAS, Grocott, Ziehl-Neelsen, Giemsa), immunhistochemische und molekularbiologische Untersuchungen sind in der differentialdiagnostischen Abwägung gegenüber Infektionen und hämatologischen Neoplasien von Bedeutung, insbesondere bei extravaskulären Manifestationen.
12.2.3 Gefäßbefallsmuster Zahlreiche Vaskulitiden zeigen Präferenzen für bestimmte Gefäßtypen und -größen und Organe bzw. Körperregionen. Unterschiedliche Antigene in den verschiedenen Gefäßregionen und -typen sowie Modifikationen der molekularen, zellulären oder Matrixbestandteile z. B. durch infektiöse oder autoantigene Reaktionen können hierbei eine wesentliche Rolle spielen, wenngleich die pathogenetischen Mechanismen noch weitgehend unbekannt sind. Im Einzelnen werden in der Chapel-Hill-Klassifikation primär systemischer Vaskulitiden folgende Gefäßtypen unterschieden (Tab. 12.1 und Abb. 12.2) (Jennette et al., 1994): – große Arterien (Aorta und ihre Äste, die ganze Körperregionen versorgen, z. B. Kopf-, Hals- und Extremitätenarterien) – mittelgroße Arterien entsprechend den Hauptviszeralarterien (z. B. A. renalis, A. hepatica, Mesenterial- oder Koronararterien)
12.2 Diagnostik von Vaskulitiden
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Tab. 12.1: Chapel-Hill-Klassifikation primär systemischer Vaskulitiden (Jennette et al., 1994) Großgefäßvaskulitis Riesenzellarteriitis (Arteriitis temporalis)
Granulomatöse Arteriitis der Aorta und ihrer Hauptäste, mit einer Prädilektion für die extrakraniellen Äste der A. carotis. Oft mit Befall der A. temporalis. Tritt in der Regel bei Patienten über 50 Jahre auf und ist oft mit Polymyalgia rheumatica verbunden
Takayasu-Arteriitis
Granulomatöse Entzündung der Aorta und ihrer Hauptäste. Tritt in der Regel bei Patienten unter 50 Jahren auf
Vaskulitis mittelgroßer Gefäße Klassische Polyarteriitis nodosa (cPAN)
Nekrotisierende Entzündung mittelgroßer oder kleiner Arterien ohne Glomerulonephritis oder Vaskulitis in Arteriolen, Kapillaren oder Venolen
Kawasaki-Syndrom
Arteriitis großer, mittelgroßer und kleiner Arterien, assoziiert mit mukokutanem Lymphknoten-Syndrom. Koronararterien sind oft beteiligt. Aorta und Venen können beteiligt sein. Tritt in der Regel bei Kindern auf.
Kleingefäßvaskulitis Wegener-Granulomatose
Granulomatöse Entzündung mit Beteiligung des Respirationstraktes und nekrotisierende Vaskulitis kleiner bis mittelgroßer Gefäße, d. h. Kapillaren, Venolen, Arteriolen und Arterien. Häufig nekrotisierende Glomerulonephritis
Churg-Strauss-Syndrom
Eosinophilenreiche und granulomatöse Entzündung mit Beteiligung des Respirationstraktes und nektrotisierende Vaskulitis kleiner bis mittelgroßer Gefäße, assoziiert mit Asthma und BlutEosinophilie
Mikroskopische Polyangiitis
Nekrotisierende Vaskulitis kleiner Gefäße, d. h. Kapillaren, Venolen und Arteriolen, mit wenigen oder keinen Immunkomplexen. Nekrotisierende Arteriitis kleiner und mittelgroßer Arterien kann auftreten. Nekrotisierende Glomerulonephritis sehr häufig. Pulmonale Kapillaritis kann auftreten
Purpura Schoenlein-Henoch
Vaskulitis mit IgA-dominanten Immunkomplexen in kleinen Gefäßen, d. h. Kapillaren, Venolen oder Arteriolen. Typischerweise mit Befall von Haut, Darm und Glomeruli, assoziiert mit Arthralgien oder Arthritis
Kryoglobulinämische Vaskulitis
Vaskulitis mit Kryoglobulin-Immunkomplexen in kleinen Gefäßen, d. h. Kapillaren, Venolen oder Arteriolen. Assoziiert mit Kryoglobulinämie. Haut und Glomeruli oft betroffen. (Anmerkung: nach neueren Untersuchungen zumeist nicht essenziell, sondern in den meisten Fällen mit Hepatitis C assoziiert (Sansonno und Dammacco, 2005)
Kutane leukozytoklastische Angiitis
Isolierte kutane leukozytoklastische Angiitis ohne systemische Vaskulitis oder Glomerulonephritis
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12 Vaskulitis
Abb. 12.2: Chapel-Hill-Klassifikation primär systemischer Vaskulitiden: Gefäßbefallsmuster (Jennette et al., 1994).
– kleine Arterien (alle weiteren, auch intraparenchymalen Arterien innerhalb von Organen) – „Kleingefäße“ (Arteriolen, Kapillaren, Venolen) – Venen.
12.2.4 Der Begriff „Kleingefäßvaskulitis“ Der Begriff „Kleingefäßvaskulitis“ bezeichnet rein deskriptiv Entzündungen von Arteriolen, Kapillaren und Venolen, die sowohl primär als auch sekundär oder isoliert in einem Organ entstanden sein können. Eine Mitbeteiligung von „Kleingefäßen“ klassifiziert eine primär systemische Vaskulitis (PSV) definitionsgemäß als Kleingefäßvaskulitis, unabhängig davon, ob auch größere Gefäße mitbetroffen sind (Abb. 12.2). So ist z. B. eine primäre nekrotisierende Vaskulitis mittelgroßer Arterien bei gleichzeitigem Befall des Kapillarbettes nicht als klassische Polyarteriitis nodosa (cPAN), sondern als mikroskopische Polyangiitis (MPA) einzuordnen. Umgekehrt ist die klassische Polyarteriitis nodosa (cPAN) nur dann zu diagnostizieren, wenn keine Kleingefäß-Beteiligung vorliegt. Insbesondere die ANCA-assoziierten pauci-immunen Vaskulitiden können fast alle Abschnitte des Gefäßsystems betreffen, wenngleich ihre Prädilektion für kleine Gefäße zur Einordnung als Kleingefäßvaskulitiden geführt hat. Keinesfalls darf das morphologische Bild einer Kleingefäßvaskulitis ohne weitere klinische Angaben mit einer MPA gleichgesetzt werden, da eine Vielzahl anderer primärer, sekundärer und isolierter organbezogener Vaskulitiden einen gleichartigen Befund verursachen kann (vgl. Tab. 12.9, 12.10, 12.11).
12.2 Diagnostik von Vaskulitiden
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12.2.5 Entzündungsmuster Histopathologisch können im aktiven Stadium verschiedene Entzündungsmuster von Vaskulitiden unterschieden werden, die jedoch im Verlauf in eine weitgehend unspezifische gemeinsame Endstrecke münden: Nekrotisierende Vaskulitis (Abb. 12.7, 12.11): Vorwiegend neutrophile intramurale Gefäßwandinfiltrate, Ausbildung fibrinoider Gefäßwandnekrosen subendothelial, Endothelabhebung, häufig auch Thrombosierungen. Granulomatöse Vaskulitis (Abb. 12.3, 12.17): Vorwiegend lymphohistiozytäre Infiltrate mit Ausbildung von histiozytären Riesenzellen intramural, in Arterien bevorzugt am Übergang von Intima/Media sowie Media/Adventitia. In Kapillaren und Venolen Granulome unmittelbar subendothelial oder perivaskulär. Leukozytoklastische Vaskulitis (Abb. 12.14): Unterform der nekrotisierenden Vaskulitis mit Zerfall der Neutrophilen (= Leukozytoklasie) intramural bzw. perivaskulär. Bei Kapillaren, Venolen und Arteriolen („Kleingefäßen“) aufgrund des dünnen Gefäßwandaufbaus typischerweise perivaskuläre vorwiegend neutrophile Infiltrate mit Leukozytoklasie, häufig perivaskuläre Blutungen und intraluminale Thromben. Es wird empfohlen, den Begriff zur Vermeidung von Missverständnissen nur für kutane Kleingefäßvaskulitiden zu verwenden (vgl. Kap. 12.3.6), auch wenn prinzipiell eine Leukozytoklasie ebenfalls bei nekrotisierender Vaskulitis anderer Gefäßabschnitte auftreten kann. „Lymphozytäre“ Vaskulitis: Gemeinsame Endstrecke verschiedener Typen von Vaskulitiden mit vorwiegend lymphomonozytären Infiltraten intramural bzw. perivaskulär. Oft nicht eindeutig von reaktiven Veränderungen zu unterscheiden. Spätstadium: Intimafibrose, Lumenstenosierung und Destruktion der elastischen Fasern (für sich allein nicht beweisend für eine abgelaufene Vaskulitis!). Pseudovaskulitische Veränderungen (Differentialdiagnose der Vaskulitiden): Begleitende entzündliche Gefäßwandreaktion mit Durchwanderung der Gefäßwand durch Entzündungszellen (Diapedese) oder Thrombosierungen, Teilbild zahlreicher Erkrankungen infektiöser oder autoimmuner Genese sowie im Randbereich lokaler entzündlicher Prozesse, Abgrenzung zu den eigentlichen Vaskulitiden (Mandell, 2002).
12.2.6 Begutachtung Jede Diagnose einer Vaskulitis sollte deskriptiv das Gefäßbefallsmuster (vgl. Kap. 12.2.3), den Entzündungstyp (vgl. Kap. 12.2.5), ggf. extravaskuläre entzündliche Veränderungen und – falls erforderlich – die Ergebnisse der direkten Immufluoreszenz enthalten. Die Festlegung, ob es sich um eine primäre systemische, eine sekundäre oder eine isolierte organbezogene Vaskulitis handelt, sollte stets unter Einbeziehung der klinischen und serologischen Angaben erfolgen. Gelingt eine definitive Zuordnung auch hierdurch nicht, so sollte eine rein deskriptive Diagnose einer Vaskulitis gestellt werden, mit der Empfehlung einer rheumatologischen Abklärung. In Zweifelsfällen ist eine erneute Biopsie bzw. die Nachbefundung aller früher entnommenen Biopsien zu empfehlen.
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Tab. 12.2: Häufigkeit primär systemischer Vaskulitiden im Vaskulitis-Register Schleswig-Holstein 1998–2005 (n = 982) (Herlyn et al, 2008) Vaskulitis
n ( %)
Wegener-Granulomatose mikroskopische Polyangiitis Churg-Strauss-Syndrom Arteriitis temporalis kutane leukozytoklastische Angiitis Purpura Schoenlein-Henoch unklassifizierte Vaskulitis klassische Polyarteriitis nodosa Takayasu-Arteriitis Kawasaki-Syndrom
191 (19,5) 54 (5,5) 28 (3) 272 (27,7) 133 (13,5) 117 (11,9) 135 (13,7) 19 (1,9) 9 (0,9) 12 (1,2)
12.3 Primär systemische Vaskulitiden (PSV) Als primär systemischen Vaskulitiden werden verschiedene granulomatöse Vaskulitiden, ANCA-assoziierte (anti-Neutrophilen-zytoplasmatische Antikörper) Vaskulitiden und Immunkomplexvaskulitiden unbekannter Ätiologie zusammengefasst (Tab. 12.1 u. Abb. 12.2). PSV sind insgesamt seltene Erkrankungen mit einer Inzidenz von ca. 38–54/ Mio. in Deutschland (Tab. 12.2) (Herlyn et al., 2008). Die Klassifikation erfolgt nach der Chapel-Hill-Klassifikation (Jennette et al., 1994), die im Wesentlichen auf morphologischen Charakteristika wie Art und Größe der befallenen Blutgefäße, Entzündungstyp, Immunpathologie, Organbefallsmuster und ggf. extravaskulären entzündlichen Manifestationen basiert. Immunpathologisch unterscheidet man unter den Kleingefäßvaskulitiden Immunkomplexvaskulitiden von den pauci-immunen (mit wenig oder keinen Immunkomplexen) ANCA-assoziierten Vaskulitiden Wegener-Granulomatose, Churg-Strauss-Syndrom und mikroskopische Polyangiitis.
12.3.1 Riesenzellarteriitis/Arteriitis temporalis (RZA/AT) (ICD-10: M31.5 mit Polymyalgia rheumatica, M31.6 ohne Polymyalgia rheumatica) Die Riesenzellarteriitis/Arteriitis temporalis ist in Mitteleuropa die häufigste PSV und stellt eine Erkrankung des älteren Menschen dar; ihre Inzidenz beträgt in der Population >50. Lebensjahr ca. 34/Mio. (Reinhold-Keller et al., 2005; Herlyn et al., 2008). Typische Symptomatik sind neu aufgetretene Kopfschmerzen (bei 2/3 der Patienten), prominente, harte, druckdolente pulslose Temporalarterien (Abb. 12.3 a) (Richardson et al., 1987) und eine B-Symptomatik sowie häufig eine Polymyalgia rheumatica. Laborchemisch finden sich erhöhte Entzündungsparameter. Gefürchtete Komplikation durch Gefäßstenosen bzw. sekundäre Thrombosierung sind vor allem die Augenbeteiligung (Abb. 12.3 b) mit uni- oder bilateralem Visusverlust und/oder Gehörverlust. Neben der A. temporalis und den anderen Ästen der A. carotis externa sind in ca. 10–15 % der Fälle auch andere Äste der Aortenbogengefäße (v. a. extrakraniell, Abb. 12.4) oder die Aorta mitbefallen (Gross et al., 2003); ein Befall der A. temporalis ist nicht zwingend erforderlich. Gelegentlich kommen auch Lokalisationen außerhalb der Aortenbo-
12.3 Primär systemische Vaskulitiden (PSV)
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gengefäße vor, z. B. die Mamma (Kariv et al., 2000; Kadotani et al., 2009) oder die untere Extremität (Kermani et al., 2009; Le Hello et al., 2001). Eine Sonderform der Riesenzellarteriitis bzw. der Takayasu-Arteriitis (vgl. Kap. 12.3.2) stellt möglicherweise die nichtinfektiöse aszendierende Aortitis dar (Burke et al., 2008; Liang et al., 2009), die zumeist ohne weitere klinische Symptomatik lediglich zu einem Aneurysma der Aorta ascendens führt. Ob diese den systemischen Vaskulitiden oder den lokalisierten Riesenzellarteriitiden (vgl. Kap. 12.4.1) zugeordnet werden sollte, müssen weitere Untersuchungen zeigen. Die RZA ist eine zellvermittelte Erkrankung, die über eine Stimulation von dendritischen Zellen in der Gefäßwand zur Aktivierung von T-Helfer-Zellen (Th1 und Th17) und nachfolgender Aktivierung von Makrophagen führt (Weyand und Goroncy, 2003, 2009; Deng et al., 2010). Die Assoziation zu den Antigenen HLA-DR4 und HLA-DRB1 spricht unter anderem für eine genetische Prädisposition (Calamia et al., 1981; Richardson et al., 1987). Daneben scheinen auch klimatische und geografische Faktoren mit einem Nord-Süd-Gefälle für die Entstehung der AT eine Rolle zu spielen (Reinhold-Keller et al., 2005). Definition: Granulomatöse Arteriitis der Aorta und ihrer Hauptäste, mit einer Prädilektion für die extrakraniellen Äste der A. carotis. Oft mit Befall der A. temporalis. Tritt in der Regel bei Patienten über 50 Jahre auf und ist oft mit Polymyalgia rheumatica verbunden (Jennette et al., 1994). Diagnostische Kriterien: Bevorzugter Befall der Äste der A. carotis externa, darunter häufig der A. temporalis sowie von Ästen der übrigen Aortenbogengefäße (Abb. 12.3, 12.4), gelegentlich auch der Aorta. Die Patienten sind nahezu ausschließlich über 50 Jahre alt. Granulomatöse Arteriitis (Abb. 12.5) mit Nachweis von geordneten und ungeordneten Riesenzellen, Lymphozyten und Monozyten vorwiegend am Übergang von Intima und Media sowie von Media und Adventitia. Die granulomatöse Komponente ist nur in maximal zwei Drittel der Biopsien nachweisbar (Björnsson, 2002). Keine umschriebenen Granulome. Destruktion der Elastica interna. In der Spätphase häufig nur noch geringe entzündliche Infiltrate und eine transmurale Gefäßwandvernarbung mit Stenose. Differentialdiagnose: Bei älteren Veränderungen Arteriosklerose. Bei Befall der Aorta und Aortenbogengefäße Takayasu-Arteriitis (Tab. 12.3). Bei Befall innerer Organe isolierte bzw. lokalisierte granulomatöse Arteriitis (vgl. Kap. 12.4.1). Fazit für die Histopathologie: Unter einem Lebensalter von 50 Jahren sollte die Diagnose einer RZA/AT sehr kritisch hinterfragt werden. Die Biopsie ist auch heute noch der Goldstandard der Diagnosestellung (Zhou et al., 2009). Eine Biopsie mit weitgehend erhaltener diagnostischer Wertigkeit ist auch noch 1–4 Wochen nach Beginn einer Steroidtherapie möglich (Font und Prabharakan, 2007; Narvaez et al., 2007), der Therapiebeginn kann damit vor der bioptischen Diagnosesicherung liegen. Zur Erkennung von „skip lesions“ sollte ein mindestens 1 cm langes Arteriensegment, möglichst aus einem dopplersonografisch auffälligen Areal (Abb. 12.3 C), in Stufen in HE- und Elastica-van-Gieson-Färbung untersucht werden. Die Arteria temporalis muss nicht notwendigerweise befallen sein, auch bei Befall anderer Aortenbogengefäße, der Aorta, selten auch von Arterien anderer Körperregionen, sollte die Diagnose mitbedacht werden. Differentialdiagnostisch ist die granulomatöse Arteriitis innerer Organe/isolierte organbezogene Riesenzellarteriitis, vor allem des inneren weiblichen Genitale, zu be-
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Abb. 12.3: Riesenzellarteriitis/Arteriitis temporalis: a: Strangförmig verdickte, druckdolente Arteria temporalis (A. Brüggemann, Lübeck). b: Akute ischämische Optikus-Neuropathie: randunscharfe, prominent ödematöse Papille (P) mit kleiner Papillenrandblutung () und begleitendem venösem Gefäßverschluss (einfacher Pfeil), scheinbarer Papillenrand mit Doppelpfeilen gekennzeichnet, A = retinale Arterien, V = retinale Venen (A. Brüggemann, Lübeck). c: Duplexsonografie des Ramus frontalis der A. temporalis: typische echoarme Wandverdickung (Pfeile) (M. Both, Kiel).
Abb. 12.4: Extrakraniell manifestierte Riesenzellarteriitis: MR-Angiografie des Aortenbogens und der supraaortalen Arterien: hochgradige Stenosen der A. subclavia beidseits und der linken A. axillaris (Pfeile) (M. Both, Kiel).
12.3 Primär systemische Vaskulitiden (PSV)
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Abb. 12.5: Riesenzellarteriitis/Arteriitis temporalis: a: Querschnitt einer hochgradig stenosierten A. temoralis mit Infitmafibrose, fokaler Destruktion und Aufsplitterung der Elastica interna sowie entzündlichen Infiltraten intramural (betont an innerer und äußerer Media). b: Detail mit mehreren geordneten Riesenzellen und lymphozytären Infiltraten (obere Bildhälfte) und verkürzten, aufgesplitterten elastischen Fasern (untere Bildhälfte). Tab. 12.3: Vergleich Riesenzellarteriitis/Arteriitis temporalis und Takayasu-Arteriitis Riesenzellarteriitis/Arteriitis temporalis
Takayasu-Arteriitis
Lokalisation
Äste der A. carotis, vor allem extrakraniell In 10–15 % auch Arterien der oberen Extremitäten und Aorta
Aorta und proximale Aortenbogenäste, gelegentlich Nierenarterien Selten auch Art. pulmonalis
Alter
Nahezu ausschließlich bei über 50-Jährigen
Typisch vor dem 40. Lebensjahr
Geschlecht
w : m = 1,5 : 1
w:m = 8:1
denken. Die Takayasu-Arteriitis kann aufgrund des deutlich jüngeren Patientenalters abgegrenzt werden (Tab. 12.3); in neuerer Zeit werden Takayasu-Arteriitis und Riesenzellarteriitis von einzelnen Autoren als zwei Phänotypen derselben Erkrankung angesehen (Maksimowicz-McKinnon et al., 2009).
12.3.2 Takayasu-Arteriitis (ICD 10: M31.4) Während das konventionell histologische Bild dem der Riesenzellarteriitis/Arteriitis temporalis gleicht, befällt diese sehr seltene, von Takayasu 1908 erstmals beschriebene Arteriitis (Takayasu, 1908) ganz überwiegend Frauen (m : f 1 : 8) und tritt in der Regel unter dem 50. Lebensjahr auf (Jennette et al., 1994). Klinisch zeigen sich Fieber, Appetitlosigkeit, Schwächegefühl, Arthralgien, Myalgien und Gewichtsverlust, laborchemisch erhöhte Entzündungsparameter. Der Puls der betroffenen Gefäße ist nur schwach oder gar nicht zu tasten („pulseless disease“). Als Folge der Ischämie findet sich eine lokale Claudicatio intermittens. Typisch ist auch eine Blutdruckdifferenz zwischen beiden Armen. Angiografisch unterscheidet man sechs Haupttypen (Tab. 12.4)
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Tab. 12.4: Angiografische Klassifikation der Takayasu-Arteriitis (Hata et al., 1996) Typ
Lokalisation
I IIa IIb III IV V
Aortenbogenäste Aorta ascendens, Aortenbogen und -äste Aorta ascendens, Aortenbogen und -äste, thorakale Aorta descendens thorakale Aorta descendens, abdominelle Aorta und/oder Nierenarterien abdominelle Aorta und/oder Nierenarterien Kombination des Typs IIb und IV
(Hata et al., 1996). Häufig findet sich eine Assoziation der Takayasu-Arteriitis mit anderen Systemerkrankungen. Komplikationen sind sekundäre Thrombosen mit Gefäßverschluss (Johnston et al., 2002), Aneurysmata (in bis zu 25 % der Patienten) und konsekutive Dissektionen (Kieffer et al., 2004). Während die Chapel-Hill-Klassifikation klar zwischen Arteriitis temporalis/RZA und Takayasu-Arteriitis abgrenzt, gibt es in neuerer Zeit Hinweise darauf, dass beide Erkrankungen unterschiedliche Phänotypen derselben Erkrankung sein könnten (Maksimowicz-McKinnon et al., 2009). Eine Sonderform der Riesenzellarteriitis bzw. der Takayasu-Arteriitis stellt möglicherweise die nichtinfektiöse aszendierende Aortitis dar (Burke et al., 2008; Liang et al., 2009), die zumeist ohne weitere klinische Symptomatik lediglich zu einem Aneurysma der Aorta ascendens führt. Ob diese den systemischen Vaskulitiden oder der lokalisierten Riesenzellarteriitiden (vgl. Kap. 12.4.1) zugeordnet werden sollte, müssen weitere Untersuchungen zeigen. Definition: Granulomatöse Entzündung der Aorta und ihrer Hauptäste. Tritt in der Regel bei Patienten unter 50 Jahren auf (Jennette et al., 1994). Diagnostische Kriterien: Befall der Aorta und proximaler Anteile der Aortenbogengefäße, selten auch der A. pulmonalis (Johnston et al., 2002). Konventionell histologisch identisch mit Riesenzellarteriitis/Arteriitis temporalis, immunhistochemisch dominieren zytotoxische Zellen und NK-Zellen (Weyand und Goroncy, 2003, 2009; Abb. 12.6).
Abb. 12.6: Takayasu-Arteriitis: A. brachialis mit älterem thrombotischem Verschluss und Rekanalisierungen (Pfeile). Innerhalb der Media mehrere Granulome mit Riesenzellen (Pfeile und Inset).
12.3 Primär systemische Vaskulitiden (PSV)
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Keine umschriebenen Granulome. Biopsien erfolgen meist erst im Spätstadium, dann überwiegend Vernarbung und zungenförmige Destruktion der elastischen Fasern in der Media, Fibrose von Intima und Adventitia. Differentialdiagnose: Riesenzellarteriitis/Arteriitis temporalis (Tab. 12.3), Arteriosklerose, Aortitis bei Tuberkulose, Sarkoidose oder Morbus Behçet. Fazit für die Histopathologie: In Abgrenzung zur Riesenzellarteriitis/Arteriitis temporalis müssen Alter und Geschlecht beachtet werden (typischerweise Patientinnen unter 50 Jahren). Im Zweifelsfall sollte eine Korrelation mit dem angiografischen Bild und der Klinik erfolgen.
12.3.3 Klassische Polyarteriitis nodosa (cPAN) (ICD 10: M30.0) Der Begriff der PAN hat historisch verschiedene Vaskulitiden zusammengefasst. Seit der Chapel-Hill-Klassifikation ist er für die extrem seltene primäre nekrotisierende Vaskulitis ohne Mitbeteiligung kleiner Gefäße reserviert (Inzidenz ca. 1/Mio. [ReinholdKeller et al., 2005]). Prädilektionsorte der cPAN sind Nierenarterien (Hypertension, Infarkte), Mesenterialgefäße (Angina abdominalis, Ischämien) und periphere Nerven (Mononeuritis multiplex); radiologisch zeigen sich typische Mikroaneurysmata oder Stenosen (Guillevin et al., 2005; Vassilipoulos et al., 2002). Deutlich häufiger als die primäre cPAN sind sekundäre Vaskulitiden vom Typ der PAN (vgl. Kap. 12.5), meist Hepatitis B-assoziiert (Guillevin et al., 2005; Pagnoux et al., 2006) oder als Folge bakterieller Infektionen, v. a. durch Streptokokken oder Staphylokokken, bei rheumatoider Arthritis oder SLE (Tab. 12.11). Ein gleichartiges morphologisches Bild tritt auch als isolierte organbezogene Vaskulitis auf (Tab. 12.10), z. B. in der Haut vorwiegend an der unteren Extremität (kutane Polyarteriitis nodosa) oder an inneren Organen (vgl. Kap. 12.4.2). Definition: Nekrotisierende Entzündung mittelgroßer oder kleiner Arterien ohne Glomerulonephritis oder Vaskulitis in Arteriolen, Kapillaren oder Venolen (Jennette et al., 1994). Diagnostische Kriterien: Die primäre, klassische Polyarteriitis nodosa (Abb. 12.7) ist eine extrem seltene nekrotisierende Entzündung mittelgroßer oder kleiner Arterien (z. B. Nieren- oder Mesenterialarterien, kleine Arterien in Subkutis, Muskel oder peripheren Nerven) ohne Glomerulonephritis oder Vaskulitis in Arteriolen, Kapillaren oder Venolen (Jennette et al., 1994). Kleine bis mittelgroße Arterien sind bevorzugt betroffen, in der Akutphase häufig mit fokalem bzw. segmentalem Befall und zwiebelschalenartig aufgesplitterter Gefäßwand, fibrinoiden subendothelialen Nekrosen und vorwiegend neutrophilen Infiltraten. In der chronischen Phase finden sich vorwiegend lymphohistiozytäres Infiltrat, Destruktion der Elastica interna, zunehmende Wandfibrose und Stenose der Arterien. Differentialdiagnose: Sekundäre (Tab. 12.11) oder isolierte organbezogene (Tab. 12.10) Vaskulitis vom Typ einer PAN, Mitbeteiligung der Arterien bei ANCA-assoziierter Vaskulitis. Zur Abgrenzung zur mikroskopischen Polyangiitis vgl. Tab. 12.5. Fazit für die Histopathologie: Die klassische PAN ist als Ausschlussdiagnose zu betrachten. Histopathologisch sollte ohne weitere klinische Angaben daher besser deskriptiv eine Arteriitis vom Typ einer PAN diagnostiziert werden mit dem Hinweis,
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12 Vaskulitis
Abb. 12.7: Klassische Polyarteriitis nodosa: kleine Arterie mit Stenosierung intramuraler vorwiegend lymphomonozytärer Infiltration und weitgehender Destruktion der Elastica interna (nur am rechten Bildrand noch erhalten).
dass diese häufiger sekundär (Tab. 12.11) oder als isolierte organbezogene Vaskulitis auftritt (Tab. 12.10). Bei gleichzeitigem Befall der kleinen Gefäße (Arteriolen, Venolen, Kapillaren) ist eine klassische PAN gemäß Chapel-Hill-Klassifikation ausgeschlossen (Tab. 12.5).
Tab. 12.5: Differentialdiagnose mikroskopische Angiitis (MPA) und klassische Polyarteriitis nodosa (cPAN). GN, Glomerulonephritis; ANCA, (engl. Anti Neutrophil Cytoplamic Antibodies) AntiNeutrophilen-Zytoplasma-Antikörper; p-ANCA, perinukleäre ANCA MPA
cPAN
kleine Gefäße (Kapillaren, Venolen, Arteriolen), mittelgroße Arterien können mit befallen sein
mittelgroße und kleine Arterien
Niere: renale Hypertension und Infarkte nekrotisierende GN
nein ja
ja nein
Lunge: hämorrhagische Alveolitis
möglich
nein
periphere Neuropathie
häufig
häufig
Hautmanifestation
leukozytoklastische Hautvaskulitis
kutane Polyarteriitis nodosa
Rezidive
häufig
selten
ANCA
bis >80 % (p-ANCA)
5 Tage anhaltend Injektion der Konjunktiven Erythem und/oder Schwellung von Lippen, Zunge, Oropharynx Erythem/Induration/Schuppung der Hände und Füße polymorphes Exanthem zervikale Lymphadenopathie (meist ein einzelner Lymphknoten >1,5 cm)
Nebensymptome ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●
Reizbarkeit sterile Pyurie, Urethritis perineales Erythem/Schuppung Arthralgien, Arthritis abdominelle Schmerzen, Diarrhoen aseptische Meningitis Hepatitis obstruktiver Ikterus Gallenblasen-Hydrops Uveitis sensoneuraler Hörverlust kardiovaskuläre Veränderungen
Fieber und mindestens vier der Hauptsymptome müssen für die Diagnose gegeben sein.
Definition: Arteriitis großer, mittelgroßer und kleiner Arterien, assoziiert mit mukokutanem Lymphknoten-Syndrom. Koronararterien sind oft beteiligt. Aorta und Venen können beteiligt sein. Tritt in der Regel bei Kindern auf (Jennette et al., 1994). Diagnostische Kriterien: Nekrotisierende Vaskulitis, häufig im Bereich von Koronararterien. Ausbildung von proximal betonten Aneurysmata der Koronararterien (bis > 8 mm), selten Regredienz der Aneurysmata, häufig sekundäre Thrombosen mit Stenose bzw. Obliteration. Im Spätstadium degenerative Veränderungen der Gefäßwand ähnlich einer Arteriosklerose mit Intimafibrose und Verkalkungen (Kato, 1995). Differentialdiagnose: Infektionen, Arzneimittelreaktionen, Takayasu-Arteriitis, systemische juvenile Arthritis, Leukämien und Lymphome. Fazit für die Histopathologie: Das Kawasaki-Syndrom ist die häufigste Ursache erworbener kardialer Erkrankung im Kindesalter in USA und Japan (Barron, 2002). Es wird sehr selten biopsiert. Die Koronararterien sind bevorzugt betroffen; es finden sich charakterische Aneurysmata, in der Spätphase zeigt sich das Bild der Arteriosklerose beim Kind.
12.3 Primär systemische Vaskulitiden (PSV)
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12.3.5 ANCA-assoziierte Vaskulitiden Als ANCA-assoziierten Vaskulitiden werden Wegener-Granulomatose (WG), mikroskopische Polyangiitis (MPA) und Churg-Strauss-Syndrom (CSS) zusammengefasst (Tab. 12.7). Die ANCA-assoziierten Vaskulitiden sind mit einer Inzidenz von ca. 10–12/Mio. in Deutschland etwa gleich häufig wie die Riesenzellarteriitis/Arteriitis temporalis, wobei ca. 2/3 der Fälle auf die WG entfallen, gefolgt von MPA und CSS (Tab. 12.2) (Herlyn et al., 2008). Ihnen allen gemeinsam ist eine pauci-immune Vaskulitis (keine bzw. wenige Immunkomplex-Ablagerungen in der direkten Immunfluoreszenz) und der Nachweis von Anti-Neutrophilen-zytoplasmatischen Antikörpern (ANCA) in einem Großteil der Fälle, perinukleär (p-ANCA, meist gegen Myeloperoxidase) oder zytoplasmatisch (c-ANCA, meist gegen Proteinase 3) (van der Woude et al., 1985). Zahlreiche In-vitro- und In-vivo-Untersuchungen weisen auf eine direkte pathogenetische Rolle der ANCA in der Entstehung ANCA-assoziierter Vaskulitiden hin (Chen und Kallenberg, 2009). Aufgrund unterschiedlicher Prävalenzen der ANCA schließt ihr fehlender Nachweis eine ANCA-assoziierte Vaskulitis keinesfalls aus (Lamprecht et al., 2006). Während der häufigste Gefäßbefall im Kapillarbett auftritt (Kleingefäßvaskulitis), können bei allen ANCA-assoziierten Vaskulitiden auch größere Gefäße befallen sein (Abb. 12.2; Arlet et al., 2008). Morphologisch kann die extrarenale ANCA-assoziierte Kleingefäßvaskulitis per se nicht von einer Kleingefäßvaskulitis anderer Genese differenziert werden, wobei jedoch die Häufigkeit einer Glomerulonephritis bei WG, MPA und CSS unterschiedlich ist (Tab. 12.7).
Tab. 12.7: ANCA-assoziierte Vaskulitiden (modifiziert nach Holle et al., 2010; Guillevin et al., 1999)
Inzidenz/Mio. ANCA-Typ
WegenerGranulomatose
Churg-StraussSyndrom
Mikroskopische Polyangiitis
8,5
1,2
2,4
meist c-ANCA a
meist p-ANCA
ca. 80 %
40–80 %
>80 %a
Asthma
selten
fast immer
selten
Eosinophilie Bluteosinophilie Gewebseosinophilie
bis 12 % bis 6 %
charakteristischb (>10 %) charakteristischb
nein
extravaskuläre Granulome
möglich
möglich
nein
Sinusitis
destruierend oft mit Sattelnase
weniger schwer meist allergische Rhinitis
nein
Nierenbeteiligung
häufig
meist mild
sehr häufig
Herzbeteiligung
selten
häufig
selten
b
a
p-ANCA
ANCA-Prävalenz
a
a
im gesamten Verlauf der Erkrankung (in frühen Stadien niedrigere Prävalenz) kann unter immunsuppressiver Therapie schwanken
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12 Vaskulitis
12.3.5.1 Wegener-Granulomatose (WG) (ICD 10: M31.3) Pathogenetisch kommt es bei der WG zunächst zu einer Fehlreaktion der T-zellulären Immunantwort auf ein bisher unbekanntes Agens mit granulomatöser Reaktion zumeist im Respirationstrakt (Berden et al., 2009). Für nasalen Staphylococcus aureus konnte eine gehäufte Assoziation mit aktiver WG und einem erhöhten Rezidivrisiko nachgewiesen werden (Laudien et al., 2010). Innerhalb von granulomatösen Läsionen könnten B-Zellen die autoreaktive B-Zell-Population darstellen (Lamprecht et al., 2006; Voswinkel et al., 2006; Müller et al., 2008), die zur Bildung des ANCA gegen Proteinase 3 (c-ANCA) und damit zur Entstehung der Vaskulitis führt (Bacon, 2005). Entsprechend wird eine bis zu mehrere Jahre andauernde, auf den Respirationstrakt beschränkte Initialphase/lokalisierte Phase (maximal 50 % c-ANCA positiv) von der vaskulitischen Generalisationsphase (95 % c-ANCA positiv) unterschieden (Lamprecht et al., 2006). Ca. 5 % der Patienten verbleiben dauerhaft in der lokalisierten Phase (Holle et al., 2010). Selten kann die WG auch fulminant mit einer pulmonalen neutrophilen Kapillaritis bzw. hämorrhagischen Alveolitis beginnen, meist verbunden mit einer rapid-progressiven Glomerulonephritis (pulmorenales Syndrom) (Gross et al., 2002; Travis et al., 2002). Die Prädilektionsorte der WG zeigt Tab. 12.8. Neben dem oberen Respirationstrakt (granulomatös-nekrotisierende Rhinitis/Sinusitis oder Vaskulitis mit Ausbildung einer typischen Sattelnase durch Destruktion des Nasenknorpels [Abb. 12.9; Devaney et al., 1990; Holl-Ulrich et al., 2008]) und der Lunge (granulomatös-nekrotisierende Erkrankung [Abb. 12.10] oder neutrophile Kapillaritis mit hämorrhagischer Alveolitis [Travis et al., 1991]) sind die Nieren mit einer segmentalen, nekrotisierenden pauci-immunen Glomerulonephritis betroffen, Gelenke (Arthritis), Auge (meist Episkleritis), Haut (meist Tab. 12.8: Häufigkeit der Organmanifestationen bei Wegener-Granulomatose (im gesamten Verlauf des Follow-ups, Kohortenstudien über 100 Patienten) Organbeteiligung in %
Hoffman et al., 1992 (n = 158)
Anderson et al., 1992 (n = 265)
Reinhold-Keller et al., 2000 (n = 155)
Abdou et al., 2002* (n = 701)
Stone et al., 2003 (n = 180)
oberer Respirationstrakt
92
75
99
90
Lunge Niere Herz Haut ZNS
85 72 6 46 8
63 60 30 7,5 mg Prednisolonäquivalent über drei Monate ● Aromatase-Inhibitoren ● antiandrogene Therapie ● Therapie mit Thiazolidindionen ● sturzbegünstigende Medikamente ● Protonenpumpen-Inhibitoren
Die Diagnose einer Osteoporose basiert auf einer Synopsis von Alter, Geschlecht, dem Nachweis einer niedrigen Knochendichte sowie auf klinischen Risikofaktoren (Tab. 13.3) und extraossären Faktoren, die zu einer erhöhten Knochenbrüchigkeit beitragen. Eine Indikation zur umfassenden osteologischen Diagnostik ist dann gegeben, wenn das individuelle Risiko, innerhalb der nächsten zehn Jahre eine Wirbelkörper- oder periphere Fraktur zu erleiden, 20 % überschreitet. Die Indikation zur Einleitung einer medikamentösen Therapie liegt dann vor, wenn dieses Risiko 30 % übertrifft. Bei der klinischen Untersuchung stehen die Erfassung von Körperformänderungen als Folge von Wirbelkörperfrakturen (Abb. 13.9), die Suche nach Hinweisen für eine sekundäre Osteoporose sowie sowie die Detektion lokalisierter Schmerzen im Vordergrund. Laboruntersuchungen dienen der differentialdiagnostischen Abgrenzung gegenüber sekundären Osteoporosen und der Osteomalazie. Die Untersuchungen des BasisLaborprogramms sind in Tab. 13.4 zusammengefasst. Bestimmungen von Markern des
13.3 Osteoporose
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Abb. 13.9: Klinischer Aspekt einer Patientin mit multiplen Wirbelkörperfrakturen: Tannenbaumfalten, scheinbare Überlänge der Arme, verminderter Rippenbogen-Beckenkamm-Abstand, prominentes Abdomen.
Tab. 13.4: Laboruntersuchungen im Rahmen der Osteoporosediagnostik. Die mit * gekennzeichneten Parameter gehören nicht zu den Routineuntersuchungen Parameter
Fragestellung
Kalzium Phosphat Blutsenkung/CRP Blutbild Eiweiß-Elektrophorese Alkalische Phosphatase Gamma-Glutamyltransferase Thyreoidea-stimulierendes Hormon Kreatinin-Clearance 25-Hydroxy-Vitamin D3* Knochenumbaumarker* Testosteron bei Männern*
pHPT, Tumor-Osteolysen sHPT, Malassimilation chronische Niereninsuffizienz, sHPT, Malassimilation Entzündung, Plasmozytom, Tumor Entzündung, Tumor Plasmozytom Osteomalzie chronische Lebererkrankung Schilddrüsenerkrankung chronische Niereninsuffizienz Vitamin-D-Mangel Knochenumbauaktivität Hypogonadismus des Mannes
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13 Systemische Osteopathien
Knochenan- und -abbaus können derzeit aufgrund der noch nicht ausreichend validierten Interpretation und methodischer Defizite nicht als Routineuntersuchung empfohlen werden. Wegen der prognostischen Relevanz kommt der morphometrischen Erfassung des Schweregrades vorliegender Deformierungen und Frakturen von Wirbelkörpern eine große Bedeutung zu. Höhenminderungen im Bereich der Vorderkante, der Mitte oder der Hinterkante des Wirbelkörpers, die 20 % überschreiten, werden als Fraktur bezeichnet. Die weitere Differenzierung orientiert sich an der Klassifizierung von Genant (Genant et al., 1993). Das Risiko für Folgefrakturen steigt mit dem Schweregrad der Fraktur. Zur Messung der Knochenmineraldichte wird die Osteodensiometrie mittels Dual-XRay-Absorptiometrie (DXA) an Lendenwirbelsäule und am proximalen Femur empfohlen. Ziel dieser Untersuchung ist es zu prüfen, ob eine Osteoporose nach der Definition der WHO vorliegt (T-Wert ≤ –2,5) und/oder die Kriterien einer belegten Wirksamkeit einer spezifischen medikamentösen Therapie erfüllt werden, d. h., der T-Wert < –2,0 beträgt. Außerdem ist zur Abschätzung des individuellen absoluten Frakturrisikos das Ausmaß der Knochenmineraldichteminderung von Bedeutung, da sich das relative Frakturrisiko pro Erniedrigung um einen T-Wert um den Faktor 1,5 erhöht. Die histologische Untersuchung des Knochens hat ihren Platz in der Primärdiagnostik der Osteoporose verloren; sie kann aber im Rahmen der Diagnostik seltener sekundärer Formen einer Osteoporose (z. B. Mastozytose, asekretorisches multiples Myelom) oder bei unplausiblen Verläufen indiziert sein. In der medikamentösen Therapie der Osteoporose stehen knochenabbauhemmende Prinzipien (Bisphosphonate, RANK-Ligand-Antikörper) im Vordergrund. Für die Stimulation des Knochenanbaus ist der Einsatz von Parathormon über eine Behandlungszeit von zwei Jahren zugelassen. Sowohl die antiresorptive als auch die osteoanabole Therapie führt zu einer Reduktion des relativen Frakturrisikos um 60–80 %.
13.3.1 Glukokortikoid-induzierte Osteoporose Aufgrund des breiten Einsatzes der Glukokortikoide (GK) in der Therapie chronisch entzündlicher Erkrankungen ist die Glukokortikoid-induzierte Osteoporose die häufigste sekundäre Osteoporoseform. 30–50 % der Patienten erleiden unter einer Langzeit-Glukokortikoidtherapie Frakturen. Dabei können bereits Dosen von 2,5 mg Prednisolon pro Tag das Frakturrisiko steigern. Derzeit diskutierte Erklärungen für die individuell variable Reaktion auf eine GK-Therapie sind Polymorphismen des Glukokortikoid-Rezeptor-Gens und ein mit Alter und Dauer der GK-Therapie vermehrtes Vorkommen des Isoenzyms 1 der 11β-Hydroxysteroid-Dehydrogenase, das im Gewebe die Konversion zu hormonell aktivem Glukokortikoid katalysiert. GK führen zu einer Verminderung der Produktion von Osteoblasten- und Osteoklasten-Vorläuferzellen und zu einer gesteigerten Apoptose von Osteoblasten und Osteozyten. Eine gleichzeitige Verlängerung der Lebenszeit der Osteoklasten führt zu einer Imbalance der Osteoblasten- und Osteoklastenzahl. Der Knochenmassenverlust unter einer GK-Therapie verläuft biphasisch. Innerhalb des ersten Jahres können Mineraldichteverluste von 6–12 % auftreten; nachfolgend erreicht der Mineraldichteverluste ca. 3 % pro Jahr. Entscheidend ist der rasche Anstieg des relativen Frakturrisikos während der ersten drei Monate einer Steroidtherapie auf
13.3 Osteoporose
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Abb. 13.10: Glukokortikoid-induzierte Osteoporose, Masson-Goldner, 50-fach.
75 %. Obwohl Glukokortikoide sowohl spongiösen als auch kortikalen Knochen beeinflussen, treten Frakturen häufig an Spongiosa-reichen Knochen wie Wirbelkörper, Rippen und proximalem Femur auf. Histologisch imponieren ein Mangel an Osteoblasten an der endostalen Knochenoberfläche und eine Einschränkung der Knochenformationsrate. Die Zahl der Osteoklasten ist normal oder gering erhöht. Als Folge einer inkompletten Reparation im Rahmen des Remodelings sind Trabekelbreite und Knochenvolumen vermindert (Abb. 13.10). Eine Indikation zur Therapie mit Kalzium und Vitamin D besteht entsprechend der Leitlinien zur Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose (2009) bereits mit Beginn einer Glukokortikoidtherapie. Die Medikation mit Bisphosphonaten oder Parathormon wird empfohlen, wenn eine orale Glukokortikoidtherapie mit einer Tagesdosis von ≥7,5 mg für länger als drei Monate erforderlich ist und das Ausmaß der Mineraldichteminderung ≤ –1,5 SD an der LWS und/oder am proximalen Femur beträgt. (Dachverband der Deutschsprachigen Wissenschaftlichen Osteologischen Gesellschaften e. V.: DVO-Leitlinie 2009 zur Prophylaxe 2009).
13.3.2 Transplantations-Osteoporose Transplantationen stellen eine etablierte Therapie in den Endstadien von Erkrankungen von Nieren, Herz, Leber, Lunge, endokrinem Pankreas und zahlreichen hämatologischen Erkrankungen dar. Die Erweiterung der Immunsuppression durch CalcineurinInhibitoren (Cyclosporin A, Tacrolimus) hat zu einer höheren Überlebensrate, aber auch zu einer Steigerung der Langzeitkomplikationen wie Osteoporose und Frakturen geführt. Die Frakturgefährdung ist in der frühen Posttransplantationsperiode am höchsten. Sie resultiert aus der Kombination von vorbestehender Knochenerkrankung und Immunsuppression sowie einem häufig bestehenden Vitamin-D-Mangel. Tab. 13.5 fasst Risikofaktoren für den Knochenmassenverlust und Frakturen nach Transplantation zusammen.
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13 Systemische Osteopathien
Tab. 13.5: Risikofaktoren für Knochenmassenverlust und Frakturen nach Transplantation Faktor
Mechanismus
Alter niedriger BMI Hypogonadismus Kalzium- und Vitamin-D-Mangel Nikotin Alkohol Cholostase (Lebererkrankungen) chronische Organerkrankung (Herz, Lunge, Leber, Niere) Pankreasinsuffizienz Inaktivität
niedrige Knochenmineraldichte vor Transplantation
hochdosierte Glukokortikoid-Therapie
verminderte Knochenformation verminderte gonadale Funktion verminderter intestinaler und renaler Kalziumtransport
Calcineurin-Inhibitoren (Cyclosporin, Tacrolimus)
erhöhte Knochenresorption verminderte Nierenfunktion und Mangel an 1,25 (OH)2 Vitamin D verminderte PTH-Sekretion
Calcineurin-Inhibitoren (Sirolimus)
verminderte Knochenformation
13.4 Osteomalazie (ICD 10: M83.99) Die Osteomalazie (bei Auftreten vor dem Epiphysenschluss Rachitis genannt) ist eine systemische Knochenstoffwechselerkrankung, die durch eine gestörte Mineralisation der organischen Knochenmatrix und eine verminderte Knochenneubildung charakterisiert ist. Sie ist die klassische Vitamin-D-Mangelerkrankung und wurde bereits vor über 300 Jahren von Whistler und Glisson beschrieben (Holick, 1994). Die Assoziation von Rachitis und verminderter Sonnenexposition ist seit dem 19. Jahrhundert bekannt. Vitamin D wird zum überwiegenden Teil in der Haut unter dem Einfluss von UVB-Strahlen (280–320 nm) gebildet und nur zu einem geringen Anteil mit der Nahrung aufgenommen. In der Leber erfolgt die Hydroxylierung zu 25-OH-Vitamin D (Synonyma: Cholecalciferol, Calcidol) und in der Niere eine weitere Hydroxylierung zu 1,25-(OH)2-Vitamin D – dem aktiven D-Hormon (Calcitriol). Eine Beurteilung des Vitamin-D-Status erfolgt üblicherweise anhand des 25-OH-Vitamin-D-Spiegels. Der Zusammenhang zwischen Vitamin-D-Mangel, Knochenstoffwechsel und dem Frakturrisiko ist in Abb. 13.11 dargestellt. Neben dem Mangel an nativem Vitamin D gibt es eine Reihe, zum Teil seltener Ursachen der Osteomalazie, die in Abb. 13.12 zusammengefasst sind. Die klinische Symptomatik ist variabel und reicht von Symptomfreiheit bis zu generalisierten Knochenschmerzen und einer proximalen Myopathie mit reduzierter neuromuskulärer Koordination und erhöhtem Sturzrisiko.
13.4 Osteomalazie
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verminderte Sonnenlichtexposition niedriger 25-(OH)-D-Spiegel
geringe Vitamin-D-Zufuhr über die Nahrung
niedriger 1,25-(OH)2-D-Spiegel
verminderte Nierenfunktion
niedriges Serum-Kalzium
PTH-Anstieg
gestörte Mineralisation
vermehrte Knochenresorption
Osteomalazie
Knochenmasseverlust Fraktur
Abb. 13.11: Zusammenhang zwischen Vitamin-D-Mangel, Knochenstoffwechsel und dem Frakturrisiko.
Vit.-D-Mangel Kalzium-Mangel
앫 mangelnde Vitamin-D-Aufnahme mit der Nahrung 앫 unzureichende Sonnenlichtexposition 앫 Malabsorption (Sprue, Mb. Crohn)
gestörter Vitamin-DMetabolismus
verminderte 25-Hydroxylierung 앫 Lebererkrankungen (primär biliäre Zirrhose, chronische Hepatitis, aethylische Leberzirrhose) verminderte 1-a-Hydroxylierung 앫 Niereninsuffizienz 앫 Vitamin-D-abhängige Rachitis Typ I (VDDR-I, Mutation der 1-a-Hydroxylase) erhöhter Vitamin-D-Metabolismus (Antiepileptika, Phenobarbital, Rifampicin)
Zielorgan-Resistenz
Vitamin-D-abhängige Rachitis Typ II (VDDR-II, Vitamin-D-Rezeptor-Mutation)
gestörter Phosphatstoffwechsel
verminderte gastrointestinale Aufnahme 앫 Malnutrition /Malabsorption 앫 aluminiumhaltige Antazida vermehrter renaler Verlust 앫 x-chromosomale hypophosphatämische Rachitis (Mutation im FGF-23-Gen) 앫 automomale hypophosphatämische Rachitis 앫 tumorinduzierte hypophosphatämische Osteomalazie (Überproduktion von FGF23)
renale Tubulopathien
앫 Fanconi-Syndrom 앫 renal-tubuläre Azidose
Mineralisationsdefekte
앫 Hypophosphatasie (Mutation im Gen der alkalischen Posphatase 앫 Medikamente (Fluor, Etidronat)
Abb. 13.12: Ursachen der Osteomalazie.
268
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13 Systemische Osteopathien
Abb. 13.13: Osteomalazie, Masson-Goldner, 100-fach.
Pathognomonisch sind Pseudofrakturen (Looser-Umbauzonen) an Beckenring, Skapula und Rippen, deren Basis eine Heilungsverzögerung von Mikrofrakturen in mechanisch belasteten Regionen ist. Diese Umbauzonen sind Prädilaktionsstellen für komplette Frakturen. Histologisch dominieren breite Osteoidsäume (Abb. 13.13). Ein passageres Mehrangebot von Vitamin D und Kalzium führt zu einer streifenförmigen Mineralisation. Dadurch können Inseln nichtmineralisierten Knochens in den Trabekeln entstehen, die als „begrabenes Osteoid“ bezeichnet werden. Die Mineralisationsfront ist durch eine unvollständige Mineralisation unscharf begrenzt. Die Zahl der Osteoblasten und das Knochenvolumen können schwanken. Eine Tetrazyklinmarkierung erlaubt die Unterscheidung einer Osteoblastenstimulation von einer verzögerten Mineralisation. Die Therapie der Osteomalazie besteht in der Gabe von Kalzium und nativem Vitamin D. Bei den Erkrankungsformen, die durch eine Störung der Vitamin-D-Aktivierung verursacht werden, kommen D-Hormonpräparationen zum Einsatz. Die Phosphatverlustsyndrome erfordern eine orale Phosphatsubstitution, die mit dem Ziel der Förderung der Resorption aus dem Gastrointestinaltrakt häufig mit einer D-Hormongabe kombiniert wird. Bei den onkogenen Osteomalazien wird eine Tumorentfernung angestrebt; bei fehlender operativer Behandlungsmöglichkeit kann die Gabe von Octreotid erfolgreich sein.
13.5 Primärer Hyperparathyreoidismus (pHPT) Der pHPT tritt häufig bei solitären Nebenschilddrüsen-Adenomen auf. Hyperplasien mehrerer Drüsen im Rahmen endokriner Tumoren sind seltener. Die Erkrankung verläuft häufig klinisch asymptomatisch. In Abhängigkeit vom Ausmaß und von der Dauer der PTH-Erhöhung können sich die klassischen klinischen Symptome wie rezidivierende Nephrolithiasis, Ulzera ventrikuli, zystische Skelettveränderungen oder eine Osteoporose („Stein-, Bein- und Magenpein“) sowie Hypertonie und chronische Pankreatitis entwickeln. Zystische Skelettveränderungen, wie sie erstmals von v. Recklinghausen (1891) beschrieben wurden, sind heute eine sehr seltene Manifestation, da die Erkrankung durch routinemäßige Kalzium- und/oder PTH-Bestimmungen früher erkannt wird. Die bildgebende Diagnostik mittels Ultraschall, Computer- und Magnetresonanztomografie, Technetium-Sestamibi-Szintigrafie und Angiografie dient der
13.6 Sekundärer Hyperparathyreoidismus (sHPT)
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Abb. 13.14: Primärer Hyperparathyreoidismus, Masson-Goldner, 200-fach.
präoperativen Lokalisationsdiagnostik der betroffenen Drüse. Im Rahmen einer frühzeitigen Diagnostik kommt der Knochenmineraldichtemessung zur Quantifizierung der Osteopenie eine wichtige Rolle zu. Typische radiologische Knochenveränderungen sind in der Regel erst in späteren Krankheitsstadien nachweisbar. Pathognomonisch für einen pHPT, aber nur bei ca. 10 % der Betroffenen zu finden, sind subperiostale Resorptionen an der Radialseite der Phalangen im 2. und 3. Strahl oder im Bereich der medialen Metaphyse des proximalen Humerus, des Femur oder der Tibia. Etwa die Hälfte der Patienten entwickelt osteoklastische Läsionen im Bereich der Röhrenknochen der Hände, die als eine kortikale Streifenzeichnung und intrakortikale Tunnelierungen in Erscheinung treten. Selten kann sich die Erkrankung auch als diffuse Osteosklerose als Folge einer an die Osteoklastenstimulierung gebundenen Osteoblastenaktivierung manifestieren. Sogenannte braune Riesenzelltumoren können als fokale Läsionen an Meta- und Diaphysen auftreten. Histologisch stellt sich ein intaktes Spongiosasystem dar. Als Folge des PTH-Effektes resultiert eine gesteigerte Osteoklastogenese und eine Zunahme der Knochenumbaueinheiten sowie eine konsekutive Zunahme der Zahl und Aktivität der Osteoblasten. Diese Steigerung des Knochenumbaus führt zu einer Verbreiterung der Trabekel. Osteoid ist multilokulär nachweisbar, eine Mineralisationsstörung besteht jedoch nicht. Eine endostale Fibrose ist eher spärlich ausgebildet (Abb. 13.14).
13.6 Sekundärer Hyperparathyreoidismus (sHPT) Der sHPT entsteht als Reaktion oder Komplikation im Rahmen von Erkrankungen, die mit einer Verminderung des Serum-Kalzium-Spiegels einhergehen – der chronischen Niereninsuffizienz oder chronischer Darmerkrankungen mit Malassimilation wie chronische Colitis, Kurzdarmsyndrom und einheimische Sprue. Im Folgenden soll auf die ossären Manifestationen des sHPT im Rahmen der chronischen Niereninsuffizienz eingegangen werden. Patienten mit chronischer Nierenfunktionseinschränkung entwickeln bereits ab einer glomerulären Filtartionsrate (GFR) von < 60 ml/min Knochenstoffwechselstörungen, die unter dem Begriff renale Osteodystrophie (ROD) subsummiert werden. Für die Ausprä-
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13 Systemische Osteopathien
gung der ROD sind neben der zugrunde liegenden Nierenerkrankung das Ausmaß der Störungen im Kalzium-Phosphat-Stoffwechsel sowie Einsatz und Anwendungsdauer potenziell knochenschädigender Medikamente maßgebend. Die Progredienz der Niereninsuffizienz und der Einfluss von Nierenersatzverfahren führen zu ihrer Aggravation. Der Verlauf der ROD wird durch Knochenschmerzen, -deformierungen und Frakturen kompliziert. Daneben besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Nierenfunktionseinschränkung und der Entstehung extraskelettaler Kalzifikationen, die zu einer erhöhten kardiovaskulären Mortaliät führen. Für die exakte Klassifizierung der ROD stellt die Beckenkammbiopsie auch heute noch die Methode der Wahl dar. Vergleichbare Aussagen lassen sich aus der Analyse der Vielzahl zur Verfügung stehenden biochemischen Marker des Knochenumbaus nicht treffen (Lehmann et al., 2008). Auch die konventionelle Röntgendiagnostik ist wegen einer geringen Sensitivität nur begrenzt einsetzbar. Bei schweren Formen des sHPT können subperiostale Resorptionen in den gleichen Regionen wie beim pHPT auftreten. Ein Befall der Wirbelsäule ist durch Sklerosierungen der Wirbelkörperendplatten charakterisiert (sog. Rugger-jersey-Wirbel) (Abb. 13.15). Die Klassifizierung der ROD-Formen basiert auf histomorphometrischen Messwerten, ihrer Abweichung vom Normbereich und ihrer Relation zueinander. Nachdem in Deutschland über Jahrzehnte die Klassifikation nach Delling (Delling, 1975) verwendet wurde, hat sich in den letzten Jahren, insbesondere nach Berücksichtigung der adynamen Knochenerkrankung als eigene Entität, die internationale Klassifikation durchgesetzt. Entsprechend den Empfehlungen der Leitlinien der amerikanischen nephrologischen Gesellschaft (KDIGO – Kidney Disease Improving Global Outcomes) aus dem Jahr 2006 (Moe et al., 2006) soll die histologische Beschreibung die Parameter Knochenturnover, Mineralisation und Knochenvolumen (TMV-System) berücksichtigen (Abb. 13.16).
Abb. 13.15: Laterale Wirbelsäulenaufnahme bei chronischer Niereninsuffizienz mit Sklerosierung der Endplatten, sog. Rugger-jersey-Wirbel.
13.6 Sekundärer Hyperparathyreoidismus (sHPT)
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Abb. 13.16: T(urnover) M(ineralisation) V(olume)-System zur einheitlichen Befundbeschreibung knochenhistologischer Befunde bei renaler Osteodystrophie (OM = Osteomalazie, AD = adymane Knochenerkrankung, OF = Osteitis fibrosa, HPT = Hyperparathyreoidismus, MUO = gemischte [mixed] urämische Osteodystrophie).
Abb. 13.17: Pathogenese der renalen Osteodystrophie und resultierende knochenhistologische Befunde.
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13 Systemische Osteopathien
13.6.1 Formen der renalen Osteodystrophie (ICD 10: N25.0) Trotz einer weitgehend uniformen Pathogenese (Abb. 13.13) entwickeln sich unterschiedliche Formen der ROD. Transformationen im individuellen Krankheitsverlauf sind häufig. Unterschieden wird zwischen den High-bone-turnover-Formen (sekundärer renaler Hyperparathyreoidismus und gemischte urämische Osteodystrophie) und den Low-bone-turnover-Formen (Osteomalazie und adyname renale Knochenerkrankung). High-bone-turnover-Formen der ROD Sekundärer (renaler) Hyperparathyreoidismus (Abb. 13.18, 13.19): Diese Form entwickelt sich bei persistierender Erhöhung des PTH-Spiegels. Erhöhte Serum-PTH-Spiegel weisen einige Patienten bereits im CKD-Stadium 2 (GFR 60–90 ml/min), viele Patienten im CKD-3-Stadium und fast alle Patienten in den CKD-Stadien 4 und 5 auf, die
Abb. 13.18: Hyperparathyreoidismus bei renaler Osteodystrophie, Masson-Goldner, 100-fach.
Abb. 13.19: Hyperparathyreoidismus bei renaler Osteodystrophie, Gomori, 100-fach.
13.6 Sekundärer Hyperparathyreoidismus (sHPT)
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nicht mit Kalzium oder Vitamin-D-Metaboliten behandelt wurden. sHPT typische histologische Befunde zeigen Patienten in den CKD-Stadien 3 und 4 auch bei nur moderatem Ausmaß der PTH-Erhöhung (Hamdy et al., 1995). Bei Langzeit-hämodialysierten Patienten stellt der sHPT die häufigste Form der Knochenstoffwechselstörung dar, die bei fehlendem Ansprechen auf die medikamentöse Therapie die Parathyreodiektomie erforderlich macht. Histologisch ist der sHPT charakterisiert durch: – unregelmäßige Trabekel mit einer Vielzahl aktiver Umbaueinheiten – vermehrte Anzahl polygonaler Osteoblasten und Osteoklasten mit multiplen Kernen und prominenten Nucleoli – tiefe und irreguläre Resorptionslakunen, welche die Trabekel dissezieren oder tunnelieren – Akkumulation von fibrösem Gewebe in unmittelbarer Nachbarschaft zum Trabekel und/oder auf das Mark übergreifend bis hin zum kompletten Ersatz von Trabekelabschnitten durch Fasern – moderate Osteoidvermehrung. Gemischte urämische Osteodystrophie (Abb. 13.20): Diese Form wird primär durch eine gestörte Mineralisation mit oder ohne Steigerung der Knochenformation und einen gesteigerten PTH-Effekt verursacht. Das Ausmaß beider Komponenten kann erheblich variieren. Charakteristisch ist das Nebeneinander aktiver Foci mit einer gesteigerten Anzahl von Osteoblasten und Osteoklasten, peritrabekulärer Fibrose, unregelmäßigen Osteoidsäumen und lamellärer Osteoidformation mit reduzierter zellulärer Aktivität. Low-bone-turnover-Formen der ROD Osteomalazie (Abb. 13.21): Diese Form ist charakterisiert durch die Akkumulation unmineralisierter Matrix infolge einer gestörten Mineralisation des produzierten Kollagens. Das Osteoid bildet einen Großteil des Knochenvolumens, ist lamellär angeordnet und bedeckt große Abschnitte der Trabekeloberfläche.
Abb. 13.20: Gemischte urämische Osteodystrophie, Masson-Goldner, 100-fach.
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13 Systemische Osteopathien
Abb. 13.21: Osteomalazie bei renaler Osteodystrophie, Masson-Goldner, 200-fach.
Adyname renale Knochenerkrankung (Abb. 13.22): Diese Form der renalen Osteodystrophie wurde ursprünglich im Zusammenhang mit Aluminiumbelastungen (Abb. 13.23) bei Dialysepatienten beschrieben. Der führende histologische Befund ist eine Knochenvolumenreduktion. Das Osteoid ist erheblich reduziert oder nicht nachweisbar. Diese Befunde können in gleicher Weise auch bei anderen Osteopathien, wie der Glukokortikiod-induzierten Osteopathie, der Immobilisationsosteoporose oder der postmenopausalen Osteoporose, nachweisbar sein und sind pathogenetisch nicht an eine Niereninsuffizienz gebunden. Patienten im CKD-Stadium 4 und 5 mit einer adynamen renalen Knochenerkrankung weisen in der Regel niedrige Serum-PTH-Werte auf. Andererseits konnte bei Patienten, bei denen sich die adyname renale Knochenerkrankung als Folge hochdosierter intermittierender Calcitriolgaben aus einem sHPT entwickelt hat, die Persistenz erhöhter Serum-PTH-Werte belegt werden. Untersuchungen, die auf eine gesteigerte Frakturrate und auf eine hohe Koinzidenz mit Gewebeund Gefäßverkalkungen hinweisen, erfordern eine exakte Diagnostik der adynamen renalen Knochenerkrankung.
Abb. 13.22: Adyname renale Knochenerkrankung, Masson-Goldner, 50-fach.
13.7 Osteopetrose
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Abb. 13.23: Aluminiumnachweis am Endost bei renaler Osteodystrophie, Solochrome Azurine, 100-fach.
13.7 Osteopetrose (ICD 10: Q78.2) Osteopetrosen sind eine inhomogene Gruppe seltener hereditärer Knochenerkrankungen, deren Leitsymptom eine gesteigerte Knochenmasse ist. Pathophysiologisch kann zwischen osteoklastenautonomen und nicht osteoklastenautonomen Formen – mit Defekten der Osteoblasten und Osteozyten – unterschieden werden. In den letzten Jahren konnte eine Vielzahl von Genen, deren Mutation in Knockout-Mäusen einen osteosklerotischen Phänotyp zur Folge hat, identifiziert werden. Nach der Klinik werden bei der Osteopetrose (auch Marmorknochenkrankheit) drei Krankheitsformen unterschieden: Infantile „maligne“ Osteopetrose: Sie ist die schwerste Form, wird autosomal rezessiv (ARO) vererbt und manifestiert sich bereits im Säuglingsalter. „Intermediäre“ Osteopetrose: Diese ist zum Teil kombiniert mit renal-tubulärer Azidose und mentaler Retardierung. Morbus Albers-Schönberg: Diese Form ist autosomal dominant (ADO) vererbt und tritt meist erst im Erwachsenenalter auf. Zu Osteosklerosen nicht osteoklastenautonomer Ursache gehören die Formen mit Mutation des SOST-Gens und damit verminderter oder fehlender Expression von Sklerostin. Das Glykoprotein Sklerostin wird in der SOST-Genregion (17q12–21) codiert und hat eine molekulare Masse von 22 kD. Die höchsten Expressionsraten von Sklerostin wurden bei hypertrophen Chondrozyten und Osteozyten gefunden. Es antagonisiert die Aktivität von bone morphogenetic proteins und/oder die Wnt-Signalkaskade, indem es an den Wnt-Korezeptor LRP5/6 bindet. Dadurch hemmt es die Aktivität der Osteoblasten und befördert deren Apoptose (Li et al., 2010). Parathormon oder eine mechanische Stimulation des Knochens können die Expression von Sklerostin reduzieren. Eine verminderte Expression von Sklerostin führt zur überschießenden Knochenneubildung mit Hyperostosen und Sklerosierung im Bereich des Schädels, der
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13 Systemische Osteopathien
Abb. 13.24: Osteosklerose, Masson-Goldner, 50-fach.
Mandibula und der langen Röhrenknochen. Die Knochenformationsrate und die Knochenmineraldichte dieser Patienten sind erhöht. Der histopathologische Befund bei Osteosklerose/-petrose ist durch eine Verdichtung der Knochenstruktur durch Volumenvermehrung mineralisierten Knochens charakterisiert (Abb. 13.24). Der Anteil der Markräume ist reduziert. Die Anzahl der Osteoklasten kann erhöht, normal oder vermindert sein, je nachdem, ob eine OsteoblastenWachstums- und Reifungsstörung oder eine Osteoklasten-Funktionsstörung zugrunde liegt. Da die Osteoklasten aus hämatopoetischen Stammzellen hervorgehen, stellt die allogene hämatopoetische Stammzelltransplantation mit kurativem Ziel für eine Vielzahl der Osteopetrosen die Therapie der ersten Wahl dar. Literatur Angeli A, Guglielmi G, et al. High prevalence of asymptomatic vertebral fractures in post-menopausal women receiving chronic glucocorticoid therapy: a cross-sectional outpatient study. Bone 2006;39(2): 253–9. Arnold JS, Jee WS. Embedding and sectioning undecalcified bone, and its application to radioautography. Stain Technology 1954;29(5): 225–39. Atsumi K, Kushida K, et al. Risk factors for vertebral fractures in renal osteodystrophy. American Journal of Kidney Diseases 1999;33(2): 287–93. Blumenthal NC. Mechanisms of inhibition of calcification. Clinical Orthopaedics & Related Research 1989;(247): 279–89. Bordier P, Matrajt H, et al. Mesure Histologique De La Masse Et De La R’esorption Des Trav’ees Osseuses. Pathologie Biologie 1964;12: 1238–43. Burger EH, Klein-Nulend J. Mechanotransduction in bone – role of the lacuno-canalicular network. FASEB Journal 1999;13(Suppl): S101–12. Burkhardt R. Präparative Voraussetzungen zur klinischen Histologie des menschlichen Knochenmarks. 1. Methodische Untersuchungen zur Acrylateinbettung großerer lipidreicher Gewebsproben. Blut 1966;13(6): 337–57. Burkhardt R. Preparatory conditions for clinical histology of human bone marrow. 2. A new procedure for histological preparation of bone and bone marrow biopsies. Blut 1966;14(1): 30–46.
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14 Tumoren des Knochens Gernot Jundt
14.1 Einleitung Primäre Knochentumoren sind selten und machen etwa 0,5 % aller malignen Tumoren aus. Davon werden etwa 50 % bei Kindern und Jugendlichen beobachtet (vor allem Osteosarkome und Ewing-Sarkome). Demgegenüber treten Metastasen vorwiegend bei älteren Erwachsenen auf und sind insgesamt etwa 2,5-mal häufiger als primäre Knochentumoren. Nach wie vor gilt deshalb die Faustregel, dass man bei Verdacht auf einen Knochentumor bei Patienten, die älter als 40 Jahre sind, zunächst bis zum (histologischen) Beweis des Gegenteils an eine Metastase denken muss, während man bei Patienten jüngeren Alters auch einen primären Knochentumor in Betracht ziehen darf, der jedoch histologisch bewiesen werden muss. Trotz aller Fortschritte in der Bildgebung gilt nach wie vor, dass die Diagnostik eines malignen primären oder sekundären Knochentumors grundsätzlich der histologischen Sicherung bedarf, mit Ausnahme einiger weniger gutartiger Knochentumoren (z. B. das Osteochondrom, das OsteoidOsteom in klinisch und radiologisch typischen Fällen oder das nicht ossifizierende Knochenfibrom, manchmal auch die fibröse Dysplasie). Insgesamt sind gutartige Knochentumoren und tumorähnliche Läsionen wie zum Beispiel das nicht ossifizierende Knochenfibrom 3–4-mal häufiger als die bösartigen Formen. Eine wesentliche diagnostische Schwierigkeit in der Beurteilung sowohl gutartiger als auch bösartiger primärer Knochentumoren und der sie oft imitierenden tumorähnlichen Läsionen des Skelettsystems besteht in ihrem heterogenen histologischen Aufbau. Da die Biopsie in der Regel nur einen kleinen Ausschnitt aus diesem heterogen aufgebauten Gewebe liefern kann, ist es unerlässlich, histologische, bildgebende und klinische Befunde miteinander zu korrelieren und deshalb am besten die Diagnostik sowie die Therapie von (insbesondere malignen) Knochentumoren spezialisierten interdisziplinären Zentren zu überlassen. Während die Histologie nur einen (meist aber den entscheidenden) Ausschnitt liefert, erlaubt die Berücksichtigung von Radiologie und Klinik, diesen Ausschnitt in den richtigen Zusammenhang zu stellen. Dabei liefert die konventionelle Röntgenuntersuchung, besonders bei Läsionen der langen Röhrenknochen, nach wie vor extrem wichtige Informationen, aus denen man die Wachstumsgeschwindigkeit eines Tumors ableiten und damit indirekt Hinweise auf seinen Aggressivitätsgrad erhalten kann. Diese Zusammenhänge wurden besonders von Lodwick herausgearbeitet (siehe dazu Literatur bei Freyschmidt et al., 2010). Nach wie vor gilt, dass bei Diskrepanzen zwischen histologischer und radiologischer Beurteilung die histologische Diagnose noch einmal überprüft und eventuell eine erneute Biopsie gewonnen werden sollte, bevor therapeutische Konsequenzen gezogen werden. Die WHO unterscheidet über 60 verschiedene Läsionen, die Knochentumoren und tumorähnliche Läsionen umfassen. Hilfreich in der Diagnostik haben sich neben der
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14 Tumoren des Knochens
Kenntnis des Röntgenbefundes die Berücksichtigung der Topografie (epiphysäre, metaphysäre oder diaphysäre Lage) und das Alter erwiesen. So kommen Chondroblastome fast ausschließlich epiphysär bei Kindern und Jugendlichen vor, Chondrosarkome treten vorwiegend bei Erwachsenen in der Metadiaphysenregion, aber auch im Becken auf. Die Therapie sollte, wenn immer möglich, in einem spezialisierten Zentrum und bei malignen Tumoren im Rahmen von Studien erfolgen, wie es sie für das Osteosarkom (EURAMOS-Protokoll), das Ewing-Sarkom (EURO-EWING-Studie), die LangerhansZell-Histiozytose (LCH-III-Studie) oder für maligne Knochentumoren bei älteren Patienten gibt (EUROBOSS-Protokoll). Die morphologische Diagnostik von Knochentumoren ist – neben einer unbedingt notwendigen engen (am besten auch räumlich) Zusammenarbeit vor allem mit der Radiologie und der Orthopädie – an einige Voraussetzungen gebunden, die nachfolgend kurz dargestellt werden sollen. Grundsätzlich erhalten wir von den direkt mit uns zusammenarbeitenden Kliniken nahezu alle tumorverdächtigen Präparate unter Schnellschnittbedingungen, um – gegebenenfalls nach Anfertigung von HE-gefärbten Ausstrichzytologien – Material für molekularbiologische Untersuchungen bei –70 ºC asservieren zu können. Gerade bei malignen Knochentumoren sind sehr oft extraossäre Anteile vorhanden, die weniger stark mineralisert sind, sodass eine histologische Bearbeitung (auch Schnellschnitte) gelegentlich auch ohne Entkalkung möglich ist. Falls eine Entkalkung erforderlich ist, sollte möglichst auf eine Säureentkalkung verzichtet und stattdessen EDTA in Kombination mit Ultraschall verwendet werden. Nach eigenen Erfahrungen lassen sich die meisten Biopsien bei entsprechender Vorauswahl (Separierung von diagnostisch meist unergiebigen Kortikalisfragmenten – auch bei größeren Resektaten – von „spongiösen“ Anteilen) innerhalb von 2–3 Tagen verarbeiten. Durch die EDTAEntkalkung bleibt neben einer besseren Morphologie vor allem die Möglichkeit einer molekularpathologischen Untersuchung erhalten (FISH-Technik, Mutationsanalyse etc.), die nach Säureentkalkung in der Regel nicht mehr verlässlich möglich ist oder sogar zu falschen Ergebnissen führen kann. Eine sichere Regressionsgradbeurteilung nach Chemotherapie von Osteo- oder Ewing-Sarkomen kann z. B. nach Säureentkalkung sogar unmöglich werden. Selbst Großchnitte von kompletten Hüftköpfen können bei EDTA-Entkalkung meist innerhalb von 6–8 Arbeitsagen vorliegen. Die Bearbeitung größerer Resektate sollte nur in Kenntnis des Röntgenbefundes erfolgen, um die optimale Schnittebene festzulegen. Eine Fotodokumentation des Resektates in verschiedenen Ansichten ist unbedingt ratsam, da eine Rekonstruktion des Makroaspektes bei später auftretenden Fragen oft nicht mehr möglich ist. Präparateradiografien sind ebenfalls sehr hilfreich. Die Auftrennung von knöchernen Präparaten sollte grundsätzlich mit einem Diamanttrennbandsystem erfolgen, das nahezu artefaktfreie Schnitte ermöglicht, ohne dass das umgebende Weichteilgewebe abpräpariert werden muss. So ist die Beurteilung der Tumorausdehnung am besten gewährleistet und kann mit der Bildgebung korrelierrt werden. Außerdem ist trotz anhaftendem Weichteilmantel das Verletzungrisiko gegenüber dem Einsatz von Bandsägen extrem gering, sodass die älteren Bandsägen eigentlich obsolet sind. Basis der Diagnostik ist eine gute HE-Färbung. Dabei sollte man besonders auf die Auswahl des Hämalauns achten, da einige Präparationen zu einer starken Blaufärbung der Knorpelmatrix führen können, sodass die Kernstrukturen nur noch schwer beurteilbar sind. Außerdem sind Bindegewebsdarstellungen (van Gieson oder Masson-Gold-
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ner) zum Osteoidnachweis sehr hilfreich. Bei der Differentialdiagnose rundzelliger Tumoren sind Zusatzfärbungen wie eine Retikulinfaserdarstellung (Novotny oder Gomori) oder der Nachweis von Glykogen (Best- und Diastase-Best bzw. PAS) sinnvoll. Die Immunhistochemie hat vor allem bei der Differentialdiagnose rundzelliger Tumoren ihren Stellenwert. Die folgende Darstellung stützt sich im Wesentlichen auf die Erfahrungen des Basler Knochentumorreferenzzentrums, dessen Register mittlerweile etwas mehr als 14.000 Fälle umfasst, die überwiegend aus Konsiliarfällen bestehen. Den Einsendern sei an dieser Stelle für ihre Bereitwilligkeit gedankt, klinische Informationen und die Bildgebungsdokumentation zur Verfügung zu stellen, ohne die eine verantwortliche Knochentumordiagnostik nicht möglich ist. Entsprechend dem Gesamtkonzept des Buches wurde bis auf wenige Ausnahmen auf eine detaillierte Literaturübersicht verzichtet und stattdessen die Monografien angegegeben, in denen diese Literatur enthalten ist.
14.2 Knorpelbildende Tumoren 14.2.1 Osteochondrom (ICD 10: D16.9) Das Osteochondrom ist ein gutartiger Knochentumor, der doppelt so häufig bei Männern wie bei Frauen vorkommt. Das Durchschnittsalter beträgt 17 Jahre. 70 % der Tumoren werden bis zum 30. Lebensjahr beobachtet, die Hälfte aller Osteochondrome tritt zwischen dem 10. und 20. Lebensjahr auf. Die Tumoren sind hauptsächlich am Femur, vornehmlich distales Femur, Tibia und Humerus lokalisiert. Radiologisch stellt sich der Tumor als eine metaphysäre Läsion dar, die mit dem ortsständigen Knochen über einen Stiel oder eine breite Basis (pedunkuliertes bzw. sessiles Osteochondrom) verbunden ist und an ihrer Oberfläche eine unterschiedlich breite Knorpelkappe aufweist (Abb. 14.1 a, b). Makroskopisch sieht man eine spornartige (pedunkulierte) oder
Abb. 14.1a: Gestieltes Osteochondrom mit direktem Übergang des Stiels in den ortsständigen Knochen (ap; m 12J). b: Breitbasiges Osteochondrom an der Vorderseite des Femurs (seitl.; m 15 J).
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Abb. 14.2: Osteochondrom. a: Die Knorpelkappe ist leicht zerklüftet, wahrscheinlich Folge einer Traumatisierung (gleicher Fall wie in Abb. 14.1 a). b: Auf der Schnittfläche ist die Breite der Knorpelkappe (3 mm) gut erkennbar, ebenso der Übergang der läsionalen Spongiosa in die des ortsständigen Knochens (gleicher Fall wie in Abb. 14.1 b).
eine flach erhabene (sessile) Läsion, die an ihrer Oberfläche hyalinknorpeliges Gewebe aufweist (Abb. 14.2 a, b), das einen ähnlichen Aufbau wie die Wachstumsfuge zeigt. Der teilweise säulenförmig angeordnete Knorpel geht über eine enchondrale Ossifikationszone in spongiösen Knochen über, der teilweise von blutbildendem Mark umgeben wird, an das sich Fettmark anschließt, wobei ein fließender Übergang in die Markraumstrukturen des ortsständigen Knochens besteht (Abb. 14.3). Ursache der Tumorentwicklung ist eine Mutation des EXT1- bzw. EXT2-Gens (Chomosom 8q24.1 bzw. 11p18–p12), die zum Ausfall eines Wachstumsignaltransduktionsweges in reifenden Chondrozyten führt. Die Therapie besteht in der chirurgischen Abtragung an der Ansatzstelle, falls die Läsion Symptome macht bzw. störend wirkt. Eine sekundäre Entartung ist extrem selten, sodass eine prophylaktische Entfernung nicht erforderlich ist. Hinweise auf eine maligne Entartung wären eine Schmerzentwicklung (ohne Fraktur) oder eine Wachstumszunahme nach der Pubertät. Eine verbreiterte Knorpelkappe (Dicke über 1 cm) kann ebenfalls auf eine sekundäre Malignitätsentwicklung hinweisen.
14.2.2 Enchondrom (ICD 10: D16.9) Das Enchondrom ist ein gutartiger Tumor, der etwas häufiger bei Frauen als bei Männern vorkommt. Die Patienten sind im Durchschnitt knapp 40 Jahre alt. Etwa 60 % der Läsionen treten zwischen dem 20. und 50. Lebensjahr auf. 60 % aller Enchondrome sind in den kleinen Röhrenknochen zu finden. Radiologisch erkennt man lobulierte Osteolysen, welche die Kortikalis kleinbogig arrodieren („scallopping“) und außerdem von einem Sklerosesaum umgeben sein können (Abb. 14.4 a). Die besonders in der
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Abb. 14.3: Säulenartiger Aufbau der Knorpelkappe eines Osteochondroms (oberes Viertel). Die daran anschließende noch knorpelhaltige Primärspongiosa wird remodelliert und geht dann in Sekundärspongiosa über. In den Markräumen findet sich blutbildendes Mark und Fettmark.
Abb. 14.4: Enchodrom. a: Gut begrenzte Osteolyse der proximalen Mittelphalanx mit bogenförmiger Kortikalisarrosion/„scalloping“ (ap; w 58 J). b: Linkes Femur mit metadiaphysär und intramedullär gelegenen stippchenartigen, z. T. kreisförmigen Verkalkungen mit allenfalls diskreter bogenförmiger Kortikalisarrosion (*; ap; w 54 J).
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14 Tumoren des Knochens
Abb. 14.5: Enchondrom der proximalen Tibia. Hyalines, mäßig zellreiches Knorpelgewebe mit rundlichen, pyknotisch-hyperchromatischen Kernen und peripher sichtbarer schmaler Ossifikation des Tumorknorpels (HE 400-fach; m 38 J).
Metadiaphysenregion langer Röhrenknochen auftretenden Tumoren zeigen ringförmige, bogenförmige oder stippchenartige Verkalkungen (Abb. 14.4 b). Histologisch besteht der Tumor aus hyalinem, Knorpelgewebe, das läppchenförmig aufgebaut ist und chondrozytäre Zelle enthält. Deren Kerne sind in der Regel klein, rund und pyknotisch-hyperchromatisch. Die Zellularität variiert jedoch. An den kleinen Röhrenknochen können die Tumorzellen sehr dicht gelagert sein, ohne dass dies – im Gegensatz zu den Tumoren am Stamm oder den langen Röhrenknochen – den Verdacht auf ein Chondrosarkom aufkommen lassen darf. Die Knorpelläppchen können in ihrer Peripherie enchondral ossifizieren (Abb. 14.5). Dies ist offenbar das Substrat für die konventionell-radiologisch nachweisbaren ring- und bogenförmigen Verkalkungsmuster. Daneben können auch dystrophe Knorpelverkalkungen vorkommen. Therapeutisch ist in der Regel eine Kürettage ausreichend. Treten besonders an den langen Röhrenknochen klinisch Beschwerden auf, sollte eine sehr sorgfältige Kürettage mit Ausfräsen durchgeführt werden, da Knorpeltumoren sehr heterogen aufgebaut sein können und deshalb bereits an umschriebener Stelle ein niedrig malignes (Grad 1) Chondrosarkom vorliegen kann. Klinisch zufällig entdeckte Enchondrome bedürfen keiner besonderen Therapie. Bei Überschreiten einer bestimmten Größe (etwa 7 cm) sollten neben einer Kürettage klinische Langzeitkontrollen durchgeführt werden, um die Entwicklung eines extrem seltenen dedifferenzierten Chondrosarkoms (siehe unter 14.2.9) nicht zu übersehen.
14.2.3 Periostales Chondrom (ICD 10: D16.9) Das periostale Chondrom ist ein sehr seltener Knochentumor, der an der Knochenoberfläche unterhalb des Periostes auftritt. Es ist wesentlich seltener als das Enchondrom (etwa 2 % aller Enchondrome). Eine Geschlechtsbevorzugung besteht nicht. Kinder und junge Erwachsene sind überwiegend betroffen. Die Läsionen finden sich meist in der Metaphysenregion der langen (relativ häufig: Humerus) und kurzen Röhrenknochen. Gelegentlich wird eine manchmal auch schmerzhafte Schwellung als Symptom
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Abb. 14.6: Periostales Chondrom. Distale rechte Tibia mit metadiaphysär gelegener Kortikaliseindellung (*) und subläsionaler Sklerose (seitl.; w 16 J).
angegeben. Die Läsionen entwickeln sich auf der Knochenoberfläche und können gelegentlich mineralisiert sein. Gegenüber der Kortikalis sind sie sehr scharf begrenzt, wobei die darunter liegende Kompakta untertassenartig eingedellt und deutlich sklerosiert ist (Abb. 14.6). Da der Knorpel oft nicht mineralisiert ist, kann dies konventionell-radiologisch der einzige Hinweis auf den Tumor sein. An den Rändern kann man häufig eine knöcherne Abstützung des Tumors gegenüber der Umgebung erkennen. Makroskopisch erscheint der Tumor auf Sägeschnitten scharf begrenzt, ohne das darunter liegende Knochengewebe oder die Weichteile zu infiltrieren. Dies ist auch histologisch das wichtigste Kriterium zur Abgrenzung gegen das periostale Chondrosarkom, da die Zellularität periostaler Chondrome bereits deutlich erhöht sein kann (Abb. 14.7 a, b). Im Allgemeinen wird eine komplette Exzision angeraten, um Rezidive zu vermeiden.
14.2.4 Chondroblastom (ICD 10: D16.9) Das Chondroblastom ist ein sehr seltener gutartiger Tumor, der charakteristischerweise in den Epiphysen/Apophysen langer Röhrenknochen vorkommt. Männer sind doppelt so häufig betroffen wie Frauen. Das Durchschnittsalter liegt bei 20 Jahren. Etwa 75 % der Läsionen treten bis zum 30. Lebensjahr auf, 50 % werden zwischen dem 10. und 20. Lebensjahr beobachtet. Radiologisch zeigt sich typischerweise eine scharf begrenzte, von einem Sklerosesaum umgebene, exzentrisch gelegene Osteolyse in der Epiphysen- oder Apophysenregion (Abb. 14.8). Histologisch besteht der Tumor aus großen, gut begrenzten Zellen mit mittelbreitem Zytoplasma, deren Kerne Einbuchtungen zeigen. Daneben treten Riesenzellen auf, die das Bild in manchen Fällen dominieren können (Abb. 14.9). Die Zellen werden von einer chondroosteoiden Matrix umge-
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Abb. 14.7a: Periostales Chondrom (Großflächenschnitt), das sich oberflächlich zwischen Periost und deutlich sklerosierter Kortikalis entwickelt und zu einer untertassenartigen Eindellung der Knochenoberfläche geführt hat (gleicher Fall wie in Abb. 14.6; van Gieson). b: Peripherie eines periostalen Chondroms ohne Zeichen einer Infiltration der Umgebung. Der hohe Zellreichtum bei leichter Anisomorphie ist typisch und kein Malignitätszeichen (HE, 100-fach; gleicher Fall wie in Abb. 14.6).
Abb. 14.8: Chondroblastom. Rechtes proximales Femur mit scharf begrenzter, einen partiellen Sklerosesaum aufweisender Osteolyse in der Apophyse des Trochanter major (ap; w 16 J).
ben, die gelegentlich maschendrahtartig mineralisieren kann (nur am unentkalkten Präparat sicher nachweisbar; Abb. 14.10 a, b). Immunhistochemisch sind die Tumorzellen Zytokeratin-positiv, ein Befund, der das Chondroblastom von allen anderen knorpelig differenzierten und riesenzellhaltigen Knochentumoren unterscheidet (Abb. 14.11, siehe S. 290). Die Läsion ist in der Regel gutartig. Therapeutisch reicht eine Kürettage aus. Die Rezidivrate beträgt etwa 10–15 %. In wenigen Fällen (etwa 2 %) sind Lungenmetastasen beschrieben worden, ohne dass
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Abb. 14.9: Chondroblastom mit gut begrenzten Zellen, die rundliche Kerne enthalten. Eingestreut sind mittelgroße Riesenzellen (HE, 200-fach).
Abb. 14.10a: Chondroblastom mit maschendrahtartiger perizellulärer Verkalkung. Gut begrenzte Zellen mit rundlichen, z. T. eingekerbten Kernen (HE, 400-fach). b: An unentkalkten Präparaten lässt sich die perizelluläre Mineralisation mit der Kossa-Färbung als schwarzer Niederschlag nachweisen (Kossa, 200-fach).
verlässliche Verlaufsdaten bei diesen Patienten vorliegen. Wahrscheinlich beruht die Fähigkeit des Chondroblastoms zur „Metastasierung“ ebenso wie die des Riesenzelltumors darauf, dass die Riesenzellen in der Lage sind, die Wände kleiner Blutgefäße zu eröffnen.
14.2.5 Chondromyxoidfibrom (ICD 10: D16.9) Das Chondromyxoidfibrom ist ein gutartiger, sehr seltener Knorpeltumor, der etwas häufiger bei Männern als bei Frauen vorkommt. Das Durchschnittsalter liegt bei 23 Jahren. Etwa 80 % der Fälle treten vor dem 40. Lebensjahr auf, 50 % werden zwischen dem 10. und 30. Lebensjahr beobachtet. Befallen sind vorwiegend die Tibia, das Femur, die Beckenregion und kleine Röhrenknochen. Charakteristischerweise zeigt sich
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Abb. 14.11: Positive Zytokeratinreaktion der Chondroblastomzellen. Die eingestreuten Riesenzellen bleiben negativ (Panzytokeratin-Antikörper/CK22, 200-fach).
radiologisch eine scharf begrenzte, exzentrisch gelegene lobulierte Osteolyse in der Metadiaphysenregion, die häufig eine Kortikalisarrosion erkennen lässt (Abb. 14.12). Das Tumorgewebe ist grauweiß, zum Teil glasig und auf der Schnittfläche lobuliert, wobei die Grenzen scharf erscheinen. Histologisch sieht man sehr chromatindichte, teilweise bizarr geformte, vergrößerte Kerne. Die Zellen können zipflig ausgezogen und irregulär gestaltet sein. Sie sind in einer knorpelig-myxoiden Grundsubstanz eingebettet. Die Tumorzellen sind läppchenförmig angeordnet, wobei sich die Zellen zur Peripherie der Läppchen hin charakteristischerweise hochgradig verdichten (Abb. 14.13 a, b). In der Peripherie kommen auch Riesenzellen vor. Mitosen sind nur selten nachweisbar. Die Abgrenzung gegen ein Chondrosarkom kann manchmal schwierig sein. Hier helfen Alter und die Beachtung der Röntgenmorphologie. Die Tumoren sind sehr rezidivfreudig, sodass in der Regel eine En-bloc-Resektion als Therapie empfohlen wird. Rezidive können auch in die Weichteile einbrechen.
Abb. 14.12: Chondromyxoidfibrom. Exzentrisch gelegene, lobulierte, fein septierte Osteolyse mit partiellem Sklerosesaum in der distalen Tibiametadiaphyse (ap und seitl.; m 18 J).
14.2 Knorpelbildende Tumoren
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Abb. 14.13: Chondromyxoidfibrom. a: Lobulär aufgebautes Tumorgewebe mit myxoider Grundsubstanz und typischer peripherer Zellverdichtung (van Gieson, 100-fach). b: Die zipflig ausgezogenen Tumorzellen besitzen kompakt strukturierte, chromatindichte, anisomorphe Kerne (van Gieson, 400-fach).
14.2.6 Chondrosarkom (ICD 10: C41.9) Das Chondrosarkom ist ein meist niedrig maligner primärer Knochentumor, der etwas häufiger bei Männern als bei Frauen auftritt. Das Durchschnittsalter beträgt 46 Jahre. Etwa 60 % der Tumoren werden zwischen dem 20. und 60. Lebensjahr beobachtet. Chondrosarkome bei Kindern sind Raritäten. Der Tumor kommt am häufigsten in der Beckenregion, dem Femur oder dem Schultergürtel inklusive Humerus vor. Knorpeltumoren des Sternums sind fast immer maligne. Chondrosarkome der kleinen Röhrenknochen sind Raritäten, ebenso Chondrosarkome des kraniofazialen Skeletts. Je nach Malignitätsgrad finden sich in der Bildgebung expansive bis mottenfraßartige, metadiaphysär gelegene Osteolysen, welche die Kortikalis teilweise aufblättern
Abb. 14.14: Chondrosarkom. Expansive Osteolyse des proximalen Femurs mit fleckförmigen Verkalkungen und Septierungen, bogenförmigen Kortikalisarrosionen am Übergang zum Schaft sowie fokalen Destruktionen der Kortikalis des Trochantermassivs (ap und Lauenstein; w 23 J).
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Abb. 14.15: Chondrosarkom. Im CT lassen sich knorpelmatrixtypische, popcornartige Verkalkungsmuster sowie eine Destruktion der dorsalen Kortikalis (linke Bildhälfte) erkennen (m 74 J).
oder bogenförmig von innen her arrodieren und destruieren (Abb. 14.14). Intratumoral können stippchen- bis popcornartige Verkalkungen auftreten (Abb. 14.15). Die Tumoren bestehen aus einem grauweißen glasig-knorpeligen Gewebe, das makroskopisch bereits Verkalkungen erkennen lässt. Da der Knorpel einen hohen Wassergehalt besitzt, lässt er sich im MRT bei entsprechenden Gewichtungen (T2- oder Protonengewichtungen) gut darstellen (Abb. 14.16). Das Gewebe selbst ist zellreich und zeigt je nach Malignitätsgrad zunehmende zelluläre und nukleäre Atypien, wobei die Knorpelmatrix mit steigendem Malignitätsgrad ebenfalls einen Differenzierungsverlust erleidet. Hauptmalignitätskriterium ist die Osteodestruktion mit Penetration von vorbestehenden Knochenstrukturen und ein markraumausfüllendes Wachstum unter Einschluss von Knochentrabekeln (sog. permeatives Wachstumsmuster). Chondrosarkome Grad I zeigen histologisch nur geringe Abweichungen von einem Enchondrom. An den langen Röhrenknochen, dem Becken, dem Sternum und dem Schultergürtel nimmt die Zellularität zu, die Kerne sind leicht vergrößert und etwas irregulär, doppelkernige Formen treten auf. Ebenso lassen sich kleine Nukleolen nachweisen (sogenanntes offenes Chromatin). Beweisend ist jedoch das osteodestruktive Wachstum mit Einschluss von vorbestehenden Trabekeln und Ausfüllen der Markräume (Abb. 14.17 a). Bei Grad-II-Chondrosarkomen nimmt die Zellzahl zu. Die Zellen sind oft noch lobulär angeordnet, wobei in der Peripherie der Läppchen eine deutliche Zunahme der Zelldichte zu beobachten ist. Hier sind die Kerne ebenfalls vergrößert und hyperchromatisch (Abb. 14.17 b). Gelegentlich treten Nekrosen und sogar einzelne Mitosen auf. Die Matrix kann einen myxoiden Charakter entwickeln. In Grad-III-Chondrosarkomen sind die Zellen sehr dicht gelagert, die Kerne sind hyperchromatisch, manchmal fusiform und deutlich vergrößert. Das Zytoplasma ist eher schmal, wobei der knorpelähnliche Aspekt zunehmend verloren geht (Abb. 14.17 c). Mitosen werden häufiger beobachtet, Nekrosen treten vermehrt auf. Charakteristischerweise lässt sich eine Verbreiterung der interlobulären gefäßführenden Septen beobachten, deren Ausdehnung mit steigendem Malignitätsgrad zunimmt.
14.2 Knorpelbildende Tumoren
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Abb. 14.16: Chondrosarkom: Bei T2-Gewichtung stellt sich der wasserreiche hyaline Tumorknorpel sehr signalintensiv (hell) dar, während die Verkalkungsareale (vgl. CT Abb. 14.15) dunkel bleiben (MRT, gleicher Patient wie in Abb. 14.15).
Die Therapie besteht in der Resektion sicher im Gesunden, wobei bei Grad-I-Chondrosarkomen in günstiger Lokalisation (z. B. Femurschaftmitte) auch eine sorgfältige Kürettage mit entsprechend langfristiger Nachkontrolle in einigen Zentren empfohlen wird. Adjuvante Maßnahmen sind generell wenig erfolgreich. In den letzten Jahren hat sich eine Bestrahlungstherapie (Protonentherapie oder Schwerionentherapie) bei nied-
Abb. 14.17a: Chondrosarkom Grad I mit Markraum ausfüllendem Wachstum und Einschluss destruierter Spongiosareste (Kreis oben rechts) in die Tumormatrix (gleicher Fall wie in Abb. 14.15; HE, 50-fach). b: Chondrosarkom Grad II mit deutlicher Zunahme der Zellularität und Zellpleomorphie sowie Destruktion der ortsständigen Spongiosa (HE, 50-fach). c: Chondrosarkom Grad III mit vergrößerten, hyperchromatischen Kernen und irregulärer Chromatinstruktur, zahlreichen Riesenkernen und einzelnen Mitosen (HE, 200-fach).
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rig malignen, nicht resektablen Chondrosarkomen (z. B. des Sakrums, der Schädelbasis oder auch im Beckenbereich) als Erfolg versprechend erwiesen. Diese Therapie steht aber nur in wenigen Zentren zur Verfügung.
14.2.7 Periostales Chondrosarkom (ICD 10: C41.9) Periostale Chondrosarkome entwickeln sich an der Knochenoberfläche ohne Beziehung zu einem Osteochondrom. Meist sind Erwachsene in der 3. und 4. Lebensdekade betroffen. Männer scheinen häufiger als Frauen zu erkranken. Die Läsionen sind meist metaphysär lokalisiert und gelegentlich schwer von einem periostalen Chondrom abzugrenzen. Radiologisch sieht man eine Arrosion der Kortikalis, die in der Regel verbreitert und sklerosiert ist, jedoch aufgelockert erscheint. Ein Codman-Dreieck (reaktive periostale Knochenneubildung) kann an den Enden der Läsion vorkommen, die in der Regel deutlich größer (meist über 5 cm) als ein periostales Chondrom ist (Abb. 14.18). Gelegentlich lässt sich eine Infiltration der Weichteile demonstrieren, die das periostale Chondrosarkom vom periostalen Chondrom abgrenzt. Histologisch sieht man hyalinknorpeliges zellreiches Geschwulstgewebe, das meist einem Grad-I/II-Chondrosarkom entspricht. Hauptkriterium für die Diagnose ist, neben der Osteodestruktion mit beginnender Invasion auch der Markräume, der Verlust der lobulären Gliederung mit rasenförmiger Anordnung der Tumorzellen in der Peripherie und vor allem die Weichteilinfiltration (Abb. 14.19). Die Therapie besteht in der kompletten Resektion sicher im Gesunden. Metastasen sind selten, kommen jedoch vor.
Abb. 14.18: Periostales Chondrosarkom. Von der Tibiaoberfläche ausgehender, die Kortikalis arrodierender, expansiver Tumor mit bogen- und ringförmigen Verkalkungsmustern und Weichteilinfiltration (seitl.; m 23 J).
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Abb. 14.19: Periostales Chondrosarkom mit Verlust der lobulären Gliederung besonders in der Tumorperipherie und Infiltration der Weichteile (HE, 50-fach).
14.2.8 Klarzellchondrosarkom (ICD 10: C41.9) Klarzellchondrosarkome sind sehr selten und machen maximal 1–2 % aller Chondrosarkome aus. Das Klarzellchondrosarkom ist ein niedrig maligner primärer Knochentumor, der etwa dreimal so häufig bei Männern wie bei Frauen vorkommt und meist jüngere Erwachsene im 4. Lebensjahrzehnt betrifft. 75 % der Patienten sind jünger als 45 Jahre. Charakteristischerweise sind die Epiphysen langer Röhrenknochen, weit überwiegend proximales Femur und proximaler Humerus, befallen. Der Tumor kann jedoch in jedem Knochen auftreten. Radiologisch erkennt man eine meist relativ gut begrenzte, oft ausgeprägt mineralisierte, selten expansive Osteolyse der Epiphysenregion (Abb. 14.20), die bis auf das meist höhere Lebensalter der Patienten auch bei
Abb. 14.20: Klarzellchondrosarkom. Irregulär begrenzte, stark mineralisierte Osteodestruktionszone der Tibiaepiphyse (ap; m 30 J).
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Abb. 14.21: Klarzellchondrosarkom mit hellem, breitem, gut begrenztem Zytoplasma und deutlich vergrößerten Zellkernen, die kleine Nukleolen erkennen lassen. Daneben sieht man Gefäße, neugebildetes Osteoid und einzelne kleine Riesenzellen (gleicher Fall wie in Abb. 14.20; HE, 400-fach).
einem Chondroblastom gefunden werden kann. Histologisch sieht man teils grauweißes, teils eingeblutetes knorpelig differenziertes Geschwulstgewebe, das aus sehr großen hellen Zellen besteht, deren Grenzen sehr gut erkennbar sind. Die Kerne sind klein und meist zentral gelegen. Herdförmig kann hyaliner Knorpel erkennbar sein, daneben finden sich im Stroma Osteoidformationen und neu gebildeten Knochen. Zusätzlich sieht man Riesenzellen (Abb. 14.21). Differentialdiagnostisch erinnert der Tumor gelegentlich an ein Nierenzellkarzinom. Dies lässt sich jedoch immunhistochemisch (negative Zytokeratinreaktion, positive Reaktion für S-100-Protein) einfach ausschließen. Hilfreich sind außerdem die Beachtung der epiphysären Lage sowie das relativ junge Alter der Patienten. Die Therapie besteht in einer kompletten Resektion sicher im Gesunden. Metastasen können vorkommen, in Ausnahmefällen ist eine Dedifferenzierung beobachtet worden.
14.2.9 Dedifferenziertes Chondrosarkom (ICD 10: C41.9) Das dedifferenzierte Chondrosarkom ist ein hoch maligner Knochentumor, der vorwiegend bei älteren Patienten zu beobachten ist. Das Durchschnittsalter beträgt 55 Jahre. Zwei Drittel der Patienten sind älter als 50 Jahre. Männer sind nahezu doppelt so häufig betroffen wie Frauen. Der Tumor tritt meistens im Femur oder im Becken auf. Radiologisch sieht man ein Mischbild aus einer meist gut begrenzten Osteolyse mit stippchenartiger Verkalkung, die histologisch einem Chondrosarkom Grad I oder sogar nur einem Enchondrom entsprechen könnte, welche jedoch in eine unscharf begrenzte, irregulär konfigurierte Osteodestruktionszone übergeht (Abb. 14.22). Oft besteht eine Weichteilbeteiligung. Makroskopisch sieht man in unterschiedlichem Ausmaß knorpelartig imponierendes Tumorgewebe mit Verkalkungen, das an ein grauweißes bis rotbräunliches fischfleischartiges Gewebe grenzt (Abb. 14.23). Histologisch repräsentieren die knorpeligen Anteile ein Chondrosarkom Grad I, manchmal auch nur ein kalzifiziertes, weitgehend devi-
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Abb. 14.22: Dedifferenziertes Chondrosarkom. Diaphysär gelegene, unscharf begrenzte Osteolyse im rechten Femur mit Destruktion der lateralen Kortikalis. Angrenzend an die Osteolyse sind distal davon herdförmig angeordnete popcornartige Verkalkungen sichtbar (m 55 J).
Abb. 14.23: Dedifferenziertes Chondrosarkom. Makroskopisch sieht man zentral weißgelbliches Tumorgewebe, an das sowohl distal als auch proximal lobuliert aufgebautes, grau-glasiges Knorpelgewebe grenzt. Beide Tumorelemente sind charakteristischerweise voneinander separiert (gleicher Fall wie in Abb. 14.22).
talisiertes Enchondrom. In unmittelbarer Nachbarschaft, meist scharf abgegrenzt von der Knorpelkomponente, ist jedoch ein hoch maligner Tumor erkennbar, der die Charakteristika eines Osteosarkoms, eines malignen fibrösen Histiozytoms (pleomorphes
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Abb. 14.24: Dedifferenziertes Chondrosarkom. Histologisch zeigt sich ein abrupter Übergang zwischen meist niedrig malignem Chondrosarkom (untere Bildhälfte) und anders differenzierten high-grade Sarkom (obere Bildhälfte), welches sich im vorliegenden Fall als MFH/pleomorphes Sarkom präsentiert (gleicher Fall wie in Abb. 14.22).
Sarkom) oder eines Fibrosarkoms aufweisen kann (Abb. 14.24). Die Prognose wird von der hoch malignen Komponente bestimmt. Das radiologische Erscheinungsbild ist in typischen Fällen so charakteristisch, dass die Diagnose unter Berücksichtigung der Lage, des Alters des Patienten und der Kombination einer Osteolyse mit stippchenförmigen Verkalkungen (= Enchondrom oder Chondrosarkom GI) mit einer irregulären Osteodestruktion und Ausbruch in die Weichteile (= high grade Sarkom) bereits präbioptisch mit hoher Wahrscheinlichkeit gestellt werden kann. Die differentialdiagnostische Abgrenzung muss vorwiegend gegen ein chondroblastisches Osteosarkom erfolgen. Diese Patienten sind jedoch deutlich jünger (2. Lebensdekade) und zeigen meist eine maligne Knorpelkomponente, die mindestens einem Grad-II-, wenn nicht sogar einem Grad-III-Chondrosarmkom entspricht. Zudem sind die Tumorkomponenten eher durchmischt und lassen eine klare Trennung zwischen knorpeligem (gut differenziertem) und osteosarkomatösem (gering differenziertem) Anteil vermissen. Das mesenchymale Sarkom enthält im Gegensatz zum dedifferenzierten Chondrosarkom eine relativ uniforme, eher kleinzellige Tumorkomponente, die einem Ewing-Sarkom oder einem „Hämangioperizytom“ entspricht, und zeigt darin eingestreut viele kleine Knorpelinseln. Das dedifferenzierte Chondrosarkom ist hoch maligne und metastasiert vorwiegend in die Lungen. Lymphknotenmetastasen oder Metastasen in viszerale Organe sind ebenfalls beschrieben. Die Therapie besteht in der Kombination von Resektion und Chemotherapie, wobei nach den Erfahrungen der EUROBOSS-Studie durchaus Erfolge erzielt werden. Nach den Erfahrungen des Basler Referenzregisters weist mehr als ein Viertel der Patienten eine Überlebensrate von mehr als fünf Jahren auf.
14.2.10 Mesenchymales Chondrosarkom (ICD 10: C41.9) Das mesenchymale Chondrosarkom ist ein seltener, hoch maligner Tumor, der einen Altersgipfel um das 30. Lebensjahr zeigt und eine relativ breite Streuung in der Alter-
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verteilung aufweist. Nach den Angaben der WHO sind Frauen und Männer etwa gleich häufig betroffen. Der Tumor kommt sehr häufig im Bereich der Wirbelsäule inklusive der paravertebralen Weichteile sowie der Thorax- und Beckenregion vor. Sehr oft sind auch die Kiefer befallen. Das radiologische Bild zeigt einen osteodestruktiven Tumor mit teilweise deutlicher Auftreibung der Kortikalis und manchmal kleinen Verkalkungszonen, die gelegentlich an ein Chondrosarkom erinnern können (Abb. 14.25). Makroskopisch präsentiert sich der Tumor als graurötliches, z. T. verkalktes Gewebe, das eingeblutet ist und nur sehr selten kleine knorpelige Knötchen erkennen lässt. Die Abgrenzung zur Umgebung ist jedoch in der Regel schlecht erkennbar, sodass meist schon das konventionelle Bild die Verdachtsdiagnose eines hoch malignen Tumors auslöst. Histologisch sieht man neben gut differenzierten Knorpelinseln, die gelegentlich einen chondroosteoiden, in der HE-Färbung blass- eosinophilen Aspekt zeigen, ein sehr zellreiches, meist kleinzelliges, an ein Ewing-Sarkom erinnerndes Gewebe (Abb. 14.26), welches gelegentlich aber auch spindelzellig differenziert sein kann und dann zahlreiche kapilläre Gefäße enthält, die dem Gewebe ein Hämangioperizytom-artiges Muster verleihen. Die histologische Verdachtsdiagnose auf das Vorliegen eines mesenchymalen Chondrosarkoms, die sich aus dem Nebeneinander gut differenzierter Knorpelinseln und einer kleinzelligen Tumorkomponente ergibt, lässt sich durch Zusatzfärbungen (dichtes Geflecht von Retikulinfasern) und immunhistochemischen Untersuchungen (Positivität der kleinzelligen Komponente für CD99 und Sox-9, Negativität für Prokollagen I) zusätzlich absichern. Der Tumor ist hoch maligne. In der Regel ist eine kombinierte Therapie unter Einschluss einer Resektion sicher im Gesunden notwendig. Es bestehen nur wenige Erfah-
Abb. 14.25: Mesenchymales Chondrosarkom. Osteodestruktiver Tumor der Skapula mit knorpeltypischen bogen- und ringförmigen Verkalkungsmustern (ap; w 43 J).
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Abb. 14.26: Mesenchymales Chondrosarkom. Das Tumorgewebe präsentiert sich histologisch als klein-, rund- und blauzelliger Tumor, ähnlich einem Ewing-Sarkom, enthält jedoch typischerweise kleine, meist Enchondrom-artige Knorpelinseln (linke Bildhälfte). Die kleinzellige Komponente reagiert positiv mit Antikörpern gegen CD99 (rechte Bildhälfte) und Sox9 (HE und ABC-Immunperoxidase, 100-fach).
rungen mit multimodalen Therapiekonzepten. Nach den Ergebnissen der COSS- und CWS-Studiengruppe scheint jedoch eine neoadjuvante Chemotherapie bei diesem Tumor ebenfalls Erfolg versprechend zu sein.
Abb. 14.27: Sekundäres Chondrosarkom der Beckenschaufel, entstanden auf dem Boden einer Exostosenkrankheit (epiexostotisches Chondrosarkom). Der Tumor infiltriert den Knochen (K) und die Muskulatur (M; m 26 J).
14.3 Knochenbildende Tumoren
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Abb. 14.28: Sekundäres Chondrosarkom bei Exostosenkrankheit. Das lobuliert aufgebaute hyalinknorplige Tumorgewebe infiltriert diskontinuierlich angrenzendes Fettgewebe (F; gleicher Fall wie in Abb. 14.27; HE, 1-fach).
14.2.11 Sekundäre Chondrosarkome (ICD 10: C41.9) Sekundäre Chondrosarkome sind sehr selten und entstehen entweder auf dem Boden eines Enchondromes oder eines Osteochondroms (sog. epiexostotisches Chondrosarkom; Abb. 14.27). Hauptsächlich werden sie jedoch im Kontext einer meist sporadisch auftretenden Enchondromatose (Ollier-Erkrankung), eines Mafucci-Syndroms (Kombination mit Hämangiomen und Gefäßfehlbildungen) oder einer autosomal dominant vererbten Exostosenkrankheit (familiäre Osteochondromatose) beobachtet. Entscheidend für die Diagnose sind ein osteodestruktives Wachstum (Enchondrome) oder eine Infiltration der Weichteile bzw. des daruntergelegenen Markraumes (epiexostotisches Chondrosarkom; Abb. 14.28).
14.3 Knochenbildende Tumoren 14.3.1 Osteoid-Osteom (ICD 10: D16.9) Das Osteoid-Osteom ist ein gutartiger Knochentumor, der überwiegend bei Jugendlichen vorkommt. 80 % der Patienten sind jünger als 20 Jahre. Männer sind doppelt so häufig betroffen wie Frauen. Der Tumor ist vorwiegend im Femur, in der Tibia und in den kleinen Röhrenknochen der Hände und Füße lokalisiert und besitzt definitionsgemäß eine Größe von maximal 1 cm. Radiologisch erkennt man eine Sklerosezone, in deren Zentrum eine Aufhellung sichtbar ist (Abb. 14.29 und 30). Im Skelettszintigramm sieht man eine scharf begrenzte, sehr hohe Aktivität (Abb. 14.31), die sich in der Regel auf die Kortikalis projiziert und oft von einer weniger aktiven Zone umgeben wird („double-density-sign“). Der Tumor ist sehr schmerzhaft, spricht aber überraschend gut auf Salizylate an. Dies kann als diagnostischer Test verwendet werden. Makroskopisch sieht man bräunliches Gewebe, das einen leicht sandpapierartigen Tastbefund aufweist und entweder an eine sklerosierte Kortikalis grenzt oder sich in-
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14 Tumoren des Knochens
Abb. 14.29: Osteoid-Osteom. Ausgeprägte Verbreiterung und Sklerosierung der Kortikalis des Femurschaftes mit intrakortikaler, längs verlaufender Osteolyse (ap; m 20 J).
Abb. 14.30: Osteoid-Osteom. Im CT lässt sich der Nidus in der Fibula als intrakortikale Aufhellung mit zentraler Verdichtung eindeutig darstellen (m 14 J).
14.3 Knochenbildende Tumoren
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Abb. 14.31: Sklettszintigrafisch ist die hohe umschriebene Aktivität charakteristisch für das hier im Schenkelhals lokalisierte Osteoid-Osteom (m 14 J).
nerhalb der Kortikalis entwickelt. Der bräunliche Herd entspricht dem sogenannten Nidus, dem eigentlichen Knochentumor. Meist sind die Schaftenden der Röhrenknochen (metadiaphysäre Übergangszonen) betroffen. Histologisch sieht man ein sehr zellreiches Gewebe, das scharf von der Kortikalis abgegrenzt ist und unreifen Faserknochen enthält, der von großleibigen Osteoblasten besetzt wird (Abb. 14.32 und 33). Die Kerne und Zellen sind anisomorph, sie weisen jedoch eine polare Differenzierung auf, wobei oft eine Aufhellungszone (Golgi-Feld) im Zytoplasma neben dem Zellkern auffällt. Daneben finden sich Riesenzellen vom Osteoklastentyp sowie Kapillaren. Die Läsion ist organoid aufgebaut, ein Befund, der am besten in der Übersicht sichtbar wird. Die deutlich vergrößerten basophilen Kerne dürfen nicht mit Kernatypien verwechselt werden. Letztere weisen zusätzlich in der Regel große Nukleolen und eine irreguläre Chromatinverteilung auf. Die Therapie besteht in der Nidusentfernung. Diese wurde früher rein operativ (mittels Exzision) vorgenommen, heutzutage sind bei radiologisch und klinisch eindeuti-
Abb. 14.32: Osteoid-Osteom. In der Übersicht fällt die scharfe Begrenzung des Tumors gegenüber der Kortikalis auf (gleicher Patient wie in Abb. 14.29; HE, 1-fach).
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Abb. 14.33: Osteoid-Osteom. Bei stärkerer Vergrößerung erkennt man unreife Faserknochenbälkchen, deren Oberflächen von großleibigen, etwas anisomorphen Osteoblasten besetzt sind. Das lockere fibroblastäre Stroma ist gut vaskularisiert. Bei hoher Vergrößerung kann die Abgrenzung gegen ein Osteosarkom schwierig sein. Der Gesamtaspekt (gute Begrenzung in der Übersicht, keine Infiltration) ist entscheidend (gleicher Patient wie in Abb. 14.29; HE, 200-fach).
Abb. 14.34: Osteoblastom. In der ap-Aufnahme erkennt man beim Vergleich mit der Gegenseite sowie mit den darüber und darunter befindlichen Wirbelkörpern die fehlende Darstellung der rechten Bogenwurzel von LWK3 (B = linke Bogenwurzel). Außerdem ist paravertebral rechts und dorsal ein gering mineralisierter Weichteiltumor sichtbar (Pfeile). Da Kontrastmittel gegeben wurde, stellen sich beide Nierenbecken ebenfalls dar (ap nach Kontrastmittel; w 14 J).
14.3 Knochenbildende Tumoren
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gem Befund auch thermoablative oder radioablative Verfahren bzw. Verödungen mit Alkohol in Anwendung. Voraussetzung ist jedoch, dass die Gesamtheit der Befunde eindeutig ist. Sollten Zweifel bestehen, ist nach wie vor eine Exzision mit nachfolgender histologischer Untersuchung indiziert.
14.3.2 Osteoblastom (ICD 10: D16.9) Das Osteoblastom ist ein gutartiger knochenbildender Tumor, der histologisch dem Osteoid-Osteom gleicht. Er unterscheidet sich jedoch durch seine Größe (über 2 cm) und seine Lokalisation (vorwiegend Wirbelsäule, aber auch Femur und Tibia) vom Osteoid-Osteom. Die verbleibende „Grauzone“ (Osteoid-Osteom 2 cm) zeigt an, dass zwischen beiden Läsionen Übergänge bestehen und es sich möglicherweise um eine Entität handelt, die sich in den unterschiedlichen Lokalisationen nur unterschiedlich entwickelt. Auch hier sind Männer deutlich häufiger betroffen als Frauen (3 : 1). Das Durchschnittsalter liegt bei etwa 20 Jahren. Der Tumor ist benigne, er macht sich gelegentlich ebenfalls über Schmerzen bemerkbar, die jedoch nie so exakt lokalisierbar und auf Aspirin ansprechend sind wie die des OsteoidOsteoms. Radiologisch erkennt man osteolytische Areale (je nach Mineralisationsgrad der vom Tumor induzierten Knochenbildung), die eine sklerotische, meist irregulär konfigurierte Randzone aufweisen. Neben den Bogenwurzeln der Wirbelsäule sind vor allem die Metaphysenregionen der langen Röhrenknochen betroffen (Abb. 14.34 und 35). Histologisch sieht man ebenfalls neu gebildete und sehr unreife Knochen-
Abb. 14.35: Osteoblastom. Im Computertomogramm erkennt man einen expansiven, gut begrenzten, vorwiegend osteolytischen Tumor, der die rechte Bogenwurzel und den Dornfortsatz aufgetrieben sowie den Wirbelkanal eingeengt hat (gleiche Patientin wie in Abb. 14.34).
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14 Tumoren des Knochens
Abb. 14.36: Osteoblastom. Histologisch sieht man unreife Faserknochenbälkchen, die großkernige, zytoplasmareiche Osteoblasten an ihrer Oberfläche aufweisen. Beachte die polare Kernanordnung und die gut erkennbaren perinukleären Aufhellungen, die den Golgi-Feldern entsprechen. Das Gewebe ist gut vaskularisiert und enthält immer einzelne Riesenzellen (HE 200-fach; m 13 J).
bälkchen, die gelegentlich auch zu plattenartigen Osteoidabscheidungen zusammenfließen können. Die Tumorzellen sind sehr groß, besitzen ein breites Zytoplasma und vergrößerte, dunkle, meist exzentrisch gelegene Kerne. Es besteht eine gewisse Anisomorphie. Gelegentlich kommen Mitosen vor, jedoch keine atypischen Formen. Daneben finden sich ebenfalls Riesenzellen sowie zahlreiche kapilläre Gefäße, die makroskopisch zu dem Eindruck eines blutreichen bröckeligen Gewebes beitragen (Abb. 14.36). Entscheidend ist der mikroskopische Übersichtseindruck, der eine gute Begrenzung des Tumors ohne Infiltration der Umgebung zeigt (Abb. 14.37). Die Therapie besteht in der kompletten Tumorentfernung mittels Kürettage. Selten sind Resektionen notwendig. Rezidive können vorkommen.
Abb. 14.37: Osteoblastom. In der Übersicht erkennt man die gute Begrenzung des Tumors gegenüber der Umgebung. Ein infiltratives Wachstum fehlt (HE, 25-fach; gleicher Patient wie in Abb. 14.36).
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14.3.3 Osteosarkom (ICD 10: C41.9) Allgemeines Das Osteosarkom ist der häufigste primäre maligne Knochentumor, der vorwiegend bei jugendlichen Patienten vorkommt. Das männliche Geschlecht überwiegt leicht (1,1 : 1). Etwa 70 % der Fälle werden bis zum 30. Lebensjahr diagnostiziert. Über 90 % der Osteosarkome sind hoch maligne und entwickeln sich weit überwiegend im Markraum, meist in der Metaphysenregion langer Röhrenknochen (60 % in der Knieregion: distales Femur und proximale Tibia). Von diesen sogenannten konventionellen, intramedullären, hoch malignen Osteosarkomen werden die niedrig malignen zentralen Osteosarkome unterschieden, die etwa 1–2 % der Fälle ausmachen. Daneben kommen Kortikalis-assoziierte Formen vor, die bis auf die Ausnahme des extrem seltenen hoch malignen Oberflächen-Osteosarkoms einen niedrigen Malignitätsgrad besitzen und entweder vorwiegend sklerotisch sind (parosteales Osteosarkom) oder eine prädominierende Knorpelkomponente besitzen (periostales Osteosarkom). Die Ursache ihrer Enstehung ist unklar. Genetische Alterationen Zellzyklus-assoziierter Gene (p53, Retinoblastom-Gen) und eine zunehmende chromosomale Instabilität spielen eine Rolle. Das Auftreten von Osteosarkomen im höheren Lebensalter kann mit einem Morbus Paget oder vorausgegangenen Bestrahlungen assoziiert sein. Konventionelles hoch malignes zentrales Osteosarkom Das konventionelle hoch maligne zentrale Osteosarkom ist ein sehr aggressiver Tumor, der – wie alle Osteosarkome – durch die Fähigkeit der Tumorzellen charakterisiert ist, direkt Tumorosteoid zu bilden. Das Ausmaß der Tumorosteoidbildung ist für die Diagnose nicht entscheidend. Betroffen sind vorwiegend die Metaphysen langer Röhrenknochen, aber auch die Kieferregion. Radiologisch können je nach Mineralisationsgrad der gebildeten Tumormatrix rein lytische von – selteneren – sklerotischen Tumoren unterschieden werden (Abb. 14.38 und 39). Gemeinsam sind ihnen ein osteodestruktives Wachstum mit irregulären Begrenzungen, eine meist spikulaartige oder lamelläre Periostreaktion sowie häufig eine Weichteilbeteiligung. Das Geschwulstgewebe präsentiert sich als grauweiß-rötliches, teils weiches, teils körniges Gewebe, das aus hoch malignen atypischen Zellen besteht, deren Kerne eine deutliche Pleomorphie aufweisen. Die Nukleolen sind prominent, Mitosen, darunter atypische Formen, kommen in wechselndem Ausmaß vor. Der Tumor kann sich innerhalb von Markräumen ausbreiten und zwischen den Trabekeln maschendrahtartiges Tumorosteoid ablagern (Abb. 14.40 bis 42), das ebenfalls an der Oberfläche vorbestehender Trabekel erkennbar ist. Neben diesen als osteoblastisch bezeichneten Osteosarkomen können auch Knorpelbildungen beobachtet werden. Diese Tumoren werden dann als chondroblastisches Osteosarkom bezeichnet, wenn mehr als 30 % des Tumorgewebes knorpelig differenzeirt ist (Abb. 14.43). Dieser Osteosarkom-assoziierte Tumorknorpel hat in der Regel einen hohen Malignitätsgrad mit ausgeprägten Kernpolymorphien, sodass – selbst wenn in der Biopsie nur knorpelige Areale getroffen worden sind – Morphologie, Alter des Patienten und Lokalisation im Knochen auch bei Fehlen des klassischen diagnostischen Kriteriums (direkte Tumorosteoidbildung durch atypische Zellen) zusammen mit dem Röntgenbild eine therapeutisch belastbare Diagnose ermöglichen. Die Diagnose beruht rein auf morphologischen Kriterien.
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14 Tumoren des Knochens
Abb. 14.38: Radiologisch überwiegend lytisches, konventionelles, intramedulläres Osteosarkom der rechten distalen Femurmetaphyse. Der Tumor ist unscharf begrenzt, medial ist eine lamelläre Periostreaktion erkennbar (ap; w 17 J).
Abb. 14.39: Multifokales sklerosierendes, konventionelles, intramedulläres Osteosarkom der linken distalen Femurepi-, meta- und -diaphyse sowie der proximalen Tibia. Die hochgradige Mineralisation der Tumormatrix führt zu einem „weißen“ konventionellen Röntgenbild. Außerdem sieht man medial eine sonnenstrahlenartige Periostreaktion sowie lateral einen Ausbruch des Tumors in die Weichteile. In der Tibiaepi- und -metaphyse finden sich rundliche irreguläre wolkige Verdichtungen als Substrat einer knöchernen Tumormatrix (ap; w 13 J).
14.3 Knochenbildende Tumoren
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Abb. 14.40: Hoch malignes konventionelles osteoblastisches Osteosarkom mit erheblicher Zellund Kernpolymorphie sowie ausgeprägter Tumorosteoidbildung (HE, 200-fach; m 19 J).
Beweisende immunhistochemische Markerkonstellationen oder molekularbiologisch wegweisende Befunde gibt es zurzeit noch nicht. Die Behandlung besteht in einer neoadjuvanten Chemotherapie mit Tumorresektion, da davon ausgegangen werden muss, dass bei Diagnosestellung bereits Mikrometastasen – meist in der Lunge – vorliegen. Eine alleinige lokale Kontrolle reicht deshalb für einen Heilungserfolg in keinem Falle aus. Die Behandlung sollte nur im Rahmen von Studien (EURAMOS für Patienten bis zum 40. Lebensjahr, EUROBOSS für ältere Patienten) in spezialisierten Zentren erfolgen. Hierzu gehört bereits die Durchführung der Biopsie bei einer entsprechenden klinisch-radiologischen Verdachtsdiagnose, da eine nicht adäquat durchgeführte Biopsie die operativen Behandlungsmöglichkeiten drastisch einschränken und negativ beeinflussen kann. Der Erfolg der neoadjuvanten
Abb. 14.41: Hoch malignes konventionelles osteoblastisches Osteosarkom mit Bildung einer eher zementikelartigen, fast zellfreien Tumormatrix durch hochatypische Tumorzellen (HE, 200-fach; w 8 J).
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14 Tumoren des Knochens
Abb. 14.42: Osteosarkom. Spärliche Tumorosteoidbildungen sind oft besser mit Bindegewebsfärbungen als gitter- bis netzförmige, homogen strukturierte Matrixablagerungen darstellbar (MassonTrichrome, 400-fach; w 9 J).
Chemotherapie wird über den histologisch zu ermittelnden Regressionsgrad im sogenannten Mappingverfahren am Resektat kontrolliert (Abb. 14.44 und 45). Sind weniger als 10 % vitale Tumorzellen nachweisbar, gilt dies als gute Response und die begonnene Chemotherapie kann in gleicher Weise fortgesetzt werden. Bei schlechter Response (≥10 % vitale Tumorzellen) wird die Chemotherapie intensivert. Je nach histologischem Bild unterscheidet die WHO weitere Subtypen (Tab. 14.1), denen jedoch keine weitere prognostische oder therapeutische Relevanz zukommt. Diagnostisch entscheidend ist in jedem Fall der qualitative Nachweis einer Tumorosteoidbildung durch atypische Zellen.
Abb. 14.43: Konventionelles, intramedulläres, chondroblastisches Osteosarkom mit einer weitgehend nekrotischen Tumorknorpelkomponente (rechte untere Bildhälfte), die jedoch deutlich atypische Tumorzellen aufweist. Die direkte Osteoidbildung durch atypische Tumorzellen (Bildmitte links) sichert die Osteosarkomdiagnose (HE, 100-fach; w 14 J).
14.3 Knochenbildende Tumoren
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Abb. 14.44: Mapping eines Osteosarkoms: Die tumortragenden Knochenabschnitte (Makrofoto obere Bildhälfte) werden landkartenartig in zahlreichen Blöcken untersucht und das Verhältnis Gesamttumorausdehnung (grün umrandete Fläche) zu vitalen Tumoranteilen (schwarz markierte Areale) ermittelt. Üblicherweise finden sich diese vitalen Restanteile eher in der Tumorperipherie. In diesem Fall ergab sich ein gutes Ansprechen mit unter 3 % vitalem Resttumoranteil (gleicher Fall wie in Abb. 14.43).
Tab. 14.1: Konventionelles intramedulläres Osteosarkom: histologische Subtypen nach WHO (2002) sklerosierendes Osteosarkom Osteoblastom-ähnliches Osteosarkom Chondromyxoidfibrom-ähnliches Osteosarkom Chondroblastom-ähnliches Osteosarkom klarzelliges Osteosarkom MFH-ähnliches Osteosarkom riesenzellreiches Osteosarkom epitheloides Osteosarkom
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14 Tumoren des Knochens
Abb. 14.45: Teleangiefaktisches Osteosarkom. Osteolytischer Tumor der proximalen rechten Humerusmetaphyse mit pathologischer Fraktur. Besonders nach distal ist die Läsion unscharf begrenzt und zeigt hier eine mottenfraßartige Spongiosadestruktion (ap; w 14 J).
Teleangiektatisches Osteosarkom Das sehr seltene teleangiektatische Osteosarkom (etwa 4 % aller Osteosarkome) wird meist bei jugendlichen Patienten beobachtet. Der besondere Grund seiner Abgrenzung besteht in der klinischen Präsentation. Die Tumoren manifestieren sich meist als überwiegend lytische Läsionen mit pathologischer Fraktur (Abb. 14.45). Eine Weichteilbeteiligung liegt oft vor. Überwiegend sind die Metaphysen der langen Röhrenknochen betroffen. Histologisch sieht man ein Gewebe, das große blutgefüllte oder auch leere Räume aufweist, die von Septen durchzogen werden (Abb. 14.46). Somit imitiert das teleangiektatische Osteosarkom das Bild einer aneurysmatischen Knochenzyste, die ebenfalls gehäuft im Bereich der Metaphysen langer Röhrenknochen beobachtet wird. Die histologischen Veränderungen können in seltenen Fällen so subtil sein, dass die Diagnose erst nach mehreren Rezidiven bzw. Biopsien gestellt werden kann. In der Regel finden sich jedoch Areale mit eindeutigen zellulären Atypien, Kernhyperchromasie und atypischen Mitosen (Abb. 14.47). Die im Kernspintomogramm oft sichtbaren Flüssigkeitsspiegel sind kein Beweis für das Vorliegen einer aneurysmatischen Knochenzyste. Besonders dann, wenn der Tumor auch solide Areale enthält, sollte die Diagnose einer aneurysmatischen Knochenzyste erst nach sorgfältiger Untersuchung des gesamten Biopsiematerials gestellt werden, wobei die Biopsie gezielt auch aus den soliden Arealen gewonnen werden sollte. Die Therapie ist identisch mit der des konventionellen Osteosarkoms.
14.3 Knochenbildende Tumoren
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Abb. 14.46: Teleangiefaktisches Osteosarkom. In der Übersicht zeigt der Tumor neben soliden Anteilen mit erkennbarer linearer Osteoidproduktion (Bildmitte) eine Septenbildung und blutgefüllte Hohlräume, die an eine aneurysmatische Knochenzyste erinnern (HE, 25-fach; w 14 J).
Abb. 14.47: Teleangiefaktisches Osteosarkom. Bei stärkerer Vergrößerung finden sich atypische Mitosen (Inset) und eine Osteoidbildung durch atypische Zellen (HE, 400-fach; gleiche Patientin wie in Abb. 14.46).
Kleinzelliges Osteosarkom Das sehr seltene kleinzellige Osteosarkom zeigt bezüglich Altersverteilung und Lokalisation keine wesentlichen Unterschiede gegenüber dem konventionellen Osteosarkom. Das histologische Bild wird jedoch von kleinen Zellen bestimmt, die eine Ähnlichkeit zum Ewing-Sarkom, dem mesenchymalen Chondrosarkom oder einem neuroendokrinen Karzinom aufkommen lassen. Die Osteoidproduktion kann sehr spärlich sein und muss gelegentlich gesucht werden (Abb. 14.48). Hier helfen konventionelle Färbungen und immunhistochemische Untersuchungen sowie die Berücksichtigung von Alter und Lokalisation in der Abgrenzung weiter. Kleinzellige Osteosarkome zeigen eine ausgeprägte Retikulinfaserproduktion, die in Ewing-Sarkomen fast nie vorkommt. Ewing-Sarkome hingegen lassen sich durch ihre typische Translokation
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14 Tumoren des Knochens
Abb. 14.48: Klein-, rund- und blauzelliger Tumor. Die fokale Osteoidbildung (untere Bildhälfte rechts und links) sichert die Diagnose eines kleinzelligen Osteosarkoms (HE, 400-fach; w 24 J).
[t (11;22)] vom Osteosarkom abgrenzen. Die CD99-Reaktion kann sowohl im kleinzelligen Osteosarkom, dem mesenchymalen Chondrosakom als auch im Ewing-Sarkom positiv sein und hilft allein in der Differentialdiagnose nicht weiter. Osteosarkomzellen hingegen enthalten fast immer Prokollagen I und sind – wie das Ewing-Sarkom – negativ für den Transkriptionsfaktor Sox9, der hingegen in mesenchymalen Chondrosarkomen nachweisbar ist. Wichtigstes diagnostisches Kriterium bleibt aber der Nachweis von Tumorosteoid. Parosteales Osteosarkom Das relativ seltene (etwa 4 % aller Osteosarkome) parosteale Osteosarkom ist ein in der Regel niedrig maligner Tumor, der charakteristischerweise meist an der Rückseite des distalen Femurs beobachtet wird. Weitere typische Lokalisationen sind der proximale Humerus und die proximale Tibia. Die Patienten sind in der Regel junge Erwachsene, der Altersgipfel liegt in der 3. Lebensdekade. Frauen sind etwas häufiger betroffen als Männer. Radiologisch sieht man meist einen stark mineralisierten sklerotischen Tumor, welcher der Kortikalis breitbasig aufsitzt (Abb. 14.49). Die Peripherie des Tumors kann unregelmäßig begrenzt und weniger mineralisiert sein. Markraumeinbrüche und Markraumbeteiligung sind am besten mittels Schnittbilduntersuchungen (CT, MRT) erkennbar. Die Tumoren werden meist über eine schmerzlose Schwellung auffällig. Häufig werden sie als Osteome verkannt und inkomplett abgetragen. Makroskopisch handelt es sich in der Regel um sehr feste Tumoren, die eng mit dem Kortex verbunden sind (Abb. 14.50). An der Oberfläche können knorpelartige Strukturen erkennbar sein, sodass der Eindruck eines Osteochondroms entsteht. Histologisch zeigt der Tumor gut geformte, meist parallel ausgerichtete Trabekel, die dicht beieinander liegen, jedoch keine kubischen Osteoblastensäume an der Oberfläche zeigen, sondern in ein spindelzelliges Stroma eingebettet sind. Das Stroma kann unterschiedlich zelldicht sein, wobei zelluläre Atypien (hyperchromatische, vergrößerte Kerne, einzelne atypische Mitosen) gesucht werden müssen. In der Peripherie kann kappenartig knorpelig differenziertes Tumorgewebe auftreten, das im Gegensatz zum
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Abb. 14.49: Parosteales Osteosarkom. Stark mineralisierter, der Kortikalis aufsitzender Tumor, dessen Peripherie weniger röntgendicht erscheint. Eine Markraumbeteiligung ist nicht zu erkennen (seitl.; m 25 J).
Abb. 14.50: Parosteales Osteosarkom. Der kompakt aufgebaute Tumor zeigt sowohl knöcherne (eosinophile) als auch streifige, knorpelig differenzierte (hellere *) Areale und hat breitbasigen Kontakt zur Kortikalis (zwischen den Pfeilen), ohne diese zu durchbrechen (HE, 1-fach; gleicher Patient wie in Abb. 14.49).
Osteochondrom jedoch immer die charakteristische, an die enchondrale Ossifikationszone erinnernde Ausreifung sowie das daran angrenzende blutubildende Mark und das Fettmark vermissen lässt (Abb. 14.51). Der Tumor kann in ein hoch malignes Os-
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14 Tumoren des Knochens
Abb. 14.51: Parosteales Osteosarkom. An der Oberfläche können histologisch ebenfalls knorpelig differenzierte Areale sichtbar sein, die gelegentlich Anlass zur Verwechslung mit einem Osteochondrom geben, wenn das Röntgenbild nicht beachtet wird. Entscheidend ist der Nachweis – manchmal diskreter – zellulärer Atypien (Inset), der eher spindeligen Osteoblasten und des eher monotonen spindelzelligen Stromas (HE, 25-fach und 200-fach/Inset; m 15 J).
teosarkom übergehen, das gelegentlich bereits bei der Primärresektion (primäre Dedifferenzierung) oder erst nach mehreren Rezidiven (sekundäre Dedifferenzierung) auftreten kann. Die Therapie besteht in einer kompletten Resektion sicher im Gesunden. Bei einer Dedifferenzierung ist eine Chemotherapie (evtl. neoadjuvante Chemotherapie) erforderlich. Periostales Osteosarkom Das periostale Osteosarkom ist wesentlich seltener als das parosteale Osteosarkom und etwas häufiger als das noch seltenere – und hier nicht weiter behandelte – hoch maligne Oberflächenosteosarkom, welches sich nur durch seine oberflächliche Lage, nicht aber histologisch, prognostisch oder therapeutisch vom konventionellen Osteosarkom unterscheidet. Die Besonderheit des periostalen Osteosarkoms besteht neben seiner ebenfalls oberflächlichen Lokalisation hingegen in seiner vorwiegend diaphysären Lage und in seinem Aufbau, da dieses Osteosarkom weitgehend chondroblastisch differenziert ist. Außerdem sind die Patienten meist etwas älter (2. und 3. Lebensdekade), wobei eine leichte Androtropie besteht. Klinisch können sich die Tumoren über eine Schwellung bemerkbar machen, Schmerzen treten meist erst im weiteren Verlauf auf. Bevorzugt betroffen sind Tibia, Femur und Humerus. Radiologisch entwickeln sich unregelmäßige, spikulaähnliche Verkalkungen, die sich senkrecht zur Knochenoberfläche ausbreiten und zur Peripherie hin an Intensität abnehmen. Die Gesamtausdehnung des Tumors wird meist erst in Schnittbildverfahren richtig erkennbar, wobei die Begrenzung zu den Weichteilen oft relativ scharf bleibt (Abb. 14.52 a, b). Histologisch findet sich ein knorpelig differenzierter Tumor, der mittelschwere Atypien aufweist, die meist einem Chondrosakom Grad 2 entsprechen. Von der Basis zur Peripherie hin ist eine abnehmende Mineralisierung der Tumormatrix zu beobachten. Peripher finden sich
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Abb. 14.52: Periosteales Chondrosarkom. a: In konventionellen Aufnahmen ist bei modifizierter Technik oft nur eine dem Schaft breitbasig aufsitzende spikuläre Verkalkung sowie eine leichte Unregelmäßigkeit der Knochenoberfläche erkennbar. b: Im Kernspintomogramm ist erst die Gesamtausdehnung des Tumors sichtbar, der zur Peripherie hin gut begrenzt ist (MRT bei T1-Gewichtung nach Kontrastmittelgabe (ap; w 13 J).
dann oft zellreiche Anteile mit gitterförmiger Osteoidproduktion, welches die Diagnose sichert (Abb. 14.53). Die Behandlung besteht in der kompletten weiten Resektion. Die Rezidivrate ist relativ hoch, die Metastasierungsrate liegt bei etwa 15 %. Die Notwendigkeit einer Chemotherapie wird von Fall zu Fall unterschiedlich beurteilt.
Abb. 14.53: Periosteales Chondrosarkom. Histologisch infiltriert der Tumor die Skelettmuskulatur. Die oberflächenfernen Anteile (rechte Bildhälfte) sind knorpelig differenziert, die Peripherie ist zelldicht und matrixarm. In Bindegewebsfärbungen (Inset) lässt sich das hier vorkommende und diagnostisch entscheidende gitterförmige Tumorosteoid meist besser als in der HE-Färbung darstellen (HE, 25-fach und van Gieson/Inset, 200-fach; gleiche Patientin wie in Abb. 14.52).
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14 Tumoren des Knochens
Niedrig malignes zentrales Osteosarkom Niedrig maligne zentrale Osteosarkome sind sehr selten und machen nicht mehr als 1–2 % aller Osteosarkome aus. Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen. Meist tritt der Tumor im 2. und 3. Lebensjahrzehnt auf. Die überwiegende Mehrzahl ist in den langen Röhrenknochen lokalisiert, vorwiegend im distalen Femur oder der proximalen Tibia. Die Patienten klagen gelegentlich über Schmerzen oder Schwellungen. Radiologisch fällt meist ein aggressives Röntgenbild auf, wobei der Tumor zum Zeitpunkt der Diagnosestellung häufig bereits eine große Ausdehnung erreicht hat. Die Begrenzung ist variabel, gelegentlich sogar recht gut erhalten. Den besten radiologischen Hinweis stellt eine Kortikalisdestruktion oder Arrosion dar, ohne dass in jedem Fall eine Weichteilbeteiligung vorliegen muss (Abb. 14.54). Histologisch handelt es sich meist um einen zellarmen Tumor, der teilweise Ähnlichkeit mit einer fibrösen Dysplasie aufweisen kann. Daneben kommen auch fibromatoseartige Spindelzellansammlungen vor, wobei nur bei genauer Suche zelluläre Atypien und einzelne atypische Mitosen nachweisbar sind. Charakteristischerweise finden sich keine kubischen Osteoblasten, die spindeligen Zellen, mit gelegentlich hyperchromatischen, vergrößerten Kernen, scheinen den meist parallel ausgerichteten Tumorknochen direkt zu bilden (Abb. 14.55). Atypische Knorpelformationen kommen selten vor. Wegweisend für die Diagnose ist die Kombination eines aggressiven Röntgenbildes bei relativ „harmloser“ Histologie. Ein Übergang in ein hoch malignes Osteosarkom wird bei rezidivierenden, initial inadäquat behandelten Tumoren in 15– 20 % beobachtet. Die Therapie besteht in der Resektion sicher im Gesunden.
Abb. 14.54: Niedrig malignes zentrales Osteosarkom. Längs verlaufende unscharf begrenzte Osteolyse der Ulnadiaphyse mit fleckförmiger Matrixmineralisation und unterbrochener Kortikalis, die durch eine dünne Neokortikalis ersetzt ist (seitl.; w 16 J).
14.4 Riesenzelltumor
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Abb. 14.55: Niedrig malignes zentrales Osteosarkom. Zellreiches, spindelzelliges Stroma mit parallel ausgerichteten, unreifen Knochentrabekeln ohne erkennbare Osteoblastensäume. Das Bild ähnelt den Befunden beim parostealen Osteosarkom (HE, 50-fach; w 15 J).
14.4 Riesenzelltumor (ICD 10: D48.0) Riesenzelltumoren sind primäre Knochentumoren mit intermediärem Malignitätsgrad, die lokal aggressiv sind, jedoch nur sehr selten zu Metastasen führen. Da auch im Fall einer Metastasierung nur in Ausnahmefällen mit einem tödlichen Ausgang zu rechnen ist, verwendet die WHO in ihrer Klassifikation den Begriff „gutartige Metastasen“ oder „gutartige pulmonale Implantationen“ bei diesen Tumortyp. Riesenzelltumoren sind Läsionen des jüngeren und mittleren Erwachsenenalters. Über die Hälfte der Läsionen kommen zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr vor. Das Durchschnittsalter liegt bei 31 Jahren. Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen. Die Tumoren sind in der Regel epimetaphysär lokalisiert; Riesenzelltumoren, die vor Schluss der Wachstumsfugen auftreten (< 10 %) sind jedoch mit ihrem Schwerpunkt weit überwiegend metaphysär zu finden. Hauptsächlich sind das distale Femur, die proximale Tibia, der distale Radius, die Wirbelsäule (Wirbelkörper) und das Becken (Sakrum) betroffen. Radiologisch präsentieren sich die Tumoren als exzentrisch gelegene, epimetaphysär lokalisierte Osteolysen ohne Sklerosesaum, die meist etwas unscharf begrenzt sind. Die Kortikalis kann durchbrochen sein (Abb. 14.56). Makroskopisch sieht man bräunliches weiches, blutig imbibiertes Gewebe. Das histologische Bild wird von Riesenzellen bestimmt, die zwischen 20 und mehr als 50 Kerne pro Schnittebene enthalten können. Daneben sieht man Histiozyten und siderinbeladene Makrophagen sowie mononukleäre Zellen, die offenbar die eigentliche Tumorzellpopulation darstellen, gesamthaft jedoch nur einen kleinen Anteil ausmachen (Abb. 14.57). Sie sind von den mononukleären Histiozyten rein morphologisch schwer zu unterscheiden. Offenbar stellen diese Zellen ineffektive osteoblastäre Vorläufer dar, die zwar die Eigenschaft verloren haben, Knochenmatrix zu bilden, jedoch die Fähigkeit behalten haben, den Osteoklasten stimulierenden Faktor RANKL zu produzieren und so sekundär via Attraktion von Makrophagen lokal die Osteoklastogenese anzuregen. Klinisch machen die Tumoren durch Schmerzen, Schwellungen, gelegentliche Bewegungseinschränkungen oder pathologische Frakturen auf sich aufmerksam. Die
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14 Tumoren des Knochens
Abb. 14.56: Riesenzelltumor. Epimetaphysär gelegene, gut begrenzte Osteolyse des distalen Radius mit riffartig stehengebliebenen Resten des ortsständigen Knochens, Kortikalisdestruktion (bes. medial und dorsal) und Bildung einer Neokortikalis (ap und seitl.; m 24 J).
Therapie besteht in einer sehr sorgfältigen Kürettage mit Ausfräsen der Tumorhöhle und adjuvanten Maßnahmen wie Kryochirurgie oder Palacosplomben. Auch in erfahrenen Zentren ist mit Rezidiven von 5–8 % zu rechnen. Da offenbar die im Tumor befindlichen Osteoklasten die Möglichkeit haben, kleine Gefäße zu eröffnen, kommen nach der Literatur in 1–2 % der Fälle Lungenmetastasen vor. Im Gegensatz zum Primärtumor zeigen diese Lungenmetastasen sehr oft eine Verknöcherungstendenz. Meist handelt es sich um Einzelmetastasen, die operativ entfernt werden können und die
Abb. 14.57: Riesenzelltumor. Histologisch wird das Bild von Riesenzellen mit meist zwischen 20 und mehr als 50 Kernen pro Schnittebene beherrscht. Dazwischen finden sich mononukleäre Zellen, die meist Makrophagen, aber auch den eigentlichen Tumorzellen (= „defekte“ osteoblastäre Zellen – siehe Text) entsprechen (HE, 200-fach).
14.5 Rundzellige Tumoren
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nicht mit einer weiteren Dissemination verbunden sind. Es sind jedoch auch Fälle bekannt, in denen eine operative Entfernung multipler Lungenmetastasen nicht möglich war. Interessanterweise hatte dies keinen messbaren Einfluss auf die Lebenserwartung der Patienten („benigne“ Metastasen nach WHO). Besonders in den Fällen, bei denen aufgrund der Lokalisation (z. B. Sakrum) keine komplette Entfernung möglich ist, werden aktuell auch verschiedene adjuvante Therapiemaßnahmen diskutiert. Zu nennen sind Bisphosphonate und RANKL-Antagonisten wie der monokolonale Antikörper Denosumab. Größere Erfahrungen oder Studien zu diesen adjuvanten Maßnahmen liegen jedoch noch nicht vor. Offen ist vor allem die Frage, wie lange sie angewendet werden müssen (Dauertherapie?). In seltenen Fällen kann sich in einem Riesenzelltumor ein Sarkom entwickeln (sogenannter maligner Riesenzelltumor). Man unterscheidet zwischen primären malignen Riesenzelltumoren, bei denen innerhalb eines Riesenzelltumors ein Sarkom auftritt, und sekundären malignen Riesenzelltumoren, die an gleicher Stelle eines früher bereits behandelten und dokumentierten Riesenzelltumors entstehen. Dabei wird in der Literatur in der Regel nicht unterschieden, ob es sich um behandlungsassoziierte maligne Sekundärtumoren (sehr häufig nach vorausgegangenen Bestrahlungen) handelt oder nicht. Weniger als 1 % aller Riesenzelltumoren zeigen eine Malignitätsentwicklung. Die Patienten sind in der Regel älter (Durchschnittsalter über 40 Jahre). Klinisch kann die Zunahme einer Schmerzsymptomatik oder eine zunehmende Schwellung auftreten. Histologisch findet sich ein spindelzelliges Sarkom, das gelegentlich eine Osteoidproduktion aufweist, sodass der maligne Tumoranteil die diagnostischen Kriterien eines Osteosarkom erfüllt. Daneben sieht man noch Reste (primärer maligner Riesenzelltumor) eines vorbestehenden Riesenzelltumors. Der histologische Übergang von gutartigem Riesenzelltumor in ein Sarkom ist in der Regel abrupt. Die Therapie orientiert sich an der anderer Sarkome des Knochens. Bei einer Osteoidbildung durch den Tumor sollte ein therapeutisches Vorgehen analog zu einem Osteosarkom des Knochens gewählt werden.
14.5 Rundzellige Tumoren 14.5.1 Langerhans-Zell-Histiozytose (ICD 10: C96.5) Die Langerhans-Zell-Histiozytose ist eine klonale neoplastische Proliferation von Langerhans-Zellen, die den Knochen unifokal (eosinophiles Granulom), multifokal (HandSchüller-Christian-Erkrankung) oder multiple Organsysteme (Abt-Letterer-Siwe-Erkrankung) befallen kann. Die meisten Erkrankungen betreffen unifokal das Skelettsystem und werden meistens bei Kindern beobachtet. Weit über die Hälfte sind jünger als 10 Jahre. Grundsätzlich kann die Läsion jedoch in jedem Lebensalter beobachtet werden. Sehr häufig sind Schädel, Femur, Wirbelsäule und Becken befallen. Die Läsionen können durch eine schmerzhafte Schwellung auf sich aufmerksam machen. Im Kiefer können Zahnlockerungen auftreten. Oft werden die Läsionen jedoch nur zufällig entdeckt. Radiologisch präsentieren sie sich als scharf begrenzte Osteolysen mit oder ohne Sklerosesaum (Abb. 14.58). Beim Befall der Wirbelsäule kann es zu einem Kollaps des Wirbelkörpers kommen (Vertebra plana). Das Gewebe ist weich und rötlich. Histologisch wird man oft durch das Vorherrschen eosinophiler Granulozyten auf die richtige Diagnose gelenkt. Die eigentlichen
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14 Tumoren des Knochens
Abb. 14.58: Langerhanszell-Histiozytose. In der ap-Aufnahme sieht man eine gut begrenzte längsovale Osteolyse des mittleren Klavikuladrittels ohne Sklerosesaum (ap; m 22 J).
Tumorzellen, die Langerhans-Zellen, sind mittelgroße Zellen mit einem blassen Zytoplasma und relativ großen, wie mit einem feinen Bleistift gezeichneten, eingekerbten Kernen, die zuweilen auch gyriert erscheinen. Oft sind diese Zellen in kleinen Gruppen gelagert. Daneben sind Riesenzellen sichtbar, die meist jedoch nur wenige Kerne besitzen (Abb. 14.59 a). Zusätzlich werden Lymphozyten, Plasmazellen und neutrophile Granulozyten gefunden. Nekrosen können auftreten. Außerdem können Schaumzellen beobachtet werden, die gelegentlich das Bild beherrschen. Die Zahl der Mitosen ist erhöht, manchmal sogar deutlich. Die bereits lichtmikroskopisch zu stellende Verdachtdiagnose lässt sich immunhistochemisch durch den Nachweis von CD207 (Langerin), CD1a und S-100-Protein sichern (Abb. 14.59 b), elektronenmikroskopisch durch den Nachweis von Birbeck-Granula, die Langerin enthalten. Die Zellen sind negativ für lymphozytäre Marker. Die Therapie richtet sich nach der Ausbreitung. Unifokale Läsionen (eosinophiles Granulom) bedürfen in der Regel keiner weiteren Behandlung.
Abb. 14.59a: Langerhanszell-Histiozytose. Histologisch wird das Bild von mittelgroßen Zellen mit breitem eosinophilem Zytoplasma und eingekerbten oder gyrierten ovalären Kernen beherrscht. Zusätzlich sieht man Siderophagen, Lymphozyten, wenige Plasmazellen und einzelne Riesenzellen (HE, 400-fach; m 7 J). b: Immunhistochemisch sind die Tumorzellen positiv für CD1a (ABCMethode, 400-fach).
14.5 Rundzellige Tumoren
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Disseminierte Formen können im Rahmen von Studien (LCH-I–III) behandelt werden. Eine viszerale Beteiligung kann mit sehr schwerwiegenden, gelegentlich tödlichen Verläufen einhergehen, wobei insbesonderes bei jüngeren Kindern mit Befall von Leber und Lungen ein besonders hohes Risiko besteht.
14.5.2 Ewing-Tumoren (ICD 10: C41.9) Das Ewing-Sarkom und der primitive neuroektodermale Tumor (PNET), die unter dem Oberbegriff Ewing-Tumoren zusammengefasst werden, sind hoch maligne, primär im Knochen vorkommende Tumoren, die z. T. (PNET) eine neuroektodermale Differenzierung zeigen, daneben aber eine gemeinsame chromosomale Translokation aufweisen, die auf genetischer Ebene ihre enge Verwandtschaft begründet. Beide treten vorwiegend bei Kindern und Jugendlichen auf, etwa 80 % der Tumoren werden vor dem 20. Lebensjahr beobachtet. Der Altersgipfel liegt in der 2. Lebensdekade, wobei die Patienten in der Regel jünger sind als Patienten mit Osteosarkomen. Ewing-Tumoren können zwar in jedem Alter auftreten, sind jedoch im Erwachsenenalter eher eine Rarität. Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen (Verhältnis 1.4 : 1). Die Tumoren befallen vorwiegend die Diaphyse langer Röhrenknochen, daneben aber auch das Becken und die Rippen. Es können jedoch praktisch alle Knochen betroffen sein. Klinisch machen Ewing-Sarkome und PNETs in der Regel durch eine Schmerzsymptomatik auf sich aufmerksam, wobei Allgemeinsymptome wie Fieber, Blässe und Leukozytose auftreten können, sodass primär oft an eine Osteomyelitis gedacht wird. Radiologisch sieht man in konventionellen Bildern schlecht begrenzte, irregulär konfigurierte Osteolysen mit permeativen oder mottenfraßähnlichen Destruktionsmustern und einer zwiebelschalenartigen Periostreaktion (Abb. 14.60 a, b). Sehr oft findet sich ein Weich-
Abb. 14.60: Ewing-Sarkom. a: Konventionell-radiologisch sieht man in der Tibiadiaphyse diskontinuierliche, mottenfrassartige Osteolysen sowie eine zwiebelschalenartige Periostreaktion medial (ap; w 15 J). b: Im MRI ist der Markraum beginnend in der proximalen Metaphysenregion einschließlich des mittleren Diaphysendrittels von Tumorgewebe ausgefüllt (T1-Gewichtung).
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14 Tumoren des Knochens
teiltumor, der am besten in Kernspintomografien dargestellt werden kann. Um die Ausdehnung des Tumors festzustellen, sind Schnittbilduntersuchungen unverzichtbar. Makroskopisch sieht man ein oft eingeblutetes, weiches, teilweise nekrotisches Geschwulstgewebe, das sich histologisch als Ansammlung undifferenzierter zytoplasmaarmer Tumorzellen darstellt, die tief basophile Kerne besitzen (klein-, rund- und blauzelliger Tumor). Die Nukleolen sind meist klein und punktförmig, gelegentlich können jedoch auch vergrößerte Nukleolen vorkommen. Das Zytoplasma ist sehr schmal und enthält Glykogen (PAS-/Diastase-PAS-Färbung oder Best-/Best-Diastase-Nachweis für Glykogen). Eine Retikulinfaserbildung, wie sie zum Beispiel für morphologisch ähnliche maligne Lymphome typisch ist, tritt bei Ewing-Tumoren nur in Ausnahmefällen auf. Ihr Nachweis hilft deshalb lichtmikroskopisch bei der differentialdiagnostischen Abgrenzung. Mit zunehmender neuroektodermaler Differenzierung lassen sich lichtmikroskopisch Rosettenbildungen (Homer-Wright-Rosetten) nachweisen. In der Regel liegen ausgedehnte Tumornekrosen vor. Die Zahl der Mitosen variiert. Immunhistochemisch sind die Tumoren charakteristischerweise membranständig positiv für CD99 und intranukleär für den Transkriptionsfaktor Fli-1 (Abb. 14.61). Beide Reaktionen sind jedoch nicht spezifisch und nur im Kontext mit allen anderen histologischen, histochemischen, immunhistochemischen und klinischen Befunden interpretierbar. Nahezu alle Ewing-Sarkome sind stark Vimentin-positiv. Mit zunehmender neuroektodermaler Differenzierung lassen sich neurogene Marker wie Synaptophysin, neuronspezifische Enolase oder auch Chromogranine nachweisen. Übereinkunftsgemäß müssen zwei neurogene Marker positiv sein, um einen Tumor als PNET einzuordnen. Sehr selten können Ewing-Sarkome Zytokeratin-positiv sein. Falls keine molekularbiologischen Zusatzuntersuchungen zur Verfügung stehen oder aus technischen Gründen nicht möglich sind (Säureentkalkung), sollten immunhistochemisch immer ein Lym-
Abb. 14.61: Ewing-Sarkom. Histologisch sieht man dicht gelagerte klein-, rund- und blauzellige Tumorzellverbände, die sehr druckempfindlich sind, sodass sektoral Chromatinverdichtungen auftreten können. Dieser konstant nachweisbare Artefakt ist typisch für Tumoren der Ewing-Gruppe, ebenso das Fehlen von perizellulären Retikulinfasern (Inset A) und der immunzytochemische Nachweis (Inset B) einer membranständigen CD99-Positivität (HE, 200-fach; w 19 J).
14.5 Rundzellige Tumoren
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phom (CD20, CD3 bzw. CD45), ein Myelosarkom (Myeloperoxidase) oder Metastasen eines Neuroblastoms (besonders bei sehr jungen Kindern: Neurofilament) bzw. eines Rhabdomyosarkoms (Desmin, Myogenin) ausgeschlossen werden. Molekulargenetisch zeigen die Tumoren der Ewing-Gruppe eine rekurrierende chromosomale Translokation t(11;22)(q24;q12), die in etwa 85 % der Fälle nachweisbar ist. Beteiligt sind das EWS-Gen auf Chromosom 22 und das Fli-1-Gen auf Chromosom 11. Die übrigen Fälle zeigen Translokationen, in denen neben dem EWS-Gen das ERG-Gen auf Chromosom 21q12 beteiligt ist (etwa 15 % der Fälle). Weitere sehr seltene andere Translokationen kommen ebenfalls vor (50 % Tumornekrose
Histologischer Grad Grad 1 Grad 2 Grad 3
Gesamtscore 2–3 Gesamtscore 4–5 Gesamtscore 6–8
15.1 Benigne und maligne mesenchymale Tumoren
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schwer einschätzen. Um allen betroffenen Patienten eine optimale Therapie zukommen zu lassen, ist die histologische und ggf. molekularpathologische Diagnostik von sehr großer Bedeutung. Im Folgenden werden die Pathologie, Klinik und Diagnostik, einschließlich molekularer Diagnostik, exemplarisch für einige Weichteilsarkome des Kindes- und Erwachsenenalters besprochen. Der Schwerpunkt liegt auf Sarkomen, die durch pathognomonische chromosomale Translokationen (Tab. 15.2) charakterisiert sind und deren Nachweis damit diagnostische Relevanz besitzt (Gusterson et al, 1994; Ladanyi u. Bridge, 2003; Poremba, 2006).
Tab. 15.2: Chromosomale Translokationen in mesenchymalen Tumoren (ergänzt nach Poremba, 2006) Tumor
Chromosomale Translokationen und Genfusionstranskripte
alveoläres Rhabdomyosarkom
t(2;13)(q35;q14) PAX3-FOXO1A t(1;13)(p36;q14) PAX7-FOXO1A
alveoläres Weichteilsarkom
t(X;17)(p11;q25) TFE3-ASPL
angiomatoides fibröses Histiozytom
t(12;16)(q13;p11) FUS-ATF1
Dermatofibrosarcoma protuberans
t(17;22)(q22;q13) COL1A1-PDGFB
desmoplastischer Rundzelltumor (DSRCT)
t(11;22)(p13;q12) EWS-WT1
endometriales Stromasarkom
t(7;17)(p15;q21) JAZF1-JJAZ1
Ewing-Sarkom/PNET
t(11;22)(q24;q12) EWS-FLI1 t(21;22)(q22;q12) EWS-ERG t(7;22)(p22;q12) EWS-ETV1 t(17;22)(q12;q12) EWS-E1AF t(2;22)(q33;q12) EWS-FEV
extraskeletales myxoides Chondrosarkom
t(9;22)(q22;q12) EWS-NR4A3 t(9;17)(q22;q11) RBP56-NR4A3 t(9;15)(q22;q21) TCF12-NR4A3
fibromyxoides Sarkom, low grade
t(7;16)(q33;p11) FUS-CREB3L2 t(11;16)(p11;p11) FUS-CREB3L1
inflammatorischer myofibroblastischer Tumor
t(1;2)(q22;p23) TPM3-ALK t(2;19)(p23;p13) TPM4- ALK t(2;17)(p23;q23) CLTC-ALK t(2;2)(p23;q13) RANBP2- ALK
Klarzellsarkom des Weichgewebes (CCSST)
t(12;22)(q13;q12) EWS-ATF1
kongenitales Fibrosarkom/mesoblastisches Nephrom
t(12;15)(p13;q25) ETV6-NTRK3
myxoides Liposarkom
t(12;16)(q13;p11) FUS-DDIT3 t(12;22)(q13;q12) EWS-DDIT3
Synovialsarkom
t(X;18)(p11;q11) SS18-SSX1 oder SS18-SSX2 oder SS18-SSX4
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15 Diagnostik und Differentialdiagnostik der Sarkome
15.2 Zytogenetische Alterationen und Karyotyp-Veränderungen definieren zwei Sarkom-Subgruppen Aus heutiger molekularpathologischer Sicht werden im Hinblick auf zytogenetische Alterationen und Veränderungen des Karyotyps zwei Subgruppen von Sarkomen postuliert: zum einen eine Gruppe von Sarkomen, deren zytogenetische Alterationen relativ einfach sind und im Wesentlichen aus balancierten chromosomalen Translokationen und entsprechenden Genfusionstranskripten bestehen (häufiger bei Kindern und in der Adoleszenz) (Ladanyi und Bridge, 2000). Zu dieser Sarkomgruppe gehören z. B. die Ewing-Tumoren und die Synovialsarkome. Die zweite Gruppe, zu denen beispielsweise die Osteosarkome und die sog. malignen fibrösen Histiozytome gehören (Borden et al., 2003), sind durch einen sehr komplexen Karyotyp und das Fehlen charakteristischer chromosomaler Translokationen/Genfusionen charakterisiert. Vielmehr zeichnen sich Sarkome dieser zweiten Gruppe durch eine ausgeprägte chromosomale und genomische Instabilität aus (Scheel et al. 2001; Scheel u. Poremba 2002). Aus klinisch-pathologischer Sicht sind zwei Typen von genetischen Aberrationen in Sarkomen diagnostisch relevant: Translokationen: Zahlreiche Sarkome sind durch spezifische chromosomale Translokationen charakterisiert (Tab. 15.2; Poremba, 2006). Genfusionstranskripte dieser chromosomalen Translokationen sind das initiale Ereignis in der Tumorigenese dieser Sarkome. Die Translokationen brechen bestimmte Gene auf, rekombinieren diese und führen zu Genfusionen mit neuen Strukturen und Funktionen durch die Kombination funktioneller Domänen, die sich normalerweise in separaten Molekülen befinden. Die meisten aus diesen chromosomalen Translokationen resultierenden chimären Proteine sind Transkriptionsfaktoren, also Proteine, die über die Kapazität zur Transkription nachgeschalteter Gene verfügen. Diese Gene sind im Regelfall in bestimmte Schlüsselfunktionen der Zelle eingebunden, wie Zellproliferation oder Überleben. Da die chromosomalen Translokationen und Genfusionen für einzelne Sarkomentitäten (Tab. 15.2) spezifisch und innerhalb einer Entität bei nahezu allen Tumoren vorhanden sind, ist ihre Charakterisierung nicht nur aus pathogenetischer Sicht, sondern insbesondere als molekularer diagnostischer Parameter und ggf. auch als therapeutische Zielstrukturen einer „targeted therapy“ hochinteressant. Punktmutationen: Genmutationen sind ein anderer Typ spezifischer Alterationen bei Sarkomen. Hier sind als Beispiele insbesondere die aktivierenden Mutationen von CD117 (c-kit) bei gastrointestinalen Stromatumoren (GIST) oder inaktivierende Mutationen von hSNF5/INI1 bei Rhabdoidtumoren zu nennen. Basierend auf diesen Erkenntnissen, sind molekularpathologische Untersuchen in der Diagnostik/Differentialdiagnostik von Sarkomen insbesondere im Hinblick auf die drei folgenden Applikationen klinisch relevant: – Nachweis chromosomaler Translokationen bzw. ihrer Genfusionstranskripte – Nachweis von Punktmutionen – Nachweis minimal residueller Erkrankung („minimal residual disease“).
15.2 Zytogenetische Alterationen und Karyotyp-Veränderungen
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15.2.1 Detektion chromosomaler Translokationen und ihrer Genfusionstranskripte: charakteristische genetische Veränderungen bestimmter Sarkome Genfusionstranskripte aus chromosomalen Translokationen in Sarkomen können durch Extraktion von RNA aus den Tumorzellen und anschließende Amplifikation durch RTPCR nachgewiesen werden. Diese Methode funktioniert nicht nur bei Vorhandensein von Tumorfrisch- oder Gefriergewebe, sondern kann auch bei routinemäßig formalinfixierten und paraffineingebetteten Tumorgeweben erfolgreich angewandt werden, da seit der Einführung und flächenhaften Verbreitung von gepuffertem Formalin (statt des früher üblicherweise verwendeten nicht gepufferten Formalins) für die Gewebefixierung wesentlich weniger RNA-Degradation in den Tumorzellen stattfindet. Nach eigenen Erfahrungen in jahrelanger Tätigkeit als Referenzpathologie für Sarkom-Studien sind etwa 75 % der formalinfixierten und paraffineingebetteten Tumorgewebe für molekularpathologische Untersuchungen auf der RNA-Ebene geeignet. In einer kontrollierten Fixierungs-Studie erreichten Guillou et al. (2001) beim Nachweis der SYT-SS18-Genfusionstranskripte bei 250 Synovialsarkom-Proben sogar eine Sensitivität von >95 % und eine Spezifität von nahezu 100 %. Trotz dieser ermutigenden Zahlen sollte dennoch bei jeder Biopsie oder Exzision eines putativen Sarkoms versucht werden, neben formalinfixiertem Gewebe für die Histologie und Immunhistochemie auch in ausreichender Menge Tumorfrischgewebe/Kryogewebe zu asservieren (Tumorbanken!), insbesondere auch vor dem Hintergrund möglicher späterer Analysen bzgl. innovativer Therapien, die im Regelfall den Nachweis genetischer Veränderungen, Proteinexpressionsalterationen oder epigenetischer Veränderungen in den Tumorzellen voraussetzen. Weitere diagnostische Methoden zum Nachweis chromosomaler Translokationen bei Sarkomen sind die konventionelle Zytogenetik (sofern entsprechendes Tumorfrischgewebe bzw. kultivierte Zellen zur Verfügung stehen) und die Fluoreszenz-insitu-Hybridisierung (FISH). Für die FISH stehen zwei Ansätze zur Verfügung: sog. Fusionssignal-Proben, bei denen mind. zwei mit unterschiedlichen Fluorochromen markierte DNA-Proben angrenzend an den jeweiligen Bruchpunkt der beteiligten zwei Gene verwendet werden und im Falle einer chromosomalen Translokation die beiden Signale in den Tumorzellkernen unmittelbar nebeneinander zu liegen kommen. Darüber hinaus finden die sog. Split-Signal-Proben Verwendung, wobei mind. zwei mit unterschiedlichen Fluorochromen markierte DNA-Proben proximal und distal der möglichen Bruchpunkte eines involvierten Genes lokalisiert sind und im Falle einer chromosomalen Translokation die beiden Signale deutlich getrennt voneinander in den Tumorzellkernen vorliegen (Friedrichs et al., 2006). Die FISH-Methode funktioniert im Regelfall auch sehr zuverlässig an formalinfixiertem und paraffineingebetteten Tumorgewebe (Quian et al., 2005).
15.2.2 Detektion von Punktmutationen bei Sarkomen Der Nachweis von Punktmutationen erfolgt in der Regel durch Extraktion von TumorDNA und kann erfolgreich sowohl an Tumorfrischgewebe/-gefriergewebe wie auch formalinfixiertem und paraffineingebettetem Gewebe (auch retrospektiv aus Archivmaterial) durchgeführt werden. Die meisten Techniken zur Detektion von Punktmutatio-
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15 Diagnostik und Differentialdiagnostik der Sarkome
nen sind PCR-basiert. Wenn sog. Mutation-Hot-Spots, d. h. bestimmte definierte Genregionen, in denen sich die Mehrheit der Mutationen findet, für das zu untersuchende Gen bekannt sind (z. B. c-kit bei gastrointestinalen Stromatumoren), kann die Zahl der im Screening erforderlichen PCR-Ansätze begrenzt werden. Anschließende DNASequenzierung ist die Methode der Wahl zur Mutationsanalyse. Die DNA-Sequenzierung kann heutzutage mittels Hochdurchsatz-Sequenzierautomaten („high throughput“) durchgeführt werden. Eine alternative Methode ist die Anwendung von High-densityOligonukleotid-Microarrays. Als indirekte Methode der Detektion von Genmutationen können in einem ersten Schritt auch immunhistochemische Untersuchungen durchgeführt werden (z. B. als Hinweis auf aktivierende Genmutationen von c-kit bei GIST), wobei nur durch eine zusätzliche Sequenzierung detaillierte Informationen über die Art einer möglichen Mutation zu erhalten sind.
15.2.3 Detektion minimal residueller Erkrankung („minimal residual disease“) bei translokationspositiven Sarkomen RT-PCR ist eine extrem sensitive und spezifische Methode zur Detektion auch nur einzelner Tumorzellen in einer „Mischung“ mit hohen Zahlen von Nichttumorzellen, z. B. im Knochenmark oder im peripheren Blut. Daher stellen solche Untersuchungen eine exzellente Methode für das „molekulare Krankheitsstaging“ oder für das Therapie-Monitoring (Ansprechen auf die Chemotherapie) dar. Für derartige Untersuchungen in Knochenmarkaspiraten oder im peripheren Blut bieten sich die Sarkome deshalb besonders an, da eine Vielzahl von ihnen (Tab. 15.2) durch charakteristische und spezifische chromosomale Translokationen gekennzeichnet ist, deren Genfusionstranskripte, z. B. im Falle einer minimalen Knochenmarkinfiltration durch nur einzelne Tumorzellen, auch vor dem Hintergrund von mehr als einer Million normaler Knochenmarkzellen nachgewiesen werden können. Durch retrospektive Studien bei Patienten mit Ewing-Sarkomen oder alveolären Rhabdomyosarkomen konnte gezeigt werden, dass Patienten mit klinisch vermeintlich lokalisierten Tumoren (d. h. ohne Nachweis von Metastasen im Rahmen der konventionellen Staging-Untersuchungen) beim Nachweis von für diese Sarkome charakteristischen Genfusionstranskripten im Knochenmark oder peripheren Blut ein signifikant höheres Risiko für eine Tumorprogression oder systemische Rezidive aufweisen (Schleiermacher et al., 2003; Kelly et al., 1996). Die abschließende Bewertung der klinischen Relevanz muss allerdings noch durch große multizentrische und prospektive Studien erbracht werden, wie sie z. B. im Rahmen der EURO-E.W.I.N.G.99-Studie durchgeführt werden.
15.3 Genetische Tumordispositionen mit Auftreten von Sarkomen Weichteilsarkome werden vermehrt bei Anlageträgern verschiedener genetischer Tumordispositionen gefunden, u. a. dem Li-Fraumeni-Syndrom, Gardner-Syndrom, Werner-Syndrom und der Neurofibromatose (Ji, 2008; Zahm, 1997). Dabei sind diese genetischen Risikofaktoren nur für einen kleinen Anteil aller Weichteilsarkome verantwortlich; sie erlauben jedoch die Untersuchung zugrunde liegender genetischer Determinanten, die zur Entwicklung eines Weichteilsarkoms führen. Eine Erkrankung, die zur Manifestation von Weichteilsarkomen prädisponiert, ist die autosomal dominant vererbliche Neurofibromatose, die in der Hälfte der Fälle auf einer Neumutation be-
15.4 Zusammenfassung und Ausblick: Moderne Differentialdiagnostik der Sarkome
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ruht. Zwei Formen können unterschieden werden: Neurofibromatose Typ 1 (NF1: klassische Neurofibromatose, M. Recklinghausen) und Neurofibromatose Typ 2 (NF2: zentrale Neurofibromatose mit bilateralen Akustikusneurinomen). Mit einer Prävalenz von 1 : 3.500 zählt die NF1 zu den häufigsten dominant erblichen Erkrankungen überhaupt. Das nf1-Gen liegt auf dem langen Arm des Chromosoms 17 und codiert das Neurofibromin, ein GTPase-aktivierendes Protein (GAP), das RAS-Proteine inaktiviert und somit als negativer Regulator einer zentralen Signaltransduktionskaskade fungiert (Scheffzek et al., 1998; Rosenbaum et al., 1999). Aus klinischer Sicht interessant ist die Beobachtung, dass Patienten mit einer Neurofibromatose Typ 1 gehäuft einen malignen peripheren Nervenscheidentumor (MPNST) entwickeln. In einer Kohorte von 1.475 NF1-Patienten entwickelten 2 % ein MPNST, entsprechend einem relativen Risiko von 113 im Vergleich zur Normalbevölkerung (King et al., 2000). In einer Langzeitstudie, die 70 Patienten mit NF1 in Schweden erfasste, zeigten sich viermal so häufig maligne Tumoren im Vergleich zur Normalbevölkerung; 24 % dieser Patienten entwickelten im Laufe ihres Lebens ein Malignom, wobei bei 7 % der NF1-Patienten ein Sarkom diagnostiziert wurde (Zoller et al., 1997). Die Neurofibromatose Typ 2 ist mit einer Inzidenz von 1 : 50.000 wesentlich seltener. Das nf2-Gen, ein Tumorsuppressorgen, liegt auf dem langen Arm von Chromosom 22 und codiert das Protein Schwannomin. Ein Allelverlust des Chromosoms 22q ist in Verbindung mit epitheloiden Sarkomen gebracht worden (Quezado et al., 1998). Beim Li-Fraumeni-Syndrom liegt eine vererbte Keimbahnmutation des p53-Tumorsuppressorgens vor (Fraumeni, 1996). Anlageträger erkranken gehäuft an Karzinomen und Sarkomen (Carnevale et al., 1997; Hung, 1997; Toguchida et al., 1992). Dabei finden sich in bis zu 7 % der pädiatrischen Patienten mit Weichteilsarkomen Assoziationen zu Familien mit Li-Fraumeni-Syndrom. Viel häufiger als hereditäre Mutationen des p53-Gens sind erworbene Veränderungen dieses Gens. Unter den Patienten mit Weichteilsarkomen findet man spontane p53-Mutationen im Tumorgewebe bei 30–50 % der Fälle. Etwa gleich häufig treten Mutationen des mdm2-Gens auf, dessen Genprodukt P53 negativ reguliert. Auch bei einer MDM-2-Überexpression kommt es zum funktionellen Verlust der Tumorsuppressorwirkung von p53 (Kruzelock, 1995). p53-Mutationen können bei ansonsten gut differenzierten (G1-)Sarkomen eine ungünstigere Prognose signalisieren (Hieken, 1996) und innerhalb bestimmter Sarkom-Entitäten (z. B. Ewing-Sarkome; Huang et al., 2005; Schäfer et al., 2008) die Tumoren mit schlechtem Therapie-Ansprechen und ungünstiger Prognose identifizieren. Aus therapeutischer Sicht gibt es aus In-vitro-Modellen erste Hinweise, dass eine p53-Überexpression nicht nur zu einer verstärkten Zellzykluskontrolle, sondern insbesondere zur einer Inhibierung der Angiogenese in Weichteilsarkomen durch transkriptionelle Repression der VEGF- (Vascular-endothelial-growth-factor-)Expression führt (Zhang et al. 2000).
15.4 Zusammenfassung und Ausblick: Moderne Differentialdiagnostik der Sarkome Zusammenfassend haben die Nachweise charakteristischer und spezifischer genetischer Aberrationen bei Sarkomen zu großen diagnostischen Fortschritten in der Klassifizierung der Sarkome geführt. Die molekularpathologischen Untersuchungen stellen jedoch keinen Ersatz, sondern eine sinnvolle Ergänzung der histologischen und immunhistochemischen Untersuchungen dar, insbesondere bei solchen Fällen, bei denen
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15 Diagnostik und Differentialdiagnostik der Sarkome
– ungewöhnliche morphologische Varianten (z. B. schlecht differenzierte Synovialsarkome), – ein ungewöhnliches Erkrankungsalter oder eine ungewöhnliche Lokalisation (z. B. primäres Ewing-Sarkom im Bereich der Kniegelenkssynovia bei einem 55-jährigen Mann) oder – eine schwierige Differenzierung zwischen einem Sarkom und einem anderen malignen nichtsarkomatösen Tumor (z. B. spindelzelliger Tumor der Rippen mit den Differentialdiagnosen Synovialsarkom der Pleura vs. Pleuramesotheliom oder maligner solitärer fibröser Tumor; oder malignes Melanom vs. Klarzellsarkom des Weichgewebes) vorliegen. – Mutationen von Tumorsuppressorgenen, z. B. p53, INK4A oder RB, sind mit der Tumorprogression assoziiert. Der Nachweis dieser Mutationen im Tumorgewebe ist daher nicht von primärem diagnostischen bzw. differentialdiagnostischem Interesse, sondern eher im Hinblick auf Prognose und/oder Therapieprädiktion zu sehen (Huang et al., 2005; Schaefer et al., 2008). Darüber hinaus lassen sich Genmutationen von Tumorsuppressorgenen in der Keimbahn nachweisen (z. B. p53-Mutationen beim Li-Fraumeni-Syndrom) und stellen somit das Korrelat einer genetischen Tumordisposition dar.
15.5 Beispiele benigner und maligner Weichteiltumoren Im Folgenden werden exemplarisch benigne und maligne Weichteiltumoren kurz besprochen, die entweder in der Praxis der orthopädischen Pathologie häufig vorkommen und/oder aufgrund bestimmter klinischer, histologischer oder molekularpathologischer Charakteristika differentialdiagnostisch relevant sind. Da eine vollständige Übersicht den Rahmen dieses Kapitels bei Weitem sprengt, wird zur vertiefenden Lektüre auf Standardwerke wie „Enzinger & Weiss’s Soft Tissue Tumors“ verwiesen.
15.5.1 Benigne Weichteiltumoren Benigne adipozytäre Weichteiltumoren (Lipome (ICD-0: 8850/0) und Varianten/Subtypen): Die adipozytären Weichteiltumoren repräsentieren die häufigste Gruppe von Weichteiltumoren, bedingt durch die hohe Inzidenz von benignen subkutanen Lipomen. Histologisch entsprechen diese umschriebenen, von einer dünnen Kapsel überkleideten und lobulierten nodulären Fettgewebsproliferationen. Varianten des Lipoms sind das synoviale (synonym: Lipoma arborescens) und das intramuskuläre Lipom. Das relativ seltene extrarenale Angiomyolipom kann sich im Beckenweichgewebe manifestieren und darf nicht mit einem Sarkom verwechselt werden. Differentialdiagnostisch hilfreich sind die charakteristischen dickwandigen Gefäße sowie eine immunhistochemische Positivität der muskulären Zellen für HMB45 und Melan a. Noch seltener treten extraadrenale Myelolipome auf, z. B. präsakral. Benigne vaskuläre Weichteiltumoren (Hämangiom (ICD-0: 9120/0) und Varianten/ Subtypen): In der orthopädischen Pathologie spielen die sog. tiefen Hämangiome eine Rolle. Das intramuskuläre Angiom fällt radiologisch durch Kalzifikationen (Phlebolithen oder metaplastische Ossifikation) in oft schmerzhaft sich langsam vergrößernden muskulären Weichteilschwellungen auf. Aufgrund einer häufig nur unvollständigen Re-
15.5 Beispiele benigner und maligner Weichteiltumoren
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sektion werden Rezidivraten zwischen 30–50 % berichtet. Die eher seltenen synovialen Hämangiome manifestieren sich intraartikulär oder in Bursen. Die Rezidivneigung nach Exzision ist sehr gering. Noduläre Fasciitis: Die noduläre Fasziitis (Abb. 15.1) stellt sich als häufig schmerzhafter subkutaner Knoten mit rascher Größenprogredienz (Anamnesedauer meist weniger als drei Monate) dar. Am häufigsten betroffen sind junge Erwachsene, die häufigste anatomische Lokalisation ist die obere Extremität (knapp 46 %). Allerdings kann die noduläre Fasziitis in nahezu jeder anatomischen Lokalisation auftreten (Kopf-HalsRegion ca. 20 %, Stamm ca. 18 %, untere Extremität ca. 16 %). 10 % der Fälle sind vollständig intramuskulär, wenige Fälle entstehen im Periost (parosteale Fasziitis) oder in der Haut (intradermale Fasziitis). Die noduläre Fasziitis ist eine benigne (wahrscheinlich klonale) Proliferation myofibroblastärer Zellen mit selbstlimitierendem klinischen Verlauf. Bei Nichtbehandlung erfolgt im Regelfall eine spontane Regression. Lokalrezidive können mit einer Häufigkeit von 2 % auftreten, vor allem wenn eine unvollständige Exzision während der aktiven Wachstumsphase vorgenommen wurde. Im Regelfall reicht eine Exzision mit marginalen Resektionsrändern aus. Elastofibrom: Das Elastofibrom (Abb. 15.2) ist ein relativ seltener fibroelastischer Pseudotumor, der überwiegend bei älteren Patienten im Bindegewebe zwischen dem inferomedialen Anteil der Scapula und der Thoraxwand auftritt (daher 1961 ursprünglich als „Elastofibroma dorsi“ erstbeschrieben). Extraskapuläre Manifestationen selten an der unteren Extremität. Ätiologisch stellt das Elastofibrom wahrscheinlich nicht eine reaktive Proliferation infolge rezidivierter oder prothrahierter (Mikro-)Traumata, sondern eine klonale Proliferation dar, möglicherweise mit genetischer Prädisposition. Das Elastofibrom wird am besten durch eine lokale Exzision behandelt. Rezidive sind
Abb. 15.1: Noduläre Fasziitis: Relativ unscharfe Begrenzung der myofibroblastären Infiltrate gegenüber dem Fettgewebe.
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15 Diagnostik und Differentialdiagnostik der Sarkome
Abb. 15.2: Elastofibrom. a: Irreguläre Bänder eines relativ dichten, hypozellulären kollagenen fibrösen Gewebes mit reichlich eosinophilen elastischen Fasern. b: In derEvG-Färbung teils verdickte und „serratiert“ erscheinende, teils globulär veränderte elastische Fasern.
extrem selten. Eine maligne Transformation wird nicht beschrieben. Die histopathologische Diagnose kann im entsprechenden klinischen Kontext selbst an Feinnadelaspiraten relativ sicher gestellt werden. Wenn ein Elastofibrom differentialdiagnostisch in Erwägung gezogen wird, sollte durch eine EvG-Färbung die Diagnose gesichert sein. Fibromatosen (ICD-0 der aggressiven Fibromatose: 8821/1) Die Fibromatosen sind eine umfangreiche Erkrakungsgruppe, gekennzeichnet durch eine Proliferation fibroblastärer und myofibroblastärer Zellen mit konsekutiver Bildung von kollagenem Gewebe. Im Unterschied zu Narbengewebe oder reaktiven Prozessen besteht bei den Fibromatosen eine ausgeprägte Tendenz zur Infiltration ins Nachbargewebe. Von den oberflächlichen Fibromatosen der Dupuytren-Gruppe mit langsamem und limitiertem Wachstum wird die aggressivere „tiefe“ Gruppe der Desmoide unterschieden. Histopathologisch sind die tiefen Fibromatosen im Hinblick auf die Dignitätsbewertung als semimaligne einzustufen, da sie keine zytologischen Atypien aufweisen, aber invasiv und destruierend wachsen und zu Lokalrezidiven neigen. Metastasen werden nicht gebildet. Immunhistochemisch zeichnen sich die Fibromatosen durch die Expression von glattmuskulärem Aktin aus, eine Beta-Catenin-Expression ist typischerweise bei tiefen Fibromatosen nachweisbar. Der Proliferationsindex (Ki67) variiert von etwa 5 bis 25 %, die CD34-Negativität ermöglicht eine Abgrenzung zu dermalen, fibrösen Neoplasien (z. B. Dermatofibrosarcoma protuberans), die CD68Negativität eine Abgrenzung zu fibrohistiozytär differenzierten Tumoren. Zu den Fibromatosen werden ebenfalls die Arthrofibrose und die Gruppe der juvenilen Fibromatosen gezählt. Morbus Dupuytren: Beim M. Dupuytren kommt es zu einer schmerzlosen progredienten Fibrose der Palmarfaszie mit Beugekontrakturen der MCP- und PIP-Gelenke. Insbesondere die ulnaren Finger sind betroffen. Durch Fibroblastenkontraktion entwickeln sich Knötchen in der Faszie. Die Beugesehnen sind nicht primär involviert. Am häufigsten sind Männer jenseits des 50. Lebensjahres betroffen. Es besteht eine genetische Prädisposition; repetitive manuelle Tätigkeiten im Beruf und Vibrationstraumen stellen einen Risikofaktor dar.
15.5 Beispiele benigner und maligner Weichteiltumoren
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Palmare Fibromatose: Die palmare Fibromatose (Fasziitis palmaris) ist sehr selten, verursacht aber ebenfalls progrediente Beugekontrakturen. Hierbei sind allerdings alle Finger beider Hände betroffen. Diese Entität ist rar und oft mit einem Malignom assoziiert. Die Tumortherapie kann die Progression stoppen und sogar zu einer Besserung führen. Fasziitis plantaris (Morbus Ledderhose): Das Leitsymptom der Fasziitis plantaris ist ein belastungsabhängiger Fußsohlenschmerz. Am häufigsten entwickelt sie sich zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr, bei Laufsportlern auch früher. Neben repetitiven Mikrotraumata bei Sportlern werden auch Pes-planus- und – cavus-Deformitäten ätiologisch angeschuldigt. Desmoide (ICD-0: 8821/1): Desmoide sind seltene, langsam wachsende, zwar lokal aggressive, aber nicht metastasierende fibroblastische Tumoren. Desmoide können prinzipiell überall im Körper vorkommen. Sie besitzen keine Pseudokapsel, sondern infiltrieren lokal das Nachbargewebe mit kleinen Bündeln aus Spindelzellen und reichlich fibrösem Stroma. Ein Teil der Desmoide weist klonale Chromosomenaberrationen (Trisomie 8 und 20) auf. In Kombination mit der familiären adenomatösen Polypose werden Desmoide beim Gardner-Syndrom beobachtet. Intraabdominelle Desmoide sind aufgrund einer diffusen Infiltration der Mesenterien oft nur schwierig resezierbar und können dann das Leben der Betroffenen limitieren. Extrapleurale solitäre fibröse Tumoren (SFT) (ICD-0: 8815/0): Die früher als „Hämangioperizytom“ bezeichneten Läsionen werden heute im Regelfall als SFT klassifiziert, da diese Neoplasien fibroblastischen und nicht perizytischen Proliferationen entsprechen. Es ist davon auszugehen, dass die extrapleuralen SFT, die nahezu in jedem Organ und jeder Lokalisation auftreten können, häufiger als die pleuralen Manifestationen sind. Die charakteristische Morphologie besteht zum einen in der Zellart (teils längsovaläre, teils plump spindelige Zellformen) sowie im Gefäßmuster (hämangioperizytomartig). Hierunter versteht man ein irreguläres, „architekturloses“ Verteilungsmuster von variabel großen Blutgefäßen mit perivaskulärer Hyalinose und Sklerose des Stromas. Die Anzahl der Mitosen ist gering, die Anzahl von drei Mitosen auf zehn HPF wird nicht überschritten. Der Immunphänotyp ist definiert durch eine CD34-Reaktivität (ca. 90–95 %) sowie eine CD99-Reaktivität (ca. 70 %). Die allermeisten SFT sind als benigne einzustufen; wie in der Pleura könnten aber auch bei den Weichteil-SFT 5– 10 % evtl. einen malignen Verlauf aufweisen. Da absolut sichere morphologische Kriterien zur Dignität von SFT nicht vorliegen, ist es ratsam, in der histopathologischen Beurteilung auf abschließende Dignitätsaussagen zu verzichten. Tenosynovialer Riesenzelltumor (ICD-0: 9250/0)/Pigmentierte villonoduläre Synovialitis (PVNS): Die relativ monomorphen fibrohistiozytären Zellformen in Kombination mit osteoklastären Riesenzellen, die charakteristischen Schaumzellakkumulate sowie die homogene, ausgeprägte, feingranuläre Hämosiderose führen zur Diagnose eines tenosynovialen Riesenzelltumors. Die diffuse Variante des tenosynovialen Riesenzelltumors (sogenannte pigmentierte villonoduläre Synovialitis) unterscheidet sich von der lokalisierten Variante in erster Linie durch die Lokalisation. Lokalisierte Varianten treten in den Sehnenscheiden, diffuse Varianten ausschließlich intraartikulär (typischerweise Kniegelenk) auf. Demzufolge ist eine Trennung einer diffusen von einer lokalisierten Variante nicht durch die Histopathologie, sondern ausschließlich durch die Lokalisation (Sehnenscheide versus intraartikuläre Lokalisation) möglich. Die diffuse
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15 Diagnostik und Differentialdiagnostik der Sarkome
Variante zeigt ein destruierendes Wachstum mit einer hohen Rezidivrate (etwa 40– 60 %). Synovialsiderosen (bei Zustand nach Trauma, Hämarthros) zeichnen sich durch eine ausschließlich auf die synoviale Deckzellschicht akzentuierte Hämosiderindeposition aus, das subsynoviale Gewebe bei einer synovialen Siderose ist im Gegensatz zu einem tenosynovialen Riesenzelltumor zellarm. Ossäre Riesenzelltumoren sind aufgrund der reaktiven Knochenbildung sowie des hohen Kerngehaltes der Riesenzellen von der PVNS unterscheidbar. Die Detritussynovialitis ist durch die zum Teil devitalen, intrasynovialen Knorpel- und Knochenfragmente charakterisiert. Synoviale Sarkome sollten bei einem zytologisch monotonen Aspekt, Fehlen von Riesenzellen, Fehlen einer Hämosiderindeposition sowie Auftreten von Mitosen und Nekrosen in die seltene Differentialdiagnose insbesondere bei jüngeren Patienten einbezogen werden.
15.5.2 Maligne Weichteiltumoren Undifferenziertes high grade pleomorphes Sarkom (pleomorphes Sarkom NOS, G3; malignes fibröses Histiozytom, MFH (ICD-0: 8830/3)) Das undifferenzierte high grade pleomorphe Sarkom (Abb. 15.3) klassifiziert hochgradig pleomorphe, meist zellreiche mesenchymale Tumoren mit „anaplastischer Zytomorphologie“ (unterschiedliche Zellularität, spindelzellige Tumorzellen, mehrkernige Tumorriesenzellen). Immunhistochemisch ist keine histogenetische Liniendifferenzierung möglich. Die Bezeichnung pleomorphes malignes fibröses Histiozytom beschreibt eine kleine Gruppe undifferenzierter high grade pleomorpher Sarkome. Eine histogenetische Liniendifferenzierung ist bei dieser „Entität“ mit heutzutage verfügbaren Methoden nicht nachweisbar. In der Vergangenheit vorgenommene immunhistochemische Untersuchungen histiozytärer Antigene (z. B. alpha-1-Antitrypsin, CD68, Lysozym, alpha-1Antichymotrypsin) spielen in der Diagnostik der undifferenzierten high grade pleomorphen Sarkome heutzutage keine Rolle mehr. Die Mehrheit der undifferenzierten high grade pleomorphen Sarkome manifestieren sich an den Extremitäten (insbesondere untere Extremität) und weniger häufig am Stamm. Überwiegend befinden sich diese Tumoren im tiefen (subfaszialen) Weichgewebe, weniger als 10 % sind primär subkutan lokalisiert.
Abb. 15.3: Undifferenziertes high grade pleomorphes Sarkom
15.5 Beispiele benigner und maligner Weichteiltumoren
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Undifferenzierte high grade pleomorphe Sarkome sind typischerweise große, im tiefen (subfaszialen) Weichgewebe lokalisierte Tumoren mit häufig schneller Größenzunahme. Zum Zeitpunkt der Diagnosestellung weisen etwa 5 % der Patienten bereits Fernmetastasen auf, am häufigsten in den Lungen. Die Gesamt-Fünf-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit liegt bei ca. 50–60 %. Allerdings hat sich gezeigt, dass es prognostische Subgruppen bei den Tumoren gibt, die bislang als „pleomorphe MFH“ subsumiert wurden. So weist z. B. das dedifferenzierte Liposarkom Metastasen bei nur 15–20 % der Patienten auf und entspricht einer prognostisch „günstigeren“ Subgruppe. Eine entsprechende Tumorklassifikation (ggf. auch durch ergänzende Referenzpathologie) ist daher klinisch relevant. Synovialsarkom (ICD-0: 9040/3) Synovialsarkome (SS) sind maligne mesenchymale Tumoren und werden in die zwei Hauptgruppen biphasische (ICD-0: 9043/3) Synovialsarkome und monophasische (ICD-0: 9041/3) spindelzellige Synovialsarkome (hier vorliegender Fall) eingeteilt. Die monophasischen Synovialsarkome sind häufiger. 5–10 % der SS erscheinen schlechter differenziert mit häufig einer Rundzellkomponente, die Ewing-Sarkomen ähnelt. Die differentialdiagnostische Abgrenzung von anderen Spindelzellsarkomen erfolgt durch Immunhistochemie: EMA, Pan-Zytokeratine und CK7 sowie CK19. Während die epithelialen („glandulären“) Strukturen bei biphasischen SS relativ homogen und kräftig positiv mit diesen Markern reagieren, finden sich bei monophasischen spindelzelligen SS nicht selten nur ganz vereinzelte positive Zellen. Nach eigenen Erfahrungen und auch in der Literatur scheint EMA als epithelialer Marker sensitiver zu sein als die Zytokeratine. Darüber hinaus weisen SS das folgende immunhistochemische Markerprofil auf: S100-Protein fokal positiv in ca. 30 %; BCL2: homogen und kräftig positiv bei fast allen SS; CD34: fast immer negativ; CD99: positiv bei 60–70 %; Calponin oft positiv und ggf. nützlich bei der Abgrenzung schlecht differenzierter SS-Varianten von anderen Rundzell-Sarkomen; TLE1: positiv in mehr als 90 % der SS. Der molekularpathologische Nachweis (FISH, RT-PCR) einer balancierten reziproken chromosomalen Translokation t(X;18)(p11;q11) bzw. der entsprechenden Genfusionstranskripte SS18-SSX gilt als beweisend für die Diagnose Synovialsarkom. Synovialsarkome sind eine klinisch und morphologisch/molekularpathologisch gut definierte Entität, die – trotz ihrer Namensbezeichnung – nur extrem selten in Gelenkhöhlen auftritt und sich stattdessen häufig in Regionen ohne Bezug zu synovialen Strukturen manifestiert. Synovialsarkome finden sich lt. Literaturangaben in abnehmender Häufigkeit an der unteren Extremität (59,7 %) (vor allem Knieregion), der oberen Extremität (23,2 %), der Kopf-Hals-Region (9,0 %) und am Stamm (8,0 %). Insbesondere bei differentialdiagnostisch schwierigen Fällen (monophasische und schlecht differenzierte Synovialsarkome) erlaubt der molekularpathologische Nachweis der X;18-Translokation eine sichere Diagnosestellung, auch an formalin-fixiertem und paraffineingebettetem Tumorgewebe. Ewing-Tumoren/PNET (ICD-0: 9260/3) Das extraskelettale Ewing-Sarkom gehört zur Familie des ES/PNET-Tumoren (ES = Ewing-Sarkom; PNET = peripherer neuroektodermaler Tumor). ES/PNET-Tumoren manifestieren sich ossär und extraossär und können praktisch in jeder anatomischen
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15 Diagnostik und Differentialdiagnostik der Sarkome
Lokalisation auftreten (außerhalb des Bewegungsapparates sind ES/PNET-Tumoren im pankreatikobiliären System, im Urogenitalsystem, im Gastrointestinaltrakt sowie in weiteren anatomischen Lokalisationen beschrieben worden). Das typische EwingSarkom ist der sog. „klein-blau-rundzellige“ Tumor“ (Abb. 15.4), bestehend aus dicht gepackten, monomorphen Tumorzellen mit runden bis rund-ovalen Tumorzellkernen (10–15 μm Durchmesser), distinkter Kernmembran, lockerer Chromatinstrukutur und häufig 1–2 kleinen Nukleoli. Der Zytoplasmasaum ist im Regelfall schmal und kann aufgrund intrazellulärer Glykogen-Depositionen (PAS-positiv) vakuolisiert erscheinen. Eine Variante stellt das atypische oder großzellige Ewing-Sarkom dar, das vergrößerte Zellkerne mit häufig irregulärer Kernstruktur und prominenten Nukleoli aufweist. Seltene Fälle von ES/PNET-Tumoren können zumindest fokal ein dem Synovialsarkom ähnliches prominentes Spindelzellmuster mit hämangioperizytomartiger Gefäßstruktur zeigen. Eine sehr seltene Variante stellt das adamantinomartige Ewing-Sarkom mit einem epitheloiden Wachstumsmuster und starker Stroma-Desmoplasie dar. Innerhalb der ES/PNET Tumorfamilie nehmen die typischen PNET einen Anteil von 10–15 % der Tumoren ein. Sie sind überwiegend durch Homer-Wright-Rosetten, selten durch Flexner-Winterstein-Rosetten gekennzeichnet. Ein PNET innerhalb der ES/PNET Familie kann diagnostiziert werden, wenn ultrastrukturell eine neurale Differenzierung (neurosekretorische Granula) oder immunhistochemisch zwei oder mehr neurale Marker co-exprimiert werden. In Abgrenzung anderer blau-rundzelliger Tumoren ist die Immunhistochemie essentiell: 90–95 % der ES/PNET-Tumoren sind positiv für CD99 (MIC2-Gen, p30/32-Glykoprotein). Das spezifische Färbemuster ist membranös. Allerdings zeigen auch andere blau-rundzellige Tumoren eine CD99-Positivität, die in Präparaten der orthopädischen Pathologie eine Rolle spielen können: T-lymphoblastisches Lymphom (90 %), schlecht differenziertes Synovialsarkom (50 %), kleinzelliges Osteosarkom (23 %), Rhabdomyosarkom (21 %), desmoplastischer klein-rundzelliger Tumor (16 %), kleinzelliges Karzinom (9 %), Merkel-Zell-Karzinom (9 %). Als alleiniger Marker ist CD99 in der Differentialdiagnose daher nicht ausreichend, entscheidend ist das immunhistochemische Markerprofil. Bei der Abgrenzung zu kleinzelligen Karzinomen ist zu berücksichtigen, dass 20–25 % der ES/PNET-Tumoren auch Pan-Zytokeratine (AE1/ AE3) exprimieren. Charakteristisch für ES/PNET-Tumoren ist der molekularpathologische Nachweis einer chromosomalen Translokation mit Fusion des EWS-Gens auf
Abb. 15.4: Ewing-Sarkom: klein-blau-rundzelliger monomorpher zellreicher Tumor
15.5 Beispiele benigner und maligner Weichteiltumoren
Gen EWS FLI-1 ERG ETV1 E1AF FEV
Lokalisation 22q12 11q24 21q22 7p22 17q22 2q33
Chr. 2 FEV
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Chr. 11 FLI-1
Chr. 22 EWS Chr. 7 ETV 1
Chr. 21 ERG
Chr. 17 E1AF
Abb. 15.5: Chromosomale Translokationen bei Ewing-Sarkomen/PNET
Chromosom 22q12 mit einem der zahlreichen Mitglieder der ETS-TranskriptionsfaktorFamilie (Abb. 15.5). In der Differentialdiagnose der blau-rundzelligen Tumoren sollte – auch bei ungewöhnlicher Lokalisation oder ungewöhnlichem Erkrankungsalter – immer auch an die ES/PNET-Tumoren gedacht werden. In der Stufendiagnostik sollte die Diagnosesicherung nach Immunhistochemie, wenn möglich, noch durch molekularpathologische Untersuchungen erfolgen. Der Nachweis der chromosomalen Translokation mit Umlagerung des EWS-Gens auf Chromosom 22q12 bzw. der daraus resultierenden Genfusionstranskripte ist mittels Zwei-Farben-FISH (Abb. 15.6) bzw. RT-PCR gut an formalinfixiertem und paraffineingebettetem Gewebe möglich. Dermatofibrosarcoma protuberans (DFSP) (ICD-0: 8832/3) Das DSFP ist eine relativ monomorphe, mononukleäre spindelzellige Neoplasie (Abb. 15.7), die sowohl die Dermis als auch die Subkutis involviert. Wegen der Infiltration des subkutanen Fettgewebes kommt dieser Tumor gelegentlich auch in der or-
Abb. 15.6: Darstellung der chromosomalen Translokation bei Ewing-Sarkomen mit FISH. Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (Zwei-Farben-Split-FISH) des EWS-Gens auf Chromosom 22q12. Die weißen Pfeile markieren den Bruch im Bereich des EWS-Gens als Korrelat einer chromosomalen Translokation (getrennt liegendes rotes und grünes Hybridisierungssignal). Intakte Chromosomen 22q12 (rot-grünes Fusionssignal bzw. gelbes Mischsignal) mit grauen Pfeilen markiert. a: Tetraploides Ewing-Sarkom, b: diploides Ewing-Sarkom. Modifiziert nach Heikaus et al., 2009.
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15 Diagnostik und Differentialdiagnostik der Sarkome
Abb. 15.7: Dermatofibrosarcoma protuberans (DFSP): mattenartig verflochtene spindelzellige Proliferation
thopädischen Pathologie vor, insbesondere dann, wenn Biopsien aus tieferen DFSPAnteilen ohne miterfassten Hautbezug zu beurteilen sind. DFSP treten meistens am Stamm, der Leiste und der unteren Extemität auf. Die Morphologie sowie der Immunphänotyp (CD34 positiv) führen zur Diagnose des Dermatofibrosarkoma protuberans; erleichtert wird die Diagnose im Falle der charakteristischen Fettgewebsinfiltration, welche ein honigwabenartiges Muster aufweist. Rezidive treten insbesondere bei unvollständiger Exzision auf. Metastasen in Lymphknoten oder Organmetastasen sind sehr selten (