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German Pages 135 [140] Year 1939
KUNSTWISSENSCHAFTLICHE BAND
XXIV
STUDIEN
Arnold
Tschira
ORANGERIEN U N D GEWÄCHSHÄUSER Ihre geschichtliche
Entwicklung
in D e u t s c h l a n d
Berlin D E U T S C H E R
ig 3g K U N S T V E R L A G
MEINER MUTTER ZUGEEIGNET
D90
INHALT Vorwort ERSTER
7 TEIL
Die Einführung der Orangengewächse in Deutschland. Das abschlagbare Winterhaus
9
ZWEITER TEIL Das feststehende Orangeriegebäude Die Entwicklung in Frankreich
20 - . .
22
Holländische Orangenstuben
31
Die Entwicklung der Orangeriegebäude in Deutschland
32
Deutsche Orangerieschlösser
67
DRITTER
TEIL
Das Glashaus Die architektonische Gestaltung der Gewächshäuser im 18. Jahrhundert Das große Palmenhaus
74 .
89 97
Anmerkungen
118
Verzeichnis der benutzten Schriften
122
Personenverzeichnis
133
Ortsverzeichnis
135
VORWORT Bei der Betrachtung zahlreicher Pläne von Orangerien und Glashäusern, welche sich in den Karlsruher Sammlungen befinden, schien es dem Verfasser eine lockende Aufgabe, die Geschichte der Pflanzenhäuser zu verfolgen. Bei der Bearbeitung stellte es sich zunächst als notwendig heraus, das Bauprogramm nicht nur nach seiner gärtnerischen, sondern auch nach seiner kulturellen Seite genau kennenzulernen. Hierbei war zunächst am wichtigsten, festzustellen, was für eine Rolle diese Gartengebäude im G e f ü g e des barocken Lustgartens spielten; danach war zu betrachten, wie aus allen diesen Voraussetzungen das Einzelgebäude entstand und wie die Geschichte der Bauform in einer im wesentlichen ungebrochenen Entwicklungslinie verlief. Z w e i neue Baustoffe wurden für diese Entwicklung wichtig, einmal das Fensterglas, das gegen Ende des 17. Jahrhunderts in größeren Mengen hergestellt wurde, so daß es nun möglich war, die Wände der Pflanzenhäuser ganz in Glas aufzulösen, und später das Eisen, das nach 1750 in den Glashausbau eingeführt wurde, jedoch längst nicht diese wichtige Rolle spielte, die man ihm bisweilen zuweisen wollte; im allgemeinen wurden auch noch die großen Palmenhäuser des 19. Jahrhunderts wie die barocken Glashäuser aus Holz und Glas gebaut. Erst um 1860 setzte sich das Eisen bei der Konstruktion der Pflanzenhäuser an deren tragenden Teilen endgültig durch. Bis zu diesem Zeitpunkt führt die vorliegende Arbeit. Die Hauptquellen des Verfassers waren die barocken Architektur- und Gartenschriftsteller. Sie konnten nicht nur die Frage nach dem Bauprogramm beantworten, sondern gaben auch ein besseres Bild von vielen Bauten, die entweder gar nicht oder nur entstellt auf uns gekommen sind; dabei haben auch die Idealentwürfe der Theoretiker für die Betrachtung des barocken Bauwillens eine allgemeinere Gültigkeit als die bis zu einem gewissen Grade von Zufälligkeiten geformten ausgeführten Bauten; dies war um so willkommener, als es natürlich nicht möglich war, die große Anzahl barocker Pflanzenhäuser in Augenschein zu nehmen oder sie gar aufzumessen. Neben diesen Werken, welche ja weitgehend Quellenwert besitzen, mußten natürlich viele neuere Veröffentlichungen verarbeitet werden. Hierbei stieß der Verfasser auch auf den Aufsatz von Hans Pfann über die Geschichte des Treibhauses, der eine ganze Reihe von Fragen anschneidet. Neben diesem Aufsatz wurde dem Verfasser keine neuere zusammenfassende Arbeit bekannt. 7
Die Arbeit beschränkt sich im wesentlichen auf die Darstellung deutscher Pflanzenhäuser; es wurde aber auch notwendig, die Geschichte der Pflanzenhäuser in Italien, Frankreich und England in den Hauptpunkten ihrer Entwicklung zu schildern. Auch hier war der Verfasser auf die Architekturtheoretiker und einige Darstellungen aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts angewiesen. Eine ausführliche Behandlung französischer und englischer Pflanzenhäuser fehlt leider bis heute; sie würde einen wertvollen Beitrag zur Geschichte der Baukunst besonders im 19. Jahrhundert bilden. Für Förderung meiner Arbeit habe ich vielen Stellen zu danken, besonders hat Herr Professor Dr. Karl Wulzinger meinen Studien ein fruchtbares Interesse angedeihen lassen. Besonderen Dank schulde ich dem Badischen Ministerium des Kultus und Unterrichts und der Karlsruher Hochschulvereinigung, die durch namhafte Zuschüsse die Drucklegung ermöglichten, nicht zuletzt auch der FürstPückler-Gesellschaft, die das Buch als Jahresgabe für ihre Mitglieder bestimmt und dadurch die reiche Bebilderung möglich gemacht hat. Der
8
Verfasser
E R S T E R
T E I L
DIE EINFÜHRUNG D E R O R A N G E N G E W Ä C H S E IN DEUTSCHLAND DAS ABSCHLAGBARE WINTERHAUS Die Zitrusarten oder Agrumen, die in der Gartenkunst des Barocks eine so große Rolle spielen, waren in Italien schon früh bekannt und heimisch. Den Cedratbaum beschreibt der Neapolitaner Palladius Rutilius Taurus Aemilianus um 350 n.Chr. Zu seiner Zeit wurde dieser Baum in Süditalien, Sizilien und Sardinien im Freien gezüchtet. Wesentlich später — im Gefolge der letzten Kreuzzüge — wurde die Limone nach Süditalien eingeführt, und die Orange, welche später die beliebteste Zitrusart wurde, kam erst 1548 über Portugal nach Europa. Die Pflanzen stammen alle aus Asien, die Zitrone aus Persien, die Limone aus dem südlichen Asien und die Orange oder Pomeranze aus China. Es sind vielerlei Eigenschaften, die schon in der Renaissance und noch stärker im Barock die Orangen und Zitronen zu den beliebtesten Gartenbäumen machen. Die Schriftsteller zählen immer wieder auf : Die Schönheit des tiefgrünen, glänzenden Blattwerkes, aus dessen dunkler Fülle die goldgelben Früchte hervorleuchten, den zierlichen und doch geschlossenen Wuchs; die Bäume sind immer grün, immer tragen sie Blüten und Früchte zugleich. Schon früh werden die Früchte zu Heilzwecken und auch für Limonaden und Riechwasser verwendet. Dazu ist die Liebe zu den Orangen in zweifachem Sinn bezeichnend für die geistige Haltung jener Jahrhunderte. Die Orangenfrüchte gelten als die sagenhaften Äpfel der Hesperiden: so ist die Vorliebe für sie eine der vielen Äußerungen jener Verehrung des Herakles, dessen heldenhaftes unermüdliches Streben dem ganzen Barock als die tiefste Bestätigung seines eigenen Wesens galt. Dazu ist die Pflege dieser empfindlichen Pflanzen, die man aus fernen Gebieten in unsere rauheren Länder verbracht hatte, schon an sich eine tätige Äußerung dieses gleichen Geistes, der es sich vorgenommen hatte, die Naturgesetze in eine feste menschliche Ordnung einzufügen und sie so der Menschheit dienstbar zu machen. „C'est chose très admirable et digne d'estre remarquée, que l'industrie de l'homme aye tant de pouvoir de forcer un terroir de porter arbres et produire des fruits contraire à son naturel" 1 . Die Reihe der Werke, welche ausschließlich der Beschreibung der Zitrusarten und ihrer Zucht gewidmet sind, eröffnet Jovianus P o n t a n u s mit seinem Gedicht: „De hortis Hesperidum", welches um 1490 entstanden ist. Wir wollen aus dem Werke, das die Hesperidensage enthält und die Bäume in ihren verschiedenen Arten beschreibt, hier nur herausgreifen, was er von den Vorkehrungen erwähnt, die man in Italien trifft, um die Bäume vor Kälte und Frost zu schützen. Ganz allgemein wählte man zur Anlage einer Orangerie einen Gartenteil, der nach Süden offen, nach Norden dagegen durch Hügel und Gebüsch, oder am besten durch 9
Mauern und Gebäude geschützt war. In Süditalien wurden während des Winters die Pflanzen mit Stroh und Flechtwerk umwickelt, bei starkem Frost unterhielt man zwischen ihnen offene Feuer. Hier haben wir das Urbild der sogenannten „ I m Grund stehenden Orangerie": die Bäume stehen fest im Erdreich und werden im Winter mit beweglichen Vorrichtungen überdeckt. Von abschlagbaren Winterhäusern, die später zur Überdeckung eines Orangengartens verwendet wurden, weiß Pontano noch nichts. Die andere Möglichkeit, die Bäume in bewegliche Kübel zu setzen und im Winter in feste Häuser zu bringen, war ihm dagegen schon bekannt. E r berichtet, daß man in der Poebene die Orangen in „rhaedis", also in fahrbaren Kübeln, aufziehe und diese im Winter in Häuser oder unterirdische Räume (cavea) bringe. Ob diese Räume und Häuser besonders für einen solchen Zweck errichtet waren, erwähnt er nicht, wir dürfen aber annehmen, daß dies nicht der Fall war. Wir vermuten vielmehr, daß hierfür Gartensäle und Grottenräume verwendet wurden. Besonders ein Grottentheater, wie es in den italienischen Gärten häufig war, bot im Sommer wie im Winter eine vorzügliche Gelegenheit zur Unterbringung eines Orangengartens; dieser Umstand wird später für die Entwicklung der großen Orangeriegebäude in Deutschland wichtig. Leider erwähnt Pontano nichts davon, daß die Antike schon Treib- und Winterhäuser besaß. E s wäre sehr aufschlußreich, zu wissen, ob die Beschreibung, die Martial und Seneca von solchen Häusern geben, den Gärtnern der Renaissance eine Anregung zu der Pflege von Pflanzen in Winterhäusern bot. Erst später bei Mizaldus 1577, bei Sterbeck 1682 und besonders bei Volkamer 1708 und 1 7 1 4 werden diese Nachrichten antiker Schriftsteller erwähnt. Der nicht sehr ausführliche Bericht des Jovianus Pontanus ist für fast ein ganzes Jahrhundert unsere einzige Quelle. E r trug aber nicht wenig zur Verbreitung der Orangengewächse in Mitteleuropa bei. Die Opera Pontani erschienen 1556 in Basel und waren so für die gebildeten Stände Deutschlands allgemein zugänglich 2 . Wir können jedoch auch annehmen, daß Pontanus unmittelbar an der Einführung der Limonen in Frankreich beteiligt war. E r übergab ja als Staatsminister Ferdinands II. die Schlüssel der Stadt Neapel dem König von Frankreich, Karl VIII., den sein Eroberungszug nach Italien geführt hatte. Karl VIII. legte nun nach seiner Rückkehr den ersten Orangengarten Frankreichs in Amboise an 3 . E s besteht für mich kein Zweifel, daß hierbei das Beispiel des Pontanus entscheidend mitgewirkt hat. So kam die Orange im Gefolge jenes allgemeinen Einströmens italienischen Kulturgutes nach Mitteleuropa. E s ist selbstverständlich, daß auch die Handelsherren der süddeutschen Reichsstädte bei ihren Beziehungen zu den drei Städten, die später die Hauptorte für den Bezug italienischer Orangenbäume waren, nämlich Venedig, Mailand und Genua, schon frühzeitig die Zitrusgewächse nach Süddeutschland brachten. Wenn Beatus Rhenanus 15 31 anläßlich der Beschreibung des Hauses und Gartens von Raimund Fugger in diesem keines von den Gewächsen vermißt, welche Italien erzeugt, so müssen wir annehmen, daß unter diesen Pflanzen die Zitrone und Limone nicht gefehlt haben. Auch in 10
Nürnbergs Gärten treffen wir den Pomeranzenbaum an. Wenigstens schildert Adam Pürschmann in seinem Lobgedicht auf Hans Sachs 4 einen nürnbergischen Garten voll seltener Fruchtbäume und erwähnt dabei auch die Pomeranzen. Überhaupt wurde die Pomeranze oder Orange die beliebteste Art unter den Agrumen. Sie und die Feige wurden mit Leidenschaft in den Gärten des späten 16. Jahrhunderts gezogen, schon allein deshalb, weil Feige und Orange auf keiner fürstlichen Tafel fehlen durften. E s kam aber noch hinzu, daß man damals eine besondere Neigung zum Seltenen, oft auch zum Seltsamen hatte. So wie in den Kunstkammern sich alles irgendwie Auffallende, Seltene, exotisch und künstlerisch Wertvolle ein Stelldichein gaben 5 , so waren die Gärten streng umhegt und angefüllt mit seltenen ausländischen Gewächsen; bunt und starkriechend mußten sie sein: Orangen, Zitronen, Limonen, Tulpen, Hyazinthen, Narzissen, hochgeschätzt und ganz selten war die Aloe in den deutschen Gärten. Diese Vorliebe zum Niegekannten, zum Neuen, aus der Ferne Kommenden, kurz zum Exotischen, wird uns später im Gartenbau wieder begegnen, und zwar wieder wie im 16. Jahrhundert im Verein mit großen Entdeckungen und Reisen. Bald wurde die Orange „das ideale Wappen des vom Norden gesehenen Südens" (Waetzoldt), das gab ihr eine führende Stelle bei dem Einströmen italienischen Kulturgutes nach Mitteleuropa. E s ist kein Zufall, daß die ersten Orangerien an den großen Straßen auftauchen, auf denen auch die italienische Formenwelt eindringt, und daß ihre Pflege vor allem an den Fürstenhöfen gefördert wird, so in München, in Augsburg und Nürnberg, in Heidelberg und Stuttgart und in Prag 6 ; in Sachsen vereinigen sich die beiden Wege, von Böhmen her und von Süddeutschland her, und wir treffen dort die ersten Orangerien in Dresden und Pillnitz. Im Ausland sind die Orangerien v o n Anet und Beddington bis in das 16. Jahrhundert nachweisbar. Befreundete H ö f e tauschten damals allgemein Pflanzen und Erfahrungen über ihre Zucht aus. So schickt Herzog Albrecht von Bayern dem Herzog Christof von Württemberg mehrere Risse zu Gartenhäusern 7 . Christof von Württemberg schenkt 15 60 dem Kurfürsten von Sachsen 8 120 Sorten von Gewächsen. Auch aus den Prager Gärten des Kaisers kamen Pomeranzen-, Granat- und Morellenbäume nach Dresden (1570). Hier war der Bau von Winterhäusern in so hoher Blüte, daß 1559 Joachim II. von Brandenburg den Dresdener Hof um hölzerne Modelle von solchen Winterhäusern bat 9 . Ottheinrich von der Pfalz tauschte mit Raimund Fugger, dessen Garten schon oben erwähnt wurde, italienische Reben, Zypressen, Lavendel- und Granatbäume gegen Pfälzer Wein. Zunächst bedeckte man diese ausländischen Gewächse im Winter mit Flechtwerk und Reisig, wie es schon Pontanus beschrieben hatte (so bei Heresbach 1570 und Mizaldus 1577), schließlich war aber die Überwinterung der Orangen in Häusern nördlich der Alpen allgemein verbreitet. Die abschlagbaren hölzernen Pomeranzenhäuser scheinen in Deutschland zuerst zu ihrer vollen Ausbildung gelangt zu sein. Hierauf weist schon die oftmalige Erwähnung deutscher Pome-
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U UAIM MDIGM C O K m i . r r MmMD TmcTO U M t l W • H M T M M B M f H i l l v i PTCIl FAHNE »II
tanzenhäuser
bei
frühen französi-
schen Gartenschriftstellern hin, während französische Häuser bis auf die eine Ausnahme v o n A n e t im 16. Jahrhundert nicht erwähnt wurden. Man war damals allgemein des Glaubens, daß Italien derartige Häuser nicht besitze, und so war denn Heinrich Schickardt höchlichst erstaunt, als er auf einer Reise im G e f o l g e des Herzogs v o n Württemberg (1599 bis 1600) in Mantua und Ferrara auch solche Häuser fand 10 . D e n Orangengarten v o n F e r r a r a beschreibt er ausführlich. Er ist 80 Schritt lang und 20 breit und gegenNorden durch eine hohe Mauer geschützt. Im Winter wird der Garten mit einem hölzernen Haus überdeckt, dessen Dach gegen Süden Lucken hat, welche bei gutem Wetter geöffnet werden. Bei sehr kaltem Wetter wird das Haus mit
1. Pomeratr%engarten des Herzogs Farnese Parma. Aus Ferrari, 1646
offenen Kohlenfeuern geheizt. Schikkardt schließt seineBeschreibung mit den W o r t e n : „ . . . ich hab sonst ver-
meint, das solches nuhr bey uns in Teutschland vonnöten, hab es aber in Italien (gleichwoll umb R o m herumb nicht, aber sonst) an etlich orten gesehen." Eine Reihe solcher italienischer Winterhäuser bildet einige Jahrzehnte später F e r r a r i in seinen H e s p e r i d e s
a b 1 1 . D i e Orangerie des Herzogs Farnese in
P a r m a ( A b b . 1) ist rings v o n einer Mauer umgeben. In zwei Feldern, die durch einen Mittelgang getrennt sind, stehen die Bäume mit genau gleichen Abständen in drei Reihen nebeneinander; an den Mauern werden Spaliere gezogen. I m Winter werden, mit den Bäumen verschränkt, hohe Holzstützen in den B o d e n gerammt, auf denen über jedes Feld ein D a c h gelegt wird. D i e Dächer sind allseitig abgewalmt, über dem Mittelgang liegt die Entwässerungsrinne. A u c h dieser Garten wird im Winter nach Süden durch Dachgaupen entlüftet, geheizt wird er mit offenen Kohlenfeuern. D i e Orangerie ist sehr stattlich, 162 römische Palmen breit und etwa 235 Palmen lang. Eine viel einfachere Anlage ist das Winterhaus des Kardinals Marcello Lante. Es bietet nur Schutz gegen Schnee und W i n d . Es ist gegen Norden mit einer Mauer abgeschlossen, an der Zitronen am Spalier gezogen werden und in gleichmäßigen Abständen Wandbrunnen stehen. I m Winter werden etwa 7 m v o r der Mauer Holzstützen aufgestellt und auf ihnen und der Mauer 12
2. Bedeckter Laubengang in den Gärten des Kardinals Carlo Pio. Aus Ferrari, 1646
3. Orangensaal der Villa Aldobrandini. Aus Ferrari, 1646
ein leichtes Dach errichtet. Unter diesem Dach bewahrt der Kardinal seine Topfpflanzen auf. Noch leichter gebaut ist das Haus des Kardinals Carlo Pio (Abb. 2). Ein Dach auf hohen schlanken Stützen schützt einen luftigen Laubengang, an dem Zitronen gezogen werden, vor den Unbilden des Winters. Als Vorbild wird später sehr wichtig das Orangenhaus in den Gärten der Aldobrandini, das er noch abbildet (Abb. 3), und auf das wir in anderem Zusammenhang zu sprechen kommen. Schließlich erwähnt Ferrari, daß die Pflanzen in Rom und Florenz sowie in Frankreich und Belgien auf die beschriebene Art gepflegt würden. Aus anderen Quellen kennen wir noch die Orangerie im Garten der Grafen Valmaran. Sie enthielt einige hundert Orangenbäume, die im Winter bedeckt wurden 1 2 . Evelyn fand in V i l m a r i n i eine Orangerie, die 220 Fuß lang war, voll von Früchten und Blüten 1 3 . In Frankreich ist ein abschlagbares Orangeriehaus für Trianon de porcelaine zu V e r s a i l l e s nachzuweisen 14 . Nicht anders war auch die Pflege der Orangen in D e u t s c h l a n d . Wir haben schon oben erwähnt, daß die Unterbringung von Orangen in abschlagbaren Winterhäusern hier überhaupt ihren Ursprung hat, und die jetzt zu beschreibenden Häuser sind auch durchweg älter als die obenerwähnten italienischen Orangerien. Wir haben die drei Hauptorte schon genannt: Stuttgart, München und Heidelberg. Die Orangerie von S t u t t g a r t gilt heute allgemein als die älteste auf deutschem Boden. Herzog Christof von Württemberg (gestorben 1568) verpflanzte Orangen13
4- Abschlagbares Pomeran^enhaus im Schloßgarten
Heidelberg. Aus de Caus, 1620
und Zitronenbäume aus Italien nach Stuttgart 15 . Diese Bäume bildeten den Grundstock der Orangerie, dieOettinger beschreibt 16 . Sie enthielt süße und saure Pomeranzen, Zitronen, Limonen, Paradiesäpfel und andere Pflanzenarten. Im Winter wurde sie mit einem Gehäuse überdeckt, dessen Gestalt uns leider nicht überliefert ist. Den ganzen Lustgarten zu Stuttgart stellt Merian dar 1 7 , vermutlich ist der Pomeranzengarten die Baumpflanzung, die er in der südwestlichen Ecke der Anlage abbildet. Die Größe des Hauses überliefert Heinrich Schickardt, der es 1 6 1 1 neu erbaute 18 ; 176 Fuß lang, 63 breit und 18 hoch. Nach seinen Angaben kostete das Aufstellen und Wiederabschlagen des Hauses jährlich 150 Gulden. Schickardt hatte schon vorher ein solches Haus in L e o n b e r g gebaut, 1609 baute er zu S t u t t g a r t im Garten der Herzogin ein Feigenhaus und 1626 für „Ihre Fürstliche Gnaden Fraile Anna" ein Pomeranzenhaus, das man nicht im Frühjahr abbrach und im Herbst wieder aufrichtete, sondern jeweils auf Rollen über den Pomeranzengarten schob. Es war 42 Schuh lang, 19 hoch und 15 Schuh breit. Ähnliche Orangerien waren in B a m b e r g , G o t t o r f 1 9 und Hessen in B r a u n s c h w e i g , diese wurde allerdings schon im Dreißigjährigen Kriege zerstört und nicht wieder angepflanzt 20 . Die Häuser waren alle abschlagbar, ihre Gestalt ist aber nicht überliefert. Ähnlich ist es in M ü n c h e n , dort hatte man sich anscheinend sehr lange ohne ein Orangenhaus beholfen. Die erste Erwähnung einer Einfuhr von Pomeranzen nach München geschieht im Jahre 1578, 30 Jahre später werden 12 Orangenbäume aus Genua bezogen. Als ganz große Seltenheit besaß der Hofgarten eine A l o e 2 1 . 1608 wird ein Feigenhaus genannt 22 . Erst 1695 beantragt der Hofgärtner Georg Riedel die Errichtung eines neuen Pomeranzenhauses, wie es vordem bei dem Garten gewesen sei. Auf einer Randbemerkung heißt es aber, das sei ein „ungereimbtes Begehren", da man sich so lange Zeit ohne solch ein kostbares Haus beholfen habe 23 .
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Bei weitem am bekanntesten war der Pomeranzengarten zu H e i d e l b e r g . Schon die Orangerie im Herrengarten wird von Olivier de Serres, der unter Heinrich I V . Hofgärtner war, als schönstes Beispiel einer solchen Anlage mit den Ausdrücken der größten Bewunderung geschildert. Der Garten wurde im Winter mit einem Zimmerwerk umschlossen und überdeckt. A n schönen Tagen konnte man an den Wänden die Läden öffnen, so daß Licht und Luft Zutritt zu den Pflanzen erhielten. Die Bäume dieses Gartens wurden bei der Anlage des Hortus Palatinus durch Salomon de Caus dorthin verpflanzt 24 . Sie wurden mitsamt Wurzeln und Erdreich in besonders gefertigten Kästen den Berg hinaufgeschafft, nicht ohne große Mühe und Arbeit, und zu jedermanns Erstaunen, denn die Bäume waren schon 60 Jahre alt, wie Caus selbst berichtet (Abb. 4). Das neue Pomeranzenhaus war ebenso gebildet wie das alte im Herrengarten, 280 Schuh lang und 32 Schuh breit. Es bestand aus einer Fachwerkkonstruktion, die außen verschalt war. Auch das Satteldach war verbrettert. Wichtig ist hier noch die Bemerkung des Salomon de Caus, daß man in diesem Gebäude im Winter spazieren gehen könne, ohne die Kälte fürchten zu müssen. Es wird für uns also hier schon der Grundgedanke des Wintergartens, der später so wichtig wurde, greifbar. Wie der ganze Garten, so litt auch die Orangerie unter den Zerstörungen der ersten Jahre des Dreißigjährigen Krieges. Schon Zeiller hat sie nicht mehr gesehen, und anläßlich einer Bestandsaufnahme der Kurfürstlichen Hofgärten, die 1635 veranstaltet wurde, wird zwar berichtet, daß die großen Pomeranzenbäume wieder ausschlagen und daß sie an dem Platze, w o sie vordem gestanden, bleiben sollten 25 , das Pomeranzenhaus aber war zerstört. Im Winter bedeckte man nun die Bäume mit — Weinfässern, was nur in der fröhlichen Pfalz möglich war, und da auch nur nach dem Durchzug ungebetener Gäste, die dafür gesorgt hatten, daß genügend leere Fässer vorhanden waren. Den Untergang des Heidelberger Schlosses überlebten die Bäume nicht. Man versuchte bald, die Kosten, die das alljährliche Auf- und Abschlagen eines Pomeranzenhauses machte, dadurch zu verringern, daß man die Pflanzung auf drei Seiten mit Mauern umgab und nur noch die Südwand und das Dach zum Abschlagen einrichtete; mit anderen Worten: man versuchte mit möglichst wenig abschlagbaren Teilen auszukommen. So gestaltet Furttenbach seine PomeranzenPflanzungen 26 . Ganz selbstverständlich rücken diese dadurch in die Ecke oder gar an das Ende des von Mauern allseitig umschlossenen Gartens, meistens bilden sie den Abschluß der Querachse seiner verschiedenen Gartenentwürfe. Weiter versuchte man durch verschiebbare Dächer das mühsame Abschlagen der Häuser zu umgehen, ja man setzte sogar das ganze Haus auf Rollen, so daß man es in zwei Teilen auseinanderschieben konnte. Ein solches Haus stand nach dem Bericht von Heß in Lauenburg a. d. Elbe 2 7 . Man begann auch die abschlagbaren Häuser mit Glasfenstern zu versehen, wie uns die Abbildungen bei Heß zeigen (Abb. 9). Das waren jedoch alles Versuche, eine Bauform zu retten, die nicht mehr lebensfähig war. Das abschlagbare Winterhaus war zu teuer und zu mühselig zu unter15
/. Orangengar/en am Gardasee. Aus Volkamer,
iyo8
halten und brauchte zu viel Platz im Garten. Man mußte es deshalb am Ende des Küchengartens anlegen, da es eben ein Schuppen war und blieb und im Lustgarten keinen schönen Anblick bot. Die einzige Form, die hier schließlich noch erträglich war und sich bis ins achtzehnte Jahrhundert erhielt, weil sie einigermaßen architektonisch gestaltet werden konnte, war die Orangenpflanzung an einer Mauer, vor der gegen Süden festgemauerte Pfeiler oder Säulen standen, über deren Gebälk im Winter das Dach gelegt wurde und zwischen welche hölzerne Wände eingebaut wurden. Schon Olivier de Serres empfiehlt diese Anordnung. Derartige Anlagen waren in Oberitalien allgemein üblich, auch die Gärten am Gardasee waren so gebaut. Volkamer bildet sie in seinen „Nürnbergischen Hesperides" ab (Abb. 5) und richtete selbst vor 1708 seinen Pomeranzengarten ähnlich ein. Der Garten Volkamers, ein Grundstück von freier Begrenzung mit regelmäßiger Beeteinteilung und von Gebäuden verschiedener Art umstanden, lag in NürnbergGostenhof (Abb. 6). Seine Pomeranzenbäume standen in einem schmalen und langen Feld, das auf drei Seiten von Gebäuden umgeben und nur gegen Süden offen war. Es war vorn von einer Säulenstellung mit Gebälk und aufgesetzter Balustrade begrenzt und so etwa der Porticus einer römischen Villa mit Eckrisaliten vergleichbar. Die Orangen waren streng regelmäßig gepflanzt, an den Wänden waren ringsum immergrüne Spaliere, und so war diese Orangerie mit ihrer räumlichen Anordnung der Bäume und ihrer architektonisch wirksamen Abgrenzung gegen den übrigen Garten ein außerordentlich reizvolles Gebilde. Es vermittelte in glücklicher Weise den Übergang von den Innenräumen des 16
6. Orangerie Volkamers in Nürnberg-Gojtenhof. Aus Volkamer, iy 14 Wohnhauses zu dem Außenraum des Gartens. Von den italienischen Anlagen, die Volkamer abbildet, unterscheidet sich seine eigene vor allem durch die enge Beziehung, die sie zu den Wohngebäuden, ja sogar zu den Wohnstuben hat (Abb. 7). Wir sind hier schon unwillkürlich an unsere heutigen Wintergärten erinnert. Ähnliches führte später, allerdings in wesentlich größeren Maßstäben, Herzog Karl von Württemberg in L u d w i g s b u r g aus. Er hatte seine berühmte Orangerie in dem Vorgarten an der Südseite des Corps de Logis aufgestellt. Im Winter ließ er sie mit Holzkonstruktionen überdecken. Dieser Wintergarten bildete dann bei Hoffesten eine Erweiterung der Festsäle, von denen man so unmittelbar auch im Winter in einen grünen Garten hinaustreten konnte 28 . Wenn man das Pomeranzenhaus des Christoph Volkamer als Ahnen unserer Wintergärten betrachten will, so ist die Ludwigsburger Orangerie ein Vorläufer der großen höfischen Wintergärten und Glashäuser, die das neunzehnte Jahrhundert mit seinen fortgeschrittenen technischen Mitteln errichtete. Das abschlagbare Winterhaus finden wir noch ein letztes Mal in W ü r z b u r g , w o Jean Prokop Meyer bei seinem 1774 gefertigten Entwurf für den westlichen Teil des Hofgartens eine „ I m Grund stehende Orangerie" anordnete (Abb. 8) 29 . Sie sollte sich an der Kolonnade westlich des Gesandtenhauses entlangziehen. Im Winter sollte sie mit einem Fachwerkbau überdeckt werden. Meyer versuchte zwar dem Bau eine architektonische Haltung zu geben, er ordnete Lisenen an den 17
7- Blick in die Orangerie Volkamers in Nürnberg-Gostenhof.
Aus Volkamer,
1714
Ecken und neben dem Eingangstor an, auch die strenge Verteilung des sichtbaren Fachwerkes ist sehr überlegt, aber der Vorschlag war zu altertümlich und setzte sich wie sein ganzer E n t w u r f f ü r diesen Abschnitt des Hofgartens nicht durch. Bezeichnend ist jedoch, daß hier am Ende der Entwicklung des architektonischen Gartens für einen bestimmten Gartenteil plötzlich wieder die schon längst veraltete A n f a n g s f o r m in verfeinerter Gestalt auftaucht. Die Gründe, aus denen man von dem abschlagbaren Winterhaus abging und es durch eine andere Bauform ersetzte, sind verschiedener Art. Die Arbeit des A u f - und Abschlagens war mühselig und kostspielig. Dazu war ein hölzernes Haus technisch unvollkommen, Risse und Fugen mußten mit Moos verstopft, der Dachboden mit einer ganzen L a g e Stroh belegt werden. Eine günstige Beheizung war deshalb nicht möglich, weil die Öfen fahrbar sein mußten; hierdurch war ihre Größe beschränkt, sie mußten überheizt werden und schadeten so den Pflanzen, die ihnen zunächst standen. Auch die Gärtner selbst waren mit den Winterhäusern nicht zufrieden. Sie fanden, daß die Pflanzen sich darin nicht so gut entwickelten, wie wenn man sie in K ü b e l pflanze und im Winter in feste gemauerte Häuser bringe 3 0 . Hierdurch wurde Elßholtz zu einer schroffen Ablehnung der abschlagbaren Winterhäuser veranlaßt. E i n weiterer G r u n d war die künstlerische Bedeutungslosigkeit dieser Gebäude, sie waren und blieben hölzerne Schuppen. Z u s a m m e n f a s s e n d können wir für den Zeitraum v o n 1560 bis 1660 feststellen: E s ist zunächst die Zeit, in der die Orangenzucht in Deutschland aufgenommen wird. Schon der Besitz solcher Pflanzen galt an sich als wunderbar. Die Überbauung einer Anlage wurde ganz nüchtern nach praktischen Gesichts18
^ntriiV Nnnrnun
8. Entwurf %u einer „Im Grund stehenden Orangerie" von J. P. Meyer in Wür^burg punkten gelöst. Es entwickelt sich bald als Grundform hierfür ein langer verbreiterter Holzschuppen. Er wird im Herbst über der Orangenpflanzung errichtet und im Frühjahr wieder abgeschlagen. Später versucht man, die Orangen sinnvoll in den Garten einzuordnen (Furttenbach). Verschiedene Versuche, die Winterhäuser auf mancherlei Weise zu verbessern, das Innere mit Glasfenstern zu beleuchten und sie auf Rollen beweglich zu machen, setzten sich nicht durch, weil man inzwischen die Überlegenheit des feststehenden Orangeriegebäudes in gärtnerischer wie auch in künstlerischer Beziehung erkannt hatte. Allerdings, gewisse Grundzüge übernimmt auch das Orangeriegebäude von dem hölzernen Winterhaus, vor allem die Gesamtanlage als langgestrecktes Gebäude, gegen Süden geöffnet und nach Norden hin durch starke, oft doppelte Mauern geschützt. W i r werden später noch sehen, daß auch bestimmte Formen der älteren Glashäuser unmittelbar auf die abschlagbaren Pomeranzenhäuser zurückgehen.
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Z W E I T E R DAS F E S T S T E H E N D E
T E I L
ORANGERIEGEBÄUDE
Schon im 17. Jahrhundert treffen wir vereinzelt das feststehende Orangeriegebäude an; im letzten Viertel dieses Jahrhunderts wird diese Form ganz allgemeinangewendet, das abschlagbare Winterhaus verschwindet. Waren bisher das Orangenfeld und das Orangenhaus eine Einheit, so bildet sich jetzt ein eigener Orangengarten für die Aufstellung der Gewächse im Sommer aus, an seiner Nordseite steht dann ein besonderes Orangeriegebäude. Die Bezeichnung Orangerie wird in gleicher Weise für Garten u n d Haus angewendet, ein Zeichen dafür, daß sie ursprünglich eine Einheit waren. Die Gründe für diesen Vorgang sind zweifacher Art: technische — die Vervollkommnung der Glasherstellung — und künstlerische — die zunehmende architektonische Haltung der deutschen Gärten. Der Garten des Vorbarocks war durchaus eine Fortbildung des ummauerten mittelalterlichen Gartens, zunächst ohne sichtbare Beziehung zu den Wohngebäuden und ohne strengen Aufbau der Einzelteile und ihrer Beziehungen zueinander. In einem solchen Garten, der zwar durch eine rechtwinklige Weganlage aufgeteilt, sonst aber sehr locker gestaltet war, hatte neben den anderen auserlesenen Pflanzen in der Ecke auch ein Orangenwäldchen Platz. Sobald man jedoch begann, den Garten in eine eindeutige Beziehung zum Wohnbau zu bringen und ihn sowohl in Grundriß als auch im Aufriß nach den Grundsätzen symmetrischer Harmonie und axialer Steigerung zu gestalten, da war diese gehölzartige Pflanzung im Garten nicht mehr unterzubringen. Es kommt noch hinzu, daß man den Orangen eine ganz andere Rolle zuwies, als sie bisher im Organismus des Gartens hatten. Bis in die Mitte des Jahrhunderts galt der Besitz einer Orangerie und die Tatsache, daß die Bäume hier in der Erde wuchsen, als ob sie in unseren Gebieten heimisch seien, als schon an sich wunderbar. Danach war aber die Zucht der Orangen ganz allgemein verbreitet, jeder wohlhabende Bürger besaß einige Bäumchen. Nun, da ihr Besitz nichts Einzigartiges mehr ist, bedient man sich der Bäume in anderer Art. Man pflanzt sie bald nur noch in Kästen und Kübeln und kann sie nun außerordentlich rasch in andere Gartenteile bringen, man kann sie in den verschiedensten Anordnungen aufstellen, kurz sie werden das bewegliche Element in der Pflanzenwelt des Barockgartens. Ohne Zweifel hängt die Vorliebe für die beweglichen Topfpflanzen auch damit zusammen, daß der Garten immer mehr aus einem Wohngarten zu einem Festgarten wird. Was wäre bezeichnender für einen barocken Hof als ein kleines Fest, das er an einem ersten warmen Tag des Jahres in dem geschützten Gartenteil der Orangerie zwischen den rasch aus dem Winterhaus gebrachten grünen Pflanzen abhält? Im Sommer bieten die Kübelpflanzen dann die Möglichkeit, einen bestimmten Gartenteil besonders hervorzuheben, seinen Ausdruck zu verändern, kurz dem Garten das zu geben, was wir heute oft in den alten Gärten vermissen: die Abwechslung. Die Bäume werden auf vier- oder zweirädrigen Karren be20
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p. Abschlagbares Pomeran^enbaus. Aus Heß, 1696 wegt, oft werden neben den Treppen Auffahrtsrampen für diese kleinen W a g e n angelegt. (So im Garten des Belvedere zu W i e n und auf Entwürfen des J . François Blondeid. J.) Dazu ermöglicht die leichtere Herstellung des Fensterglases die Verwirklichung eines alten deutschen Traumes. Der Wintergarten galt auch dem Deutschen des Mittelalters als eines der größten Wunder, er taucht schon in einer Legende über Albertus Magnus auf. Vielleicht besaß der große Forscher wirklich ein Warmhaus im Dominikanerkloster zu Köln 3 1 . Wie mußte nun erst das Barock, das so gern mit der Überwindung von unüberwindlich scheinenden Schwierigkeiten spielte, diesen Gedanken aufgreifen : „Denn wenn im Winter vor Frost und großer Kälte alles erstorben / ja alles mit tiefem Schnee bedecket ist / und der grausame Nordwind dermaßen wütet, daß es nicht anders läßt, als wenn er die ganze Natur bestürmen und über einen Haufen werfen wollte / so siehet man in diesen herrlichen Paradies-Garten / mit der allergrößten Verwunderung / wie die allerschönsten und raresten Bäumlein in so mancherlei Gestalt / daher grünen und blühen / eines hat weiße liebliche wohlriechende Blumen, ein anders gelbe, das dritte rote, das vierte Purpurfarben und dergleichen, das eine hat zeitige, das andere unzeitige Früchte / alles mit dem allerschönsten durchdringenden Gerüche / und muß ja einen Menschen als in einen steten Frühling eine neue Erquickung geben 3 2 ." Während Heß den Gegensatz zwischen der winterlichen Landschaft und den grünenden und blühenden Innern des Winterhauses schildert, lobt L. Ch. S t u r m 3 3 die Schönheit eines Spazierganges während des Winters im Grünen. W i r sind diesem gleichen Gedanken schon bei Salomon de Caus begegnet, nur daß er in der Hauptsache noch mit feststehenden Orangenbäumen rechnete; aber auch ihn führt der Zwang, nun an dem Winterhaus große Glasfenster anordnen zu müssen, dazu, 21
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io. Entwurf für ein gemauertes Orangenbaus im Heidelberger Schloßgarten. Aus de Caus, 162 0 das J laus zu mauern. Dieser erste Vorschlag zu einem gemauerten Orangenhaus ist uns in zwei Stichen (Abb. 10 u. 1 1 ) überliefert 3 4 . Das Haus ist für die Heidelberger Orangerie entworfen, es sollte das hölzerne Winterhaus des Hortus Palatinus ersetzen. Massiv waren allerdings nur die Außenmauern; das Dach und die Fenster sollten im Sommer entfernt werden. Höchst eigenartig ist die architektonische Gestaltung des Gebäudes. Dem an sich glatten langgestreckten Baukörper ist eine Ordnung von Doppelsäulen vorgelegt, die wie andere Einzelheiten dieser Gartenanlage schon eine ganz romantische, fast ruinenhafte Prägung haben: gewundene Säulen, als Baumstämme gestaltet, mit rissiger Borke überzogen, mit Stümpfen v o n abgehauenen Asten, und v o n E f e u umwunden — es scheint, daß Heidelberg nicht nur für die Romantik des 19. Jahrhunderts, sondern schon für die romantische Unterströmung des B a r o c k s 3 5 eine Heimatstätte war. Dieser Bau blieb E n t w u r f , der Fürst, der ihn verwirklichen sollte, ging seiner Länder verlustig, der Garten, für den er gedacht war, zerfiel, sein Schöpfer, Salomon de Caus, ging 1 6 1 9 in die Dienste eines anderen Herrn, an den Hof des K ö n i g s v o n Frankreich.
DIE ENTWICKLUNG
IN
FRANKREICH
Der Dreißigjährige Krieg, der nun in Deutschland die Bautätigkeit an den fürstlichen Residenzen lahmlegt, vollendet nicht nur eine politische, sondern auch eine künstlerische Vorherrschaft Frankreichs über Mitteleuropa. Während in Deutschland alle K r ä f t e für viele Jahrzehnte, ja fast bis zum Ende des Jahrhunderts an den wirtschaftlichen A u f b a u und die Verstärkung der Wehrfähigkeit gefesselt sind, während also die Baumeister nicht Schlösser und Gärten, sondern Festungen zu 22
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io. Entwurf für ein gemauertes Orangenbaus im Heidelberger Schloßgarten. Aus de Caus, 162 0 das J laus zu mauern. Dieser erste Vorschlag zu einem gemauerten Orangenhaus ist uns in zwei Stichen (Abb. 10 u. 1 1 ) überliefert 3 4 . Das Haus ist für die Heidelberger Orangerie entworfen, es sollte das hölzerne Winterhaus des Hortus Palatinus ersetzen. Massiv waren allerdings nur die Außenmauern; das Dach und die Fenster sollten im Sommer entfernt werden. Höchst eigenartig ist die architektonische Gestaltung des Gebäudes. Dem an sich glatten langgestreckten Baukörper ist eine Ordnung von Doppelsäulen vorgelegt, die wie andere Einzelheiten dieser Gartenanlage schon eine ganz romantische, fast ruinenhafte Prägung haben: gewundene Säulen, als Baumstämme gestaltet, mit rissiger Borke überzogen, mit Stümpfen v o n abgehauenen Asten, und v o n E f e u umwunden — es scheint, daß Heidelberg nicht nur für die Romantik des 19. Jahrhunderts, sondern schon für die romantische Unterströmung des B a r o c k s 3 5 eine Heimatstätte war. Dieser Bau blieb E n t w u r f , der Fürst, der ihn verwirklichen sollte, ging seiner Länder verlustig, der Garten, für den er gedacht war, zerfiel, sein Schöpfer, Salomon de Caus, ging 1 6 1 9 in die Dienste eines anderen Herrn, an den Hof des K ö n i g s v o n Frankreich.
DIE ENTWICKLUNG
IN
FRANKREICH
Der Dreißigjährige Krieg, der nun in Deutschland die Bautätigkeit an den fürstlichen Residenzen lahmlegt, vollendet nicht nur eine politische, sondern auch eine künstlerische Vorherrschaft Frankreichs über Mitteleuropa. Während in Deutschland alle K r ä f t e für viele Jahrzehnte, ja fast bis zum Ende des Jahrhunderts an den wirtschaftlichen A u f b a u und die Verstärkung der Wehrfähigkeit gefesselt sind, während also die Baumeister nicht Schlösser und Gärten, sondern Festungen zu 22
Cm^
I.
r.1.
il. Untwurf für ein gemauertes Orangenhaus im Heidelberger Schloß garten. Aus de Caus, 1620 bauen haben — mächtige Bauaufgaben, die für die Entwicklung vieler Baumeister jener Tage bestimmend wurden — , hat Frankreich die Muße und die Kraft, der Gartenkunst ein großartiges, peinlich durchdachtes System zu geben und dieses System in dem einen Beispiel von Versailles in vollendeter Weise zu verwirklichen. Welche Rolle spielt nun in diesem System die Orangerie ? Frankreich hat genau so wie Deutschland von Italien die verschiedenen Formen der Überwinterung von Pomeranzen übernommen. Die Orangen nehmen allerdings im französischen Garten von Anfang an eine andere Stellung ein als in Deutschland. Hier hatte die Pflege des Baumes auch Nutzzwecke, so daß man die Orange durchaus als einen Nutzbaum betrachtet. In Frankreich besaßen dagegen die Languedoc und die Provence große Orangengärten, deren Früchte schon im siebzehnten Jahrhundert in Paris billig zu kaufen waren. So war die Orange im französischen Lustgarten von vornherein ein Zierbaum und wird deshalb auch früh in Kästen und Kübeln gezogen. Es fehlt allerdings auch nicht an Stimmen, welche die Orangenpflege als einen Luxus und protzenhaften Unfug hinstellten. So spricht der Verfasser des „Jardinier Royal", Paris 1678, den Orangengewächsen all die Eigenschaften ab, welche seine Zeitgenossen an ihnen loben. Die Pflanzen seien zu empfindlich, ihre spärlichen Blüten und ihr geringer Ertrag könnten den Gartenliebhaber unmöglich veranlassen, sie den einheimischen Fruchtbäumen vorzuziehen. Schließlich sagt er tadelnd: „ . . . quils leur bâtissent des temples comme à des divinitez." Von Italien wurde die Aufbewahrung der Kübelgewächse in gewölbten Räume, die auch kellerartig sind, übernommen. Die Abbildung eines solchen Raumes aus Italien bringt Ferrari, es ist das Winterhaus der Aldobrandini (Abb. 3). Der rechteckige Raum ist von einer Tonne mit spitzbogigen Stichkappen überwölbt. Unverglaste Fenster, die durch Holzladen verschließbar sind, öffnen sich gegen
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3
12. Die Orangerie
Groß-Sedlit^
Süden. In dieses Haus werden die Orangen im Winter eingepflanzt. Der Raum wirkt durch die eindeutige Form der Tonne und die klare kräftig gegliederte Fensterwand mit ihren tiefen Nischen. Es ist möglich, daß dieses Winterhaus in der Gestaltung des Innenraumes für die französischen Terrassenorangerien in Meudon und Versailles bestimmend wurde. Beide Anlagen gehören der Regierung Ludwigs X I V . an und haben ein Vorbild in der älteren Orangerie von Anet 3 6 . Die Orangerie von V e r s a i l l e s geht in ihrem ersten Zustand auf Levau zurück; 1686 bis 1688 wurde sie von Jules Hardouin-Mansart auf die doppelte Größe gebracht. Der erste Bau war 12 Achsen breit, im übrigen zeigt er schon alle wesentlichen Merkmale, welche diese Orangerie heute noch besitzt. Der Orangeriegarten ist tief in das Gelände eingebettet, das Orangeriegebäude ist gleichzeitig der Unterbau der südlichen Terrasse, mit einer mächtigen Tonne überwölbt und von hohen Rundbogenfenstern beleuchtet. Z u beiden Seiten der Orangerie führen gewaltige Freitreppen von der Terrasse in den Garten hinunter. Diese Anordnung wiederholte Mansart später noch einmal in M e u d o n , wo jedoch offensichtlich die Geländeverhältnisse keine so großartige und eindeutige Lösung mehr zuließen. Diese beiden Bauten mit dem in das ansteigende Gelände einschneidenden Garten und seiner südlichen Begrenzung durch gewölbte unterirdische Räume erinnern uns ganz unmittelbar an die italienischen Grottentheater und können uns so die oben geäußerte Vermutung, daß schon diese Teatri als Aufstellungsorte für Orangerien gedient haben, bestätigen. 24
Trotzdem nun die Orangerie von Versailles an einer für ganz Europa sichtbaren Stelle errichtet war, erhielt sie keine Nachfolge — es sei denn, man zähle die erst 1864 nach den alten Plänen Longuelunes erbaute Orangerie von Groß-Sedlitz hierher (Abb. 12). Schon zeitgenössische Gartenschriftsteller lehnen die Anlage ab, so schreibt D'Argenville 3 7 , die Bäume kämen in den Gewölben, wie sie in Versailles und Meudon seien, nicht fort, die Räume seien zu feucht. Auch Blondel der Jüngere zieht 1737 einen Vergleich zwischen der Anlage von Versailles und der von St. Cloud, der durchaus zuungunsten von Versailles ausfällt. Besonders scharf lehnen die Deutschen die Unterbringung von Orangen in Kellern ab, sie wollen sie überhaupt nur als Behelf ansehen. Viel günstiger war eine andere Bauform, die Frankreich schon im 16. Jahrhundert entwickelt hatte: die Galerie. Ducerceau bildet eine ganze Reihe von Gärten ab, die auf einer oder mehreren Seiten von Galerien begrenzt sind. Es war ganz natürlich, daß man im Winter seine Topfgewächse in diesen Räumen unterbrachte. Diesen Vorgang bezeugt uns auch eine Bemerkung bei Parkinson (1629). Die langgestreckten wenig tiefen und einseitig beleuchteten Räume waren hierzu denkbar geeignet. Dabei drängt man immer mehr dazu, die Orangerien in einem allseitig von Galerien oder mindestens von Mauern mit Blendarkaden umschlossenen Garten unterzubringen. Diese Form des Gartens ist eine unmittelbare Fortsetzung des mittelalterlichen Gartens, wie er über ganz Europa hin verbreitet war: E r kann sich jedoch in Frankreich gegen den Großgarten, wie ihnLenotre verwirklichte, nicht durchsetzen. Wir finden ihn noch häufig im 16. Jahrhundert, zum Beispiel in Gaillon oder Vallery oder in Anet, w o ihn Delorme 154} in der Achse des Schlosses anordnet und ihn mit einem einfachen Orangeriegebäude abschließt. Hierher gehört auch noch die um 1680 entstandene Orangerie von Fontainebleau. In dem System Lenotres hat ein derartig abgeschlossener Gartenteil, der ohne sichtbare Beziehung zur Umwelt ist, keinen Platz. Aus dem gleichen Grunde (weil er ja immer auf drei Seiten abgeschlossen sein muß) legt man in Frankreich den Orangeriegarten an einer wenig betonten Stelle an, gewöhnlich liegt er seitlich des Schlosses, wie in Versailles. Aus dieser Stellung der Orangerie erklärt sich, daß Frankreich verhältnismäßig wenig künstlerische Orangeriegebäude errichtet hat. V o r allem zu nennen wäre das sehr frühe „Konservatorium", das Richelieu in Ruel errichtete, ein langgestreckter Bau mit zwei seitlichen Pavillons, zwischen welche das galerieartige Gewächshaus eingespannt ist 3 8 . Künstlerisch großzügiger und ein klassisches Beispiel für den großen Stil der Zeit Ludwigs X I V . ist der Orangeriebau von C h a n t i l l y (Abb. 13), ein langgestreckter Bau, den rustizierte Wandpfeiler, zwischen welche die Rundbogenfenster eingespannt sind, gliedern. Die zwei äußersten Achsen sind jeweils durch die pavillonartige Verdachung besonders betont, während die Mittelachse durch ihre größere Breite leicht hervorgehoben wird. So deutet sich hier wie in Ruel schon eine Gliederung der Baumassen an, die später in Deutschland voll durchgebildet werden sollte: Die Auflösung des Baues in einen Mittelbau, zwei Seitenflügel und
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iß. Die Orangerie ^tt Chantilly. Stich von Perelle zwei Eckpavillons, eine Bauform, die das Barock auch sonst gern anwandte, aber nirgends so reinrassig durchführen konnte wie gerade an der Orangerie. Trotzdem nun an französischen Bauten die Keime zu dieser Entwicklung sichtbar sind, werden wir — den einzigen Vorschlag von Daviler ausgenommen — keine Weiterbildung der nun einmal festgelegten galerieartigen F o r m mit betonter Mittelachse finden. Dabei entstehen allerdings jene kleinen außerordentlich reizvollen, mit Treillagen angeschlossenen Orangeriegärten, wie etwa der Jardin de Sylvie zu Chantilly oder der Orangeriegarten zu Choisy-le-Roy 3 9 . Eine gewisse Ausnahmestellung nehmen jene Orangeriegebäude ein, welche für die Gärten der Pariser Stadthäuser entworfen wurden. Hier kam man auf eine ähnliche F o r m des Gartenabschlusses wie in Deutschland. Daviler bildet ein Orangeriehaus mit einem mittleren Pavillon und zwei geschweiften Seitenflügeln ab, die sich in die Ecken des Grundstückes einschmiegen (Abb. 14). In anderen Fällen, so im Garten des Hotel L e Pelletier de St. Fargeau 4 0 , begnügt man sich mit einem einfachen galerieartigen B a u ; wenn es aber irgendwie möglich ist, wird die Orangerie in einen Seitenteil des Gartens gelegt, wie etwa im Hotel de Roquelaure von B l o n d e l 4 1 . Wenn wir nun weiterhin französische Orangerien betrachten, so müssen wir feststellen, daß die Gebäude an akademischer Eleganz zunehmen, daß sie jedoch, gemessen an der Entwicklung, welche diese Bauform in Deutschland durchmachte, immer stärker den Ausdruck einer kühlen, etwas inhaltlosen Würde annehmen. Das hängt natürlich mit dem G a n g der französischen Baukunst über26
/./. E-n/warffiir eine Orangerie, --lus Daviler,
1691
haupt zusammen, es wird aber noch dadurch gefördert, daß die Orangerie in Frankreich, ganz im Gegensatz zu Deutschland, immer mehr ohne feste Regeln verwendet wird; bald steht sie an der einen Seite des Schlosses zur Steigerung der Gebäudefront, so in Malgrange, bald beherrscht sie den Küchengarten, wie in La Muette, bald steht sie an der Längsseite des Ehrenhofes, wie bei einem Entwurf von J . Fr. Blondel d. J . — als Pendant zu dem Stallgebäude. E s ist selbstverständlich, daß eine Bauform bei einer so vielseitigen Verwendung ein Zwitter werden muß, gar wenn sie dann noch eine Gärtnerswohnung oder ein Badeappartement wie bei einem Entwurf von Blondel aufnehmen soll (Abb. 15). Blondel veröffentlichte diesen Entwurf in seinem Werk „ D e la distribution des Maisons de plaisance", Paris 1737. Die Orangerie ordnete er dabei an der einen Seite des Ehrenhofes an, als Gegenüber hatte der Bau das Stallgebäude. Auf seiner anderen Seite dehnte sich der geräumige regelmäßig aufgeteilte Orangeriegarten aus. Das Orangeriegebäude selbst nimmt außer einem großen Saal für die Pflanzen ein Badeappartement auf. Dieses ist im Grundriß mit der ausgeklügelten „distribution" der Franzosen gestaltet, das Grünhaus dient im Sommer wie im Winter als Erweiterung dieser Baderäume. Im Sommer bietet es als Galerie einen kühlen Aufenthaltsort mit einem schönen Ausblick auf den sonnigen Orangengarten, im Winter ist es selbst ein grünender und blühender Garten. So schön nun dieser Gedanke an sich ist, so mangelhaft ist der Ausdruck, den er in der äußeren Gestalt des Baues gefunden hat. Da ist nichts zu sehen von der Verbindung des kleinräumigen Badeappartements mit dem großen Pflanzensaal; es wird vielmehr durch die Dachteilung und Risalite der Eindruck erweckt, als ob der Bau aus Mittelpavillon, zwei symmetrischen Seitenflügeln und Seitenpavillons bestehe. Schwierigkeiten, die dabei in der Fensterteilung entstehen, sind im Aufriß überhaupt nicht berücksichtigt. Der Hauptreiz der Fassade besteht in dem sehr vornehmen, hohen Fensterformat. Die Dekoration ist sparsam und beschränkt sich auf die Pavillons. Wären die wenigen barocken Elemente des Figurenschmuckes nicht vorhanden, so wäre das ganze Gebäude von einer eindeutigen klassizistischen Kühle und Eleganz. Ein zweiter Entwurf, den Blondel veröffentlicht, ist für einen Garten zu Besançon gedacht. Besonders aufschlußreich sind die grundsätzlichen Bemerkungen, die Blondel bei der Besprechung seiner Entwürfe macht. Zunächst erwähnt er, daß die Gebäude im Sommer als Galerien, im Winter als „promenades ornées des orangers" dienen, also weitgehend gesellschaftlichen Zwecken. Hiermit hängt natürlich zusammen, daß man sie mit Malereien schmücken und möglichst nahe an den Hauptbau des Schlosses legen solle. Z u der allgemeinen Gestaltung bemerkt Blondel, daß alle Orangeriegebäude denselben praktischen Bedingungen unterliegen und deshalb alle ungefähr gleich seien. Die künstlerische Gestaltung dagegen, die „décoration", hänge davon ab, welcheRolle das Gebäude im Gesamtgefüge der Schloßanlage spiele, ob es symmetrisch zu einem anderen Gebäude sein müsse, ob es allein stehe, ob an einer wichtigen Stelle oder nicht : wir sehen, Blon28
i/. Entwurf für eine Orangerie. Aus Blonde!, iyßj
del unterwirft die Formung der Orangerie nicht den Forderungen, die im Bauprogramm selbst begründet liegen, sondern erst von außen her in dieses hineingetragen werden. Vor allem wird das Gebäude gern zur Steigerung der Baumassen verwendet, es gehört zu den Bauten, die sich wie eine Schar von Dienern in strenger Ordnung um das Schloß ansammeln. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts herrscht in der französischen Gartenbaukunst schon der voll ausgebildete Klassizismus, bei dem die Romantik, welche im Barock bisher eine Begleitstimme war, voll durchbricht und die Leitstimme zu werden beginnt. Diesen Vorgang beweist schlagend das Warmhaus imjardin nationale zu Paris, erbaut von den Architekten Molinor und Legrand im Jahre 1796 42 . Die Gebäudeform ist wieder ganz einfach geworden, ein langer und kantiger Bau, im Grundriß in zwei Streifen geteilt, im Süden liegt der große Pflanzenraum, mit einer Tonne überwölbt, gegen Norden liegen in drei Stockwerken übereinander Unterrichts- und Geräteräume. Bezeichnend ist der Ausdruck des Äußeren. Die Südseite wird von der Fensterreihe mit ihren schweren tuskischen Säulen beherrscht. Eine gleichmäßige Rustica und eine luftige Säulenhalle im Obergeschoß geben dem Gebäude etwas von dem Gepräge der italienischen Frührenaissance. Ähnlich ist die Orangerie im Jardin des plantes zu Montpellier, die 1805 von Delagardette ausgeführt wurde, ein langgestreckter Bau mit kleinen Eingangsräumen an den Schmalseiten und in der Mitte. Seine Decke ist im Viertelkreis gewölbt, wie wir es auch später wieder bei den Gewächshausbauten eines Ludwig von Sckell antreffen werden. Die Fassade zeigt eng aneinandergereihte Rundbogenfenster. 2
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Ganz unleidlich werden schließlich die späten Pflanzenhäuser, wie etwa eine 1 8 1 2 von Detournelle abgebildete Orangerie, die einem Schuppen zum Ziegeltrocknen ähnlich sieht. In E i n e m wurden die Franzosen vorbildlich, nämlich in der T h e o r i e . Besonders bei Jean de la Quintenye lernen wir in klarer Form alle Erfordernisse der Orangenzucht kennen. Danach soll das Pflanzenhaus sein : 1. Bien exposée, das heißt mit der Fensterseite am besten nach Süden, auf keinen Fall nach Norden gerichtet. 2. Bien percée, das heißt, es soll weitgehend nach einer Seite in Fenster aufgelöst sein, weniger wegen der Bestrahlung der Pflanzen durch die Sonne, als um das Gebäude trocken zu halten. Die Fenster müssen gut zu öffnen sein. Die äußeren Rahmen sind verglast, die inneren mit geöltem Papier beklebt. Die Erfindung, größere Glastafeln zu gießen, welche Lucas de Nehon 1688 machte, beförderte natürlich außerordentlich die Auflösung einer Gebäudefront. 3. Les murs épais et bien construits. E r fordert bestes Backstein- oder Bruchsteinmauerwerk; angängig ist auch eine Piséwand oder eine doppelte Holzwand, deren Hohlraum mit Stroh gefüllt wird. 4. Bien couverte. Selbstverständlich muß das Dach dicht sein und möglichst wenig Wärme abgeben. 5. Le sol non creux. Da man bald bemerkt hatte, daß nichts den Pflanzen beim Überwintern so schädlich sei wie Feuchtigkeit, legte man allgemein den Boden des Orangeriehauses höher als die Umgebung. Die offenen Kohlenfeuer, die damals noch allgemein üblich waren und die man entweder auf dem Boden oder in Pfannen auf Gestellen unterhielt — hier und da hing man auch diese Feuerpfannen an der Decke auf — , hält er wegen der Rauchgefahr für schädlich. Es setzen sich denn auch bald in Frankreich die in Deutschland allgemein üblichen eisernen Öfen durch. Als Thermometer verwendete man einfache Schalen mit Wasser; gefror das Wasser, so heizte man ein. Für die Zitrusarten genügt ja eine Temperatur von 6 ° C durchaus. Ergänzen wir uns nun noch das Gebäude mit den Pflanzen, die es aufnahm, den Feigen-, Orangen-, Lorbeer- und Granatbäumen, mit den blühenden Nelken, die seine Bodenfläche belebten, so haben wir ein Bild einer Orangerie des späten 17. Jahrhunderts.
3°
I6.
Winterhaus des Pieter de Woljf. Aus Commelin,
HOLLÄNDISCHE
I6J6
ORANGENSTUBEN
Sicher hat die französische Nutzgärtnerei von Holland wichtige und entscheidende Anregungen bekommen. Vor allen Dingen haben die Holländer sehr frühzeitig das Glas in der Gärtnerei benutzt, und früher als die weitgehend verglasten Orangeriebauten Frankreichs sind die „Oranje-Stooves" entstanden, die Commelin 1676 in seinen „Nederlandtze Hesperides" abbildet. Sie unterscheiden sich allerdings in e i n e m grundsätzlich von den französischen Bauten. Während diese alle höfisch sind, kann man die „Orangenstuben" der Holländer durchweg bürgerlich nennen. Reiche Pflanzenliebhaber oder die Akademien dieses Landes haben sie gebaut. Auch in Flandern und Brabant überwinterte man die Orangen zunächst in Kellern, aber bald ging man zum Bau von oberirdischen Pflanzenhäusern über. Das waren dann lange Gebäude, die nach Süden reichlich verglast waren. Das Innere hatte glatte Wände und eine offene Holzdecke. Das Gebäude von Commelin selbst war überhaupt aus Fachwerk. Eine Außenansicht bildet er nur von dem Winterhaus des Pieter de Wolff ab, es ist ein langes einfaches Gebäude mit einem abgewalmten Dach (Abb. 16). In der Mitte des Hauses erhebt sich ein kleiner Vorbau auf dorischen Stützen, darüber befindet sich ein belvedereartiger Aufbau. Auf dem Platz vor dem Gebäude sind die Orangen in Kübeln reihenweise aufgestellt, und zwar so, daß die kleinen Gewächse vorn, die großen Bäume dagegen ganz hinten und zu seifen eines Mittelweges stehen. Zwei Brunnen mit großen Figuren 31
beleben den Garten, in dem sich nun mehrere Paare ergehen, bald einen Baum, bald die ganze Anlage übersehen oder die Brunnen bewundernd betrachten, während der Gärtner mit seinen Gehilfen der Pflege der Pflanzen nachgeht. Das Innere zeigt eine weiträumige Halle von 160 Fuß Länge, 20 Fuß Tiefe und 30 Fuß Höhe, in der sich die wenigen Personen, die der Künstler hingezeichnet hat, fast verlieren. Das Werk Commelins setzte sich sehr rasch durch. Schon 1682 bildet Hohberg in seiner Georgica das Winterhaus von Leyden und Commelins eigenes Haus in Nachstichen nach den „Nederlandtze Hesperides" ab. Dieses Werk wird dann im gleichen Jahr noch nach der geschichtlichen Seite ergänzt von Commelins Freund Sterbeck. E r behandelt schon die Geschichte der Einführung der Orangen in Holland und Deutschland, erwähnt das Kräuterbuch des Rivius mit Abbildungen von Orangen, Limonen und Zitronen und schließt daraus, daß diese Pflanzen schon etwa vor 15 o Jahren, also um 15 30, in Deutschland gepflanzt seien. Der erste Holländer, der die Pflanzen erwähne, sei Carolus Stevin in seinem „Land-winninghe" von 1588. Die Epigramme Martials mit der Beschreibung antiker Pflanzenhäuser sind Sterbeck auch bekannt. Er beschreibt dann noch einige holländische Pflanzenhäuser, die von den oben beschriebenen nicht abweichen. Ganz bezeichnend ist aber, daß er kein französisches Winterhaus erwähnt, sondern von ausländischen Häusern nur das des Herzogs von Florenz. Wir müssen also annehmen, daß noch am Ende des 17. Jahrhunderts Italien als Vorbild für die deutsche und holländische Gartenkunst eine größere Rolle spielte als Frankreich.
DIE ENTWICKLUNG IN
DER
ORANGERIEGEBÄUDE
DEUTSCHLAND
Die Sonderentwicklung des deutschen Gartens im Vorbarock wies dem Orangeriegebäude eine ganz andere Rolle zu als die Entwicklung in Frankreich. Deutschland behielt wesentlich länger den Typus des mittelalterlichen umfriedeten Gartens bei, während man in Frankreich schon früh den Garten mit den Armen seiner Alleen und Kanäle in die freie Landschaft hinausgreifen läßt. Man hat in neuerer Zeit — das große Beispiel von Versailles vor Augen — die deutschen Gärten des Vorbarocks und des Frühbarocks kleinlich und beschränkt genannt. Man glaubte, es habe in der Absicht ihrer Erbauer gelegen, diese Gärten alle dem Vorbild von Versailles möglichst nahe zu bringen. Wer oberflächlich sehen will, der mag sich damit begnügen, von einer Nachäfferei des Sonnenkönigs durch die deutschen Fürsten zu sprechen. Er übersieht dabei, daß hier wie dort auf gemeinsamen Grundlagen Ähnliches entstand. Die Entwicklung drängte in beiden Ländern zu den gleichen Formen hin, hier wie dort entscheidend beeinflußt von Italien. 32
beleben den Garten, in dem sich nun mehrere Paare ergehen, bald einen Baum, bald die ganze Anlage übersehen oder die Brunnen bewundernd betrachten, während der Gärtner mit seinen Gehilfen der Pflege der Pflanzen nachgeht. Das Innere zeigt eine weiträumige Halle von 160 Fuß Länge, 20 Fuß Tiefe und 30 Fuß Höhe, in der sich die wenigen Personen, die der Künstler hingezeichnet hat, fast verlieren. Das Werk Commelins setzte sich sehr rasch durch. Schon 1682 bildet Hohberg in seiner Georgica das Winterhaus von Leyden und Commelins eigenes Haus in Nachstichen nach den „Nederlandtze Hesperides" ab. Dieses Werk wird dann im gleichen Jahr noch nach der geschichtlichen Seite ergänzt von Commelins Freund Sterbeck. E r behandelt schon die Geschichte der Einführung der Orangen in Holland und Deutschland, erwähnt das Kräuterbuch des Rivius mit Abbildungen von Orangen, Limonen und Zitronen und schließt daraus, daß diese Pflanzen schon etwa vor 15 o Jahren, also um 15 30, in Deutschland gepflanzt seien. Der erste Holländer, der die Pflanzen erwähne, sei Carolus Stevin in seinem „Land-winninghe" von 1588. Die Epigramme Martials mit der Beschreibung antiker Pflanzenhäuser sind Sterbeck auch bekannt. Er beschreibt dann noch einige holländische Pflanzenhäuser, die von den oben beschriebenen nicht abweichen. Ganz bezeichnend ist aber, daß er kein französisches Winterhaus erwähnt, sondern von ausländischen Häusern nur das des Herzogs von Florenz. Wir müssen also annehmen, daß noch am Ende des 17. Jahrhunderts Italien als Vorbild für die deutsche und holländische Gartenkunst eine größere Rolle spielte als Frankreich.
DIE ENTWICKLUNG IN
DER
ORANGERIEGEBÄUDE
DEUTSCHLAND
Die Sonderentwicklung des deutschen Gartens im Vorbarock wies dem Orangeriegebäude eine ganz andere Rolle zu als die Entwicklung in Frankreich. Deutschland behielt wesentlich länger den Typus des mittelalterlichen umfriedeten Gartens bei, während man in Frankreich schon früh den Garten mit den Armen seiner Alleen und Kanäle in die freie Landschaft hinausgreifen läßt. Man hat in neuerer Zeit — das große Beispiel von Versailles vor Augen — die deutschen Gärten des Vorbarocks und des Frühbarocks kleinlich und beschränkt genannt. Man glaubte, es habe in der Absicht ihrer Erbauer gelegen, diese Gärten alle dem Vorbild von Versailles möglichst nahe zu bringen. Wer oberflächlich sehen will, der mag sich damit begnügen, von einer Nachäfferei des Sonnenkönigs durch die deutschen Fürsten zu sprechen. Er übersieht dabei, daß hier wie dort auf gemeinsamen Grundlagen Ähnliches entstand. Die Entwicklung drängte in beiden Ländern zu den gleichen Formen hin, hier wie dort entscheidend beeinflußt von Italien. 32
Es stellten sich aber bald starke Unterschiede ein, durch die Verschiedenheit der beiden Völker nach Art und geschichtlichen Voraussetzungen bedingt. Deutschland hatte sich durch das ganze Barock hindurch — man lasse sich nicht durch die französische Modetünche täuschen — seinen eigenen Geist bewahrt und bedeutende eigene Leistungen hervorgebracht, in denen das Deutschtum bewußt verteidigt und festgehalten worden ist. V o n dieser Seite betrachtet, äußert sich in den verachteten Gärten des Vor- und Frühbarocks einesteils die wirtschaftliche Beschränkung der kleinen Fürstenhöfe: das war sicher für ihre Gestaltung mitausschlaggebend, auf der anderen Seite die Vorliebe der Deutschen für die überkommene Form des Gartens und der Wille, sie folgerichtig weiterzuentwickeln. Der Garten des Mittelalters wird also zunächst unverändert beibehalten, aber in eine axiale Beziehung zu dem Schloß gebracht. Durch die Einführung einer architektonisch gewerteten Achse in den Garten ergeben sich für die Weiterbildung des Gartens zwei Möglichkeiten: entweder öffnet man den Garten im Zuge der Achse in die Landschaft, das heißt, man folgt der unbedingten Dynamik einer solchen Leitlinie, oder man läßt die Achse an der Grenze des Gartens von einem Gebäude auffangen: sie wird bedingte Verbindungslinie zweier Baukörper, von denen der eine das Widerspiel des andern ist. Jenen Weg beschritt Frankreich, diesen Deutschland. E s verzichtete damit auf die eindrucksvolle Größenwirkung der Gartenkunst eines Lenotre, erhielt sich aber die Innerlichkeit, welche schon die Gärten des Mittelalters besessen hatten. (Ich denke hierbei besonders an den außerordentlich reizvollen Gartenentwurf auf dem Titelkupfer zur „Architectura recreationis" des Joseph Furttenbach.) Damit blieb der deutsche Garten auch immer in großem Maße ein Blumengarten 43 . In diese feinzelligen und verhältnismäßig kleinen Gärten große Baummassen einzuführen, wäre untunlich gewesen, ihre Aufgabe, bestimmte Stellen zu betonen, dem ganzen Halt und Rahmen zu geben, übernahmen jedoch die blühenden kleinen Zierbäume, besonders die Orangen, welche sich dem Stil dieser Gärten mit ihrer manchmal seltsamen und etwas geschraubten Zierlichkeit gut einfügten. Nun nahm auch das Pomeranzenhaus eine wichtige Stelle ein: es wurde als Gegenüber des Schlosses in der Hauptachse an das Ende des Gartens gestellt; es war im Sommer Gartenhaus, im Winter ein immergrüner Garten, oft durch einen gedeckten Gang mit dem Schloß verbunden. Die Aufgabe, den Garten gefällig abzuschließen, bestimmt nun für Jahrzehnte die Gestalt der deutschen Orangeriegebäude. Das Lusthaus am Ende des Gartens, unter Umständen gegenüber dem Schlosse, ist in Deutschland verhältnismäßig früh anzutreffen. Schon der Lustgarten zu Stuttgart besaß ein solches Haus, das gegenüber dem Schloß an der Mauer stand. Ähnlich, jedoch folgerichtiger streng in der Mittelachse angeordnet sind die Lusthäuser im Hofgarten zu München und in England zu W i l t o n G a r d e n , das Isaac de Caus, vermutlich ein Bruder von Salomon de Caus, um 1640 angelegt hatte. Vorläufer dieser Lusthäuser sind Heckenpavillons, welche die Mittelachse abschließen und sich in Abbildungen, z.B. in Merians Florilegium und auf dem 33
Titelblatt der edlen Gartenwissenschaft von Stromer von Reichenbach nachweisen lassen. F u r t t e n b a c h 4 4 ordnet an dieser Stelle einmal ein zweistöckiges Lusthaus mit geschweiften Freitreppen an. V o r diesem liegt eine halbrunde Grotte mit Fontäne. Die Seitenwege des zugehörigen Gartens werden von Heckenpavillons abgeschlossen. Hier sind also alle Einzelteile eines späteren Orangeriebaues im Keime vorhanden: der Mittelbau mit dem Gartensaal, die weniger betonten Seitenpavillons, die im Viertelkreis geschweiften Treppen versuchen wenigstens, diese Einzelteile etwas zu verbinden. Auch die Fontäne, die hier noch ein Mittelding zwischen Grottentheater und Fontäne ist, darf später bei keiner Orangerie fehlen. Ein anderes Mal übernimmt ein halbrundes Grottengebäude den Abschluß des Gartens 4 5 . Die Anregung zu dieser Gestaltung gab wohl die Grotte der Villa Mondragone zu Frascati, welche Furttenbach auf seiner italienischen Reise studiert hatte und die auch noch 1664 Georg Andreas Böckler abbildete. Die Form der Grotte war zum Abschluß des Gartens wie geschaffen, sie fing mit ihrem Halbrund den Tiefendrang, den die streng durchgeführte Mittelachse in einen solchen Garten brachte, geschmeidig auf 4 6 . Aber bald verdrängt das Orangeriegebäude die Grotte von dieser Stelle. Wir haben schon oben erwähnt, daß vermutlich auch in Italien die Orangerie im Grottentheater aufgestellt war. Diese Gebäudeform war hierzu sehr geeignet. Sie umschloß mit schützenden Armen den Gartenteil und hielt den rauhen Wind von den Bäumen ab 4 7 . Sie wird in Deutschland übernommen, verändert; vor allem ist sie nicht mehr in den Geländeabhang hineingebaut, sondern liegt in der Ebene. In die Mitte der Anlage tritt an Stelle der Kaskade, die zur Fontäne vor dem Halbrund wird, das Lusthaus des deutschen Gartens. Diesem Lusthaus entsprechen bald zwei Seitenpavillons, welche die seitlichen Begrenzungswege des Gartens abschließen. Die Entwicklung der Gebäudeform geht im großen und ganzen an den Orangeriehäusern vor sich. Die gleiche Gebäudeform tritt auch hier und da an Lusthäusern auf, für die sich eine Verwendung als Orangeriegebäude nicht nachweisen läßt, und beeinflußt zusammen mit italienischen Vorbildern (Stupenigi) an einzelnen Orten sogar den Bau von großen Parkschlössern (die Bauten Hildebrandts in Wien und andere). Die früheste mir bekannte Anlage dieser Art bildet Böckler 1664 ab, ein „Lusthaus und Grotta" (Architectura curiosa I V , 9). Hier erhebt sich auf einer Terrasse ein zweistöckiges Gebäude, beherrscht von einem turmartigen Mittelpavillon. V o r die halbrund geschwungenen Seitenflügel sind ganz offene Seitenpavillons gesetzt. Dieser Entwurf nimmt eine Form vorweg, die sich erst um 1700 allgemein durchsetzt. Nur in einem Fall kennen wir die Form eines deutschen festen Orangeriegebäudes, das um die Mitte des 17. Jahrhunderts entstand. Die 1652 von Johann Clodius erbaute Orangerie zu G o t t o r f ist uns in einem Stich von 1 7 1 2 überliefert 48 . E s war ein langgestrecktes Haus mit einem betonten Mittelportal und zwei weniger betonten Seiteneingängen. Das Haus stand an der Längsseite des Orangengartens, jedoch noch nicht in der Mittelachse des Lustgartens. Das Ge34
bäude ist von einer langgestreckten, einfachen Form. Ganz allgemein können wir annehmen, daß Orangenhäuser, wie sie Commelin abbildet, nicht nur in Holland, sondern auch in Deutschland verbreitet waren. Sobald nun ein solches Gebäude als Gartenabschluß verwendet wurde, erlitt es charakteristische Veränderungen. Auf der einen Seite versucht der Tiefendrang der Mittelachse den Mittelteil des Gebäudes nach hinten zu treiben, auf der anderen Seite zwingt die Aufstellung der empfindlichen Gewächse vor dem Bau dazu, seine Flügel schützend vor die Seite dieses Gartenteiles zu ziehen. Beide Vorgänge führen zu einer starken Aushöhlung der Gebäudefront. Der Drang hierzu wird nicht nur durch die gewohnte Form der halbrunden Grotten, sondern auch dadurch verstärkt, daß man schon vom vorigen Jahrhundert her daran gewöhnt war, die Orangen auf halbrunden ansteigenden Rasenterrassen aufzustellen49. Diese Art der Aufstellung seltener Gewächse entspricht der Auffassung, die das Barock von Botanischen Gärten hatte, so stellte man auch in diesen die Pflanzen fein säuberlich auf. Das großzügigste Beispiel hierfür war der Bosesche Garten vor dem Grimmaschen Tor zu L e i p z i g 5 0 . Dort lag vor dem Lusthaus ein mächtiges Terrassen-Halbrund, an dessen Scheitel das Orangeriegebäude stand. Die Anlage wurde um 1690 geschaffen, wahrscheinlich hatte Leonhard Christof Sturm, der mit den Gebrüdern Bose befreundet war und sie in Bausachen oft beriet, entscheidenden Einfluß auf sie. Die kleine Orangerie, ein ganz einfacher Bau mit flachem Dach, war in die Terrasse eingebunden. Einen sehr frühen Versuch, das Orangeriegebäude den räumlichen Forderungen eines Gartenabschlusses anzugleichen, lernen wir in dem ungedruckten Architekturbuch des Wolfgang Wilhelm P r a e m e r kennen 61 . Der kleine bescheidene Bau ist in seinem dreiachsigen Mittelteil zurückgesetzt, an ihn setzen sich stumpfwinklig zwei kurze Flügel und stellen die Verbindung mit den jeweils zweiachsigen Vorderteilen des Baues her. Es entsteht so eine abgeschrägte Nische, die als Sonnenfang wirkt und in der man die Topfpflanzen windgeschützt aufstellen konnte. Im übrigen ist der Bau sehr einfach, einstöckig, First und Trauflinie laufen durch; eine tuskische Pilasterordnung gliedert die Fassadenfläche. Also: eine Galerie, welche durch die besonderen Bedingungen im Grundriß in bezeichnender Weise verändert wurde, im Aufriß dagegen unverändert blieb. Das Gebäude gehörte vermutlich zu dem Garten, den sich Praemer selbst am unteren Werd zu Wien angelegt hatte. Es ist durchaus von bürgerlichem Zuschnitt und auf mäßige Größenverhältnisse berechnet. Sobald man größere Gärten baute, wurden an das Gebäude, das den Garten abschloß, auch größere Anforderungen gestellt. Die Fernwirkung erforderte eine energische plastische Durchbildung des Baukörpers. Die Tiefenachse des Gartens wurde länger und erhielt so eine größere Dynamik. Wollte man sie wirksam abschließen, so mußte man ihr eine große Baumasse entgegensetzen. Auch das räumliche Programm wurde erweitert: Es forderte einen großen Gartensaal, es forderte vor allem zwei verschiedene Räume für die Pflanzen, nämlich einen 35
i j . Die Orangerie
Gaibach. Aus Person, um iyoo
trockenen kalten und einen feuchten warmen Raum. Dies alles brachte ein Baugebilde hervor, das von einem Mittelbau beherrscht wird, von diesem gehen geschweifte Flügel aus, die Pflanzenräume, sie umschließen einen halbrunden Platz. Auf diesem Orangenplatz stehen die Bäume, in seiner Mitte steigt eine Fontäne in die Höhe. G a i b a c h , das Besitztum des baufreudigen Geschlechtes der Grafen Schönborn, bringt die erste Verwirklichung dieses Gedankens. Schon 1691 wird in den Gaibacher Amtsrechnungen die Errichtung eines hölzernen Gewächshauses mit welscher Haube 5 2 erwähnt, 1699 wurde der Garten um 180 Fuß verlängert, und als Abschluß dieses neuen Gartenteils wurde 1700 die Orangerie erbaut 53 . Der Entwurf ist wohl nach wie vor Leonhard Dienzenhofer zuzuschreiben. Welsch kam für diese Aufgabe schon deswegen nicht in Betracht, weil er erst 1704 in die Dienste des Mainzer Erzbischofs Graf Lothar Franz von Schönborn trat. Von dem Garten ist heute fast nichts mehr erhalten, er wurde in eine englische Anlage umgewandelt. Wir sind jedoch durch zwei Stichwerke über sein Aussehen zu Beginn des 18. Jahrhunderts sehr gut unterrichtet. K u r z nach seiner Vollendung, wohl 1 7 0 1 , brachte Person sein Werk „ H o r m s et Castrum Gaibach" in Mainz heraus 54 . Es enthält zwei Einzelblätter mit der Orangerie (Abb. 17 u. 18). Der Teil des Gartens, der 1699 angefügt worden war, war zweifach gestuft, auf der oberen Stufe, die mit ungeführ kleeblattförmigem Grundriß die Anlage abschloß, stand das Orangeriegebäude, hinter dem sich die mit Spalieren besetzten Abschlußmauern herziehen. Aufschlußreich ist eine Inschrift, welche die Baumreihe hinter dem Gebäude näher bezeichnet: „Arbres très hauts et espez bornants la perspec-
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i8. Die Orangerie
Gaibach. Aus Person, um
IJOO
tive." Während man also in Frankreich die Fernsicht in die Mittelachse einführte, wurde sie hier absichtlich von dem Garten ferngehalten. Das Orangeriegebäude besteht aus dem rechteckigen Mittelsaal, der die ganze Anlage beträchtlich überragt, und den zwei Seitenflügeln für die Pflanzen. Es ist sehr stattlich, in Abwicklung 300 Fuß lang, die beiden Flügel sind 25 Fuß tief. Die Außengestaltung ist kräftig, fast derb. Rustizierte tuskische Pilaster trennen die Fenster voneinander. Das Mauerwerk ist weitgehend aufgelöst, bis auf die Zwickel über den Rundbogenfenstern der Seitenflügel ist an der Südseite des Gebäudes überhaupt keine leere Mauerfläche zu sehen. Der Mittelsaal mit den 5 Fenstern an jeder Längsseite war ein hoher durchlichteter Saal von freier und heiterer Wirkung. Die ganze Orangerie war wie die Gartenfiguren weiß und in Steinfarbe gestrichen 55 . Ein wesentlich anderes Aussehen zeigt die Orangerie in Kleiners Gaibacher Stichwerk von 1728 (Abb. 19). Die Dekoration ist eleganter, zügiger, auch flächiger dargestellt, die Rustica ist überhaupt verschwunden. Wodurch erklärt sich diese Verschiedenheit? Ist es zutreffend, daß Person seine Stichfolge vor dem Bau der Orangerie nur nach den bereits vorliegenden Entwürfen gestochen hat, wie es Weidner (1926) annimmt? Ich selbst möchte vermuten, daß Maximilian von Welsch dem Gebäude die endgültige Gestalt gegeben hat und möchte die Nachrichten von Bauarbeiten aus dem Jahre 1708 auf diesen Umbau beziehen. Damals verlor das Gebäude die stämmigen von Dienzenhofer geprägten Stilformen, an ihre Stelle trat die elegantere von Frankreich beeinflußte Fassadenkunst des Maximilian von Welsch 5 6 . Auf dem Stich Kleiners schließen sich an die Flügel der Orangerie im Viertelkreis geschwungene Treillagen an, sie verstärken die Verklammerung 37
von Bauwerk und Garten. Hinter dem Gebäude setzt sich nun die Mittelachse des Gartens als Allee fort, eine Zutat, die ich ebenfalls dem französisch geschulten Maximilian von Welsch zuschreiben möchte. Dieser reiche Gartenbezirk von Gaibach bildet im Verein mit dem Garten des Belvedere zu Wien und dem Park von Schleißheim, dessen Abschluß durch halbrund geschwungene Galerien uns allerdings nur in Stichen von Diesel und bruchstückhaften Überresten überliefert ist, den Höhepunkt der Entwicklung des allseitig umschlossenen Gartens auf deutschem Boden. Hier ist wohl die Stelle, w o noch einige andere Bauten aus dem Gartenwesen der Schönborn eingefügt werden können. Von größter Bedeutung ist für uns die Orangerieanlage der Favorite bei M a i n z ; auch sie ist uns nur in der Stichfolge von Kleiner (1726) überliefert (Abb. 20 u. 21). Sie ist von Welsch 1 7 1 2 bis 1718 erbaut, der Ausdruck „mon petit Marly", mit dem der Bauherr Lothar Franz von Schönborn sie bezeichnete, weist uns auf das Vorbild hin. In der Tat hat die Anlage manche Ähnlichkeit mit dem Marly Ludwigs X I V . , vor allem die lockere Anordnung der sechs quadratischen Pavillons vor einem zentralen Hauptgebäude, aber noch größer ist die innere Verwandtschaft zu dem gemeinsamen Vorbild, der Villa Lante zu Bagnaia. Marly kann trotz aller Gelöstheit den Hang des französischen Geistes zum klaren allgemeingültigen Schema nicht verleugnen. Im Gegensatz hierzu ist die Villa Lante wie die Favorite heiterer, menschlicher gestaltet. Sie haben manches Gemeinsame: die Lage am Hang, die mächtigen Kaskaden, die Verengung des Mittelraumes, in Bagnaia schließt ein Grottenbau die Mittelachse ab, in Mainz das große Orangeriehaus. Die Auflösung einer Anlage in Pavillons kehrt in Deutschland hier und da wieder, ich nenne hier noch die Planung einer Orangerie für den Hofgarten zu T r i e r 5 7 , die Orangerie zu B e n n d o r f in Sachsen 58 und die zu O e h r i n g e n , welche 1743 von Baumeister Demier erbaut wurde. Hier hatte man am Abschluß des Schloßgartens in der Mittelachse ein Lusthaus mit Tanzsaal und Theater angeordnet und rechts und links davon die beiden Gewächshäuser erbaut, so daß eine sehr lockere Gesamtanlage entstand 59 . Der Anlage der Mainzer Favorite, welche uns 1793 die Franzosen zerstört haben, hatte jedoch ganz Deutschland nichts ähnlich Bezauberndes entgegenzustellen. Wie eine große Bucht öffnet sich dieser Garten gegen den Rhein, wie ein Nebenfluß des Stromes rauschen die Wasser über Kaskaden abwärts, in steigenden Fontänen wird die Gewalt des Elementes sichtbar, in breit hingelagerten Teichen spiegelt sich der Glanz des Himmels. Was kümmern uns hier der welsche Aufputz, die Orangenbäume und das barocke Aussehen des Gebäudes, in dem sich die Formen des Westens und des Ostens mischen, — hier ist einem großen Gestalter das gelungen, was wir als die höchste Aufgabe aller Gartenkunst, ja vielleicht auch aller Baukunst, ansehen: er hat in einer Schöpfung von steinerner Strenge ein Sinnbild der Landschaft, seiner Landschaft, geschaffen. Diese Bauten sind so voller Zauber, daß wir Stil, Auftrag und Entstehungszeit vergessen, sie sind über die Zeit hinaus ewig und — deutsch.
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/f). Die Orangerie
Gaibach. Ans Kleiner,
ij2S
Maximilian v o n Welsch, geschult durch seine großen und zahlreichen Festungsbauten, besaß einen feinen Sinn f ü r die Erkenntnis der architektonischen Möglichkeiten, welche in einer Landschaft schlummern. A u c h hierin wurde Balthasar Neumann, der Artillerieoffizier und Architekt, sein E r b e . In den Kreis des Schönbornischen Bauwesens gehört der Wiesentheider Gärtner J o h a n n D a v i d F ü l c k, der um 1720 ein weitverbreitetes gärtnerisches Vorlagewerk herausgab. Darin bildet er neben vielem anderen, z . B . dem Plan zu dem Lusthaus
v o n Wiesentheid
sowie den später zu besprechenden Glashäusern
auch einige einfache Orangeriehäuser ab. E i n schlichtes gerades Haus mit einem mehrfach geschwungenen gebrochenen Dach, ein geschweiftes Haus mit doppelter Nordmauer und geradem Dach, beide in der Dekoration sehr ähnlich, sehr bescheiden, jedoch unzweifelhaft berührt v o n dem Hauch des großen Geistes, der im Schönbornschen Bauwesen herrschte. E i n e ganz einfache Orangerie am A b schluß eines Gartens, mit Lattenwerk v o n der U m g e b u n g geschieden, erinnert uns in der Gesamthaltung lebhaft an den oben besprochenen E n t w u r f Praemers. Schließlich bildet Fülck noch den G r u n d r i ß eines in seiner Gestalt ganz allein dastehenden Gewächshauses ab, eines großen Saalbaues, an den sich vier turmartige Eckpavillons anschließen. Hier wirkt als V o r b i l d das Lusthaus des Wiesentheider Gartens, das in die Nähe der Bauten des L u k a s v o n Hildebrandt gehört. W i r sind nun mit unserer Betrachtung in das zweite Jahrzehnt des 18. J a h r hunderts gekommen, hier drängen sich die E n t w ü r f e und Bauten eng zusammen. W i r haben am A n f a n g dieses Abschnittes begonnen, eine Entwicklungslinie zu schildern, die des Orangeriegebäudes am E n d e des Gartens, und sind hier bei 39
2 0. Die Orangerie der Favorite bei AlainAus
Kleiner,
1726
der Schilderung von Gaibach als einem Beispiel des Orangeriegebäudes mit Mittelsaal und geschwungenen Seitenflügeln stehengeblieben. Hier schließt sich noch an die zerstörte Orangerie zu B i e b r i c h , v o n Maximilian von Welsch 1 7 1 3 vollendet 6 0 und die Orangerie zu T h a l l w i t z 6 1 , ebenfalls hierher gehört die um 1720 entstandene Orangerie zu W e i l b u r g mit ihrem prachtvoll stuckierten Mittelsaal 6 2 , dann die alte Orangerie im Berliner Lustgarten und schließlich die zierliche und in ihrer Linienführung sehr elegante Orangerie v o n Z e r b s t , die 1740 unter Johann Christoph Schütze als Abschluß des Schloßgartens errichtet
wurde
(Abb. 2 2) 8 3 . Weitergebildet treffen wir diese F o r m in S c h w e t z i n g e n . Diese Orangerie, 1722 begonnen, bringt die Z u f ü g u n g von Pavillons an die Enden der Seitenflügel. D a dieser Bau 1753 abgerissen wurde, wissen wir wenig v o n ihm, der Grundriß ist im Umriß erhalten, die Außengestaltung ist ganz unbekannt, das Innere war reich stuckiert und mit Delfter Platten geschmückt 6 4 . D e m Mittelbau war nach Westen eine Altane vorgelegt. E i n fremdländisches südliches Bild muß der verhältnismäßig kleine Lustgarten zwischen Schloß und Orangeriehaus gebildet haben. E s war rings ummauert, fünf Springbrunnen belebten ihn, und sommers stand er voll von Orangen: an einem jener heißen Sommertage, an denen ein wolkenloser blauer Himmel über der Rheinebene strahlt, mußte man sich in diesem Garten auf märchenhafte Art in ein fernes südliches Land versetzt fühlen. E s hatten nun durchaus nicht alle raumabschließenden Orangeriegebäude die zurückgeschwungene F o r m der eben beschriebenen Bauten. W o der Raum oder 40
2i. Die Orangerie der Favorite bei Maimj. Aus Kleiner,
1726
sonstige Ursachen es nicht erlaubten, diese räumlich anspruchsvollere Form anzuwenden, da verzichtete man auf die Schwingung der Seitenflügel. So im Garten des Palais Trautson zu W i e n , erbaut 1 7 1 1 von Johann Bernhard Fischer von Erlach (Abb. 23) 65 . In seinem A u f b a u gehört der Bau jedoch durchaus in die Reihe der eben besprochenen Orangerien, ein Mittelbau und zwei Seitenflügel mit vorgezogenen Eckrisaliten. Wichtig ist die starke Einschnürung zwischen dem Mittelpavillon und den Seitenflügeln, hier beginnt eine Entwicklung, die den Mittelbau von den Seitenflügeln lostrennt und schließlich überhaupt auf ihn verzichtet. Die Fassade ist verhältnismäßig schlicht, sie bringt uns nichts Neues, auch sie lehnt sich an die Aufteilung von Grand Trianon an. Hier wäre noch zu erwähnen die Orangerie zu K e m p t e n , ein einfacher Bau mit einem um ein halbes Geschoß emporgezogenen Mittelpavillon, dann die 1747 bis 1748 von Franz Mungenast erbaute Orangerie von M e l k (Abb. 24) und die Orangerie auf dem Ludwigsberge bei S a a r b r ü c k e n 6 6 . Einen eigenartigen Entwurf zu einem Orangenhaus veröffentlichte Bernhard Christian A n c k e r m a n n wohl um 1750 bei Martin Engelbrecht zu Augsburg (Abb. 25—27). Die Grundform ist die eben beschriebene, ein längsovaler Mittelsaal mit geraden Seitenflügeln, die in leicht betonten Eckrisaliten endigen. Die Gestaltung des Äußeren ist recht brav und bieder, große rechteckige Fenster sind 4i
22. Die Orangerie im Schloßgarten
'/.erbst
in eine etwas l a n g w e i l i g e , mit einer Balustrade bekrönte Halbsäulenarchitektur eingeordnet. Der Mittelbau enthält zwei Säle übereinander, in den Eckbauten sind W o h n r ä u m e untergebracht, die Seitenflügel sind der L ä n g e nach in einen Pomeranzengarten und ein Treibhaus geteilt. Das Interessanteste an der A n l a g e ist das auf Rollen verschiebbare Dach des Pomeranzengartens. Hier stehen die Bäume fest in der Erde, bei g u t e m Wetter sollen die Fenster w e g g e n o m m e n und das Dach über das niedriger liegende flache Pultdach des Treibhauses geschoben werden. Zu diesem Zweck ist der ganze Dachstuhl eines Seitenflügels in acht Abschnitte von je drei fest miteinander verzimmerten Gespärren geteilt, hiervon liegen die zwei äußeren Gespärre jeweils auf senkrecht z u m First verlaufenden Unterzügen, auf denen sie mit Rollen verschiebbar sind. U m das Zurückschieben des Daches zu erleichtern, sind diese Balken schräg nach hinten geneigt. Das Dach kann mit Seilzügen wieder über den Pomeranzengarten g e z o g e n und mit Haken an der Balustrade festgehängt werden. Als Vorläufer dieser A n l a g e hat das verschiebbare Pomeranzenhaus zu gelten, das Schickardt in Stuttgart baute, ferner die unten behandelte Orangerie des Belvedere zu W i e n und das Pomeranzenhaus, das de Caus für Heidelberg plante. Jetzt ist noch ein neuer Z u g h i n z u g e k o m m e n : der Hang z u m Mechanischen, das Haus w i r d schon hier bis zu einem gewissen Grade als etwas Maschinenmäßiges aufgefaßt. 42
2ß. Die Orangerie des Palais Trautson ^u Wien. Aus Fischers v. Erlach,
172;
An einem Wendepunkt in der Entwicklung des deutschen Gartens stehen zwei Entwürfe von Paul D e c k e r , der eine veröffentlicht 1 7 1 1 in der „Architectura civilis", der andere im „Anhang zum Fürstlichen Baumeister" 1716. Der erste scheint auf den ersten Anblick hin durchaus zu den eben besprochenen Bauten zu gehören (Abb. 28). An einen ovalen Mittelbau setzen sich vorgewölbte Flügelbauten und an diese schieben sich quergelegte kurze Bautrakte, welche jeweils drei Zimmer enthalten. Hier erscheint schon das Neue: der Schwerpunkt hat sich auf die Seitenflügel verlagert, der Mittelbau enthält keinen Salon mehr, sondern eine offene Grottenhalle mit einer Fontäne in der Mitte, dieser Raum v e r b i n d e t nicht mehr, er t r e n n t die beiden Flügel bauten. Diese haben durchaus die überkommene festgefügte Gestaltung behalten, wie bei Gaibach und auch sonst an Orangeriebauten sind nach dem Vorbild von Grand Trianon zu Versailles Rundbogenfenster zwischen Säulen eingespannt, darüber erhebt sich eine figurengeschmückte Balustrade vor dem gebrochenen Dach. Eigenartig ist der Mittelkörper, er ist mächtig emporgewachsen, aufgebläht, er ist — bildlich gesprochen — dünnhäutig geworden, seine Dekoration ist merkwürdig zart und unfest, sie überzieht die Außenfläche wie ein Netz. In dem Entwurf des „Fürstlichen Baumeister" setzt Decker zwischen die ganz ähnlich, jedoch reicher gestalteten Seitenflügel statt eines Mittelsaales ein ganz durchsichtiges, luftiges, triumphbogenartiges Baugebilde, das den Blick in die Gartenteile dahinter freigibt. Durch die Rahmung mit dieser fast theaterhaften, aber durchaus baubaren Kulisse erhält der Durchblick in den zweiten Garten etwas Geheimnisvolles, Verzaubertes (Abb. 29 u. 30). Der Bau hat den Reiz aller jener Werke, in denen eine Entwicklung ihr Ende erreicht hat und leise zögernd ein Schritt zu Neuem begonnen wird, der zarte Hauch des schöpferischen Geheimnisses liegt über ihm. Die Gestaltung der Orangerie ist sehr ausdrucksvoll, wir spüren die Nähe des Dresdener Zwingers und die Ideal43
2j. Die Orangerie des Klosters Melk a. d. Donau
entwürfe eines Fischers von Erlach. Dabei ist das Fassadenschema an den Seitenflügeln im Grunde das altüberlieferte. Das Neue, das diese Gebäude so bezeichnend veränderte, war die Durchführung der Mittelachse des Gartens. Damit, daß man die Gärten immer mehr vergrößerte, erhielt diese Achse eine immer größere Gewalt, schließlich konnte ihr Tiefendrang nicht mehr von dem Mittelbau des Orangeriegebäudes aufgefangen werden, zunächst wird seine Größe übermäßig gesteigert — so bei dem ersten der eben besprochenen Entwürfe von Decker — oder seine Dekoration wird übermäßig wuchtig, gewaltige Öffnungen reißen sich auf, das aufgetriebene Mauerwerk ballt sich zu mächtig bewegten Gliederungen zusammen, die Architektur hat in diesem einen Augenblick einen unerhört pathetischen Ausdruck, aber — sie könnte sofort wieder in sich zusammenfallen, etwas Vorübergehendes, Theaterhaftes, nur durch Kunst in der Schwebe Gehaltenes haftet ihr mit allen seinen Reizen an — so bei Deckers zweitem Entwurf. In diese Reihe gehört noch ein etwas späterer Vorschlag, der von Frisoni 1727 in seinem Werk über Schloß L u d w i g s b u r g veröffentlicht wurde (Abb. 31). Frisoni hat die beiden Winterhäuser weit auseinandergezogen, sie sind schon fast selbständige Baukörper geworden und nur noch verbunden durch das lockerste Baugebilde, durch eine abschlagbare Orangerie, in der die Bäume fest in die Erde gepflanzt sind. Die Pfosten des Winterhauses sind gemauerte Pfeiler, mit Basis, freigeformten Kapitellen und Gebälk, auf die mit einer Kugel bekrönte, eingezogene Pyramiden aufgesetzt sind; sie bleiben auch im Sommer stehen und trennen 44
2 /. Entwurf für eine Orangerie mit beweglichen Dächern von B. C. Anckermann, um l y j o so im Verein mit den Orangenbäumen, für das Auge wie ein Gitter, den vorderen Teil des Lustgartens von dem Hecken- und dem Küchengarten. Auch hier ist in der Mitte nur noch bruchstückhaft ein pathetisch emporsteigender Baukörper angedeutet, an dem Voluten, Segmentgiebel und Konsolen in überquellenden Formen sich zu einem luftigen Gebilde zusammenschließen. Einen Gegensatz dazu bilden die rechteckigen Orangenhäuser. Ihre Fassaden sind sehr schlicht und streng entworfen, jeweils sieben Achsen, die mittleren durch vorgesetzte Portale leicht betont, die übrigen in herkömmlicher Art als Rundbogenfenster zwischen Pilastern sehr schön und sicher gestaltet. Ganz ähnlich zusammengefügt sind die Pflanzenhäuser im Garten des Vizekanzlers Friedrich Karl von Schönborn zu W i e n 6 7 , nur ist es hier ein Grottengebäude, das sie verbindet. Diese Grotte schließt den höher gelegenen Mittelteil des Gartens ab, die beiden ganz einfach gehaltenen zweistöckigen Pflanzenhäuser schließen jeweils die tiefer gelegenen hauptsächlich für Nutzzwecke bestimmten Gartenteile ab. Die Gebäude sind alle zef'stört und nur noch in den reizvollen Zeichnungen Salomon Kleiners überliefert. Ein günstigeres Schicksal hatte das Orangeriegebäude von Schloß S c h ö n b o r n bei Göllersdorf, das Hildebrandt in einer Gemeinschaftsplanung mit Maximilian von Welsch 1716/17 für den Vizekanzler errichtete 68 . Hier ist am Ende des Gartens eine Gruppe von Wirtschaftsgebäuden mit der Orangerie zusammengefaßt. Diese selbst läßt sich nicht eindeutig einer bestimmten Grundform zuweisen, sie gehört zwar zu den Bauten mit geschwungenen Seitenflügeln, vor diesen liegen jedoch noch rechts und links je drei Gebäude, die unter sich Höfe bilden, welche sich gegen die Mittelachse zu öffnen und jeweils einen Teich mit Fontäne umschließen 45
¿6. Entwurf für eine Orangerie mit beweglichen Dächern von B. C. Anckermann. Ansicht von Süden sollten. Diese nach einer Seite offenen Höfe wandte Johann Lukas von Hildebrandt sehr gern an, die geschwungenen Flügelgebäude dagegen sind auf den Anteil, den Maximilian von Welsch an der Planung hatte, zurückzuführen. Zwischen ihnen läuft nun die Mittelachse ungehindert hindurch; ein triumphbogenartiges Portal, das auf einem anonymen Kupferstich in der Lücke angeordnet ist, wurde offenbar nicht ausgeführt. Auch die Fontänen in den Seitenhöfen fielen weg; statt dessen wurde ein großer Teich in die Mitte des von den lockeren Gebäudegruppen umstandenen Orangengartens gelegt. Das Äußere ist von Hildebrandt mit gewohnter Meisterschaft heiter und luftig gestaltet. Die letzte Stufe unter diesen Übergangsformen stellt der Entwurf zu der Orangerie von S e e h o f bei Bamberg dar, wie ihn Salomon Kleiner 1731 abbildet. Der Entwurf stammt vermutlich von Balthasar Neumann, der unter Friedrich Karl von Schönborn 1729 Vorschläge für die Gestaltung des Gartens machte 69 . Die Orangerie liegt genau in der Mittelachse des Schlosses, der Bau ist in der Mitte bis an die rückwärtige Mauer ausgehöhlt und in dieser Höhlung liegt ein kleiner Teich mit einer Stufenkaskade. Einen Schritt weiter: die rückwärtige Wand fällt, damit ist der Durchblick da, die Mittelachse läuft frei in die Landschaft hinaus, die beiden Flügelgebäude gehören nur noch in formalem Sinne zusammen. Wie die meisten Übergangsformen wurde auch diese Orangerie in der geschilderten Gestalt nicht gebaut. Das ist kein Zufall. Das Feine, Ahnungsvolle, das auf der Spitze der Entscheidung Stehende, das die Entwürfe so reizvoll machte, mußte bei der Bauausführung dem entschiedenen Vorwärtsdrängen in der neuen Richtung weichen. So wird in Seehof mitten zwischen die beiden Orangeriegebäude ein Tor gelegt, die beiden ganz symmetrischen Gebäude 46
2j. Entwurf für eine Orangerie mit beweglichen Dächern von B. C. Anckermann. Längsschnitt mit Bindergespärre schwingen sich in mehrfach gebrochenen Grundlinien zu diesem Tor zurück. Auch die Ausführungspläne sind wohl von Neumann; Michael Küchel leitete 1753 bis 1734 den Bau; die Stuckatur der hohen gewölbten Innenräume stammt von Vogel. An den zuerst erwähnten Entwurf für Seehof schließt sich unmittelbar die Orangerie von W e i k e r s h e i m an (Abb. 32). Hier ist der entscheidende Schritt getan, die zwei Bauten bilden mit ihren ausgerundeten Schmalseiten eine Höhlung, die Mittelwand ist durchbrochen, und durch eine vergitterte Öffnung in der Gartenmauer geht der Blick ungehemmt in die Landschaft. Das Schwergewicht der Außengestaltung liegt auf den eingeschwungenen Mittel wänden. Sie enthalten jeweils drei Nischen mit allegorischen Herrscherfiguren, vor den Wandpfeilern stehen in großem Abstand jonische Säulen mit weit vorgekröpften Gebälken, von ihnen ziehen sich Voluten zu der figurenbekrönten Balustrade hinauf (Abb. 33). Die übrigen Wände sind gegen diesen Mittelteil von weniger großer Bedeutung. Zunächst kommen jeweils vier ganz einfache Achsen mit Rundbogenfenstern zwischen schlichten Pilastern. Die Eckrisalite, welche die Heizungen aufnehmen, sind wieder reicher geschmückt, hier liegen die Eingangsportale, über der Pilasterordnung des Erdgeschosses erhebt sich noch ein Mezzaningeschoß mit aufgesetzten Obelisken. Die außerordentlich starke, fast zu starke Betonung des Mittelteiles zeigt uns ganz deutlich, daß hier der Gedanke des beherrschenden Mittelbaues noch lebendig ist, nur ist dieser Bauteil selbst verschwunden, seine Hohlform aber blieb erhalten, und an seine Stelle tritt gerahmt von dieser Hohlform der unbegrenzte Außenraum. Der Meister des Baues ist ein sonst unbekannter Architekt Littich aus Oettingen, der die Orangerie um 1720 errichtete 70 . 47
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von Wackerbarth, den Hugo Koch als einen Anhänger Lenotres bezeichnet, in G r o ß - S e d l i t z geplant. Die beiden Orangeriegebäude zu B r u c h s a l 8 7 erbaute Michael Ludwig Rohrer 1725 und 1728 für den Bischof Damian Hugo von Schönborn. Reizvolle Gebäude mit gewölbten Orangensälen im Erdgeschoß; die breit vorspringenden Eckrisalite fassen Terrassen ein, welche mit einer zwergenbekrönten Balustrade gegen den Garten hin abgeschlossen sind. Die Fassaden wurden 1752 von Marchini mit einer Scheinarchitektur in Grün und Gelb bemalt. Zwischen 1744 und 1749 wurden beide Gebäude zu Kavalierwohnungen umgestaltet. Schließlich waren auch die „Neuen Kammern" zu S a n s s o u c i 8 8 ursprünglich als Orangerie gebaut, und vor dem Bau der Bildergaletie (1755) stand auch auf der anderen Seite des Gartenschlosses ein Glashaus, vor dem sich die Glasbeete des Küchengartens den Berg hinabzogen. Das Schlößchen Sanssouci selbst hat ja gewisse formale Beziehungen zu Orangeriegebäuden, und vielleicht kann man die Orangerie von R h e i n s b e r g , welche Knobeisdorff für den Kronprinzen Friedrich baute, als die Grundlage für die Wahl dieser Gebäudeform ansehen. Leider ist von diesem Bau von Rheinsberg nur noch der Mittelpavillon erhalten. Die nächste Gruppe von Bauten nähert sich schon den Orangeriequartieren: in einer Querachse des Gartens wird nahe beim Schloß ein eigener umhegter Gartenteil angelegt, in ihm stehen die Bäume, gegen Norden erhebt sich das Gebäude, im wesentlichen also eine Wiederholung des umhegten Gartens, jedoch ohne unmittelbare Beziehung zum Schloß. Hiermit sinkt die architektonische Bedeutung der Orangeriehäuser. Sie werden als schlichte Recht61
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4ß. Das Glashaus von Schloß Mirabell in Salzburg. Aus Diesel, um IJ20 schräg, nach den Forderungen der damaligen Zeit. Wir zweifeln sehr daran, daß diese Entwürfe ganz von Diesel oder Danreither stammen. Sie gehen beide offenbar stark auf Entwürfe des Lukas von Hildebrandt zurück, der ja seit 1 7 1 0 mit der Leitung der Bauarbeiten an Schloß Mirabell beauftragt war 92 . Anscheinend besaß er eine gewisse Vorliebe für Orangeriehöfe, auch in Schönborn bei Göllersdorf hat er ja der Anlage der Orangerie solch einen Hof angefügt. Daß er mit Leidenschaft Glashäuser entwarf, beweisen seine Bauten am Belvedere zu Wien und mehr noch die für den Menschen und Künstlet Hildebrandt so bezeichnenden Worte, die der Feldmarschall Johann Josef Graf Harrach an seinen Bruder Alois Thomas Raimund am 21. Juni 1730 nach Neapel schrieb, und welche sich auf den Bau eines Glashauses beziehen. ,,Wan ich etwas supprimieren oder ersparen will, so hauset der Jean Luca wie ein possédés: Es kan niht sein, es kan niht sein, mein Ehr und Reputation liegt daran" 9 3 . Da klagt der ewige Bauherr über den ewigen Architekten. In eine schlichtere Welt kommen wir, wenn wir die Anlage der Orangerie am Schloß Belvedere zu W e i m a r betrachten. Die Anlage wurde vermutlich im Jahre 1741 nach Plänen des Landbaumeisters Krohne begonnen, im gleichen Jahr wurde das eine, 1753 das andere Haus vollendet 94 . Bei der Besprechung der hofartigen Orangeriebauten können wir an einem Bau nicht vorübergehen, der zu den großen Leistungen des Barocks überhaupt gehört: der Zwinger zu D r e s d e n . Es ist hier nicht unsere Aufgabe, eine aus-
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führliche Schilderung des Zwingers und seiner Geschichte zu geben, das haben andere getan 95 ; wir wollen nur zeigen, was der vielgestaltige und für viele Zwecke benutzte Bau mit den Orangeriegebäuden gemeinsam hat. Zunächst war er ja als Orangerie gedacht und als Rahmung eines Turnierplatzes. In ihm sind drei Grundformen ineinandergeschmolzen: der geschlossene Hof, wobei an den Turnier- und Schauspielhof ebenso wie an den Orangeriehof gedacht werden kann, die Galerie — auch sie ist nicht eindeutig nur geselligen oder nur gärtnerischen Zwecken zuzuweisen — und schließlich das eingeschwungene Orangeriegebäude mit Mittelpavillon. Auch die Grotte, welche wir nun schon so oft angetroffen haben, fehlt nicht. Die reiche Befensterung weist heute noch darauf hin, daß der Bau als Winter haus in Benutzung war.
Die erste Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts stellt unstreitig den Höhepunkt der Orangenzucht in Deutschland dar. Reichard (Erfurt 1753) berichtet denn auch, daß die Orangen in ganz Deutschland, nicht nur in den Gärten der Fürsten und Herren, sondern auch in mittelmäßigen und bürgerlichen Gärten anzutreffen seien. Schon viel gedämpfter ist der Bericht im „Hausvatter" des Freiherrn Otto von Münchhausen 1766. E r nennt zwar noch die Orangerie eines der schönsten Stücke der Gärtnerei, sagt aber, eine zu große Orangerie schade dem übrigen Garten, sie nehme zuviel Zeit und Platz in Anspruch, ihr Nutzen sei gering; nur wenige, aber ausgesuchte Bäume seien am besten. Schließlich lehnt Hirschfeld 1780 die Pflege von Orangen in Deutschland so gut wie ganz ab. Zunächst malt er mit den alten Farben ein Bild ihrer Schönheit. „Ihr gerader Schaft und ihr herrlicher Wuchs, ihre immergrüne, glänzende Blätter, ihre weiße, stark duftende Blüte, ihre Früchte von der schönsten Farbe, vom Weißlichgelben bis zum Gold, zum Feuerroten und zur dunkelsten Schattierung, die lange Zeit ihres Verweilens am Baume, da sie zuweilen 15 Monate zu ihrer Reife brauchen, unterdessen neue Blüten zwischen den goldenen Früchten hervorbrechen, alles dieses vereinigt sich zu ihrem Ruhm." Dann aber warnt er doch sehr, sie in den Gärten zu pflegen: „Allein man machte aus den Orangerien doch mehr als man sollte, da man glaubte, daß kein deutscher Garten ohne sie schön sein könnte; ein Wahn, der nicht bloß die Fürsten, sondern auch die reichen Bürger beherrschte. Die Unterhaltung einer großen Orangerie in Deutschland ist nicht allein deswegen abzuraten, weil sie sehr kostbar ist und viele Wartung erfordert, sondern auch, weil diese Bäume unter uns nur kranke Fremdlinge sind, die, unserer rauhen Luft ungewohnt, sich immer nach den Gewächshäusern, ihren Spitälern sehnen. Wie viele Bäume und Sträucher haben wir nicht, die unter unserem Klima sich vortrefflich befinden, und die uns durch Mannigfaltigkeit und Schönheit genug ergötzen, ohne daß wir nötig hätten, mit Kosten und Mühe ausländische Gewächse herbeizuholen, die fast immer siechen und so leicht sterben! Nach der Einführung 64
s niti;m s r44. Ansicht und Grundriß eines Grünhauses. Aus Richardson, 1792 der nordamerikanischen Bäume, die sich durch verschiedene Provinzen von Deutschland und selbst in der Schweiz zu verbreiten angefangen, hat sich die vormals schwärmerische Liebe zu den Orangerien sehr gemindert." Nun, wer sogenannte Parks oder auch die Vorgärten in den Straßen unserer Städte betrachtet, der würde gern auch auf diese amerikanischen Errungenschaften verzichten, und vielleicht wären ihm manchmal einige harmlose Orangenbäume lieber als die nordamerikanischen Gehölze, die sich mit ihren frostigen Farben doch nie unserem heimischen Pflanzenwuchs angleichen. Die veränderte Einstellung zur Orangenzucht hatte zur Folge, daß auch die Orangeriehäuser nicht mehr so prunkvoll gebaut wurden; sie mußten den eigentlichen Treibhäusern weichen. 1773 nennt Christian Ludwig Krause die luftigen räumlichen Gewächsstuben zwar die schönsten, doch hielten die Früchte darin nicht so gut wie in den Glashäusern, und deshalb seien diese ihnen vorzuziehen. Auch hier spricht Hirschfeld ein entscheidendes Wort: „ A m meisten fehlte man darin, daß man den verschiedenen Charakter und die Bestimmung der Gebäude ganz aus den Augen setzte. Ein Orangeriehaus, eine Eremitage, wurden mit eben der Größe und mit eben dem Reichtum der Verzierung angelegt, als wenn es die ersten Gebäude in Residenzstädten gewesen wären; es wurden hier hohe und künstliche Treppenwerke, Säulenordnungen, Statuen, Bildwerke, Marmor und Vergoldung verschwendet. Noch jetzt sind auch in Deutschland Beispiele genug von solchen ausschweifendem Pomp vorhanden." In diesen Worten drückt sich neben dem Purismus des Klassizisten der endgültige Verzicht auf die herkömmliche architektonische Gestaltung der Orangeriegebäude aus. Von jetzt ab finden wir kaum mehr ausgesprochene Orangenhäuser, das große
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Gewächshaus tritt ihr Erbe an. Nur 2u Beginn des neunzehnten Jahrhunderts finden wir noch einmal eine Strömung, welche für kleinere Anlagen wieder auf den umschlossenen Garten und mit ihm auf das Orangeriehaus zurückgreift. Aus dem Umstand, daß Laves die Herrenhauser Allee mit einem Pavillon abgeschlossen hat, schließt schon Alvensleben auf eine veränderte Raumauffassung im Garten des Klassizismus. Ähnliches läßt sich aus Gartenanlagen S c h i n k e l s schließen, so in seinen nicht ausgeführten Entwürfen für den Garten von Charlottenhof 96 . Hierher gehören auch Gärten, in welchen Friedrich W e i n b r e n n e r eine Orangerie oder ein Glashaus an den rückwärtigen Abschluß stellt, wie der Garten der Markgräfin Christiane Luise von Baden 9 7 , der Markgräfin Amalie und der Entwurf für das Weltziensche Haus zu Karlsruhe 98 . Bei einem englischen Theoretiker tritt uns noch einmal das alte Orangenhaus entgegen; George R i c h a r d s o n (1792) bildet drei Entwürfe ab, welche zwar in ihrer kantigen, schlichten Form durchaus klassizistisch sind, aber in Grundriß und A u f b a u ihre Abkunft von dem Orangeriehaus des Hochbarocks nicht leugnen können. Bei allen tritt außer dem Saal für die Gewächse ein Gesellschaftsraum auf, hier in England natürlich als Teeraum. Die alte Gliederung des Gebäudes in Mittelpavillon, Seitenpavillons und Zwischenflügel ist — in vermindertem Maße allerdings — immer noch vorhanden (Abb. 44). Das Schlußwort zur Entwicklung des barocken Orangeriegebäudes spricht dann Loudon in seiner Enzyklopädie des Gartenwesens (deutsche Übersetzung j 823/24). Ihm nehmen die Orangeriegebäude des 18. Jahrhunderts zu viel Rücksicht auf die Architektur (worunter er offenbar die tadelfreie Anbringung einer Säulenordnung an einem Gebäude versteht) und zu wenig Rücksicht auf die Pflanzen. Ihre Gestalt sei nur dann zu verstehen, wenn man berücksichtige, daß man diese Bauten für Spaziergänge und Festmähler errichtet habe. Hiermit führt er den entscheidenden Punkt an: Die Gebäude waren Äußerungen des prunkvollen fürstlichen Lebensstiles; seit etwa 1750 waren jedoch die Höfe in ganz Europa immer bürgerlicher und sparsamer geworden, und nun verwandelte sich die Liebe zu den Orangen, bisher eine „rechte Fürsten- und Herren-Lust", zum reinen botanischen Interesse. So wandert die Orange von den Orangeriegebäuden und den fürstlichen Lustgärten in die botanischen Gärten und Gewächshäuser. Bevor wir uns der Betrachtung dieser Treibhäuser zuwenden, haben wir uns noch kurz mit einer Reihe von Gebäuden zu beschäftigen, die wegen ihrer allgemeinen Bedeutung schon von jeher die Aufmerksamkeit auf sich lenkten und oft beschrieben wurden: die großen Orangerieschlösser.
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4J. Die Orangerie ^u Kassel
DEUTSCHE
ORANGERIESCHLÖSSER
Der architektonische Garten hat nur dann einen Sinn, wenn er sich auch wirklich auf ein Bauwerk'bezieht, wenn er also dessen sichtbare Fortsetzung in die Natur hinaus ist. Man konnte natürlich nicht immer eine ganz neue Residenz mit einem neuen Garten aufführen oder den Garten an ein altes schon bestehendes Schloß anfügen; man konnte aber auch im 18. Jahrhundert auf einen modernen Garten nicht verzichten, weil er im Leben eines barocken Hofes eine viel zu große Rolle spielte. So kam man zur Neuanlage von Gärten, welche nicht einem Residenzschloß zugeordnet waren. Bei einem solchen Garten brauchte man aber auch Gesellschafts- und Aufenthaltsräume und Räume für gärtnerische Zwecke, unter diesen waren die Pflanzenhäuser die bedeutendsten. Man schloß nun diese Bauten alle zu einem großen Gebäude zusammen, das gewichtig genug war, um dem neuen Garten auch künstlerisch Halt und Rahmen zu geben. Dies sind die Gründe für die Entstehung unserer Orangerieschlösser. Sie sind ihrer Gestaltung nach die größeren Brüder der Orangenhäuser, sie unterliegen ja auch den gleichen praktischen und künstlerischen Bedingungen, nur tritt bei ihnen aus begreiflichen Gründen selten die Krümmung der Flügel auf. Schon Zeitgenossen empfanden diese gestreckten Bauten als Ausnahme unter den Orangenhäusern; so schreibt UfFenbach über die Orangerie zu K a s s e l " : „Sie ist nicht, wie sie sonst zu seyn pflegen,
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als eyn halber Cirkel, sondern in gerader Linie gesetzet." Als Landgraf Karl im ersten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts diese Kasseler Orangerie als beherrschendes Gebäude für den neuangelegten Garten auf der Karlsaue erbaute, war Kassel schon lange eine Pflegestätte von Orangen gewesen; ein abschlagbares Pomeranzenhaus auf der Moritzaue 1 0 0 wird 1606 erwähnt. Der Baumeister der Orangerie ist bis heute unbekannt, die Mehrzahl der Forscher weisen den Bau Paul du R y zu, Lohmeyer bringt ihn in Beziehung zur Orangerie von Darmstadt, weist also damit den Bau in die Nähe des Louis Remy de la Fosse. Dieser Meister hat nachweisbar für Kassel gearbeitet, und die stark französische Formensprache würde einer Zuweisung an ihn nicht widersprechen (Abb. 45). Der außerordentlich lange Bau (139,40 m) besteht aus einem zweistöckigen Mittelpavillon, den zwei langen Orangerieflügeln und den dreistöckigen Kopfbauten, welche die Wohnräume aufnehmen. Die Pavillons sind im Aufriß und Grundriß sehr stark gegen die Flügelbauten abgesetzt, die drei Mittelachsen der Flügelbauten sind durch einen flachen Segmentgiebel zusammengefaßt und hervorgehoben. Die Fassadeneinteilung ist sehr streng, die Mittelteile werden in ihrem Eindruck durch die Rundbogenfenster bestimmt, die Kopfbauten sind mit einer Pilasterarchitektur gegliedert. Sehr wichtig für den baulichen Zusammenhalt ist das Hauptgesims der Seitenflügel, das als Zwischengesims über die drei Pavillons hinweggeführt ist. Die Architektur ist in den Einzelheiten sehr zart und edel, ebenso vornehm ist auch die Dekoration der Säle gewesen, leider ist sie nicht mehr vollständig erhalten. An dem ganzen Baugefüge berührt der Zusammenklang zwischen Innenbau und Fassade außerordentlich wohltuend. V o r dem Gebäude erstreckte sich der große Orangeriegarten und daran anschließend die große Gartenanlage der Karlsaue. A . Holtmeyer nimmt nun an, daß die Kasseler Orangerie gar nicht das Hauptgebäude dieses Gartens sein sollte, sondern daß sie von vornherein als Gegenüber zu einem später am anderen Ende des Gartens zu errichtenden Schlosse gedacht war. Wenn dies zutrifft, so wäre ihr eben nur vorübergehend bis zum Bau des neuen Schlosses die Rolle zugefallen, die sie bis heute in den Anlagen auf der Karlsaue spielt. Dieser Vorgang hätte ein Gegenstück im Belvedere zu W i e n , w o auch — schon vor 1700 — zunächst der Garten angelegt und dann um 1705 das untere Belvedere von Johann Lukas von Hildebrandt als Orangerie- und Gartenschloß gebaut wurde, während das obere Belvedere, das heute die Anlage beherrscht, erst 10 Jahre später entstand 1 0 1 . Das untere Schloß ordnet sich ganz selbstverständlich wieder in das Schema der Orangerieschlösser ein: ein Mittelbau mit Festräumen, zwei lange Orangensäle, in den Eckpavillons wieder kleinere Festsäle. Gegen den Rennweg ist ein Anfahrtshof mit Stall und Wohngebäuden gelegt (Abb. 46 u. 47). Die Außenansichten zeigen den vollen Schmelz Hildebrandtscher Bauten. Geistreich ist der Einfall, die sieben Achsen des Mittelbaues in der Dekoration als zusammengehörig zu behandeln, jedoch den dreiachsigen Mittelrisalit dieses Baues zweistöckig zu gestalten und die zwei Seitenachsen rechts und links jeweils mit 7°
//. Unteres Belvedere ^u Wien, Großes Glashaus. Aus Kleiner, ij}i—40
den rustizierten Seitenflügeln unter einem Mansarddach zusammenzufassen und dieses Dach gegen Mittel- und Seitenpavillons abzuwalmen. Bei aller Gelöstheit des Umrisses ist so in der Mitte eine starke Verklammerung der Bauteile erreicht. In seinem wunderbaren Stichwerk über das Belvedere überliefert uns Salomon Kleiner noch einige Pflanzenhäuser, so daß wir uns ein gutes Bild davon machen können, was für Anstalten um 1700 insgesamt in einem fürstlichen Garten für die Pflege der fremden Pflanzen getroffen wurden. Zunächst das Pflanzenhaus für die Gesellschaft: das Gartenschloß mit erlesenen Topfpflanzen in den beiden Orangerieflügeln; dann als Prunkstück die im 18. Jahrhundert weitberühmte abschlagbare Orangerie als beherrschendes Bauwerk an der Schmalseite des Orangeriegartens, der seitlich vom Hauptgarten liegt (Abb. 48 u. 49). Hier stehen die Orangenbäume fest in der Erde, die Anpflanzung ist auf drei Seiten mit hohen Mauern umgeben, auf der dritten Seite liegt ein Wassergraben, in dem 10 Fontänen springen. Der Garten ist über eine Brücke oder durch Portale in den Mauern der Schmalseiten zugänglich. Die Mauern sind auf der Innenseite mit einer reichen Blendarkatur geschmückt, das Hauptgesims bäumt sich über einer mittleren Brunnennische empor. In zwei seitlichen Nischen stehen Öfen in der Form von Urnen. Gegen den Wassergraben zu erheben sich auf hohen Postamenten 10 Figu-
71
¡2. Die Orangerie
Fulda
rengruppen, sie bilden im Sommer einen optischen Abschluß des Pomeranzengartens gegen den Außenraum, im Winter stehen sie als Schmuck vor der knapp hinter ihnen aufgeschlagenen Holzwand (Abb. ;o). Das Dach wird dann in einzelnen Teilen auf Rollen und mit Winden, die im Dachraum des benachbarten Stalles stehen, über die Anlage geschoben. Im Sommer liegt es über dem Zwischenraum, der zwischen der Rückwand der Pomeranzengartens und dem Stallgebäude freigelassen ist, darunter bewahrt man vermutlich das Holzwerk und die Fensterrahmen des abgeschlagenen Hauses auf. Außer durch die beiden einfachen Öfen kann das Haus noch mit einer Luftheizung in unterirdischen Kanälen erwärmt werden. Der Bau ist also technisch wie künstlerisch gleich vollendet. Die notwendige Ergänzung zu der ganzen Anlage bilden noch zwei Glashäuser, ein einfaches kleines Haus am Rennweg — für uns hier interessant wegen seiner Ähnlichkeit mit den Glashäusern von Schloß Mirabell: eine Glaswand zwischen einachsigen Eckrisaliten — und dann das große Glashaus, zwischen der Orangerie und dem unteren Belvedere gelegen (Abb. 51). Es besteht aus einem hochgezogenen Mittelbau mit einer großen lichtführenden Laterne auf dem Dach und den zwei leicht nach innen geschwenkten Seitenflügeln. Auf Fassadenschmuck ist ganz verzichtet, großartig wirken jedoch die vollkommen in Holz und Glas aufgelösten Südwände durch die Beschränkung auf diese zwei Baustoffe und die fast endlos erscheinende Wiederholung der gleichen Fensterelemente, nach oben kräftig abgeschlossen durch ein energisch vorgewölbtes Dachgesims. Vor dem Hause bildet Kleiner die 7*
verschiedensten Arten von Palmen und Kakteen in prächtigen Exemplaren ab. Von diesen Bauten hatte das untere Belvedere das günstige Schicksal, Barockmuseum zu werden, die Orangerie ist, ganz umgestaltet, zur Gemäldegalerie geworden. Die Orangerie von F u l d a führt uns noch einmal zum Gegenpol des Wiener Architekturfcreis es, zu dem Mainzer General von Welsch, dem Lohmeyer den Entwurf dieser Anlage zuweisen konnte (Abb. 5 2) 102 . Fürstabt Constantin von Butlar begann 1721 den Bau. Unter der Bauleitung von Andreas Gallasini und seit 1727 von Friedrich Joachim Stengel zogen sich die Arbeiten bis zum Jahr 1729 hin. Das Gebäude mit seinem prunkvoll hochgezogenen Mittelbau beherrschte einen Garten, der auf den Längsseiten von Kastanienalleen eingefaßt war und an dessen Gegenseite sich ein Grottengebäude erhob. Kleine seitliche Glashäuser sollten den Hauptbau ergänzen. Terrassen und breitflutende Treppen steigern den Ausdruck der bedeutenden Anlage, welche sich in den Einzelheiten eng an die Orangerie von Gaibach anschließt. Viel gemäßigter im Ausdruck ist die wohl um 1735 von Leopoldo Retti erbaute Orangerie zu A n s b a c h , die heute im Innern vollkommen umgebaut ist. Ganz kurz nur können wir die Orangerien in dem benachbarten B a y r e u t h erwähnen. Das sogenannte Orangeriegebäude oder die Eremitage (erbaut zwischen 1740 und 1750, wohl von St. Pierre 103 ), schließt sich zwar in. der Gesamtform an die Orangeriehäuser an — ein freistehender Mittelbau, von dem aus zwei halbrund geschwungene Flügelbauten den Orangeriegarten umfassen —, es hat aber nur Wohnzwecken gedient. Zu gärtnerischen Zwecken hatte man in der Nähe eigene Glashäuser errichtet. Schließlich gehört zu diesen Orangerieschlössern noch das sogenannte neue Schloß zu N e s c h w i t z in Sachsen104,entstanden 1766 bis 1775 als Hauptwerk des Friedrich August Krubsacius. Auch hier wieder ein zweistöckiger Mittelbau mit Wohn- und Festräumen, daran anschließend zwei einstöckige Flügel mit Orangeriesälen. Die Außengestaltung versucht mit ihrem zopfigen Klassizismus vergebens das Nachklingen des Spätbarocks in der Gebäudeform zu übertönen.
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jß. „Dänisches Mistbeet". Aus Heß, 1696
D R I T T E R DAS
T E I L
GLASHAUS
Unser Gartenwesen und die Naturwissenschaften verdanken der Einführung des Glases in die Gärtnerei unendlich viel. Im wesentlichen ist es das 18. Jahrhundert, das die verglasten Pflanzenhäuser zur Vollkommenheit entwickelt. Die Anfänge dazu liegen früher, und Glashäuser werden schon im 16. Jahrhundert genannt, so um 1590 im Botanischen Garten zu P i s a , 1599 in dem zu L e y d e n und 1635 in A l f d o r f 1 0 5 . E s ist aber schwierig festzustellen, ob es sich hierbei wirklich um Glashäuser im heutigen Sinne handelt; denn ein Glashaus war damals ein Pflanzenhaus, das eben schlecht und recht mit Glasfenstern aus Butzenscheiben beleuchtet war, und es läßt sich nirgends ein Anhalt dafür finden, daß man damals die Wände vollkommen in Glas und Stützenwerk aufgelöst hat. Erst im letzten Viertel des siebzehnten Jahrhunderts, als das Glas weniger kostbar wurde, waren die Voraussetzungen f ü r eine so weitgehende Verglasung von Bauwerken gegeben, und so finden wir um 1700 die ersten Abbildungen von Glashäusern in den Gartenbüchern. Es gab nun zwei Ausgangsformen für die Glashäuser. Auf der einen Seite lag es sehr nahe, die abschlagbaren Pomeranzenhäuser zu verglasen, auf der andern Seite bildeten die verglasten Mistbeete, wie sie Georg Andreas Böckler 1678 schon 74
J J . Die Gartengebäude
Schwöbber. Aus Volkamer, 1714
in der noch heute üblichen Form abbildete, einen Ausgangspunkt für die Treibhäuser. Diesen Werdegang beweist die Beschreibung eines Treibhauses bei Heinrich Heß, 1696, das zwar noch als Mistbeet bezeichnet wird; aber aus der beigegebenen Abbildung geht hervor, daß das Gebäude schon recht hoch und geräumig ist (Abb. 5 3). Heß bemerkt, daß Mistbeete dieser Art in Dänemark üblich seien. Beim Bau einer solchen Anlage werden zunächst mehrere Gräben nebeneinander ausgehoben, dann ausgemauert und überdeckt, die ganze Stelle wird schließlich mit Erde bedeckt, und rings herum wird eine halbrunde Mauer errichtet. Die offene Südseite wird mit hohen Glasfenstern aus Rautenscheiben geschlossen und das Haus mit einem Holzdach versehen. Geheizt wird mit einem großen Kachelofen und mit Feuern, die in den zuerst angelegten unterirdischen Gräben unterhalten werden. Dänemark hatte noch im Beginn des 19. Jahrhunderts den Ruf, daß dort die Glashausgärtnerei in hoher Blüte stehe, und es ist nicht unmöglich, daß es vor oder mindestens gleichzeitig mit Holland das Gewächshaus erfunden hat. Ganz selbstverständlich war es, daß man die abschlagbaren Pomeranzenhäuser mit Glasfenstern versah, ja daß man sogar alle bisher abschlagbaren Teile des Hauses in Glas ausführte, so daß man sich das Abschlagen überhaupt sparen konnte. Wenn wir uns vorstellen, daß man bei den Pomeranzenhäusern die Seitenwände und die Rückwand oft massiv gemauert hatte, und zwar häufig die Giebel in Pultform, und wenn wir uns nun die bisher aus Brettern bestehende Südwand und das Pultdach in Glas ausgeführt denken, so haben wir ein Glashaus vor uns, wie es noch heute gebaut und wie es zuerst von Volkamer 1 7 1 4 abgebildet wird. 75
//. Das große Glashaus ^u Schwöbber. Aus Volkamer,
iyi4
Das dargestellte Treibhaus ist das Ananashaus des Herrn von Münchhausen zu S c h w ö b b e r , der zuerst die Ananas in Deutschland züchtete. Wahrscheinlich hatte er die Pflanzen und die Anweisung für den Bau des Hauses aus Holland erhalten, wo Jan Commelin als erster in ganz Europa die Ananas gezüchtet hatte. In Holland war auch Boerhave inLeyden um 1 7 1 0 auf den Gedanken gekommen, die Glaswände schräg zu neigen, damit die Sonne so senkrecht wie möglich auf die Glasscheiben falle und so wenig wie möglich gebrochen werde. Neben dem Ananashaus besaß der berühmte Garten von Schwöbber (Abb. 54) noch ein sehr langes stark verglastes Orangeriehaus und ein größeres Glashaus, das sich gegen Norden an eine Mauer lehnte und bei dem das Dach, die Südwand und Oberteile der Giebelwände ganz in Holz und Glas aufgelöst waren (Abb. 55). Ähnliche Häuser gab es auch damals schon in dem alten Glasland Böhmen, Volkamer bildet zwei Risse von böhmischen Glashäusern ab (Abb. 5 6). Wichtig ist an diesen Häusern die Heizungsart: von außen zugängliche Öfen erwärmen die Heizzüge, welche sich durch das ganze Haus ziehen und in die Kamine an der Rückwand münden. Diese Heizkanäle sind mit Ziegelsteinen gemauert und mit Eisenblechen überdeckt. Bei kaltem Wetter werden, wie auch heute noch, auf die Glasdächer Strohmatten und Holzläden gelegt. Wie für die Orangeriehäuser, so war auch für die Glashäuser das zweite Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts die Zeit, in der sie sich in ganz Europa ausbreiten konnten. In Frankreich wurden damals bei Grand Trianon die ersten Treibhäuser gebaut, in England machte Switzer 1 7 1 7 einen Plan für ein Treibhaus, das der Weintraubenzucht des Grafen von Rutland zu Bevoir-Castle dienen sollte, ja bis nach Rußland kam die neue Erfindung. In diesen Häusern zog man nun Wintergemüse, dann Obst, besonders Wein, Kirschen und Pfirsiche, auch Blumen und Champignons. Die Zucht der Ananas war eine fürstliche Leidenschaft, der besonders Friedrich der Große huldigte. Es bildete sich nun im 18. Jahrhundert
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j6. Zwei Entwürfe ^u Treibhäusern. Aus Volkamer,
1714
sehr rasch eine feststehende Form für diese Häuser aus. Ein solches Gebäude enthielt immer den nach Süden gelegenen verglasten Pflanzenraum, in ihm standen die Pflanzen meistens in einem ummauerten Beet, an die Südseite des Hauses waren gewöhnlich noch Mistbeete für Blumen oder Gemüse angeschoben. Gegen Norden lag ein Gang, der als Zugang zu den Heizungen, als Geräteraum und natürlich auch als Schutz gegen den Nordwind diente. Als Heizung wurden zunächst Öfen verwendet, aber schon um 1715 hatten sich die Kanalheizungen nicht nur für die Glashäuser, sondern auch für die Orangeriegebäude durchgesetzt. Unterirdische gemauerte Kanäle durchzogen das Warmhaus, sie wurden von den Heizgängen aus gefeuert. Die Züge lagen, je nachdem, ob man das Haus nur temperieren oder ob man Pflanzen treiben wollte, unter den Wegen oder unter den Pflanzenbeeten, und in den Pflanzenbeeten standen die wärmebedürftigsten Pflanzen natürlich der Feuerstelle am nächsten. Außer dieser Möglichkeit, die Heizung den jeweiligen Bedürfnissen anzupassen, bestand noch die andere, die Kanäle je nach Bedarf mit eingeschobenen Blechen abzuschließen. Oft heizte man auch einen Kanal und schloß ihn an beiden Enden ab, so daß er die warmen Heizgase länger hielt (so bei Manger um 1720). Bei sehr langen Heizzügen ordnete man noch innerhalb des Glashauses einzelne Einheizlöcher an, so in der Orangerie des Belvedere zu Wien. Um die Heizgase noch stärker auszunutzen, legte man schließlich auch noch den Abzug an die Nordwand des Pflanzenhauses in übereinander77
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j j . Das große Treibhaus v^u Ken'. Aus Chambers,
1762
liegenden fast waagerechten Windungen. So ausgebildet treffen wir nun um 1750 die Glashäuser bei den englischen Gartenschriftstellern. Besonders gibt Philipp M i l l e r 1750 eine sehr ausführliche Anweisung für den Bau von Treibhäusern. E r schlägt noch vor, mehrere Häuser zusammenzufassen, nämlich ein Gewächshaus (Green-house), also ein Erhaltungshaus für nicht winterfeste Pflanzen, ein trockenes und ein feuchtes Warmhaus mit Lohbeet. Diese beiden stoßen rechts und links als Flügelgebäude mit abgeschrägten Ecken an das Gewächshaus an und sollen so noch als Sonnenfang dienen, ein Gedanke, den wir ja schon als maßgebend für die Gestaltung der Orangeriegebäude gefunden haben. Das Gewächshaus selbst ist bei Miller von der Decke bis zu der Höhe von einem Fuß über dem Boden mit senkrechten Fenstern verglast, die Höhe der Fenster soll dabei womöglich größer sein als die Tiefe des Hauses, die Pfeiler sollen möglichst schmal und mit schrägen Leibungen gemauert sein. Über diesem Gewächshaus ordnet Miller noch ein zweites Stockwerk mit Stuben an. Die Seitenflügel haben die bekannte Pultform, sie können durch eingestellte Glaswände in verschiedene Räume eingeteilt werden, so daß man je nach Bedarf feuchtere oder wärmere Räume zur Verfügung hat. Als Heizung empfiehlt Miller die Kanalheizung, sie galt zwar damals schon als veraltet, aber Miller hielt sie immer noch für die beste. Sie hatte vor allem den Nachteil, daß durch undichte Stellen die schwefelhaltigen Heizgase in die Pflanzenräume eindringen und den Pflanzen verderblich werden konnten. Es mußten deshalb die Kanäle von innen gut verputzt und von außen mit Tüchern
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¡8. Treibkasten für Pfirsiche und Weintrauben. Entworfen von L. Sckell für den Hof garten ^u Nymphenburg
überzogen und gut vermörtelt werden. Torf galt damals als günstigster Heizstoff weil er am mildesten heizte. Nach den beschriebenen Grundsätzen bauten 1760 William Chambers und William Aiton das große Warmhaus von Kew (Abb. 5 7) 1 0 6 . Chambers vereinigte hier ein großes feuchtes Warmhaus (the barkstove) mit zwei kleinen seitlich angeschobenen trockenen Warmhäusern (dry-stoves). Es wäre nun müßig, noch eine Reihe von solchen Pulthäusern aufzuzählen, sie sind zu finden in den Werken von L i g e r und B l o n d e l , bei G r o h m a n n , F e u e r e i s e n und im 19. Jahrhundert in den Entwürfen Sckells für N y m p h e n b u r g und bei D e t o u r n e l l e , L o u d o n , M e t z g e r u.a. Auch die kleinen Glaskästen, die man heute noch den Fenstern vorhängt, um Kakteen darin zu ziehen, sind Abkömmlinge dieser Treibhäuser. Sie kamen nach 1800 auf und werden 1833 von Kißling (nach Poiteau) ausführlich beschrieben. Eine weitere Verkleinerung und Vereinfachung dieser Treibhäuser ist der sogenannte Treibkasten, eine Glaswand, die gegen eine Mauer gelehnt ist. Diese Treibkästen wurden vor allem zum Treiben von Spalierobst und Reben benutzt und zunächst mit eisernen Öfen, später mit Rohrheizungen erwärmt. Als Beispiel für diese Kästen bilden wir einen Entwurf Sckells aus dem Jahre 1812 ab (Abb. 5 8) 107 . Der Kasten sollte 1813 im Garten zu Nymphenburg erbaut werden und hatte die stattliche Länge von 60 Schuh, er war im Lichten 10 Schuh hoch und 6 breit. Die einzelnen Fenster konnte man hochklappen, sie besaßen eine lichte Breite von 3 Fuß 9 Zoll. Zu einer monumentalen Anlage benutzte Friedrich der Große diese Treibkästen bei den Terrassen von Sanssouci. Dort sind die ganzen 79
jp. Die Orangerie ^11 Schlackenwertb. y\.us dem Sockh'sehen Ski-^enbuch
Terrassenmauern in lauter Nischen abgeteilt, Nischen für Obstbäume wechseln mit Nischen f ü r Reben ab. Die Terrassen wurden leicht eingeschwungen, damit sie wie ein Brennspiegel die Sonne auffangen. In der kalten Jahreszeit wird die ganze Anlage unter Glas gehalten, wenn es warm wird, nimmt man die Fenster von den Nischen mit Obstbäumen ab. Dieser „gläserne Berg" ist eine der erstaunlichsten Schöpfungen des Barocks in Deutschland. Wer den Park betritt, sieht plötzlich im Ausschnitt einer hohen Allee eine große Glasfläche vor sich aufsteigen, über ihr scheint, allen Gesetzen der Schwere zum Trotz, das Lustschloß des Königs zu schweben, irdischen Sorgen entrückt — Sanssouci. Hier ist wohl sehr bewußt die Glaswand zur Verunklärung der Wirklichkeit benutzt. Wir kommen nun noch zu einer Glashausform, die gerade für das 18. Jahrhundert bezeichnend ist, aber im Gegensatz zu den vorigen Formen schon im frühen 19. Jahrhundert nicht mehr angewendet w u r d e : das Glashaus mit schräg geneigter Südwand und einem darüber weit vorgewölbten Putzgesims, dem Sonnenfang oder „Schwanenhals". Als D a c h f o r m benutzte man gewöhnlich ein nach N o r d e n abfallendes mit Schiefer gedecktes Pultdach oder ein einhüftiges Satteldach, hier und da aber auch ein Mansarddach, wie z.B. in O e h r i n g e n oder in R e n t w e i n s d o r f . Dieses Haus wurde gewöhnlich als Erhaltungsraum f ü r 80
6o. Ein „Vertüefftes"
61. Entwürfe
Glashaus. Aus Fülck, um iy2 0
Glashäusern. Aus Fülck, um 172 0
größere Pflanzen, also für Orangen, aber auch für Palmen verwendet; wenn Blumen oder kleinere Gewächse darin gezogen wurden, so stellte man sie auf abgetreppte Gestelle. Auch hier ist der Grundriß wie bei vielen Orangerien und den pultförmigen Glashäusern in zwei Streifen zerlegt, nach Norden lag der schmale Heizgang, nach Süden der Pflanzenraum. Die Fensterwand bestand ganz aus Glas (in Holz- oder auch Eisensprossen); etwa alle 1 1 / i m stand eine Holzstütze. 81
6z. Entwurf für das Glashaus in Kastatt von F. I. Krohmer
Das vorspringende Gesims sollte die Sonnenstrahlen einfangen, das Abziehen der warmen Luftschicht vor der Glasfläche verhindern und auch die Fenster vor Hagelschlag schützen. Diese Häuser wurden zunächst ebenfalls mit Öfen und dann mit Kanalheizungen geheizt. Sie sind für uns zum ersten Male greifbar in einer Zeichnung von Sockh, welche die Glashäuser an der Orangerie in dem SächsischLauenburgischen Garten zu S c h l a c k e n w e r t h darstellt (Abb. 59) 108 . Dort sind an die schon oben erwähnten Orangerieterrassen des 17. Jahrhunderts lechts und links solche Häuser angelehnt. Im allgemeinen wurde diese Glashausform über einem rechteckigen Grundriß errichtet, nur F ü l c k bildet sie einmal mit einer eingezogenen Mittelwand ab und nennt sie „ein vertüefftes Glass-Hauss, das sich die Sonne besser fangen kan" (Abb. 60). Daneben zeichnet er noch rechteckige Häuser und auch Häuser, die im Grundriß ein halbes Achteck beschreiben, und so den Gedanken des halbkreisförmigen Glashauses, das zu Beginn des 19. Jahrhunderts von den Engländern gefordert wird, vorwegnehmen (Abb. 61). Der architektonische Schmuck dieser Bauwerke war immer bescheiden, gewöhnlich beschränkte er sich auf tuskische Pilaster an den seitlichen Zungenmauern, wie bei dem Entwurf Franz Ignaz Krohmers von 1774 für das Glashaus in R a s t a t t , in dem in zwei Abteilungen eine kleine Orangerie und eine Ananastreiberei untergebracht werden sollte (Abb. 62). Diese Gebäude vertragen auch wenig Schmuck, und ein Putto, wie ihn Georg Peter S c h i l l i n g e r mitten auf das vorstehende 82
Wll
6j. Glashaus mit Schwanenhals. Aus Schillinger, um 174J Gesims eines Glashauses stellt, wirkt reichlich fehl am Platz (Abb.63). Den schönsten Schmuck für diese Bauten bedeutete die gut aufgeteilte Glaswand und die kräftige Ausladung des Hauptgesimses. Wir beschränken uns darauf, nur wenige von diesen Glashäusern anzuführen. Die Form wurde im 18. Jahrhundert häufig und fast ohne Abänderungen wiederholt. Zunächst gehört hierher das Glashaus für die W i l h e l m s h ö h e bei Kassel, das A. Holtmeyer 109 abbildet. Sehr reizvoll ist das Glashaus in dem Dachgarten der Kaiserin zu W i e n mit zwei Flügeln und einem Mittelpavillon 110 , eine zierliche und reizvolle Anlage, die für das späte 18. Jahrhundert außerordentlich bezeichnend ist. Hier und da sind solche Häuser noch erhalten, besonders bekannt ist das 1777 errichtete Glashaus in B r o n n b a c h an der Tauber wegen seines mächtigen Sonnenfanges mit dem großen Freskogemälde (Abb. 64). Der Kulturgarten zu W ü r z b u r g gibt uns heute noch ein gutes Bild von einer solchen Anlage des Spätbarocks. E r ist dem Hofgarten angegliedert und nimmt etwa die Hälfte der Südbastion ein, an seiner Südseite stehen mehrere kleine, heute etwas umgebaute pultförmige Glashäuser, dahinter erstrecken sich die Mistbeete in mehreren Reihen, beherrscht wird der ganze Gartenteil von dem Glashaus, das sich an den Wall
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anlehnt (Abb. 65). Das Innere des Hauses war früher in fünf verschieden warme und verschieden feuchte Räume geteilt, durch den Einbau einer Gärtnerwohnung ist die westliche Abteilung weggefallen. Dieser Bau ist heute noch sehr gut erhalten und in Benutzung (Abb. 66); unter dem Herzog von Toscana entstanden, dürfte er wohl eines der spätesten Gewächshäuser dieser Form sein; denn schon gegen 1820 kam man von dieser Bauart ab. Eine Mischform zwischen dem Glashaus mit Sonnenfang und dem pultförmigen Glashaus sollte die Vorteile beider Bauarten vereinigen. Die Glaswand wurde in der Mitte geknickt, die obere schräge Fläche sollte die steilen Sonnenstrahlen, die untere senkrechte Fläche die schrägen Sonnenstrahlen möglichst ungebrochen einlassen. Ein über die ganze Glaswand weit vorragender Sonnenfang sollte sie gegen Hagelschlag schützen. Solchergestalt war das bekannte große Glashaus in B r u c h s a l , entworfen von dem Hofbaumeister Leonhard Stahl 1 7 7 2 m , eine sehr große Anlage, 227 Fuß lang, die in zwei Abteilungen geteilt und von vier Öfen aus durch Kanäle geheizt war. Das vorspringende Gesims wurde mit Säulen gestützt, die am Knick der Glaswand aufstanden. Eine ähnliche Form schlägt auch F e u e r e i s e n 1780 für ein Ananashaus vor, und schließlich wandelt G . F r a n k e in seiner Abhandlung von 1825 diesen Gedanken insofern sehr geistreich ab, als er auf einen festen Sonnenfang verzichtet, dagegen die Wand, an welche das schräge Glasdach anläuft, als Schutzwand gegen den Nordwind höher zieht und nun die aufklappbaren Läden, welche auf dem schrägen Glasdach liegen und ihre Scharniere am Zusammenstoß des Glasdaches mit der Rückwand haben, als Sonnenfang verwendet (Abb. 67 u. 68). J e nach dem Sonnenstand sind diese Läden, die auf der Unterseite glatt gehobelt und mit weißer Ölfarbe gestrichen sind, verschieden schräg einzustellen, so daß sie das Licht dahin werfen, w o es der Gärtner gerade haben will. Die Wirkung dieses Sonnenfanges und der Sonnenfänge überhaupt wird allerdings doch recht gering gewesen sein. Auf diese künstlichen Vorrichtungen konnte man verzichten, als man durch verbesserte Heizungen das Treibhaus ohne die Mithilfe der Sonnenwärme gut und ohne zu großen Kostenaufwand heizen konnte. Die Kanalheizung hatte ja neben anderen auch noch den großen Nachteil, daß man eben den Kamin heizte, daß also der größte Teil der Wärme ungenützt verloren ging. Die Frage der Heizung wurde also das eigentliche Problem in der Entwicklung der Treibhäuser. J e besser die Heizung war, desto unabhängiger war man in der Gestaltung des Hauses. V o r allen Dingen konnte man erst nach Lösung der Heizungsfrage an eine vollständige Verglasung der Gebäude denken und auch das Eisen als Baustoff in den Glashausbau einführen, schließlich wurde man dadurch auch unabhängiger von den allgemeinen Gegebenheiten des Bauplatzes. Hier wurden nun die Engländer richtunggebend. Schon 1652 hatte Sir Hugh Platt die Dampfhei2ung für Pflanzenhäuser vorgeschlagen, 1 7 1 6 wurde dann in einer Treibhausanlage zu N e w Castle on Tyne die erste Wasserheizanlage von dem Schweden Martin Triewald eingerichtet. Für die Dampfheizung erhielt John Hoyle 1791 ein Patent. E r wollte 84
64- T)ie Orangerie
Bronnbach a. d. Tauber
mit seiner Heizung Kirchen, Schulen und auch Treibhäuser heizen 1 1 2 . Auch Wakefield in Liverpool (1788) und Butler (1792) versuchten damals Warmhäuser mit Dampf zu heizen 1 1 3 . Die Kessel dieser Anlagen waren aus Gußeisen, Schweißeisen oder Kupfer, die Rohre aus Blei, Gußeisen, verzinntem Kupfer oder sogar aus Steinzeug. Sehr spät erst ging man zu einer ausgesprochenen Luftheizung über. Der Wintergarten an der Wiener Hofburg (erbaut 1 8 2 2 — 1 8 2 4 ) 1 1 4 und die Treibhäuser des Grafen von Magnis zu Straßnitz in M ä h r e n 1 1 3 wurden nach dem System des Professors Meißner mit Luftheizungen versehen. Diese Heizungen hatten alle den Vorteil, daß keine Abgase in die Pflanzenräume eindringen konnten und daß die Beheizung sehr gleichmäßig war. Trotzdem setzten sie sich nur ganz allmählich durch, weil zunächst die Kosten einer solchen Anlage viel zu hoch waren. Aus diesem Grunde schlug Franke noch 1825 eine Kanalheizung für seinen Treibhausentwurf vor, obwohl er zugeben mußte, daß die Warmwasserheizungen viel besser seien. So wurde denn auch verhältnismäßig spät die erste Warmwasserheizung in Deutschland im Jahre 1830 in Nymphenburg angelegt 1 1 5 . Mit der Verbesserung der Heizung war nun eine einschneidende Änderung in der Bauart von Gewächshäusern möglich geworden. Man konnte nun auf die nördliche Schutzwand verzichten, das Haus wurde auf allen Seiten verglast und nicht mehr in Ost-Westrichtung, sondern in Nord-Südrichtung angelegt. Abercrombie lehnt diese Bauweise 1792 noch ab, erwähnt aber, daß sie sich zu seiner Zeit in England zu verbreiten begann. Heute ist sie ja die herrschende geworden.
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6/, 66. Das Glashaus im Hof garten ^u Wür^burg
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/:./ H
67, 68. Grundriß und Querschnitt eines Treibhauses. Aus ¥ ranke,
182J
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Wie die Rohrheizungen, so kam wahrscheinlich auch die Einführung des Eisens als Baustoff der Glashäuser aus England, das seit etwa 1750 in der Eisengewinnung und -Verarbeitung einen beträchtlichen Vorsprung vor dem Festland hatte. Allerdings ist es mir nicht gelungen, irgendwo eine Nachricht von einem frühen englischen Glas-Eisenbau zu finden. Nach meiner Vermutung müßte die Entstehung eines solchen Baues etwa in die Zeit 1750—60 fallen. In Deutschland soll das erste eiserne Gewächshaus das um 1775 entstandene Treibhaus von H o h e n h e i m sein 1 1 6 . Dieses Gebäude bestand aus einem hohen Mittelbau mit gläsernem Satteldach und zwei seitlich angefügten pultförmigen Treibhäusern, die sich an ein Gebäude im antiken Ruinenstil anlehnten. Diese „Antike Circusanlage" ist ein Gebäude, das stark an Grundformen von Orangeriegebäuden erinnert, ein Mittelbau, an den sich halbrund vorgeschwungene Flügel ansetzen; die ganze Anlage ist eine künstliche Ruine und enthält Gärtner- und Geräteräume. Auch wenn wir andere Gewächshäuser im Park von Hohenheim suchen, erleben wir Überraschungen. Das kleine Gewächshaus ist an eine strohgedeckte ganz urzeitlich anmutende Hütte angebaut, und der Feigensaal ist wieder in eine verfallende Ruine, die sogenannten „ G ä n g e des Lepidus", eingebaut. Unwillkürlich fragen wir nach den Gründen, welche die Baumeister veranlaßten, diesen Pflanzenhäusern ein mit ihrer Bestimmung gar nicht zu vereinbarendes Aussehen zu geben?
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6y. Orangerie in Le De sert bei St. Germain en Laye. Aus Jardins Anglo-Chinois, IJJO—IJ88
DIE DER
ARCHITEKTONISCHE
GEWÄCHSHÄUSER
IM
GESTALTUNG 18.
JAHRHUNDERT
Wir haben die Orangeriegebäude als Glieder eines architektonischen Gebildes, nämlich des barocken Lustgartens, kennengelernt. Bei ihnen war es fast immer möglich, die praktischen mit den architektonischen und allgemein gesellschaftlichen Forderungen ohne Widerspruch zu vereinigen. Ganz anders liegen die Verhältnisse bei den Treibhäusern. Sie sind ursprünglich nur Zweckbauten und unterliegen nicht den Forderungen der hohen Baukunst. Gegen Mitte des 18. Jahrhunderts ändern sich aber die Voraussetzungen für die Glashäuser. Ebenso wie etwa 100 Jahre früher die Orange aus einer seltsamen Merkwürdigkeit zu einer verbreiteten und beliebten Gartenpflanze wurde, was die reiche Gestaltung der Orangeriehäuser zur Folge hatte, so werden jetzt auch die Pflanzen der Warmhäuser und die Warmhäuser selbst in den Kreis der höfischen Repräsentation einbezogen. Die exotischen Pflanzen der Tropen, die Kapgewächse, die westindischen Pflanzen, die Palmenarten, bisher nur vereinzelt gezogen, halten ihren Einzug in die Gewächshäuser. Die Aufnahme dieser Pflanzen geht zusammen mit einem allgemeinen Hang zur Exotik in den übrigen Zweigen der Kunst und im Hofleben. Sie entspringt offenbar einem tiefen Bedürfnis dieser Zeit. Der barocken Übersteigerung der Wirklichkeit entspricht als Gegenspiel eine romantische Weltflucht. Viele Eremitagen und Eremitengärtchen bezeugen diese Haltung. Als die Rechnung zwischen den 89
6y. Orangerie in Le De sert bei St. Germain en Laye. Aus Jardins Anglo-Chinois, IJJO—IJ88
DIE DER
ARCHITEKTONISCHE
GEWÄCHSHÄUSER
IM
GESTALTUNG 18.
JAHRHUNDERT
Wir haben die Orangeriegebäude als Glieder eines architektonischen Gebildes, nämlich des barocken Lustgartens, kennengelernt. Bei ihnen war es fast immer möglich, die praktischen mit den architektonischen und allgemein gesellschaftlichen Forderungen ohne Widerspruch zu vereinigen. Ganz anders liegen die Verhältnisse bei den Treibhäusern. Sie sind ursprünglich nur Zweckbauten und unterliegen nicht den Forderungen der hohen Baukunst. Gegen Mitte des 18. Jahrhunderts ändern sich aber die Voraussetzungen für die Glashäuser. Ebenso wie etwa 100 Jahre früher die Orange aus einer seltsamen Merkwürdigkeit zu einer verbreiteten und beliebten Gartenpflanze wurde, was die reiche Gestaltung der Orangeriehäuser zur Folge hatte, so werden jetzt auch die Pflanzen der Warmhäuser und die Warmhäuser selbst in den Kreis der höfischen Repräsentation einbezogen. Die exotischen Pflanzen der Tropen, die Kapgewächse, die westindischen Pflanzen, die Palmenarten, bisher nur vereinzelt gezogen, halten ihren Einzug in die Gewächshäuser. Die Aufnahme dieser Pflanzen geht zusammen mit einem allgemeinen Hang zur Exotik in den übrigen Zweigen der Kunst und im Hofleben. Sie entspringt offenbar einem tiefen Bedürfnis dieser Zeit. Der barocken Übersteigerung der Wirklichkeit entspricht als Gegenspiel eine romantische Weltflucht. Viele Eremitagen und Eremitengärtchen bezeugen diese Haltung. Als die Rechnung zwischen den 89
jo. Grünhaus im chinesischen Geschmack. Aus Halfpenny, Jyjz
Lebensformen und der Lebenswirklichkeit nicht mehr aufzugehen begann, als der Barock in seine Spätphase eintrat, begann eine wahrhaft frivole Flucht vor der Wirklichkeit in die Welt der Träume. „Zurück zur Natur" (wie sehr ist diese Natur Rousseaus doch ein literarischer Begriff!) und „Los von Europa!", von dieser überalterten Kultur, auf deren Untergrund sich allmählich die Umrisse einer neuen Welt, in der die großen Massen und die großen Dimensionen herrschen sollten, immer drohender abzeichneten. Es ist die Welt der Träumer, der Idyllenmaler und Literaten, die sich nun der Gartenkunst bemächtigt. Aus den Eremitagen mit ihren düsteren Felsenszenerien und Fichtengruppen werden kleine landschaftlich gestaltete Gartenteile. Nicht zu übersehen ist auch, daß die endgültige Aufnahme der griechischen Antike, besonders in England, mit dieser Flucht in ein besseres und höheres Sein eng zusammenhängt. Ähnlich geschieht die Aufnahme der gotischen Formen; während griechische Gebäude heitere Szenerien schmücken sollen, drücken die gotischen Formen das Düstere und Geheimnisvolle aus. Dazu beginnt, nicht nur in der Gartenkunst, eine immer stärkere Entsinnlichung. Der Landschaftsgarten ist nicht mehr wie der Lustgarten des Barocks in seinem 9°
JI.
Gewächshaus für farnartige Pflanzen. Aus Bradley,
LYJO
Sinn klar zu fassen und auch nicht mehr so klar geordnet. Zu seinem Verständnis braucht man erklärende Inschriften, keine Achse erschließt ihn, sondern eine Leitlinie von literarischen Zusammenhängen. So entsteht nun der sogenannte natürliche Gartenstil, der literarische und malerische Absichten in sich vereinigt. Der Garten zeigt nun — mit den Worten J . C. Loudons — „malerische Schönheit und andere dichterische und also künstliche Verbindungen mit dem, was sich dem Auge darstellt; die Gartenkunst hängt nun ,als Kunst der Einbildungskraft' . . . von Idyllenpoesie und geistiger Ausbildung ab; denn was ist die Natur für einen ungebildeten Geist?" Vor allem tritt nun ein neuer Begriff in die Gartenkunst ein: die Ideendarstellung 117 . Hier gibt uns die Anlage von H o h e n h e i m , die Anlaß zu unserer Fragestellung am Ende des letzten Abschnittes war, auch gleich die Antwort. Wir lesen da in der Veröffentlichung Heideloffs von 1795 über den um 1770 von Herzog Karl Eugen von Württemberg erbauten Garten: „Wer in den Garten von Hohenheim kommt, der solle und müsse es wissen, daß er hier viele Gärten in einem Garten, und noch mehr, daß er die Nachbildung einer ganzen Kolonie zu sehen hat, welche sich in den. Trümmern einer römischen Stadt niederließ — und das ganze Rätsel ist gelöst. Nur aus diesem Gesichtspunkt kann und darf der Garten in Hohenheim gesehen und betrachtet werden." So wie nun hier eine Ruinenstadt dargestellt werden sollte, so versuchte man anderwärts chinesische Dörfer oder die Schauplätze irgendwelcher Romane darzustellen, auch Friedhöfe, Gräber und ähnliches. 91
Y2. Warmhaus. Aus Ughtoler, IJ62 Die Gartengebäude sind nur noch in zweiter Linie Lusthäuser, Pflanzenhäuser oder Gesellschaftsräume, zuerst sollen sie den Sinn, „die Idee", einer Gartenanlage erläutern helfen. So kommt es, daß auch die Gewächshäuser, wenn sie in den Garten überhaupt einbezogen wurden, sich beileibe nicht als Gewächshäuser darstellen durften, sie mußten aussehen wie Ruinen, so in Hohenheim, oder wie Kirchen der englischen Spätgotik, ein solches Beispiel bildet Pfann nach W. G. B e c k e r s Taschenbuch von 1796 ab. Bekannt ist ja das Gewächshaus im Garten des Freiherrn von Veltheim zu H a r b k e bei Helmstedt. Hier hatte das Haus die Form einer gotischen Friedhofskapelle. Der gotische Formenkreis bot ja von vornherein die Möglichkeit, die Wände der Gebäude weitgehend in Glas aufzulösen. Er schien so wie geschaffen für die Anwendung im Glashausbau; deshalb erscheinen Gewächshäuser in gotischen Formen häufig. Eine Bindung zweifacher Art war beim Gewächshausbau mit dem sogenannten chinesischen Baustil möglich. Auch dieser Stil erlaubte es, die Wände weitgehend aufzulösen, gleichzeitig fand sich Exotik zu Exotik: das chinesische Gehäuse umschloß „indianische" Pflanzen. Die Gebrüder Halfpenny veröffentlichten um 1750 drei Entwürfe dieser Art (Abb. 70). Bei ausgeführten Bauten, wie bei dem Grünhaus im Garten Le Desert des Herrn von Monville bei St. Germain en Laye, finden wir noch die gleiche Grundform wie bei jenen Vorschlägen, sogar das in der Mitte emporgeschweifte Dach mit der frei gestalteten Endigung fehlt nicht (Abb. 70). Noch einfacher ist ein Gewächshaus in Grohmanns Recueil d'idées nouvelles etc. 1796 ff., wo ein Glas92
j}. Das mittlere Gewächshaus
Nymphenburg. Von L. Sckell, 1816
haus mit weit vorgewölbtem Sonnenfang durch Bemalung und durch die immer wieder aufwippende Dachtraufe ein chinesisches Aussehen bekommt. Schon dieses letzte Beispiel läßt erkennen daß die chinesische Formenwelt in der Baukunst der letzten Jahre des 18. Jahrhunderts nur noch sparsam angewendet wurde. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts verschwindet sie schließlich ganz. Bei der gegen 1800 eintretenden Klärung trägt, wie auf dem ganzen Gebiet der Baukunst, aus dem Stilgewirr des späten 18. Jahrhunderts neben der Gotik zunächst die Formenwelt der griechischen Antike auch im Gewächshausbau den Sieg davon. Bei diesen Zweckbauten tritt nun ganz klar hervor, was für einen Sinn die Anwendung antiker Ordnungen in der Baukunst des Barocks im Grunde hatte. Wohl gab sie dem Baukünstler die Möglichkeit einer plastischen Gestaltung der Fassade. Wichtiger jedoch als die schöne Wirkung antikischer Einzelheiten scheint mir die Tatsache, daß bei einer richtig angewendeten Säulenordnung die ganzen Gebäude und die Einzelheiten von selbst in einem guten Verhältnis zueinander stehen. Die Ordnung gewährleistete auch beim freiesten Walten künstlerischer Schöpfungskraft den Bauten immer noch eine maßvolle Harmonie. Dieser antike Sinn für gut abgewogene Proportionen blieb auch den großen Glashausbauten noch erhalten, als sich die Abmessungen der Bauten so gesteigert hatten, daß die antike Formenwelt selbst nicht mehr angewendet werden konnte. Diese maßvolle Harmonie vereinigt sich in diesen Großbauten mit dem gotischen Sinn für kühne, mächtige Konstruktionen, und so will mir scheinen, daß Schinkel der Vereinigung des griechischen mit dem gotischen Stil, in übertragenem Sinne allerdings, bei seinem Bau des Palmenhauses auf der Pfaueninsel näher kam als bei seinen Dom-Tempelentwürfen. 93
J4- Entwurffür das Glashaus in Rastatt von J.P.E.Rohrer,
1744—•//
In England erscheinen schon früh Treibhausentwürfe, die als klassizistisch zu bezeichnen sind. Dem klassizistischen Bedürfnis nach flächenhafter Gestaltung kam ja das Treibhaus sehr entgegen. Auch die Möglichkeit, geschlossene kantige Baukörper den leichten und durchsichtigen Glasräumen entgegenzusetzen, mußte einen klassizistischen Baumeister reizen. Ein Entwurf bei Philipp M i l l e r 1750 wendet zwar antike Formen an, eine tuskische Pfeilerordnung und ein sehr flaches Giebeldreieck; in der Gesamthaltung ist aber das Gebäude noch durchaus barock. Ganz klassizistisch ist aber schon ein Entwurf aus Millers Dictionnary von 1759. Hier tritt an die Stelle der barocken Zusammenballung schon die Vereinzelung und die Reihung der Baukörper. Immer noch überwiegt aber der Mittelbau die Seitenflügel bei weitem. Die Betonung der Baukörper löste B r a d l e y 1750 ganz anders bei einem Entwurf, der viele Nachfolger haben sollte und der eine Verwandtschaft mit dem Entwurf für das kleine Glashaus des Belvedere zu Wien nicht verleugnen kann. Das Gewächshaus, für farnartige Pflanzen bestimmt, liegt zwischen zwei kleinen fast quadratischen Eckbauten, die schon sehr flächenhaft und kubisch wirken. Die Härte ihrer Erscheinung wird von jonischen Eckpilastern mit einer aufgesetzten Balustrade gemildert. Noch kantiger und noch flächiger gestaltet T. L i g h t o l e r (1762) die Eckbauten an einem ähnlichen Warmhaus (Abb. 72). Keine Eckpilaster verunklären die harten Kanten. Fenster und Türen sind scharf aus den Mauerflächen herausgeschnitten. In den Baugliedern überwiegt das waagrechte Gesims; eine bekrönende Balustrade wäre hier ganz undenkbar, 94
7/. Die Gewächshäuser des Botanischen Gartens in München. Aus Sckell, 181S sehr flache Giebel schließen die beiden Eckbauten nach oben ab. Das zwischen sie eingebaute Glashaus hat durchaus die übliche Pultform. Ganz ähnlich gestaltet Lightoler auch einen Fire-wall, einen geschützten und von unten geheizten, jedoch nicht verglasten Bau zum Treiben von Obst. Nach diesen englischen Vorbildern erbaute Ludwig Sckell 1807 das erste (östliche) Gewächshaus von N y m p h e n b u r g 1 1 8 . Der sehr lange schlichte Glaseisenbau war für Pflanzen aus Japan, China, Holländisch-Indien, Australien, Ostindien, Südamerika und dem Innern von Afrika bestimmt. Der eigentliche Pflanzenraum war mit einem flachen Glasdach überdeckt, sein einziger Schmuck ist ein gußeiserner Ornamentfries an der Traufe. Die flächigen giebelbekrönten Eckpavillons enthalten das Kabinett des Königs auf der einen und den Raum für den Gärtner auf der anderen Seite. Das westlich anschließende zweite Gewächshaus erbaute Sckell 1816 (Abb. 73). Hier ordnete er nun den Pavillon in der Mitte an und gestaltete ihn wieder sehr schlicht „und edel. Die beiden Seitenflügel mit den Pflanzenräumen sind mit einer senkrechten Fensterwand einseitig von Süden her beleuchtet. Die Decke ist innen viertelkreisförmig gewölbt; Sckell glaubte, daß er so den Pflanzen ein gleichmäßigeres Licht zuführen könne, als wenn er eine gerade Decke anbringe. Schließlich wurde westlich an dieses Treibhaus anschließend 1820 noch das Palmenhaus gebaut. Es geht in seiner Gestalt mit der hohen verglasten Südwand auf eine Form zurück, die in Deutschland hier und da anzutreffen ist, die wir, wenn auch stärker gegliedert, schon an dem Glashaus des Belvedere zu Wien getroffen haben. Daß Sckell, der ja aus badischem Dienst nach München kam, einen ähnlichen Entwurf von J . P. E. Rohrer aus dem Jahre 1744—45 1 1 9 für ein Glashaus in Rastatt gekannt und als Vorbild verwendet hat, ist nicht ganz unmöglich (Abb. 74). Das Nymphenburger Palmenhaus ist ein schlichtes, hohes, rechteckiges Gebäude mit einer sehr vornehmen Fensteraufteilung an der ganz gelösten Süd95
y 6. Der Wintergarten im Park von Mousseau. Ansicht, Grundriß und Schnitt durch die Grotte. Aus Jardins Anglo-Chinois, iyyo—88
wand und mit den gleichen zartgebildeten Gesimsen und Einzelheiten, welche auch die übrigen Gewächshausbauten
Sckells auszeichnen. In dieses
Haus
wurde 1830 die erste Warmwasserheizung in Deutschland eingebaut 1 2 0 . Diese drei Bauten stehen alle in einer Flucht, vor ihnen erstreckt sich ein regelmäßig aufgeteilter Blumengarten, der durch ein Gebüsch von dem Nymphenburger Landschaftspark abgetrennt ist. Zu einer solchen Anlage bemerkt Sckell selbst 1 2 1 : „Ähnliche Gärten nehmen auch (aber nahe am Landhause) eigentliche Blumenund selbst botanische Gärten mit ihren zierlichen Gewächs- und Orangeriehäusern auf. Da aber die Natur keine Blumen- noch botanische Gärten pflanzt, so können diese auch nicht ihrer künstlichen Formen wegen mit ihr, nämlich mit den Naturgärten in Verbindung treten. Solche regelmäßige Anlagen müssen daher für sich bestehen; man muß ihnen unerwartet begegnen und durch sie überrascht werden; daher muß sie ein Gebüsch verstecken." Wie selten sonst stimmt bei Ludwig von Sckell das, was er in Wirklichkeit ausführte, mit dem überein, was er in seinen Schriften forderte. E r war ganz und gar ein Mann der Wirklichkeit, seine Schriften atmen den Geist einer wahrhaft versöhnenden Großzügigkeit und machen uns diesen großen Künstler auch als Menschen so verehrungswürdig. Bei der Besprechung des 1 8 1 4 von ihm erbauten Gewächshauses im Botanischen Garten zu München legt er seine Grundsätze für den Bau von solchen Anlagen dar (Abb. 75) 1 2 2 . „Ich habe auch dem Gewächshaus einen architektonischen Werth (weil dieses 96
bei Gebäuden derart so selten der Fall ist) dadurch zu geben getrachtet, daß ich die beiden Endportale oder Eingänge mit der dorischen Ordnung nach den reinsten Verhältnissen und Regeln der Baukunst geziert und mit Frontons versehen habe. Auch wurde die vordere Glaswand nicht inkliniert, sondern senkrecht aufgestellt. Diese Konstruktion ist für Gewächshäuser nicht allein weit schöner und dauerhafter, sondern auch den Pflanzen (wenigstens nach meiner Erfahrung) weit zuträglicher . . . " E r hatte nämlich gefunden, daß die Pflanzen in Häusern mit schräggeneigten Fenstern zu schnell wuchsen, was ihnen natürlich schadete. Eine elliptisch geformte Decke sollte das einfallende Licht möglichst gleichmäßig verteilen und verhindern, daß die Pflanzen schief gegen das Fenster zu wuchsen. Sckell verwendete hier nur Ofenheizung, er fand, daß man die Kanalheizung bei der großen Ausdehnung der Häuser zu stark heizen mußte und daß sie deshalb rußte. Die ganze Anlage war sehr groß, die Südfront war 462 Fuß lang. Sie war in sechs Gewächshäuser unterteilt, von denen die beiden mittleren etwas über die seitlichen herausragten. In den gemauerten Eckbauten waren Lehrsäle untergebracht, an die sich gegen Norden die Wohnungen für Gärtner und Professor anschlössen. Dieses sehr klare und ausgewogene Bauwerk mußte dem Bau des Glaspalastes weichen.
DAS GROSSE
PALMENHAUS
Diese neue Bauform entsteht im Zusammenhang mit mehreren neuen Erscheinungen in der Gartenbaukunst. Da ist zunächst die Vorliebe für tropische Exotik, deren Sinnbild die Palme war, das ganz außerordentlich gesteigerte botanische Interesse und das Auftreten des großräumigen Landschaftsgartens. Neue Konstruktionen ermöglichen auch die Übertragung der Großräumigkeit auf die Pflanzenhäuser. Die Palme war die Pflanze der Südsee, der schon im 18. Jahrhundert die Liebe der europamüden französischen Gesellschaft galt. „O-Taiti" war das Land der paradiesischen Unschuld. „ J e t'en prends témoin, jeune Potaveri 1 2 3 , Des champs d'O-Taiti, si cher à son enfance, Ou l'amour sans pudeur, n'est pas sans innocence, Ce sauvage ingénu, dans nos murs transporté Regrettoit en son coeur sa douce liberté. Et son île riante, et ses plaisirs faciles. Ebloui, mais lassé de l'éclat de nos villes, Souvant il s'écrioit: Rendez moi mes forêts!" 1 2 4 Diese Verse sind bezeichnend für die Haltung, die man damals in der Gartenkunst einnahm, ein großer Abscheu vor dem Treiben der Weltstadt hatte die Gesellschaft erfaßt, und nun will sie sich von dem Stadtleben in ihren Gärten in unschuldsvoller Ländlichkeit erholen. Dieses Bedürfnis schafft den Land97
bei Gebäuden derart so selten der Fall ist) dadurch zu geben getrachtet, daß ich die beiden Endportale oder Eingänge mit der dorischen Ordnung nach den reinsten Verhältnissen und Regeln der Baukunst geziert und mit Frontons versehen habe. Auch wurde die vordere Glaswand nicht inkliniert, sondern senkrecht aufgestellt. Diese Konstruktion ist für Gewächshäuser nicht allein weit schöner und dauerhafter, sondern auch den Pflanzen (wenigstens nach meiner Erfahrung) weit zuträglicher . . . " E r hatte nämlich gefunden, daß die Pflanzen in Häusern mit schräggeneigten Fenstern zu schnell wuchsen, was ihnen natürlich schadete. Eine elliptisch geformte Decke sollte das einfallende Licht möglichst gleichmäßig verteilen und verhindern, daß die Pflanzen schief gegen das Fenster zu wuchsen. Sckell verwendete hier nur Ofenheizung, er fand, daß man die Kanalheizung bei der großen Ausdehnung der Häuser zu stark heizen mußte und daß sie deshalb rußte. Die ganze Anlage war sehr groß, die Südfront war 462 Fuß lang. Sie war in sechs Gewächshäuser unterteilt, von denen die beiden mittleren etwas über die seitlichen herausragten. In den gemauerten Eckbauten waren Lehrsäle untergebracht, an die sich gegen Norden die Wohnungen für Gärtner und Professor anschlössen. Dieses sehr klare und ausgewogene Bauwerk mußte dem Bau des Glaspalastes weichen.
DAS GROSSE
PALMENHAUS
Diese neue Bauform entsteht im Zusammenhang mit mehreren neuen Erscheinungen in der Gartenbaukunst. Da ist zunächst die Vorliebe für tropische Exotik, deren Sinnbild die Palme war, das ganz außerordentlich gesteigerte botanische Interesse und das Auftreten des großräumigen Landschaftsgartens. Neue Konstruktionen ermöglichen auch die Übertragung der Großräumigkeit auf die Pflanzenhäuser. Die Palme war die Pflanze der Südsee, der schon im 18. Jahrhundert die Liebe der europamüden französischen Gesellschaft galt. „O-Taiti" war das Land der paradiesischen Unschuld. „ J e t'en prends témoin, jeune Potaveri 1 2 3 , Des champs d'O-Taiti, si cher à son enfance, Ou l'amour sans pudeur, n'est pas sans innocence, Ce sauvage ingénu, dans nos murs transporté Regrettoit en son coeur sa douce liberté. Et son île riante, et ses plaisirs faciles. Ebloui, mais lassé de l'éclat de nos villes, Souvant il s'écrioit: Rendez moi mes forêts!" 1 2 4 Diese Verse sind bezeichnend für die Haltung, die man damals in der Gartenkunst einnahm, ein großer Abscheu vor dem Treiben der Weltstadt hatte die Gesellschaft erfaßt, und nun will sie sich von dem Stadtleben in ihren Gärten in unschuldsvoller Ländlichkeit erholen. Dieses Bedürfnis schafft den Land97
JJ. Entwurf von Galilei
einem Gewächshaus. Aus Bradley,
lyjo
schaftsgarten 1 2 5 . Ähnlich wie im Garten selbst ist auch die Wandlung im Wintergarten. Es genügt nun nicht mehr, daß hier immergrüne und seltene südliche Pflanzen stehen, der Wintergarten soll nun auch eine Landschaft, und zwar eine tropische und geheimnisvolle, darstellen; auch im Pflanzenhaus hält nun der Schlängelweg seinen Einzug. Ein frühes und bezeichnendes Beispiel hierfür ist der Wintergarten des Duc de Chartres zu Mousseau (Abb. 76). Das langgestreckte und hochgewölbte Glashaus wird hier von einer Gartenanlage eingenommen, welche die Büsche und Bäume in Gruppen zusammenfaßt und sie den Wänden entlang anordnet, so daß in der Mitte ein breiter krummer Weg entsteht. Um die Vortäuschung einer Landschaft zu vervollständigen, ist die Decke mit einem Wolkenhimmel bemalt. An dieses Glashaus schließen sich auf der Rückseite unterirdische Grottenräume an, in denen sich ein Speisesaal befindet. Über dem Speisesaal liegt der Raum für die Musikkapelle, der durch Schallgänge mit ihm verbunden ist. Ähnlich wie diesen Wintergarten müssen wir uns auch das Innere der Treibhäuser von Monceaux vorstellen. Wie im Garten allgemein, so ist auch im Wintergarten im besonderen diese Bewegung begleitet von einer Steigerung der Dimension, die gerade hier schon von lange her vorbereitet war. Die Einführung des Eisens als Baustoff, die Vervollkommnung des Glases und vor allem die Einführung der Rohrheizungen machten eine Steigerung der Abmessungen möglich, wie man sie noch um 1750 für unmöglich gehalten hätte. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts scheinen nun alle Schranken gefallen zu sein. Für diese Zeit ist ein Werk außerordentlich aufschlußreich: die 1818 entstandene und 1823 ins Deutsche übersetzte „ E n z y klopädie des Gartenwesens" von John Claudius L o u d o n . Eine sehr weitgehende historische Behandlung führt uns in das Gartenwesen ein, dazu kennt Loudon die meisten europäischen Länder aus eigener Anschauung und be98
richtet über ihre Gärten. Damit verqindet er eine außerordentlich gute Kenntnis der Gartenliteratur, die in einer ausführlichen Bibliographie ihren Niederschlag findet. Für uns ist er besonders deshalb wichtig, weil er sehr eingehend den Bau der Warmhäuser behandelt und dabei die ganzen Gedanken vorwegnimmt, die später Josef Paxton bei seinen vielbewunderten Großbauten verwirklichen konnte. E r schlägt sogar vor, ganze Landstriche unter Glas zu setzen, sie künstlich zu heizen und auch künstlich zu berieseln: „ E s läßt sich kaum eine Grenze bezeichnen für die Anwendung dieser Art leichter Dächer. Mehrere Äcker, selbst ein ganzer Landsitz von mäßigem Umfang
jS. Entwurf
einem Nutzgarten
kann auf diese Art überdeckt werAus London, 1823 den, wenn man hohle von Eisen gegossene Säulen zu Stützen braucht. Sie können zugleich auch dazu benutzt werden, das Wasser abzuleiten, welches auf das Dach fällt. Einen Regenschauer im Hause kann man auf Loddiges Manier hervorbringen oder man legt ein polyprosopisches Dach an, das man willkürlich öffnen und dadurch dem Regen den Zutritt verstatten kann. Irgendeine erforderliche Temperatur kann man durch verborgene Dampfröhren unterhalten und durch den Apparat des Herrn Kewley regulieren. Auch das Lüften kann durch dieselbe Maschine bewirkt werden. Ein solches Dach baut man entweder aus flachen, rückenähnlichen Erhöhungen, die von Norden nach Süden laufen, oder aus achteckigen oder sechseckigen Kegeln mit einem unterstützenden Stab für jeden Winkel, der 100 oder 150 Fuß vom Boden aufsteigt. Unter einem solchen Dach können die höchsten orientalischen Bäume gezogen und ein Flug passender Vögel auf ihren Ästen gehalten werden. Man kann so eine Menge orientalischer Vögel und Affen, auch andere Tiere im Hause haben: man kann ferner Süßwasserteiche und salzige Seen anlegen und durch Maschinerie mit Wasser versorgen, und darin Fische und Polypen und andere Erzeugnisse des süßen Wassers oder des Meerwassers unterhalten." Z u r Zeit Loudons war in England der Bau von Gewächshäusern eine vielbesprochene und vielumstrittene Angelegenheit. V o r allem befaßten sich hier die verschiedenen Gartenbaugesellschaften mit diesem Problem. Loudon faßte in seiner 99
7i>. Landhaus mit angebautem Wintergarten. Aus Loudon,
1823
Enzyklopädie die auseinandergehenden Ansichten seiner Zeitgenossen zusammen. Damals
hatte der Vorschlag
von
Sir Mackenzie
zu einer neuen Bauform
allgemeines Aufsehen erregt. Mackenzie betrachtete die F o r m einer Halbkugel als die günstigste für ein Glashaus.
Der Gedanke einer verglasten
Kuppel
war an sich nicht neu. B r a d l e y hatte schon 1750 eine Orangerie nach dem Entwurf des Florentiner Architekten Alessandro Galilei abgebildet (Abb. 77), bei dem die Kuppel des Mittelbaues auf der einen Seite vollkommen verglast war. Jetzt wollte man jedoch dazu übergehen, die ganzen Häuser in der F o r m einer gläsernen Halbkugel zu errichten. Mackenzie hatte mit seinen
Vorschlägen
nicht sehr viel E r f o l g , er erreichte aber immerhin, daß man nun die Dächer der Glashäuser kreisförmig gestaltete und sie an den Ecken abrundete. Loudon war der erste, der solche Treibhäuser der krummlinigen Art 1 8 1 8 in water
Bays-
vollendete. L o u d o n war es auch, der eine eigene Fenstersprosse aus
Schweißeisen f ü r den Treibhausbau erfand. Schon damals war die Verwendung des Eisens im Glashausbau sehr umstritten, die starke Ausdehnung und Wärmeleitfähigkeit und die Rostgefahr wurden hauptsächlich gegen den neuen Werkstoff ins Feld geführt. L o u d o n befürwortet unbedingt die Verwendung
des
Eisens und entwirft nun in dem neuen Stoff eine ganze Anzahl v o n Warmhäusern. E r geht dabei v o n kugelförmigen Grundformen aus und lehnt gläserne Halbkugeln in ganzen Reihen an gemauerte Schutzwände an. Dazu bemerkt er: „ O b w o h l es an der Tagesordnung ist, die Wellenlinie als die Linie der Schönheit lächerlich zu machen, so wird doch jeder eingestehen, daß eine Reihe von Warmhäusern von einigen oder allen den verschiedenen Arten krummliniger Flächen einen besseren Anblick gewähren als die gewöhnlichen Bedachungen oder Lehnen an Warmhäusern in den Küchengärten." Aufschlußreich ist es, wie sich L o u d o n einen Nutzgarten mit Warmhäusern vorstellt 100
I * " " * )
So. Das Palmenhaus
Cbatsworth. Grundriß mit eingezeichneter Warmwasserheizung. Aus Neumann, iSj2
(Abb. 78). Der rechteckige Garten ist auf drei Seiten von einer Mauer umgeben, nur die ausgebauchte Südseite wird von einem Gitter abgeschlossen. Das Innere wird von vier Mauern in Ost-Westrichtung durchzogen, an der nördlichsten, dem Hause am nächsten liegenden, ist Spalierobst gepflanzt, an den nächsten drei Mauern stehen Warmhäuser der krummlinigen Art. In der Mitte durchläuft den Garten in nordsüdlicher Richtung ein langes Glashaus mit dem Querschnitt einer Halbtonne 12S , es endet im Süden in einem großen runden Pflanzenhaus. Daneben bildet Loudon auch Nutzgärten auf fünfeckigen runden und auch ganz frei begrenzten Grundstücken ab. Er beschränkt nun die Verwendung solcher Glashallen durchaus nicht nur auf Nutzgärten, sie erscheinen auch in einer ganzen Reihe von Entwürfen für Schlösser und Erziehungsanstalten als angebaute Wintergärten (Abb. 79). Dabei taucht auch eine Form auf, die später Paxton aufnimmt, ein Gewächshaus mit basilikalem Querschnitt, mit einer weitgespannten Mitteltonne, die seitlich von zwei Halbtonnen gestützt wird, ein durchaus gotischer Konstruktionsgedanke. Paxton wendete ihn an bei dem Bau seines berühmten Palmenhauses in Chatsworth, das er 1837—41 für den Herzog von Devonshire erbaute (Abb. 80). Joseph Paxton war, wie Loudon, nicht Architekt, sondern Gärtner, das war damals beim Bau eines Glashauses kein Nachteil, sondern eher ein Vorteil; so äußert sich wenigstens Loudon. Offenbar war die Stellung des Architekten beim Glashausbau schon früher umstritten. Das würde es erklären, warum Blondel 1 2 7 mit so großem Nachdruck darauf besteht, daß der Bau von Warmhäusern Sache des Architekten sein müsse. Loudon meint nun im Gegensatz dazu, daß ein Hauptgrund 101
sqnaaC^L
jfUti, ¡wt.
(f/. Die Gewächshäuser -u Birmingham (Fig. j8- 80) und Aus Neumann, 18; 2
102
Lagrange (Fig. 81,
82).
82. Entwurf 5>ii einem runden Gewächshaus von van der Straaten und ein rundes Haus der „krummlinigen Art".
Aus Neumann,
iSj2
103
f ü r die Verbesserung der Glashäuser die Tatsache sei, daß man die Architekten beim E n t w u r f ausgeschaltet habe. „ D e n n ihnen sind die Gebäude, die f ü r Pflanzen dienen, nur insofern schöne, als sie architektonische F o r m e n und undurchsichtige Materialien zeigen. Wir wiederholen nochmals", so fährt er fort, „daß Brauchbarkeit bei nützlichen Vorrichtungen die einzige Basis der Schönheit i s t . " In Chatsworth sah sich J o s e p h Paxton einer bisher unerhörten A u f g a b e gegenüber. E r hatte
ein
gläsernes Zelt
zu errichten, das eine Bodenfläche v o n
36 000 Quadratfuß einnahm, 279 Fuß lang und 135 breit war. Als Querschnitt wählte er f ü r den Bau eine 60 Fuß hohe und 66 Fuß breite Mitteltonne, die seitlich v o n gläsernen Halbtonnen abgestützt wird und auf gußeisernen Stützen steht. Außer diesen gußeisernen Stützen im Innern des Hauses und dem Mauersockel verwendete Paxton als Baustoffe nur Glas und H o l z 1 2 8 . Die gefalteten Glasflächen — auch diese Faltung ist ein Gedanke Loudons — sind an den beiden Schmalseiten abgewalmt. Das Innere sollte wieder eine exotische Landschaft darstellen. A n dem mächtigen Bau waren nach Neumann in den Jahren 1 8 3 7 — 4 1 durchgehend 500 Arbeiter beschäftigt. N u r wenige Jahre nach der Entstehung des Palmenhauses von Chatsworth erbaute Burton 1844—48 in K e w
ein ganz ähnliches Haus, welches jedoch
wesentlich kleiner ist, 95 Fuß lang, 96 breit und 48 h o c h 1 2 9 . A u c h hier möchte ich annehmen, daß der Bau in seinem ursprünglichen Zustand nicht aus Eisen und Glas, sondern aus Holz und Glas war. E i n e sehr reizvolle Anlage war das große Glashaus im Botanischen Garten v o n B i r m i n g h a m
(Abb. 8 1 , F i g . 78
bis 80). E s war eine ringförmige gläserne Halbtonne; in dem unbedeckten Mittelhof, den es umschloß, stand ein turmartiges Gebäude, welches die Glashäuser überragte und das Heizwerk enthielt. Wider Erwarten müssen wir feststellen, daß diese in E n g l a n d entwickelten Bauformen wenig Einfluß auf die festländischen Glashäuser hatten. Neumann bildet zwar einige Häuser ab, die diesen F o r m e n noch verwandt sind, v o r allem ein rundes Glashaus mit basilikalem Querschnitt und einer sehr geschmeidigen Umrißlinie, aber im großen und ganzen wollte man v o n der gekurvten Linie „als der Linie der Schönheit" nicht sehr viel wissen. Einige Treibhäuser im Jardin des plantes zu P a r i s 1 3 0 und in Deutschland das Glashaus v o n G l i e n i c k e 1 3 1 hatten zwar gewölbte Glasdächer, im allgemeinen blieb man jedoch bei den alten
geraden Dächern.
Nur
die R u n d f o r m
der Wintergärten
wird über-
nommen, und hier wäre zuerst ein Glashaus zu nennen, das van der Straaten in Brüssel ganz aus Glas und Eisen entworfen hatte (Abb. 82). Das v o n dem gleichen Architekten erbaute Pflanzenhaus im Botanischen Garten zu L e y d e n ist ein gemauertes Orangeriehaus, an das sich zwei Warmhäuser v o n halbkreisförmigem Grundriß anlehnen. D i e Gewächshäuser im Botanischen Garten zu B r ü s s e l zeigen den A u f w a n d , mit welchem sich eine Gartenbau Vereinigung, hier die Königliche Gartenbaugesellschaft zu Brüssel, im beginnenden 19. Jahrhundert ihren Garten einrichtete (Abb. 83). Die Anlage wurde 1 8 2 6 — 3 0 in 104
nf.iv
8ß. Die Gewächshäuser im Hotattischen Garten
Brüssel. Aus Neumann, I8J 2
regelmäßigen Formen geschaffen, die Gewächshäuser erbaute P. F. Suys. Der Bau schließt sich in der Massenverteilung eng an barocke Orangeriegebäude an. Ganz ähnlich ist das Verhältnis zwischen den architektonisch betonten Teilen und den flächigen Zwischenbauten bei dem älteren, 1822—1824 von Hofbaurat Chevalier de Remy erbauten Wintergarten an der H o f b u r g zu W i e n (Abb. 84). Der Bau besaß eine Gesamtlänge von 406 Fuß, davon fielen auf den Mittelbau 78 Fuß und auf die Kopf bauten je 30 Fuß, die äußere Höhe betrug 42 Fuß 1 3 2 . Hier waren die Kopfbauten ganz massiv und flächig gestaltet, der Mittelbau war durch eine korinthische Ordnung ausgezeichnet, aber auch zwischen den Säulen vollkommen verglast. Die Seitenflügel waren Glashäuser mit schrägen Fenstern und Sonnenfang. In ihnen waren zunächst die Pflanzen auf Gestellen angeordnet worden, im Jahre 1847 wurden jedoch hier gartenähnliche Anlagen geschaffen. In den sehr feinen Mittelsaal wollen sich allerdings diese Buschgruppen nicht recht einfügen (Abb. 85), dagegen müssen die beiden Seitenflügel mit ihren großen tropischen Pflanzenbeständen recht gut den Eindruck von tropischen Landschaften hervorgerufen haben. Die Darstellungen Antoines sind für die damalige Betrachtungsweise sehr aufschlußreich; sie lassen nämlich bis auf eine Ausnahme alles weg, was an die Wände oder Decken des Gebäudes 105
S4. Der Wintergarten an der Hofburgen
Wien. Aus Antoine,
18¡2
erinnern könnte, so daß der Eindruck der freien Landschaft hervorgerufen wird. D e m gleichen Zweck dient ein utopischer Vorschlag v o n W . N e u m a n n . E r spricht dabei deutlich die Absichten seiner Zeit beim Bau v o n Gewächshäusern aus: „. . . D a s Schöne der Kunst, der T r i u m p h des Geschmacks gebieten das Erstreben und H e r v o r b r i n g e n wahrhaft malerischer W i r k u n g e n . . . Welches Ziel soll der E r b a u e r eines Glashauses vor Augen haben, w o es sich u m Aufstellung tropischer Pflanzen handelt? Kein anderes als die N a c h a h m u n g der reichen U n o r d n u n g eines Urwaldes, indem er mit lebendigem Kunstsinn alle auffallenden Spuren der Künstlichkeit verwischt und vorzüglich den materiellen Beweis, daß man unter einem Glasdach wandelt, zu bemänteln, u n b e m e r k b a r zu machen sucht. In der Tat, w a r u m sollte man nicht das geometrische N e t z oder Gitterwerk der Fenster und Scheibeneinfassungen durch eine möglichst getreue N a c h a h m u n g der F o r m e n der Baumästelung und Verzweigung ersetzen und durch die ungleichen Massen derselben das Licht gerade so einfallen lassen wie d u r c h den D o m eines natürlichen Waldes? Launenvolle Lianen zwischen diese künstlichen Äste u n d Zweige eingeflochten, werden die malerische T ä u s c h u n g noch vollkommener machen, hier das nackte Gerippe v o n Metall unter ihrem L a u b w e r k verstecken, dort an die schwanken Zweige großer Bäume sich anhängend anmuthige Guirlanden bilden. . . . Inmitten 106
8j. Der Mittelsaal des Wintergartens an der Hofburg ^u Wien. Aus Antoine,
i8;2
einer sorgsam gewählten Lichtung müßte sich ein Bächlein schlängeln, bevölkert mit tropischen Fischen, bald rauschend zwischen Felswerk sich durchdrängend, bald sanft und still in ein breites, von Sand und Kieseln umgebenes Becken sich ausdehnend. . . . Zur Vollendung des Lebens der Scene würde noch ein Zug fehlen: das Vorhandensein der tropischen Schmetterlinge. Man schreit vielleicht voll zweifelnder Bewunderung gegen diesen Gedanken auf, allein wir scheuen uns nicht, die Ansicht auszusprechen, daß die Einführung dieser glänzenden Lepidopteren wohl nicht sehr leicht, doch immerhin möglich sein würde. . . An einem solchen Glashaus würde das Innere alles sein, das Äußere durchaus keine Ansprüche m a c h e n " 1 3 3 (Abb. 86). Daß selbst verständige und weitgereiste Männer diese Ansichten teilten, zeigt die Aussage Humboldts, der sich in dem Palmenhaus auf der Pfaueninsel bei Potsdam in die Urwälder des Orinoko zurückversetzt fühlte 1 3 4 , — falls diese Äußerung nicht überhaupt als höfische Schmeichelei aufzufassen ist. Uns will es jedenfalls schwerfallen, an eine solche täuschende Ähnlichkeit zu glauben. W i r müssen jedoch zugeben, daß der Wunsch, getäuscht zu werden, in solchen Dingen oft wichtiger ist als der wirkliche Eindruck. Gerade an dem Palmenhaus auf der P f a u e n i n s e l würden uns die vielen indischen Architekturteile im Innern wahrscheinlich ziemlich stören. Als Schinkel gemeinsam mit seinem Schüler 107
86. Entwurf u einem Wintergarten mit Eisenkonstruktion in Gestalt von Räumen. Aus Keitmann, iSj2 Schadow d. J . diesen Bau entwarf, hatte er ja die Einzelheiten einer angeblich echten bengalischen Pagode mitzuverwenden. Diese Pagode bestimmte wohl auch die Form des hochgezogenen Mittelbaues, den eine stattliche gläserne Zwiebelhaube bekrönte. Die Haube gab dem sonst sehr herben und streng aufgeteilten Glashaus doch noch einen heiteren und festlichen Ausdruck. In der Fassade ist eine antike Ordnung frei verwendet, die Stützen sind natürlich sehr dünn und schlank, sie werden von Kapitellen bekrönt, über ihnen liegt ein hölzerner Architrav, der nun folgende Friesstreifen ist wieder ganz verglast, darüber schließt ein Hauptgesims mit einem Eisengitter die Fassade nach oben ab. Das ganze Gebäude war bis auf die rückwärtigen gemauerten Teile ganz aus Holz und Glas gebaut und muß einen wunderbar lichten und gelösten Anblick geboten haben. Die Abmessungen waren: 1 1 0 Fuß lang, 42 Fuß hoch und 42 Fuß breit. Es wurde 1830—31 von dem jüngeren Schadow ausgeführt und brannte 1880 ab, die Pläne Schadows sind uns jedoch noch erhalten. Dieses Gebäude hatte ohne Zweifel großen Einfluß auf das Palmenhaus, das G . L . F. Laves 1846—49 im Berggarten zu H e r r e n h a u s e n errichtete 135 . Die Einteilung der Glaswand ist hier von Potsdam fast wörtlich übernommen. Eine gemeinsame Quelle für diese Umformungen der antiken Ordnungen in ein fast linear wirkendes Gerüst von Stützen war wohl, wie auch Ebel andeutet, das Palmenhaus der W i l h e l m s h ö h e bei Kassel, das 1822 der Hofbaumeister Bromeis unter Kurfürst Wilhelm II. begonnen hat und dessen Mittelbau 1887 leider eingerissen und in nicht sehr günstiger Form wiederaufgebaut wurde. Es besitzt fünf Abteilungen, von denen die mittlere und die äußeren die anderen 108
überragen (Abb. 87) 1 3 6 . Schinkel ging in der Kühnheit des Baugedankens weit über dieses Palmenhaus hinaus, gegen sein Potsdamer Palmenhaus ist sogar der 15 Jahre jüngere Entwurf von Laves zurückhaltend, ja fast rückständig. Der Kern dieser Anlage ist ein runder Mittelbau, den der reckteckige Pflanzensaal durchstößt. Hinter diese Räume legt sich ein zweistöckiger gemauerter Trakt, der Räume für die Gesellschaft und für die Bewirtschaftung der Pflanzenräume enthält. Bei den Fensterwänden tritt eine merkwürdige Mischung der Baustoffe auf. Laves legte vor seine rechteckigen Holzstützen halbrunde eiserne Säulen. Hierin kündet sich an, daß der Baustoff Eisen sich nun endgültig durchsetzen will. Als dieses Palmenhaus 1879 abbrannte, da erbaute Auhagen eines der ersten ganz großen Palmenhäuser aus Glas und Eisen an seiner Stelle. Das Palmenhaus von Laves können wir als einen der letzten großen Glas-Holzbauten betrachten. Mit ihm haben wir den Schlußpunkt einer Entwicklung erreicht, die sich über zweieinhalb Jahrhunderte hinzieht. Diese Entwicklung hat die Grundlage für die Bauten des späteren 19. Jahrhunderts geschaffen. Die großen Glashäuser werden nun schnell technisch vollkommen, es fehlt ihnen aber zunächst eine wirkliche Sinngebung über das rein Sachliche hinaus. Allerdings müssen wir zugeben, daß diese Zeit, die der unseren so nahe liegt, sich vorläufig unserer geschichtlichen Stellungnahme entzieht. Einen Hinweis, in welcher Richtung sich vielleicht der Gewächshausbau über den Nutzen der Wissenschaft und Wirtschaft hinaus entwickeln wird, gibt die Anlage des Botanischen Gartens zu K a r l s r u h e . In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts beschränkte sich das fürstliche Bauen in Karlsruhe natürlich auf das Schloß und seine nächste Umgebung. Der Lustgarten nahm die weite Fläche ein, die sich in einem Viertelkreissegment vor dem Schloß ausbreitet. Sie wurde gerahmt von den Marstallbauten auf der einen und den Orangeriehäusern auf der anderen Seite. Der Garten selbst war rechtwinklig unterteilt und nahm außer Menagerien und Vogelhäusern auch zwei, später sogar drei Glashäuser. auf. Die Südseite des Gartens wurde vom Zirkel mit seinen zweistöckigen Baublöcken begrenzt, unter denen einer wieder eine Orangerie enthielt. An Pflanzenhäusern war also kein Mangel, und wir erinnern uns hier, daß am Baden-Durlachischen Hof schon früh die Orangenzucht heimisch war, und daß sich zu dieser Überlieferung noch die Eindrücke hinzufanden, die der Gründer der Stadt, Markgraf Karl Wilhelm, auf seinen Reisen von holländischer Gartenkunst empfangen hatte. Die ältesten Karlsruher Orangeriepläne stammen von dem Baumeister des Markgrafen Karl Wilhelm von Baden-Durlach, Friedrich von Batzendorf, sie stellen eine Orangerie, ein Glashaus und ein Aloehaus d a r 1 3 7 . Der Orangerieentwurf ist wohl für die Stelle bestimmt, an der die Orangeriehäuser heute noch stehen, also für die Westseite des Lustgartens. Ganz anders als diese wurde jedoch die Ausführung, die im Jahre 1723 beendet war. A n die Stelle des langen, nur im Innern unterteilten Baukörpers traten drei einzelne Gebäude, 109
8y. Das große Gewächshaus in Wilhelmshöhe bei Kassel die sehr einfach und großflächig sind. Das mittlere, das oft als Festsaal diente, wurde beim Bau des Theaters zu diesem gezogen und brannte mit ihm im Jahre 1847 ab. Der schönste Schmuck dieser fast gar nicht verzierten Bauten sind die hohen Jalousieläden, welche sich in ihrer Feingliedrigkeit wirkungsvoll von den glatten Putzflächen abheben (Abb. 88). Allerdings ist zweifelhaft, ob dieser glatte Verputz noch ursprünglich ist; auf einer älteren Zeichnung der Orangeriegebäude 1 3 8 ist die Fassade rustiziert, und die Fenster haben schmale Umrahmungen. Die heutige Gestalt geht vielleicht auf einen Umbau durch Wilhelm Jeremias Müller zurück. Ein Umbauprojekt Müllers für das mittlere Orangeriegebäude war weniger glücklich. Die etwas zopfige Fassadenlösung wurde dem einfachen alten Bau nicht gerecht, und wir brauchen nicht zu bedauern, daß die Ausführung unterblieb. Ganz anders verhält es sich mit Müllers großen Orangerieentwürfen für den späteren Botanischen Garten. Sie sind durchaus zu den bedeutendsten Werken dieses Baumeisters zu zählen, der zwar nicht zu den ganz Großen seiner Zeit gehörte, aber doch trotz einer gewissen formalen Abhängigkeit von de la Guepiere in seinen Bauten eine schlichte und eigenwillige Haltung erreichte, die der Größe nicht entbehrt. Von ihm sind auch Entwürfe zu einfachen G e wächshäusern erhalten (Abb. 89).
110
88. Alte Orangerie
Karlsruhe
Bereits im Jahre 1754 hatte man begonnen, den fürstlichen Lustgarten zu einem richtigen Platz umzugestalten und die Blumengärten allmählich vom Schloßplatz wegzulegen, sie fanden erst Jahrzehnte später endgültig ihren Platz auf dem Gelände nordwestlich der Orangeriehäuser und wurden so der Grundstock des Botanischen Gartens. 1790 erhielt Wilhelm Jeremias Müller von dem Markgrafen Karl Friedrich den Auftrag, für diese Stelle Pflanzenhäuser zu entwerfen. Die Entwürfe sind uns in drei Plänen des Generallandesarchives erhalten, welche zwei verschiedene Gebäude darstellen. Der reichere und wohl auch der ältere Entwurf setzt in die Mitte der Anlage einen Kuppelbau und schließt daran auf jeder Seite einen sehr langen einräumigen Orangeriebau an (Abb. 90). Die quergestellten Kopfbauten nehmen Wohnappartements auf. Gegen Norden ist dem Gebäude eine offene Säulenhalle tuskischer Ordnung vorgestellt. Der Entwurf betont schon leicht die einzelnen Bauteile, den Mittelbau, der sich mit seiner flachen Kuppel von den Seitenbauten absetzt, die Seitenflügel mit den für sich betonten zwei Rundbogenportalen und die beträchtlich nach Norden vorspringenden Kopfbauten, die mit schlichtem Lisenenwerk verziert sind. Der zweite, verkleinerte Entwurf verteilt die Baumassen anders (Abb. 91 u. 92). Zunächst ist die Säulenhalle weggefallen und die Kopfbauten sind kleiner geworden, sie enthalten nur noch drei Säle. An die Stelle der Mittelkuppel tritt nun ein rechteckiger, offenbar flach gedeckter Mittelsaal. in
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I»RÜIR ¿TTTTRÜI ^ o—Entwürfe 112
für eine Orangerie von W. J. Müller
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9 ^• Das Gewächshaus der Markgräfin Christiane-Louise
Karlsruhe. Aus Weinbrenner, 1822 113
Die Seitenflügel sind in zwei Abschnitte unterteilt, die einen Säle ordnen sich in Grundriß und Aufriß dem Mittelbau zu, während die äußeren Pflanzensäle wieder schmäler und außen als ganz untergeordnete Bauteile behandelt sind. Die Fassaden der Kopfbauten haben sich in ihrer äußeren Haltung gegen den ersten Entwurf wenig verändert. Mit seiner Mittelbetonung ist dieser Entwurf wesentlich barocker als der erste, trotzdem er in den Fassaden zurückhaltender und sparsamer ist. E i n eigenartiger Baugedanke ist der ganz geschlossene halbrunde Hof, der sich im Süden vor den Mittelsaal legt. Eine Säulenstellung umrahmt und fünf Fontänen kühlen und beleben ihn. E s ist gar kein Zweifel, daß der badische Markgraf nie an eine Ausführung dieser Entwürfe denken konnte, sie waren zu groß und in ihrer künstlerischen Haltung eben doch schon veraltet. Mehr Glück als Müller hatte sein Nachfolger Friedrich Weinbrenner, der im Jahre 1806 oder 1807 mit der Planung zu dem Botanischen Garten, wie nun die Anlage heißt, begann. E r legte in seinem ersten Entwurf (Abb. 93) an die Nordseite des Gartens nicht mehr einen langen zusammenhängenden Gebäudezug, sondern drei in sich geschlossene rechteckige Pflanzenhäuser mit abgewalmten Dächern. Wie Wilhelm Jeremias Müller legte er einen Kuppelbau in die Mitte seine Gebäudereihe. An der Gartenfläche selbst standen noch zwei Treibhäuser von der nun schon oft beschriebenen Form mit geknickten oder schrägen Fensterflächen und Sonnenfängen, welche Weinbrenner auch an anderen Orten anwandte (Abb. 94). Die Anlage des Botanischen Gartens wurde durch ein Gebäude mit dem Lehrsaal für botanische Vorlesungen ergänzt. So entstand damals schon auf den PlänenWeinbrenners ein Gebäudekomplex, der sich um einen Garten gruppierte und außer den Pflanzenhäusern für höfische und gärtnerische Zwecke ein Lehrgebäude, eine Gemäldesammlung und ein Theater umfaßte. Die Ausführung der Bauten im Botanischen Garten wurden jedoch viel einfacher als der erste Entwurf. Auf den Kuppelbau mußte Weinbrenner ganz verzichten, das westliche Orangeriegebäude, das schon früher stand, konnte er nur in geringem Maße umgestalten. A n dieses Haus schlössen sich nun gegen Osten die zwei neuen Glashäuser mit ihren ganz aus Glas und Holz konstruierten Südwänden an, die 1 8 1 9 und 1824 unter Hofbaumeister DyckerhofF erbaut wurden. Südlich vor dem alten Orangeriehaus wurden von Weinbrenner zwei Treibhäuser errichtet, welche im Innern jeweils in drei Abteilungen geteilt waren. Im wesentlichen entstand also damals ein Nutzgarten ohne künstlerische Zielsetzung, der aber in seiner straffen Anordnung der einfachen rechteckigen Gebäude doch nicht ohne künstlerischen Reiz gewesen sein muß (Abb. 95). Als diese Bauten im Jahre 1853 einer neuen Anlage weichen mußten, verfolgte der Erbauer der neuen Pflanzenhäuser, Heinrich Hübsch, andere Ziele als die Reihung oder organische Gliederung der Gebäude. E r äußert sich selbst über seine Grundsätze bei dem Entwurf mit folgenden W o r t e n 1 3 9 : „ I n Übereinstimmung mit seinem Zwecke, dem Pflanzenreich zu dienen, das uns hier 114