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German Pages 296 [297] Year 2023
Schriften zum Strafrecht Band 408
Opfer und Institution im Besonderen Teil des Strafrechts Grundlagenuntersuchungen zu Straftaten gegen Angehörige einzelner Berufsgruppen unter Berücksichtigung der §§ 114 und 188 StGB Von
Felix Lichtenhagen
Duncker & Humblot · Berlin
FELIX LICHTENHAGEN
Opfer und Institution im Besonderen Teil des Strafrechts
Schriften zum Strafrecht Band 408
Opfer und Institution im Besonderen Teil des Strafrechts Grundlagenuntersuchungen zu Straftaten gegen Angehörige einzelner Berufsgruppen unter Berücksichtigung der §§ 114 und 188 StGB
Von
Felix Lichtenhagen
Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahre 2022 als Dissertation angenommen.
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© 2023 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Klaus-Dieter Voigt Druck: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany
ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-18734-8 (Print) ISBN 978-3-428-58734-6 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Vorwort Neue Strafgesetze bieten regelmäßig Anlass zur wissenschaftlichen Kritik. Vornehmlich rechtspolitische Ansätze messen die Novellen dabei an den subjektiven Maßstäben des Kritikers und kommen davon ausgehend zu einem positiven oder negativen Urteil. Das ist nicht die Sache dieser Untersuchung. Stattdessen lautet das Anliegen, die dem Schutz einzelner Berufsangehöriger dienenden Strafrechtsreformen auf einen Begriff zu bringen. Konstruktive Kritik und Verbesserungsvorschläge für die Tätigkeit des Gesetzgebers bleiben somit aus. Die Untersuchung ist beschreibend; sie ist nur insofern wertend, als wissenschaftliche Begriffe auf ihre Tauglichkeit überprüft werden. Dieses Vorgehen macht Grundlagenarbeit erforderlich, die in einem ersten Abschnitt zu leisten versucht wird. Die vorliegende Abhandlung wurde im Sommersemester 2022 von der Rechtsund Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als Dissertation angenommen. Das Manuskript wurde im Frühjahr 2022 abgeschlossen. Für die Druckfassung konnten noch Umstellungen, Kürzungen und vereinzelte Nachträge vorgenommen werden. Mein herzlicher Dank gilt Herrn Professor Dr. Hans-Ullrich Paeffgen als Betreuer der Arbeit und Erstgutachter, Herrn Professor Dr. Dr. h.c. mult. Günther Jakobs als Zweitgutachter. Bonn, am Neujahrstag 2023
Felix Lichtenhagen
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Teil 1 Vorüberlegungen zum Straftatbegriff A. Was ist ein materieller Straftatbegriff und was leistet er? . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ein „wirklicher“ Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Strafrechtsbegrenzung als Vorgabe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Beschreibung und Normativität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. „Demokratizität“ als Fundamentaleinwand – Ist der Straftatbegriff rein formell? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Abwendung von einem materiellen Verbrechensbegriff . . . . . . . . . . . . . . II. Gesetz, Positivität, Geltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. „Idee der Freiheit“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Grenzen des Relativismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Demokratische Gesellschaftstheorie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zusatz: Zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – die Problematik der Verhältnismäßigkeitsprüfung im materiellen Strafrecht . . . . . . . . .
15 15 15 18 23 29 30 32 34 35 38 42
C. Rechtsgüterschutz als Ausgangspunkt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Was ist ein Rechtsgut? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Begriffe statt Worte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46 47 49
D. Grundlegung: Rechtsverhältnis und Rechtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Strafrecht als nachgelagerte Normenordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsverhältnisse: Apriorische Begründung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gegenübergestellt: Rechts-Wirklichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grund und Form der Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirklichkeit der Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Institutionelle Fixierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50 52 55 58 59 61 66
E. Das Unrecht der Rechtsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Personale und institutionelle Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ein Schaden und sein Ersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Abgleich mit anderen Erklärungen: „Unfair Advantage“ und „Mitwirkungspflicht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73 78 81 86
8
Inhaltsverzeichnis Teil 2 Institutionenschutz durch Opferschutz? – Zur Unrechtsdifferenzierung nach der beruflichen Position des Verletzten
91
A. Hinführung und Problemeingrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 B. Das Opfer der Straftat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zum normativen Individualismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Individuum und Rechtsperson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Substanz-ontologische Herleitung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Normative Konstruktion: Institution und „Zurechnungsendpunkt“ . . . . . . III. Personalität als Zumutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97 97 100 100 103 108
C. Vorüberlegung: Begründungswege der Opfereinbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . I. Normentheoretische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Staatlicher Imperativ und horizontale Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Strafbarkeitsstufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Qualifikationsnormen als Schadensbegrenzungsmaßnahmen? . . . . . . . . . . 4. Das Opfer im Qualifikationstatbestand: Symbolischer Überschuss . . . . . II. Der Staat als „Treuhänder“ der Opferinteressen? – Zum „second-person standpoint“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Expressive Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Strafe als Kommunikation? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Genugtuung und Normbestätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Präventiver Individualschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Exkurs: Der kriminalpolitische Straftatbegriff und das Problem von Schuld und Generalprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verbesserte Prävention durch Strafschärfung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Herstellung von Gleichheit im Strafrechtsschutz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kosten und Nutzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Verfassungsrechtlicher Straf(verfolgungs)anspruch des Opfers? . . . . . . . . . . . 1. Schutz der persönlichen Integrität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vergeltungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Institutionenvertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Opferschutz: Mittel statt Zweck! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
112 112 112 116 120 123
D. Opferorientierte Sanktionsnormen: Unrechtsbestimmung und Funktionenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Durchsicht des positiven Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schwere der Rechtsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Noch einmal: Anerkennung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stattdessen: Funktionaler Bezug auf Außer-Rechtliches . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vorüberlegung: Normativismus im Recht – Wie geht das? . . . . . . . . . . . . .
124 128 128 130 133 135 139 140 143 145 147 148 150 151 153 153 158 159 160 161
Inhaltsverzeichnis
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4. Übertragung auf opferorientierte Sanktionsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Folgerungen zum strafrechtlichen Institutionenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . III. Besonderer Normgeltungsschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Normative Bestätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Empirische Auswirkungen der Tat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Strafschärfende Berücksichtigung der Gesinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übergriff auf das „Forum Internum“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zweckbindung: Durchschlagen auf den Erfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Institutionenablehnung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
165 167 169 170 178 183 185 186 189
E. Der reformierte § 114 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Personaler Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Empirischer Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Normative Anliegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Institutionelle Funktionsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Tatsächliche Funktionalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Symbolstrafrecht, Autorität, „Respekt und Wertschätzung“ . . . . . . . . . . . III. Gleichheitswidrigkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Auswirkungen auf die Herleitung des „tätlichen Angriffs“ . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriffliche Historizität – Funktionale Irrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zum „Willen des Gesetzgebers“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Was bleibt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
192 194 194 198 202 202 203 205 207 208 210 211
F. Der Zweck des § 188 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ehre und Kommunikation, Individuum und Kollektiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Individualcharakter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Personale Gleichheit – Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Funktionsträger als Opfer? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Besonderes Schutzbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Außer-personale Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Institutionelle Schutzrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
212 214 214 216 218 219 219 221
Schluss: Zusammenfassung der Ergebnisse und Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . I. Opferschutz als Strafrechtszweck – eine schlechte Abstraktion . . . . . . . . . . . II. Berufsangehörige als Opfer? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ausblick: Ein Allgemeiner Teil des Besonderen Teils? . . . . . . . . . . . . . . . . . .
225 225 229 231
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295
Abkürzungsverzeichnis AcP Anm. AnwK AöR ARSP BayObLG BeckOK BGB BGBl. BGH BR-Drs. BT-Drs. BVerfG BVerfGE BVerfG-K f. ff. FG Fn. FS GA GG GS Hdb-StrR HK HK-GS h. M. HRRS Hrsg. JA JöR JR JRE JuS
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Abkürzungsverzeichnis JZ KGW KJ KriPoZ KritV LG LK L/R MDR MEW MK M/R NJW NK NStZ NVwZ OLG RG RGBl. RGSt RR RW S. Sch-Sch SK SSW StGB StPO StV u. ö. VerfassungsR-HdB Vgl. Z ZfS ZIS ZRP ZStR ZStW
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Abkürzungsverzeichnis
Im Übrigen wird verwiesen auf Kirchner, Hildebert, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 10. Auflage, Berlin/Boston, 2021. Sämtliche Hervorhebungen in Zitaten entstammen, soweit nicht anders gekennzeichnet, dem jeweiligen Originaltext. Zitate sind regelmäßig ohne ihre im Original beigehörigen Fußnoten wiedergegeben.
Einleitung Der Besondere Teil des Strafrechts unterliegt ständiger Veränderung. Neue Strafgesetze schillern vielfältig – und so auch ihre Kritik. Die Leitwörter „Opfer“ und „Institution“ lassen bekannte Problemfelder anklingen: Einbeziehung des Verletzten in die Verbrechenstheorie, Schutz kollektiver Rechtsgüter, Ausdehnung der Reichweite (Normenzuwachs) bei gleichzeitiger Ausdifferenzierung (Etablierung kontextbezogener Sonderregelungen) des Strafrechts. Sowohl die hervorgehobene Berücksichtigung einzelner Opfer als auch der Schutz des normativen Institutionen-Rahmens, in dessen Mitte ideelle „Rechtsgüter“ erst zu Wirklichkeit erstarken können, sind als strafrechtliches Programm längst bekannt. Gleichzeitig unterzieht die Strafrechtswissenschaft dahingehend ausgerichtete Gesetze deutlicher Kritik, lehnt sie bisweilen ab. Die Gründe dieser Kritik sind im Folgenden herauszuarbeiten. Die hiesige Untersuchung setzt dort an, wo die angeführten Reizpunkte zusammentreffen: Einzelne Sanktionsnormen erfordern zu ihrer Tatbestandserfüllung, dass die in Rede stehende Straftat gegen einen Kreis bestimmter Opfer gerichtet ist, und bestimmen diesen Kreis wiederum nach der institutionellen Position der Betroffenen. Einschlägig sind etwa Delikte, die gegen Angehörige besonderer Berufsgruppen ausgeübt werden. Den konkreten Anlass zur Untersuchung gibt der im Jahr 2017 reformierte § 114 StGB, „Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte“. Zur Bestimmung dessen Normzwecks stehen zwei Begründungsstränge im wissenschaftlichen Angebot: Erstens ein hervorgehobener Schutz der individuellen Rollenträger und zweitens ein mittelbarer Institutionenschutz. Beide Deutungsmuster stoßen in der Strafrechtswissenschaft auf erhebliche Kritik: Gleichheitswidriges „Sonderstrafrecht“ einerseits, symbolisch übersättigter ScheinRechtsgüterschutz andererseits. Das Anliegen der hiesigen Untersuchung ist es, den normativen Grund freizulegen, auf dem sich diese Debatte entfaltet. Vorgetragene Argumente lassen sich dann ordnen und in der Sache gewichten. Denn je präziser Einwände auf den pragmatischen Ad-Hoc-Umgang mit sonderlichen Einzeltatbeständen zugeschnitten sind, desto stärker verlieren sie an allgemeiner Überzeugungskraft. Das ist der Preis „immer feinere[r] Differenzierungen, die irgendwann nur noch ein Einzelnes, aber keinen Begriff zulassen“.1 Verfehlt wäre es aber auch, den angesprochenen Begriff als losgelöstes Kontrastprogramm zu den Wirrungen des positiven
1
G. Jakobs, GA 2005, 62, 64.
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Einleitung
Rechts zu verstehen. Die folgenden Überlegungen bewegen sich vielmehr auf einer mittleren Abstraktionsebene:2 Dogmatische Auslegungsanweisungen zu einzelnen Tatbeständen erfolgen nicht, wohl aber Kategorisierungen, die Verständnis und Umgang mit den Tatbeständen erleichtern können. Beabsichtigt ist, „in dem Konkreten das Allgemeine zu erkennen, den Punkt herauszuheben, auf den es ankommt“.3 Ist dieser „Punkt“ ermittelt und ein korrekter Begriff formuliert, lässt sich über opfer- wie institutionenbezogene Sanktionsnormen – und die an sie herangetragene Kritik – einiges sagen. Dazu stellt der 1. Teil der Untersuchung Vorüberlegungen zum Gehalt eines materiellen Straftatbegriffs an. Abschnitt A. bestimmt, welche Funktion einem solchen Begriff zukommt und vertieft die vorstehend angedeuteten methodischen Überlegungen. In Abschnitt B. wird zunächst erörtert, inwieweit das Gegenmodell eines rein formellen Straftatbegriffs nicht weiterführt. Nachdem in Abschnitt C. die verbreitete Zentralfigur des „Rechtsguts“ knapp diskutiert wird, legt Abschnitt D. die gesellschaftstheoretische Basis der Arbeit. Abschnitt E. zieht schließlich aus den vorgetragenen Argumenten die Grundlinien eines Strafund Straftatbegriffs. Der 2. Teil möchte aus diesen abstrakten Überlegungen Funken schlagen. Der dortige Abschnitt A. führt dazu näher in das Problemfeld speziell opferbezogener Sanktionsnormen ein. Abschnitt B. setzt die rechtstheoretische Grundlegung der Untersuchung fort und erläutert die zentrale Differenz von Individuum und Rechtsperson. Unter Abschnitt C. werden zunächst die bestehenden Rechtfertigungsprogramme einer straftheoretischen Opfereinbeziehung referiert und beurteilt. Daraufhin befasst sich Abschnitt D. mit den konkreten Konsequenzen der Überlegungen für eine Straftatlehre, die auf Opfer als Angehörige spezieller (Berufs-)Gruppen gesondert Rücksicht nehmen möchte. Die Abschnitte E. und F. wenden schließlich das zuvor Erarbeitete auf zwei konkrete, in der gegenwärtigen kriminalpolitischen Debatte scharf diskutierte Sanktionsnormen an, namentlich § 114 StGB und § 188 StGB. Der Schlussteil wiederholt die elementaren Argumente der Untersuchung und wagt einen knappen Ausblick.
2 Zum Nutzen solcher „middle-range-theories“ O. Lepsius, International Journal of Constitutional Law 12 (2014), 692, 698. 3 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften III, 1830/1970, Anhang, 414.
Teil 1
Vorüberlegungen zum Straftatbegriff A. Was ist ein materieller Straftatbegriff und was leistet er? Es ist ein Interesse der Strafrechtswissenschaft, Verbrechen auf den Begriff zu bringen. Gleichzeitig wirft die Suche nach inhaltlichen Kriterien der Verbrechensbeschreibung Fragen auf. Welchen Mehrwert verspricht dieser Ansatz im Umgang mit den Tatbeständen des positiven Rechts? Und: Kann das Vorhaben angesichts der Vielheit strafrechtlicher Sanktionsnormen methodisch weiterführen? Der Debatte haftet ein Leitwort an und es lautet: „materieller Straftatbegriff“.1
I. Ein „wirklicher“ Begriff Rechtswissenschaftliche Systematisierung steht seit der Hinwendung zur Normenpositivierung2 im Verdacht notorischer Praxisferne. Ein erfahrungsfrei („apriorisch“) abgeleitetes Theoriegebäude mag den Wünschen seiner Verfasser nach ästhetischer Geschlossenheit genügen, verfehlt dabei aber die begrifflich zu fassende Lebenswirklichkeit – so der Vorwurf: „Wo die Dogmatik versucht hat, feste, geschlossene Begriffskategorien aufzustellen, da werden entweder Lebenswerte der Gefahr zu verkümmern ausgesetzt, oder, und das ist der häufigere Fall, da das Leben sich nicht so leicht überwältigen läßt, die Theorie wird mit ihren Begriffen auf die Seite geschoben und verliert an Autorität.“ 3
Im Strafrecht setzt sich dieser Konflikt im Spannungsverhältnis zwischen inhaltlichem Verbrechensbegriff und den in ihrem konkreten Bestand flexiblen Sanktionsnormen fort. Erweiterungen des Besonderen Teils des Strafrechts4 wer1 Zur Bezeichnung etwa K. Altenhain, Das Anschlußdelikt, 2002, 281; W. Frisch, in: FS Stree/Wessels, 1993, 69, 69; R. Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, 2002, 6; S. Stübinger, in: FS Paeffgen, 2015, 49, 50; T. Vogler, ZStW 90 (1978), 137; auch: „materieller Verbrechensbegriff“, dazu wiederum E.-J. Lampe, in: FS R. Schmitt, 1992, 77, 78; eher kritisch zum Terminus L. Greco, Lebendiges und Totes in Feuerbachs Straftheorie, 2009, 303. 2 Pointierte Darstellung zur Entwicklung seit dem 19. Jahrhundert bei R. M. Kiesow, JZ 65 (2010), 585, 588 ff. 3 R. Müller-Erzbach, Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts 61 (1912), 343, 345. 4 Zur allgemeinen Strafrechtsausdehnung in den vergangenen Jahren B. Brunhöber, in: Grundlagen und Grenzen des Strafens, 2015, 13; S. Großmann, Liberales Strafrecht in der komplexen Gesellschaft, 2016, 40 ff. et passim; K. Günther, KJ 49 (2016), 520,
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Teil 1: Vorüberlegungen zum Straftatbegriff
den regelmäßig durch politische Zweckmäßigkeitsüberlegungen beherrscht. Moderne Kriminalpolitik kommt dort ohne systematische Methodik oder den Versuch der Erzeugung gesetzlicher Binnenrationalität 5 aus,6 greift bisweilen auch in prozessuale Institute über.7 Zunehmend dringen Ansichten vor, die daher den materiellen Verbrechensbegriff zugunsten eines formellen Verbrechensbegriffs verabschieden wollen.8 Anhand dieser Entwicklung lassen sich die Schwierigkeiten eines materiellen Verbrechensbegriffs aufzeigen: Um das positive Recht zu umfassen, eignen sich lediglich hochabstrakte Begriffe;9 das Unterscheidungspotenzial (welche Merkmale machen die Straftat zur Straftat?) geht verloren.10 Möchte der Begriff stattdessen dieses Potenzial aufrechterhalten, droht er, den Bezug zum positiven Recht einzubüßen.11 Angesichts der unterschiedlichen Konflikte, die das positive Strafrecht regelt,12 scheint die Rückführung auf einen Großbegriff undurchführbar und mit der Entdeckung eines Gegenstandes, der sich der Schematisierung entzieht, scheint jede eingrenzende Theorie blamiert zu sein. Die Verneinung eines inhaltlichen Straftatverständnisses wirkt schließlich wie die folgerichtige Flucht vor Definitionsschwierigkeiten.13 Erste Einwände gegen eine systematische Annäherung an den Besonderen Teil des Strafrechts liegen damit auf der Hand.14 Als kategorische Absage an ordnende Begriffsbildung lassen sich diese Einwände indes nicht ausbreiten: Wenngleich es zutrifft, dass lebensferne und ohne Einbeziehung der Bedingungen konkreter Gesellschaftlichkeit gebildete Begriffe „transcendental nonsense“ 15 wären 526 ff.; A. Kreuzer, in: Populismus und alternative Fakten, 2020, 151, 155 ff.; M. Kubiciel, in: Strafrechtspolitik, 2018, 99; T. Weigend, in: FS Frisch, 2013, 17; B. Zabel, ZRP 2016, 202. 5 Dazu H.-U. Paeffgen, in: FS Wolter, 2013, 125, 130 f. 6 Kritisch M. Frommel, in: GS Weßlau, 2016, 495, 503 ff.; H.-U. Paeffgen, in: FS Streng, 2017, 725; H.-U. Paeffgen, in: FS Fischer, 2018, 61, 67 ff. 7 Zu den verfahrensrechtlichen Folgen der „Hypertrophie des materiellen Strafrechts“ C.-F. Stuckenberg, L/R-StPO27, § 257c, Rn. 2; siehe auch R. Hamm, in: Rechtswissenschaft in der Berliner Republik, 2018, 396, 406 ff. 8 Ausführlich S. 29 ff. 9 Beispielhaft ein Verständnis des Rechtsgutsbegriffs als „space of reasons“, so H. Kudlich, ZStW 127 (2015), 635, 650. 10 Vgl. dazu K. Volk, ZStW 97 (1985), 871, 894 f. 11 Zum „Dilemma der Praxisferne“ schon W. Hassemer, Theorie und Soziologie des Verbrechens, 1973, 40; B. Zabel, Die Ordnung des Strafrechts, 2017, 708. Klassisch G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986, § 2 Z: „(. . .) je unzusammenhängender und widersprechender in sich die Bestimmungen eines Rechtes sind, desto weniger sind Definitionen in demselben möglich (. . .)“. 12 Dazu umfassend B. Zabel, Die Ordnung des Strafrechts, 2017, 699 et passim. 13 Dazu auch M. Pawlik, in: FS Jakobs, 2007, 469, 478. 14 Kritisch zum Systemdenken im Strafrecht auch R. Poscher, in: Rechtswissenschaftstheorie, 2008, 105. 15 F. S. Cohen, Columbia Law Review 35 (1935), 809, 821: „Legal concepts (for example, corporations or property rights) are supernatural entities which do not have a
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und einen „Ableitungsfuror“ 16 zur Folge hätten, der mit leichter Feder das Normative an der Lebenswirklichkeit vorbei formuliert,17 ist es keine Erklärung, vor lauter Besonderheiten nichts Allgemeines mehr erkennen zu wollen. Löst man etwa im Sinne eines strengen „legal realism“ das „Sollen“ im „Sein“ auf,18 verkennt man die auf Beeinflussung des Faktischen zielende Stoßrichtung normativer Gebote19 und findet auch dort, wo rechtliche Regeln praktisch wirken, nur empirische Beliebigkeiten.20 Im durch Menschen geschaffenen, und eben auch veränderbaren, Recht sind normativ ausstrahlende Entscheidungen (ob nun durch den Gesetzgeber oder die Gerichte) aber keine Zufälligkeiten, sondern zweckmäßige Setzungen, die sowohl einer inner-rechtlichen Normenlogik entspringen als auch mit der außer-rechtlichen gesellschaftlichen Umwelt21 vereinbar sein müssen.22 Ein materieller Verbrechensbegriff kann dabei einer zentralen Frage begegnen: Wie ist es möglich, dass phänomenologisch derart Verschiedenes wie beispielsweise eine Körperverletzung, eine Steuerhinterziehung und ein Meineid unter ein gemeinsames Ordnungsschema gefasst werden?23 Es wäre offensichtlich ein groteskes Unterfangen, aus der Natur der Begehungsweise (Beispiel: A schlägt dem B ins Gesicht, § 223 StGB; A bringt Falschgeld in den Verkehr, § 147 StGB) herzuleiten, warum in beiden Fällen eine der Form nach gleichgestaltete Freiheitseinbuße droht. Damit ist die Frage aufgeworfen, wie im Strafrecht empirisch Unterschiedliches normativ vergleichbar wird. Wenn die (in vielen Fällen auch gar nicht mögliche) Wiederherstellung des empirischen Zustandes nicht bezweckt ist, muss an die Stelle des naturalistischen Maßes „die allgemeine Be-
verifiable existence except to the eyes of faith. (. . .) In effect, it is a special branch of the science of transcendental nonsense.“ 16 M. Pawlik, Das Unrecht des Bürgers, 2012, 46. 17 O. W. Holmes, Harvard Law Review 10 (1897), 457, 465: „The danger of which I speak is not the admission that the principles governing other phenomena also govern the law, but the notion that a given system, ours, for instance, can be worked out like mathematics from some general axioms of conduct.“ 18 So K. Olivecrona, Gesetz und Staat, 1940, 48. 19 H. Kantorowicz, Yale Law Journal 43 (1934), 1240, 1248. Zum mangelnden Vermögen eines pointierten legal realism, rechtliche Regeln begrifflich zu fassen auch T. Grosse-Wilde, ZIS 2017, 638, 639; H. L. A. Hart, Georgia Law Review 5 (1977), 969. 20 Gegen dieses verkürzte Rechtsverständnis E. B. Pas ˇ ukanis, Allgemeine Rechtslehre und Marxismus, 1929/2003, 31 ff. 21 Siehe schon K. G. Wurzel, Das juristische Denken, 1904, 71, 75. 22 Vgl. insoweit auch F. Müller/R. Christensen, Juristische Methodik Band 1, 2013, 120 f.: „Sollen, ist unvermeidlich an das gekettet, was es verändern, beseitigen, ins Werk setzen ,soll‘. Es fällt nicht vom Himmel; auch dort, wo es das von sich sagen lassen mußte, war es – und ist es weiterhin – Teil bestimmter Macht- und Gewaltverhältnisse.“ 23 Vgl. G. Jakobs, Staatliche Strafe: Bedeutung und Zweck, 2004, 16 f.
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schaffenheit [FL: der Rechtsverletzung] als Wert treten“.24 Nur anhand dieses Allgemeinen, das Straftaten innewohnt, lässt sich ein nach abstrakten Maßstäben zu bemessender Schuldausgleich bestimmen, der staatliches Straf-Recht von schierer Rache abgrenzt.25 Der materielle Straftatbegriff ist eine wissenschaftliche Abstraktion von den Tatbeständen des positiven Rechts. Er gibt eine „Teilmenge der Summe aller Bestrafungsbedingungen“ 26 an, benennt also, was losgelöst von kontingenten Durchsetzungsproblemen27 (vor allem prozessualer Art28) zur Verwirklichung eines Straftatbestandes erforderlich ist. Eine abschließende Listung von Tatbeständen lässt sich damit nicht deduzieren. – „Tag für Tag spottet das wirkliche Leben der gesetzgeberischen Voraussicht“.29 Sondern ein noch weiter, namentlich anhand der Bedingungen konkreter Gesellschaftlichkeit, materialisierter Straftatbegriff zeigt das Tertium an, woran sich Straftaten kategorisieren und analysieren lassen. Dass ein solcher Maßstab existiert, lässt sich kaum bestreiten: Es ist ja kein Zufall, dass ein Totschlag schwerer bestraft wird als eine Urkundenfälschung. Diese Alltagsintuition, welche Straftat „schwerer wiegt“ und „wem schadet“, beruht auf einer rechtlichen Leitsemantik, die ein materieller Straftatbegriff transparent zu machen versucht. Das ist überhaupt nur das Erbringbare; ein zeitloser Katalog an Straftaten und -rahmen kann wissenschaftlich nicht bewerkstelligt werden.
II. Strafrechtsbegrenzung als Vorgabe? Mit der Ausgestaltung dieses materiellen Straftatbegriffs sind weitere Unterbegriffe verknüpft, so etwa30: „Rechtsgüterschutz“, Strafrecht als „ultima-ratio“ oder der „fragmentarische Charakter des Strafrechts“. Diese Begriffe resultieren in ihrer üblichen Verbreitung nicht aus normhierarchischen Ableitungen oder abstrahieren von positiv-rechtlichen Sanktionsnormen, sondern werden aus der Strafrechtswissenschaft als äußere Erwartungshaltung an die Gesetzgebung herangetragen. Inwieweit es sich um kriminalpolitische Postulate ohne Verbindlich24 25
G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986, § 98. G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986, § 102 mit Zu-
satz. 26
C.-F. Stuckenberg, Vorstudien zu Vorsatz und Irrtum im Völkerstrafrecht, 2007,
389. 27
Vgl. G. Jakobs, NStZ 1987, 88, 88. Einen vollständigen Normensatz, der die Bedingungen einer Bestrafung ausweist, erlangt man erst unter der Hinzunahme prozessualer Voraussetzungen, H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 1960, 237. 29 O. Bülow, Gesetz und Richteramt, 1885, 30. 30 Dazu J. Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, 2014, 193 ff. (und im Weiteren „Strafbedürftigkeit“, „Strafwürdigkeit“, „Subsidiarität des Strafrechts“, „Toleranzprinzip“, „Schuldprinzip“ und „Tatproportionalität“, die aber – zumindest als abstrakte Begrenzungskonzepte – nicht die Prominenz der im Text genannten Punkte innehaben). 28
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keitsanspruch31 handelt oder vor-positiv bestimmte Begriffe einen Rahmen vorgeben,32 wird dabei nicht immer deutlich. Diese Vorgehensweise entspricht der verbreiteten Übung, strafrechtliche Begriffe so zu bilden, dass sie nicht (nur) zweckmäßig, sondern kritisch sind und dadurch eine Kontrastfolie zu den Verfehlungen des positiven Rechts aufspannen.33 Die Vermengung von abstrakten Legitimitätsfragen und dogmatischer Kategorisierung ist gleichwohl eine exklusive Methode innerhalb der Straf-Rechtswissenschaft.34 Die Praxis staatlichen Strafens gilt diesen Ansätzen als ein isoliert untersuchbares Übel, das ganz unabhängig vom Zustand der Gesamtrechtsordnung kritikabel ist; dezidiert „kritische“ Begriffe von – beispielsweise – der Geschäftsführung ohne Auftrag oder dem Widerruf eines rechtswidrigen Verwaltungsakts sind hingegen nicht bekannt.35 Wissenschaft obliegt in dieser Konzeption die Aufgabe, zu verhindern, „dass Macht im Gewande des Rechts auftritt“ 36, sie soll als „vierte Gewalt“ 37 den Gesetzgeber bändigen, gegenüber legislativen Exzessen wachsam sein.38 Vor-positive Kritikprogramme sind aber nicht nur im Begründungsinneren voraussetzungsreich, sondern stehen im Auftrag, ihre objektive Relevanz für das geltende Recht darzulegen.39 Ob ein Gegenentwurf zum wirklichen Recht sein Ziel – eine schlagende Kritik – erreicht, steht damit in Frage: Denn tatsächlich dient aber nichts besser der „Macht“ (wenn man sich auf diese Abstraktion40 einmal 31
So K. Kühl, in: FS Puppe, 2011, 653, 667. So insbesondere B. Schünemann, ZIS 2016, 654, 657. 33 So vor allem die Konstruktion eines „systemkritischen“ oder „gesetzgebungskritischen“ Rechtsgutsbegriffs, siehe C. Roxin/L. Greco, Strafrecht, Allgemeiner Teil Band 1, 2020, § 2 Rn. 12. 34 C.-F. Stuckenberg, in: Strafrecht und Gesellschaft, 2019, 125, 153 mit Fn. 248. 35 Daraus folgt nun nicht, dass es gegenüber anderen staatlichen Eingriffen kein proprium des Strafrechts gäbe; nur entbindet das alles nicht von der Notwendigkeit deskriptiv korrekter Begriffsbildung. 36 L. Greco, Strafprozesstheorie und materielle Rechtskraft, 2015, 116. Ähnlich L. Greco, Lebendiges und Totes in Feuerbachs Straftheorie, 2009, 129 f. 37 So erstmals B. Schünemann, in: FS Roxin I, 2001, 1, 8. Anschließend L. Greco, Strafprozesstheorie und materielle Rechtskraft, 2015, 1017. 38 Mit großer Schärfe auch R. Zaczyk, GA 2011, 246, 247 gegen „das grassierende, rein funktionale Rechtsverständnis, das aus Juristen Sozialingenieure macht, sie damit aber letztlich zu Lakaien der Politik erniedrigt“. 39 Besonders verdächtig ist dabei der Ruf nach „Gerechtigkeit“, treffend dazu F. S. Cohen, Yale Law Journal 41 (1931), 201, 220: „We may, if we like, call the good which law can achieve ,justice.‘ But if ,justice‘ means anything less than that total, it is not a valid basis of legal criticism. To say that something or other is beyond the ,proper scope‘ of law is either to say that law on that subject will bring about more harm than good or it is to indulge in meaningless verbiage.“; deutlich auch E. B. Pasˇukanis, Allgemeine Rechtslehre und Marxismus, 1929/2003, 143. 40 Zu einem sozialphilosophischen Begriff von Macht etwa R. Forst, Normativität und Macht, 2015, 96 ff., der aber aufgrund seiner geringen Trennschärfe kaum analytischen Gewinn verspricht; kritisch auch M. Pawlik, GA 2019, 641, 641. 32
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einlassen möchte) als eine juristische Methode, die gesetzgeberischen Verfehlungen nichts als die Abweichung von einer eigentlich doch guten Sache vorwirft,41 während die wirklichen Erwägungen ohne wissenschaftliche Erklärung bleiben.42 Mehr als die „Konfrontation des Bestehenden mit guten, berechtigten Ansprüchen“ 43 steht dann nicht im Angebot.44 Man mag einer unprätentiösen Strafrechtsbeschreibung einen „verengte[n] Begriff von Wissenschaft“ 45 vorhalten. Das Gegenmodell ufert indes so weit aus, – es lassen sich die fantastischsten Dinge ausmalen, soweit man wissenschaftlich von einer Rückführung auf die Wirklichkeit entpflichtet ist46 – dass sich der wissenschaftliche Wert des Denkens in einer „normativen Parallelwelt“ 47 kaum aufdrängt.48 Darüber hinaus: Woher stammen die Maßstäbe der Gesetzgebungskritik? Oder anders gewendet: Worin sollen sich „rechtliches“ Recht und Recht als „Macht“ unterscheiden? Denn selbstverständlich muss Recht immer mit autoritativ gesicherter Durchsetzungsbefugnis einhergehen, „Zwangsordnung“ 49 sein, wenn es nicht nur als geistiges Glasperlenspiel dienen soll.50 Als Unterscheidungskriterium vorgebracht werden bisweilen Gründe (als „Erwägungen, die für oder gegen etwas sprechen“ 51), die universell wirksame Legitimationsnachweise zu obrigkeitlichen Entscheidungen ausstellen könnten, und
41 So wäre es beispielsweise verfehlt, §§ 89a, 89b, 89c StGB als legislative Ausrutscher einzuordnen, bei deren Erlass das Schuldprinzip „leider“ übersehen wurde. Tatsächlich verfolgen derlei Normen bewusst einen mit der klassischen Zurechnung inkompatiblen Zweck, sodass zu kritisieren ist, dass zur Regelung die Form einer Sanktionsnorm gewählt wurde; so auch H.-U. Paeffgen, NK-StGB5, § 89a, Rn. 1 und grundlegend G. Jakobs, ZStW 97 (1985), 751, 756 ff. 42 H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 1960, 112. 43 So kritisch C. Menke, Kritik der Rechte, 2015, 11. 44 Differenzierend P.-A. Hirsch, Das Verbrechen als Rechtsverletzung, 2021, 199 ff. mit dem Ansatz einer „immanenten Kritik des Strafrechts“, die an der „im positiven Recht auffindbaren Normativität“ (ebd., 213) ansetzt. 45 C. Roxin/L. Greco, Strafrecht, Allgemeiner Teil Band 1, 2020, § 2 Rn. 112. 46 H. Welzel, Abhandlungen zum Strafrecht und zur Rechtsphilosophie, 1975, 282 „Die idealste Ordnung, die diese wirklichkeitsgestaltende Macht nicht hat, erfüllt das essentielle Merkmal des Rechts nicht, während die unvollkommenste Notordnung, die das Chaos überwindet, der idealsten Ordnung eines voraushat: Recht zu sein! Es gehört zum Wesen des Rechts, wirklich zu sein.“ 47 C.-F. Stuckenberg, GA 2011, 653, 655. 48 Scharf gegen eine wirklichkeits-ferne Begriffsbildung als Zurückfallen des „Wissens“ zur „Meinung“ schon G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik I, 1812/1986, 38. 49 H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 1960, 76. 50 Zur zwingenden Verschränkung von Macht und Recht auch K. Olivecrona, Gesetz und Staat, 1940, 181 f., zur fehlerhaften Entgegensetzung von Gewalt und Recht ebd., 122 f. 51 L. Greco, Strafprozesstheorie und materielle Rechtskraft, 2015, 46 im Anschluss an J. Raz, Practical Reason and Norms, 1975/2002, 186.
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sich insoweit von schierer Macht unterschieden.52 „Gründe“ stützen allerdings nur die argumentative Überzeugungskraft einer von Zahl und Gehalt dieser Gründe unabhängigen Entscheidung; soweit deren Legitimität genaue materielle Voraussetzungen erfordert, bleibt die Kategorie „Grund“ zu abstrakt.53 Vor allem aber unterscheidet sich der Grund von einem inneren Begriffsmerkmal, das einen Gegenstand erklärt, bildet vielmehr eine äußere Kategorie, die eine längst feststehende Sache nur noch untermauern kann.54 Gründe zur Strafe liefern also auch, dass Juristen sonst arbeitslos wären oder, dass es sonst keine Gerichts-Shows im Privatfernsehen gäbe. Dabei handelt es sich freilich nicht um Begriffs-konstitutive Momente, auf die es ankommt, um zu verstehen, was Strafe und NichtStrafe unterscheidet. Anders gewendet: Wer nach dem Grund einer Sache fragt, fragt nicht nach der Sache selbst. Eine besondere Form der Zuspitzung erfährt dieser Ansatz bisweilen in der Forderung, weil die staatliche Strafe so ein abstoßendes Phänomen sei, sollte man möglichst alles an Begründungsmaterial anhäufen und zur Rechtfertigung heranziehen.55 Das Rechtsinstitut „Strafe“ wird dabei als reiner Störfaktor in einer ansonsten idyllischen (früheren?56) Rechts-Welt aufgefasst. Vermengt werden dabei phänomenologische Folge (empirischer „Strafschmerz“ des Täters) und normative Begründung. An einem Gegenbeispiel: Wer hoffnungslos überschuldet eine hohe Summe aus einem vertraglichen Schuldverhältnis zu leisten hat, für den mag die Vollstreckung der Forderung ebenfalls unangenehm sein und zu privaten Verwerfungen führen. Begrifflich rückführbar ist die Vollstreckung gleichwohl auf das Schuldverhältnis und dessen begriffliche Voraussetzungen. Es wäre abwegig, dort nach weiteren Erwägungen zu fahnden, die (nach welchem Maßstab?) zusätzliche Legitimität stiften. Der Einfall einer grenzenlosen Sammlung rechtfertigender Argumente leidet an seiner offensichtlichen Zirkularität, weil
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L. Greco, Strafprozesstheorie und materielle Rechtskraft, 2015, 44. Vgl. C.-F. Stuckenberg, ZIS 2017, 445, 446. 54 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften I, 1830/1970, § 121 Z: „Der Grund ist nur Grund, insofern er begründet; das aus dem Grunde Hervorgegangene aber ist er selbst, und hierin liegt der Formalismus des Grundes. (. . .) Alles, was in der Welt verdorben worden ist, das ist aus guten Gründen verdorben worden.“; weiterführend, dezidiert zur Strafe A. A. Piontkovskij, Hegels Lehre über Staat und Recht und seine Strafrechtstheorie, 1960, 188 ff. 55 J. Gardner, Offences and Defences, 2007, 214: „The criminal law (. . .) and its punitive side is such an extraordinary abomination, that it patently needs all the justificatory help it can get.“; ähnlich T. Hörnle, Straftheorien, 2017, 2; dazu T. Grosse-Wilde, Erfolgszurechnung in der Strafzumessung, 2017, 11. 56 Bisweilen wird diesbezüglich eine rechtshistorische Verfallsgeschichte bemüht, grundlegend zur Ausweitung und Vorverlagerung des Kreises strafbarer Verhaltensweisen seit den 1980er-Jahren schon P.-A. Albrecht, in: Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, 1995, 429; W. Hassemer, ZRP 1992, 378; W. Naucke, KritV 76 (1993), 135, 138 ff.; C. Prittwitz, Strafrecht und Risiko, 1993, 167 ff. et passim. Kritisch zu diesem historischen Abgleich U. Kindhäuser, in: FS Yamanaka, 2017, 443, 464. 53
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das zu Begründende, nämlich die Strafe, losgelöst von dem Gehalt der angeführten Gründe Bestand haben soll. Diese Gründe erklären dann nicht, was die Strafe ausmacht und woran der Kritiker sich gegebenenfalls stoßen sollte, sondern produzieren beliebig austauschbare Legitimationstopoi. „Strafe“ versteht sich dann als ein Phänomen, das mit Zwecksetzungen zwar unterfüttert werden kann, begrifflich aber ganz unabhängig davon Teil der gesellschaftlichen Wirklichkeit ist. Neben dem Vorschlag einer inflationären Begründungs-Ausweitung steht gleichsam eine Begriffs-Ausweitung als Spielart „kritischer“ Systembildung zur Debatte: Je mehr staatliche Vorgehensweisen als „Strafe“ qualifiziert werden, desto mehr dieser Phänomene ließen sich mit deren strengen Vorgaben abgleichen und kritisieren.57 Demzufolge wäre ein materieller Straftatbegriff gezielt arm an Konturen zu bestimmen, um einen möglichst großen Teil rechtlicher Reaktionsweisen mit Kritik eindecken zu können. Bei Lichte betrachtet offenbart sich nicht, was dadurch zu erreichen ist.58 Denn nur, weil ein bestimmtes Rechtsinstitut wissenschaftlich mit einem bestimmtem Titel versehen wird, fallen für Richter und Gesetzgeber keine erweiterten Regeln vom Himmel. Angenommen, ein Staat wollte Parkverbotsverstöße mit lebenslanger Freiheitsstrafe ahnden59 – was hätte ein „Parksünder“ davon, behaupten zu können, es handele sich um eine Strafe, die als solche aber „illegitim“ sei? Allgemein: Worin liegt der Gewinn, sich auf Straf-Schranken berufen zu können, die in der jeweiligen Gesellschaft doch gar nicht gelten?60 Ob es rechtskonform ist, jemanden wegen Falschparkens den Rest seines Lebens einzusperren, hat nichts damit zu tun, welchen Namen man diesem Vorgang gibt. Und ein Begriff konstituiert sich noch lange nicht, sobald man etwas begrenzen oder verhindern möchte (sonst wären Strafen und Naturkatastrophen das gleiche), sondern die äußere Begrenzungsabsicht setzt einen längst bestehenden Begriff voraus. Die Unterscheidung nach Strafen und Nicht-Strafen ist abschließend. Einer Zusatz-Kategorie der „Legitimität“ oder „Rechtfertigung“ bedarf es nicht. Weiter im Beispiel: Verstößt eine lebenslange Freiheitsstrafe bei Parkverbotsverstoß nicht gegen höherrangiges Recht, ist sie sehr wohl „legitime Strafe“. Zu kritisieren ist dann aber ebendiese „Legitimität“ und ihre Rechtsordnung – nicht der richtig gebildete Begriff.
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Besonders drastisch in diese Richtung D. Fassin, Der Wille zum Strafen, 2018,
57 ff. 58 Im Ergebnis auch kritisch zur willkürlichen Ausdehnung des Strafbegriffs K. Volk, in: FS E. Müller, 2008, 709, 714. 59 Beispiel nach L. Greco, in: FS Sancinetti, 2020, 105, 108. Im Ergebnis wäre das tatsächlich eine „Strafe“; gezeigt werden soll hier, dass der Vorgang durch seine Namensgebung weder an Legitimität gewinnt, noch verliert. 60 G. Jakobs, Vorwort, Strafrechtswissenschaftliche Beiträge, 2017, XIII, XIV: „Von einem stabil totalitären Zeitgeist würde ein sich liberal gebendes Strafrecht zermalmt.“ Siehe auch G. Jakobs, in: Vergangenheitsbewältigung durch Recht, 1992, 37, 46 f.
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Ein Begriff im menschengemachten Recht, so denn auch derjenige der Strafe, bricht also nicht über die Menschen herein,61 sondern resultiert aus einer zweckmäßigen institutionellen Praxis (warum lässt man das Strafen denn sonst nicht einfach?) und trägt insoweit auch immer seine inner-rechtliche „Rechtfertigung“ definitorisch in sich.62 Diese „Rechtfertigung“ ist nach hiesigem Verständnis schlicht eine systematische Erklärung und teilt nichts mit dem Vorgang eines äußeren (moralischen, ethischen, kulturellen) Werteabgleichs.63 Reißt man stattdessen Begriff und Begründung auseinander, werden „zu einem Problem nur Einfälle vorgetragen, die sich ins Unendliche vermehren lassen und letztlich auch der Kritik entzogen sind.“ 64
III. Beschreibung und Normativität Die folgende Untersuchung bemüht sich um eine Beschreibung dessen, womit man es zu tun hat; sie handelt also nicht von konstruktiven Verbesserungsvor61 Die Rede vom „Ärgernis des Strafzwangs“ (M. Pawlik, Das Unrecht des Bürgers, 2012, 26) scheint insoweit etwas verzerrend. 62 Instruktiv gegen die Trennung von Begriff und Rechtfertigung der Strafe T. Grosse-Wilde, GA 2021, 553. Allerdings wird dort eine Ineins-Setzung von Begriff und Rechtfertigung abgelehnt (ebd., 565 f.). Letztere Absage erschöpft sich aber in einer Anhäufung ihrerseits sehr disparater Argumente gegen einen als „hegelianisch“ verstandenen Straftatbegriff. Wenn (wie ebd., 565 f. entgegengehalten) das Strafrecht auch der Verhaltenssteuerung dienen würde, schadet das nicht einer Begriffsbildung mit und anhand der rechtfertigenden Elemente. Denn die verhaltenssteuernde Funktion wäre dann eben Teil des Begriffs und damit gleichsam Teil der „Rechtfertigung“ der Strafe. Oder an einem zweiten dort angeführten Beispiel: Ob die Schuld eine Strafe hinreichend bedingt, entscheidet durchaus über den materiellen Begriff der Strafe, nicht aber über das formale Verhältnis zwischen Begriff und Rechtfertigung. Wer mit dem begrifflich Umfassten nicht zufrieden ist (weil beispielsweise eine verhaltenssteuernde Wirkung des Strafrechts für klüger gehalten wird), der sollte eben nicht den Begriff anklagen, indem er dessen Rechtfertigung nach rechts-fremden Maßstäben negiert, sondern prüfen, warum die Wirklichkeit nur einen subjektiv unerwünschten Begriff hergibt. Es ist eben entweder objektiv der Begriff falsch gebildet (dann wäre zu belegen, warum der Wirklichkeit ein anderer Begriff besser entspräche, wenn beispielsweise etwas Tatsächliches, auf das eine Norm Bezug nimmt [oder auch eine Norm selbst] bei der rechtlichen Begriffsbildung übersehen wurde) oder aber der Begriff steht im Einklang mit seinen empirischen und normativen Voraussetzungen. Ist Letzteres der Fall, kann das Unternehmen einer darüber noch hinausgehenden Rechtfertigung (Recht-Fertigung!) lediglich noch das zuvor begrifflich Bestimmte (die Strafe) einer normenhierarchisch bedeutungslosen Überprüfung unterziehen, die dann eben kein Wissen, sondern nur Meinungen hervorbringt. 63 H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 1960, 72: „Etwas rechtlich begreifen kann aber nichts anderes bedeuten, als etwas als Recht und das heißt: als Rechtsnorm oder als Inhalt einer Rechtsnorm, als durch eine Rechtsnorm bestimmt begreifen.“ – Letztlich beruhen die vorliegend kritisierten Methoden der Begriffsbildung zumeist auf naturrechtlichen Begründungsmustern, etwa der Fiktion „angeborener Rechte“ (siehe L. Greco, Strafprozesstheorie und materielle Rechtskraft, 2015, 655 ff.). Ausführlich dazu S. 66 ff. 64 Nur insoweit wie hier R. Zaczyk, GA 2013, 362, 365.
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Teil 1: Vorüberlegungen zum Straftatbegriff
schlägen für eine effizientere oder gerechtere Strafgesetzgebung. Ein normatives Programm wird im Folgenden also ausdrücklich nicht aufgestellt. Mit dem „Erfassen des Gegenwärtigen und Wirklichen“ (und nicht: dem „Aufstellen des Jenseitigen“)65, ergibt sich schlicht alles, was an Kritik vorzubringen ist. Einer nüchternen Beschreibung66 wird geläufig entgegengehalten, dass sie durch den inner-theoretischen Verzicht auf Richtigkeitsansprüche (in der Form eines durch die Rechtsteilnehmer ermittelbaren kategorischen Sollens67) hausgemachten epistemischen Beschränkungen unterliege: Wer das Recht nur von außen betrachtet, verfehlt die Innergesetzlichkeiten des Normativen, so der Vorwurf.68 Terminologisch mündet die Diskussion in die Alternativen der Selbstund Fremdbeschreibung,69 der Teilnehmer- und Beobachterperspektive70 oder der Beobachtung erster und zweiter Ordnung.71 Die Teilnehmersicht erlaubt dabei einen Durchgriff bei der rechtlichen Theoriebildung auf die Individualbefindlichkeiten der Rechtsteilnehmer oder Rechtsanwender, indem es ihr „Erleben“ der Sollens-Ordnung miteinbezieht. Was aber ist durch diese Unterscheidung zu gewinnen? Die strikt inner-rechtliche Betrachtung setzt einen gezielt verkürzenden Begriff ihrer Rechtsteilnehmer voraus: Sie können die Geltung des Rechts nur voraussetzen, nicht aber als solche begreifen und sich nur innerhalb dieses abgesteckten Rahmens bewegen.72 Das stimmt praktisch auch insoweit, als Rechtsprechung das Recht als objektives Recht, nicht nach individuellem Gutdünken, auslegt, und subjektiver wie objektiver Sinn rechtsetzender Akte identisch sind.73 Und wer als Bürger im Alltag Verträge schließt oder eben Straftaten begeht, für den steht die äußerlich dieses Geschehen wertende Rechtsform nicht zur Disposition.74 Gleichwohl änderte
65 G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986, Vorrede, 24 (ohne Hervorhebungen). Soweit sich zu einem Begriff von Kritik auf Hegel berufen wird, folgen die hiesigen Überlegungen der Interpretation von M. Theunissen, in: Kritische Darstellung der Metaphysik, 1980, 47, 52 u. ö.; M. Theunissen, Sein und Schein, 1980, 13 ff. 66 Siehe auch G. Jakobs, ZStW 107 (1995), 843; B. Müssig, Mord und Totschlag, 2005, 133 ff. 67 Vgl. M. Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, 1999, 61. 68 H. L. A. Hart, Der Begriff des Rechts, 1994/2011, 73 ff.; S. Stübinger, Das „idealisierte“ Strafrecht, 2008, 264 ff., 314 ff. 69 N. Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993, 17. 70 R. Alexy, Begriff und Geltung des Rechts, 1992, 47 f.; dazu auch M. Jestaedt, Das mag in der Theorie richtig sein, 2006, 17 f. 71 Das alles wird hier bewusst heuristisch vermengt, siehe zu Unterschieden im Detail etwa M. Pawlik, Rechtstheorie 25 (1994), 451, 455 Fn. 25. Ausführlich P. Wittig, Das tatbestandsmässige Verhalten des Betrugs, 2005, 17 ff. 72 Dazu M. Pawlik, Rechtstheorie 25 (1994), 451, 461. 73 H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 1960, 224. 74 Vgl. etwa R. von Jhering, Geist des römischen Rechts 3/1, 1888/1954, 328 f.
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sich daran nichts, wenn den Rechtsteilnehmern eine dies alles in Kraft setzende „Grundnorm“ bekannt wäre – die Rechtsvorschrift gilt eben, auch ohne das private Einverständnis jeder Person zu jeder Vorschrift.75 Vielmehr birgt der Rückgriff auf die innere Rechtsteilnehmer-Perspektive die Gefahr einer verdeckten Re-Moralisierung:76 Wer das Recht gar nicht vollumfänglich begreift (wie es seinen Teilnehmern fiktiv77 unterstellt wird), bedarf individualzugeschnittener Korrekturen,78 um sich im Recht wohlzufühlen, oder „Freiheit“ als „Selbstgesetzgebung“ zu erleben.79 Der damit eingeführte innere Maßstab des Rechts beruht also auf einer vorausgesetzten Zugangsbeschränkung der Erkenntnis des äußeren Maßstabs: Wer die äußere Funktionalität des Rechts ausklammern möchte, fördert, dass bei den – insoweit als unwissend fingierten – Rechtsteilnehmern „ein
75 G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986, § 258: „Gegen das Prinzip des einzelnen Willens ist an den Grundbegriff zu erinnern, daß der objektive Wille das an sich in seinem Begriffe Vernünftige ist, ob es von Einzelnen erkannt und ihrem Belieben gewollt werde oder nicht.“ – Bürgerliche Demokratien moderner Prägung eröffnen dem Einzelnen die Mitwirkungsmöglichkeit am formalen Zustandekommen dieses „objektiven Willens“ – das schon! – aber es ist weder ein durchgängiges Einverständnis der Normunterworfenen und schon gar nicht eine inhaltliche Deckungsgleichheit mit ihren Individualinteressen zur Geltung erforderlich. 76 So aber ausdrücklich M. Pawlik, Person, Subjekt, Bürger, 2004, 14 f.: Die „strikte[ ] Abkopplung rechtsethischer Fragen von der Auslegung des positiven Rechts“ habe für Strafanwender den Preis einer „Spaltung ihrer Identität als Handelnde“, während sie „[a]us Gründen ihrer moralischen Integrität“ die Rechtsordnung als „eine prinzipiell legitime Ordnung aufzufassen“ hätten. – Tatsächlich aber trägt die individuell-moralische Haltung zum Ringen um den richtigen Begriff eines Gegenstandes nichts bei. Einwände gegen Strafe und Straftat müssen verallgemeinerbar auf die objektive Rechtsordnung rückführbar sein, sonst sind sie subjektive Geistesregungen, die aber nun mal nichts gelten. Mit G. W. F. Hegel, Werke II, Jenaer Schriften, 1801-07/1986, 249 sind Selbstbezüglichkeiten ohne wissenschaftliche Relevanz: „[W]er fest an der Eitelkeit, daß es ihm so scheine, er es so meine, hängenbleibt, seine Aussprüche durchaus für kein Objektives des Denkens und des Urteilens ausgegeben wissen will, den muß man dabei lassen, – seine Subjektivität geht keinen anderen Menschen, noch weniger die Philosophie oder die Philosophie sie etwas an.“ 77 Dieser Vorgang ist ohnehin nur als fiktive Setzung denkbar, erkenntnistheoretisch wäre es sehr voraussetzungsreich, zu behaupten, dass es zum Erkennen eine Schulung der Erkenntnis benötige, dazu pointiert G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften I, 1830/1970, § 10: „Erkennen wollen aber, ehe man erkenne, ist ebenso ungereimt als der weise Vorsatz jenes Scholastikus, schwimmen zu lernen, ehe er sich ins Wasser wage.“ 78 H. L. A. Hart, Der Begriff des Rechts, 1994/2011, 74 betont, dass es sich dabei nicht um „eine bloße Sache der ,Gefühle‘“ handelt. Stattdessen ginge es um eine „kritische, reflektierte Einstellung zu bestimmten Verhaltensmustern“. Das mag so sein, ändert aber überhaupt nichts an Maßstäben, denen der Rechtsadressat genügen muss. Das Recht betrachtet seine Personen entgegen Hart vielmehr als „Black Box“ (G. Jakobs, Die strafrechtliche Zurechnung von Tun und Unterlassen, 1996, 24), indem es ihnen Gründe und Motive zur Normbefolgung regelmäßig freistellt. 79 Das ist bei M. Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, 1999, 15 ff. der Grund zur Einnahme der Teilnehmerposition.
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Minus der Intelligenz zu einem Plus der Moral umschlägt“.80 An die Stelle des Begriffs treten dann legitimationsstiftende, wenngleich opake, Wertvorstellungen (prominent etwa „Freiheit“ und „Gerechtigkeit“), die als zu beobachtende Rechtsinstitute zweifellos existieren,81 nach ihrer Umbuchung auf die Teilnehmersicht aber vorrangig als individuell erlebbare, metaphysische Überlieferungen zur pauschalen Rückversicherung gegen Kritik dienen (wer meint, im Namen der „Gerechtigkeit“ vorzugehen, beansprucht für seine dahingehenden Maßnahmen regelmäßig Legitimität82). Deutlich wird hier die gegenüber einer rechtlichen Zwangsordnung anti-kritische Stoßrichtung:83 Streben nach Gerechtigkeit und moralisch Richtigem nimmt bislang noch jedes Rechtssystem für sich in Anspruch; wer diese Kategorien als Desiderate der normenunterworfenen Bürger einführt, hat das betroffene Rechtssystem damit schon teil-legitimiert, ohne etwas Substantielles dargelegt zu haben. Diese Frage spitzt sich schließlich zu, wo einzelne Rechtsteilnehmer (vornehmlich Richter) bei „übermäßigen“ Gerechtigkeitsverstößen die Rechtsgeltung dementieren sollen.84 Es stimmt, dass die hiesigen Überlegungen den Wünschen nach „Selbstsein“ 85 oder einer „Identitätsbalance“ als „Erfahrung existenziellen Lebenssinns“ 86 im Recht (und das auch für Rechtswissenschaftler87) in keiner Weise abhelfen können. Der Gewinn einer die Individualität des Praxisteilnehmers ausklammernden Methodik besteht indessen darin, eine möglichst objektive Wissenschaft betreiben zu können,88 die ihre Anschlussfähigkeit durch einen Verzicht auf kriminal80 K. Marx, Die moralisierende Kritik und die kritisierende Moral (1847), MEW 4, 1977, 331, 336. 81 Zur Freiheit ausführlich S. 61 ff. 82 Eindringlich A. Ross, On Law and Justice, 1959/2012, 274. 83 Vgl. H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 1960, 71. 84 Klassisch G. Radbruch, Süddeutsche Juristen-Zeitung 1 (1946), 105, 108. Ausführliche Kritik bei M. Auer, RW 8 (2017), 45, 47 ff.; G. Jakobs, GA 1994, 1, 9 u. ö. 85 R. Zaczyk, Selbstsein und Recht, 2013, 33 f. Ähnlich schon R. Zaczyk, Das Strafrecht in der Rechtslehre J. G. Fichtes, 1981, 11. 86 M. Pawlik, Normbestätigung und Identitätsbalance, 2017, 73. 87 M. Pawlik, Das Unrecht des Bürgers, 2012, 44; M. Pawlik, in: FS von HeintschelHeinegg, 2015, 363. 88 Dagegen meint mit großem wissenschaftlichem Sendungsbewusstsein M. S. Moore, San Diego Law Review 37 (2000), 731, 735 ff., Rechtswissenschaft könne nicht beschreibend sein, weil sie damit rechnen müsse, dass ihre Theorien zu praktischer Anwendung finden; ihr käme daher besondere Verantwortung zu. Das mag für Savigny und Puchta noch zugetroffen haben; im flächendeckend positivierten Recht der Gegenwart stehen dagegen weder Wertungsprämissen noch Einzelableitungen zur vollständigen Disposition des Auslegenden: Eine wissenschaftliche Theorie fügt sich in das geltende Recht ein oder sie ist praktisch nicht anschlussfähig und vielmehr für Reformabsichten interessant. Darüber hinaus führen selbst Fragen, die das Gesetz offenlässt (wie beispielsweise im sehr abstrakt gefassten allgemeinen Teil des StGB), noch lange nicht in ein Eldorado der subjektiven Rechtsfantasien: Der zur Auslegung letztverantwortlichen Rechtsprechung steht es vollkommen frei, Theorien zu übernehmen oder sie zu ignorie-
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politische oder ideelle Vorannahmen herstellt.89 Ob dieses Recht sodann gerecht, richtig, befolgungswürdig ist, fällt in eine andere Kategorie.90 Die hiesige Analyse möchte Wissen hervorbringen, und keine Ansichts-Sache.91 Das Resultat einer solchen „kalten“ Beschreibung wird, sofern es problematisch erscheint, dadurch aber nicht legitimiert, sondern demaskiert: „Deskription instrumentalisiert nicht, sondern legt allenfalls längst vorhandene Instrumentalisierungen offen.“ 92 Das Recht wird damit nicht in empirischen Berechnungen aufgelöst, sondern als System „juridischer Eigengesetzlichkeiten“ 93 ernst genommen.94 Die hiesigen Überlegungen richten sich nicht danach, wie das Sollen sein soll, sondern danach, wie das Sollen ist.95 Das gilt gerade dann, wenn man Kritik üben möchte,96 denn Kritik will „die Verallgemeinerung und Abstraktion nicht beiseite werfen (. . .), sondern, diese abstrakten Kategorien analysierend ihre wirkliche Bedeutung dartun“ 97, also nicht das Normative im Recht als Ideologie brandmarken und auswerfen, sondern es erklären. Das Programm eines materiellen Straftatbegriffs
ren. Und selbst ein Bekenntnis zu einer bestimmten Theorie kann jederzeit verworfen oder modifiziert werden. Einen Beleg dazu liefert etwa die Beteiligungslehre: Auch wenn die Rechtsprechung sich seit Jahrzehnten zur Tatherrschaftslehre hinwendet, lässt sie sich allemal die Einzelfallentscheidung offen (siehe dazu nur W. Schild, NK-StGB5, § 25, Rn. 36). – Treffend M. Jestaedt, in: Handbuch Rechtsphilosophie, 2017, 267, 274: „Die Charakterisierung der von Rechtswissenschaftlern betriebenen Rechtsdogmatik als Entscheidungs- oder Steuerungswissenschaft darf daher nicht dahin (miss)verstanden werden, dass durch diese in mehrfacher Hinsicht normative Disziplin rechtlich relevante Entscheidungen getroffen oder eine rechtlich relevante Steuerung betrieben würde, dass Rechtsdogmatik folglich als Rechtserzeugungsquelle gelten dürfte.“ Ferner M. Jestaedt, in: Rechtswissenschaftstheorie, 2008, 185, 201. 89 Vgl. dazu H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 1960, 224 mit Fn. *. 90 M. Jestaedt, Das mag in der Theorie richtig sein, 2006, 29. 91 Der Wahrheitsanspruch von Wissenschaft ist zuletzt wieder verstärkt betont worden, siehe etwa J. W. Scott, Knowledge, Power, and Academic Freedom, 2019, 118 ff. Besonders eindringlich K. F. Gärditz, JöR 69 (2021), 505, 518 ff.; K. F. Gärditz, ZIS 2021, 413. 92 G. Jakobs, Das Schuldprinzip, 1993, 30. Siehe auch schon K. G. Wurzel, Das juristische Denken, 1904, 3: „Der schöne Satz: je ne propose rien, je ne suppose rien, j’expose bleibt immer der oberste Grundsatz der Wissenschaft.“ 93 M. Jestaedt, Das mag in der Theorie richtig sein, 2006, 27. 94 Klassisch die Behauptung von H. Kantorowicz, in: Verhandlungen des 1. Deutschen Soziologentages vom 19. bis 22. Oktober 1910 in Frankfurt am Main, 1911, 275, 304, „[d]aß das juristische Denken nicht eine kausale, sondern eine teleologische, nicht eine empirisch-soziologische, sondern eben eine juristisch-normative Operation darstellt, nicht nach dem Warum, sondern nach dem Wozu fragt“. 95 Mit H. Kantorowicz, Die Lehre vom richtigen Recht, 1909, 7 ist das Anliegen also keine „normative Wissenschaft“, sondern „Wissenschaft vom Normativen“. 96 D. Kuch, RphZ 7 (2021), 460, 469: „Der neutral-distanzierte Blick des Analytikers legt Begründungslasten offen, ordnet Verantwortlichkeiten zu und macht damit den Weg frei für die kritische Prüfung gesellschaftlicher Praktiken anhand ihrer eigenen Maßstäbe.“ 97 E. B. Pas ˇ ukanis, Allgemeine Rechtslehre und Marxismus, 1929/2003, 37.
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sollte also, zusammenfassend gesagt, Verallgemeinerbares in praktischen Einzelheiten suchen, womit gleichzeitig die vornehmlich rhetorische Unterscheidung von „Wissenschaft“ und „Praxis“ hinfällig wird.98 Es führt nicht weiter, das gesetzespositive Recht entweder im Sinne vorauseilender Loyalität blind zu affirmieren oder es andererseits nur unter dem Gesichtspunkt einer Abweichung von der idealistischen Sache zu kritisieren. Es kommt darauf an, den normativen Kern zu begreifen, und zwar nicht durch einen äußeren Abgleich, sondern aus der Sache selbst heraus.99 Das bedeutet, statt einer „Kritik, die mit ihrem Gegenstand kämpft“ die Widersprüche „in ihrer eigentümlichen Bedeutung“ zu fassen.100 Darin (nicht etwa in einem Kontrastprogramm mit – woher stammenden? – höheren Ideen oder Werten) erschöpft sich die Beurteilung eines Gegenstands: „[D]enn das Urteilen ist das Bestimmen des Begriffs.“ 101 Das Anliegen ist also nicht, nach einem vor-positiven Regelwerk zu fahnden, sondern vielmehr, die näheren Strukturen der Rechts-Wirklichkeit zu erklären, „den vorhandenen gesetzlichen Inhalt in seiner bestimmten Allgemeinheit zu erkennen“.102 Der daraus resultierende Begriff erreicht dann nicht die Stufe einer höheren Entität, aus der Neues abzuleiten wäre. Stattdessen gibt er sich mit einer Systematisierung der durch ihn umschlossenen Gegenstände zufrieden, ohne dabei ein eigenes Soll-Programm zu entwerfen.103 Diesem Begriff soll sich im Folgenden angenähert werden. Die folgenden Ausführungen möchten dazu die Grundlinien eines analytischen Programms notieren und die Prämissen der weiteren Untersuchung offenlegen.
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Überzeugend M. Auer, in: Selbstreflexion der Rechtswissenschaft, 2021, 301, 322: „Eine Lehre aus der historischen Abfolge privatrechtswissenschaftlicher Paradigmata der vergangenen zwei Jahrhunderte lautet mithin, dass es ein fruchtloses Unterfangen darstellt, realwissenschaftliche und dogmatisch-analytische Methodenanteile sowie – noch weitergehend – Wissenschaft und Praxis im Privatrechtsdenken gegeneinander auszuspielen.“ 99 G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986, § 31: „[D]ie Wissenschaft hat nur das Geschäft, diese eigene Arbeit der Vernunft der Sache zum Bewußtsein zu bringen.“ 100 K. Marx, Kritik des Hegelschen Staatsrechts (1843/44), MEW 1, 1956, 203, 296. 101 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften I, 1830/1970, § 165; instruktiv P. Stekeler-Weithofer, in: Hegels Lehre vom Begriff, Urteil und Schluss, 2009, 24, 32, 35 u. ö. 102 G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986, § 211 a. E. Ähnlich J. F. H. Abegg, Die verschiedenen Strafrechtstheorieen, 1835/1969, § 2. 103 Vgl. auch W. Hassemer/U. Neumann, NK-StGB5, vor § 1, Rn. 93: „Der Begriff, den sich das Strafrecht vom Verbrechen macht, darf dem Strafgesetz nicht widersprechen (Art. 20 Abs. 3 GG); er ist aber auch nicht schlicht aus dem Gesetz abgeleitet, sondern vielmehr ein Produkt der systematisch arbeitenden Strafrechtswissenschaft (. . .).“
B. „Demokratizität‘‘ als Fundamentaleinwand – Straftatbegriff rein formell?
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B. „Demokratizität“ als Fundamentaleinwand – Ist der Straftatbegriff rein formell? Das Anliegen eines materiellen Verbrechensbegriffs stößt teils auf verfassungsrechtlichen Widerspruch. In Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 GG wird das Strafrecht dem Gebiet der konkurrierenden Gesetzgebung zugeordnet. Diese Aufzählung setzt die Befugnis des Staates, Verhalten unter Strafe zu stellen (ius puniendi), im Grundgesetz voraus.104 Man könnte nun folgern, der Begriff strafbaren Verhaltens ließe sich anhand dieser formalen Annäherung bereits bilden: Der Staat darf strafen; was er bestraft ist demokratische Dezision, und gerade weil dieser Dezision ein demokratischer Prozess vorlagert, sind materielle Maßstäbe entbehrlich. Das ist der Kern eines Theorieeinwurfs, der zunehmend105 Raum in der Debatte um die Voraussetzungen staatlichen Strafens gewinnt.106 Die Weichenstellung ist bedeutsam: Wäre der „formell-demokratizitäre“ Straftatbegriff zutreffend, liefe jedes Ringen um einen inhaltlichen Begriff von Strafe und Straftat, wie er in dieser Untersuchung bemüht wird, ins Leere. Zugleich werden damit einige Klarstellungen zum Verhältnis von materiellem Straftatbegriff und Grundgesetz fällig.
104 K. Altenhain, Das Anschlußdelikt, 2002, 272 ff.; K. F. Gärditz, Strafprozeß und Prävention, 2003, 83 f. mit weiteren Referenzen aus dem Grundgesetz; H.-U. Paeffgen, NK-StGB4, vor §§ 32 ff., Rn. 11 ( H.-U. Paeffgen/B. Zabel, NK-StGB5, vor §§ 32 ff., Rn. 11) betont, dass der Staat sein Recht, zu strafen, bereits aus der „(aufklärerisch verstandenen) Urfunktion aller staatlichen Verfasstheit“ ableite und das Strafrecht damit keiner über den Staatszweck hinausgehenden Rechtfertigung bedarf; – kritisch dagegen K. Lüderssen, Die Krise des öffentlichen Strafanspruchs, 1989, 24 ff. Vgl. auch T. Vogler, ZStW 90 (1978), 132 f.; B. Zabel, ZStW 120 (2008), 68, 70 ff. 105 Zur dogmenhistorischen Entwicklung M. Jahn, in: Die Verfassung moderner Strafrechtspflege, 2016, 63, 73 ff. 106 Jeweils mit Unterschieden, durchgängig aber mit Betonung der demokratischen Gesetzesentstehung: K. Ambos, GA 2016, 177, 178, 187; I. Appel, Verfassung und Strafe, 1998, S. 381 ff. et passim; I. Appel, KritV 82 (1999), 278; K. T. Barisch, Die Bekämpfung des internationalen Terrorismus durch § 129b StGB, 2009, 121 f.; R.-P. Calliess, NJW 1989, 1338, 1342; A. Engländer, ZStW 127 (2015), 616, 632; K. F. Gärditz, Der Staat 49 (2010), 331; K. F. Gärditz, Staat und Strafrechtspflege, 2015, 39 ff.; K. F. Gärditz, JZ 71 (2016), 641, 648 ff.; K. F. Gärditz, FAZ 15.1.2016, 14; vgl. ferner K. F. Gärditz, in: FS Fischer, 2018, 963, 976 f.; K. F. Gärditz, in: Strafrecht und Gesellschaft, 2019, 709; K. F. Gärditz, in: GS Tröndle, 2019, 729, 738 ff.; E. Hilgendorf, Hdb-StrR I, § 17, Rn. 127; O. Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, 1996, 145 ff. et passim; H. Müller-Dietz, Strafe und Staat, 1973, 34 ff.; M. Pawlik, Das Unrecht des Bürgers, 2012, 101 ff. (siehe dort auch Fn. 559 a. E.); M. Pawlik, Normbestätigung und Identitätsbalance, 2017, 42 f.; C. Spörl, Das Verbot der Auslandsbestechung, 2019, 110 f.; C.-F. Stuckenberg, GA 2011, 653; C.-F. Stuckenberg, Oñati Socio-Legal Series 3 (2013), 31, 37 f.; C.-F. Stuckenberg, in: Verfassungsrechtsprechung, 2017, 557, 561 ff.; C.-F. Stuckenberg, in: Verfassungsrechtsprechung, 2017, 825, 828 f.; C.-F. Stuckenberg, ZStW 129 (2017), 349, 350 u. ö.; M. V. Wilfert, Strafe und Strafgesetzgebung im demokratischen Verfassungsstaat, 2017.
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I. Die Abwendung von einem materiellen Verbrechensbegriff Es handelt sich bei den auf „Demokratizität“ abstellenden Einwürfen um die Abkehr von der verbreiteten Grundannahme, dass Strafrecht nur als in engen Grenzen gehaltenes Strafrecht legitimierbar ist107 und das Prädikat „(straf-) rechtswidrig“ inhaltlichen108 Vorgaben unterliegt.109 Einen materiellen Verbrechensbegriff gibt es dann nicht.110 Als undemokratisch gelten „naturalistische bzw. ontologische Kriterien“ und eine Legitimation von Strafe, die „vorgrundgesetzlich“ und „metaphysisch“ eine „Idee der Gerechtigkeit“ verwirklichen will.111 Das positive Recht lässt tieferliegende Begründungszusammenhänge entbehrlich werden.112 Um ein „Diktat der Weisen“ 113 zu vermeiden, ist das zentrale Anlie-
107 T. Hörnle, Grob anstössiges Verhalten, 2005, 1 „Die Prämisse, dass Kriminalstrafe nur nach sorgfältiger Abwägung und mit besonderer Zurückhaltung eingesetzt werden soll [. . .] ist in der deutschen Strafrechtslehre heute unbestritten“ mit Verweis auf den Begriff der Ultima Ratio; H.-H. Kühne, in: FS Müller-Dietz, 2001, 419, 429 spricht von „[. . .] formell seit Jahrhunderten konsentierten Prinzipien der Ultima Ratio und des fragmentarischen Charakters des Strafrechts“. 108 Siehe schon W. Gallas, ZStW 67 (1955), 1, 3: „Ihr [FL: gemeint ist die teleologisch-wertbezogene Betrachtungsweise] dogmatisch wichtigstes Ergebnis ist die Zurückdrängung des formellen, auf die Normwidrigkeit der Rechtsverletzung abstellenden zugunsten eines materiellen, am Rechtsschutzzweck orientierten Rechtswidrigkeitsbegriffs. Verbrechen ist Unrecht, soweit es geschützte Rechtsgüter verletzt oder gefährdet.“ 109 H.-U. Paeffgen, NK-StGB4, vor §§ 32 ff., Rn. 11 f. ( H.-U. Paeffgen/B. Zabel, NK-StGB5, vor §§ 32 ff., Rn. 11 f.); I. Puppe, NK-StGB5, vor §§ 13 ff., Rn. 19: „Unrecht“ als materieller und somit steigerungsfähiger Begriff; siehe schon A. zu Dohna, Die Rechtswidrigkeit als allgemeingültiges Merkmal im Tatbestande strafbarer Handlungen, 1905, 27: „Rechtswidrig in diesem Sinne ist nicht etwa, was (und weil es) verboten ist; sondern umgekehrt muß behauptet werden, daß von der Rechtsordnung verboten werde, was (und weil es) rechtswidrig erfunden worden.“; dazu J. Krümpelmann, Die Bagatelldelikte, 1966, 28 f. 110 Dezidiert K. F. Gärditz, Der Staat 49 (2010), 331, 365; anders aber noch I. Appel, KritV 82 (1999), 278, 311. Ferner zu einem formellen Verbrechensbegriff P. Bockelmann, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 1987, 10 f.; J. Dallmeyer, ZStW 124 (2012), 711, 715; L. Kuhlen, in: Straftat, Strafzumessung und Strafprozess im gesamten Strafrechtssystem, 1996, 77, 96 f. 111 K. F. Gärditz, Der Staat 49 (2010), 331, 344. 112 C.-F. Stuckenberg, Vorstudien zu Vorsatz und Irrtum im Völkerstrafrecht, 2007, 457: „Mit der Anerkennung der Positivität des Rechts ist an die Stelle substantieller Vernunft mithin das ordnungsgemäße Gesetzgebungsverfahren getreten, an die Stelle der Normbefolgung aus innerer Einsicht in deren inhärente Vernünftigkeit der äußere Gehorsam gegenüber dem formal gültigen Gesetz.“; ähnlich C.-F. Stuckenberg, Untersuchungen zur Unschuldsvermutung, 1998, 498. Siehe auch schon C. Gusy, ZRP 1985, 291, 299 Fn. 35: „Mit dem Konstitutionalismus verlor das Gesetz seine konstitutionelle ,Vernunft‘“. 113 K. F. Gärditz, Der Staat 49 (2010), 331, 350; siehe auch (in Bezug auf die Verwaltungsrechtswissenschaft) K. F. Gärditz, in: Zur Lage der Verwaltungsrechtswissenschaft, 2017, 105, 131 f.
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gen knapp formuliert „der Vorrang der Demokratie vor der Philosophie“.114 Notwendigerweise einhergehend mit der beschriebenen Haltung ist ein fundamentaler Relativismus, der in der Demokratietheorie Hans Kelsens gründet: „Der metaphysisch-absolutistischen Weltanschauung ist eine autokratische, der kritisch relativistischen die demokratische Haltung zugeordnet. Wer absolute Wahrheit und absolute Werte menschlicher Erkenntnis für verschlossen hält, muss nicht nur die eigene, muss auch die fremde, gegenteilige Meinung zumindest für möglich halten. Darum ist der Relativismus die Weltanschauung, die der demokratische Gedanke voraussetzt. Demokratie schätzt den politischen Willen jedermanns gleich ein, wie sie auch jeden politischen Glauben, jede politische Meinung, deren Ausdruck ja nur der politische Wille ist, gleichermaßen achtet.“ 115
Die Unterscheidungen fügen sich in ein Gesamtbild antagonistischer Begriffspaare ein: Hier die formale Richtigkeit des Relativismus, dort die absolute Richtigkeit der Metaphysik, hier die zeitgeistadäquate temporär gebundene Herrschaft, dort der „demokratieabstinente Traum von der zeitlosen Ordnung“ 116, hier das positive Recht des Gesetzgebers, dort das nicht institutionell legitimierte Naturrecht.117 Daraus folgt ein Strafrecht, das sich streng funktional am gegenwärtigen Zustand gesellschaftlicher Strafbedürfnisse und Interessen orientiert. Grundrechte „garantieren (. . .) vornehmlich Gerechtigkeitsabwehrrechte“ 118: Wenn Strafe als profaner Stabilisator der Gesellschaft dient, müssen überlieferte Sanktions- und Zurechnungsmuster mit schwindendem gesellschaftlichen Nutzen gegebenenfalls weichen. Der Schutz des Einzelnen vor der Bestrafung bemisst sich dann nicht nach einem materiell ermittelbaren Freiraum personaler Entfaltung, sondern garantiert, dass der Strafgrund auf einem formaldemokratisch legitimen Verfahren beruht. Dieses Strafrecht ist „kontextbezogen, kulturabhängig, pragmatisch“. 119 Einzig der demokratische Kompromiss kann definieren, welches Verhalten einer Bestrafung angemessen ist, sodass die Kontingenz des positiven Rechts sämtliche Kategorisierungsformen von Recht und Unrecht ablöst. In den Mittelpunkt der Verbrechensbegründung geraten in der Folge nicht die Inhalte der Normen, sondern deren Geltung als solche. Die demokratisch angezeigte Straftheorie ist demnach die Generalprävention und Strafe sodann nur Unterfall zweckmäßigen staatlichen Handelns: „Prävention ist rechtsgebietsübergreifender Sanktionszweck, universalisiertes Paradigma der Gesellschaft. Gerade diese am ehesten rationalisierbare Strafbegründung 114 K. F. Gärditz, JZ 71 (2016), 641, 650; im Anschluss an R. Rorty, Philosophical papers I, 1991, 192. 115 H. Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie (1929), 2006, 149, 225 f. Einschränkende Deutung aber bei H. Dreier, in: Hans Kelsens Wege sozialphilosophischer Forschung, 1997, 79, 98 ff. 116 K. F. Gärditz, JZ 71 (2016), 641, 650. 117 Siehe zu dieser Unterscheidung auch H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 1960, 357 ff. 118 K. F. Gärditz, Staat und Strafrechtspflege, 2015, 41. 119 K. F. Gärditz, in: GS Tröndle, 2019, 729, 741.
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Teil 1: Vorüberlegungen zum Straftatbegriff entkleidet das Strafrecht seiner Besonderheiten, macht es zu etwas Ubiquitärem und fügt es ein in den Kanon vielfältiger Instrumente staatlicher Konflikterledigung, zwischen bauaufsichtlicher Abrissverfügung, Platzverweis und Rückruf pestizidbelasteter Lebensmittel.“ 120
Das Strafrecht wird also durch die schlichte Verneinung eines gehobenen Legitimationszwanges in seiner Besonderheit herabgesetzt121 und zu einem herkömmlichen Fall präventiver Staatseingriffe erklärt.122 Bevorzugt innerhalb der Theorienfamilie wird die positive Generalprävention. Ihr wird zugeschrieben, das „soziale Substrat der Norm“ im Vergleich zur Spielart der Negativen Generalprävention stärker abzubilden und „gesellschaftliche Stabilisierungserwartungen [zu] formulieren, ohne die Gesetzgebung mit idealisierenden Anforderungen zu überfrachten“.123
II. Gesetz, Positivität, Geltung Das soeben vorgestellte Programm unterscheidet sich grundlegend von einer „an Anachronismen und Metaphysischem festklammernde[n]“ 124 Strafrechtstheorie, und zwar in Anlage und Durchführung der Analyse: Ausgangspunkt ist das positive und geltende Recht anstelle eines apriorisch bestimmten Soll-Zustandes; und dieses Recht wird erklärt anstatt es einer fiktiven Idee entgegenzuhalten. Das ist im Ausgangspunkt125 auch überzeugend. „Die Strafbarkeit ist ein Kind des positiven Rechts und damit auch der jeweils gelebten Verfassung und Praxis eines Staates.“ 126 Die Ent-Idealisierung und terminologische Abrüstung der Strafrechtsbegründung kann analytisch weiterführen: Ohne metaphysische Vorprägung eröffnet
120
K. F. Gärditz, Staat und Strafrechtspflege, 2015, 47. Ganz ähnlich I. Appel, Verfassung und Strafe, 1998, 27 ff., 475 ff.; C. Burchard, in: Die Verfassung moderner Strafrechtspflege, 2016, 27, 37 ff.; C.-F. Stuckenberg, ZStW 129 (2017), 349, 356. 122 Vgl. demgegenüber die Ausführungen von K. Lüderssen, StV 2004, 97, 101, dessen Analyse in Teilen konzeptionelle Ähnlichkeiten zu der soeben dargestellten aufweist (Strafe als präventives Zweckinstrument, Ablehnung absoluter und idealistischer Theorien, Einbindung der Straftheorie in die Verfassungstheorie), aber zu einem dezidiert strafrechts-kritischem Ergebnis kommt. 123 K. F. Gärditz, Der Staat 49 (2010), 331, 354 ff. 124 Insoweit zustimmend H.-U. Paeffgen, in: FS Wolter, 2013, 125, 127. 125 Überspitzt man diese Position, verliert sie sich in zu groben Unterscheidungen. Die strenge Zweiteilung in ein metaphysisches Naturrechts-Denken einerseits und den Rechtspositivismus provoziert eine Verkürzung des Debattengegenstandes, dazu M. Auer, in: Rechtswissenschaft in der Berliner Republik, 2018, 121, 140; vgl. auch G. Jakobs, in: „Eine gewaltige Erscheinung des positiven Rechts“, 2020, 93, 95. Ein schlichter Lagerwiderstreit „Naturrecht gegen Positivismus“ muss schon angesichts der Theorienvielfalt seine systematisierende Kraft einbüßen. Dazu auch R. Alexy, Begriff und Geltung des Rechts, 1992, 44 ff. 126 G. Jakobs, in: Vergangenheitsbewältigung durch Recht, 1992, 37, 45. 121
B. „Demokratizität‘‘ als Fundamentaleinwand – Straftatbegriff rein formell?
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sich ein nüchterner Blick auf das (Straf-)Recht, der erklären kann, ohne seine Entdeckungen mit weitläufigen Vorannahmen von Freiheit oder Gerechtigkeit127 abgleichen zu müssen.128 Soweit eine Rechtserklärung nicht unter den Auspizien belastender Ideengebäude steht, muss sie die Strafe ungeschönt beschreiben und kann Kritik damit fundieren. Ausflüchte auf höhere Gründe stehen dann nicht zur Verfügung, um materielle Gegebenheiten vor Einwänden abzuschirmen.129 Die Fokussierung auf den formal-demokratischen Herleitungsweg schöpft dieses Potenzial130 aber nicht aus. Wird die Spannung zwischen (ent-idealisiert betrachtet: sich schlicht vollziehender) Gesellschaft und kodifizierten Regelungen einseitig im gesetzespositivistischen Sinne aufgelöst, erbringt die Antwort keine vermittelnde Leistung, sondern schafft neue Unsicherheiten. Denn zu erklären wäre ja gerade die normative Kraft eines demokratischen Rechtsetzungsprozesses über den „Mythos des Gegebenen“ hinaus.131 In ungeschönter Beschreibung ist Demokratie aber zunächst eine Form der Herrschaftsorganisation und nicht mehr.132 Derartige Erklärungen sind im Angebot. Etwa werden in der Tradition des US-amerikanischen Pragmatismus133 ökonomische Elemente in die Rechtsbeschreibung integriert,134 um ein empirisches, philosophisch unvorbelastetes Substrat der Gesellschaft festzustellen.135 Entscheidend ist nun, dass sich das sogenannte „Concept 2“ 136
127 Zur Problematik eines unbestimmten Gerechtigkeitsideals, differenzierend, H.-U. Paeffgen, Vorüberlegungen zu einer Dogmatik des Untersuchungshaft-Rechts, 1986, 25 ff. 128 Eindrucksvoll etwa die Demaskierung der „ideologische[n] Funktion“ des Rechtssubjekts bei H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 1960, 175 f. Gegen eine „philosophical justification“ der Demokratie auch R. Rorty, Philosophical papers I, 1991, 178. 129 Allgemein zur beliebten Instrumentalisierung naturrechtlicher Muster H. Lau, KJ 8 (1975), 244. 130 Zu emanzipatorischen Ansätzen im Pragmatismus C. West, The American Evasion Of Philosophy, 1989, 211 ff. 131 Vgl. zum „Mythos des Gegebenen“ C. Menke, Kritik der Rechte, 2015, 204. So mischen sich teilweise auch naturalistisch-anthropologische Züge in das pragmatische Denken, beispielsweise bei J. Dewey, Creative Democracy – The Task Before Us (1939), 2021, 59, 62: „Democracy is a way of life controlled by a working faith in the possibilities of human nature.“ 132 Vgl. R. A. Posner, Law, Pragmatism, and Democracy, 2003, 143 ff., 206 ff. 133 Ausführlich und eingehend P. Kasiske, Rechts- und Demokratietheorie im amerikanischen Pragmatismus, 2009, 197 ff. et passim. 134 Vgl. etwa E. Krecké, International Review of Law and Economics 23 (2004), 421, 429 u. ö.; R. A. Posner, California Law Review 63 (1990), 1653, 1667 f.; R. A. Posner, University of Chicago Law Review 71 (2004), 683, 685; dazu S. Stübinger, Das „idealisierte“ Strafrecht, 2008, 446. 135 R. A. Posner, Law, Pragmatism, and Democracy, 2003, 254: „The important question ist what counts as justification (. . .) Economic norms are substansive.“ 136 So die Unterscheidung bei R. A. Posner, Law, Pragmatism, and Democracy, 2003, 130 ff.
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Teil 1: Vorüberlegungen zum Straftatbegriff der Demokratie (im Kontrast zum deliberativen und idealistischen „Concept 1“ 137) mit einem legitimierenden Rekurs auf Freiheitsideen kaum vereinbaren lässt. Demokratie ist dort keine „Form politischer Selbstbestimmung“ 138, sondern ganz unpathetisch eine effiziente Form der Machtorganisation.139 Sollte sich die demokratische Methode in diesem Zusammenhang als dysfunktional erweisen, wäre sie schlicht obsolet.140
III. „Idee der Freiheit“? Entgegen der anti-metaphysischen Vorannahmen141 wird nun die „Idee der Freiheit“ 142 als Legitimationsbasis der demokratischen Entscheidung vorgebracht. In die Gesamtaussage der beschriebenen Kernthesen möchte sich dieser Rekurs nicht einfügen – handelt es sich bei der „Idee“ doch um den Fixpunkt idealistischer Philosophie143 und einen klassischen Begriff der Metaphysik.144 Wenn das Freiheitsideal den tieferen Grund für den erhabenen Maßstab der Demokratizität ausmachen soll, kann demokratisches Strafrecht nicht seinen Ursprung ausklammern und die verwirklichende Besonderheit somit nicht gegen die zugrundliegende inhaltliche Allgemeinheit ausspielen.145
137 Ähnlich die Zweiteilung aus ganz anderer Richtung bei R. Dworkin, Was ist Gleichheit?, 2000/2014, 251 ff. O. Weinberger, Recht, Institution und Rechtspolitik, 1987, 228 spricht von einer „romantischen Auffassung“ einerseits und einem „ElitenKonkurrenz-Modell“ andererseits. 138 So K. F. Gärditz, JZ 71 (2016), 641, 648. Demgegenüber R. A. Posner, Law, Pragmatism, and Democracy, 2003, 144: „Democracy as pictured by Concept 2 democrats is not self-rule.“ 139 Paradigmatisch J. A. Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, 1942/2018, 355 ff. 140 Vgl. R. A. Posner, Law, Pragmatism, and Democracy, 2003, 146. 141 Vgl. die Trennungsthese von Demokratie und Philosophie (K. F. Gärditz, Staat und Strafrechtspflege, 2015, 29). Problematisch (siehe schon C. Schmitt, Legalität und Legitimität, 1932/1980, 31) scheint dabei jeder Verzicht auf Wahrheitsfindung. Inwieweit sich Demokratie und wissenschaftlicher Wahrheitsanspruch vertragen, ist Gegenstand intensiver Debatten, ausführlich L. Münkler, Expertokratie, 2020, 189 et passim. 142 K. F. Gärditz, Der Staat 49 (2010), 331, 342; noch einmal wörtlich bekräftigend K. F. Gärditz, Staat und Strafrechtspflege, 2015, 36; siehe auch schon die Terminologie bei H. Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie (1929), 2006, 149, 154, der von der „Idee der Demokratie“ spricht, in der sich „zwei Postulate unserer praktischen Vernunft [vereinigen]“ und ebenfalls die „Idee der Freiheit“ anführt. 143 Sowohl „Ideal“ als auch „Idee“ entstammen dem altgriechischen Begriff „idea“ („äußere Erscheinung“, später: „Muster“, „Vorbild“), Einordnung hier übernommen von S. Stübinger, Das „idealisierte“ Strafrecht, 2008, 21 ff.; vgl. auch B. Zabel, Schuldtypisierung als Begriffsanalyse, 2007, 153 (Ideal als „perfekte Realisierung“ einer Idee). Klassisch I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, 1781/1974, A 834 B 862: „Niemand versucht es, eine Wissenschaft zu Stande zu bringen, ohne daß ihm eine Idee zum Grunde liege.“ 144 R. Zaczyk, Der Staat 50 (2011), 295, 297. 145 Vgl. schon K. Amelung, Rechtsgüterschutz und Schutz der Gesellschaft, 1972, 320; O. Weinberger, Recht, Institution und Rechtspolitik, 1987, 228.
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„Wenn Freiheit nun aber der Grund einer Gemeinschaft von Freien als Demokratie ebenso ist wie der Grund des Rechts (mit dem Recht der Person als Ausgangspunkt), wird hier der Haupteinwand gegen Gärditz’ Position deutlich: Er übergeht diese einheitliche Wurzel von Demokratieprinzip und Recht, führt die Begründung des Rechtsinstituts (und nicht: des Gewaltinstruments!) „Strafe“ nicht auf diesen einheitlichen Ursprung zurück und kann deshalb beide so behandeln, als hätten sie an der Basis nichts miteinander zu tun.“ 146
Nimmt man diesen Einwand ernst, führt die unvermittelte Verknüpfung von pragmatischer „Demokratizität“ und Freiheitsidee nicht etwa zu einer nur rein wissenschaftsästhetisch kritikablen Vereinnahmung idealistischer Terminologie, sondern birgt die Gefahr einer handfesten Begriffsvertauschung: Wer sich unter Berufung auf seine Freiheit, im idealistischen Sinne vernunftgemäßer Autonomie, gegen eine Bestrafung wendet, soll sich das demokratische Zustandekommen der Gesetze entgegenhalten lassen müssen. Wenn das demokratische Zustandekommen (auch) dieser Gesetze seine normative Kraft wiederum aus der „Idee der Freiheit“ speist, wird deutlich, dass der Begriff nunmehr ein ganz anderer sein muss.147 „Freiheit“ wird gegen „Freiheit“ in Stellung gebracht. Man muss diese Spannung nicht im idealistischen Sinne auflösen – „Freiheit“ ließe sich selbstverständlich normativistisch auseinanderbauen und wäre dann ohne metaphysischen Eigenwert als ordnender Kanalisierungsmodus personaler Rechtsmacht zu verstehen148 – ohne Erklärung der Prämissen bleibt die Begründung eines radikalen Pragmatismus149 dagegen unausgewiesen.
IV. Grenzen des Relativismus Ein fundamentaler Relativismus geht also einem ganz anderen Zweck als der Ideen-Verwirklichung nach.150 So beinhaltet die erklärte „politische Kontingenz 146 R. Zaczyk, Der Staat 50 (2011), 295, 299; zusammenfassend zur Kontroverse S.-P. Hwang, Der Staat 51 (2012), 233, 233 ff. Mit gleicher Stoßrichtung wie Zaczyk: K. Gierhake, JRE 28 (2020), 171, 205; B. Noltenius, Die Europäische Idee der Freiheit und die Etablierung eines Europäischen Strafrechts, 2017, 308 ff.; S. Schick, GA 2020, 14, 30. 147 Unter streng idealistischen Auspizien ist die Sache dagegen klar, siehe I. Kant, Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis, 1793/1968, 57: „Was ein Volk über sich selbst nicht beschließen kann, das kann der Gesetzgeber auch nicht über das Volk beschließen.“ 148 Näher S. 61 ff. 149 „Weil die Rechtsidee sich nicht selbst verwirklichen kann“ (C. Schmitt, Politische Theologie, 1934/2009, 35), wäre der Konnex zwischen Freiheit (als unterstellte Rechtsidee) und Pragmatismus (als Verwirklichungsmodus) einer Begründung bedürftig. 150 Vgl. J. Habermas, Faktizität und Geltung, 1994, 117 f.: „Gewiß liegt im demokratischen Rechtsetzungsprozeß die Quelle aller Legitimität; und dieser beruft sich wiederum auf das Prinzip der Volkssouveränität. Aber der Gesetzespositivismus führt dieses Prinzip nicht so ein, daß der eigenständige moralische Gehalt subjektiver Rechte (. . .) gewahrt bleibt.“
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Teil 1: Vorüberlegungen zum Straftatbegriff
des Rechts“ 151 gerade den strikten Verzicht auf eine materielle Selbstbindung. Freiheitsrechte gehen also nicht restlos im demokratischen Mehrheitsprinzip auf, sondern stehen dort erst Recht in Frage.152 Wird das demokratische Mehrheitsprinzip, nach Kelsen wiederum die „relativ größte Annäherung an die Idee der Freiheit“ 153, als pragmatische Entscheidungsorganisation begriffen, bleibt offen, warum eigentlich zwischen welchen Interessen ein zu entscheidender Konflikt besteht.154 Damit entfällt die materielle Gegenüberstellung rechtsgestützter Interessen und die rein positivistisch begründete Dezision155 verwischt, dass sehr wohl eine materielle Entscheidung getroffen wird.156 Mit pauschalen Lobpreisungen der Demokratie als quasi-humanistische Notwendigkeit157 lässt sich das kaum auf einen Nenner bringen.158 Entweder prägt Beliebigkeit sowohl die Dimension bürgerlicher Freiheit als auch den Verwirklichungsmodus der Demokratie oder man setzt beides als unabdingbar voraus. Unschlüssig wäre dagegen, das Demokratieprinzip als absolut zu bestimmen und seine Grundlage, die bürgerliche Freiheit, unter der Mehrheitsentscheidung zu eskamotieren.159 „[G]erade die Demokratisierung der Politik erfordert schließlich um so mehr individuellen Rechtsschutz des Einzelnen, auch und gerade im Hinblick auf seine verfassungsmäßigen Rechte.“ 160
151 K. F. Gärditz, in: Strafrecht und Gesellschaft, 2019, 709, 719: „für ein freiheitliches Gemeinwesen Lebenselixier.“ 152 M. S. Moore, Harvard Journal of Law and Public Policy 31 (2008), 47, 63. 153 H. Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie (1929), 2006, 149, 159. Einwände gegen einen Relativismus nach dem Vorbild Kelsens sind nicht neu. Siehe nur M. Jestaedt/O. Lepsius, Der Rechts- und Demokratietheoretiker Hans Kelsen, 2006, VII, XI ff. mit Erwiderungen. 154 D. Murswiek, JZ 72 (2017), 53, 54 spricht vom „Strukturparadoxon der Demokratie“. 155 Gegen die Verknüpfung von Demokratie und dem „positivistische[n] Kleben am Wortlaut“ A. Somek, Wissen des Rechts, 2018, 58. 156 Vgl. U. Neumann, in: FS Fischer, 2018, 183, 194. Vgl. auch U. Kindhäuser, in: FS Ostendorf, 2015, 483, 484, 490. 157 Zur Gefahr einer ideologischen Überhöhung bei Argumentation anhand der Verfassung A. Hollerbach, in: Ideologie und Recht, 1969, 37, 50 ff. 158 Der kritische Hinweis auf die Grenzen einer demokratisch-relativistischen Argumentation entstammt auch nicht etwa einer idealistischen Freiheitstheorie, sondern war bereits Gegenstand der Debatte um den legal pragmatism, vgl. J. Bohman, Journal of Political Philosophy 6 (1998), 400, 407 ff.; J. Cohen, in: Deliberative Democracy, 1997, 407, 412 ff.; M. Festenstein, European Journal of Social Theory 7 (2004), 291, 296 f.; E. R. Kidwell, Albany Law Review 62 (1998), 91, 111 f. 159 Der Rechtsstaat ist eben kein voraussetzungsfreier „deus ex machina“, so zutreffend die Kritik bei G. Jakobs, GA 2020, 699, 702 an einem diskurstheoretischen Strafrechtsmodell. 160 N. Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993, 416.
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Das relativistische Abstreiten einer materiellen Dimension demokratischer Entscheidungen befreit nicht von deren materieller Wirkung.161 „Wer in der Frage: Neutralität oder Nicht-Neutralität neutral bleiben will, hat sich eben für die Neutralität entschieden.“ 162 Die bescheidene Zurückhaltung im relativistischen Denken führt zu dem paradoxen Ergebnis, dass verschiedene Standpunkte nicht in ein materielles Verhältnis gesetzt werden und sich eine inhaltliche Entscheidung so nicht vollziehen lässt.163 Gewährleistet ist lediglich das schlichte Vorhandensein der eigenen Ansicht. Die Ansicht findet in ihrer Qualität aber keine Berücksichtigung: Ein praktisch obsiegendes Argument ist voll legitimiert, ohne dass es sich mit inhaltlichen Einwänden befasst haben muss. Das Wesen relativistischer Toleranz liegt nüchtern betrachtet einzig in der Erlaubnis, bei einem absolut gesetzten Ergebnis gleichsam „mit der Faust in der Tasche“ die eigene Ansicht als formale Ansicht behalten zu dürfen. Die strafrechtsspezifischen Begrenzungsmechanismen164 umreißen dagegen einen inhaltlichen Rahmen des Sanktionierbaren, der nicht auf einer gleich-gültigen Mehrheitsentscheidung fußt.165 Die relativistische Kopplung von Strafrecht und demokratischer Rechtserzeugung gibt Schuldprinzip166 und Retributionscharakter der Strafe167 der Politizität preis, löst damit inhaltlich gesättigte Zu-
161 T. W. Adorno, Negative Dialektik, 1966, 44: „Die Relativität aller Erkenntnis kann immer nur von außen behauptet werden, solange keine bündige Erkenntnis vollzogen wird. Sobald Bewußtsein in eine bestimmte Sache eintritt und deren immanentem Anspruch auf Wahrheit oder Falschheit sich stellt, zergeht die angeblich subjektive Zufälligkeit des Gedankens.“ Kritisch etwa auch von ganz anderer Warte R. Dworkin, Justice for Hedgehogs, 2011, 42 ff. 162 C. Schmitt, Legalität und Legitimität, 1932/1980, 49. 163 Scharf A. Kaufmann, Rechtsphilosophie im Wandel, 1984, 65 „[. . .] die verlogene Toleranz der ,Koexistenz, einander feindlicher und sich ausschließender Absolutismen“; ähnlich H. Welzel, Naturrecht und materiale Gerechtigkeit, 1962, 251. 164 Zum Strafrecht als „Strafbegrenzungsrecht“: W. Naucke, ZStW 94 (1982), 564; F. Saliger, in: Von der religiösen zur säkularen Begründung staatlicher Normen, 2012, 183, 192; T. Vormbaum, ZStW 107 (1995), 744 ff.; T. Vormbaum, ZStW 123 (2011), 660, 687 ff. 165 T. Vogler, ZStW 90 (1978), 171 f. mit Bezug auf U. Scheuner, Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, 1973 (siehe dort insbes. S. 75 ff.); vgl. auch H.-U. Paeffgen, NKStGB4, vor §§ 32 ff., Rn. 11 (H.-U. Paeffgen/B. Zabel, NK-StGB5, vor §§ 32 ff., Rn. 11): „Aber Mehrheit ist ein demokratie-typisches Indiz für Sachgerechtigkeit, nicht mehr, aber auch nicht weniger“; weiter H. L. A. Hart, Law, Liberty and Morality, 1963, 81; J. Kaspar, ZStW 129 (2017), 401, 403; J. M. Silva-Sanchez, GA 2020, 322, 325. 166 Dessen Begründung fällt allen präventiven Theorien schwer, dazu H. H. Lesch, Der Verbrechensbegriff, 1999, 167 f.; die Problematik verschärft sich freilich, wenn der Schuldgrundsatz flexibler „normativer Zurechnungsmodus“ (= K. F. Gärditz, in: Schuld, 2017, 269, 276) ist (vgl. aber auch K. F. Gärditz, Der Staat 49 (2010), 331, 348 Fn. 100; K. F. Gärditz, VerfassungsR-HdB, § 13, Rn. 10). 167 Nicht zwingend trifft der Schluss zu, dass „absolute“ Strafbegründungen punitiv sind, so aber K. F. Gärditz, Der Staat 49 (2010), 331, 347. Gegen diesen Schluss Gärditz’ auch B. Fateh-Moghadam, Die religiös-weltanschauliche Neutralität des Straf-
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rechnungsfragen in einer formalistischen Normenhierarchisierung auf. Aber „[s]trafrechtliche Rechtsgüterordnung und grundgesetzliche Wertordnung gehören verschiedenen Norm- und Wirkebenen an“.168 Als Grundsatzproblem der „relativen Autonomie des einfachen Rechts“ ist das schwierige Zusammenspiel zwischen Verfassung und niederrangigeren Normen aus dem Zivilrecht bekannt, wo verfassungsrechtliche Wertungen die Privatautonomie zunehmend überlagern.169 Das normenpyramidale Verhältnis lässt sich aber nicht friktionslos in die Rechtsanwendung übersetzen, weil es über eine sich im Formalen erschöpfende und von allen Inhalten abstrahierte Kategorien-Kategorisierung nicht hinauskommt.170 Relativistische Begründungsmuster stoßen hier an Grenzen, soweit sie selbst das Wirkliche analysieren und keinen Alternativentwurf präsentieren wollen.
V. Demokratische Gesellschaftstheorie? Die Forderung nach „Demokratizität“ schließt in vielerlei Hinsicht an einem gesellschaftstheoretischen Strafrechtssystem an:171 Strafe ist Zuschreibung und soziale Kommunikationsform172, es geht um „Gesellschaftsfunktionalität“ 173 und im Sinne positiver Generalprävention sollen „normative Verhaltenserwartungen“ erfüllt und „Normgeltung“ bestätigt werden.174 Die an „Demokratizität“ orientierte Strafrechtskonzeption verklammert damit ein außerperspektivisches Beschreibungsvokabular mit strafrechtlicher Gesellschaftstheorie und einem grundgesetzlichen Demokratiebegriff. Gärditz attestiert dabei der Gesellschaftstheorie (nach Jakobs), sie sei „durchaus kompatibel mit einem konstitutionellen Realis-
rechts, 2019, 177. Gerade angesichts kaum begrenzbarer Präventionsbedürfnisse kennt eine diesen Erwartungen vorauseilende Straftheorie keine Grenzen. Insbesondere die Strafzumessung kommt ohne die rückgreifende Perspektive der retributiven Ansätze nicht aus (vgl. T. Grosse-Wilde, Erfolgszurechnung in der Strafzumessung, 2017, 112 ff.) Daher scheint es fraglich, generalpräventive Ansätze als „praktizierten Systemmittelpunkt“ (K. F. Gärditz, in: FS Paeffgen, 2015, 439, 465) zu bezeichnen. 168 K. Tiedemann, Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht, 1969, 29; vgl. auch M. Kubiciel, Die Wissenschaft vom Besonderen Teil des Strafrechts, 2013, 79. 169 M. Auer, in: Selbstreflexion der Rechtswissenschaft, 2021, 301, 317 zur „seit einigen Jahren dogmatisch nicht mehr beherrschbaren Dynamik der Konstitutionalisierung und der ebenfalls immer tiefer in das dogmatische Feinsystem des Privatrechts eingreifenden, systemfremden und teils ökonomische Fehlanreize setzenden Rechtsprechung des BVerfG“. Siehe schon M. Auer, in: Grundrechte und Privatrecht aus rechtsvergleichender Sicht, 2007, 27, 40 f. Optimistischer Gerhard Wagner, in: Obligationenrecht im 21. Jahrhundert, 2010, 13, 80 f. 170 Siehe hier am Beispiel der historischen Auslegung, die den Willen des demokratischen Gesetzgebers für sich veranschlagt, S. 210 ff. 171 So auch J. Kaspar, RW 7 (2016), 293, 295. 172 K. F. Gärditz, Staat und Strafrechtspflege, 2015, 21. 173 K. F. Gärditz, Staat und Strafrechtspflege, 2015, 41. 174 K. F. Gärditz, Der Staat 49 (2010), 331, 358.
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mus, soweit man (. . .) das Abstraktum Gesellschaft mit den konkreten Mechanismen der (demokratischen) Rechtserzeugung gezielter verkoppelt“.175 Die Unterschiede lagern indes noch tiefer: Demokratischer Positivismus erklärt nicht notwendigerweise die Normen der Gesellschaft.176 Recht fällt – ganz unabhängig von seinem formalen Legitimationsweg – nicht auf ein leeres Feld, das durch demokratische Regelpositivierung beliebig gestaltbar wäre.177 Normwirklichkeit entsteht nicht bloß durch die Kodifizierung eines institutionell erzeugten Kompromisses, sondern es besteht gleichsam ein „Resonanzraum“, der diese Normen begreifen und umsetzen muss.178 „Seine Unterscheidungen von Recht und Unrecht trifft der Gesetzgeber (unabhängig davon, wie er legitimiert ist) nicht ex nihilo, sondern vom Standpunkt jener ideellen Ordnungsgrundlage her, die das Recht trägt und prägt.“ 179 Es genügt also nicht, ein normatives Konzept isoliert über die staatsbürgerliche Teilnahme an der Willensbildung zu entwerfen. Kurz, der Schluss von (unbestimmten) Großbegriffen wie „Freiheit“ oder von bestimmten „Menschenbildern“ auf den staatlichen Organisationsmodus „Demokratie“ ist falsch. Die demokratische Entscheidung bewerkstelligt stattdessen die Subsumtion des durch Privatinteressen getragenen Eigenwillens unter den davon unterschiedenen staatlichen Willen.180 Reklameartige Anpreisungen wie das ernst Nehmen von Subjekten181 und die Berücksichtigung der ,individuellen Selbstbestimmungspraxen des Menschen‘182 lassen sich damit nicht als wohlbekömmliche Resultate einer Herrschaft durch Mehrheitsprinzip anführen. Die Rechtsperson wird durch normative Setzung konstituiert, institutionell fixiert und tritt erst gesellschaftlich in Aktion, sodass die Annahme einer auf demokratisch-relativistischem Wege bestmöglich erfolgenden Freiheitsverteilung irreführend ist: Die Prämisse einer vor-institutionellen und qua Demokratie zu sichernden Freiheitssphäre würde gerade einen metaphysischen Vorschuss erfordern. Um das zu verdeutlichen; soweit ersichtlich zitieren gleich vier einschlägige Passagen folgenden 175 K. F. Gärditz, in: Strafrecht und Gesellschaft, 2019, 709, 735 et passim; ähnlich K. F. Gärditz, Staat und Strafrechtspflege, 2015, 108 Fn. 180; gegenläufige Verteidigung des Systemdenkens schon bei G. Jakobs, System der strafrechtlichen Zurechnung, 2012, 18 Fn. 15. 176 G. Jakobs, in: „Eine gewaltige Erscheinung des positiven Rechts“, 2020, 93, 96; vgl. M. Pawlik, in: Strafrecht und Gesellschaft, 2019, 217, 238. 177 Vgl. M. Auer, AcP 216 (2016), 239, 249; S. Stübinger, Das „idealisierte“ Strafrecht, 2008, 44 f. 178 R. M. Cover, Harvard Law Review 97 (1983), 4, 7; G. Jakobs, Norm, Person, Gesellschaft, 2008, 53; A. Ross, On Law and Justice, 1959/2012, 99 f. 179 S. Haack, AöR 136 (2011), 365, 374 f. 180 Klassisch zur Differenz von Privat- und Staatsinteresse K. Marx, Kritische Randglossen zu dem Artikel „Der König von Preußen und die Sozialreform. Von einem Preußen“ (1844), MEW 1, 1956, 392, 401; vertieft unten S. 58 ff. 181 K. F. Gärditz, JZ 71 (2016), 641, 646; insoweit durchaus ähnlich zur Strafbegründungsidee, den Verbrecher als Vernünftiges zu ehren, vgl. G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986, § 100. 182 K. F. Gärditz, Staat und Strafrechtspflege, 2015, 35.
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Teil 1: Vorüberlegungen zum Straftatbegriff Satz:183 „Der liberal geprägte, freiheitliche Staat nimmt den Menschen nicht so wie er (nach Hegel oder Marx) sein sollte [. . .], sondern so, wie er ist: als Träger eigennütziger Interessen, der die Lasten, die ihm der Staat auferlegt, nur akzeptiert, wenn ihm deren Notwendigkeit einleuchtet.“ 184 – Ein auf „normative[n] Verhaltenserwartungen“ 185 gebautes Strafrecht kann indes gar nicht anders, als den Menschen zu nehmen, wie er sein soll. Wenn es tatsächlich um „Gesellschaftsfunktionalität“ geht, muss die Differenzierung nach originärem Individuum und der „gesollten“ Person im Sinne eines gesellschaftlich vermittelten Kommunikationsmediums gewagt werden.186 Die „eigennützigen Interessen“ verfolgt „der Mensch“ überdies nicht in Rechtsform, weil er – in ontologisierender Formulierung187 – „so ist“ 188, sondern, weil dergestalt die normative Erwartung an bürgerliche Rechtspersonen gestrickt ist.189 Demokratie wird durch Verweise auf „den Menschen“ also nicht erklärt, sondern nur mit Gründen untermauert.190
183 K. F. Gärditz, Der Staat 49 (2010), 331, 355; K. F. Gärditz, in: Strafrecht und Gesellschaft, 2019, 709, 729; K. F. Gärditz, in: GS Tröndle, 2019, 729, 738 Fn. 59; M. V. Wilfert, Strafe und Strafgesetzgebung im demokratischen Verfassungsstaat, 2017, 102. 184 J. Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, 1983, 20. 185 K. F. Gärditz, Der Staat 49 (2010), 331, 358. 186 Konsequent G. Jakobs, Norm, Person, Gesellschaft, 2008, 38. 187 Der Rückzug in die Ontologie findet sich schon bei Kelsen, wenn er zur Begründung des Mehrheitsprinzips anführt, „daß es keine menschliche Gesellschaft gibt, innerhalb deren von vornherein in jeder Hinsicht wesentliche Interessenharmonie besteht [. . .]“ (H. Kelsen, Demokratie (Vortrag), 2006, 115, 141). Kelsen reagiert damit auf den Einwand, dass Interessenkollisionen ein Produkt ökonomischer Gegensätze seien. Ebendieser durchweg normativen Replik wird seitens Kelsen eine ontologische Duplik entgegengehalten; krit. auch zur „wesensphilosophisch-antropologistisch[en] und pessimistisch[en]“ Begründung Kelsens D. Uhlig, Das Recht bei Marx und im Materialismus, 2020, 91 mit Fn. 351. 188 Der Einfall, in der jeweils gegenwärtigen Epoche den Menschen, „wie er ist“, erkennen und mit einem insoweit „menschengerechten“ Regelkorsett versehen zu können, hat eine lange Tradition, die so manches „Menschenbild“ überdauert hat, siehe A. O. Hirschman, Leidenschaften und Interessen, 1980, 22. 189 Das Zitat Isensees setzt offenbar eine normativistische Lesart Hegels voraus, übergeht dabei freilich das zentrale Anliegen Hegels, Sein und Sollen auf einen Begriff zu bringen (näher bei Fn. 386). Weiter ist auch Marx von dem Vorwurf zu entlasten, er nehme den Menschen wie er „sein sollte“. Utopistische Sehnsüchte nach einer Idealwelt („Zukunfts-Gesellschafts-Bau-Phantastereien“, K. Marx, Brief an Wilhelm Bracke, MEW 34, 1966, 305) galten Marx als „albern, fad und von Grund aus reaktionär“ (K. Marx, Brief an Friedrich Adolph Sorge, MEW 34, 1966, 302, 303; verkürzt daher M. Pawlik, JRE 28 (2020), 151, 163 ff.). „Kritik heißt hier [. . .], den historischen Charakter einer Gesellschaftsform aufweisen, die spontan als Naturform erfahren bzw. hingenommen wird“ (W. F. Haug, Vorlesungen zur Einführung ins ,Kapital‘, 1974, 190). – Isensee setzt dagegen den als gesellschaftlich vermittelt beschriebenen Egoismus ontologisch voraus und ist mit dieser Prämisse dazu genötigt, jede Kritik an der betroffenen Gesellschaftsform als moralisierenden Appell an das Individuum zu begreifen (dieses „ist“ schließlich bürgerliches Subjekt). 190 Unklar M. V. Wilfert, Strafe und Strafgesetzgebung im demokratischen Verfassungsstaat, 2017, 43 mit Fn. 31, wo im Rahmen der Forderung nach einer verstärkten demokratischen Anbindung des Strafrechts das Demokratieprinzip zunächst gesellschaftsvertraglich begründet wird (anders zur Denkfigur des Gesellschaftsvertrages
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Demokratie ist denn auch nicht ein Eldorado der Privatinteressen, sondern die praktische Verlaufsform ihrer Umsetzung im Staat.191 Im Falle der Normverwerfung etwa werden demokratisch-legislatorische Entscheidungen von höherer Instanz anhand der ihr eigenen Gründe192 fallen gelassen; wäre das Privatinteresse mit dem demokratisch ermittelten Kollektivinteresse gleichförmig, bliebe die Normverwerfung ein nicht legitimierbarer Übergriff. Das bedeutet eben auch, dass die durch den staatsbürgerlichen Mehrheitswillen abgesicherte Entscheidung mit den dem privaten „Bourgeois“ staatlich gestatteten Freiräumen fortlaufend kollidiert – das Strafrecht ist hier der krasseste Beispielsfall.193 Ein Verweis auf diese Idealisierung einer personalen Sphäre, die im Widerspruch zur demokratischen Entscheidung stehen kann (wie der Grundrechtekatalog es auch fixiert), setzt also nicht die eigenen Ableitungen als gültiges Recht,194 sondern verweist auf die Vorannahmen des tatsächlich gültigen Rechts.195 Mit den ideellen Bezügen ist keine Naturrechtsstruktur gemeint, sondern das inner-rechtliche Selbstverständnis des Normativen, das seine zentralen Wertungen nicht von empirischen Erfordernissen abhängen lässt (so ist im Staat des GG jeder Mensch qua normativer Setzung auch Rechtsperson196). Es ist die Pointe der Rechte, dass Nützlich-
K. F. Gärditz, GA 2018, 605, 606; K. F. Gärditz, in: Strafrecht und Gesellschaft, 2019, 709, 716 Fn. 59), siehe auch M. V. Wilfert, Strafe und Strafgesetzgebung im demokratischen Verfassungsstaat, 2017, 44: „Das Individuum geht dem Staat damit voraus.“ – Gleichzeitig ist aber die Rede von der „Gleichursprünglichkeit von Subjekt und Gesellschaft bzw. Staat“ (ebd., 99 f.). Die These der „Gleichursprünglichkeit“ lässt sich im Kontext eines contrat social nicht sinnvoll verwenden: Es ergibt sich nicht, wer den Vertrag schließen könnte. Die rechtsfähige Person entsteht doch erst gleichursprünglich mit dem Staat. Zu einem Vertrag braucht es Vertragspartner, die vor Vertragsschluss schon Rechtssubjekte waren Folgerichtig lehnt der Denker der „Gleichursprünglichkeit“ die Fiktion des Gesellschaftsvertrags dezidiert ab (G. Jakobs, Norm, Person, Gesellschaft, 2008, 20 ff.). Siehe auch bei Fn. 370. 191 Nach L. L. Obermayr, Die Kritik der marxistischen Rechtstheorie, 2022, 225 Fn. 161 ist die Demokratie „genau darin Ideal, dass Herrscher und Beherrschte identisch sind, das Herrschaftsverhältnis an sich jedoch nicht reflektiert wird“. 192 Deutlich etwa BVerfG, 24.3.2021 – 1 BvR 2656/18 ua = NJW 2021, 1723, Rn. 253 ff. Nach C. Möllers/N. Weinberg, JZ 76 (2021), 1069, 1077 nimmt das BVerfG dort „die Rolle einer Instanz der öffentlichen Vernunft“ an. 193 Vgl. G. de Lagasnerie, Verurteilen, 2017, 243. 194 Siehe auch gegen den Vorwurf rechtstheoretischer Übergriffigkeit M. Auer, in: FS Canaris II, 2017, 509, 513; A. Martins, in: Volk als Konzept in Recht und Politik, 2020, 117, 119 mit Fn. 5. 195 Es erzeugt also nur den Anschein einer Klärung, zunächst rechtliche Grundbegriffe unausgesprochen in die Verfassung hineinzulesen, um sie sodann als positives Verfassungsrecht daraus wieder ableiten zu können (vgl. K. Gierhake, JRE 28 (2020), 171, 201 f.). Deutlich auch W. Frisch, in: Straftat, Strafzumessung und Strafprozess im gesamten Strafrechtssystem, 1996, 135, 162 Fn. 77: „Letztlich steckt in der ,Ableitung‘ aus vagen Verfassungsprinzipien ja doch in der Regel nur ein unklares Gemenge von Auslegung und (nicht eingestandener) rechtsphilosophischer Reflexion“; weiter A. Deckert, ZIS 2013, 266, 272; L. Greco, in: Strafrecht und Verfassung, 2013, 13, 26 ff. 196 Ausführlich S. 100 ff.
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keitsdenken und Konstitutionalisierung immer am individualistischen Maßstab des Eingriffs in bürgerliche Rechtspersönlichkeitssphären zu messen sind.197 Der innere Idealismus des Rechts198 erübrigt sich schlichtweg nicht, wenn er formalistisch verdeckt wird.199
VI. Zusatz: Zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – die Problematik der Verhältnismäßigkeitsprüfung im materiellen Strafrecht Die Grundsatzbedenken gegen einen rein formellen Verbrechensbegriff setzen sich in der konkreten Fallprüfung fort. Verfassungsrechtlich geprägte Beiträge möchten zur Eingrenzung strafbarer Verhaltensweisen das Verhältnismäßigkeitsprinzip und damit einhergehend die Grundrechtsdogmatik verwenden.200 Auch das BVerfG übernimmt im Grundsatz diese Vorgehensweise.201 Gefolgert wurde daraus bereits, dass das BVerfG alle weiteren Eingrenzungsprinzipien ablehnt.202
197 M. Auer, Materialisierung, Flexibilisierung, Richterfreiheit, 2005, 67 f.; M. Auer, in: Selbstreflexion der Rechtswissenschaft, 2021, 301, 302, 324. Dagegen verschleift diese Reibung der Beitrag von K. F. Gärditz, in: Repräsentative Demokratie in der Krise?, 2013, 49, 58 Fn. 29 durch einen Verweis auf demokratische Prozeduralisierung, Relativismus und Pluralismus. 198 Soweit später der „Idealismus“ als Rechtsbegründungsprinzip kritisiert wird, bezieht sich die dortige Kritik auf die apriorische Herleitung des „Sollens“ (S. 58 ff.). Überaus treffend erfasst ist aber in der „idealistischen“ Philosophie die Funktionsweise normativer Regeln, der empirischen Lebenswirklichkeit einen Soll-Zustand entgegenzuhalten. 199 Vgl. M. Auer, Zum Erkenntnisziel der Rechtstheorie, 2018, 54 und insoweit zustimmend M. Pawlik, Der Staat 59 (2020), 627, 628. Den Fehler eines voreiligen für-selbstverständlich-Haltens positivistisch verankerter Grundbegriffe, hat bereits C. Schmitt, Politische Theologie, 1934/2009, 45, 50 f. herausgestellt: „Das metaphysische Bild, das sich ein bestimmtes Zeitalter von der Welt macht, hat dieselbe Struktur wie das, was ihr als Form ihrer politischen Organisation ohne weiteres einleuchtet.“ 200 Ausführlich M. V. Wilfert, Strafe und Strafgesetzgebung im demokratischen Verfassungsstaat, 2017, 158 ff.; siehe auch T. Weigend, LK-StGB12, Einleitung, Rn. 7: Das Rechtsgut sei dem Verhältnismäßigkeitstopos „unterlegen“; C. Burchard, in: Die Verfassung moderner Strafrechtspflege, 2016, 27, 42 ff.; D. Sternberg-Lieben, in: Die Rechtsgutstheorie, 2003, 65, 79 u. ö.; vgl. hier nur, diametral anders, K. Kühl, in: FS Heinz, 2012, 766, 767: „maßlos überschätzte Leistungsfähigkeit“ des Verhältnismäßigkeitsprinzips zur Strafrechtsbegrenzung. 201 Siehe nur BVerfG, 9.3.1994 – 2 BvL 43/92 ua = BVerfGE 90, 145, 172 ff.; BVerfG, 26.2.2008 – 2 BvR 392/07 = BVerfGE 120, 224, 239 ff.; BVerfG, 26.2.2020 – 2 BvR 2347/15 ua = BVerfGE 153, 182, 267; siehe aber auch BVerfG, 6.6.1967 – 2 BvR 375/60 ua = BVerfGE 22, 49, 80 mit starker Tendenz zu einem inhaltlichen Straftatbegriff; eine Übersicht der Entscheidungen des BVerfG zur materiellen Überprüfung von Straftatbeständen bei N. Wrage, Grenzen der staatlichen Strafgewalt, 2009, 149 ff. 202 Ausdrücklich C.-F. Stuckenberg, ZStW 129 (2017), 349, 351.
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Die Stellungnahmen changieren mitunter:203 Grundsätzlich betont das BVerfG den weiten Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers, bis schließlich im Beschluss zu § 173 StGB aus dem Jahr 2008 eine Absage an kritische Rechtsgutslehren formuliert wurde.204 Dagegen weist eine jüngere Entscheidung zu § 217 StGB aus dem Jahr 2020 in eine andere Richtung: Mit der Ablehnung moralischer Wertvorstellungen als Ziel strafgesetzgeberischer Tätigkeit bekennt sich das BVerfG zu strafrechtsspezifischen Gesetzgebungsschranken205 und begründet dies mit einem abweichenden Votum im Rahmen der Entscheidung aus 2008.206 Ebendieses Votum argumentierte wiederum anhand der Rechtsgutslehre.207 Wenngleich der neue Ansatz der Restriktion ohne Ableitung und die begründungsfördernden Prämissen damit unbekannt bleiben, scheint die Pönalisierungsfreiheit des Gesetzgebers mit der Entscheidung aus dem Jahr 2020 geerdet worden zu sein. Die vorherige Linie hatte ohnehin Fragen offengelassen. Insbesondere die Entscheidung aus dem Jahr 2008 stieß in der Literatur auf Kritik208 und Unverständnis im Gesamtzusammenhang der Verfassungsrechtsprechung.209 Zwar hat das BVerfG in der angesprochenen Entscheidung zu § 217 StGB jüngst eine Vorschrift des besonderen Teils des StGB aufgrund fehlender Verhältnismäßigkeit (Angemessenheit) verworfen – die weiterhin bestehende normative Grundproblematik soll dennoch herausgestellt werden.
Das Missverhältnis dürfte der Schwierigkeit entspringen, das materielle Strafrecht mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu untersuchen. Die Gründe für diese Schwierigkeit lassen sich auf die zweckmäßige Stoßrichtung der Strafe zurückführen. Zwischen der Kriminalstrafe und dem übrigen staatlichen Eingriffshandeln sind wesentliche Unterschiede auszumachen:210 Ganz unabhängig von einer theoretischen Strafzweckbestimmung muss die Strafe immer zurück-
203 W. Frisch, in: FS Neumann, 2017, 575, 581 Fn. 24: Rechtsprechung „nicht immer ganz geradlinig[ ].“ 204 BVerfG, 26.2.2008 – 2 BvR 392/07 = BVerfGE 120, 224, 241 f.; scharf H.-U. Paeffgen, in: FS Wolter, 2013, 125: „ein[ ] besondere[r] Tiefpunkt in dessen Judikatur“. 205 Ebenso aus verfassungsrechtlicher Sicht K. Amelung, Rechtsgüterschutz und Schutz der Gesellschaft, 1972, 318 ff.; J. Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, 2014, 440 ff. Für „verfassungsrechtlich kaum zu begründen“ hält einen Ausschluss der Bestrafung rein moralwidrigen Verhaltens dagegen C.-F. Stuckenberg, GA 2011, 653, 659; so auch M. V. Wilfert, Strafe und Strafgesetzgebung im demokratischen Verfassungsstaat, 2017, 165. 206 BVerfG, 26.2.2020 – 2 BvR 2347/15 ua = BVerfGE 153, 182, 271. 207 W. Hassemer, BVerfGE 120, 255, 257; die endgültige Ablehnung von § 217 StGB begründet BVerfG, 26.2.2020 – 2 BvR 2347/15 ua = BVerfGE 153, 182, 282 allerdings anhand fehlender Verhältnismäßigkeit (Angemessenheit). 208 So etwa bei: G. Duttge, in: FS Roxin II, 2011, 227; L. Greco, ZIS 2008, 234; K. Kühl, in: FS Heinz, 2012, 766; B. Noltenius, ZJS 2009, 15; H.-U. Paeffgen, in: FS Wolter, 2013, 125, 152 ff.; C. Roxin, StV 2009, 544; G. Steinberg, in: FS Rüping, 2008, 91; B. Zabel, JR 2008, 453. 209 T. Hörnle, NJW 2008, 2085, 2088; vgl. zur Zurückhaltung des BVerfG auch M. A. Zöller, in: GS Weßlau, 2016, 551, 557 ff. 210 T. Hörnle, Grob anstössiges Verhalten, 2005, 39 f.
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schauen und eine vergangene Tat als solche einordnen.211 Ihr wohnt damit (zumindest im Tatstrafrecht) zwingend ein retributives Element inne.212 Demgegenüber ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als formales Verfahren213 auf eine Abwägung zukünftiger Auswirkungen des Staatshandelns gerichtet.214 Ihm kann es seiner inneren Struktur nach überhaupt nicht gelingen, zurückblickende und mit einer Schuldzuschreibung versehene Bewertungen in ein inhaltliches Raster einzuarbeiten.215 „Verhältnismäßigkeit“ eröffnet als entscheidungsleitender Topos nur das „Ob“ eines kontextbezogenen Austauschs der Argumente, lässt alle materiellen Fragen des „Wie“ offen.216 Eine konsequentialistische Generalabwägung lässt sich kaum mit der Strafe und ihren deontologischen (und eben auch: verfassungsrechtlichen) Voraussetzungen (Bestimmtheitsprinzip, Schuldprinzip) in der Betrachtung verknüpfen.217 Ebendiese Voraussetzungen bedingen ein „gewisses Maß an (relativer) Starrheit“,218 das dem Strafrecht bewusst zugesprochen wird. Freilich ließe sich aus Sicht einer durchgängig präventiven Straflehre entgegnen, dass die Strafe doch ähnlich wie verwaltungsrechtliche Gefahrenabwehrmaßnahmen einem zukunftsorientierten Zweck dient.219 Während aber beispielsweise ein Betretungsverbot auf vergangene Ereignisse Bezug nimmt und daraus eine Gefahrenlage begründet, bezieht sich die Strafe auf das vergangene Ereignis als vergangenes Ereignis. Eine Tat veranlasst nicht etwa eine staatliche Maßnahme, sondern ist der ganze Grund für diese Maßnahme.220 Retribution als 211 So auch bei Befürwortung einer generalpräventiven Straftheorie auf institutioneller Ebene T. Hörnle, Tatproportionale Strafzumessung, 1999, 126 f. 212 T. Grosse-Wilde, Erfolgszurechnung in der Strafzumessung, 2017, 31; C. Roxin/ L. Greco, Strafrecht, Allgemeiner Teil Band 1, 2020, § 2 Rn. 1 f. 213 Kritisch L. Greco, in: Strafrecht und Verfassung, 2013, 13, 33; B. Noltenius, in: Grundrechtspolitik und Rechtswissenschaft. Beiträge aus Anlass des 70. Geburtstages von Helmut Goerlich, 2015, 93, 94; L. Rösinger, Die Freiheit des Beschuldigten vom Zwang zur Selbstbelastung, 2019, 56 ff. Siehe aber auch K. F. Gärditz, Strafprozeß und Prävention, 2003, 84 f. Fn. 269 zur „Konturenlosigkeit“ des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes; ferner K. F. Gärditz, Staat und Strafrechtspflege, 2015, 57 f.; C.-F. Stuckenberg, ZStW 129 (2017), 349, 356. Treffend H.-U. Paeffgen, in: FS Fischer, 2018, 61, 75 Fn. 72: Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als „Generalweichmacher“. 214 G. Jakobs, Schuld und Prävention, 1976, 6 f. 215 T. Hörnle, Grob anstössiges Verhalten, 2005, 40; K. H. Schumann, in: GS Tröndle, 2019, 483, 488. 216 H.-U. Paeffgen, in: FS Kargl, 2015, 373, 387. 217 Mit Fundamentalkritik am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (auch im Prozessrecht) M. Köhler, ZStW 107 (1995), 10, 15 ff.; anders zur Prinzipienabwägung etwa R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, 100 ff. (siehe zu Alexy und zu Schuldprinzip sowie Verhältnismäßigkeit wiederum S. Mir Puig, in: FS Hassemer, 2010, 521, 529 ff.); differenzierend H.-U. Paeffgen, Vorüberlegungen zu einer Dogmatik des UntersuchungshaftRechts, 1986, 165 ff. 218 H.-U. Paeffgen, in: FS Wolter, 2013, 125, 145 Fn. 90. 219 Vgl. K. F. Gärditz, Staat und Strafrechtspflege, 2015, 33, 47. 220 Siehe auch B. Noltenius, in: Grundrechtspolitik und Rechtswissenschaft. Beiträge aus Anlass des 70. Geburtstages von Helmut Goerlich, 2015, 93, 99.
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Strafrechtskern erschwert den Vergleich mit gefahrenabwehrrechtlichen Präventivmaßnahmen. Das betrifft den materiellen Straftatbegriff wie auch die Ausgestaltung der Strafrahmen, die eben tatangemessen sein müssen.221 Verurteilt wird wegen der zurückliegenden Tat; das ist die wesentliche Aussage eines Tatstrafrechts.222 Die Tat nur als „Symptom“ 223 anzuerkennen, wäre zumindest im Ansatz Teil einer täterstrafrechtlichen Ausrichtung. Nur aus den Straftat-inneren Begriffselementen, zu denen eben keine general- oder spezialpräventive Zukunftsprognose zählt, können sich Bezugsgrößen ergeben, ohne die eine Abwägung gar nicht stattfinden kann.224 Im Ergebnis scheint es voreilig, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz – zumindest soweit er nicht mit weiteren, strafrechtsspezifischen Kriterien unterfüttert wird225 – die Fähigkeit zur Bestimmung strafbaren Verhaltens entnehmen zu wollen. Allenfalls erreichbar wäre eine Ad-Hoc-Abwägung, die sich den Vorbedingungen nicht in angezeigter Tiefe widmen kann. Freilich bleibt das GG der formal-normenhierarchische Ausgangspunkt, an dem sich ein korrekt gebildeter Straftatbegriff zu messen hat. Aber er erschließt sich nicht aus den Eckdaten einzelner positivierter Vorbedingungen freiheitlicher Legalität (etwa dem unklaren Großbegriff der „Menschenwürde“, Art. 1 Abs. 1 GG) oder den ideellen Leitlinien der Staatsraison (Rechtsstaat, Demokratie). Sondern diese hohen Werte setzen voraus und stützen eine ganz bestimmte Form der nor221 So im internationalen Vergleich etwa die Position des kanadischen Supreme Court: Während in der kanadischen Prüfung der Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen das Verhältnismäßigkeitsprinzip „als festes Element (. . .) etabliert“ ist (N. Petersen, Verhältnismäßigkeit als Rationalitätskontrolle, 2015, 248), verweist der Supreme Court innerhalb der Verhältnismäßigkeitsprüfung auf die zwingende Tatangemessenheit gegenüber dem Zweck der generalpräventiven Wirkung eines Mindeststrafrahmens: „General deterrence – using sentencing to send a message to discourage others from offending – is relevant. But it cannot, without more, sanitize a sentence against gross disproportionality“, R. v. Nur, 2015 SCC 15, [2015] 1 S.C.R. 773 para 45; vgl. zur Entscheidung B. L. Berger, in: Strafzumessung, 2020, 191, 204. 222 Zur Bedeutung eines Tatstrafrechts jüngst noch einmal S. Großmann, Liberales Strafrecht in der komplexen Gesellschaft, 2016, 93 f. 223 K. Binding, Zeitschrift für das privat- und öffentliche Recht der Gegenwart 4 (1877), 417, 420 gerichtet gegen präventive Theorien im Allgemeinen; ähnlich E. Dreher, Über die gerechte Strafe, 1947, 30. 224 Auf die Notwendigkeit von Vorannahmen zur Abwägung weisen etwa hin: L. Greco, ZIS 2008, 234, 238; K. Kühl, in: FS Heinz, 2012, 766, 773 u. ö.; H.-U. Paeffgen, in: FS Wolter, 2013, 125, 163. 225 Zu einer Kombination von Rechtsgüterschutz und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz: W. Hassemer, in: Die Rechtsgutstheorie, 2003, 57, 58 ff.; M. Kuhli, ZJS 2021, 271, 273; J. Puschke, Legitimation, Grenzen und Dogmatik von Vorbereitungstatbeständen, 2017, 198 ff.; F. Saliger, in: Von der religiösen zur säkularen Begründung staatlicher Normen, 2012, 183, 212 f.; P. Schladitz, Normtheoretische Grundlagen der Lehre von der objektiven Zurechnung, 2021, 175 f.; G. Stächelin, Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat, 1998, 30 ff., 101 ff.; D. Sternberg-Lieben, in: FS Paeffgen, 2015, 31, 38 f.; M. Tsambikakis, in: Korruption im Sport, 2018, 35, 43; J. Vogel, StV 1996, 110, 113 ff.
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Teil 1: Vorüberlegungen zum Straftatbegriff
mativen Ordnung.226 Und erst aus dieser Struktur erschließt sich ein (insoweit auch Grundgesetz-adäquater) Begriff von Straftat und Strafe.
C. Rechtsgüterschutz als Ausgangspunkt? Ein materieller Verbrechensbegriff möchte das Proprium strafbarer Verhaltensweisen erfassen. Dem „Rechtsgut“ wird es traditionell zugesprochen, zur Erfüllung dieser Aufgabe beitragen zu können.227 Gleichwohl fallen die geläufige Einordnung des Rechtsgutsbegriffs und seine praktische Effektivität auseinander. Nach wie vor ist es üblich, „Rechtsgüterschutz“ als Ziel der Strafgesetzgebung zu bestimmen und die Legitimität einzelner Sanktionsnormen an der Übereinstimmung mit diesem Ziel auszumessen.228 Die Rechtswirklichkeit deckt diese Annahme nicht. Sowohl Gesetzgeber als auch Bundesverfassungsgericht nutzen den Terminus, schließen aus seiner Verwendung aber keine begrenzende Wirkung auf die Reichweite des Strafrechts, erkennen also eine „kritische“, verfassungsrechtlich229 durchschlagende Funktion nicht an.230 Im Kern wird darum gestritten, ob das Rechtsgut deskriptiv den Schutzzweck einzelner Sanktionsnormen umschließt, oder präskriptiv einen äußeren Schutzzweck-Maßstab vorgibt. Der beliebte231 Nachvollzug der Dogmengeschichte hilft 226
Dazu ausführlich sogleich S. 58 ff. Siehe etwa Armin Kaufmann, Die Aufgabe des Strafrechts, 1983, 5: „Seither – also seit etwa einhundert Jahren – wird auch in der Strafrechtswissenschaft der Satz nicht ernsthaft bestritten, daß Rechtsgüterschutz die Aufgabe des Strafrechts ist“ (Vortrag aus dem Jahr 1979). 228 Grundlegend für das „systemkritische“ Verständnis: W. Hassemer, Theorie und Soziologie des Verbrechens, 1973, 98 ff.; M. Marx, Zur Definition des Begriffs „Rechtsgut“, 1972, 62 ff. et passim; C. Roxin, Strafrechtliche Grundlagenprobleme, 1973, 13 ff. Aus der jüngeren Vergangenheit (auszugsweise): R. Hefendehl, GA 2002, 21; U. Neumann, in: „Personale Rechtsgutslehre“ und „Opferorientierung im Strafrecht“, 2007, 85; H.-U. Paeffgen, in: FS Wolter, 2013, 125; J. Puschke, Legitimation, Grenzen und Dogmatik von Vorbereitungstatbeständen, 2017, 181 ff.; C. Roxin, in: Empirische und dogmatische Fundamente, kriminalpolitischer Impetus, 2005, 135; F. Saliger, in: Von der religiösen zur säkularen Begründung staatlicher Normen, 2012, 183; K. H. Schumann, Prozessuale Verteidigung durch Geheimnisverrat, 2016, 111 ff.; B. Schünemann, in: FS Herzberg, 2008, 39, 47 ff.; D. Sternberg-Lieben, in: FS Paeffgen, 2015, 31. 229 Vgl. demgegenüber noch W. Frisch, Vom klassifikatorischen zum funktionalen Straftatsystem (1977), Notwendigkeit und Legitimation staatlichen Strafens, 2021, 357, 374: „(. . .) die Rechtsgüterschutzfunktion des Strafrechts – eine Funktion, die heute nicht nur in der Strafrechtsdoktrin praktisch weitgehend akzeptiert ist, sondern bei entsprechender Eingrenzung des Begriffs ,Rechtsgut‘ auch um ihre verfassungsrechtliche Rückbindung im Rahmen der Lehre von den Staatsaufgaben nicht besorgt zu sein braucht.“ 230 BVerfG, 26.2.2008 – 2 BvR 392/07 = BVerfGE 120, 224, 239 ff.; vgl. M. Heinrich, in: FS Roxin II, 2011, 131 zu Gesetzgeber (ebd., 135 ff.) und BVerfG (ebd., 140 ff.). 231 B. Fateh-Moghadam, Die religiös-weltanschauliche Neutralität des Strafrechts, 2019, 147 f.; R. Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, 2002, 9 ff.; S. Hüls, 227
C. Rechtsgüterschutz als Ausgangspunkt?
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dabei kaum weiter.232 Häufig entzünden sich Debatten anhand der unterschiedlichen Deutungen zum „kritischen Gehalt“ des Begriffs bei seiner Erstnennung durch Birnbaum im Jahr 1834.233 Eine Klärung des „wahren“ Gehalts der Rechtsgutslehre Birnbaums beantwortet aber nicht die Frage nach der treffenden Bestimmung des Rechtsgutsbegriffs, sondern fügt nur eine zweite Frage, nämlich die nach der historischen Kongruenz, hinzu. Ob eine heute formulierte Rechtsgutslehre sich auf vermeintliche Traditionen stützen kann, berührt weder den erforderlichen Begründungsaufwand ihrer Herleitung, noch ihre dogmatische Leistungsfähigkeit.
I. Was ist ein Rechtsgut? Die zunehmende234 und zumeist recht deutliche Kritik235 des Rechtsgutsdogmas zielt primär auf dessen terminologische Unbestimmtheit ab. In diese Richtung geht der Hinweis, dass unter seinen Befürwortern ganz verschiedene Ansätze befürwortet werden, die mitunter in ihren Ergebnissen divergieren.236 Im Hinblick auf die Bezeichnung als „Gut“ wird betont, dass durch die UnterscheiGrenzen des Wirtschaftsstrafrechts?, 2019, 42 ff.; S. Löffler, Rechtsgut als Verfassungsbegriff?, 2017, 37 ff.; B. H. Schulte, Archiv für Begriffsgeschichte 35 (1992), 25, 25 ff.; T. Vormbaum, ZStW 123 (2011), 660, 672 ff. 232 So auch J. Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, 2014, 197; M. Pawlik, in: FS Paeffgen, 2015, 13, 16; R. Zaczyk, Das Unrecht der versuchten Tat, 1989, 120. 233 J. M. F. Birnbaum, Archiv des Criminalrechts Neue Folge 1834, 149, 176 ff. Dazu H.-J. Rudolphi, in: FS Honig, 1970, 151, 152 ff.; B. Schünemann, in: Die Rechtsgutstheorie, 2003, 133, 137 ff.; W. Wohlers, GA 2012, 600, 600 ff. – Die Wiederbelebung Birnbaums Begriffs geht wiederum auf Binding zurück, vgl. K. Binding, Die Normen und ihre Übertretung 1. Normen und Strafgesetze, 1872, 189 mit Fn. 312; K. Binding, Die Normen und ihre Übertretung I, 1922/1965, 329 Fn. 18 bewertet selbst die Erwähnung in der Erstauflage: „Mir will scheinen als sei vornehmlich dadurch der Begriff des Rechtsguts tiefer in die deutsche Theorie und Praxis eingedrungen.“ Weiterführend dazu S. Stübinger, in: FS Kargl, 2015, 573, 577 ff.; S. Stübinger, in: FS Paeffgen, 2015, 49, 69 ff. 234 Siehe nur die Einordnungen von H.-U. Paeffgen, in: FG BGH IV, 2000, 695, 702 und später H.-U. Paeffgen, in: FS Wolter, 2013, 125, 125. 235 I. Appel, KritV 82 (1999), 278; A. Baratta, in: FS Arthur Kaufmann, 1993, 393, 398 u. ö.; A. Engländer, ZStW 127 (2015), 616; A. Engländer, in: FS Neumann, 2017, 547; A. Falcone, ZIS 2020, 212, 213; E. Hilgendorf, Neue Kriminalpolitik 22 (2010), 125, 128 ff.; G. Jakobs, Rechtsgüterschutz?, 2012; M. Kubiciel, Die Wissenschaft vom Besonderen Teil des Strafrechts, 2013, 78 ff.; M. Kubiciel/T. Weigend, KriPoZ 2019, 35, 35 f.; O. Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, 1996, 147 ff.; B. Müssig, Schutz abstrakter Rechtsgüter und abstrakter Rechtsgüterschutz, 1994, 152 ff.; C.-F. Stuckenberg, GA 2011, 653, 656 ff.; C.-F. Stuckenberg, ZStW 129 (2017), 349; J. Vogel, GA 2002, 517, 529 f.; W. Wohlers, GA 2002, 15. Pars pro toto W. Wohlers, in: „Eine gewaltige Erscheinung des positiven Rechts“, 2020, 143, 156: „[. . .], dass die systemkritische Rechtsgutstheorie [. . .] gescheitert ist“ und ebd., 159: „[. . .] hat ihre selbstgesetzten Ziele komplett verfehlt.“ 236 Siehe etwa die Aufzählung verschiedener Definitionen bei U. Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, 1989, 137; G. Stratenwerth, in: FS Lenckner, 1998, 377, 378.
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Teil 1: Vorüberlegungen zum Straftatbegriff
dung nach Rechtsgütern und Nicht-Rechtsgütern eine „ontische Weichenstellung von großer Tragweite“ getroffen werde.237 Der Vorhalt lautet insoweit, die Rechtsgüter seien ganz nach dem Vorbild empirischer Besitzstände am Leitbild plastischer Sachen konstruiert.238 Der Schutz solcher plastischer Sachen als Strafrechtszweck müsste zu einer eindimensionalen Zurechnungsmethode führen, die keine Freiheitsräume unterteilt, sondern Gefährder benennt. Ein zwingendes Argument gegen das „Rechtsgut“ als Kategorie ist das aber nicht. Entgegenstehend heißt es, dass ein „Gut“ schlichtweg positiv bewertete Gegebenheiten und Zustände benennt.239 Was „gut“ ist, wird Element einer Stellungnahme darüber, was erkannt und befürwortet wird, oder sogar erstrebenswert sein soll.240 Unter Berücksichtigung dieser Definition verschiebt sich wiederum der Begriffskern. Die Rede ist von der „Entmaterialisierung“ 241, also: einem Fortbewegen vom konkreten Gegenstand (etwa: einer sich im persönlichen Eigentum befindlichen Sache) hin zu dem allgemeinen Rechtsinstitut (im Beispiel: dem Eigentum als geschützte Position). Auf diesem Weg gelangen auch idealistische Ansätze zu einem Rechtsgutsbegriff;242 es handelt sich dann nicht um „konkrete[ ] Entitäten“ sondern um „Begriffssubstrate“.243 – Die Spannweite möglicher Deutungen nährt die Zweifel an der funktionalen Sinnhaftigkeit eines derart abstrakten Großbegriffs. Keine Lösung verspricht ebenso der Gedanke einer Rechtsgutsverletzung als „Typus“ der Straftat.244 Der dabei vorausgesetzte Typusbegriff wird nach klassi-
237
M. Pawlik, in: FS Kindhäuser, 2019, 351, 354. S. Lichtenthäler, Besitzverbot und Eigentumsschutz, 2020, 25 f.; B. Müssig, in: FS Fischer, 2018, 171, 173; M. Pawlik, in: FS Kindhäuser, 2019, 351, 355. Passend dazu kennt die Volkswirtschaftslehre den Begriff des „Guts“ als ökonomisches Transaktionsobjekt (S. Löffler, Rechtsgut als Verfassungsbegriff?, 2017, 27 ff. mit Nachweisen). 239 Weiterführend G. E. Moore, Principia Ethica, 1903/1970, 29 ff. 240 Ausführlich U. Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, 1989, 138 ff.; H. Koriath, GA 1999, 561, 562 u. ö.; J. Krümpelmann, Die Bagatelldelikte, 1966, 69. 241 Vgl. M. Krüger, Die Entmaterialisierungstendenz beim Rechtsgutsbegriff, 2000, passim mit vielen Beispielen (unter Entmaterialisierung wird dort indes die gesamte Ausweitung des Rechtsgutsbegriffs verstanden); B. Müssig, Schutz abstrakter Rechtsgüter und abstrakter Rechtsgüterschutz, 1994, 156. 242 E. A. Wolff, in: Strafrechtspolitik, 1987, 137, 156 f. und im Folgenden mit ausführlicher Herleitung; M. Köhler, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 1997, 24 f.; R. Zaczyk, Das Unrecht der versuchten Tat, 1989, 171 ff. (Rechtsgut als „Inbegriff der auf ein besonderes [subjektives, intersubjektives] Freiheitsdasein und dessen Existenzbedingungen bezogenen rechtlichen Verhaltensnormen“); siehe auch S. Lichtenthäler, Besitzverbot und Eigentumsschutz, 2020, 27; grds. zustimmend H.-U. Paeffgen, in: FS Wolter, 2013, 125, 132. 243 H.-U. Paeffgen, in: FS Wolter, 2013, 125, 138, siehe dort auch Fn. 60: „begriffliche Bezeichnungen für soziale Phänomene“. 244 So B. Schünemann, in: FS Neumann, 2017, 701, 707. Dort wird nicht auf mehrere gemeinsame Bedingungen des Begriffs abgestellt, sondern von einem „Typus“ (dem Rechtsgutsbegriff) und einem „Gegentypus“ (der Erzwingung bestimmter Lebens238
C. Rechtsgüterschutz als Ausgangspunkt?
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scher Bestimmung für undefinierbar gehalten und soll sich auf einer mittleren Ebene zwischen Begriff und Gegenstand befinden.245 Die so entstandene Planfigur hat „zwar einen festen Kern, aber keine festen Grenzen“.246 Der Rechtsanwender erlangt damit lediglich eine grobe Intuition dessen, was darunter zu fassen ist; für die Zuordnung im Einzelnen verbleibt dann nur noch der Vergleich mit dem Vorbild des Typus.247 Problematisch scheint dabei, dass sich diese Denkform von der formalen Logik unterscheidet: Ein Typus kann weder definiert werden, noch kann unter ihn subsumiert werden. Die Annahme einer schwammigen Gesamtheit verhindert es, einzelne begriffliche Merkmale abgleichen zu können. „[. . .] ein Bild muss man nicht in Merkmale zerlegen, sondern anschauen“.248 Analytisch weiterführend ist das nicht.
II. Begriffe statt Worte Der Ertrag der Diskussion um das „Rechtsgut“ als Leitkategorie des Verbrechensbegriffs ist gering. In aller Regel kleiden sich ganz anders gelagerte Einwände für oder gegen einzelne Straftatbestände oder die Gesamtausrichtung der Kriminalpolitik in dessen Worthülle, ohne dass damit ein neuer Gedanke hinzukäme.249 Die zugrundeliegenden Strukturen ließen sich schlicht als solche darstellen, ohne dass es auf deren Bezeichnung entscheidend ankäme.250 Damit führt eine Analyse mit Fokus auf die Terminologie kaum weiter. Begriff und Zweck eines Rechtsinstituts ergeben sich schließlich nicht aus Worten, sondern ein Wort steuert das „Sprachzeichen“ zu einem Begriff bei. Der Versuch einer „pyramidalen“ Ableitung (mit dem Begriff an der „Spitze“) muss sich in zirkulären Strukturen verlaufen, weil der verallgemeinernde Begriff schon immer stillschweigend voraussetzen muss, was er als seine Kreation ausgeben möchformen durch das Strafrecht) ausgegangen. Diese Bedingungen können sich dann aber nicht gemeinsam ergänzen, sondern bilden eher ein Spannungsfeld. Eine ausführliche Bestimmung des Rechtsguts als Typus entfaltet auch G. Fiolka, Das Rechtsgut, 2006. Dabei wird das hier kritisierte Typusverständnis (die Typusfigur soll vorwiegend „rhetorisch“ (ebd., 469) sein und eine ,narrative‘ Definition leisten (ebd., 480) weiterverfolgt und soll einen „harten“ Begriff ergänzen. 245 W. Hassemer, Tatbestand und Typus, 1968, 111 ff.; eine Auflistung der Merkmale bei L. Kuhlen, Typuskonzeptionen in der Rechtstheorie, 1977, 16; eher kritisch T. Walter, Der Kern des Strafrechts, 2006, 63 f. 246 Arthur Kaufmann, Analogie und ,Natur der Sache‘, 1982, 47. 247 Dazu I. Puppe, in: FS Schünemann, 2014, 221, 223 f. 248 So die Kritik von I. Puppe, in: FS Schünemann, 2014, 221, 232; vgl. auch U. Kindhäuser, Rechtstheorie 15 (1981), 226, 246 f.; R. Zippelius, in: FS Engisch, 1969, 224, 226. 249 A. V. Lundstedt, Die Unwissenschaftlichkeit der Rechtswissenschaft I, 1932, 186 meinte bereits, das Rechtsgut im Strafrecht sei „das buchstäbliche Nichts“. 250 M. Pawlik, in: FS Kindhäuser, 2019, 351, 356; C.-F. Stuckenberg, ZStW 129 (2017), 349, 360.
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Teil 1: Vorüberlegungen zum Straftatbegriff
te.251 Rechtsbegriffe verfügen nicht über ein normatives Eigenleben, sondern hängen gänzlich von ihrer Aufladung ab.252 So ließe sich beispielsweise „Schuld“ terminologisch anders bezeichnen oder in funktionale Untergruppen spalten – ohne Rechtsfolgeveränderungen in Kauf nehmen zu müssen.253 Es stiftet keine Erkenntnis, sich auf Klaubereien einzulassen, was in welchem Wort befindlich sein mag.254 Entscheidend ist damit: Auf die Begründung kommt es an. Wie es überhastet ist, das „Rechtsgut“ aufgrund seines Bedürfnisses nach Untermauerung gänzlich zu verwerfen, scheint es andererseits von zu viel gutem Willen getragen, über den reinen Begriff ein straftheoretisches Konzept entwickeln zu wollen. Also muss eine weiterführende Debatte über Zugrundliegendes streiten. Durch den Prozess einer „Materialisierung von unten“ 255 werden Vorannahmen freigelegt und angreifbar. Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen spricht nichts gegen die funktionsgemäße Weiterverwendung des „Rechtsguts“.
D. Grundlegung: Rechtsverhältnis und Rechtverletzung Wieder im Vordringen256 befindet sich ein Begriff des Verbrechens als Rechtsverletzung.257 Vielversprechend scheint daran aber nicht seine (schon bei Feuer251 S. Stübinger, in: FS Paeffgen, 2015, 49, 80 spricht dem „Rechtsgut“ den „Begriffs“-Charakter ab: „Rechtsgut ist eben auch nur ein Wort!“; siehe auch den Diskussionsbeitrag von J. Bung zitiert nach D. Brodowski, ZStW 127 (2015), 691, 713. „Es sei aber, so Bung, magisches Denken, anzunehmen, dass aus dem Begriff des Rechtsguts selbst heraus ein Begrenzungsprogramm resultieren könne.“; grundlegend zur Begriffsjurisprudenz A. Ross, Harvard Law Review 70 (1957), 812, 818: „In this way, it must be admitted, our terminology and our ideas bear a considerable structural resemblance to primitive magic thought concerning the invocation of supernatural powers which in turn are converted into factual effects.“ 252 W. Hassemer/U. Neumann, NK-StGB5, vor § 1, Rn. 145 mit Beispielen. 253 Der Schuldgrundsatz verfügt über keinerlei wörtliche Verankerung im Grundgesetz. Das kann vergleichsweise bedacht werden, wenn auf das mangelnde verfassungsrechtliche Substrat der Rechtsgutslehren hingewiesen wird, vgl. H.-U. Paeffgen, in: FS Wolter, 2013, 125, 145 Fn. 90. 254 Zur Vielheit der Schuldbegriffe siehe H.-U. Paeffgen, NK-StGB4, vor §§ 32 ff., 208 f. (H.-U. Paeffgen/B. Zabel, NK-StGB5, vor §§ 32 ff., 208 f.); ausführlich zur Historie S. Stübinger, Schuld, Strafrecht und Geschichte, 2000, 204 ff. 255 T. Hörnle, Grob anstössiges Verhalten, 2005, 18. 256 G. Stächelin, Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat, 1998, 45 spricht von einer „erstaunlichen Renaissance“; siehe auch R. Bloy, GA 2006, 656, 657. 257 So mit Unterschieden in der Ausgestaltung W. Frisch, in: Straftat, Strafzumessung und Strafprozess im gesamten Strafrechtssystem, 1996, 135, 145 ff.; V. Haas, Kausalität und Rechtsverletzung, 2002, 54 ff.; F. Herzog, Prävention des Unrechts oder Manifestation des Rechts, 1987, 118 f.; P.-A. Hirsch, Das Verbrechen als Rechtsverletzung, 2021; T. Hörnle, Grob anstössiges Verhalten, 2005, 70 ff.; M. Kahlo, in: Die Rechtsgutstheorie, 2003, 26, 29; M. Köhler, Der Begriff der Strafe, 1986, 47 ff.; M. Köhler, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 1997, 22 ff.; S. Lichtenthäler, Besitzverbot und Eigentumsschutz,
D. Grundlegung: Rechtsverhältnis und Rechtverletzung
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bach258 recht erfolglose259) Eingrenzungsleistung für ein kriminalpolitisches Programm, sondern seine analytische Ordnungsfunktion: Statt mit einem lebensweltlichen Schadensereignis zu beginnen und sodann rückwärts zu denken und nach Verantwortlichen zu fragen, wird die Straftat an der Normativität und Lebenswirklichkeit verknüpfenden Struktur, dem Rechtsverhältnis, entlang bestimmt. Dieser Vorgang ist nach hiesigem Verständnis nun nicht als begriffsjuristische Prozedur zu verstehen, die einen voluminösen Großbegriff an den Anfang stellt und ihm anschließend bei der weiteren Kategorienbildung zusehen möchte. Es ist umgekehrt: Nur aus den merkmalsreicheren Straftatbeständen der Rechts-Praxis kann sich eine Gemeinsamkeit ergeben,260 die den allgemeinen Begriff konturiert (im Folgenden soll ausgewiesen werden, dass dieses tertium comperationis die Rechtsverletzung als Verletzung garantierter Freiheit ist).261 Der Begriff ist also nur dann zweckmäßig und analytisch tauglich, wenn er einen praktischen Modus (das ist im Folgenden das Aufeinandertreffen der ermächtigten Rechtspersonen) umschließt und verarbeitet, und dieser Modus die Rechtswirklichkeit prägt; wenn man es anders wenden möchte, muss der Begriff der „normative[n] Struktur der Gesellschaft“ 262 gemäß sein. Soll die Strafe nicht als „Gerechtig-
2020, 29 ff.; U. Murmann, Die Selbstverantwortung des Opfers im Strafrecht, 2005, 196 ff.; H.-U. Paeffgen, in: FS Wolter, 2013, 125, 131 ff.; J. Renzikowski, GA 2007, 561, 566 ff.; J. Renzikowski, M/R-StGB2, Einleitung, Rn. 11 ff.; K. Seelmann, Anerkennungsverlust und Selbstsubsumtion, 1995, 13 ff.; S. Stübinger, Das „idealisierte“ Strafrecht, 2008, 298 ff.; B. Vogel, ZStW 129 (2017), 629, 635 ff.; E. A. Wolff, ZStW 97 (1985), 786, 806 ff.; E. A. Wolff, in: Strafrechtspolitik, 1987, 137, 212 ff.; R. Zaczyk, Das Unrecht der versuchten Tat, 1989, 128 ff. – Vgl. auch T. Grosse-Wilde, Erfolgszurechnung in der Strafzumessung, 2017, 142 ff.; K. Günther, in: Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, 1995, 445; B. Müssig, Mord und Totschlag, 2005, 140 f.; B. Müssig, in: FS Fischer, 2018, 171, 177; W. Naucke, KritV 76 (1993), 135; A. Ripstein, Philosophy & Public Affairs 34 (2006), 215, 229 ff. 258 P. J. A. Feuerbach, Revision der Grundsätze und Grundbegriffe des positiven peinlichen Rechts. 2, 1800, 12 f.: „Der Gesetzgeber ist nur auf Rechtsverletzungen und auf äußerlich erkennbare Handlungen eingeschränkt: er kann nichts den Strafsanktionen unterwerfen, was nicht mittelbar, oder aber unmittelbar eine Rechtsverletzung in sich erhält [. . .]“; P. J. A. Feuerbach, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen Peinlichen Rechts, 1847, § 21. Ausführlich dazu K. Amelung, Rechtsgüterschutz und Schutz der Gesellschaft, 1972, 28 ff.; L. Greco, Lebendiges und Totes in Feuerbachs Straftheorie, 2009, 56 ff. 259 Der Gedankengang wurde nämlich schon von seinem eigenen Urheber durch die „Religions- und Sittlichkeitsdelikte“ erheblich relativiert, dazu M. Kubiciel, in: Feuerbachs Bayerisches Strafgesetzbuch, 2014, 393, 404 ff.; S. Löffler, Rechtsgut als Verfassungsbegriff?, 2017, 40 f. 260 J. Nagler, Die Strafe, 1918, 10: „Bloß aus den konkreten Erscheinungen des Rechtslebens können sich die Elemente des Rechtssystems herausstellen. Die Rechtsbegriffe sind ja keine inhaltsleeren kategorialen Formeln, sondern der Niederschlag aus zahlreichen Einzelsätzen der Rechtsordnung.“ 261 Vgl. H. Kaiser, Widerspruch und harte Behandlung, 1999, 128. Vertieft S. 81 ff. 262 Vgl. nur G. Jakobs, System der strafrechtlichen Zurechnung, 2012, 14.
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keitsverwirklichung“ verschwimmen,263 muss der Straftatbegriff realgesellschaftlich eingeformt und damit begründungsstrukturell angebunden sein.264 Intuitionen über Strafwürdigkeit leisten diese Anbindung nicht265 und tragen zu einer Kopplung an die Verfasstheit des institutionell Gesicherten kaum etwas bei.
I. Strafrecht als nachgelagerte Normenordnung Der Bezugspunkt der Strafe ist also inner-rechtlich zu suchen. In der Terminologie der Rechtsverletzungslehren muss es ein „Recht“ geben, das verletzt werden kann.266 Die Definition der Straftat hängt damit von vorgelagerten Bestimmungen267 ab.268 Gerade wenn es dem Strafrecht um rechtliche Bewertung gehen soll, kann der Verbrechensbegriff sich nur an der normativen Verhaltensqualität orientieren: an erlaubtem oder unerlaubtem Verhalten. 263 E. Ehrlich, Freie Rechtsfindung und freie Rechtswissenschaft, 1903, 28: „Es gibt keine Gerechtigkeit, die ein für alle Mal gegeben wäre, jede Gerechtigkeit ist, wie das gesetzte Recht, ein Ergebnis der historischen Entwicklung.“; zum Strafrecht G. Jakobs, in: Das Proprium der Rechtswissenschaft, 2007, 104, 133; A. V. Lundstedt, Die Unwissenschaftlichkeit der Rechtswissenschaft II, 1936, 56 f. 264 Vgl. K. F. Gärditz, in: Strafrecht und Gesellschaft, 2019, 709, 716; M. Pawlik, in: FS Jakobs, 2007, 469, 478, 486. 265 Vgl. insoweit K. F. Gärditz, Der Staat 49 (2010), 331, 336. 266 K. Binding, Die Normen und ihre Übertretung I, 1922/1965, 295: „Undenkbar ist eine rechtswidrige Handlung oder ein rechtswidriges Verhalten, die nicht wider ein subjektives Recht liefen“ (ebd., 308 freilich konkretisiert als „Verletzung des Rechts auf Botmässigkeit“, mithin als reiner Verhaltensnormenverstoß). R. Bloy, GA 2006, 656, 657 betont, dass sich das Strafrecht „auf Grundlage der Rechtsverletzungslehre [. . .] als lupenreine Sekundärmaterie begreifen [ließe]“. Klassisch auch J. Bentham, Pannomial Fragments, Works III, 1962, 211, 217. 267 Das meint nicht, dass es eine vernunftinhärente Normenordnung gäbe, auf die Sanktionsnormen nur noch reagieren (vgl. die Kritik von R. D. Herzberg, GA 2016, 737, 746 ff.). Wie K. Binding, Die Normen und ihre Übertretung I, 1922/1965, 45 schon feststellt, kann eine Sanktionsnorm auch die Konstituierung der Verbotsnorm veranlassen. – Der hiesige Ansatz betont lediglich, dass Strafe und Strafrecht als zweckmäßig eingebundene Bestandteile des Gesamtrechtssystems zu begreifen sind und keiner Sehnsucht nach zeitlos begründbarer Gerechtigkeit nacheifern. 268 Insoweit übereinstimmend: B. Burkhardt, in: Die deutsche Strafrechtswissensschaft vor der Jahrtauswende Rückbesinnung und Ausblick, 2000, 111, 121; G. Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, 1992, 27 ff.; W. Frisch, Tatbestandsmässiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988, 112 ff.; W. Frisch, in: Die Rechtsgutstheorie, 2003, 215, 219 ff.; K. F. Gärditz, Staat und Strafrechtspflege, 2015, 13; H.-L. Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluss, 1983, 101 u. ö.; V. Haas, Kausalität und Rechtsverletzung, 2002, 54 ff.; S. Hüls, Grenzen des Wirtschaftsstrafrechts?, 2019, 85 f.; M. Kubiciel, Hdb-StrR I, § 24, Rn. 13; E.-J. Lampe, in: FS Lüderssen, 2002, 279, 284; K. Lüderssen, Die Krise des öffentlichen Strafanspruchs, 1989, 39 ff.; H.-U. Paeffgen, Der Verrat in irriger Annahme eines illegalen Geheimnisses (Paragraph 97b StGB) und die allgemeine Irrtumslehre, 1979, 118 mit Fn. 298 (differenzierend); H.-U. Paeffgen, in: FS Wolter, 2013, 125, 133; I. Puppe, ZIS 2010, 216; J. Renzikowski, Restriktiver Täterbegriff und fahrlässige Beteiligung, 1997, 54 ff.; L. Rösinger, Die Freiheit des Beschuldigten vom Zwang zur Selbstbelastung, 2019, 89; T. Vormbaum, ZStW 123 (2011), 660, 668.
D. Grundlegung: Rechtsverhältnis und Rechtverletzung
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Herausgestellt wurde dieser Gedanke zunächst bei Binding: „Sofort aber weist das Strafrecht über sich selbst hinaus. Als Teil des Schutzrechts ist es ohne Zuziehung der Normen unverständlich. Das ganze Schutzrecht aber ist ja nur ein grosser accessorischer Rechtsteil. Die Rechtsgüter und Rechte, zu deren Schutz Normen und Strafgesetze bestimmt sind, liegen auf allen Rechtsgebieten zerstreut.“ 269 Dort steht diese Erkenntnis in enger Verknüpfung zu der durch ihn geprägten Normentheorie, also – grob gezeichnet – einer analytischen Trennung von Strafgesetz (ermächtigt den Staat zur Bestrafung) und vorgelagerter Verbotsnorm (bindet den Bürger und kann durch ihn verletzt werden).270 Wertvoll ist sie vorrangig als formal arbeitendes Hilfsmittel zur rechtstheoretischen Kategorisierung.271 Für den Straftatbegriff bedarf es dagegen der Klärung materieller Fragen.272
Folgender Gegenstand ist als gesellschaftliches Substrat dieser Fragen nach einer normativen Primärordnung im Folgenden zu erklären: Statt einer abstrakten Gerechtigkeitsidee, aus der jeder Einzelne seine Teilhabe speist, läuft die Rechtsmacht in einem modernen273, bürgerlichen Recht auf alle Einzelnen als Einzelne über.274 Dieses Recht unterscheidet sich insoweit vom ius vor-moderner Gesellschaften:275 Das materielle Interesse der Individuen findet Möglichkeit und Schranke in der organisierten Konkurrenz zwischen den zur eigenen Willkür ermächtigten Rechtsteilnehmern, die als gleichgeordnete und freie Personen mit 269
K. Binding, Handbuch des Strafrechts, 1885, 9 f. K. Binding, Handbuch des Strafrechts, 1885, 155 ff.; grundlegend schon K. Binding, Die Normen und ihre Übertretung 1. Normen und Strafgesetze, 1872, 28 ff.; dazu I. Ginou, Die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht bei der Untreue, 2020, 107 f.; T. Kröger, Der Aufbau der Fahrlässigkeitsstraftat, 2016, 52 ff. 271 T. Grosse-Wilde, in: Normentheorie und Strafrecht, 2018, 215, 236 f. und ebd., 241 f.: „Trotzdem können normentheoretische und -logische Rekonstruktionen von Rechtsregeln und Entscheidungen implizit und oftmals lediglich unterbewusst gefasste, normative Vorannahmen deutlich machen und den juristischen Diskurs bereichern, aber sie sind kein Allheilmittel für die Lösung aller normativen, juristischen oder (meta-) ethischen Ewigkeitsfragen“; siehe auch M. Kubiciel, in: „Eine gewaltige Erscheinung des positiven Rechts“, 2020, 331, 346. 272 Diese Unterscheidung betonen M. Kuhli, in: Normentheorie und Strafrecht, 2018, 119, 120; M. Pawlik, in: FS Jakobs, 2007, 469, 477 Fn. 54. 273 Der Begriff der Moderne im Recht orientiert sich vorliegend an M. Auer, in: Privatrechtstheorie heute, 2017, 98, 109 ff.; M. Auer, Zum Erkenntnisziel der Rechtstheorie, 2018, 57 ff. 274 Ausführlich zu dieser historischen Entwicklung M. Auer, Der privatrechtliche Diskurs der Moderne, 2014, 11 ff. et passim. Weiter H. Dreier, Dreier-GG3, vor Art. 1, Rn. 6; J. Habermas, Faktizität und Geltung, 1994, 109 ff.; K. Marx/F. Engels, Die deutsche Ideologie (1845/46), MEW 3, 1978, 5, 61 ff.; C. Menke, Kritik der Rechte, 2015, 49 u. ö. 275 Zu unterscheiden sind „Recht“ und „Ius“ allerdings nicht des unterschiedlichen Namens, sondern des unterschiedlichen Begriffs wegen. Die Vorstellung, über den Namen „Recht“ eine abstrakte, ideelle und zeitlose Definition finden zu können, ist verfehlt, sehr deutlich H. Kantorowicz, Der Begriff des Rechts, 1939/1963, 20. Vgl. zum historischen „Ius“ M. Foucault, Geschichte der Gouvernementalität II (1978/79), 2004, 52 ff.; S. Haack, Theorie des öffentlichen Rechts II, 2019, 24 f.; N. Luhmann, Gesellschaftsstruktur und Semantik/2, 1981, 49 ff. 270
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Rechten staffiert für ihr eigenes Auskommen zu sorgen haben.276 Innerhalb dieser personalen Herrschaftssphäre fungiert der Individualwille als Letztbegründung.277 „Das Subjekt ist das Atom der juristischen Theorie.“ 278 Recht ist dann eine Ordnung und Strukturierung der Kollision normativ ermächtigter Individualwillen, findet also interpersonal (nicht: zwischen Person und Sache oder Zustand) statt.279 Eine Rechtsstrafe verhandelt infolgedessen Konflikte zwischen den Personen, sie bezieht sich nicht auf die Qualität des in Frage stehenden Verhaltens als an sich negativ zu bewertende Handlung. Vielmehr muss die der Person zugeordnete Rechtskompetenz überschritten sein, Rechtskompetenz verstanden im Sinne eines ihrer Willkür ausgelieferten Organisationskreises: „Seit der Formulierung der Bedingungen des liberalen Rechtsstaates, etwa ab 1800, setzt der Begriff der Rechtlichkeit nicht eine gegenseitige Stützung der Bürger voraus, sondern lediglich einen gegenseitigen Respekt dergestalt, daß der andere zur Kenntnis genommen und sein Organisationsbestand durch eigene Organisation nicht beeinträchtigt wird.“ 280
Dieser soziale Tatbestand ist zur Erfassung der strafrechtlichen Rechts-Verletzung zunächst auf einen Begriff zu bringen. Folglich hängt die Strafe von den, vorwiegend zivilrechtlich geregelten,281 Freiheitskompetenzen ab.282 Deren Schutz umfasst nicht etwa einen opaken Begriff des „Bösen“ 283 oder isoliert zu begreifende Rechtsguts-Schädigungen284 – Person und Schutzgut stünden sich sonst in 276
Vgl. M. Auer, Der privatrechtliche Diskurs der Moderne, 2014, 44, 62 et passim. M. Foucault, Geschichte der Gouvernementalität II (1978/79), 2004, 373 f.: „(. . .) ein Subjekt, das als Subjekt individueller Entscheidungen erscheint, die zugleich nicht weiter zurückführbar und übertragbar sind. (. . .) Es ist eine Art von rückläufiger Begrenzung in der Analyse.“ 278 E. B. Pas ˇ ukanis, Allgemeine Rechtslehre und Marxismus, 1929/2003, 87. 279 Siehe etwa H.-U. Paeffgen, in: GS Armin Kaufmann, 1989, 399, 415; M. Pawlik, Das Unrecht des Bürgers, 2012, 140; B. Vogel, ZStW 129 (2017), 629, 637 f. 280 G. Jakobs, Urkundenfälschung, 2000, 9. 281 Nachvollziehbarerweise zeigt die Zivilrechtswissenschaft für einen strafrechtlichen Gerechtigkeitsfuror, der zivilrechtliche Wertungen „überholen“ möchte, teils wenig Verständnis, siehe M. Lutter, NZG 2010, 601; G. Wagner, MK-BGB8, vor § 823, Rn. 77. 282 Siehe schon (freilich im Rahmen einer utilitaristischen Position) J. Bentham, Principles of The Civil Code (1786), Works I, 1962, 299, 299: „The civil code is at bottom only the penal code under another aspect: it is not possible to understand the one, without understanding the other.“ 283 Klassisch F. C. von Savigny, System des heutigen römischen Rechts. 1, 1840, § 52: „Viele aber gehen, um den Begriff des Rechts zu finden, von dem entgegengesetzten Standpunkt aus, von dem Begriff des Unrechts. Unrecht ist ihnen Störung der Freyheit durch fremde Freyheit, die der menschlichen Entwicklung hinderlich ist, und daher als ein Übel abgewehrt werden muß. Die Abwehr dieses Übels ist ihnen das Recht [. . .] Indem sie auf diese Weise das Negative an die Spitze stellen, verfahren sie so, als ob wir vom Zustand der Krankheit ausgehen wollten, um die Gesetze des Lebens zu erkennen.“ 284 Dazu schon G. Jakobs, Der strafrechtliche Handlungsbegriff, 1992, 14 ff. Treffend G. Jakobs, ZStW 117 (2006), 839, 841: „Zweck des Rechtsstaats ist nicht höchstmögli277
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loser Verbindung gegenüber und das Strafrecht hätte sich an einer kaum vollständig leistbaren285 Sicherung des empirischen Güterbestandes abzumühen –, sondern den des „rechtlich konstituierte[n] Handlungssubjekt[s] im Prozeß gesellschaftlicher Sinnvermittlung, d. h. als Rechtssubjekt im Rechtsverhältnis“.286
II. Rechtsverhältnisse: Apriorische Begründung? Ein Teil der Strafrechtswissenschaft setzt zur Ableitung des Rechts-Verhältnisses sehr tiefschürfend an der idealistischen Philosophie nach Kant und Fichte an.287 Auch bei der Bestimmung des Begriffs des Opfers im Strafrecht werden, wie im Weiteren zu sehen sein wird,288 darauf beruhende Begründungswege vertreten. Kant verneint erkenntnistheoretisch den menschlichen Zugriff auf das „Ding an sich“ 289 und setzt für apriorische (also erfahrungsunabhängige) Urteile voraus, dass „die Gegenstände sich nach unserem Erkenntnis [sic] richten [müssen]“.290 Dies bedeutet nicht weniger als eine Verdoppelung des Subjekts,291 das „zwei Standpunkte“ 292 hat, nämlich den des Sinnes-Wesens und den des Vernunft-Wesens. Es ist zur sinnlichen Wahrnehmung fähig, aber erst mithilfe seiner Vernunft in der Lage „die sinnlichen Vorstellungen unter Regeln zu bringen“.293 Während bei den Naturgesetzen „die Objekte Ursachen der Vorstellungen sein müssen, die den Willen bestimmen“ soll bei den Vernunftgesetzen „der Wille Ursache von den Objekten sein“.294 Am Ende der Widerlegung aller erfahrungsunabhängigen Erkenntnis bleibt bei Kant nur die „Freiheit“ als „einzige unter allen
che Gütersicherheit, sondern wirkliche Rechtsgeltung, und zwar in der Moderne wirkliche Geltung eines Rechts, das Freiheit ermöglicht.“ 285 Siehe im zweiten Teil bei Fn. 303. 286 B. Müssig, Mord und Totschlag, 2005, 141. 287 Grundlegend dazu aus den 1980ern: M. Köhler, Der Begriff der Strafe, 1986, 47 ff.; E. A. Wolff, ZStW 97 (1985), 786, 806 ff.; E. A. Wolff, in: Strafrechtspolitik, 1987, 137, 212 ff.; R. Zaczyk, Das Unrecht der versuchten Tat, 1989, 128 ff.; übersichtlich zu den verschiedenen Vertretern einer neoidealistischen Straftheorie K. Gierhake, Der Zusammenhang von Freiheit, Sicherheit und Strafe im Recht, 2013, 247 ff.; noch einmal ausführlich: L. Rösinger, Die Freiheit des Beschuldigten vom Zwang zur Selbstbelastung, 2019, 66 ff. 288 S. 159 ff. 289 I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, 1781/1974, B 235 A 190: „(. . .) wie Dinge an sich selbst (. . .) sein mögen ist gänzlich außerhalb unserer Erkenntnissphäre.“; I. Kant, Kritik der Urteilskraft, 1790/1974, AB XVIII f. 290 I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, 1781/1974, B XVI. 291 So H. Kaiser, Widerspruch und harte Behandlung, 1999, 58. 292 I. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 1785/1974, BA 108. 293 I. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 1785/1974, BA 108. 294 I. Kant, Kritik der praktischen Vernunft, 1788/1974, A 77.
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Ideen der spek. Vernunft, wovon wir die Möglichkeit a priori wissen (. . .)“.295 Den rechtsbegründenden Ausgangspunkt bildet in dessen Folge die Autonomie des Menschen. Er ist nämlich keinem Weltgeschehen unterworfen, sondern kann selbstbewusst und frei handeln.296 „Der Mensch wird nicht mehr nur als Personal für einen subjektlosen Rechtsbetrieb angestellt, wo er an unterschiedlichen Stellen beschäftigt ist, sondern wird selbst zum Architekt und Herrn im Haus des Rechts.“ 297 Autonomie folgt dabei keinem Prozess gesellschaftlicher Zuschreibung oder Institutionalisierung. Losgelöst von den Umständen gehört sie als Vernunftprodukt zu jedem Menschen.298 „Dieser Grundbestimmung der Person haftet nichts Empirisches an.“ 299 Es erschließen sich somit zwei Momente von Freiheit:300 Die innere Freiheit als Möglichkeit moralischen Handelns und die äußere Freiheit als Sicherung der Loslösung von der insoweit übergriffigen Willkür anderer.301 Das beschriebene Selbstbewusstsein ist notwendigerweise auch anderen Menschen zuzusprechen, sodass die Freiheitsgesetze (auch, und das ist hier entscheidend, äußerlicher und somit rechtlicher Art) sich erst über die wechselseitige Vermittlung genau abbilden.302 Das ist die Grundlage des idealistischen Begriffs der Anerkennung, wie er bei Fichte auftaucht:
295
I. Kant, Kritik der praktischen Vernunft, 1788/1974, A 5. I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, 1781/1974, B 472 ff. und 475: „Die Freiheit (Unabhängigkeit), von den Gesetzen der Natur, ist zwar eine Befreiung vom Zwange, aber auch vom Leitfaden aller Regeln“; I. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 1785/1974, BA 120: „Freiheit aber ist eine bloße Idee, deren objektive Realität auf keine Weise nach Naturgesetzen, mithin auch nicht in irgend einer möglichen Erfahrung, dargetan werden kann.“; ausführlich dazu U. Murmann, Die Selbstverantwortung des Opfers im Strafrecht, 2005, 167 ff.; E. A. Wolff, ZStW 97 (1985), 786, 806 ff.; R. Zaczyk, Das Unrecht der versuchten Tat, 1989, 130 ff.; vgl. ferner H.-U. Paeffgen, in: FS Wolter, 2013, 125, 131 mit Fn. 27; S. Stübinger, Das „idealisierte“ Strafrecht, 2008, 220. 297 S. Stübinger, in: Autonomie und Normativität, 2014, 69, 89. 298 K. Gierhake, ARSP 94 (2008), 337, 350; L. Rösinger, in: Kollektivierung als Herausforderung für das Strafrecht, 2021, 129, 132. 299 R. Zaczyk, in: FS E. A. Wolff, 1998, 509, 517. Siehe I. Kant, Kritik der praktischen Vernunft, 1788/1974, A 74: „Die übersinnliche Natur eben derselben Wesen ist dagegen ihre Existenz nach Gesetzen, die von aller empirischen Bedingung unabhängig sind.“ 300 Dazu M. Auer, AcP 208 (2008), 584, 618; W. Kersting, Wohlgeordnete Freiheit, 1984, 85. 301 Zur Unterscheidung I. Kant, Die Metaphysik der Sitten, 1797/1991, AB 13 ff.; M. Köhler, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 1997, 14 f. 302 Grundlegend J. G. Fichte, Grundlage des Naturrechts nach Principien der Wissenschaftslehre, 1796/1971, §§ 3, 4; ausführlich A. Wildt, Autonomie und Anerkennung, 1982, 270 ff.; R. Zaczyk, Das Unrecht der versuchten Tat, 1989, 154 ff. Zum Anerkennungsverhältnis weiter M. Köhler, Recht und Gerechtigkeit, 2017, 54 ff.; H. Matt, Kausalität aus Freiheit, 1994, 124 ff.; E. A. Wolff, ZStW 97 (1985), 786, 814; R. Zaczyk, Selbstsein und Recht, 2013, 63 f. 296
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„[. . .] alle müssten es sich zum Gesetze gemacht haben, die Freiheit derer, mitdenen [sic] sie in gleicher Wechselwirkung stehen, nicht zu stören.303 [. . .] Das Verhältniss [sic] freier Wesen zu einander ist daher das Verhältniss einer Wechselwirkung durch Intelligenz und Freiheit. Keines kann das andere anerkennen, wenn nicht beide sich gegenseitig anerkennen: und keines kann das andere behandeln als ein freies Wesen, wenn nicht beide sich gegenseitig so behandeln.“ 304
Der jeweils andere ist „verfestigter Haltepunkt“ 305 des individuellen Erkenntnisweges. Idealistisch betrachtet entsteht auf diesem Wege die Vermittlung von Freiheit. Es geht also darum, bei der eigenen Entfaltung den jeweils anderen alsfreie und gleiche Rechtsperson mitzuberücksichtigen,306 womit die Weichen der weiteren Rechtsbegründung ausgerichtet sind: Freiheit steht allen Personen zu, das Recht geht von ebendiesen Personen aus und hat eine „gerechte[ ] Bestimmung des Zusammenhangs“ 307 zu stützen. Den so entstehenden Modus der Freiheitsverwirklichung bestimmen „Äußerlichkeit, Gesinnungsneutralität und Erzwingbarkeit“.308 Zwischen den Personen herrscht die Respektierung des jeweiligen Freiraums, sodass ein Geflecht der Verhältnisse wechselseitiger Anerkennung entstehen kann.309 Teil dieses Geflechts sind darüber hinaus gesellschaftliche Institutionen, die notwendige Bedingungen zur Gewährleistung bürgerlicher Rechtlichkeit bilden.310 Elementar für die streng idealistische Begründung ist, dass sich das Rechtsgebot aus der wesentlichen Vernunft des Menschen erschließt und keiner weiteren Stützung bedarf, um zu gelten.311 Allein durch den freien Willen kann Freiheit
303 J. G. Fichte, Grundlage des Naturrechts nach Principien der Wissenschaftslehre, 1796/1971, Einleitung II. 3. 304 J. G. Fichte, Grundlage des Naturrechts nach Principien der Wissenschaftslehre, 1796/1971, § 4 II. 305 E. A. Wolff, in: Strafrechtspolitik, 1987, 137, 169. 306 E. A. Wolff, in: FS Gallas, 1973, 197, 215: „Der Wille des vernünftigen Selbstbewußtseins wird immer schon mit Rücksicht auf die anderen gebildet, und zwar so, daß der einzelne sich als einer unter anderen in einer wechselseitigen Freiheit ermöglichenden Weise einrichtet oder – auch selbst Grund des Versagens – nicht einrichtet.“ 307 R. Zaczyk, in: FS E. A. Wolff, 1998, 509, 520. 308 B. Müssig, Mord und Totschlag, 2005, 189. 309 Vgl. dazu W. Frisch, in: Straftat, Strafzumessung und Strafprozess im gesamten Strafrechtssystem, 1996, 135, 146. 310 E. A. Wolff, ZStW 97 (1985), 786, 817. Die bürgerliche Gesellschaft bezeichnet die höhere Ebene der Gesamtheit sich als solcher anerkennenden Privatrechtssubjekte, der Staat als „künstliche Person“ (siehe auch R. Zaczyk, Das Unrecht der versuchten Tat, 1989, 181 ff.) sichert diesen Zustand ab. 311 I. Kant, Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis, 1793/1968, 41: „Der bürgerliche Zustand also, bloß als rechtlicher Zustand betrachtet, ist auf folgende Prinzipien a priori gegründet (. . .) Diese Prinzipien sind nicht sowohl Gesetze, die der schon errichtete Staat gibt, sondern nach denen allein eine Staatserrichtung reinen Vernunftprinzipien des äußeren Menschenrechts überhaupt gemäß möglich ist.“
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sich entfalten und ihre Institutionalisierung gelingen.312 Subjektive Rechtsverhältnisse sind die logische Folge dieser wechselseitigen Bezugnahme der sich anerkennenden313 Personen. Nach diesem Weg eines streng idealistischen Begründungsganges liegt die Norm der Person also nicht zugrunde, sondern kann erst zwischen den Personen entstehen.314 Person und Recht existieren dort vor-institutionell.315 – Die Defizite dieser Begriffsbestimmungen sollen im Folgenden aufgezeigt werden.
III. Gegenübergestellt: Rechts-Wirklichkeit Ein dezidiert nicht-positivistischer Rechtsbegriff ist in einer legislatorisch weitläufig ausdifferenzierten Gesetzesordnung von analytisch unklarem Wert. Irgendetwas haben beispielsweise Kants Instrumentalisierungsverbot316 und die Menschenwürde oder dessen allgemeine Rechtsformel317 und Art. 2 Abs. 1 GG sicherlich miteinander zu tun. Aber was denn genau? Während offensichtlich scheint, dass geltendes Recht mit den idealistischen Postulaten teils schlicht unvereinbar ist,318 bleibt die Frage, ob das insoweit noch konforme Recht (darunter fassen sich immerhin sämtliche – rechtspraktisch bedeutsame! – Delikte gegen die Person) an seine Ableitung gebunden sein soll. Anderenfalls ließe sich die ontologische Rechtsableitung auch als schiere Kontrastfolie zu den „Übeln“ des positiven Rechts begreifen; sie leistet dann gleichwohl überhaupt nichts, um zu erklären, warum der Gesetzgeber regelmäßig so fehlschlägt.319 312
S. Stübinger, Das „idealisierte“ Strafrecht, 2008, 228 f. Geläufig ist die Rede von einem Verhältnis wechselseitiger Anerkennung zwischen den Personen. Der Begriff schillert (vgl. O. Lindemann/S. Voswinkel, in: Strukturwandel der Anerkennung, 2013, 7„Schlüsselbegriff unserer Zeit“; M. Pawlik, ZStW 127 (2015), 737, 740: „Das Wort Anerkennung erfreut sich im heutigen Bildungsjargon einer großen Wertschätzung; philosophisch ist es freilich alles andere als selbsterklärend“; siehe auch M. Pawlik, Person, Subjekt, Bürger, 2004, 75; M. Wachter, ZRph Neue Folge 4 (2020), 165), kann es sich bei „Anerkennung“ doch insbesondere um einen kaum greifbaren und gefühlsbetonten Wertungsindikator handeln, der gesellschaftlich erwartete Gesinnungsausdrücke umfasst. Von einer Verwendung solcher „weicher“ Begriffe ist abzuraten, weil durch deren moralische Aufladung „Überholvorgänge“ begünstigt werden, die im sekundären Strafrecht sanktionieren, was im Zivilrecht gestattet ist, scharfe und schlagende Kritik dazu bei K. Lüderssen, in: FS Hanack, 1999, 487, 497 ff.; vgl. auch T. Grosse-Wilde, in: Strafzumessung, 2020, 227, 244; K. Lüderssen, Abschaffen des Strafens?, 1995, 236 f. 314 Vgl. M. Köhler, Die bewußte Fahrlässigkeit, 1982, 139 ff.; K. Seelmann, in: FS Jakobs, 2007, 635, 642 f.; R. Zaczyk, Selbstsein und Recht, 2013, 75 ff. 315 Das ist freilich eine verbreitete Position, siehe nur BVerfG, 15.1.1958 – 1 BvR 400/51 = BVerfGE 7, 198, 204 mit geistesgeschichtlichem Verweis. 316 I. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 1785/1974, BA 66 f. 317 I. Kant, Die Metaphysik der Sitten, 1797/1991, AB 33. 318 So etwa die idealistische Begründung des Versuchsunrechts und § 22 StGB, siehe R. Zaczyk, NK-StGB5, § 22, Rn. 12. 319 Diesen „Dualismus“ zwischen wissenschaftlichen Privatvorstellungen von einem guten Recht und dem tatsächlich geltenden Recht beklagte bereits K. Binding, Handbuch des Strafrechts, 1885, 8 f. mit großer Schärfe: „So entsteht eine Rechtswissen313
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Die wesentliche Schnittmenge zwischen Idealismus und der Ordnung des Grundgesetzes liegt im Anerkenntnis der Freiheit. Der Konsens über Freiheit als Höchstwert ist bemerkenswert unstreitig. Umso bedeutsamer ist es, diesen Gegenstand einmal klar zu begreifen,320 denn er ist „unbestimmt, vieldeutig und der größten Mißverständnisse fähig“.321 Die notorische Unbestimmtheit des Freiheitsbegriffs gründet schon auf seiner Doppelverwendung:322 einmal als Ideal, einmal als Beschreibung der Reichweite realer Handlungsmöglichkeiten.323 Diese Annahme einer grundsätzlich positiv einzuordnenden Begriffsintension unabhängig von der Begriffsextension (plakativ: Wenn reale Freiheit nicht besonders verträglich ist, soll sie gar keine „Freiheit“ mehr sein324) ist vor allem deswegen gefährlich, weil sie sich durch ihre unwiderlegbare Vorannahme, dass irgendwo im Freiheitsbegriff doch noch etwas Gutes schlummern möge,325 vor aller Kritik abschirmt. Das hiesige Anliegen ist also schlicht: Klarheit zu schaffen. 1. Grund und Form der Rechte „Freiheit“ verstanden als freier Wille der Menschen ist zunächst einmal eine dem Recht begriffslogisch vorgelagerte Feststellung.326 Ganz unabhängig von naschaft, deren zwei ganz verschiedenen Welten angehöriges ,Recht‘ zu unnatürlicher Verbindung, Vermischung und Verwirrung gebracht wird, – statt einer Wissenschaft des geltenden Rechts eine Fälschung derselben.“ 320 Zum Begriff der Freiheit differenzierend R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, 194 f.: „[. . .] einer der zugleich fundamentalsten und unklarsten praktischen Begriffe [. . .] Anwendungsbereich scheint nahezu unbegrenzt zu sein [. . .] Wer etwas als ,frei‘ bezeichnet, beschreibt es in aller Regel nicht nur, er bringt auch eine positive Bewertung zum Ausdruck und schafft für den Hörer einen Anreiz, diese Bewertung zu teilen“; siehe aus idealistischer Sicht auch G. Helmers, Möglichkeit und Inhalt eines Notstandsrechts, 2016, 190 mit Fn. 273. 321 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften III, 1830/1970, § 482. 322 Bisweilen wird diese Mehrdeutigkeit auch erkannt und freimütig zugestanden, ohne darin aber ein ernstliches Problem des Begriffs zu erkennen, siehe T. Rostalski, Alternativ legitimierte Verhaltensnormen, 2019, 5: „Steht die Freiheit der Vielen im ungeregelten Konflikt, muss sie notwendig eine Illusion bleiben.“ – Wäre die „Freiheit der Vielen“ aber eine „Illusion“, dann könnte sie wohl kaum Konflikte provozieren. Und umgekehrt: Wenn sie Inhalt praktischer Konflikte ist, dann scheint es sie ja (im Gegensatz zu Illusionen) wirklich zu geben. In dieser Verwendung ist „Freiheit“ also ein sinnentleertes Zauberwort, das Grund und Lösung der Rechtsprobleme zugleich bezeichnen soll: Wenn die Freiheit herrscht, muss dringend ein Rechtsstaat her, der die Freiheit beschränkt, damit Freiheit herrscht? 323 R. Dworkin, Was ist Gleichheit?, 2000/2014, 166. Vgl. auch L. L. Obermayr, Die Kritik der marxistischen Rechtstheorie, 2022, 118; C.-F. Stuckenberg, Vorstudien zu Vorsatz und Irrtum im Völkerstrafrecht, 2007, 116 Fn. 561. 324 Vgl. R. Zaczyk, in: Modernes Strafrecht und Ultima-ratio-Prinzip, 1990, 113, 123. 325 Kritisch auch K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie (1857/ 58), MEW 42, 1983, 174. 326 Klassisch I. Kant, Kritik der praktischen Vernunft, 1788/1974, A 56; dazu R. Zaczyk, in: FS Eser, 2005, 207, 213 f. Siehe etwa auch C. Enders, in: Staatslexikon,
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turwissenschaftlichen Erkenntnissen über die Determination327 menschlichen Verhaltens328 hat das Recht vorauszusetzen, dass seinen Adressaten die Entscheidung für oder gegen die Norm möglich ist.329 Es gäbe sonst für die Rechtsadressaten kein „Sollen“, sondern nur „Müssen“. Mit dem „freien Willen“ ist hier also kein empirischer Befund gemeint, sondern er ist die Vor-Bedingung, um überhaupt sinnvoll über Recht sprechen zu können,330 eben der „Boden des Rechts“.331 Recht und Zurechnung verlangen lediglich eine „Motivierbarkeit des Wollens“, auf eine Fähigkeit des Menschen „anders zu wollen, als er als Naturwesen wollen müsste“ kommt es nicht entscheidend an.332 In der kantisch-idealistischen Rechtslehre findet nun ein entscheidender Übergang statt: Freiheit ist im Sinne einer „reinen transzendentale[n] Idee“ 333 das Dasein der reinen Vernunft in der intelligiblen Welt und fundiert damit die praktischen Gesetze,334 ist also Grund des Rechts. Gleichzeitig ist Freiheit das einzige angeborene Recht335 und beinhaltet, den eigenen Willen als Willkür so grenzenlos geltend machen zu können bis er eine fremde Willkürsphäre lädiert;336 damit ist Freiheit auch der Gehalt der Rechte. Im Neo-Idealismus wird die Leerstelle zwischen innerer Vernunft und äußerer Herrschaftssphäre zumeist nicht vertieft erläutert.337 Dieser Sprung ist als „non sequitur innerhalb der freiheitsbasierten Rechtsbegründung“ 338 kritisiert worden. Pointiert heißt es: 2018, „Freiheit“: „Das Recht als äußere Ordnung des Verhaltens von Menschen nimmt die F. des Einzelnen zunächst ungeachtet ihrer Begründung als Tatsache zur Kenntnis.“ 327 Siehe zur Groß-Debatte um Neurowissenschaften und Recht, insbesondere zum Schuldbegriff nur H.-U. Paeffgen, NK-StGB4, vor §§ 32 ff., Rn. 230a ff. H.-U. Paeffgen/ B. Zabel, NK-StGB5, vor §§ 32 ff., Rn. 230b ff. mit umfassenden Nachweisen. 328 Vgl. zur Irrelevanz dieser naturwissenschaftlichen Forschung für normative Fragen K. Binding, Grundriß des Deutschen Strafrechts, 1913, X f.; G. Jakobs, ZStW 117 (2005), 247, 255 ff.; W. Schild, NK-StGB5, § 20, Rn. 5, 8; S. Stübinger, Das „idealisierte“ Strafrecht, 2008, 362; C.-F. Stuckenberg, Vorstudien zu Vorsatz und Irrtum im Völkerstrafrecht, 2007, 114 Fn. 559. 329 Diese Erkenntnis hat den Idealismus überdauert, siehe nur H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 1960, 102. 330 G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986, § 4 Z: „Wille ohne Freiheit ist ein leeres Wort.“ 331 G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986, § 4. Hegels „Geist“ betrifft insoweit eine Kategorie, die durch naturalistische Fragen der Willensfreiheit gar nicht zu fassen ist (vgl. auch ebd., § 15 a. E.), so P. Stekeler-Weithofer, Eine Kritik juridischer Vernunft, 2014, 38. 332 H. Kantorowicz, Tat und Schuld, 1933, 11. Im Ergebnis landen genau dort sowohl „normative“ als auch „individualisierende“ Ansätze, vgl. H. H. Lesch, Der Verbrechensbegriff, 1999, 13 f. 333 I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, 1781/1974, A 533 B 561. 334 I. Kant, Kritik der praktischen Vernunft, 1788/1974, A 79. 335 I. Kant, Die Metaphysik der Sitten, 1797/1991, AB 45. 336 I. Kant, Die Metaphysik der Sitten, 1797/1991, AB 33. 337 Vgl. etwa K. Gierhake, JRE 28 (2020), 171, 203 f. 338 M. Auer, RphZ 6 (2020), 162, 169.
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„[S]o kann die idealistische Rechtstheorie nicht erklären, wie aus dem, was das Recht begründet, der praktischen Vernunft, zugleich die Berechtigung des natürlichen Strebens folgen soll. Die idealistische Rechtstheorie steht vor (. . .) dem Gegensatz zwischen dem Grund des Rechts und dem Gehalt der Rechte. Sie überspielt diesen Gegensatz, indem sie beides ,Freiheit‘ nennt. Aber beides ist Freiheit in einem unverbundenen, ja entgegengesetzten Sinn: Die vernünftige Freiheit als Autonomie ist der Grund des Rechts, die natürliche Freiheit als Willkür das durch die Form der Rechte Berechtigte. Die idealistische Antwort auf die Vertragstheorie birgt eine Aporie: Die Aporie der Einheit von Autonomie und Willkür, von normativer Vernunft und natürlichem Streben.“ 339
Dabei deutet sich an, dass nicht etwa Freiheit als Rechtsmacht aus der Vernunft folgt, sondern die Vernunft als ideell absichernde Verhimmelung nachträglich an die gesellschaftliche Praxis namens „Freiheit“ geheftet wird.340 Der Begriff der Freiheit ist aus diesem Grund umgekehrt zu bestimmen: Nicht als erfahrungsfreie Deduktion, sondern als begriffliche Verallgemeinerung realgesellschaftlicher Praxisformen. 2. Wirklichkeit der Freiheit Das Auseinanderfallen von Grund und Form der Rechte handelt nicht etwa nur von Schwierigkeiten bei einem theoretischen Konstruktionsversuch, sondern führt zu einer entscheidenden praktischen Konsequenz: Wenn Freiheit und subjektives Recht nicht identisch sind, entfällt die apriorische Ableitungsmöglichkeit eines flächendeckenden normativen Netzes aus Rechten und Pflichten. Ob beispielsweise dem Angestellten gegenüber dem Unternehmer ein Recht auf (ggf. nach § 263 StGB strafbarer) Lüge341 zusteht, oder ob der Marktbeteiligte im Falle eines Kartellrechtsverstoßes gegen einen Konkurrenten einen wettbewerbsrechtlichen Beseitigungsanspruch hat (§ 8 UWG) – das alles richtet sich nach ordnungspolitischen Dezisionen und hat mit einem rein intersubjektiven Ausgleich wenig zu tun.342 Der allgemeine Gedanke ist wirkmächtig343 von Wesley Newcomb Hohfeld ausgearbeitet worden, der sich mit der Gleichsetzung von Rechtsmacht und Freiheit nicht zufrieden geben wollte:
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C. Menke, Kritik der Rechte, 2015, 156. G. Lukács, Geschichte und Klassenbewußtsein, 1968, 164 spricht von der „apriorischen Deduktion der Bürgerlichen Gesellschaft“; siehe bereits F. Engels, Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft (1882), MEW 19, 1987, 177, 190. 341 Ausführlich C. Armbrüster, MK-BGB9, § 123, Rn. 46 ff. 342 Mit weiteren Beispielen M. Kubiciel, Die Wissenschaft vom Besonderen Teil des Strafrechts, 2013, 180. Ähnlich B. Kreuzberg, Täterschaft und Teilnahme als Handlungsunrechtstypen, 2019, 242 f. 343 Zur Rezeption J. W. Singer, Wisconsin Law Review 1982, 975, 989 mit Fn. 22. 340
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Teil 1: Vorüberlegungen zum Straftatbegriff „In legal discourse, as in daily life, it may frequently be used in the sense of physical or mental capacity to do a thing; but, more usually and aptly, it is used to indicate a ,legal power‘, the connotation of which latter term is fundamentally different. The same observations apply, mutatis mutandis, to the term ,liberty.‘“ 344
Freiheit heißt Verschiedenes: Dem subjektiven „Recht“ steht eine „Pflicht“ gegenüber, beispielsweise: Das Eigentumsrecht am eigenen Grundstück345 führt für den unerwünschten Eindringling zu einer Pflicht, den Grund und Boden zu verlassen.346 Der Eigentümer selbst hingegen kann sein Grundstück betreten oder es auch sein lassen. Diese Option ist, so die Analyse Hohfelds, vom erstgenannten Recht zu unterscheiden. Hier geht es nicht mehr um die „Befugnis zu zwingen“ 347, sondern um die schlichte Möglichkeit, ohne entgegenstehende Pflicht etwas tun und lassen zu dürfen. Das ist das sogenannte „privilege“, mit anderen Worten „nichts anderes als eine Erlaubnis“.348 An einem weiteren profanen Beispiel349: Wenn A den B auf dem Gehsteig überholt, tut A das (in Hohfeldschem Vokabular) nicht mit „Rechts“-Befugnis, sondern A darf das, weil es erlaubt ist. Beschleunigt nun B aber seinerseits den Schritt, muss auch A es dulden, überholt zu werden. Es gibt hier nur „nackte“ Rechte350, keine Pflichten. „Unbewehrte Freiheiten [implizieren] nicht das Recht, an der Wahrnehmung dieser Freiheiten nicht gehindert zu werden“.351 Nicht alles, was „frei“ ist, ist zugleich rechtlich (also auch: staatsgewaltsam) abgesichert und die rechtliche Absicherung bestimmter Handlungsoptionen umfasst nicht die gesamte „Freiheit“.352 Diese Begriffsanalyse schlägt zwar nicht unmittelbar auf das Strafrecht durch (die „Rechtsverletzung“ deckt sich dort üblicherweise mit dem engen Begriff des „Rechts“, den Hohfeldschen Anspruchsrechten353), sie stiftet aber zentrale Erkenntnisse über die sekundär durch das Strafrecht zu schützende primäre Normenordnung: „Freiheit“ ist als Oberbegriff für personale Rechtsmacht und die schiere Abwesenheit von Zwang eine schlechte Abstraktion. Mit der Erkenntnis, 344 W. N. Hohfeld, The Yale Law Journal 23 (1913), 16, 24. Eingehend M. Moritz, Über Hohfelds System der juridischen Grundbegriffe, 1960, 14 ff. et passim. 345 Das Beispiel setzt freilich voraus, dass es keine Rechte „in rem“ geben kann, Rechte also immer ein Verhältnis zwischen Personen vorschreiben, näher W. A. Edmundson, An Introduction to Rights, 2012, 75; W. N. Hohfeld, The Yale Law Journal 26 (1917), 710, 721. 346 Mit Beispiel W. N. Hohfeld, The Yale Law Journal 23 (1913), 16, 30, 32. 347 I. Kant, Die Metaphysik der Sitten, 1797/1991, AB 35. 348 R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, 190 Fn. 102; siehe auch H. Schnüriger, Eine Statustheorie moralischer Rechte, 2014, 35. 349 Übernommen von E. Schulev-Steindl, Subjektive Rechte, 2008, 99. Beispiele auch bei L. Duarte d’Almeida, Philosophy Compass 11 (2016), 554. 350 J. Weissinger, Content and Competence, 2019, 143. 351 R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, 205. 352 G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 1919/1964, 45. 353 P.-A. Hirsch, Das Verbrechen als Rechtsverletzung, 2021, 39 f.
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dass aus Handlungsfreiheit noch kein Anspruchsrecht folgt, ist es nicht möglich, die bürgerliche Ordnung als ein vor-staatlich aufspürbares, dichtes System aus wechselseitig wirkenden Rechten und Pflichten zu rekonstruieren.354 Gerade die kantische Großformel lässt vieles offen, indem sie einen formalen Rahmen personaler Willkürausübung zeichnet, sämtliche näheren Materialisierungsleistungen aber dem allgemeinen Gesetz355 überlässt.356 Der so bezeichnete „Hohfeldsche Fehlschluss“ (Hohfeld hat ihn nachgewiesen, ihn aber nicht selbst begangen357) hatte auf den Begriff eines ontologisch ableitbaren Normengefüges eine desillusionierende Wirkung358: Wenn der Staat subjektive Rechte nicht vorfindet, sondern sie als wirklich geltende Form erst in Gang setzt, ist die Reichweite der eigenen Herrschaftssphäre realpolitisch gestaltbar statt zeitlos359 abschließend ermittelbar.360 Weder folgt aus eigener Freiheit ein Recht gegen einen anderen, noch folgt aus einer subjektiv empfindbaren Interessenstörung ein objektiv-rechtlicher Schaden.361 Ein Recht zu haben und ein Interesse zu haben, das ist nicht das gleiche. Weitergesponnen deutet sich hier an, dass die Rechts-Macht ausübende Person ein institutionell präformierter Organisationskreis362 ist, den das Individuum nur ausfüllt. Eine Ableitung des einen aus dem anderen entfällt nach
354 M. Auer, AcP 208 (2008), 584, 586; M. Auer, Der privatrechtliche Diskurs der Moderne, 2014, 58. 355 Kant will mit seinen „metaphysische[n] Anfangsgründe[n]“ freilich auch „nur Annäherung zum System, nicht dieses selbst“ leisten, I. Kant, Die Metaphysik der Sitten, 1797/1991, AB IV; dazu C.-F. Stuckenberg, Bonner Rechtsjournal 2019, 26, 28: „Aus der Vernunft allein lassen sich aber nicht alle Detailregelungen, die eine wirklich existierende, empirische Gesellschaft benötigt, sondern nur die Grundzüge eines Rechtssystems ableiten.“ 356 M. Auer, AcP 208 (2008), 584, 627; M. Auer, RphZ 6 (2020), 162, 168; zustimmend M. Pawlik, Das Unrecht des Bürgers, 2012, 145 Fn. 833. 357 Zum Terminus M. Auer, Der privatrechtliche Diskurs der Moderne, 2014, 58 Fn. 56. 358 Dazu J. W. Singer, Wisconsin Law Review 1982, 975, 1050 f. 359 Vgl. allgemein: G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik I, 1812/1986, 59 Fn. *: „Die Kantische Philosophie dient so als ein Polster für die Trägheit des Denkens, die sich damit beruhigt, daß bereits alles bewiesen und abgetan sei.“ 360 Der US-amerikanische Legal Realism hat das in schonungsloser Offenheit zusammengetragen, siehe etwa O. W. Holmes in einer dissenting opinion (Lochner v. New York, 198 U.S. 45 [1905] 75): „[Law] settled by various decisions of this court that state constitutions and state laws may regulate life in many ways which we, as legislators, might think as injudicious, or, if you like, as tyrannical, as this, and which, equally with this, interfere with the liberty to contract. (. . .) The liberty of the citizen to do as he likes so long as he does not interfere with the liberty of others to do the same, which has been a shibboleth for some well known writers, is interfered with by school laws, by the Post Office, by every state or municipal institution which takes his money for purposes thought desirable, whether he likes it or not.“ 361 G. Sher, Desert, 1987, 201 betont, dass es sich dabei um verschiedene Fragen („different questions“) handelt. 362 Eingehend G. Jakobs, in: FS Fischer, 2018, 115.
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Hohfelds Analyse. Nur aus dem Produkt hoheitlicher Dezisionen363 ergibt sich der den Bürgern zustehende personale Herrschaftsraum als eine Kompetenz, seinen Willen dann als staatlich gestützten objektiven Willen364 äußerlich umzusetzen.365 „Freiheit“ ist ohne ein Form von Obrigkeit gar kein sinnvolles Anliegen.366 Im Idealismus367 dagegen steht diese Erklärung auf dem Kopf:368 Indem die Personen als eigens zur Durchsetzung ihrer Interessen in der Verlaufsform eines Rechtsverhältnisses Ermächtigte vorausgesetzt werden, aber der dieses Verhältnis in Gang setzende Staat kontra-faktisch weggedacht wird, drängt sich der Zusammenschluss der Einzelnen in den bürgerlichen Zustand geradezu auf.369 Diese Rechtsordnungs-Genealogie ist historisch evident unwahr370 und als Legitimationsidee zirkulär,371 benötigt nämlich als Bedingung, was sie erst belegen möch363
Vgl. auch M. Auer, Materialisierung, Flexibilisierung, Richterfreiheit, 2005, 39. G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986, §§ 10, 21, 27; vgl. auch K. Marx, Debatten über das Holzdiebstahlsgesetz (1842), MEW 1, 1956, 109, 129: Der freie Wille muss „Lebensart besitzen, er muss ein vorsichtiger, ein loyaler freier Wille sein“. 365 Insoweit auch deutlich J. Bentham, Pannomial Fragments, Works III, 1962, 211, 218: „If I say a man has a natural right to the coat or the land – all that it can mean, if it mean any thing and mean true, is, that I am of opinion he ought to have a political right to it.“ Wenn J. Weissinger, Content and Competence, 2019, 159 f. gegen Hohfelds Kategorie der „Liberty“ betont, dass alle darunter fallenden Verhaltensweisen in einer Autonomie unverhandelbar institutionalisierenden Rechtsordnung selbstverständlich seien, ist das zunächst richtig. Als rechtliche Kategorie zur Beschreibung eines rechtlichen Geschehens lassen sich dennoch aus der Kategorie der „Liberty“ Funken schlagen. Wenn beispielsweise „Reiten im Wald“ freiheitsgrundrechtlichem Schutz unterfällt, ist es das schon: eine durch den Staat rechtlich gestattete Willensausübung. Dieses Verhältnis wird durch ebendessen weitläufige Ausgestaltung nicht aufgelöst. 366 Vgl. A. Krölls, Zeitschrift für kritische Sozialtheorie und Philosophie 3 (2016), 209, 212. 367 Zu Kant etwa D. Wolf, Hegels Theorie der bürgerlichen Gesellschaft, 1980, 46. 368 Gegen eine Erklärung der Gesellschaftlichkeit ausgehend vom Individuum besonders eindringlich und mit vielen Referenzen M. Pawlik, in: Strafrecht und Gesellschaft, 2019, 217, 217 ff., 238. 369 Vgl. K. Gierhake, Der Zusammenhang von Freiheit, Sicherheit und Strafe im Recht, 2013, 98: „Das gemeinsame Eintreten in eine solche gesetzliche Abhängigkeit ist als apriorische Vernunftaufforderung für jeden subjektiv einsichtig, sie ,entspringt‘ seinem ,eigenen gesetzgebenden Willen‘,“ im Anschluss an I. Kant, Die Metaphysik der Sitten, 1797/1991, A 168 f. B 198 f. 370 É. Durkheim, Über soziale Arbeitsteilung, 1893/1988, 258: „Auch ist die Auffassung des Gesellschaftsvertrages heutzutage deshalb schwer zu verteidigen, weil sie ohne Beziehungen zu den Tatsachen ist. (. . .) Weder gibt es eine Gesellschaft, die einen derartigen Ursprung hätte, noch gibt es eine, deren Struktur die geringste Spur einer Vertragsorganisation aufwiese. Der Gesellschaftsvertrag ist demnach weder eine historisch erworbene Tatsache noch eine Tendenz, die sich aus der historischen Entwicklung ergäbe.“; siehe auch J. Bentham, Prinzipien der Gesetzgebung (Übersetzung), 1833, 100. Sinnvoll lässt sich der Gesellschaftsvertrag höchstens als regulative Idee begreifen, nicht aber als tatsächliche Begebenheit, sehr unklar etwa bei F. Rostalski, Der Tatbegriff im Strafrecht, 2019, 18, 54, 65 ff. 371 G. Jakobs, Norm, Person, Gesellschaft, 2008, 22. 364
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te (ein Staat, der subjektive Rechte gewährleistet, soll gerade deswegen vorzugswürdig sein, weil alle Menschen bereits als Inhaber subjektiver Rechte geboren werden).372 Sie umgeht freilich sämtliche Anstößigkeiten, die staatliche Herrschaft mit sich bringt, indem sie das Erzeugnis der Rechtssetzung schon apriorisch373 in ein „Menschenbild“ hineinliest.374 Damit immunisiert sich die idealistische Rechtsbegründung gleichsam vor Einwänden: Naturnotwendigkeiten kann man nur noch beklagen, nicht aber kritisieren.375 Zweifellos sind die Personen „frei“, ein ihnen zustehendes Recht wahrzunehmen. Dass sie dazu in der Lage sind, fließt aber nicht aus einer angeborenen Eigenschaft mit dem Namen „Freiheit“. Sondern sie können ihr Recht geltend machen, weil es einen Staat gibt,376 der seinen Bürgern ihr jeweiliges Vorankommen im Rahmen des Erlaubten selbst überlässt, die Durchsetzung in Rechtsform gegossener Interessenkonflikt-Ergebnisse indes gewaltsam absichert (profanes Beispiel: Eine Person hat Ware, eine Person hat Geld, beide Personen schließen einen Vertrag,377 dessen Durchsetzung vor staatlichen Institutionen einklagbar ist).378 Rechtliche Freiheit ist damit sehr wohl die Herrschaft des freien Willens über die eigene personale Sphäre – nur die Ableitung des einen aus dem anderen
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H. Kaiser, Widerspruch und harte Behandlung, 1999, 75. Kritisch B. Müssig, Mord und Totschlag, 2005, 228 f.: „Überhöhung historisch gewordener Objektivität zur transzendentalen Notwendigkeit.“; vgl. auch J. C. MüllerTuckfeld, Integrationsprävention, 1998, 317; P. Bruckmann, KriPoZ 2019, 105, 117 f. 374 Gegen das Menschenbild als Argumentationsmuster in Gesellschaftsvertragslehren und im Grundgesetz C.-F. Stuckenberg, Untersuchungen zur Unschuldsvermutung, 1998, 496 ff.; vgl. auch zur „Überpointierung“ innerhalb der idealistischen Verbrechenslehre H.-U. Paeffgen, NK-StGB3, vor §§ 32 ff. Rn. 220, bezogen auf deren rationalistisches Menschenbild. 375 M. S. Moore, Causation and Responsibility, 2010, 30 bemerkt insoweit zutreffend, dass bei Fundamentalableitungen die Begründungen zumeist nicht ausführlicher, sondern knapper geraten. 376 Vgl. schon É. Durkheim, Über soziale Arbeitsteilung, 1893/1988, 456: „Die Freiheit steht dem sozialen Handeln nicht etwa antagonistisch gegenüber, sondern ist dessen Resultat. Sie ist nicht nur keine dem Naturzustand innewohnende Eigenschaft, sondern im Gegenteil eine Errungenschaft der Gesellschaft gegenüber der Natur.“ 377 Der insoweit auf gegensätzlichen Interessen beruht, als die Parteien für ihre Ware möglichst viel Geld erhalten möchten und vice versa, ausführlich A. Krölls, Zeitschrift für kritische Sozialtheorie und Philosophie 3 (2016), 209, 215 ff. Das wirkt evident, ist dennoch keine Bagatelle, weil diese Verkehrsform ohne Monopolgewalt tatsächlich auf ein Faustrecht des Stärkeren hinausliefe (wie es die Gesellschaftsvertragslehren von vornherein anthropologisieren). 378 Klassisch J. Bentham, Pannomial Fragments, Works III, 1962, 211, 221: „There are no other than legal rights; – no natural rights – no rights of man, anterior or superior to those created by the laws. The assertion of such rights, absurd in logic, is pernicious in morals. A right without a law is an effect without a cause. We may feign a law, in order to speak of this fiction – in ordert o feign a right as having been created; but fiction is not truth.“; siehe auch A. V. Lundstedt, Die Unwissenschaftlichkeit der Rechtswissenschaft I, 1932, 120 f. 373
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überzeugt nicht.379 Das heißt nicht, dass man den Begriff analytisch aufgeben müsste. Denn es ist „die Entdeckung der ideologischen Natur eines Begriffs nur die Kehrseite der Feststellung seiner Richtigkeit“.380 Indem „Freiheit“ ihrer idealistischen Hülle entkleidet wird, ist feststellbar, wie sie wirklich in Gesellschaft wirkt.
IV. Institutionelle Fixierung Freiheit im Rechtssinne ist also keine angewachsene Ausstattung der Individuen, sondern eine „genuin gesellschaftliche Kategorie“.381 Die in Art. 2 Abs. 1 GG verankerte382 Offensichtlichkeit, dass eine Pauschalermächtigung zur Herrschaft innerhalb der personalen Willkürsphären383 zu deren notwendiger äußerer Begrenzung führt, belegt, dass es Recht ohnehin nur als Kontaktordnung mehrerer freier Willen384 geben kann. Wer nicht mit anderen in Widerstreit gerät, benötigt keine Lizenz, um seinen Willen geltend machen zu können.385 Rechte „auf etwas“ gibt es nur, und das ist ihr Witz, gegen andere. Nun verläuft die Ordnung verschiedener Organisationskreise aber nicht immer dort, wo freie Willen beliebig aufeinander treffen (eine Schlägerei ist kein Vertrag), sondern der subjektive Wille „an sich“ wird dort rechtlich, wo er als allgemeiner Wille „für sich“ auftritt.386 Rechtliche Freiheit ist also nicht mit schierer Willkür zu 379 Ein kurzer historischer Abriss über den seit dem 19. Jahrhundert fortlaufenden Abstieg des Gedankens einer staatsunabhängigen rechtlichen Freiheit bei M. Horwitz, University of Pennsylvania Law Review 130 (1982), 1423. 380 E. B. Pas ˇ ukanis, Allgemeine Rechtslehre und Marxismus, 1929/2003, 135. 381 M. Pawlik, Der rechtfertigende Notstand, 2002, 261. Zur „Normprägung“ der Freiheit auch R. Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, 2003, 116 f. 382 Die Pointe liegt dort freilich nicht darin, dass jeder Bürger immer und überall tun könnte „was er will“ (zur Problematik eines „Grundrechts auf Rechtlosigkeit“ G. Jakobs, ZStW 110 (1998), 716, 718 f. – im Ergebnis läuft natürlich auch die weite Auslegung des Freiheitsgrundrechts nie auf ein praktisch verwirklichbares „Grundrecht auf Totschlag“ o. ä. hinaus), sondern in der prozeduralen Kanalisierung des Freiheitskonflikts: Wer an der Betätigung seines Willens staatlich gehindert wird – das geschieht ihm freilich an allen Ecken und Enden – hat ein „Recht auf Rechtfertigung“ (M. Eifert, VerfassungsR-HdB, § 18, Rn. 70). Es ist dem Bürger gegenüber also zwingend der staatliche Nachweis zu erbringen, dass seine (freilich ubiquitäre!) Beschränkung faktischer Handlungsmacht legitimen Rechts-Zwecken dient, vgl. M. V. Wilfert, Strafe und Strafgesetzgebung im demokratischen Verfassungsstaat, 2017, 24 f. 383 Ausführlich entfaltet bei C. Menke, Kritik der Rechte, 2015, 81 ff., 197 ff., 207 ff. 384 Vgl. G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986, § 71: Recht als „Beziehung von Willen auf Willen“, dazu S. Stübinger, Das „idealisierte“ Strafrecht, 2008, 228 ff. 385 Beliebt ist gleichwohl der „ästhetische Schein der kleinen und großen Robinsonaden“ (K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie (1857/58), MEW 42, 1983, 19), sich die gesellschaftlich verknüpften Menschen als Kreis nachträglich zusammengeschlossener Monaden vorzustellen, die ihre grenzenlose Freiheit im Staat preisgeben. 386 G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986, § 10; G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften III, 1830/1970, § 481. Erläu-
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verwechseln, „irgendetwas“ tun zu können,387 sondern kommt nur dann zur Geltung, wenn sie sich in die Bahnen der Rechtsform umleiten lässt.388 Freiheit im Rechtsstaat ist nicht, zu tun, was man will, sondern, „das tun zu können, was man wollen darf“.389 Hegel formuliert das kryptisch: Rechtlich ist nur „der freie Wille, der den freien Willen will“.390 An einem simplen Beispiel: Wer etwas essen will, der soll nicht einfach nur einen essbaren Gebrauchsgegenstand (etwa einen Apfel), haben wollen, sondern er soll den freien Willen wollen, also: Eigentum an dem Apfel erwerben, ihn nach den Regeln bürgerlichen Rechts in seine Willens-Sphäre ziehen. Das rechtsförmige Verhalten als Person ist sodann die Grundlage, um zu einem individuellen „Recht auf Wohl“ zu gelangen, also den Gebrauchsgegenstand zu verwenden und ihn den eigenen Interessen dienstbar zu machen, das ist im Beispiel: den Apfel zu essen. Damit erschließt sich auch das Rechtsgebot: „Sei eine Person und respektiere die anderen als Personen.“ 391 Die Schwelle zur normativen Konstruktion im bürgerlichen Recht lässt sich hier einzeichnen: Dass Menschen essen müssen, um zu überleben, wird niemand bestreiten; dass die eben beschriebene Verlaufsform eines „Umwegs“ zur Bedürfniserfüllung über die Rechtsform des „allgemeinen Willens“ dem Menschen qua
ternd G. W. F. Hegel, Vorlesungen über Rechtsphilosophie IV, 1818 ff./1974, 127. Nicht geklärt wird hier, inwieweit der Hegelsche Rechtsbegriff durch die kantisch-apriorische Vernunft gesättigt ist. Teilweise werden die Programme Kants und Hegels zusammengelesen, so etwa bei K. Gierhake, ZRph Neue Folge 1 (2017), 92, 98 ff., 101 ff.; K. Gierhake, JRE 28 (2020), 171, 202 ff.; B. Noltenius, Die Europäische Idee der Freiheit und die Etablierung eines Europäischen Strafrechts, 2017, 288 ff.; R. Zaczyk, in: FS Eser, 2005, 207, 211 Fn. 20; R. Zaczyk, in: FS Seebode, 2008, 589, 596. Dabei wird nur selten erklärt (so aber bei S. Stübinger, Das „idealisierte“ Strafrecht, 2008, 234 ff.), inwieweit sich die erfahrungslose Vernunftleistung der kantischen Rechtsbegründung einerseits und der Vernunft und Wirklichkeit vereinende objektive Geist Hegels andererseits auf einen Nenner bringen lassen. Eine Abgrenzung betonen dagegen H. Kaiser, Widerspruch und harte Behandlung, 1999, 93 f.; H. H. Lesch, Der Verbrechensbegriff, 1999, 76; dagegen wiederum äußerst kritisch S. Stübinger, Das „idealisierte“ Strafrecht, 2008, 177 ff.; in der Sache vermittelnd M. Pawlik, ZIS 2011, 761, 762. – Zu bedenken bleibt, dass Hegel sich in aller Schärfe von der Kantischen Erkenntnistheorie distanziert hat, siehe nur G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, 1806/1986, 58 ff. u. ö.; G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik I, 1812/1986, 59 ff., 81, 88 f.; G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik II, 1816/1986, 30 f.; G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften I, 1830/1970, Vorrede 12, §§ 41 ff., 60, und auch in der Rechtsphilosophie Abgrenzungen vornimmt, siehe G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986, §§ 15, 29, 40. 387 G. W. F. Hegel, Die Philosophie des Rechts (Vorlesung), 1822/2005, § 4: „Das Beschränken der Willkür, des zufälligen Willens ist die Freiheit selbst.“ 388 H. H. Lesch, Der Verbrechensbegriff, 1999, 113 f. Streng idealistisch (und nicht wie hier deskriptiv vorgehend) wäre an der Stelle auf einer Vernunftgebundenheit dieses Willens zu insistieren, S. Stübinger, Das „idealisierte“ Strafrecht, 2008, 281. 389 C. L. S. de Montesquieu, Vom Geist der Gesetze (Übersetzung), 1748/1951, Buch XI Kapitel 3. 390 G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986, § 27. 391 G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986, § 36.
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Geburt vorgegeben ist, wäre indes eine abenteuerliche Naturalisierung. Wie und ob der Einzelne seine Interessen verfolgen kann, ist Ausfluss der Reichweite seiner staatlich lizensierten392 abstrakten Willensmacht.393 Wenn also die Rede von Freiheit, Person und Gesellschaft sein kann, dann nur begriffen als normative Setzungen.394 Damit scheidet die Legitimationsfigur einer vor-staatlichen und sich sodann vereinenden Bürgerfreiheit aus.395 „[A]llein aus einem mehr oder weniger abstrakten Begriff personaler Freiheit lässt sich keine stabile gesellschaftliche Praxis herleiten.“ 396 Das bedeutet auch, dass kollektive Institutionen397 wie Staat und Gesellschaft nicht als Vernunftnotwendigkeiten ableitbar sind,398 sondern einer Stützung bedürfen, wie auch umgekehrt: „Nur intakte Institutionen generieren Personen und nur Personen halten Institutionen intakt (. . .).“ 399 Ein Vertragsschluss beispielsweise setzt in praxi wechselseitige Erwartungssicherheit der Parteien über die gegebenenfalls staatlich gestützte Durchsetzung der Forderungen voraus, gleichzeitig gäbe es kein wirkliches bürgerliches Recht ohne Personen, die in Vertragsform verkehren.400 Die Firmierung des wechselseitig-personalen Verhältnisses als Beziehung der „Anerkennung“ trifft insoweit auch zu, nur ist sie losgelöst von ihren Stabilisatoren nicht sinnvoll denkbar. „Anerkennung“ meint dann kein sozialphilosophisches Phänomen und keine anthropologische „Spiegelbildlichkeit“, sondern schlicht die Funktionsweise wechselseitig wirkender 392 A. Krölls, Das Grundgesetz als Verfassung des staatlich organisierten Kapitalismus, 1988, 65. 393 G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 1919/1964, 42 f.: „Ein Etwas Wollen ist allein als Inhalt rechtsverleihender Rechtssätze möglich (. . .) Dieses Etwas aber wird in ein derartiges Verhältnis zum Individuum gesetzt wegen seiner Tauglichkeit für individuelle Zwecke (. . .) Nur als möglicher Inhalt des Willens wird ein Objekt der Aussenwelt oder eine Relation von Mensch zu Mensch ein Bestandteil der menschlichen Güter- und Interessenwelt.“ Siehe auch K. Engisch, Einführung in das juristische Denken, 1977/2018, 50. 394 H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 1960, 175 Fn. * betont etwa, dass der Hegelsche Begriff der Person ein genuin bürgerlicher (und damit nicht zeitloser) Begriff ist; ebenso A. A. Piontkovskij, Hegels Lehre über Staat und Recht und seine Strafrechtstheorie, 1960, 107. 395 Konzise G. Jakobs, Vorwort, Strafrechtswissenschaftliche Beiträge, 2017, XIII, XIV. 396 G. Jakobs, RW 2 (2011), 95, 102. 397 B. Zabel, Die Ordnung des Strafrechts, 2017, 722 Fn. 110 betont, „dass im Strafrecht das Institutionenargument noch weitgehend unterschätzt wird, dass dessen Bedeutung gerade für die moderne Rechtsentwicklung aber gar nicht überschätzt werden kann“; vgl. auch J. Sánchez-Vera, Pflichtdelikt und Beteiligung, 1999, 31 ff. 398 So aber unter idealistischen Vorzeichen S. Stübinger, Das „idealisierte“ Strafrecht, 2008, 280 ff.; siehe auch: S. Stübinger, in: Autonomie und Normativität, 2014, 69, 96. 399 G. Jakobs, in: FS Frisch, 2013, 81, 91. Insoweit ganz ähnlich schon A. V. Lundstedt, Die Unwissenschaftlichkeit der Rechtswissenschaft I, 1932, 175. 400 Vgl. auch T. Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, 106.
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Rechtssphären.401 Weil die Wechselbezüglichkeit zwischen Person und Institution realiter schlichtweg besteht, sind Debatten um (genealogische) Rangunterschiede kaum ergiebig („nutzlos“ 402).403 Diese präformierte Person ist der „Citoyen“, ein notwendiger „Staatsidealist“ 404, der seinem Willen nur dann Geltung verschaffen kann, wenn ebendieser mit dem objektiven Recht übereinstimmt. Weil die Person als solche aber frei ist – nicht weniger, aber auch nicht mehr – konkurriert sie mit anderen freien Personen in der bürgerlichen Gesellschaft um den recht-mäßigen Zugriff auf nützliche Güter; sie wirkt dort als interessengeleiteter „Bourgeois“, auf der Suche nach Bedürfniserfüllung bei gleichzeitiger Verpflichtung auf die rechtlich kanalisierte Handlungs- und Verkehrsform.405 Die bürgerliche Gesellschaft ist „die Struktur der sich aus freien Verträgen ergebenden Kooperationsmöglichkeiten der einzelnen Bürger in einem vom Staat durch Gewaltandrohung gesicherten Eigentumsregime, was dann auch für Personen verschiedener Staaten gilt. Die Staaten schützen die Verträge mit ihrer Sanktionsmacht und bilden daher die Rahmenstruktur jeder Vertragsfreiheit, durchaus auch der immer prekären des Arbeitnehmers mit dem Arbeitgeber (. . .)“.406
Es gehen damit für den Rechtsteilnehmer einher „das Leben im politischen Gemeinwesen, worin er sich als Gemeinwesen gilt, und das Leben in der bürgerlichen Gesellschaft, worin er als Privatmensch tätig ist“.407 Rechtlich garantiert ist damit die negative Pflicht, wechselseitig die jeweilige Herrschaftssphäre zu 401
So auch F. Timm, Gesinnung und Straftat, 2012, 59 mit Fn. 159. G. Jakobs, in: FS Hirsch, 1999, 45, 51 mit Fn. 22. 403 Einen solchen Rangunterschied formuliert dagegen die personale Rechtsgutslehre (W. Hassemer/U. Neumann, NK-StGB5, vor § 1, Rn. 132): Kollektive Rechtsgüter sind dann schützenswert, wenn sie den normativ vorgelagerten personalen Interessen dienen. Aber das, was der Person nutzt, lässt sich nur anhand des sie umgebenden kollektiven Rahmens ermitteln: Niemand wird ernstlich behaupten können, dass es etwa geltungswirksam rechtliches Eigentum (also nicht nur die reine Sachherrschaft mit selbsterklärtem Anspruch auf Ausschluss!) ohne einen Staat gäbe (ähnlich M. Wachter, Das Unrecht der versuchten Tat, 2015, 103: „Ohne Koordination der Rechte aller durch eine allgemeine Institution bleibt der Bestand subjektiver Rechte im Ungewissen.“). Eine dezidiert liberalistische Gegenposition scheitert als Erklärungskonzept der Gegenwart und kann höchstens als Zuspitzungsversuch des radikal-bürgerlichen Standpunkts dienen, weil sie in kontrafaktischer Weise sämtliche hoheitlichen Stellen ignorieren muss, die Personenrechte und Eigentum erst als Rechtsinstitute in Gang setzen. Aus diesem Grund nicht überzeugend L. Greco, in: FS Sancinetti, 2020, 105, 107: „Von einem liberalen Standpunkt aus ist Freiheit selbstverständlich, Zwang hingegen nicht; das Handeln des machtlosen Individuums ist selbstverständlich, nicht dagegen die staatliche Macht.“ – „Selbstverständlich“ ist es schon, dass Menschen tun und lassen können, was sie wollen, soweit sie nicht von äußerem Zwang daran gehindert werden. Selbstverständlich ist aber auch, dass jeden Morgen die Sonne aufgeht. Die entscheidende Frage ist, von welcher rechtlichen Bedeutung derlei empirische Fakten sind. 404 K. Marx, Kritik des Hegelschen Staatsrechts (1843/44), MEW 1, 1956, 203, 281. 405 Vgl. M. Grünberger, Personale Gleichheit, 2013, 74. 406 P. Stekeler-Weithofer, Eine Kritik juridischer Vernunft, 2014, 41. 407 K. Marx, Zur Judenfrage (1844), MEW 1, 1956, 347, 355. 402
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Teil 1: Vorüberlegungen zum Straftatbegriff
respektieren, eine „Absonderung des Menschen vom Menschen“.408 Die Pointe der Entbindung von allgemeiner Verantwortlichkeit liegt freilich in ihrer Wechselseitigkeit, also darin, dass auch alle anderen dem Einzelnen nichts schulden: „Frei sein bedeutet immer zugleich, daß die anderen auch ohne mich zurechtkommen können.“ 409 Kein anderer darf in die Persönlichkeitssphäre des Bürgers eingreifen, sodass er für den Zugriff auf Güter in fremdem Eigentum wiederum dem jeweils anderen einen Anlass bieten muss, der ihm einen Austausch interessant erscheinen lässt. Staatliche Eingriffe regulieren dieses strukturelle Gegeneinander und ergänzen positive Pflichten,410 die den Einzelnen beim Ringen um sein eigenes Auskommen auf den Beitrag zur institutionellen Stützung der bürgerlichen Gesellschaft festlegen, banales Beispiel ist die Steuerpflicht, im strafrechtlichen Kontext wäre an § 323c Abs. 1 StGB zu denken.411 Derlei große Rahmenzeichnungen mögen in einer vielbeschworenen „komplexen“ Gesellschaft holzschnittartig wirken – entscheidend ist aber, dass sich die „Komplexitäten“ gerade aus dem Keim der bürgerlichen Gesellschaft heraus ergeben, aus dem Widerspruch von formal-normativierter Person und dem materiell-empirischen Individuum, das sein Recht für sein Auskommen nutzen will und muss: „Hegels bürgerliche Gesellschaft, die das Individuum mit Zwangsgewalt aus seinen hergebrachten Bindungen löst, befreit, entfremdet, mit den widersprüchlichen Zumutungen der Selbstverwirklichung und Selbstverantwortung konfrontiert, begabt, belastet und potentiell zerstört: Diese bürgerliche Gesellschaft ist – und ausschließlich darum geht es – im Kern die heutige Privatrechtsgesellschaft.“ 412
Sämtliche Neuerungen, die eine „postmoderne“ Gesellschaft sui generis nahelegen könnten,413 ergeben sich aus genau diesem inneren Widerspruch staatlich angeordneter konkurrierender Freiheitssphären.414 408
K. Marx, Zur Judenfrage (1844), MEW 1, 1956, 347, 364. H. Kaiser, Widerspruch und harte Behandlung, 1999, 187 Fn. 3. 410 Das prominenteste Beispiel dazu ist der Aggressivnotstand (heute § 34 StGB), der für strenge Idealisten, die den Staat apriorisch aus der Bürgervernunft herleiten, schwer begründbar bleibt, siehe I. Kant, Die Metaphysik der Sitten, 1797/1991, AB 41 f. 411 Vgl. auch M. Pawlik, Person, Subjekt, Bürger, 2004, 84; M. Wachter, Das Unrecht der versuchten Tat, 2015, 112. 412 M. Auer, in: Privatrechtstheorie heute, 2017, 98, 105. Instruktiv J. Habermas, Der philosophische Diskurs der Moderne, 1988, 57, 65: „Hegel hat den Diskurs der Moderne eröffnet.“ 413 Vgl. auch zur „komplexen“ oder „fragmentierten“ Gesellschaft etwa: S. Großmann, Liberales Strafrecht in der komplexen Gesellschaft, 2016, 24 ff. et passim; K. Reus, Das Recht in der Risikogesellschaft, 2010, 17 ff. Grundlegend dazu U. Beck, Risikogesellschaft, 1986; C. Prittwitz, Strafrecht und Risiko, 1993. Der Topos von der „Risikogesellschaft“ verkürzt indes viele Probleme, so treffend K. F. Gärditz, GA 2018, 605, 606. 414 Das hat umfassend dargelegt M. Auer, Der privatrechtliche Diskurs der Moderne, 2014, 74 ff. et passim. Siehe auch B. Zabel, Die Ordnung des Strafrechts, 2017, 228 f. 409
D. Grundlegung: Rechtsverhältnis und Rechtverletzung
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Dass Umweltschutz Staatsziel sein muss (Art. 20a GG), liegt am begrifflichen Ausschluss der natürlichen Umwelt, wenn im Recht doch nur „freie Willen“ kontrahieren;415 dass die Vertragsfreiheit im Mietrecht „weitgehend beseitigt“ 416 wurde, liegt am Interessenstreit zwischen Vermieter und Mieter, deren jeweiliges (und für den Mieter existenzielles) Interesse dann bestmöglich erfüllt wird, wenn das Interesse des anderen geschädigt wird417 (der Mieter möchte günstig wohnen, der Vermieter dagegen teuer vermieten);418 usf. „[D]ie Freiheit zur Selbstbestimmung bei Mittellosigkeit [schützt] nicht davor zu verhungern.“ 419 Es ist insoweit keine neue Beobachtung, „daß das Individuum, obgleich es immer autonomer wird, immer mehr von der Gesellschaft abhängt“.420 Das formal zwischen den normativ gleichgesetzten Personen unterscheidende Recht wird materialisiert. – Der umschlagenden Rückstoß der autonomie-basierten Grundgedanken im Zivilrechts wird dort intensiv diskutiert: „Materialisierung“.421 Gemeint ist, dass die Widersprüche zwischen Freiraum der Personen und deren staatlicher Regulierung sich auf einen gemeinsamen Ausgangspunkt zurückführen lassen;422 staatliche Eingriffe in garantierte Rechte sind Folge der Rechtsgewährung und nicht ihre Verwerfung.423 Indem das bürgerliche Recht die Willkür der Person zur letztbegründenden Instanz erklärt, setzt es zunächst eine rein formale Gerechtigkeitskonzeption fest. Diese Konzeption fordert eine „strikte Neutralität“ gegenüber der konkreten Nutzung des personalen Willkürspielraums ein.424 Eine Grenze erreicht der Spielraum erst dort, wo die fremde Personalität berührt wird. Damit hat es nach der liberalen Grundidee sein Bewenden; positive Pflichten lassen sich so nicht begründen.425 Noch bei Kant heißt es insoweit deutlich: „(. . .) in diesem
415 Sodass in der ungehemmten freien Konkurrenz auf Umweltbelange keine Rücksicht genommen werden kann, vgl. K. Marx, Das Kapital (1867), MEW 23, 1962, 530; dazu A. Krölls, Zeitschrift für kritische Sozialtheorie und Philosophie 3 (2016), 209, 234 f. 416 M. Häublein, MK-BGB8, vor § 535, Rn. 61. 417 Vgl. zur Zeit vor der staatlichen Regulierung M. Häublein, MK-BGB8, vor § 535, Rn. 59. 418 Weiterführend J. Herrlein, Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht 2016, 1. 419 F. J. Säcker, MK-BGB9, Einleitung, Rn. 38. 420 É. Durkheim, Über soziale Arbeitsteilung, 1893/1988, 82. 421 Vgl. zum Begriff M. Auer, Der privatrechtliche Diskurs der Moderne, 2014, 54 u. ö.; D. Bayer, Tragödie des Rechts, 2021, 87; G. Hönn, JZ 76 (2021), 693; R. Knieper, Zwang, Vernunft, Freiheit, 1981, 77; M. Pawlik, in: Strafrecht und Gesellschaft, 2019, 217, 243; F. Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 317 ff. 422 J. Habermas, Faktizität und Geltung, 1994, 479: „Reziproker Verweisungszusammenhang“. 423 Allgemein G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik I, 1812/1986, 145: „Es pflegt zuerst viel auf die Schranken des Denkens, der Vernunft usf. gehalten zu werden, und es wird behauptet, es könne über die Schranke nicht hinausgegangen werden. In dieser Behauptung liegt die Bewußtlosigkeit, daß darin selbst, daß etwas als Schranke bestimmt ist, darüber bereits hinausgegangen ist. Denn eine Bestimmtheit, Grenze ist als Schranke nur bestimmt im Gegensatz gegen sein Anderes überhaupt als gegen sein Unbeschränktes; das Andere einer Schranke ist eben das Hinaus über dieselbe.“; vgl. dazu C. Menke, Kritik der Rechte, 2015, 144. 424 M. Auer, Materialisierung, Flexibilisierung, Richterfreiheit, 2005, 23. 425 F. Ewald, Der Vorsorgestaat, 1993, 68 f.
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Teil 1: Vorüberlegungen zum Straftatbegriff wechselseitigen Verhältnis der Willkür kommt auch gar nicht die Materie der Willkür, d. i. der Zweck, den ein jeder mit dem Objekt, was er will, zur Absicht hat, in Betrachtung, z. B. es wird nicht gefragt, ob jemand bei der Ware, die er zu seinem eigenen Handel von mir kauft, auch seinen Vorteil finden möge, oder nicht, sondern nur nach der Form im Verhältnis der beiderseitigen Willkür.“ 426 – Diese Formalgerechtigkeit weist ein Folgeproblem auf: Indem normativ alle Individuen als Rechtspersonen gleichgesetzt werden, können sie als faktisch Unterlegene möglicherweise nur erschwert ihr Auskommen finden.427 Das Zivilrecht hat sich zur Behebung daraus resultierender Missstände ein großes Repertoire an Eingriffsmitteln zurechtgelegt, die von klassischen Instrumenten wie der Generalklausel des § 242 BGB bis zu Verbrauchsgüterkaufrichtlinien reichen. An dieser Stelle wird dann „materialisiert“: Formal-individualistische Grundsätze müssen um material-kollektivistische Einschläge ergänzt werden, damit sie als Recht bestehen können. Um einen „materialen“ Gerechtigkeitsausgleich zu erlangen, werden Grundprinzipien beschränkt oder nahezu suspendiert. Diejenigen besonderen Gesichtspunkte einzelner Konflikte, von denen zunächst abstrahiert wurde (Individualeigenschaften der Personen, situationsbezogene Unterlegenheit [z. B. Verbrauchsgüterkauf]) werden nachträglich als maßgebliche Aspekte erneut eingeführt.
Weil der Staat die bürgerliche Gesellschaft nicht sich selbst überlassen kann, soll sie Bestand haben,428 sorgt er für die ihrerseits nicht leistbare Behebung ihrer Unzulänglichkeiten.429 Als „besondere[ ] Existenz neben und außer der bürgerlichen Gesellschaft“ 430 nötigt dafür den Bürgern gleichwohl einen Mitwirkungsbeitrag ab.431 Innerhalb dieser Stränge verläuft das strafrechtlich sanktionierbare Rechtsverhältnis: „Horizontales“ neminem-laede kraft staatlicher Absicherung bei „vertikalem“ Beitrag zum Institutionenerhalt.432
426
I. Kant, Die Metaphysik der Sitten, 1797/1991, AB 32 f. Vgl. C.-W. Canaris, AcP 200 (2000), 273, 279. 428 W. Pauly, Der Staat 39 (2000), 381, 384 ff. 429 Insoweit wie hier M. Pawlik, GA 1995, 360, 363: „Die primäre Funktion des Staates besteht darin, Leistungen zu erbringen, die innergesellschaftlich nicht (mehr) erbracht werden, aber als für Fortbestand und Stabilität dieser Gesellschaft erforderlich erachtet werden; der Staat substituiert die Defizite der bürgerlichen Gesellschaft.“ 430 K. Marx/F. Engels, Die deutsche Ideologie (1845/46), MEW 3, 1978, 5, 62. Siehe auch A. Krölls, Leviathan 18 (1990), 349, 355. 431 Darin liegt offenkundig ein Rechtsform-immanenter Widerspruch, weil Allgemeininteresse des Staates und Interesse des einzelnen Bürgers auseinanderfallen und sich widerstreiten, vgl. K. Marx, Kritische Randglossen zu dem Artikel „Der König von Preußen und die Sozialreform. Von einem Preußen“ (1844), MEW 1, 1956, 392, 401. Auch hier sei noch einmal auf das banale Beispiel der Steuerzahlung verwiesen. – Unter idealistischen Ansätzen wird der Staat als Vernunftleistung der Subjekte ausgegeben und das Problem damit verdunkelt, siehe etwa E. A. Wolff, ZStW 97 (1985), 786, 817. Treffend dagegen wiederum G. Jakobs, Das Schuldprinzip, 1993, 29: „Ein Staat, dessen Bestand durch eine funktionierende Wirtschaft bedingt wird, kann sich vom Interessenkampf innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft gerade nicht abkoppeln.“ 432 Ähnlich G. Jakobs, in: FS Arthur Kaufmann, 1993, 459, 462. 427
E. Das Unrecht der Rechtsverletzung
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E. Das Unrecht der Rechtsverletzung Straf-Recht regelt die staatliche Reaktion auf Störungen der Rechts-Wirklichkeit. Dazu genügt isoliert weder ein Angriff auf das „Sollen“ der Normen, noch auf empirisch bestimmbare Rechtsgüter. Beides muss verknüpft sein,433 die Tat beschädigt also die normative Garantie einer bestimmten wirklich-substantiellen Gestaltung der Empirie: Rechtsverletzung. In der Strafe wird kontra-faktisch an dieser Garantie festgehalten. Insoweit macht das Strafrecht bitteren Ernst mit der kryptischen Formulierung Hegels „Was vernünftig ist, das ist wirklich und was wirklich ist, das ist vernünftig.“ 434 Verhält der Bürger sich in der Wirklichkeit nicht „vernünftig“, also nicht den normativen Vorgaben entsprechend, stellt das Strafrecht keine Untersuchungen an, warum es zum Normübertritt gekommen ist, ob also am „Vernünftigen“ etwas falsch ist. Das Recht behauptet standfest, das normativ Bezweckte müsse auch in der Wirklichkeit gelten, auch wenn die Wirklichkeit das gar nicht hergibt.435 Diese Beharrlichkeit gegenüber der Empirie436 ist gleichwohl das proprium des Vernünftigen/Normativen/ Sollens.437 Und weil ihre Blamage kraft Straftat für die Vernunft gar nicht mehr rückwirkend zu beseitigen ist – jemand hat sich in der Wirklichkeit irreversibel nicht an die „vernünftigen“ Vorgaben gehalten – muss innerhalb dieser Logik das Kompen-
433 G. W. F. Hegel, Die Philosophie des Rechts (Vorlesung), 1822/2005, § 99: „Die Realität des Verbrechens sitzt da, wo vorhanden ist die Realität des Subjektiven und Objektiven.“; siehe auch W. Frisch, GA 2019, 185, 195; G. Jakobs, Kritik des Vorsatzbegriffs, 2020, 3; D. Klesczewski, Die Rolle der Strafe in Hegels Theorie der bürgerlichen Gesellschaft, 1991, 72. 434 G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986, Vorrede 24; G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften I, 1830/1970, § 6. 435 Darin, also in der gezielten Nichtberücksichtigung der „Lebensbedingungen des Angeklagten“, dem Festhalten des Täters an seiner Rechtspersönlichkeit, (also an „sein[em] Recht“, so G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/ 1986, § 100) liegt nach E. B. Pasˇukanis, Allgemeine Rechtslehre und Marxismus, 1929/ 2003, 161 gerade „ein irrationelles, mystifizierendes, absurdes Moment“ der Strafe, das gleichwohl begrifflich elementar, also nicht von der Strafe subtrahierbar ist. 436 Nahbares Beispiel bei G. Jakobs, ZStW 107 (1995), 843, 849: Beim Hausbau mit der ersten Etage zu beginnen ist schon naturgesetzlich nicht anschlussfähig; ein baurechtswidriger Hausbau kann dagegen lange Bestand haben, soweit keine gesellschaftliche Reaktion erfolgt. Weiter zur Unterscheidung normativer und natürlicher Gesetze G. Jakobs, in: FS Androulakis, 2003, 251, 264; G. Jakobs, Norm, Person, Gesellschaft, 2008, 64. 437 Klassisch I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, 1781/1974, A 548 B 576: „Es mag ein Gegenstand der bloßen Sinnlichkeit (das Angenehme) oder auch der reinen Vernunft (das Gute) sein: so gibt die Vernunft nicht demjenigen Grunde, der empirisch gegeben ist, nach und folgt nicht der Ordnung der Dinge, so wie sie sich in der Erscheinung darstellen; sondern macht sich mit völliger Spontaneität eine eigene Ordnung nach Ideen, in die sie die empirischen Bedingungen hinein paßt (. . .)“ (Hervorh. nachträgl.). Die Strafe kann demnach „niemals bloß als Mittel ein anderes Gute [zu] befördern“ (I. Kant, Die Metaphysik der Sitten, 1797/1991, A 196 B 226). Das „Gute“ ist das rechtliche Sollen selbst! Vgl. auch G. Jakobs, in: Strafe muss sein! Muss Strafe sein?, 1998, 29, 36 f.
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Teil 1: Vorüberlegungen zum Straftatbegriff sationsprogramm mit dem Namen „Strafe“ das entstandene Ungleichgewicht aufheben und dann auch eine wirklichkeitsmächtige Folge („Strafschmerz“) zeitigen.
Das Recht, verstanden als Ordnung personaler Herrschaftsräume, wird als Recht438 verletzt,439 wenn der für seinen Organisationskreis bevollmächtigte und insoweit freie Bürger seine Rechtskompetenzen äußerlich überschreitet: Sein freier Wille manifestiert sich nicht als allgemeiner Wille, sondern unterstellt eine andere Allgemeinheit.440 Wenn der Täter einen Gegenstand wegnimmt, statt an ihm Eigentum zu erwerben, übt er seine Freiheit nicht rechtsförmig aus, sondern als Willkür in Bezug auf empirische Objekte: „Es hat sich ein Unterschied vom Recht und vom subjektiven Willen entwickelt.“ 441 Oder anders: Der freie Wille des Täters „will nicht den freien Willen“. Hegel erklärt das Verbrechen als „Gewalt von dem Freien ausgeübt, welche das Dasein der Freiheit in seinem konkreten Sinne, das Recht als Recht verletzt“.442 Begriff des Rechts und Wirklichkeit passen in der Straftat nicht mehr zusammen; das Strafrecht weist das in Frage stehende Defizit aber der Wirklichkeit und nicht dem Begriff zu, an dem insoweit festgehalten wird.443 Der Täter ist „frei“ und wird (was im Zivilrecht gar nicht erst zur Debatte stünde) als Person behandelt; ihm wird eine „rechtliche Charaktermaske“ angelegt.444 Gleichwohl verhält sich der Täter mit der Straftat so, als entfalte das Eigentum (also das „Dasein der Freiheit“) für ihn keine Geltung.445 Seine von ihm ausgeübte Freiheit ist also eine schein-bare Freiheit, unterstellt einen „anderen Weltentwurf“.446 Das ist nicht psychologisierend zu verstehen, als er selbst durch seine Tat einen kategorischen Protest einlegen wollte.447 Sondern eine rechtlich strukturierte Verhaltensordnung setzt rechtsför438
G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986, §§ 95, 97,
99. 439 Vgl. die in der jüngeren Straftatlehre vertretenen Modelle der Rechtsverletzungslehren mit Unterschieden: W. Frisch, in: Straftat, Strafzumessung und Strafprozess im gesamten Strafrechtssystem, 1996, 135, 145 ff.; H.-U. Paeffgen, in: FS Wolter, 2013, 125, 131 ff.; J. Renzikowski, M/R-StGB2, Einleitung, Rn. 11 ff.; B. Vogel, ZStW 129 (2017), 629, 635 ff.; E. A. Wolff, ZStW 97 (1985), 786, 806 ff.; E. A. Wolff, in: Strafrechtspolitik, 1987, 137; R. Zaczyk, Das Unrecht der versuchten Tat, 1989, 128 ff. 440 S. Stübinger, Das „idealisierte“ Strafrecht, 2008, 301: „Damit wird das allgemeine Rechtsprinzip, das[s] ein wirklich freier Wille stets den freien Willen (aller) will, verletzt, insofern ein besonderer Wille das allgemeine Moment der Freiheit anderer einschränkt.“; vgl. auch M. Köhler, Der Begriff der Strafe, 1986, 48; L. L. Obermayr, Die Kritik der marxistischen Rechtstheorie, 2022, 215. 441 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften III, 1830/1970, § 502. 442 G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986, § 95. 443 G. Jakobs, ZStW 117 (2005), 418, 425. 444 O. K. Flechtheim, Hegels Strafrechtstheorie, 1936/1975, 85. 445 Vgl. G. Jakobs, Staatliche Strafe: Bedeutung und Zweck, 2004, 25; M. Köhler, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 1997, 48. 446 H. Kaiser, Widerspruch und harte Behandlung, 1999, 122. 447 G. Jakobs, Rechtszwang und Personalität, 2008, 32.
E. Das Unrecht der Rechtsverletzung
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miges Verhalten der Teilnehmer voraus – ist das nicht der Fall, wird die Ordnung keinen dauerhaften Bestand haben, weswegen die Ordnung ihrerseits veranlasst, dass der Freiheitsgebrauch des Täters keinen Bestand haben kann. Seine Tat wird zu einem „missglückte[n] Unternehmen“ 448 umgelenkt. Hegel führt die Abfolge von Tat und Strafe zunächst auf formal-logische Strukturen zurück:449 Das Verbrechen sei ein „negativ-unendliches Urteil in einem vollständigen Sinne“.450 Ausweislich der Hegelschen Logik451 handelt es dabei um ein „widersinniges Urteil“, wie etwa: „Die Rose ist kein Elephant“; man kann mit diesem Urteil nichts anfangen.452 Wer also eine Straftat begeht, tätigt eine als solche wirkliche Handlung, die aber in der durch „Sollen“ präformierten und nicht zur Individualdisposition stehenden Wirklichkeit des Rechts ohne Anschlussfähigkeit bleibt.453 Die (normativierte) Person verhält sich nicht als Person, sondern nach dem Individualschema beliebiger Willkürausübung und begibt sich damit in einen Selbstwiderspruch; der nach außen getragene Wille der Person (die der Einzelne ja im Recht sein muss – das steht nicht zu seiner Disposition454) und die Allgemeinheit des Rechts passen überhaupt nicht zusammen (eben wie Rose und Elephant). – Hinreichend ist diese von materiellen Inhalten abstrahierte Herleitung noch nicht, vielmehr ist sie „in die geistesphilosophische Semantik der Rechtsphilosophie [zu] übersetzen“.455 Denn eine Straftat richtet sich nicht gegen einen Begriff, sondern gegen dessen Wirklichkeit: „Dieselben Ideologen, die sich einbilden konnten, daß das Recht, Gesetz, der Staat pp. aus einem allgemeinen Begriff, etwa in letzter Instanz dem Begriff des Menschen, hervorgegangen und um dieses Begriffes willen ausgeführt worden seien, dieselben Ideologen können sich natürlich auch einbilden, Verbrechen würden aus reinem Übermut gegen einen Begriff begangen, Verbrechen seien überhaupt weiter Nichts als Verspottung von Begriffen und würden nur bestraft, um den verletzten Begriffen Genüge zu leisten.“ 456 Ein Wiedergänger dieses formalistischen Argumentationsstrang Hegels findet sich in der Konstruktion der Straftat als kommunikativer Vorgang (dazu näher S. 128 ff.).
Diese Erklärung stellt einen Konnex zwischen Freiheit und Freiheits-Einbuße heraus, weil die schlichte Aneinanderreihung zweier Übel ein geistloses Unterfangen (und nicht das eines bürgerlichen Rechts) wäre.457 Die Negation der 448
G. Jakobs, Norm, Person, Gesellschaft, 2008, 114. Dazu M. Pawlik, Das Unrecht des Bürgers, 2012, 54 f. 450 G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986, § 95. 451 G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik II, 1816/1986, 324 f.; siehe auch G. W. F. Hegel, Vorlesungen über Rechtsphilosophie IV, 1818 ff./1974, 277. 452 Vgl. auch K. Engisch, in: FS Henkel, 1974, 47, 65 f. 453 G. Jakobs, Staatliche Strafe: Bedeutung und Zweck, 2004, 25. 454 H. Kaiser, Widerspruch und harte Behandlung, 1999, 117 f. 455 S. Stübinger, Das „idealisierte“ Strafrecht, 2008, 300. 456 So die Kritik bei K. Marx/F. Engels, Die deutsche Ideologie (1845/46), MEW 3, 1978, 5, 325. In der Sache übereinstimmend G. Jakobs, in: FS Androulakis, 2003, 251, 263: „So wie ein stattfindendes Verbrechen nicht nur ein Gedanke ist, so auch die Geltung des Rechts nicht.“ 457 G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986, § 99. Der Täter wird damit – ob er will oder nicht – als Bürger ernst genommen und am durch die 449
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Teil 1: Vorüberlegungen zum Straftatbegriff
Rechts-Negation ist „analytisch das erste, systematisch aber nicht das letzte Wort“.458 Daraus folgt, dass weitere Zwecksetzungen der Strafe möglich, aber an den Wiederherstellungsbegriff der Strafe gebunden sind459 (und damit ist natürlich auch der Spielraum460 dieser Zwecke eingehegt, siehe die Systematik von § 46 Abs. 1 S. 1 StGB als Ausgangspunkt im Verhältnis zu den generalpräventiv imprägnierten Ausnahmeregeln der §§ 44 Abs. 1 S. 2, 47 Abs. 1, 56 Abs. 3, 59 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB). So konnten sämtliche kriminologischen Erkenntnisse, beispielsweise über die defizitäre Wirkung der Generalprävention461 oder das „nothing works“ der Spezialprävention,462 dem Rechtsinstitut „Strafe“ überhaupt nichts anhaben. Vor allem aber sind Präventionszwecke keine notwendigen Voraussetzungen für das „ob“ der Strafe im geltenden Recht.463 Denn ein Strafurteil erfordert den Nachweis über die zurückliegende schuldhafte Tatbegehung, nicht aber den Nachweis über eine zukünftige Wirkung der Strafe (welcher Art auch immer). Die positive Generalprävention wiederum wirkt umso verheißungsvoller, je normativer und Empirie-befreiter sie sich aufstellt;464 die Grenze zu absoluten Straftheorien verläuft dann fließend.465 Auch die kriminalpolitische Sehnsucht nach empirisch nachweisbarer „Evidenzbasierung“ 466 bildet eben keine zwingende Bedingung zum Sanktionsnormerlass. Tat gestörten Verhältnis zur rechtlichen Freiheit (nicht zuletzt seiner eigenen!) gemessen. Das beinhaltet gleichsam einen Schutz vor der Behandlung der Tat nach außerrechtlichen, willkürlichen Maßstäben, vor allem affektiven Rachegelüsten seitens des Opfers oder weiterer Teile des Gemeinwesens (M. Reulecke, Gleichheit und Strafrecht im deutschen Naturrecht des 18. und 19. Jahrhunderts, 2007, 305). 458 B. Zabel, in: Strafe – warum?, 2011, 121, 151. 459 So bereits K. Binding, Die Normen und ihre Übertretung I, 1922/1965, 420. 460 So auch die gleichnamige Theorie, vgl. nur BGH, 10.11.1954 – 5 StR 476/54 = BGHSt 7, 29, 32. 461 Vgl. nur R. Kölbel/U. Eisenberg, Kriminologie, 2017, § 41 Rn. 14: Abschreckungsprävention „zwar keine Fiktion, aber vielfach zu relativieren und in differenzierter Weise wirksam“. 462 R. Martinson, The Public Interest 35 (1974), 22, 48. Die Debatte hat sich seitdem freilich weiterentwickelt und umfasst deutlich mehr Facetten. Gezeigt werden soll hier auch gar nicht eine pauschale Untauglichkeit präventiver Strafen, sondern deren begrenzte Bedeutung für die gegenwärtige Praxis des Strafens. 463 Siehe auch die Beschreibung zum heutigen Stand des StGB bei C.-F. Stuckenberg, GA 2022, 5, 17: Die Spezialprävention hat „im Rahmen der Vergeltungsstrafe (. . .) Einzug gehalten“. Das entspricht dem schon mehrfach angesprochenen Prozess der „Materialisierung“ des Rechts: Das empirische Individuum findet Berücksichtigung (Spezialprävention), aber nur innerhalb der normativen Grenzen einer Ordnung äußerlich präformierter Rechtspersonen, deren Recht vergolten wird. 464 C.-F. Stuckenberg, Vorstudien zu Vorsatz und Irrtum im Völkerstrafrecht, 2007, 492: Die empirische Wirkung im Sinne der positiven Generalprävention sei „kaum zu klären“. 465 W. Hassemer/U. Neumann, NK-StGB5, vor § 1, Rn. 107; M. Kubiciel, Die Wissenschaft vom Besonderen Teil des Strafrechts, 2013, 158 f. 466 Zu deren gegenwärtiger Irrelevanz W. Heinz, in: FS Yamanaka, 2017, 625, 646 u. ö.
E. Das Unrecht der Rechtsverletzung
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Das bedeutet gleichwohl nicht, dass die Lebenswirklichkeit für das Programm der Strafe irrelevant wäre. Nur ist die Beeinflussung der Empirie durch das (Straf-)Recht nicht zuverlässig messbare Folge, sondern logische Vorannahme (Präsupposition) des ganzen Vorgangs.467 Es gilt hier nichts anderes als das für das Recht im Allgemeinen Gezeigte:468 Vorgaben an den Menschen, wie er sich verhalten soll, müssen immer voraussetzen, dass er sich auch anders verhalten kann. Was psychologisch letztlich zur Normerfüllung führt (Angst vor der Strafe oder sozialer Stigmatisierung, „Rechtstreue“) kann die Rechtsordnung nicht beeinflussen; sie muss davon ausgehen, dass „irgendetwas“ Kognitives schon im Organisationskreis des Adressaten vor sich geht.469 Eine Strafe bekräftigt dieses Sollen erneut („kontra-faktisch“) und hält notwendigerweise ebenfalls an der Ausrichtung fest, dass dieses Sollen doch etwas in der Welt ausrichten möge. Was in welcher Form strafbar ist, lässt sich Empirie-unabhängig nicht bestimmen, indes bleibt die normative Reaktion (beispielsweise eine Strafrahmenschärfung bei statistischem Anstieg der Verwirklichungen eines bestimmten Delikts) begriffsnotwendig im eigenen Idealismus stecken: Das Strafrecht geht davon aus, dass sein noch einmal verdeutlichtes „Sollen“ das Verhalten des Normadressaten anleitet.470 Es weist folglich die Zuständigkeit bei Auseinanderklaffen von Sollen und Sein genau einer Person zu, dem Täter samt seiner Freiheit.471 Generalpräventive Anleihen (etwa die demonstrative Einfügung neuer Regelbeispiele in den Katalog besonders schwerer Fälle eines Delikts) sind gleichwohl möglich und üblich, begründen aber nicht den Straf-Vorgang, sondern stützen ihn durch Einbeziehung weiterer, Rechts-äußerer Anhaltspunkte.472 Die Strafe fragt überhaupt nicht nach den Umständen der Straftat, bemüht sich weder um Ursachenerforschung, noch um Konfliktlösung;473 die einzige Botschaft ist: So soll es nicht sein.474 Im Strafrecht „löst sich das juristische Moment zuerst und am krassesten vom Alltag los und wird vollkommen selbstständig“.475 – 467 „Defizite empirischen Wissens“ durchziehen freilich die gesamte Straftatlehre, instruktiv W. Frisch, in: FS Maiwald, 2010, 239, 242 ff. 468 Siehe S. 59 ff. 469 Siehe auch H. H. Lesch, JA 1994, 510, 518 f. 470 Instruktiv zum nie abschließend geklärten Wirkungszusammenhang zwischen rechtlichen Soll-Vorgaben und den tatsächlichen Handlungsmaßstäben der Normadressaten K. Olivecrona, Gesetz und Staat, 1940, 98 ff., 111 ff., 116. 471 H. Mayer, in: FS Engisch, 1969, 54, 77. 472 Vgl. G. Jakobs, ZStW 107 (1995), 843, 844 f. 473 O. K. Flechtheim, Hegels Strafrechtstheorie, 1936/1975, 116. 474 E. B. Pas ˇ ukanis, Allgemeine Rechtslehre und Marxismus, 1929/2003, 161. Freilich gibt es positivrechtliche Einsprengsel alternativer Ansätze (beispielsweise den Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46a StGB), die aber gerade durch ihren Charakter einer nachträglichen Korrektur belegen, dass es regelmäßig um etwas ganz anderes geht; siehe auch G. de Lagasnerie, Verurteilen, 2017, 221. 475 E. B. Pas ˇ ukanis, Allgemeine Rechtslehre und Marxismus, 1929/2003, 150.
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Teil 1: Vorüberlegungen zum Straftatbegriff
Zur Beschreibung bürgerlichen Rechts, das seinen Teilnehmern ja gerade die Freiheit zum Normverstoß lässt476 und sie nicht um jeden Preis zu steuern versucht, führt nur ein retributive Gedanke weiter.477 Strafe ist die Vergeltung der Rechtsverletzung. Damit ist nichts Erbauliches oder Erhebendes über die Praxis zu Strafen dargelegt;478 sie ist eben so viel wert wie die Soll-Vorgabe „Freiheit“ selbst,479 weil es das eine ohne das andere nicht gibt.
I. Personale und institutionelle Reichweite Bürgerliche Freiheit verläuft im Verhältnis der sich als solche respektierenden Personen, abgesichert durch ein institutionelles Netz. Daraus folgen zwei Richtungen, nach denen strafrechtlich verletzbare Pflichten des Bürgers sich richten können:480 Zunächst obliegt jeder Person die negative Pflicht, keinen anderen zu verletzen. Die Pointe der Herrschaft über die jeweiligen personalen Rechtskreise liegt 476 K. F. Gärditz, Staat und Strafrechtspflege, 2015, 34: „Strafrecht nimmt das Risiko von Freiheit bewusst in Kauf, weil es dem Einzelnen – in Absage an eine sozialtechnokratische Gestaltungshybris, aber auch im Kontrast zu (legitimen) präventiv-polizeilichen Ordnungsmustern – die Freiheit seines Handelns belässt, ihn aber dafür auch reaktiv verantwortlich macht.“; so auch M. Pawlik, Normbestätigung und Identitätsbalance, 2017, 12. 477 Diese Unterscheidung zwischen Erklärung des Positiven und persönlichem Desiderat wird bei Anhängern präventiver Theorien nicht immer vorgenommen. K. Binding, Grundriß des Deutschen Strafrechts, 1913, 203 f. bemerkte bereits, „wie wenig fast alle Theorieen [sic] bemüht sind, die Erscheinungen des wirklichen Rechtslebens zu erklären und ihnen gerecht zu werden. (. . .) Fast alle sind Theorieen nicht der wirklichen, sondern einer imaginären Strafe, wie sie der Urheber der Theorie in die ideale Rechtsordnung einfügt, deren Erbauer er ist“. 478 Dennoch wird dieser Vorhalt gegen sämtliche Vergeltungstheorien immer wieder mit großer Schärfe präsentiert, vgl. K. Lüderssen, StV 2004, 97, 100. 479 Scharf E. B. Pas ˇ ukanis, Allgemeine Rechtslehre und Marxismus, 1929/2003, 166: „Der Irrtum dieser fortschrittlichen Strafrechtler liegt darin, daß sie, wenn sie die sogenannten absoluten Straftheorien kritisieren, nur falsche Ansichten, Verirrungen des Denkens vor sich zu haben meinen, die durch die theoretische Kritik allein widerlegt werden können. In Wirklichkeit ist diese absurde Äquivalentform [FL: Von Straftat und Vergeltung] aber nicht eine Folge der Verirrungen einzelner Kriminalisten, sondern der materiellen Verhältnisse der warenproduzierenden Gesellschaft, von denen sie sich nährt.“ 480 Zum Folgenden grundlegend G. Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, 1991, 28/ 13 ff.; G. Jakobs, Der strafrechtliche Handlungsbegriff, 1992, 31; G. Jakobs, Die strafrechtliche Zurechnung von Tun und Unterlassen, 1996, 19 ff.; G. Jakobs, System der strafrechtlichen Zurechnung, 2012, 83 f. – Allerdings handelt es bei Jakobs, Einteilung um die Kategorisierung gesellschaftlicher Zurechnungsmuster, nicht (zumindest nicht ausdrücklich) um ein Schema, das sich nahtlos auf die Delikte des Besonderen Teils anwenden ließe. Wie hier etwas weitergehender: B. Müssig, in: FS Rudolphi, 2004, 165, 175 ff.; B. Müssig, Mord und Totschlag, 2005, 168 ff.; B. Müssig, in: FS Jakobs, 2007, 405, 409 f.; M. Pawlik, Das Unrecht des Bürgers, 2012, 175 ff. – Durchaus ähnlich bereits die Kategorisierung nach „Privatverbrechen“ und „öffentlichen Verbrechen“ bei H. Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht II/1, 1884, 10.
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darin, dass diese unbedingte Ausschlussbefugnis auch für alle anderen gilt; wechselseitige Schädigungsverbote sind also konstitutiv für eine bürgerliche Rechtsordnung.481 Was der Person rechtlich zugeordnet ist – vornehmlich ihr Eigentum482 – darüber herrscht sie in Freiheit: Es dürfen also auch nützliche Dinge zerstört werden, Ästhetisches verkommen etc., wenn die Person es nur will. Die Bedingung dieser Freiheit ist gleichwohl, dass der Rechtskreis in einer solchen Weise organisiert wird, dass er andere von ihrem jeweiligen Willen beherrschten Rechtskreise nicht beschädigt.483 Ist das dennoch der Fall, macht die Person sich dadurch für den Schaden zuständig – das „Synallagma von Verhaltensfreiheit und Folgenverantwortung“.484 Zu den negativen Pflichten zählt damit (zunächst unabhängig davon, ob die Pflicht auf Tun oder Unterlassen lautet), seinen normativen Rechtskreis empirisch so zu gestalten, dass er die anderen Personen zugeordneten Kreise nicht beschädigt.485 Daneben steht der Beitrag zum Institutionenerhalt. Wer also auf die Verhaltensform der Freiheit verpflichtet wird, muss zugleich deren Stabilisierung gewährleisten – positive Pflichten.486 Rechtsverletzung ist damit auch eine Tat gegen „den besonderen, weiter bestimmten Inhalt“ 487, der die äußeren Voraussetzungen der personalen Organisationsfreiheit bedingt. Das Inverkehrbringen von Falschgeld (§ 147 StGB) beispielsweise verletzt keine andere Person unmittelbar; gleichzeitig können Rechtspersonen wirtschaftliche Transaktionen nur dann mit Erwartungssicherheit tätigen, wenn die normativen Rahmenbedingungen (das sich im Verkehr befindliche Geld ist echt) auch empirisch gewährleistet sind. Oder eine Luftverunreinigung (§ 325 StGB) berührt nicht die personale Freiheitssphäre einer anderen Person, wohl aber die empirischen Voraussetzungen, um Freiheit praktisch umsetzen zu können. Dass negative Pflichten im Verhältnis zwischen den Personen praktische Relevanz erlangen, bestreitet gleichwohl nicht ihre allgemeine Bedeutung:488 Über den Bruch eines interpersonalen Rechtsverhältnisses hinaus weisen Straftaten 481 482
M. Pawlik, Das Unrecht des Bürgers, 2012, 180. Vgl. erneut G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986,
§ 41. 483 H. Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht I, 1881, 563: „Der Rechtsgrund der Strafe ist die That, mittelst deren der verbrecherische Wille sich außerhalb der Grenzen seiner Rechtssphäre auf fremdem Gebiete eine Geltung und Herrschaft anmasst (. . .).“ 484 G. Jakobs, Die strafrechtliche Zurechnung von Tun und Unterlassen, 1996, 32. 485 Vgl. G. Jakobs, Kritik des Vorsatzbegriffs, 2020, 34. 486 Näher auf S. 66 ff. 487 G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986, § 95. 488 Umgekehrt führt eine abstrakte Personenbestimmung auch nicht zur Unbedeutsamkeit der Interpersonalität, weil der objektive Maßstab dort erst zeigt, inwieweit er das Zusammenleben der Personen begrifflich fassen kann, vgl. G. Jakobs, in: FS Arthur Kaufmann, 1993, 459, 460 f. Fn. 4.
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Teil 1: Vorüberlegungen zum Straftatbegriff
eine objektive, „vertikale“ Dimension auf, indem sie institutionell gesicherte Sphären verletzen.489 Soweit man einen öffentlichen Strafanspruch erklärt, ergibt sich diese Reichweite zwingend.490 Eine Überschreitung der personalen Abgrenzung trifft nicht nur den betroffenen Rechtskreis, sondern gleichsam den Abgrenzungsmodus als solchen.491 Das leuchtet insbesondere bei Vermögensdelikten ein. Der Vorteil desjenigen Täters, der sich über Eigentumsregeln hinwegsetzt und einen Diebstahl begeht, lässt sich klar ausweisen. Als Abstraktion vom Individuum herrscht die bürgerliche Rechtsperson indes über alle ihr zugeordneten Sphären in Rechtsform. Das bedeutet, dass sich Verletzungen von Eigentum und körperlicher Integrität gleichermaßen als Delikte gegen die Person beurteilen lassen,492 weil weder der Gebrauchswert der Sache noch die menschlich-leibliche Substanz an sich von normativer Relevanz sind, sondern durch hoheitliche Setzung erst in diesen Rang gehoben werden. Institutionelle Zuweisungsregeln be-
489 Konzise H.-U. Paeffgen, Der Verrat in irriger Annahme eines illegalen Geheimnisses (Paragraph 97b StGB) und die allgemeine Irrtumslehre, 1979, 121: „Der Übergriff in die fremde Rechtszuständigkeit verstößt daher nicht nur gegen den Imperativ, sondern wirkt störend in den einem anderen Rechtsgutsträger eingeräumten Rechtsbereich ein.“; vgl. im Weiteren mit unterschiedlichen Begründungen: A. Eser, in: FS Mestmäcker, 1996, 1005, 1023; K. Gierhake, JZ 68 (2013), 1030, 1035; K. Gierhake, ZRph Neue Folge 1 (2017), 92, 94 ff.; J. M. Göhler, Strafprozessuale Rechte des Verletzten in der Europäischen Union, 2019, 459; T. Grosse-Wilde, Erfolgszurechnung in der Strafzumessung, 2017, 145 Fn. 137, 402 ff.; V. Haas, Kausalität und Rechtsverletzung, 2002, 78 ff.; H. Kaiser, Widerspruch und harte Behandlung, 1999, 115; T. Kleinert, Persönliche Betroffenheit und Mitwirkung, 2008, 103; M. Köhler, Der Begriff der Strafe, 1986, 47 f.; B. Müssig, Mord und Totschlag, 2005, 142; B. Noltenius, GA 2007, 518, 526; J. Renzikowski, in: Juristische Grundlagenforschung, 2005, 115, 122 f.; J. Renzikowski, GA 2007, 561, 564 ff.; J. Renzikowski, M/R-StGB2, Einleitung, Rn. 18; L. Rösinger, Die Freiheit des Beschuldigten vom Zwang zur Selbstbelastung, 2019, 91 f. 490 Insoweit grundlegend schon P. J. A. Feuerbach, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen Peinlichen Rechts, 1847, §§ 27, 32; G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986, §§ 98, 218; I. Kant, Die Metaphysik der Sitten, 1797/1991, A 196 B 226; A. Merkel, Kriminalistische Abhandlungen, 1867, 42 f. Nachweise aus dem anglo-amerikanischen Raum bei T. Grosse-Wilde, Erfolgszurechnung in der Strafzumessung, 2017, 402 Fn. 218. Vgl. zum öffentlichen Strafanspruch G. Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, 1991, 1/8; K. Lüderssen, Die Krise des öffentlichen Strafanspruchs, 1989 – anders nur, wenn man die Allgemeinheit als „Treuhänder“ des Opfers betrachtet, die den rein interpersonalen Strafanspruch ausverhandelt, dazu ausführlich S. 124 ff. 491 Es lassen sich zudem Versuchsunrecht und Gefährdungsunrecht rein interpersonal nicht zureichend beschreiben (zum Versuchsunrecht T. Grosse-Wilde, Erfolgszurechnung in der Strafzumessung, 2017, 145 f.; zur Beschreibung des Versuchsunrechts aus anerkennungstheoretischer Sicht bei R. Zaczyk, Das Unrecht der versuchten Tat, 1989). Zwar kann die interpersonale Sichtweise gerade eine Kritik an diesen Deliktsarten formulieren – Schwierigkeiten ergeben sich, soweit ein Verhalten strafwürdig sein soll und keine andere Person ein subjektives Abwehrrecht gegen das Verhalten innehat (J. Renzikowski, GA 2007, 561, 564). 492 M. Pawlik, Das Unrecht des Bürgers, 2012, 150 f.
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stimmten insoweit die gesamte Praxis der Rechtsverhältnisse.493 Normativ differenziert das Recht also nicht nach dem Erscheinungsbild der einzelnen Äußerlichkeitssphären von Freiheit,494 sondern ordnet sie einem ideellen Verständnis der Rechtspersönlichkeit unter. Diese Gleichsetzung der RechtspersönlichkeitsSphären entspringt keiner realitätsfernen dogmatischen Verklammerung, sondern ist die Gleichsetzung innerhalb der gesellschaftlichen Praxis.495
II. Ein Schaden und sein Ersatz Die Strafe ist dann Schadensersatz.496 Traditionell wird stattdessen unterschieden: „Die Strafe soll eine Wunde schlagen, der Schadensersatz eine andere heilen [. . .].“ 497 Bei einer Erklärung der Straftat anhand einer Rechtsverletzung, die eben auch subjektive Rechtsverletzung sein kann, ist die Abgrenzung besonders erschwert – Strafe und Schadensersatz teilen dann zumindest partiell ihren Rechtsgrund.498 Beide Rechtsinstitute beheben einen rechts-fehlerhaften Zustand infolge eines nicht legitimen Eingriffs in subjektive Rechte. Aus dieser Ähnlichkeit499 – worin liegt dann das Proprium der Strafe? – wird teilweise ein Argument gegen strafrechtliche Schadensersatz-Theorien formuliert.500
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Vgl. dazu B. Zabel, Die Ordnung des Strafrechts, 2017, 722. Vgl. allgemein G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/ 1986, §§ 41 ff. 495 Vgl. T. Grosse-Wilde, ZStW 133 (2021), 60, 89 f.; G. Jakobs, Urkundenfälschung, 2000, 13; G. Jakobs, Nötigung, 2015, 39 f.; M. Pawlik, Das Unrecht des Bürgers, 2012, 150 f. Durchaus ähnlich insoweit die rechtsrealistisch-ökonomische Strafbegründung, radikal: R. A. Posner, Columbia Law Review 85 (1985), 1193, 1197 ff. Dass auch Gegenstände normativ sezierbar sind, die prima facie als naturalistisch vorgeformte Gegebenheiten erscheinen (körperliche Integrität, Leben etc.), hat eindrücklich dargelegt: R. Keller, ZStW 107 (1995), 457, 470 ff. 496 G. Jakobs, ZStW 117 (2005), 247, 261. 497 K. Binding, Die Normen und ihre Übertretung 1. Normen und Strafgesetze, 1872, 170; vgl. dazu H.-U. Paeffgen, ZStW 122 (2010), 435, 440. 498 Vgl. dazu R. Heinze, in: Handbuch des deutschen Strafrechts, 1871, 241, 338, mit Ausweitung auf die Rechtsfolgenseite: „Wie einerseits jede Verletzung eines Privatrechts eine Verletzung des objektiven Rechts enthält, so liegt andererseits in jeder Wiederherstellung eines verletzten Privatrechts zugleich eine Anerkennung und Genugthuung für die verletzte objektive Rechtsordnung.“; ähnlich A. Merkel, Kriminalistische Abhandlungen, 1867, 42 (dazu A. Sarhan, Wiedergutmachung zugunsten des Opfers im Lichte strafrechtlicher Trennungsdogmatik, 2006, 127 ff.; S. Stübinger, in: „Eine gewaltige Erscheinung des positiven Rechts“, 2020, 63, 79). 499 Dabei ist auch zu bedenken, dass – ganz unabhängig von der Deutung der Strafe – immer noch weitere rechtliche Reaktionsinstrumente bei Rechtsverletzungen bestehen (vgl. allgemein H. Sauer, Öffentliches Reaktionsrecht, 2021, 60); von großer Relevanz ist etwa die Vermögensabschöpfung (§§ 73 ff. StGB). Der Gegeneinwand, die notwendigen Trennschärfe von Strafe und Schadensersatz ginge verloren, wird auch dadurch relativiert. 500 Dazu H. Kaiser, Widerspruch und harte Behandlung, 1999, 152 f. 494
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Dem lässt sich aber entgegenhalten: Die Strafe gleicht ein anderes Defizit mit anderen Mitteln aus.501 In zivilrechtlichen Streitigkeiten bleibt es den einzelnen Rechtspersonen belassen, ob sie den (empirischen!) Ausgleich des Eingriffs anstreben wollen; mit erfolgtem Ausgleich ist die normative Störung erledigt. Weil personale Rechtsmacht aber nicht im leeren Raum schwebt, sondern Teil einer institutionellen Zuweisungsordnung ist, betrifft im öffentlichen Strafrecht der Verstoß gegen personenschützende Normen auch das Recht als solches.502 Dabei geht es, wie schon gezeigt, nicht um Genugtuung oder ein kollektives Bewusstsein für die Norm (im Sinne einer empirisch fassbaren Geltungsbeachtung503), sondern nüchtern504 um den allgemeinwirksamen Regelverstoß. Wenn ein Staat Privatrechtssubjekte konstruiert und sie mit Eigentum ausstattet, dann besteht nach einem Diebstahl ein eigenes, folgenunabhängiges505 Reaktionsbedürfnis. Jedem Bürger wird eine Persönlichkeitssphäre zugestanden – er kann beispielsweise eigenständig über Gegenstände verfügen. Dabei muss sich seine Freiheit aber als Besonderes zu einem allgemeinen normativen Schema zuordnen lassen – die Verfügungsmacht des Bürgers muss auf einem rechtlichen Titel beruhen; ist das nicht der Fall, muss die rechtliche Allgemeinheit den Anschluss neu herstellen. Die gewährte Verhaltensfreiheit wurde fehlerhaft gebraucht. Also haftet der Täter „mit seiner Freiheit für sein Verbrechen und zwar mit einem Stück seiner
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G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986, § 98. Das ist auch an der fehlenden Möglichkeit einer „Genehmigung“ von Straftaten erkennbar. In einer beispielhaften Fallgestaltung schenkt und übereignet das Opfer eines Diebstahls dem Dieb im Nachgang an die Tat die betroffene Sache. Eine streng interpersonale Sichtweise müsste nunmehr annehmen, dass das Opfer einer Straftat den Eingriff in seine Rechtssphäre nachträglich gestatten kann. Das Unrecht entfiele. – Tatsächlich ist diese Form der Rechtfertigung dem gegenwärtigen Strafrecht aber unbekannt, siehe BGH, 10.7.1962 – 1 StR 194/62 = BGHSt 17, 359, 360; T. Grosse-Wilde, Erfolgszurechnung in der Strafzumessung, 2017, 401; M. Maiwald, GA 1970, 33, 35; H.-U. Paeffgen, NK-StGB4, vor §§ 32 ff., Rn. 76 ( H.-U. Paeffgen/B. Zabel, NK-StGB5, vor §§ 32 ff., Rn. 75). Wie sich also die reguläre Einwilligung nicht ohne Beachtung einer personalen Sphäre begründen lässt (dazu A. Sarhan, Wiedergutmachung zugunsten des Opfers im Lichte strafrechtlicher Trennungsdogmatik, 2006, 230 ff.) so lässt sich der Ausschluss einer nachträglichen Genehmigung nicht ohne Beachtung einer institutionellen Dimension begründen. 503 Dazu ausführlich H. Müller-Dietz, GA 1983, 481; deutlich normativer G. Jakobs, Rechtszwang und Personalität, 2008, 34. 504 Problematisch ist die häufige Verwendung stark wertender und psychologisch fundierter Begriffe wie „Treue“, „Loyalität“, „Genugtuung“. Verschleiert wird hinter diesem Selbstlosigkeitsduktus, dass es lediglich um einen Vorteilsausgleich voneinander unabhängiger Rechtspersonen geht. Der Argumentationsstrang eines „Genugtuungsbedürfnisses“ der Allgemeinheit (V. Haas, Strafbegriff, Staatsverständnis und Prozessstruktur, 2008, 262; ähnlich schon U. Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, 1989, 156) lädt das normative Muster emotional auf (kritisch zu einem allgemeinen Genugtuungsinteresse auch T. Hörnle, in: FS Neumann, 2017, 593, 602 f.). 505 Vgl. M. S. Moore, Placing Blame, 1997/2010, 107. 502
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Freiheit, das der Schwere seiner Tat angemessen ist“.506 Damit erfolgt der Tatausgleich nach einem normativen, geistigen Schema und hat nichts mit einer empirischen Talion gemeinsam.507 Während der Schadensersatz die Naturalrestitution anstrebt, kann durch Strafe nie eine Wiederherstellung des vergangenen Zustandes erreicht werden.508 Der Rechtsbruch wird nicht rückgängig gemacht, sondern negiert.509 Durch ihre Bestätigung gewinnt die Norm als Rechtsverhältnis-Garant an Kontur; sie fällt mit der Straftat nicht zurück in den Status reinen Sollens, das nur behauptet, nicht aber befolgt wird, sondern erfährt Bekräftigung als wirklich geltendes Sollen. Die institutionelle Verbindlichkeit be-rechtigter Handlungen wird erneuert, das Recht „giebt [sic] sich durch das Aufheben seiner Verletzung Wirklichkeit“.510 Während der zivilrechtliche Ausgleich „bloß auf die Bestimmtheit [geht]“, muss Strafe „die Negation der Allgemeinheit und die an ihre Stelle gesetzte Allgemeinheit aufheben“.511 506
E. B. Pasˇukanis, Allgemeine Rechtslehre und Marxismus, 1929/2003, 163 f. Deutlich G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986, § 101 (zu Hegels Ablehnung der empirischen Talion M. Köhler, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 1997, 49; W. Schild, in: FS Puppe, 2011, 77, 81). Die Mängel einer empiristischen Vergeltung („Auge um Auge“) sind offenkundig – Wie bestraft man eine Gewässerverunreinigung? (siehe nur C.-F. Stuckenberg, Bonner Rechtsjournal 2019, 26, 30). Die Talion eignet sich daher auch nicht als Begrenzungsmaßstab, sie ist überhaupt kein Maßstab. Der Vorwurf gegen die Strafpraxis der Gerichte, sie provoziere durch regelmäßige Überschreitung des Talionsprinzips einen „Overkill“, sodass ein ganz anderes, nicht-retributives Prinzip (namentlich die Generalprävention) einzig tauglicher Maßstab sei (so B. Schünemann, ZIS 2016, 654, 658 ff.) verfängt daher nicht: Wer den „Overkill“ für einen Einwand hält, muss dabei ja voraussetzen, dass die Erfüllung oder Überschreitung der empirischen Talion etwas Gehaltvolles über die staatliche Strafe aussagt. 508 K. Marx, Debatten über das Holzdiebstahlsgesetz (1842), MEW 1, 1956, 109, 141: „Der Staat kann und muß sagen: ich garantiere das Recht gegen alle Zufälle. Das Recht allein ist in mir unsterblich, und darum beweise ich euch die Sterblichkeit des Verbrechens, indem ich es aufhebe. Aber der Staat kann und darf nicht sagen: ein Privatinteresse, eine bestimmte Existenz des Eigentums, eine Waldhut, ein Baum, ein Holzsplitter, und gegen den Staat ist der größte Baum kaum ein Holzsplitter, ist gegen alle Zufälle garantiert, ist unsterblich. Der Staat kann nicht an gegen die Natur der Dinge, er kann das Endliche nicht gegen die Bedingungen des Endlichen, nicht gegen den Zufall stichfest machen.“; im Ergebnis ähnlich G. Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, 1991, 2/4. 509 Negation bezeichnet bei Hegel eine logische Form, die den Begriff konstituiert: Ohne eine Ab-Grenzung lässt sich nichts bestimmen, was zu begreifen wäre (G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik I, 1812/1986, 122: „Die Realität enthält selbst die Negation, ist Dasein, nicht unbestimmtes, abstraktes Sein.“; vgl. dazu auch M. Pawlik, Normbestätigung und Identitätsbalance, 2017, 13 f.; ähnlich der Gedankengang bei J. M. Balkin, Rutgers Law Review 39 (1986), 1, 6: „(. . .) it is the relation (or opposition) between things that gives them meaning.“ Indem das Spaltungsprodukt (hier: das Unrecht in Abgrenzung vom Recht) wiederum negiert wird, gelangt der ursprüngliche Standpunkt zu vollständiger Deutlichkeit. 510 G. W. F. Hegel, Vorlesungen über Rechtsphilosophie IV, 1818 ff./1974, 281; vgl. ferner zur Aktualisierung der Norm durch Strafe C. Möllers, Die Möglichkeit der Normen, 2015, 328 f. (siehe zu Hegel ebd., 174). 511 G. W. F. Hegel, System der Sittlichkeit, 1803/1967, 89. 507
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Wie aber ist dieser Schaden nun auszugleichen? Der Ausgleich erfolgt „nach dem Werte“ 512, der die Identität von Verbrechen und Strafe ausmacht.513 Und diese Einheit, nach der sich im modernen Recht die Schwere eines Normverstoßes bemessen lässt, ist die Freiheit – „Freiheit ist das tertium comperationis zu Verbrechen und Strafe“.514 Das klingt zunächst esoterisch, vereinfacht sich aber, wenn man das Verständnis von Freiheit aus seinem Begriffshimmel pflückt.515 Gemeint ist schlicht, dass der Normverstoß materiell einer Freiheits-KompetenzÜberschreitung des Bürgers entspricht: Der Bürger als Täter lässt dort seinen Willen empirisch gelten, wo das Recht, und damit auch sein unterstellter rechtlicher Wille, es ihm nicht gestattet. Ein dem entgegenstehender Ausgleich setzt also genau dort an: am rechtlich-allgemeinen freien Willen des Täters. Die Strafe setzt die Möglichkeit seiner garantierten Willensumsetzung herab, nimmt ihm „die Freiheit als das universelle Zeichen intakten Bürgertums“.516 Konkret fallen darunter das Eigentum („Geldstrafe“, § 40 StGB) und die Bewegungsfreiheit („Freiheitsstrafe“, § 38 StGB)517 als die Transmitter, mithilfe derer sich rechtlich 512 G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986, § 101; im Anschluss J. F. H. Abegg, Die verschiedenen Strafrechtstheorieen, 1835/1969, § 21. 513 Instruktiv D. Klesczewski, Die Rolle der Strafe in Hegels Theorie der bürgerlichen Gesellschaft, 1991, 241 ff.; A. A. Piontkovskij, Hegels Lehre über Staat und Recht und seine Strafrechtstheorie, 1960, 148 ff., im Ergebnis (179) aber verkürzt. 514 H. Kaiser, Widerspruch und harte Behandlung, 1999, 128. Dieser Vorgang einer totalverallgemeinernden Gleich-Setzung ist bei E. B. Pasˇukanis, Allgemeine Rechtslehre und Marxismus, 1929/2003, 151 als Beleg der Gleichursprünglichkeit von Rechtsform und Warenform ausgewiesen worden: „Die Idee des Äquivalents, diese erste rein juristische Idee, hat wiederum ihre Quelle in der Warenform.“ Grundlegend K. Marx, Das Kapital (1867), MEW 23, 1962, 51 zur Frage, wie beispielsweise Weizen und Eisen als ganz verschiedene Stoffe tauschbar sind: „Die gültigen Tauschwerte der Waren drücken ein Gleiches aus. (. . .) Beide sind also gleich einem Dritten, das an und für sich weder das eine noch das andere ist.“ – Man kann in natura also Weizen und Eisen so wenig miteinander vergleichen, wie man die an sich tatbestandlichen Verhaltensweisen einer Urkundenfälschung und Nötigung miteinander vergleichen kann. Es kommt jeweils auf die Form an, in die sämtliche jeweils zu vergleichenden Gegenstände gesetzt sind. 515 Im oben (siehe bei Fn. 344) eingeführten Hohfeldschen Vokabular würde man also von einem „Right“ und nicht von einer „Liberty“ sprechen, das/die verletzt wurde. 516 H. Kaiser, Widerspruch und harte Behandlung, 1999, 86. Vgl. auch M. Pawlik, Normbestätigung und Identitätsbalance, 2017, 56: „In Hegels Worten wird ihm durch die Bestrafung genommen, was er behalten will“, unklar dort allerdings die Erläuterung, Eigentum und Leib seien „Zeichen der Freiheit“ – sie symbolisieren aber nicht Freiheit, sondern sind die Realisierungsmöglichkeiten bürgerlicher Freiheit. Eher unscharf auch die Bezeichnung als „Grundwerte“ bei M. Pawlik, Das Unrecht des Bürgers, 2012, 117. 517 Es ist denn auch kein Zufall, dass sich das Maß einer Freiheitsstrafe für eine von ihren Individualeigenschaften vollständig abstrahierte Person, die im Rechtsverkehr als solche die Freiheit genießen kann, von allen Nützlichkeitseigenschaften abstrahierte Waren zu tauschen, denkbar allgemein bestimmt: Zeit. Dazu T. Fischer, Hat Strafe Sinn?, spiegel-online; E. B. Pasˇukanis, Allgemeine Rechtslehre und Marxismus, 1929/ 2003, 165.
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garantierte Willensfreiheit in die Wirklichkeit umsetzen lässt.518 Weil der Täter keinen Gedanken von Freiheit verletzt hat, sondern deren konkrete Verwirklichung, reagiert das Recht ebenso Wirklichkeits-mächtig, sodass „der Wert der Geltung der verletzten Norm für die freiheitliche Entfaltung des Einzelnen in Staat und Gesellschaft als Kriterium für das Maß der Strafe dient“.519 Wer also einen Totschlag begeht, verletzt das Leben als Möglichkeit, überhaupt Freiheit geltend zu machen; wer einen Diebstahl begeht, verletzt die elementare äußere Sphäre der Freiheit; wer beispielsweise ein Korruptionsdelikt im Gesundheitswesen (§§ 299a, 299b StGB) begeht, schädigt eine Institution, die als Freiheit-ermöglichend anerkannt ist. Es dürfte klar sein, dass die Strafrahmen hier divergieren; der Grund der Strafe ist aber ein gemeinsamer (wenngleich unterschiedlich lange Ableitungen erforderlich sind). Nicht gesagt werden soll, – und das wäre schlicht naiv – dass sich aus dem gemeinsamen Begriff ein zeitloser Strafkodex ableiten ließe. Hegel erläutert das in aller Klarheit: „Das Positive der Gesetze betrifft zunächst nur ihre Form, überhaupt als gültige und gewußte zu sein, womit die Möglichkeit zugleich gegeben ist, von allen auf gewöhnliche äußerliche Weise gewußt zu werden. Der Inhalt kann dabei an sich vernünftig oder auch unvernünftig und damit unrecht sein. (. . .) ob drei Jahre, 10 Taler usf. oder nur 2 1/2, 2 3/4, 2 4/5 usf. Jahre, und so fort ins Unendliche, das Gerechte wäre, läßt sich auf keine Weise durch den Begriff entscheiden, und doch ist das Höhere, daß entschieden wird. So tritt von selbst, aber freilich nur an den Enden des Bestimmens, an der Seite des äußerlichen Daseins, das Positive als Zufälligkeit und Willkürlichkeit in das Recht ein. Es geschieht dies und ist in allen Gesetzgebungen von jeher von selbst geschehen; es ist nur nötig, ein bestimmtes Bewußtsein hierüber zu haben gegen das vermeinte Ziel und Gerede, als ob nach allen Seiten hin das Gesetz durch Vernunft oder rechtlichen Verstand, durch lauter vernünftige und verständige Gründe, bestimmt werden könne und sollte. Es ist die leere Meinung von Vollkommenheit, solche Erwartung und Forderung an die Sphäre des Endlichen zu machen.“ 520
Dass es in einem positivierten Recht Abweichungen von einem erklärenden Begriff gibt, ist also ganz gewöhnlich; dem Begriff schadet das nicht.521 Denn er möchte keine Prophezeiung über gesetzgeberische Entscheidungen bewerkstelligen,522 sondern den normativen Grund freilegen, auf dem diese Entscheidungen
518 Wie G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986, §§ 41, 48 belegt, sind das die elementaren Notwendigkeiten zur Realisierung dessen, was als „Freiheit“ bezeichnet wird. 519 U. Kindhäuser, in: FS Yamanaka, 2017, 443, 455. 520 G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften III, 1830/1970, § 529 (Hervorhebungen nachträglich). 521 H. Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht II/1, 1884, 15: „In Betreff der Systematik, namentlich des besonderen Theiles, liegt es in der Natur der Sache, daß eine volle Uebereinstimmung der Gesetzgebung und Doctrin nicht zu erwarten ist.“ 522 Was auch und gerade im Strafrecht kaum zu leisten ist, siehe differenzierend H.-U. Paeffgen, NK-StGB4, vor §§ 32 ff., Rn. 12 H.-U. Paeffgen/B. Zabel, NK-StGB5, vor §§ 32 ff., Rn. 12.
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Teil 1: Vorüberlegungen zum Straftatbegriff
gefunden werden.523 Das Motiv des Schadensersatzes tritt im Zivilrecht als personal vermittelter und empirischer Ausgleich auf, im Strafrecht als institutionell vermittelter und normativer Ausgleich.524
III. Abgleich mit anderen Erklärungen: „Unfair Advantage“ und „Mitwirkungspflicht“ a) Im anglo-amerikanischen Raum wird der Aspekt eines durch die Straftat erfolgenden institutionellen Kompetenzverstoßes empiristisch ausformuliert und ist unter dem Schlagwort „unfair advantage“ als ganze Straftheorie entfaltet worden.525 Der Einzelne gelangt durch die Straftat zu einer irregulären Interessenverwirklichung,526 eignet sich damit einen gesellschaftlich nicht gedeckten Vor523 Insoweit ganz ähnlich T. Grosse-Wilde, Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie Beihefte 2012, 45, 56. 524 Vgl. auch G. Freund/E. G. Carrera, ZStW 118 (2006), 76, 83 ff., 98. 525 Grundlegend aus dem anglo-amerikanischen Raum H. Morris, Monist 52 (1968), 475, 478; weiter R. W. Burgh, The Journal of Philosophy 79 (1982), 193, 202 ff.; M. Davis, Philosophy & Public Affairs 15 (1986), 236, 240 u. ö.; M. Davis, Law and Philosophy 12 (1993), 133, 138 ff.; J. G. Murphy, Philosophy & Public Affairs 2 (1973), 217, 228, 240 (noch differenzierend); J. G. Murphy, Criminal Justice 27 (1985), 156, 160 ff. (befürwortend); siehe dazu mit weiteren Nachweisen zur Debatte H.-U. Paeffgen, ZStW 122 (2010), 435, 440 Fn. 6. Deutschsprachig: T. Grosse-Wilde, Erfolgszurechnung in der Strafzumessung, 2017, 403 ff.; V. Haas, Strafbegriff, Staatsverständnis und Prozessstruktur, 2008, 262 ff.; ähnlich D. R. Horcajo, GA 2018, 609, 620 f.; U. Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, 1989, 156; U. Kindhäuser, GA 1989, 493, 497; vgl. auch M. Kubiciel, ZStW 120 (2008), 429, 439; U. Neumann, in: FS Jakobs, 2007, 435, 449. – Ablehnend dagegen T. Hörnle, Straftheorien, 2017, 58 f.; T. Hörnle, Hdb-StrR I, § 12, § 12 Rn. 52; H. Kaiser, Widerspruch und harte Behandlung, 1999, 151 ff.; F. Zimmermann, Verdienst und Vergeltung, 2012, 148 ff., 160. 526 Im Angebot sind überdies auch interpersonal ausgerichtete Rechtsverletzungslehren mit besonderem Augenmerk auf eine Interessenbeschädigung: T. Hörnle, Grob anstössiges Verhalten, 2005, 65 ff. stellt ein umfassendes Begrenzungskonzept strafrechtlicher Verhaltensweisen zusammen, das sich auf die „Rechte anderer“ nach Art. 2 Abs. 1 GG bezieht. Während eine Fokussierung auf die Qualität des Tatopfers als Träger subjektiver Rechte zu einer Abhängigkeit von Zivilrecht und öffentlichem Recht führt, möchte Hörnle diese Grenze in der Unrechtsbeschreibung gezielt überschreiten. „Menschliche Interessen“ sind nach ihrer Auffassung der Schutzgegenstand, um strafwürdiges Unrecht zu begründen (ebd., 73). Möchte man aber Interessen zur näheren Bestimmung nach ihrer Berechtigung differenzieren, gerät man in eine Tautologie: Das Recht schützt nur solche Interessen, die das Recht schützt (N. Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993, 390). Hörnles Ansatz greift zur näheren Bestimmung auf das „harm principle“ der angloamerikanischen Moralphilosophie zurück (J. Feinberg, Harm to Others, 1984, 31 ff.; siehe auch A. von Hirsch, in: Die Rechtsgutstheorie, 2003, 13; A. von Hirsch, in: FS Herzberg, 2008, 915; A. von Hirsch, in: FS Neumann, 2017, 587; vgl. dazu G. Seher, Liberalismus und Strafe, 2000, 53 ff.) und stellt im Rahmen eines Konzepts rein negativer Freiheit (siehe J. Feinberg, Harm to Others, 1984, 7) auf „welfare interests“ (Interessen als notwendige Bedingungen zum Wohlergehen des Einzelnen) ab. Dieser topische Ansatz bezieht seine Grenzen maßgeblich aus Plausibilitätserwägungen (bisweilen wird ein ergänzendes „offense principle“ vorgeschlagen, siehe J. Feinberg, Offense to others, 1985, 25 ff.). Aber die Evidenzerlebnisse, was denn straf-
E. Das Unrecht der Rechtsverletzung
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teil an.527 Entgegen der allgemein geltenden Vorgaben greift der Täter in fremde Rechtssphären528 ein und erlangt somit eine bessere Verwirklichung seiner Interessen als es ihm zusteht. Strafe soll diesen Verhaltensvorteil ausgleichen.529 Historisch hat der Gedanke einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitsverhältnisses mittels Straftat noch längere Tradition.530 Ein Beispiel aus dem 19. Jahrhundert: „[. . .] so hat er [FL: Der Verbrecher] doch durch eine Verletzung des gemeinsamen Gesetzes eine Ungleichheit zwischen sich und den übrigen Rechtsgenossen geschaffen, mittelst welcher die bisherige Rechtsgleichheit aufgehoben ist. Durch das Verbrechen ist er von der für alle Rechtsgenossen gleichen und gleichverbindlichen Bahn des Rechts abgewichen.“ 531 Damals ging man indessen nicht davon aus, einen Vorteil des Täters auszugleichen, sondern den Rechtsstatus des Täters selbst als Mitglied der Rechtsgemeinschaft nach der Straftat wiederherstellen zu müssen. Dieses Motiv trat vor allem in aufklärerischen Vorstellungen eines Gesellschaftsvertrages532 zutage: Vertragsbrüchige disqualifizieren sich nach dieser Vorstellung als taugliche Gemeinschaftsmitglieder.533 Später heißt es in anderem Kontext bei Nietzsche: „Der Verbrecher ist ein Schuldner, der die ihm erwiesenen Vortheile und Vorschüsse nicht nur nicht zurückzahlt, sondern sich sogar an seinem Gläubiger vergreift: daher geht er von nun an, wie billig, nicht nur aller dieser Güter und Vortheile verlustig, – er wird vielmehr jetzt daran erinnert, was es mit diesen Gütern auf sich hat.“ 534 – Mit
bar sein soll, beruhen immer auf einer gesellschaftlichen Leitsemantik, die offenzulegen wäre. Im Ergebnis kritisch zum „harm principle“ auch J. M. Göhler, Strafprozessuale Rechte des Verletzten in der Europäischen Union, 2019, 256 f.; M. Kahlo, in: Die Rechtsgutstheorie, 2003, 26, 31 ff.; S. Swoboda, ZStW 122 (2010), 24, 37 ff. 527 In der „Urformulierung“ (so die Bezeichnung von F. Zimmermann, Verdienst und Vergeltung, 2012, 149 Fn. 3, dort auch ein kurzer Abriss der jüngeren Dogmengeschichte) heißt es: „A person who violates the rules has something others have – the benefits of the system – but by renouncing what others have assumed, the burdens of self-restraint, he has acquired an unfair advantage“, H. Morris, Monist 52 (1968), 475, 478. 528 R. W. Burgh, The Journal of Philosophy 79 (1982), 193, 203 u. ö.: „sphere of noninterference“. 529 Zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden zum klassischen Talionsprinzip M. Davis, Philosophy & Public Affairs 15 (1986), 236; J. Finnis, Natural Law and Natural Rights, 2011, 264. 530 Vgl. B. Schünemann, ZStW 126 (2014), 1, 8 Fn. 36; B. Schünemann, in: FS Yamanaka, 2017, 501, 503 f. 531 R. Heinze, in: Handbuch des deutschen Strafrechts, 1871, 241, 334. 532 Dazu kritisch schon bei Fn. 370. 533 J. G. Fichte, Grundlage des Naturrechts nach Principien der Wissenschaftslehre, 1796/1971, § 20; dazu G. Jakobs, Rechtszwang und Personalität, 2008, 31; H. Kaiser, Widerspruch und harte Behandlung, 1999, 117; J.-C. Merle, Strafen aus Respekt vor der Menschenwürde, 2007, 80 ff.; anders die Fichte-Interpretation bei R. Zaczyk, Das Strafrecht in der Rechtslehre J. G. Fichtes, 1981, 98 ff. 534 F. Nietzsche, Zur Genealogie der Moral (1887), KGW, 1968, 257, 323; dazu J.-C. Merle, in: Friedrich Nietzsche: Genealogie der Moral, 2004, 97, 99: „Jedes Mitglied der Gemeinschaft ist nach Nietzsche ein Schuldner, der das Geschuldete zu bezahlen hat: Er muß zum Frieden, gegenseitigen Schutz und Vertrauen beitragen. Weil der Verbrecher es nicht kann, so vermag er nicht mehr, Mitglied zu sein.“
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Teil 1: Vorüberlegungen zum Straftatbegriff der modernen Konzeption haben diese Vorschläge nur noch die formale Begründungsstruktur zur Gemeinsamkeit. Einen Vorteil (normativ betrachtet) erlangt lediglich, wer als eigenständige Rechtsperson auftritt und nicht nur pflichtgebundener Mitarbeiter einer Gemeinschaft ist – dann wäre die Gefährdung der Regeln dieser Gemeinschaft auch eher ein Nachteil.535
Diese ursprüngliche „Benefit-and-Burden“-Auffassung geht dabei von einem reinen Nutzenkalkül aus, das den Einzelnen zu einer Eingliederung in den Staat bewegt.536 Auf dieses „ganz und gar naturalistische Naturzustandsmodell“ 537 baut die klassische Begründung auf (insoweit ähnlich die beschriebenen historischen Vorläufer). Es wird immer bereits vorausgesetzt, dass Einzelne als bürgerliche Rechtssubjekte und damit als individuelle Nutzenmaximierer existieren. Der Staat garantiert ein gemeinsames Zurückhalten der eigenen Interessen („burdens of self-restraint“) zur Schaffung danach zu genießender „benefits“, sodass es aus der innerrechtlichen Perspektive dem Täterhandeln an Fairness ermangelt, indem die kollektive Verteilung an Chancen und Risiken durchbrochen wird. Das hat gleichwohl den Preis, die gesellschaftliche Rechtsform nicht mehr als normative Setzung begreifen zu können, sondern das Vorgefundene als ontologische Notwendigkeit deuten zu müssen. Der Gedanke einer Straftat als Vorteilsanmaßung buchstabiert den normativen Vorteil der Rechtsperson ökonomisch-empirisch aus, verpasst damit aber die Ausrichtung der Strafe am formalen Bürgerstatus (auch der Diebstahl einer ökonomisch wertlosen Sache ist strafbar538). – Das hiesige Erklärungsmodell meint dagegen nur den Verstoß gegen institutionelle Zuweisungsregeln durch Eingriff in personale Rechtssphären, die ebenso institutionell begründet und stabilisiert sind; es zielt nicht auf eine gemeinsame Freiheits-Unternehmung der Individuen ab, sondern rechnet die bürgerlichen Rechtsbedingungen vor. b) Häufig wird der „Unfair-Advantage“-Gedanke mit dem Strafbegründungsweg einer „Mitwirkungspflicht“ des Bürgers verknüpft oder unmittelbar zusammengelesen.539 Nach dem letztgenannten Vorschlag erklärt sich die Strafmöglichkeit aus der „rechtliche[n] Mitverantwortung für den Fortbestand des freiheit535 Siehe aber auch U. Kindhäuser, GA 1989, 493, 496 f. zum individuellen Vorteil des Normbruchs unter der Voraussetzung vor-institutioneller Freiheiten des Individuums, die sozialvertraglich eingeschränkt werden (ebd., 499 ff.). 536 M. Davis, Law and Philosophy 12 (1993), 133, 141. 537 H. Kaiser, Widerspruch und harte Behandlung, 1999, 149 f. 538 Zumindest nach ganz h. M., siehe RG, 3.1.1911 – V 836/10 = RGSt 44, 207, 210; OLG Düsseldorf, 22.8.1988 – 5 Ss 231/88 – 195/88 I = NJW 1989, 115, 116. 539 M. Pawlik, Das Unrecht des Bürgers, 2012, 106 spricht von „Fairness“; ähnlich D. Dold, Eine Revision der Lehre vom Rücktritt vom Versuch, 2017, 31; M. Kubiciel, Die Wissenschaft vom Besonderen Teil des Strafrechts, 2013, 164 f.; M. Wachter, Das Unrecht der versuchten Tat, 2015, 113 f. Die Verbindung wird durch A. Engländer, JZ 69 (2014), 38 angedeutet; siehe auch T. Hörnle, in: FS Roxin II, 2011, 3, 19. M. Wachter, Das Unrecht der versuchten Tat, 2015, 113 Fn. 200 legt die Verbindung selbst nahe.
E. Das Unrecht der Rechtsverletzung
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lichen Zustandes, in dem er [FL: der Täter] lebt“.540 Strafe hält dann an dem Erfordernis eines personalen Beitrags für das Gemeinwesen fest und nötigt dem Bürger einen solchen Beitrag bei Regelverstoß nachträglich ab. Beide Ansätze weisen indes Unterschiede auf.541 Während der Unfair-Advantage-Gedanke das Konkurrenzverhältnis der marktwirtschaftlich präformierten freien und gleichen Rechtssubjekte in den Blick nimmt,542 wird bei der Forderung nach einer Mitwirkungspflicht am freiheitlichen Zustand der Umschlag aufeinandertreffender Freiheitssphären543 gleich mitgedacht und sodann auf einer oberen Ebene angesetzt: Der Einzelne hat nicht nur den Konflikt mit anderen Freiheitssphären auszutragen, sondern soll sich zugleich „auf die Höhe der Totalität dieser Momente [. . .] stellen“ 544 und zur Aufrechterhaltung des Gesellschaftsbestandes und damit zu seiner eigenen Fortexistenz als Rechtssubjekt beitragen.545 Folglich erlangt ein Täter keinen normativen Vorteil; er verletzt durch die Tat den systemischen Gesamtzustand. Eine Besserstellung des „free-rider“ setzt voraus, dass er sich in einer Gesellschaft wechselseitigen personalen Ausschlusses befindet (also: eines durch die Tat zu durchbrechenden Gegeneinanders). Die Überschrift eines Bürger-Projekts, deren Unterworfene gleichzeitig die Nutznießer sein sollen, deutet hingegen Interessengegensätze zum randläufigen Beiwerk gemeinschaftlichen Freiheiterlebens um. Problematisch am Konzept der Mitwirkungspflicht ist, dass sie nicht nur als formal-staatliche Verordnung, sondern gleichsam als abstrakt sinnhaftes Klugheitsgebot für die Individuen begriffen wird. Die Einsichtigkeit dessen hängt ganz von dem Urteil über den freiheitlichen Interessenkonflikt ab. Sehr beliebt ist der Rückzug in die Ontologie: Dem Einzelnen wird seine Qualität als mit anderen Rechtssubjekten konkurrierendes Rechtssubjekt naturalistisch zugeschrieben.546 Wer sich mit einem „immerfort latent drohenden Bürgerkrieg aller gegen 540
M. Pawlik, Das Unrecht des Bürgers, 2012, 110. Wie hier unterteilend M. Abraham, Sanktion, Norm, Vertrauen, 2018, 125; T. Hörnle, Straftheorien, 2017, 58; H. Kaiser, Buffalo Criminal Law Review 9 (2006), 691, 697. 542 So auch aus der anglo-amerikanischen Debatte M. Davis, Law and Philosophy 12 (1993), 133. 543 K. Marx, Zur Judenfrage (1844), MEW 1, 1956, 347, 364 f.: „Jene individuelle Freiheit, wie diese Nutzanwendung derselben, bilden die Grundlage der bürgerlichen Gesellschaft. Sie läßt jeden Menschen im andern Menschen nicht die Verwirklichung, sondern vielmehr die Schranke seiner Freiheit finden.“; ökonomisch ausformuliert in K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie (1857/58), MEW 42, 1983, 371; dazu C. Menke, Kritik der Rechte, 2015, 275. 544 So M. Pawlik, Der rechtfertigende Notstand, 2002, 110 zu den widerstreitenden Freiheitssphären (in der Notstandslage). 545 Im Ergebnis kritisch zur Mitwirkungspflicht F. Saliger, JZ 61 (2006), 756, 762; kritisch zu einer „Identifikation des einzelnen mit seiner Rolle als patriotischer Staatsbürger“ im Strafrecht schon U. Kindhäuser, ZStW 107 (1995), 701, 711. 546 Insbesondere M. Pawlik, Das Unrecht des Bürgers, 2012, 101 Fn. 554. 541
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Teil 1: Vorüberlegungen zum Straftatbegriff
alle“ 547 konfrontiert sieht, für den ist die strafbewehrte Mitwirkungspflicht am bürgerlichen Zustand ein vergleichsweise harmloser Obolus.548 Freilich bildet diese Form der Weichenstellung eine Legitimationsbasis für geradezu jede Form von Herrschaft, soweit sie nur die vorausgesetzte Gewaltbereitschaft ihrer Untergebenen zügelt.549 Klassisch wird zudem gegen die These des ständig drohenden Bürgerkriegs der Einwand der Zirkularität vorgebracht: Der beschriebene Naturzustand550 im Anschluss an Hobbes551 ist „eine Feststellung über das Betragen, der Menschen, wie sie jetzt sind, Menschen, die in zivilisierten Gesellschaften leben und die Bedürfnisse zivilisierter Wesen haben, an den Tag legen würden, wenn niemand mehr die Einhaltung von Gesetz und Vertrag (. . .) erzwingen würde“.552 Anders formuliert: Wenn der erste Schritt, die Institutionalisierung bürgerlicher Rechtssubjekte, als Naturereignis begriffen wird, rutscht der zweite Schritt, der Umgang mit der erzeugten Konkurrenz dieser Subjekte, an die Position des chronologisch ersten, institutionellen Vorgangs.553 Diese Legitimationsform beruht also ganz wesentlich auf einem „Mythos des Gegebenen“.554 Jeder hoheitliche Ordnungsmodus kann sich dann mit der Gelassenheit eines nüchternen Pragmatismus schmücken. Das hat den Preis, aus dem „Sollen“ eines bürgerlichen Zustandes, samt seiner Bürger als Agenten ihrer jeweils eigenen Interessen, ein vorgelagertes „Sein“ formen zu müssen und damit doch eine „metaphysische[ ] Investition[ ]“ 555 eingebracht zu haben. 547 H. Welzel, Abhandlungen zum Strafrecht und zur Rechtsphilosophie, 1975, 282, zur Begründung zitiert von M. Pawlik, Das Unrecht des Bürgers, 2012, 104. Dieser Gedanke erfreut sich nach wie vor legitimatorischer Beliebtheit, siehe etwa M. Müller, Vergeltungsstrafe und Gerechtigkeitsforschung, 2019, 150 f.; F. Rostalski, Der Tatbegriff im Strafrecht, 2019, 18 f. 548 Klassische Kritik am Gedanken, von einem schlechten und primitiv-egoistischen Menschen auszugehen, der aber gerade noch gerissen genug sein soll, eine höhere Macht zu akzeptieren, die auch seinen eigenen Egoismus bremst, bei C. Schmitt, Politische Theologie, 1934/2009, 62 ff. 549 C. Kalthöner, Die Gewalt des Rechts, 2021, 20: „Die Pointe des Naturzustands liegt in einer Kontrastierung, die über seine Fiktion möglich wird. Gegenüber den in ihm vorherrschenden Verhältnissen kann sich nämlich das Gemeinwesen als rettende ,Antwort‘ gerieren.“ 550 Dagegen auch R. Stammler, in: FS Binding, 1911/1974, 331, 341: „Die Vorstellung eines Naturzustandes der Menschen ist immer nur eine vorläufige. Sie isoliert den einzelnen und denkt doch zugleich an sein äusseres Verhalten anderen gegenüber.“ 551 T. Hobbes, Leviathan, 1651/1996, 104. 552 C. B. Macpherson, Die politische Theorie des Besitzindividualismus, 1967, 35 (Hervorhebung nachträglich). 553 Die vorliegend kritisierte Denkweise betrachtet „das naturgemäße Individuum, angemessen ihrer Vorstellung von der menschlichen Natur, nicht als ein geschichtlich entstehendes, sondern von der Natur gesetztes. Diese Täuschung ist jeder neuen Epoche bisher eigen gewesen“, K. Marx, Einleitung zur Kritik der Politischen Ökonomie (1857), MEW 13, 1961, 615, 615 f. 554 C. Menke, Kritik der Rechte, 2015, 204. 555 So M. Pawlik, Das Unrecht des Bürgers, 2012, 57.
Teil 2
Institutionenschutz durch Opferschutz? – Zur Unrechtsdifferenzierung nach der beruflichen Position des Verletzten A. Hinführung und Problemeingrenzung Die inhaltliche Einbeziehung des Opfers in materielles Strafrecht, Strafprozessrecht und allgemeine Straftheorie ist ubiquitäres Programm.1 „Opferschutz“ gilt als einer der zentralen Topoi gegenwärtiger Strafgesetzgebung.2 Dabei fallen die wissenschaftlichen Stellungnahmen häufig reserviert aus oder mahnen jedenfalls zu kriminalpolitischer Vorsicht und Zurückhaltung.3 Im Folgenden soll sich der Frage zugewendet werden: Worin liegen die Bedenken begründet? Die fortgesetzte Debatte legt nahe, dass es sich bei Opferzuwendung weder um einen gesetzgeberischen Irrweg von Grund auf, noch um eine humanistische Wohltat von großer Selbstverständlichkeit handelt, sondern die Probleme tiefer lagern. Dabei soll im Kern einem recht aktuellen Phänomen nachgespürt werden: In der jüngeren Kriminalpolitik ist die Tendenz auszumachen, ausgewählten Berufsgruppen eine herausgehobene strafrechtliche Verletzten-Position zuzusprechen.4 Damit belässt es die Reformgesetzgebung nicht länger bei einer nachträglichen Stärkung des konkretisierten Opfers (etwa durch prozessuale Rechte), sondern klammert eine abstrakt bestimmbare soziale Personenkategorie aus und hebt sie auf ein gesondertes rechtliches Schutzniveau. Eine zweite Neuartigkeit liegt in der Miteinbeziehung kollektiv-institutioneller Aspekte in Opferschutzgedanken, 1 Vgl. etwa R. Böttcher, Neue Kriminalpolitik 24 (2012), 122, 124: „Es gibt keinen Aspekt des Strafverfahrens, dem er [FL: Der Gesetzgeber] in den vergangenen 25 Jahren so viel Aufmerksamkeit geschenkt hat wie dem Opferschutz.“ Darstellung der Reformgesetze seit 1976 bei S. Barton, Hdb-StrR VII, § 19, Rn. 46 ff.; K. Schroth/ M. Schroth, Die Rechte des Verletzten im Strafprozess, 2018, 6 ff. Ausführlich zu den gesellschaftspolitischen Zusammenhängen K. Günther, in: Strukturwandel der Anerkennung, 2013, 185. 2 B. Kertai, Sicherheit, Risiko und Opferschutz, 2014, 165 ff.; C. Safferling, ZStW 122 (2010), 87, 88. 3 Vgl. etwa J. Bung, StV 2009, 430; O. H. Gerson, Das Recht auf Beschuldigung, 2016, 288 ff.; L. Greco, GA 2020, 258; H. J. Hirsch, in: GS Armin Kaufmann, 1989, 699; H. Jung, JZ 58 (2003), 1096; H. Ostendorf, HRRS 2009, 158; H. Pollähne, StV 2016, 671; H. Schöch, in: FS Sieber, 2021, 591, 599 ff. Insoweit sehr aussagekräftig das Resümee von J. P. Reemtsma, in: Verletzte im Strafrecht, 2020, 11, 30. 4 Beispiele auf S. 192 ff., 212 ff.
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Teil 2: Institutionenschutz durch Opferschutz?
so etwa, wenn die spezielle Qualität einer geschützten Gruppe aus ihrer Bedeutung für die Allgemeinheit hergeleitet wird. Die Frage ist nun, ob sich eine solche bestimmte Gruppe „virtueller“ 5 (also: realiter noch nicht bestehender) Opfer auf abstrakter Ebene sanktionsnormativ abspalten lässt.6 Den konkreten Anlass zur Untersuchung gibt § 114 StGB. Als – so die Kritik – sonderstrafrechtliche Norm für eine abgrenzbare Opfergruppe ausgewählter Berufsträger weist § 114 StGB zahlreiche Probleme auf.7 Die Gesetzesnovellen „(. . .) vermischen die Ebenen konkreter und potenzieller Opfer(interessen) und lassen unklar, unter welche bzw. unter wessen Definitionskategorien die Opferorientierung dieses Gesetzes subsumiert wird. Zudem operiert die Gesetzgebung für die gesamten Opfergruppen der §§ 113 ff. StGB, die weit über den Kreis hoheitlich-polizeilicher Amtsträger hinausgehen, mit einem quasi einheitlichen Opferinteresse an den vorliegenden Sanktionsverschärfungen. Entsprechende Differenzierungen bzw. eine tiefere Berücksichtigung des Phänomens Opferorientierung spiegeln die vorhandenen Gesetzesbegründungen und die vorliegenden Diskussionen nicht wider.“ 8
Zu klären ist also: Kann man mit dem Argument der Funktionstüchtigkeit einer gesellschaftlichen Institution den Angriff auf eine ihr beigeordnete oder auch nur äußerlich zugeschriebene Person verschärft bestrafen? Dabei wird sich die Bearbeitung aber nicht auf eine isolierte Stellungnahme beschränken, sondern bemüht sich um die Einkleidung der Gedanken in ein analytisches Netz, sodass allgemeine Strukturen deutlich werden. Schließlich ist es für die Beantwortung der Frage entscheidend, inwieweit ein gesteigertes Verletzlichkeitsempfinden („Vulnerabilität“), sowohl individuell-empirisch-psychologisch als auch gesellschaftlich-normativ-zuschreibend, materielles Unrecht beeinflusst. Die Individualisierung abstrakt gefasster Sanktionsnormen, also: eine Vor-Auslese der personalen Tatobjekte, irritiert. Soweit ein abstrakt formulierter Tatbestand spezielle Verletztengruppen eingrenzt, bricht er mit dem strafrechtlichen Selbstverständnis einer formalen Konfliktverallgemeinerung9 und provoziert den Vorhalt eines „,Zweiklassenstrafrecht[s] auf Opferseite‘ “.10 5 Zu diesem Begriff W. Hassemer/J. P. Reemtsma, Verbrechensopfer, 2002, 101; vgl. S. Barton, Hdb-StrR VII, § 19, Rn. 70 ff.; W. Holz, Justizgewähranspruch des Verbrechensopfers, 2007, 26. Im Folgenden wird indes nicht weiter im empirisch-kriminologischen Sinne unterschieden zwischen „virtuellem“ und „realem“ Opfer. 6 Dieses Problem wurde zunächst ausführlicher diskutiert bei K. Hoffmann-Holland/ J. Koranyi, ZStW 127 (2015), 913, 921 ff.; C. Rathgeber, KritV 95 (2012), 314, 322 ff. 7 Die Verknüpfung von Opferschutzgedanken und der Reform des § 114 StGB wird besonders einleuchtend bei S. Barton, Hdb-StrR IV, § 20, Rn. 13 ff. herausgestellt. 8 M. Wagner-Kern, Recht und Politik 54 (2018), 7, 16. 9 S. Scheerer, KJ 52 (2019), 131, 133 f.: „Aus einem allgemeinen Tatbestand eine Fallgruppe herauszunehmen und ihr einen eigenen Tatbestand zu widmen, um den Unrechtsgehalt gerade dieser Phänomene sozusagen bildhaft gerade für die damit gemeinte Personengruppe hervorzuheben, re-materialisiert das Formalrecht auf nicht unproblematische Weise: es läuft der Arbeitsteilung zwischen legislativer Bestimmung des Strafrahmens und dessen justizieller Ausfüllung im Einzelfall zuwider und stellt tendenziell die Gleichheit aller vor dem Gesetz in Frage.“
A. Hinführung und Problemeingrenzung
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Es braucht also eine materielle Erklärung dessen, wer Opfer11 einer Straftat ist und warum er das ist. Zur Einordnung lässt sich die Debattenentwicklung skizzenhaft in folgende Phasen einteilen: Indem das Recht der Moderne keinen reinen Gerechtigkeitsausgleich für Sozialkonflikte anbietet, sondern ein Netzwerk aus Soll-Vorschriften errichtet, setzt jede Rechtsteilhabe voraus, dass sie sich als Rechts-Position geltend machen lässt. Persönliche Betroffenheit wirkt damit nur noch über den institutionellen Umweg „Staat“ als Rechtstitel12 – „Neutralisierung des Opfers“.13 Im materiellen Strafrecht waren opferorientierte Erwägungen 10
K. Hoffmann-Holland/J. Koranyi, ZStW 127 (2015), 913, 923. Die Worte „Opfer“ und „Verletzter“ werden im Folgenden synonym verwendet. Das Gesetz spricht in § 46a StGB vom „Täter-Opfer-Ausgleich“, in §§, 59 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 77 Abs. 1 StGB und §§ 172 Abs. 1 S. 1, 406d ff. StPO dagegen vom „Verletzten“ und verfügt somit auch über keine einheitliche Terminologie. Die Literatur bestätigt: „Die Suche nach einem einheitlichen Rechtsbegriff des Verletzten ist bislang erfolglos geblieben“, K. Schroth/M. Schroth, Die Rechte des Verletzten im Strafprozess, 2018, 27; so auch schon H.-L. Günther, in: FS Lenckner, 1998, 69, 69 Fn. 2; H. Jung, ZStW 93 (1981), 1147, 1148 f. Für die StPO bestimmt nun aber seit dem 1.7.2021 (BGBl. 2021 I 2099) § 373b Abs. 1 StPO: „Im Sinne dieses Gesetzes sind Verletzte diejenigen, die durch die Tat, ihre Begehung unterstellt oder rechtskräftig festgestellt, in ihren Rechtsgütern unmittelbar beeinträchtigt worden sind oder unmittelbar einen Schaden erlitten haben.“ Ein solcher „einheitlicher Rechtsbegriff“ scheint (auch beschränkt auf das Strafprozessrecht) indes nur soweit reizvoll, wie er zweckmäßig ist (so auch noch BT-Drs. 10/5305, 16). Ein gemeinsamer Verletzten-Begriff für materielles Recht und Prozessrecht scheidet jedenfalls nach wie vor aufgrund der Zweckverschiedenheit beider Gebiete aus (B. Weiner, BeckOK-StPO40, § 373b, Rn. 40; so auch ausdrücklich BTDrs. 19/27654, 103). Laut Gesetzgeber liegt das proprium des „Verletzten“ im Vergleich zum „Opfer“ darin, dass „Verletzter“ auch eine juristische Person sein kann (BTDrs. 19/27654, 99). – Vgl. ferner M. Endler, Die Doppelstellung des Opferzeugen, 2019, 36 ff.; R. Haverkamp, ZRP 2015, 53, 55 f.; W. Holz, Justizgewähranspruch des Verbrechensopfers, 2007, 25 f.; C. F. Schiemann, Die Berücksichtigung von Opferinteressen in der Straftheorie, 2015, 16 ff.; M. A. Zöller, in: FS Paeffgen, 2015, 719, 722 f. – Zur theologischen, und insoweit durchaus problematischen Grundlage des Terminus „Opfer“ G. P. Fletcher, in: „Personale Rechtsgutslehre“ und „Opferorientierung im Strafrecht“, 2007, 1. – Weiter taucht der Begriff des Opfers in einer ganz anderen Funktion bei der Frage nach der Beschwerdebefugnis zu einer Individualbeschwerde vor dem EGMR auf, ausführlich H.-U. Paeffgen, SK-StPO4, Einleitung EMRK, Rn. 135 ff. – Schließlich bleibt noch hinzuweisen auf die Definition des Opfers in Art. 2 Nr. 1 lit. a Richtlinie 2012/29EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2001/220/JI (Abl. L 315, 57 vom 14.11.2012), siehe dazu die ausführliche Erläuterung bei J. M. Göhler, Strafprozessuale Rechte des Verletzten in der Europäischen Union, 2019, 112 ff. 12 Teilweise wird darin sogar eine „Konfliktenteignung“ erkannt, so etwa N. Christie, The British Journal of Criminology 17 (1977), 1, 7 ff. Diese Deutung ist freilich nur um den Preis einer totalen Naturalisierung des Konflikts möglich. – Diebstahl setzt eine aber Eigentumsordnung voraus; Körperverletzung setzt voraus, dass die betroffene Person ein subjektives Abwehrrecht hat und nicht beispielsweise Streitigkeiten in der betroffenen Gesellschaft regelmäßig gewaltsam ausgetragen werden. 13 K. Günther, in: Strukturwandel der Anerkennung, 2013, 185, 190 ff.; W. Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, 1990, 67. Siehe auch R. Miklau, in: FS Burgstaller, 2004, 293, 294. 11
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Teil 2: Institutionenschutz durch Opferschutz?
um 1900 nur noch rudimentär erhalten,14 um sodann immer weiter zurückzutreten. Die neue Sensibilität für das Opfer seit den 1980er-Jahren15 (zu denken ist dabei ebenfalls an den „victim’s turn“ 16 der anglo-amerikanischen Strafrechtswissenschaft) hat neuen „opferorientierten“ Straftheorien17 Auftrieb gegeben. Vom Unternehmen einer Erklärung der Bedeutung des Opfers für den materiellen Verbrechensbegriff sind gleich mehrere verwandte Problemkreise zu unterscheiden: Es geht in der hiesigen Untersuchung nicht um die Einbeziehung des Opfers in das Strafverfahren18, sei es über den Täter-Opfer-Ausgleich, erweiterte Strafantragsrechte oder weiterreichende Kompetenzen wie etwa die Opferentschädigung oder Opferanspruchssicherung.19 Gerade diese prozessualen Reformen haben ihre Mühe mit der individualisierenden Zuschneidung institutionell geordneter Rechtspositionen20, konfligieren in problematischer Form mit Beschuldigtenrechten 21 und werden mit Verve diskutiert.22 Daneben lassen sich verschiedene Vorschläge ausmachen, die ein außerhalb des Strafprozesses lagerndes Konfliktlösungsforum („restorative justice“) mit besonderem Augenmerk auf Opferbedürfnissen schaffen möchten.23 – Ein 14 Insbesondere die Genugtuung des Verletzten findet noch eine Stütze in der Straftheorie um 1900; das ist nur noch von historischem Interesse. Siehe etwa K. Binding, Die Normen und ihre Übertretung I, 1922/1965, 417; A. Köhler, Deutsches Strafrecht, 1917, 31 f. – Darstellung bei A. Sarhan, Wiedergutmachung zugunsten des Opfers im Lichte strafrechtlicher Trennungsdogmatik, 2006, 53 ff.; J. Weber, Zum Genugtuungsinteresse des Verletzten als Strafzweck, 1997, 81 ff.; W. A. Welke, Die Repersonalisierung des Rechtskonflikts, 2008, 260. 15 Überlegungen zum kriminalpolitischen Wandel bei H. J. Hirsch, in: GS Armin Kaufmann, 1989, 699, 700 f. 16 Eingängige historische Schilderung bei J. Lepore, The Rise of the Victims’-Rights Movement. Zum „Victim’s Rights Movement“ M. D. Dubber, Victims in the War on Crime, 2002, 1 ff., 157 ff. et passim. Dazu auch J. Renzikowski, in: FS Höland, 2015, 210, 214. 17 T. Hörnle, Hdb-StrR I, § 12, Rn. 26: „In der Straftheorie ist dagegen [FL: Im Vergleich zu prozessualen Instituten] die Einbeziehung von Opferinteressen ein relativ neues Phänomen.“ 18 Umfassend T. Weigend, Deliktsopfer und Strafverfahren, 1989, 377 ff. et passim. 19 Vgl. zu einzelnen Rechtsinstituten etwa (auszugsweise): S. E. Buhlmann, Die Berücksichtigung des Täter-Opfer-Ausgleichs als Verfahrensgrundsatz, 2005; M. G. Daimagüler, Der Verletzte im Strafverfahren, 2016, 33 ff. et passim; D. Dölling, in: FS Jung, 2007, 77; A. Eser, in: GS Armin Kaufmann, 1989, 723; C. Safferling, ZStW 122 (2010), 87, 90 ff.; A. Schmidt, Strafe und Versöhnung, 2012; M. Stenger, Das Opferanspruchssicherungsgesetz, 2006, 11 ff. et passim; M. Tsambikakis, Strafprozessuale Zeugnisverweigerungsrechte aus beruflichen Gründen, 2011, 138 f. 20 C.-F. Stuckenberg, Hdb-StrR VII, § 6, Rn. 94: „nicht unbedenkliche Tendenz zur Reprivatisierung der Strafjustiz“. Vgl. auch G. Freund, GA 2002, 82, 86. 21 R. Böttcher, in: FS Schöch, 2010, 929; O. H. Gerson, Das Recht auf Beschuldigung, 2016, 296 f.; C. Safferling, ZStW 122 (2010), 87, 98 ff. 22 Vgl. die Nachweise in Fn. 3. 23 Verschiedene Vorschläge und Ansätze: S. Barton, Hdb-StrR VII, § 19, Rn. 171; J. M. Göhler, Strafprozessuale Rechte des Verletzten in der Europäischen Union, 2019, 489 ff.; M. Gräfin von Gaalen, StV 2013, 171, 174 ff.; K. Günther, in: FS Lüderssen, 2002, 205; K. Lüderssen, in: FS Hirsch, 1999, 879, 889 ff.; K. Lüderssen, in: Kriminologie – wissenschaftliche und praktische Entwicklungen, 2004, 171, 183 ff.; L. Sautner,
A. Hinführung und Problemeingrenzung
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wiederum anderes Themenfeld ist die seit den 1980ern diskutierte24 dogmatische Berücksichtigung der intersubjektiven Phänomenologie einzelner Straftaten, also beispielsweise die Beachtung des Opferverhaltens beim Betrug (§ 263 Abs. 1 StGB)25, sogenannte Viktimodogmatik.26 Während die Viktimodogmatik die angemessene Einzelfallauslegung abstrakt formulierter Tatbestände diskutiert, befasst sich die hiesige Untersuchung mit opferorientierten Modifikationen schon auf Tatbestandsebene selbst. – Schließlich treten opferbezogene Erwägungen im Strafrecht häufig im Rahmen der Debatte um „hate-crime“/„bias-motivated-crime“/„Hasskriminalität“ 27 in Erscheinung. Soweit dieses kriminologische Phänomen sich auf Kategorien der materiellen Unrechtsbegründung niedergeschlagen hat, findet die Debatte im Folgenden Berücksichtigung. Vor allem hat diese Debatte erste Ergebnisse zur Berücksichtigung spezieller Opferbelange bei der Unrechtsbezifferung hervorgebracht. Ob die Gedanken sich anhand des Prinzips „Opferschutz“ ohne Weiteres übertragen lassen, soll im weiteren geprüft werden. – Nachdem das Opfer somit sein „Bürgerrecht“ in der Strafrechtsdogmatik erhalten hat, sind die hier zur Debatte stehenden opferbezogenen Sanktionsnormen nur als zweiter (und vermutlich nicht letzter) Schritt zu begreifen.
Damit sind nun ganz unterschiedliche und zweckverschiedene Rechtsinstitute angeführt worden. Es gehen aber alle dieser Einwürfe über die allgemeinheitsbezogene und abstrahierende Stoßrichtung des Strafrechts hinaus und versuchen sich an einer verstärkten Berücksichtigung individueller Interessen der Rechtsteilnehmer. Der kruziale Punkt dieser Reformen ist: Die normative Gleichsetzung der Personen – noch grundsätzlicher: die Verallgemeinerung als Leitfaden rechtlicher Kategorienbildung – wird zunehmend einem gesellschaftlichen Organisationsmodus nachgeordnet, der es sich zum Programm macht, sämtliche Partikularbedürfnisse der Einzelnen, soweit nur irgend möglich, zu erfüllen.28 Jedes
Viktimologie, 2014, 158 ff.; H. J. Schneider, GA 2002, 567, 569; S. Walther, ZStW 111 (1999), 123, 136 ff. 24 W. Hassemer, in: FS Klug, 1983, 217, 220: „steile Karriere der Viktimologie“. 25 Dazu K. Amelung, GA 1977, 1, 17 u. ö. 26 Grundlegend B. Schünemann, ZStW 90 (1978), 11, 32 ff.; B. Schünemann, in: Das Verbrechensopfer in der Strafrechtspflege, 1982, 407; B. Schünemann, in: FS Faller, 1984, 357, 361 ff. Kritisch etwa H.-L. Günther, in: FS Lenckner, 1998, 69; C. Roxin/ L. Greco, Strafrecht, Allgemeiner Teil Band 1, 2020, § 14 Rn. 15 ff. Vgl. aus der jüngeren Vergangenheit W. Frisch, GA 2021, 65; T. Hillenkamp, ZStW 129 (2017), 596. 27 Zum Begriff dieser Groß-Debatte: Ö. D. Aydin, Die strafrechtliche Bekämpfung von Hassdelikten in Deutschland und in den Vereinigten Staaten von Amerika, 2006, 31 ff.; M. Coester, Hate Crimes, 2008, 19 ff.; A. Eisenberg, UCLA Law Review 61 (2014), 858, 870 f.; T. Grosse-Wilde, Erfolgszurechnung in der Strafzumessung, 2017, 570; N. Hall, Hate Crime, 2013, 1 ff.; J. B. Jacobs/K. Potter, Hate Crimes, 2001, 11 ff.; K. Krupna, Das Konzept der „Hate Crimes“ in Deutschland, 2010, 9 ff.; K. Lang, Vorurteilskriminalität, 2014, 37 ff.; F. M. Lawrence, Notre Dame Law Review 68 (1993), 673, 695 ff.; L. Meli, University of Illinois Law Review 2014, 921, 925 f.; L. Sautner, Viktimologie, 2014, 18; H. J. Schneider, JZ 58 (2003), 497; Ö. Sevdiren, ZStW 132 (2020), 616, 617 ff. 28 Zur erweiterten Einbeziehung individueller Vulnerabilitätsempfindungen in die Straftheorie B. Zabel, ZStW 133 (2021), 358, 379 u. ö.
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beliebige Individualinteresse zu schützen, ist aber in einer Verhaltenserwartungen kanalisierenden Sozialordnung nicht denkbar; das Recht kennt als Adressaten nur Rechtspersonen.29 Offenkundig muss sich das Recht immer um eine Berücksichtigung der Empirie bemühen, wenn es die Lebenswirklichkeit regeln möchte. Aber diese Einbindung von außer-rechtlichen Tatsachen muss sich den Rechtszwecken gemäß verwertbar machen lassen. Für die Einbindung des Opfers in das materielle Strafrecht hat eine dahingehende Untersuchung noch nicht stattgefunden. Hassemer und Reemtsma konstatierten 2002 zur Opferorientierung: „Einen Versuch der Wissenschaften, wenigstens analytische Ordnung zu schaffen, gibt es nicht.“ 30
Ein solcher Versuch soll im Folgenden mit Fokussierung auf den Besonderen Teil des Strafrechts unternommen werden. Dabei bemüht sich die Untersuchung nicht um eine „Großtheorie“ der Opferorientierung oder eine kriminalpolitische „Zauberformel“, anhand derer sich die zahlreichen Einzelfragen unproblematisch beantworten ließen. Vorerst geht es nur um eine Erklärung der materiell-strafrechtlichen Opferorientierung und ihrer Probleme. Denn sämtliche Rechtsprobleme, auch und gerade neu aufkommende, sind ja keine isoliert verständlich zu machenden Zuckungen einer „postmodernen“, „komplexen“ oder „fragmentierten“ Gesellschaft,31 sondern haben einen Grund im – menschengemachten – Recht. Daher befreit auch nicht eine hektische und kaum kohärent ausgearbeitete Einzelfallgesetzgebung von der Notwendigkeit, die Gegenstände zu ordnen. Auch wenn systematische Grundsatzüberlegungen sicherlich nicht für den Erlass der hier zu überprüfenden Gesetze entscheidend waren, hindert das nicht daran, sich einen tauglichen Begriff davon zu machen.32 Denn einen Zweckzusammenhang, ein normatives Deutungsschema gibt es ja immer, auch wenn es hinter wohlklingenden Idealen verborgen ist. Ziel ist also nicht, affektive Begründungen des Gesetzgebers nachträglich nach rationalen Bestandteilen abzutasten, sondern vielmehr zu prüfen, inwieweit sich aus der Rechtswirklichkeit eine sinnvolle Struktur erschließen lässt. Natürlich beruhen die folgenden Gedankengänge auf bestimmten Prämissen, die im ersten Teil aufzudecken waren. Diese Prämissen sollen aber im Folgenden nicht programmatisch durchexerziert werden. Jedes Ar29
Ausführlich sogleich S. 100 ff. W. Hassemer/J. P. Reemtsma, Verbrechensopfer, 2002, 99. 31 Dahingehend aber M. Kubiciel, in: FS Juristische Fakultät Augsburg, 2021, 183, 197 f. 32 O. Depenheuer, HStR XII3, § 269, Rn. 15: „Aus der Perspektive theoretischer Reinheit ist die Wirklichkeit im höchsten Maße ,unrein‘. Und selbst das Recht entsteht in einem politischen Prozeß, der mehr politischen Gesetzmäßigkeiten folgt denn rational problemlösungsorientiert agiert. Das hindert die rechtswissenschaftliche Dogmatik nicht bei ihren Bemühungen, das gegebene Recht mit all seinen Widersprüchlichkeiten und ,Unreinheiten‘ in ein kohärentes System zu überführen, die hinter der positivrechtlichen Normenflut liegende hintergründige Logik aufzuspüren und auf den Begriff zu bringen.“ 30
B. Das Opfer der Straftat
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gument – ob streng deontologisch oder radikal konsequentialistisch – ist einer Prüfung zuzuführen, wenngleich die jeweiligen Gegenargumente einer durchaus unterscheidbaren Gesamtposition zuzuordnen sind.
B. Das Opfer der Straftat Wer ist also das Opfer der Straftat? Eine Antwort lautete prima-facie wohl: Opfer ist der Mensch, der eine Straftat erleiden und dadurch faktische Einschnitte in seine Interessen dulden musste. Eine rechtliche Argumentation anhand dieses Evidenzerlebnisses erreicht allerdings schnell ihre Grenzen. Das Recht kennt Betroffene, die ihre Betroffenheit individuell nur geringfügig oder sogar überhaupt nicht merken (Beispiel: der auch im Nachhinein vom Eigentümer unentdeckt gebliebene Diebstahl). Und gleichzeitig kennt das Recht schwere Eingriffe in die Individualsphäre, die keine Strafrechtsfolge nach sich ziehen (Beispiel: der den Angreifenden tötende Schuss aus Notwehr33). Anhand dessen zeigt sich ein gemeinsamer Grund der unterschiedlichen Einordnung: Rechtliche Differenzierungen lassen sich nicht aus einseitiger Perspektive vornehmen. Im ersten Fall steht dem Eigentümer einer Sache auch ohne das unmittelbar-gegenwärtige Interesse daran ein verletzbares Recht zu, während im zweiten Beispiel der Angreifer umfassende Einschnitte aufgrund seines Vorverhaltens zu dulden hat und somit nicht zum Opfer im Rechtssinne wird. Es gelingt also nicht durch einen reduzierten Blick auf die Beschädigung der Interessen des Einzelnen, einen verlässlichen Opferbegriff zu ermitteln. Freilich bestreitet das auch kein Teil der Strafrechtswissenschaft: Voraussetzung des Opferstatus ist natürlich eine Straftat, deren normative Voraussetzungen in einem ersten Schritt erfüllt sein müssen. Allerdings deutet sich an, dass die naturalistische Offensichtlichkeit, mit der man den Titel des „Opfers“ vergeben könnte, zunächst einleuchtet, einer näheren Betrachtung indes nicht standhält.
I. Zum normativen Individualismus Als Angelpunkt der Opferorientierung im Strafrecht wird der Begriff des „normativen Individualismus“ vorgebracht.34 Nach dem soeben Gesagten erklärt 33 Eine gewisse Irritation hat dieses (als solches freilich unstreitige) Ergebnis – das Strafrecht zeigt keine Reaktion bei einer gerechtfertigten Tötung – im Kreis der Finalisten hervorgerufen: Das wohl prominenteste Argument der strengen Schuldtheorie lautet, dass die gerechtfertigte Tötung eines Menschen doch niemals der Tötung einer Mücke normativ gleichstehen könnte (H. Welzel, ZStW 67 (1955), 196, 210 f.; H. Welzel, Das deutsche Strafrecht, 1969, 81); siehe auch H.-U. Paeffgen, NK-StGB4, vor §§ 32 ff., Rn. 17 f. H.-U. Paeffgen/B. Zabel, NK-StGB5, vor §§ 32 ff., Rn. 17 f. 34 T. Hörnle, JZ 61 (2006), 950, 952. Vgl. K. Günther, in: Strukturwandel der Anerkennung, 2013, 185, 241. Allgemein zum Begriff D. von der Pfordten, JZ 60 (2005), 1069, 1075 ff.; M. Wachter, Das Unrecht der versuchten Tat, 2015, 105 f.
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Teil 2: Institutionenschutz durch Opferschutz?
sich der Begriff nicht von selbst.35 Teilweise wird die Frage als eine solche des „Staatsverständnis[es]“ begriffen: In Abgrenzung zum kollektivistischen Obrigkeitsstaat soll im modernen Verfassungsstaat eben nicht das Kollektiv, sondern der Einzelne im Vordergrund stehen.36 Das inkludiert dann aber, und hier liegt der entscheidende Punkt, dass eine Straf-Unrechtsbeschreibung sich nicht mit dem Verstoß gegen „vertikal“ verordnete Verhaltensnormen zufrieden gibt, sondern die „horizontale“ Perspektive miteinbezieht. 37 Eine individualorientierte Position beleuchtet dann nicht (nur) den öffentlich-rechtlichen Konflikt im TäterStaat-Verhältnis, sondern den Konflikt der Menschen untereinander. Im Strafrecht ist dieser Vorgang nachdrücklich mit Bezug auf den Täter erfolgt38, prominent etwa durch die personale Rechtsgutslehre.39 Das Anliegen der opferorientierten Strafrechtstheorien lautet nunmehr, diesen Bezug auch auf die Person auszuweiten, zu deren Nachteil die Straftat erfolgt ist. Eine Staatsverfasstheit, die das Individuum als Angelpunkt der Normenbegründung wählt, hat die Verletzung der individuellen Rechte durch Andere besonders zu beachten, so das Argument. Schon aufgrund der herausgehobenen Bedeutung des Grundrechtekatalogs im Grundgesetz drängt sich eine „individualistische Prägung“ 40 der Verfassungsund Gesamtrechtsordnung auf.41 Was aber ergibt sich konkret daraus? Soweit vom „Individuum“, also dem Menschen als „unteilbare“ Einzelperson42, die Rede ist, bleibt die Sichtweise des Rechts auf das Individuum noch unterbeleuchtet. Das individualistische Programm kratzt dann nur an der Rechtsoberfläche.43
35 Auch die Begriffsgeschichte bietet keine Klarstellung: „Der Ausdruck [FL: „Individualismus“] ist (. . .) keineswegs eindeutig. In ihm fließen verschiedene Motive zusammen, die nicht mit Notwendigkeit eine Einheit bilden“, R. Koebner, Historische Zeitschrift 149 (1934), 253, 255. 36 Zum Folgenden T. Hörnle, JZ 61 (2006), 950, 951 f.; ähnlich M. Burgi, in: FS Isensee, 2007, 655, 658, 662 f.; C. F. Schiemann, Die Berücksichtigung von Opferinteressen in der Straftheorie, 2015, 91. Gegen ein solches Verständnis des GG aber U. Volkmann, VerfassungsR-HdB, § 16, Rn. 19. 37 T. Hörnle, Kriminalstrafe ohne Schuldvorwurf, 2013, 54. 38 Zur „Tradition der Täterorientierung“ W. Hassemer/J. P. Reemtsma, Verbrechensopfer, 2002, 47 ff. 39 Ausführlich W. Hassemer/U. Neumann, NK-StGB5, vor § 1, Rn. 131 ff. 40 T. Hörnle, JZ 61 (2006), 950, 952. 41 Mit Nachweisen aus der Entstehungsgeschichte des GG: D. von der Pfordten, JZ 60 (2005), 1069, 1071 f. Ganz besonders deutlich im „Herrenchiemsee-Entwurf “ des GG, wo es hieß: „Der Staat ist um des Menschen Willen da, nicht der Mensch um des Staates Willen“, JöR 1 (1951), 48. 42 Vgl. N. Luhmann, Soziologische Aufklärung 6, 1995, 125. Später bemerkte N. Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft, 1997, 1016 zur schmalen Aussagekraft der Unteilbarkeit: „Insofern ist auch ein Teller ein Individuum.“ 43 Vgl. auch D. Kennedy, Harvard Law Review 89 (1976), 1685, 1715: „Individualism provides a justification for the fundamental legal institutions of criminal law, property, tort, and contract (. . .) Beyond these fundamental legal institutions, the individualist program is much less clear.“
B. Das Opfer der Straftat
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Nur das, was das Recht dem Individuum zuschreibt, kann verbindlich und damit normatives Programm werden.44 Die gegenwärtig vertretene, verfassungsorientierte Begründung des „normativen Individualismus“ weist Ähnlichkeiten (und Überschneidungen45) mit der Herleitung von Argumenten aus einem „Menschenbild des Grundgesetzes“ 46 auf. Aus der zutreffenden Beschreibung, dass Grundrechte individuelle Freiheiten gewährleisten, formiert sich jeweils eine neue normative Ebene, die zur Begründung weiterer Rechtsinstitute (hier: dem Opfer im Strafrecht) imstande sein soll. Dabei zeigen sich die Schwankungen verfassungsrechtlicher Abstraktionen: Ein solcher Groß-Begriff47 könnte nichts anderes leisten, als über Umwege rechtliche Gewährleistungen zu erreichen, die gerade nicht vorgesehen sind. Es erschließt sich keine neue qualitative Entität in einer Gesamtbetrachtung der subjektiven Rechtsverbürgungen des Grundgesetzes.48 Aus der Anhäufung der Grundrechte lässt sich keine „argumentative Generalklausel“ 49 formen, die notwendigerweise mit nur geringer Trennschärfe ausgestattet wäre. Aber auch eine verfassungsdogmatische Auslegung ohne Zuführung weiterer Erkenntnisse, stieße an ihre Grenzen.50 Statt dem Schritt nach vorne, hin zu einer neuen Wertungsstufe der Grundrechte, bietet sich vielmehr ein Schritt zurück an. Mit der Betrachtung der Gesellschaftsform, die ein Grundrechtekatalog gewährleistet, lassen sich womöglich besser die Tiefenstrukturen eines „normativen Individualismus“ erkennen.51 Die Rede ist vom „genuin moderne[n] Wertungsnetz des normativen Individualismus – Person, subjektives Recht, Wille, Staat, Gesellschaft – (. . .), das dem Privatrechtsdenken bis heute zugrunde liegt“.52 Dann ist es aber nicht möglich, sich mit einer verfassungsrechtlichen Ableitung zu begnügen, sondern es steht in Frage, wer
44 Kritisch zu Hörnles Vorschlag auch T. Kleinert, Persönliche Betroffenheit und Mitwirkung, 2008, 197 ff. 45 Siehe T. Hörnle, in: FS Schünemann, 2014, 93, 101, 105; C. Sachs, Moral, Tadel, Buße, 2015, 284 ff.; S. Walther, Vom Rechtsbruch zum Realkonflikt, 2000, 255 ff. 46 So BVerfG, 20.7.1954 – 1 BvR 459/52 ua = BVerfGE 4, 7, 15; vgl. aber gegen einen „mehr als seine grundgesetzlichen Elemente gewährleistenden ,Ordnungs- und Schutzzusammenhang[ ] der Grundrechte‘“ BVerfG, 1.3.1979 – 1 BvR 532, 533/77 ua = BVerfGE 50, 290, 338. Siehe auch P. Häberle, Das Menschenbild im Verfassungsstaat, 2005, 70 ff. et passim. 47 Vgl. J. Bung, StV 2009, 430, 436 zum normativen Individualismus: „eine allgemeine Aussage (. . .), die alles [M]ögliche bedeuten kann“. 48 C.-F. Stuckenberg, Untersuchungen zur Unschuldsvermutung, 1998, 499 f. 49 So kritisch H. Dreier, Archiv des öffentlichen Rechts 116 (1991), 623, 628. 50 Vgl. aus verfassungstheoretischer Sicht M. Jestaedt, Die Verfassung hinter der Verfassung, 2009, 40. 51 Vgl. R. P. Anders, ZStW 124 (2012), 374, 400: „Damit [FL: Mit der Berufung auf den „normativen Individualismus“] ist zwar ein subjektiver Bezug auf den Verletzten im Ansatz dargetan; jedoch verbleiben die Voraussetzungen einer Rechtslegitimation im Verständnis intersubjektiver freier Personalität unausgewiesen.“ 52 M. Auer, Der privatrechtliche Diskurs der Moderne, 2014, 14 f.
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Teil 2: Institutionenschutz durch Opferschutz?
denn nun die Person sein soll, die aus einer normativierenden Betrachtung des Individuums entsteht. Diesen Begriff gilt es also zu klären. Denn, kurz gefasst: „Die Person steht am Beginn des modernen Rechtsverständnisses; ohne Person kein subjektives Recht.“ 53 Anders formuliert soll versucht werden, aus den Besonderheiten der einzeln verbürgten subjektiven Rechte einen allgemeinen Begriff herzuleiten, anstatt die Metapher des „Menschenbildes“ als loses Gedankenbündel zu bemühen. Erst mit diesem Personenbegriff lässt sich über das Opfer einer Straftat sprechen.54
II. Individuum und Rechtsperson Zur Rechtsperson gelangt man also nicht über eine reine Substanzbetrachtung des Individuums. Wer Adressat des Rechts wird und dann eben auch in seinen Rechten als Opfer betroffen sein kann – das muss erst auf einen Begriff gebracht werden. Es „(. . .) wird nicht immer klar, wieviel Individualität in der Personalität des konkreten Tatopfers als Verfahrensbeteiligter stecken soll, d. h. wie ,empirisch gesättigt‘ die Interessen sein dürfen, um noch als rechtliche gelten zu können“.55 Die pauschale Verwendung des Personenbegriffs birgt damit die Gefahr, inhaltliche Differenzen unter einer gleichgestalteten terminologischen Hülle zu verschleiern.56 1. Substanz-ontologische Herleitung? Der klassische Weg seit der Aufklärungsphilosophie57 leitet den Personenbegriff aus einer ontologischen Qualität des Individuums ab. Indem Kant das subjektive Recht als einen Ausfluss menschlicher Vernunft begründet,58 vereinigt er innere Autonomie und äußerliche Willkür zu einem Begriff von Freiheit.59 „Vernünftige Wesen [werden] Personen genannt“.60 Als Rechtsperson bemisst diese sich nach dem äußeren Handeln, als ethische Person nach inneren Vernunft53
M. Auer, Der privatrechtliche Diskurs der Moderne, 2014, 15. Siehe etwa zu den Problemen einer strafrechtlichen Opferbetrachtung ohne klaren Personenbegriff die kritische Einlassung bei S. Cowan, Buffalo Criminal Law Review 9 (2006), 655, 672 ff. 55 B. Zabel, Die Ordnung des Strafrechts, 2017, 624 Fn. 1465. 56 K. Günther, in: „Personale Rechtsgutslehre“ und „Opferorientierung im Strafrecht“, 2007, 15, 17 f. 57 Instruktiv M. Grünberger, Personale Gleichheit, 2013, 71 ff. 58 I. Kant, Die Metaphysik der Sitten, 1797/1991, AB 18: „Der Begriff der Freiheit ist ein reiner Vernunftbegriff“, AB 45: „Das angeborne Recht ist nur ein einziges – Freiheit (Unabhängigkeit von eines anderen nötigender Willkür), sofern sie mit jedes anderen Freiheit nach einem allgemeinen Gesetz zusammen bestehen kann, ist dieses einzige, ursprüngliche, jedem Menschen, kraft seiner Menschheit, zustehende Recht.“; siehe auch AB 91 zum „Axiom der äußeren Freiheit.“; dazu M. Auer, AcP 208 (2008), 584, 620 f.; J. Hruschka, JZ 59 (2004), 1085. 59 Siehe dazu S. 55 ff. 60 I. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 1785/1974, BA 65. 54
B. Das Opfer der Straftat
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erwägungen.61 Diese Freiheit versteht sich als angeborene Ausstattung der Individuen. Person ist dann jeder Mensch als selbstgesetzgebendes Wesen.62 Diese Erkenntnis wird als entscheidende Pointe aller modernen Rechtsbegründung verstanden,63 hinter die kein freiheits-relativierender Eingriff zurückführen kann: Recht entspringt der Individualfreiheit.64 Rechtspersonalität und Menschenrecht stehen damit bei Kant in einem strengen Begründungszusammenhang.65 In der idealistischen Folge steht die Willenstheorie66 der subjektiven Rechte. Die äußerliche Willkür kann sich nur durch ein inneres Wollen betätigen.67 Autonomes Individuum und subjektives Recht werden unmittelbar zusammengelesen; aus Savignys begriffsjuristischer Bestimmung der Rechtsperson folgt das subjektive Recht.68 „Darum muß der ursprüngliche Begriff der Person oder des Rechtssubjects zusammen fallen mit dem Begriff des Menschen (. . .).“ 69 Das Individuum bedarf hier keiner Qualifikation, um Person zu werden; seine Möglichkeit der Selbstgesetzgebung, es ist ein „Willenssubjekt“ 70, existiert qua Natur.71 Gleichwohl muss auf diesen vereinenden Punkt Bezug genommen werden, um diese Vergleichbarkeit erzeugen zu können. Mit anderen Worten wird „das Individuelle als das Allgemeine“ angesetzt (da schließlich jeder, was immer er sonst ist, ein Individuum ist), um daraufhin das „Allgemeine im Individuum wiederzufinden“.72 Auch bei dieser am Menschen letztbegründeten Herleitung unterschei61
Ausführlich T. Herbst, in: Person und Rechtsperson, 2015, 145, 161, 168 ff. Vgl. M. Auer, Der privatrechtliche Diskurs der Moderne, 2014, 20. 63 M. Auer, Der privatrechtliche Diskurs der Moderne, 2014, 19; M. Auer, KJ 53 (2020), 45, 50: „Die Rechtsordnung muss seit Kant strukturnotwendig als System subjektiver Rechte gedacht werden, weil sie nur noch von der rechtsbegründenden Freiheit des Individuums her gedacht werden kann.“; vgl. auch T. Kobusch, Die Entdeckung der Person, 1993, 138, 143. 64 Jede Form nachträglicher Regulierung aus kollektiv orientierten Nützlichkeitserwägungen muss gegen die Folgen dieser Freiheit ankämpfen, ohne die Grundlegung umgehen zu können, näher zur „Materialisierung“ S. 66 ff. 65 Vgl. G. Mohr, in: Der Mensch als Person und Rechtsperson, 2011, 17, 36. 66 Heute im Strafrecht unmittelbar anknüpfend etwa V. Haas, Kausalität und Rechtsverletzung, 2002, 54 ff.; T. Kleinert, Persönliche Betroffenheit und Mitwirkung, 2008, 97 ff.; J. Renzikowski, GA 2007, 561, 567. 67 Eingehend U. John, Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/83), 947, 949 ff.; vgl. auch C. Menke, Kritik der Rechte, 2015, 88. 68 Vgl. U. John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, 26. 69 F. C. von Savigny, System des heutigen Römischen Rechts Band 2, 1840, 2; zu Kontinuitäten zwischen Kant und Savigny bei der Bestimmung der Rechtsperson C. Hattenhauer, in: Der Mensch als Person und Rechtsperson, 2011, 39, 60 f.; C. Thomale, in: Person und Rechtsperson, 2015, 175, 183 ff. 70 G. F. Puchta, Lehrbuch für Institutionen-Vorlesungen, 1829, 19. 71 Vgl. M. Auer, in: Person und Rechtsperson, 2015, 81, 82; P.-A. Hirsch, Das Verbrechen als Rechtsverletzung, 2021, 31. 72 So über die Philosophie um 1800 N. Luhmann, Soziologische Aufklärung 6, 1995, 128. 62
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Teil 2: Institutionenschutz durch Opferschutz?
den sich mithin Individuum und Person. Der genuin idealistische Weg erreicht die Person erst, sobald verbindende Merkmale der Individuen gefunden werden.73 „Personalität ist demnach der gemeinsame Nenner, der die Individuen vergleichbar macht.“ 74 Es zeigt sich, dass ohne Verallgemeinerung kein interpersonales Verhältnis zustande kommt. Die Person resultiert nach dem eben Gesagten aus einer an den Individuen ansetzenden Abstraktionsleistung.75 Nur infolge dieses Prozesses können die Rechtsfähigen sich als Gleiche treffen. Indem die Einzelnen sich unter einen gemeinsamen Begriff fassen, können sie gleichermaßen berücksichtigt werden.76 „Subjektivität wurde zwar Individuen zugeschrieben, ist aber nichts Individuelles im Sinne der konkreten Mannigfaltigkeit des empirischen Auftretens, sondern Allgemeinheit schlechthin, mithin also von konkreten Individuen ebenso Abstrahierendes wie diese Verbindendes.“ 77
Offen bleibt gleichwohl noch, nach welchen Kriterien sich der „allgemeine“ Maßstab bestimmt. Die Methode, die Person als „ethische Qualität des Menschseins“ 78 aus der Konstitution des Homo sapiens abzuleiten, führt insoweit nicht
73 S. Kirste, in: FS Hollerbach, 2001, 319, 337 weist darauf hin, dass trotz Savignys „Bezugnahme auf den Menschen“ die Person „der Form nach objektiv, von der Rechtsordnung her begründet“ wird. 74 S. Stübinger, Das „idealisierte“ Strafrecht, 2008, 95; siehe auch S. Stübinger, in: Autonomie und Normativität, 2014, 69, 92 ff. als Erklärung eines hegelischen Personenbegriffs. Vgl. G. W. F. Hegel, Die Philosophie des Rechts (Vorlesung), 1822/2005, § 35: „Persönlichkeit ist das abstrakte höchste im Menschen.“ Ein Vernunft-unberührter und insoweit unreflektierter Individualismus wäre dagegen gesellschaftsunfähig: „Das Individuum [Hervorhebung nachträglich] ist Beziehung auf sich dadurch, daß es allem anderen Grenzen setzt; aber diese Grenzen sind damit auch Grenzen seiner selbst, Beziehungen auf Anderes, es hat sein Dasein nicht in ihm selbst“, G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik I, 1812/1986, 121. Zum Begriff der Person bei Hegel auch T. Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, 101 f. – Zu normativistischen Einwürfen im Anschluss an Hegel sogleich Fn. 89. 75 Anders allerdings S. Schick, JRE 28 (2020), 85, 98: „Personsein besteht darin, dass Ich mich individuiere, indem ich mir eine Freiheitssphäre gebe und diese gleichzeitig im Hinblick auf das Personsein des Anderen und seinen Anspruch auf Individuierung beschränke, um von ihm als Person anerkannt werden zu können. Damit wird der ganze ungeteilte Mensch als Zurechnungssubjekt von Rechten und Pflichten und freie Ursache seiner Handlungen verstanden und nicht die Persönlichkeit als solche.“ – Wie weit der „Anspruch auf Individuierung“ reichen soll und woran er sich bemisst, wird in der dortigen Passage nicht ausgeführt. Treffend gegen eine individuelle Ausverhandlung der Rechtssphären G. Jakobs, Norm, Person, Gesellschaft, 2008, 33: „Solange die Individuen sich selbst das Maß aller Dinge sind, können sie sich nicht begreifen (. . .) Um zum Begreifen zu kommen, muss ein Maßsystem angewendet werden, das ein anderes ist als das zu begreifende.“; klarstellend auch D. Klesczewski, Die Rolle der Strafe in Hegels Theorie der bürgerlichen Gesellschaft, 1991, 47. 76 C. Menke, Spiegelungen der Gleichheit, 2004, 41 f. 77 So beschreibend A. Nassehi, Studien zur Theorie der modernen Gesellschaft, 2003, 92. 78 P. Hauck, Heimliche Strafverfolgung und Schutz der Privatheit, 2014, 102.
B. Das Opfer der Straftat
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weiter: Wo ein Verhältnis zu ermitteln ist, landet dieser Naturalismus in einer Gleichsetzung. 2. Normative Konstruktion: Institution und „Zurechnungsendpunkt“ Rechtstheoretisch präziser betonen streng normative Herleitungen die Eigenständigkeit des Personenbegriffs und setzen sich dabei in der Begründung vom biologischen Faktum eines Individualwillens ab.79 Der Wille gilt dann nicht länger als Ableitungs-Grundlage, sondern ist eine Zuschreibung des Rechts selbst. „Das Recht ist nicht des Willens, sondern der Wille des Rechts wegens da.“ 80 Die Trennung von Personalität und Mensch setzt sich ab Mitte des 19. Jahrhunderts durch.81 Wenn Recht als eine Reihung von Soll-Sätzen zu verstehen ist, lässt sich aus dem empirischen Substrat nichts unmittelbar ableiten. Der Neukantianismus82 etwa ebnet die rechtliche Trennung von Anschauung und Denken ein;83 jeder Rechtssatz ist dann eine wertende Stellungnahme. Nach diesem Verständnis löst sich die Person vom Menschen ab.84 „Person“ meint dann das Produkt einer rechtlichen Wertungs-Verständigung ohne notwendige empirische Stütze. Der neukantianische Personenbegriff ist prominent durch Kelsen85 verarbeitet worden, der ebenso die Person als Rechtskonstruktion bestimmt.86 Die Person ist hier Produkt geronnener Rechte und Pflichten: „Zurechnungsendpunkt“ 87. In der gegenwärtigen Strafrechtswissenschaft schließlich taucht eine hochnormative Personenbestimmung bei Jakobs auf: Opfer einer Straftat können nur Personen sein, und wenn das Strafgesetzbuch in § 212 vom „Menschen“ spricht, dann versteht es darunter die „Person“:
79 H. Kelsen, Über Grenzen zwischen juristischer und soziologischer Methode, 1911/ 1970, 58: „Es gehört zu den größten Irrtümern der Jurisprudenz, den Unterschied zwischen dem psychologischen und juristischen Willensbegriffe nicht erkannt zu haben.“ 80 R. von Jhering, Geist des römischen Rechts 3/1, 1888/1954, 331. 81 Dazu T. Altwicker, in: Person und Rechtsperson, 2015, 225, 235 f. 82 Instruktiv C.-F. Stuckenberg, in: Strafrecht und Gesellschaft, 2019, 125. 83 H. Cohen, Ethik des reinen Willens, 1907/1981, 27: „Daher muss die Idee restlos in dem Sollen aufgehen.“ 84 Vgl. H. Cohen, Ethik des reinen Willens, 1907/1981, 230: „Es wäre nun aber grundfalsch, Person und Mensch gleichzusetzen.“ 85 Weiterführend T. Altwicker, in: Person und Rechtsperson, 2015, 225, 236; U. John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, 49 ff.; S. Kirste, in: FS Hollerbach, 2001, 319, 339 ff. 86 H. Kelsen, Über Grenzen zwischen juristischer und soziologischer Methode, 1911/ 1970, 52 ff.; H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 1960, 176 ff.; auf diese Ähnlichkeit weist hin C.-F. Stuckenberg, in: Strafrecht und Gesellschaft, 2019, 125, 138. 87 H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 1960, 102: „Dem Menschen wird nicht darum zugerechnet, weil er frei ist, sondern der Mensch ist frei, weil ihm zugerechnet wird. (. . .) Der Mensch ist frei, weil dieses sein Verhalten ein Endpunkt der Zurechnung ist.“
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Teil 2: Institutionenschutz durch Opferschutz?
„Gemeint ist mit ,Mensch‘ nicht die biologische Bezeichnung für einen Angehörigen der menschlichen Rasse, sondern eine Person im Recht als Trägerin von Pflichten und Rechten, unter anderem eben auch des Rechts auf Leben.“ 88
Diese Position führt mitunter Hegel89 als Vorreiter eines normativen Personenbegriffs an, was nicht ohne Widerspruch geblieben ist90 und als dogmenhistorische Frage vorliegend offen gelassen werden kann. Entscheidend bleibt, dass die Person „nicht aus ,Individualität plus Würde‘ zusammengesetzt“ 91 ist, sondern ein rechtliches Konstrukt bildet; „die Rede von der freien Person [ist] ohne Rede von Kommunikation und Zuschreibung nicht mehr ertragreich“.92 Ohne die Berücksichtigung des Individuums als empirisches Substrat bei der Begriffsbildung der Person lässt sich ebendieses Konstrukt indes nicht erwecken;93 sodass die Person weiterhin über eine kognitive Seite verfügt.94 Erneut mit Jakobs: „Es wäre übertrieben, die kommunikativ konstituierte Person prinzipiell gegen das subjektive Bewußtsein auszuspielen. [. . .] Irgend jemand muß schon noch verstehen oder Verstehen vortäuschen oder einen Anschluß erzwingen können.“ 95
Der Gegenentwurf eines „menschengerechte[n] Strafrecht[s]“ mit „dem realen Menschen ,aus Fleisch und Blut‘ als Zurechnungssubjekt“ 96 klingt nach einem 88 G. Jakobs, System der strafrechtlichen Zurechnung, 2012, 55; ähnlich G. Jakobs, RW 1 (2010), 283, 300; G. Jakobs, Kritik des Vorsatzbegriffs, 2020, 23. 89 G. Jakobs, in: Schuld, 2017, 111, 114 ff.; G. Jakobs, Kritik des Vorsatzbegriffs, 2020, 15 ff. So auch H. H. Lesch, Der Verbrechensbegriff, 1999, 99, 127; vgl. bereits B. Müssig, Schutz abstrakter Rechtsgüter und abstrakter Rechtsgüterschutz, 1994, 190 Fn. 45. 90 So insbesondere bei M. Köhler, ZStW 114 (2002), 183, 185 ff. und S. Stübinger, Das „idealisierte“ Strafrecht, 2008, 177 ff. (siehe dort auch zur Unverträglichkeit des Personenverständnisses mit dem Hegelschen Freiheitsgedanken 233 f.). Nach K. Seelmann, GA 2009, 250, 251 ist dagegen die „Kluft zwischen Hegel und dem Funktionalismus nicht so weitgehend“. Kritisch bereits T. W. Adorno, Drei Studien zu Hegel, 1963/ 2003, 253: „Wollte man, um den materialen Gehalt der Hegelschen Philosophie gegenüber der angeblich veralteten und willkürlichen Spekulation zu retten, ihren Idealismus ausmerzen, man behielte nichts als Positivismus hier, schale Geistesgeschichte dort in der Hand.“ Eine wiederum andere, namentlich sozialphilosophische, Lesart präsentiert D. Loick, Juridismus, 2017, 27 ff. Näher zu dieser (vorrangig dogmenhistorisch interessanten) Debatte im ersten Teil Fn. 386. 91 G. Jakobs, in: Das Proprium der Rechtswissenschaft, 2007, 104, 131. 92 G. Jakobs, GA 2001, 492, 493. 93 Vgl. G. Jakobs, Norm, Person, Gesellschaft, 1997, 75; G. Jakobs, ZStW 117 (2005), 247, 253 ff.; G. Jakobs, Norm, Person, Gesellschaft, 2008, 107; im Frühwerk bereits G. Jakobs, Studien zum fahrlässigen Erfolgsdelikt, 1972, 41: „Zwar trifft die reine, formale Zurechnung stets ein nur normativ bestimmtes Subjekt, welches man Person nennen mag; jede inhaltliche Bestimmung gibt jedoch dem Subjekt Konturen in der physischen, psychischen, sozialen oder sonst zur zweckhaften Gestaltung ausgesuchten Realität.“ 94 C.-F. Stuckenberg, in: Strafrecht und Gesellschaft, 2019, 125, 151. 95 G. Jakobs, ZStW 107 (1995), 843, 874 Fn. 70. 96 Zitate nach K. Ambos, ZStR 124 (2006), 1, 27 (ähnlich schon Hendrik Schneider, ZStW 113 (2001), 499, 515). Siehe dazu die scharfe Replik bei M. Pawlik, Das Unrecht des Bürgers, 2012, 141 Fn. 792.
B. Das Opfer der Straftat
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einsichtigen und humanistisch fundierten Postulat,97 hat aber mit einer bürgerlichen Rechtsordnung nichts zu tun. Deren Pointe liegt gerade in der Vorgabe an ihre Adressaten, als allgemeine Person aufzutreten. Und diese Allgemeinheit als schlichte Verneinung aller Besonderheit ist unbestimmt, indem sie von allen Unterscheidungsmerkmalen der Menschen „aus Fleisch und Blut“ absieht; übrig bleibt der freie Wille.98 Ökonomisch bedeutet Person-sein immer frei-sein: Die Rechtsteilnehmer schulden sich nichts, sind damit gleichwohl auf den wechselseitigen Austausch verwiesen, wenn sie Güter des anderen benötigen; sie existieren „füreinander als Repräsentanten von Ware“.99 Ein nach all-gemeinen, das heißt: von allen empirischen Eigenschaften der Gebrauchsgüter losgelösten und im Geldwert zusammen-gefassten, Kriterien erfolgender Tauschhandel erfordert Tauschende, die ebenfalls als solche, wiederum unabhängig von ihren empirischen Eigenschaften, gleich-gesetzt sind.100 Im bürgerlichen Staat „abstrahiert sich [die Handlungsfähigkeit] von der Rechtsfähigkeit, das juristische Subjekt bekommt einen Doppelgänger in der Gestalt des Stellvertreters (. . .)“.101 Das herauszustellende Proprium bleibt damit, dass die Rechtsperson den Menschen von allen Individualeigenschaften abstrahiert, diese fiktive Figur aber kein rein geistiger Begriff ist, sondern das wirkliche Zusammenleben bestimmt: Eine Realabstraktion.102 Kritik ist es nicht, diesen Vorgang schlicht abzustreiten. „Wer auch die Person vermenschlichen will, der tut der humanitären Sache keinen Dienst.“ 103 Das „menschengerechte“ Programm hätte zur Folge, das rechtlich Erwartbare am je einzelnen Individuum auszumessen. Die gewährten Menschenrechte (und das ist ihre ganze Menschen-Gerechtigkeit) leisten das Gegenteil: Sie versprechen dem Menschen „aus Fleisch und Blut“, sich mit seinen Gattungsgenossen am gleichen Maßstab messen lassen zu dürfen, indem sie „Person sein“, also sich als freie und gleiche Privatrechtssubjekte104 begegnen können.105 In aller Deutlichkeit gibt das 97
Ähnlich etwa F. Wieacker, in: FS E. R. Huber, 1973, 339, 360 f. O. K. Flechtheim, Hegels Strafrechtstheorie, 1936/1975, 74. 99 K. Marx, Das Kapital (1867), MEW 23, 1962, 99 f. 100 Näher erläutert bei L. L. Obermayr, Die Kritik der marxistischen Rechtstheorie, 2022, 112 f., 135 f. 101 E. Pas ˇ ukanis, Allgemeine Rechtslehre und Marxismus, 1924/1991, 113 f. Die ökonomische Bedeutung der normativen Gleichheit der Personen betont auch G. Radbruch, Rechtsphilosophie, 1950, 230. 102 D. Loick, Juridismus, 2017, 125. 103 H. Kaiser, Widerspruch und harte Behandlung, 1999, 189 f.; vgl. auch N. Luhmann, Soziologische Aufklärung 6, 1995, 274: „Ich meine natürlich nicht, (. . .) daß wir (. . .) keine Menschen sind; nur – wenn wir sagen, daß wir das sind, und erst recht, wenn wir es sein wollen, dann wird es unvermeidlich dilettantisch.“ 104 Vgl. insoweit P. Kirchhof, HStR XII3, § 273, Rn. 9: Person als „Kategorie der Freiheit“. 105 Vgl. K. Marx, Zur Judenfrage (1844), MEW 1, 1956, 347, 369: „Dieser [FL: gemeint ist der „egoistische“] Mensch, das Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft, ist nun 98
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Teil 2: Institutionenschutz durch Opferschutz?
Art. 6 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte106 an: „Everyone has the right to recognition everywhere as a person before the law.“ – ein MenschenRecht, Person sein zu dürfen. Person ist der Mensch also nicht, weil er Lebewesen ist, sondern weil das Recht ihm als ein solches Lebewesen ein unverbrüchliches Recht zuspricht.107 Von welcher konkreten Verfasstheit diese „realen“ Menschen sind, kommt dabei gar nicht vor. Der Personenbegriff „bleibt seinem Sinn nach eine Kollektividee“ 108 und es ist eine konstruktive Leistung der Rechtsordnung und ihrer Institutionen109, die Person vorzuzeichnen und damit das Rechtssubjekt110 zu bestimmen.111 In diesem hastigen Durchlauf sind nun ganz verschiedene Personenbegriffe angeführt worden, die nicht gleichgesetzt werden können.112 Es sollte gezeigt werden: Die Rechtsperson der Moderne ist immer eine Abstraktion. Wenn die Opfereinbeziehung als eine emotional nachzuempfindende Eingebung beschrieben wird, dann muss sie sich gleichsam an dieser Begründungshürde beweisen. Denn das Opfer taucht als Besonderes nur auf, soweit es das Allgemeine abbildet. „Die Person, die wir gleichermaßen berücksichtigen, ist der einzelne, aber der einzelne nicht als je besonderer, sondern der einzelne, sofern er unter eine allgemeine Beschreibung gebracht werden kann.“ 113 Wer Verletzter einer Körperverletzung ist, wird vom Recht als in subjektiven Rechten Geschädigter gewürdigt – nicht aber als Individuum.114 Seine ganz realen Leiden finden insoweit Berücksichtigung,115 als sie von diesen subjektiven Rechten umfasst werden.116
die Basis, die Voraussetzung des politischen Staats. Er ist von ihm als solche [Hervorhebung nachträglich] anerkannt in den Menschenrechten. Die Freiheit des egoistischen Menschen und die Anerkennung dieser Freiheit ist aber vielmehr die Anerkennung der zügellosen Bewegung der geistigen und materiellen Elemente, welche seinen Lebensinhalt bilden“ (Zitat ohne Hervorhebungen); zur ökonomischen Bedeutung gleicher Rechte K. Marx, Kritik des Gothaer Programms (1875), MEW 19, 1987, 13, 21. 106 UN-Resolution 217 A (III), 10.12.1948. 107 Vgl. G. Radbruch, Rechtsphilosophie, 1950, 231. Treffende Kritik bei K. F. Gärditz, GA 2015, 581, 582 zur „Vorstaatlichkeit, der Menschenwürde“, was „der Positivität des Rechts als Proprium demokratischer Rechtsstaatlichkeit ebenso wenig gerecht wird wie der originären Politizität der Menschenrechtsidee“. 108 N. Luhmann, Soziologische Aufklärung 6, 1995, 147. 109 N. MacCormick, Institutions of Law, 2008, 77: „Institutional normative order itself institutionalizes the concept of the person.“ 110 Das ist das sich als Rechtsperson begreifende Individuum, insoweit übereinstimmend: G. Jakobs, Norm, Person, Gesellschaft, 2008, 32; S. Stübinger, Das „idealisierte“ Strafrecht, 2008, 95; vgl. auch N. Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft, 1997, 1030. 111 S. Haack, Theorie des öffentlichen Rechts II, 2019, 5. 112 Vgl. die Kritik von S. Stübinger, in: FS Paeffgen, 2015, 49, 58 mit Fn. 30. 113 C. Menke, Spiegelungen der Gleichheit, 2004, 41. 114 M. P. Navarrete/M. Polaino-Orts, in: FS Kühl, 2014, 363, 371: Das Individuum erhalte „per se keine strafrechtliche Relevanz“.
B. Das Opfer der Straftat
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Das mag intuitiv als Einzelfall-unangemessen wirken,117 ist aber als ordnende Differenzierungsleistung des Rechts unverhandelbar.118 Wollte man zu einer Tat immer das konkrete Opfer benennen und dessen Feststellung als unrechtskonstitutiv ansehen, wäre es beispielsweise unmöglich zu bewerkstelligen gewesen, die Massenmorde der NS-Zeit strafrechtlich aufzuarbeiten. 119 In der Dogmatik ist das Insistieren auf der Betrachtung der abstrakten Rechtsperson vor allem als Kernargument für die allgemein anerkannte Figur des „error in persona“ und gegen die Lehre von der aberratio ictus bekannt:120 Im Streitstand ebendort lautet ein gewichtiger Punkt: Der Tatbestand der Tötungsdelikte erfordert die Tötung eines Menschen. Strafbar wegen Totschlags macht sich, wer einen (also: einen, das bedeutet: keinen individualbestimmten) anderen Menschen tötet. Der Täter muss das sein Opfer also nicht konkret individualisiert haben, sondern lediglich über Kenntnis zu dessen Menschenqualität als solcher verfügen. Auch an dieser Stelle geht es um Abstraktion.121 Schließlich 115 Es ist insoweit nicht ganz klar, worin eigentlich der Vorwurf liegen soll, wenn Personen-orientierten Strafrechtsdeutungen (in der Sache zutreffend!) entgegengehalten wird, das Opfer rücke „nicht als selbstständiger Rechtsträger ins Blickfeld“ (C. Roxin/ L. Greco, Strafrecht, Allgemeiner Teil Band 1, 2020, § 2 Rn. 115c). 116 M. D. Dubber, Victims in the War on Crime, 2002, 154: „A victim is essentially a person, and only incidentally a victim. She is a victim because her personhood has been violated in some way. The fundamental distinction is that between person and nonperson, not between offender and victim.“ Siehe auch P.-A. Hirsch, Das Verbrechen als Rechtsverletzung, 2021, 222. 117 Beispiel: Der Dieb stiehlt eine Geldbörse, eignet sich die Geldscheine an und wirft ein in der Börse befindliches Familienfoto des Verletzten in ein Gebüsch. Das (Teil-)Vergeltungsinteresse des Geschädigten (Verlust des Fotos) und das Aufklärungsinteresse des Strafrechts (Tatbestandlicher Diebstahl der Geldbörse und des Geldes) können dann auseinanderfallen. 118 G. Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, 1991, 1/8: „Die Enttäuschung, der Konflikt und das Erfordernis einer Reaktion beim Normbruch dürfen deshalb nicht als Erlebnisse des individuellen Systems ,Einzelmensch, gedeutet werden, sondern sind als Ereignisse im gesellschaftlichen Bezugssystem zu verstehen. Beispiel: Eigentum hat für viele Menschen einen Wert, wie ihn existentielle Güter haben, hingegen achten es manche Menschen, freilich weniger zahlreich, gering; der strafrechtliche Schutz des Eigentums erfolgt aber ohne Blick auf den Inhaber gleich, und zwar nicht allein wegen der praktisch unumgänglichen Notwendigkeit, beim Zuschnitt der rechtlichen Norm zu generalisieren, sondern auch und vorweg wegen der Ausrichtung des Schutzes auf die gesamtgesellschaftliche Bedeutung des Eigentums. Diese öffentliche Perspektive schließt es nicht aus, bei einem Eigentumsdelikt die individuelle Betroffenheit des Opfers zu berücksichtigen, aber diese Betroffenheit muß wiederum als öffentliche Angelegenheit demonstrierbar sein“ (Hervorhebung nachträglich). Eingehend zur Verallgemeinerungsleistung der Strafzumessung G. Jakobs, in: Mehr Transparenz in der Strafjustiz, 1991, 41. 119 Dazu schon G. Jakobs, GA 1971, 257, 259 Fn. 13; siehe auch T. Grosse-Wilde, Erfolgszurechnung in der Strafzumessung, 2017, 405 mit Fn. 228. Allgemein zur „Opfer-Wahlfeststellung“ T. Ceffinato, JURA 36 (2014), 655, 661; K. Tiedemann/I. Tiedemann, in: FS R. Schmitt, 1992, 139, 145 ff. 120 Zum Argument I. Puppe, NK-StGB5, § 16, Rn. 102. 121 Praktische Bedeutsamkeit erlangt dies ebenfalls in den Fällen der massenhaften Medikamenten-Manipulation, wenn nicht feststellbar ist, welche der belieferten Patienten durch die mangelhaften Medikamente geschädigt wurden, statistisch aber gesichert ist, dass eine bestimmte Zahl von Patienten geschädigt wurde. Eingehend (dort zum
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Teil 2: Institutionenschutz durch Opferschutz?
bleibt noch darauf hinzuweisen, dass die Personalität die normativen Rechtserwartungen vorzeichnet, Strafe aber immer auf einem Abgleich dieser Erwartungen mit der empirischen Verfasstheit des Individuums beruht122: „ultra posse nemo obligatur“.123 Für gewöhnlich erfolgt diese Unterscheidung nach dem Schema von Unrecht und Schuld124, also nach der „generalisierten und der individualisierten Verantwortlichkeit des Normadressaten“ 125 (bei Ablehnung der separierten Kategorie „Schuld“ im Verbrechensaufbau verschiebt sich das Problem entsprechend). Es ist also nicht so, dass bei der Definition eines rechtlichen Erwartungsfeldes der Einzelne missachtet würde; im Gegenteil lassen sich jene Rechtserwartungen nur sinnvoll formulieren, wenn sie Bezug zu den Rechtsteilnehmern herstellen.
Zusammengefasst: Ohne Verallgemeinerung keine modernes Recht. Mit dieser Normativierung und institutioneller Anbindung von Person und Freiheit rückt das konkrete Opfer bewusst aus dem Sichtfeld.126 Gerade weil das Strafrecht erst in Fällen längst zugespitzter Konflikte eingreift, muss es auf dem gemeinsamen Nenner einer nüchternen Allgemeinheit insistieren.127 Gleichwohl regelt Strafrecht die Verhältnisse zwischen den Personen; es ist also keineswegs unerheblich, ob und wie jemand durch eine Straftat betroffen ist – nur: der Konflikt wird durch Normen kanalisiert.128
III. Personalität als Zumutung Das Recht der Moderne lässt also das Individuum in der Person aufgehen. Die Rechtsperson tritt als Besonderes auf, allerdings nur insoweit, als sie dabei den Unterfall der allgemeinen, abstrakten Rechtsperson bildet. Eine individualorientierte Hinwendung zum Verbrechensopfer im Strafrecht untergräbt dieses Prinzip. Wie erschließt sich aber, dass in der gegenwärtigen Gesetzgebung den Bedürfnissen des Einzelnen und seinen konkreten Vulnerabilitätsempfindungen sogenannten „Bottroper Apothekerfall“) S. Ast/H. Lorenz, medstra 2018, 135, 139 f.; F. Rostalski, GA 2018, 700, 703 ff. 122 Vgl. etwa (innerhalb eines deontologischen Konzepts) I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, 1781/1974, A 548 B 576: „Nun muß die Handlung allerdings unter Naturbedingungen möglich sein, wenn auf sie das Sollen gerichtet ist (. . .).“ 123 Vgl. zu diesem Prinzip auch H. H. Lesch, Der Verbrechensbegriff, 1999, 217 ff. Zu dessen „elementare[r] Evidenz“ O. Depenheuer, HStR XII3, § 269, Rn. 5. 124 Zur Individualisierungsleistung der Kategorie „Schuld“ A. Giraud-Willer, Kritik starrer Mindeststrafen, 2021, 42. Grundlegend BGH, 18.3.1952 – GSSt 2/51 = BGHSt 2, 194, 200 f. Zur Rechtsprechung und weiter H.-U. Paeffgen, NK-StGB4, vor §§ 32 ff., Rn. 207 f. H.-U. Paeffgen/B. Zabel, NK-StGB5, vor §§ 32 ff., Rn. 207 f. 125 H.-U. Paeffgen, NK-StGB4, vor §§ 32 ff., Rn. 55a H.-U. Paeffgen/B. Zabel, NK-StGB5, vor §§ 32 ff., Rn. 55a. 126 M. Pawlik, in: FS Jakobs, 2007, 469, 483. 127 K. F. Gärditz, Staat und Strafrechtspflege, 2015, 56 f.: „Gerichtsverfahren individualisieren Konflikte und reduzieren sie zugleich auf Fragen des abstrakt-generellen Rechts (. . .) Die individualisierenden Differenzierungsleistungen des Verhältnismäßigkeitsgebots werden der Allgemeinheit des Strafgesetzes untergeordnet.“ 128 U. Neumann, in: Strafrechtspolitik, 1987, 225, 238.
B. Das Opfer der Straftat
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nachzukommen versucht wird?129 Bereits das Grundprinzip gleicher Rechte legt diesen Widerspruch an. Hegel wird in einer Vorlesungsnachschrift wie folgt zitiert: „In Ansehung des Rechts sind die Menschen gleich; sie sind also dies und frei, aber sie sind nicht nur gleich, sondern absolut ungleich.“ 130
Das Recht bringt alle Individuen auf einen einheitlichen Personenbegriff. Damit blickt es ganz bewusst über die Unterschiede zwischen einzelnen Menschen hinweg. „Person“ ist der Einzelne als Abstraktum und rechtlich Vorgeschriebenes. Der Mensch wird „im strengen und endgültigen Sinne als Subjekt gedacht und damit aus der Natur ausgegliedert“.131 Nicht seinen materiellen Interessen, sondern der Verwirklichung seines als solchen abstrahierten freien Willens dient das Recht. „Die Person soll Idee sein.“ 132 Wer Idee sein soll, kann faktisch ganz anders sein. „Die Gleichheit der Rechte wird von der Absicht bestimmt, die Menschen trotz faktischer Ungleichheiten gleich zu behandeln (. . .).“133 Der normativen Rechtsgleichheit steht die empirische Ungleichheit der Rechtsteilnehmer gegenüber.134 Jedes Versprechen von Möglichkeiten der eigenen Interessendurchsetzung im Wege einer Festsetzung egalitärer Verhältnisse trägt somit unweigerliche Härten135 mit sich:136 Wer aufgrund seiner Individualkonstitution anderen 129 B. Zabel, ZStW 133 (2021), 358, 360 spricht von einer „(. . .) radikalen Vergesellschaftung der Strafrechtskultur. Diese Neuverortung verlangt (. . .) zum einen, dass Täter und Opfer nicht nur als Rechtspersonen, sondern auch als Bedürfnissubjekte und als natürliche Individuen in die Tatverarbeitung einbezogen werden. (. . .). Dieses Durchlässig-werden rechtlicher Normativität scheint es andererseits erforderlich zu machen, auch im Strafrecht das starke Personenwürdekonzept zugunsten von sozial sensiblen Dispositionen oder Haltungen aufzulockern.“ 130 G. W. F. Hegel, Die Philosophie des Rechts (Vorlesung), 1822/2005, § 49. 131 N. Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft, 1997, 1023. 132 G. W. F. Hegel, Die Philosophie des Rechts (Vorlesung), 1822/2005, § 41. 133 F. Ewald, Der Vorsorgestaat, 1993, 442; vgl. auch J. Habermas, Faktizität und Geltung, 1994, 472. 134 Vgl. insoweit T. Hörnle, in: FS Schünemann, 2014, 93, 101; P. Kirchhof, Maunz/ Dürig-GG69, Art. 3, Rn. 7. 135 Diese Härten werden verschleiert, wenn der Weg zu einem abstrakt-allgemeinen Willen als ohnehin jedem Individualwillen innwohnende Tendenz beschrieben wird, siehe etwa D. Klesczewski, Die Rolle der Strafe in Hegels Theorie der bürgerlichen Gesellschaft, 1991, 37. 136 Transparent machen das vor allem liberale und libertäre Ansätze, so etwa R. Nozick, Anarchy, State and Utopia, 1974, 236 ff. Mit dem Selbstbewusstsein von der natur- oder vernunftrechtlichen Richtigkeit einer bürgerlichen Ordnung gibt es auch keine Gründe, die Folgen der normativen Gleichheit anzuprangern: „No one has a right to something whose realization requires certain uses of things and activities that other people have rights and entitlements over“, ebd., 238. Deutlich schon I. Kant, Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis, 1793/1968, 42 f.: „Diese durchgängige Gleichheit der Menschen in einem Staat, als Untertanen desselben, besteht aber ganz wohl mit der größten Ungleichheit, der Menge, und den Graden ihres Besitztums (. . .) Aber dem Rechte nach (. . .) sind sie dennoch, als Untertanen, alle einander gleich.“
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unterlegen ist,137 bleibt rechtlich „Gleicher“ und muss sich im Rechtsverkehr an Allgemeinvorgaben prüfen lassen.138 Näher forciert: „Es [FL: Das gleiche Recht] ist daher ein Recht der Ungleichheit, seinem Inhalt nach, wie alles Recht. Das Recht kann seiner Natur nach nur in Anwendung von gleichem Maßstab bestehn; aber die ungleichen Individuen (und sie wären nicht verschiedne Individuen, wenn sie nicht ungleiche wären) sind nur an gleichem Maßstab meßbar, soweit man sie unter einen gleichen Gesichtspunkt bringt, sie nur von einer bestimmten Seite faßt (. . .) Bei gleicher Arbeitsleistung und daher gleichem Anteil an dem gesellschaftlichen Konsumtionsfonds erhält also der eine faktisch mehr als der andre, ist der eine reicher als der andre etc. Um alle diese Mißstände zu vermeiden, müßte das Recht, statt gleich, vielmehr ungleich sein.“ 139
Es ergibt sich ein grundlegender Widerspruch, den das Recht auszutragen hat: Ein Widerspruch zwischen personaler und individueller Freiheit und Gleichheit.140 Formelle Gleichheit im Recht erzeugt materielle Ungleichheit in der Interessenverwirklichung.141 Diese Unterscheidung ist analytisch notwendig, wirkt zunächst sperrig, weil sie einen Schritt hinter das Selbstverständnis der Moderne bedeutet. „Der moderne Individualismus und vor allem die Vorstellung der Gleichheit der Individuen ist uns derart geläufig, daß wir erst einmal künstliche Distanz brauchen, um die evolutionäre Unwahrscheinlichkeit dieser Disposition zu erkennen.“ 142 Die Gleichheit des Rechts dient einer normativ-ideellen Vernunftperson, die aber ohne ihr empirisches Substrat („Auftauchen des Menschen“ 143) nicht begriffen werden kann, unwirklich bleibt. Das in der idealistisch 137 Ausführlich zum Mangel des „Gleichheitsversprechens“ für Menschen mit Behinderung M. Schnath, BHP 45 (2006), 11. 138 G. Radbruch, Rechtsphilosophie, 1950, 230: „(. . .) der Begriff der Person [bleibt] ein Gleichheitsbegriff, in dem der Mächtige und der Machtlose, der Besitzende und der Nichtbesitzende, die schwache Einzelperson und die mammutsstarke Verbandsperson miteinander gleichgesetzt werden.“ 139 K. Marx, Kritik des Gothaer Programms (1875), MEW 19, 1987, 13, 21; vgl. auch C. Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, 1926/ 1969, 18: „Wo eine gleichgültige, ohne das Korrelat einer Ungleichheit gedachte Gleichheit ein Gebiet menschlichen Lebens tatsächlich erfaßt, verliert auch dieses Gebiet selbst seine Substanz und tritt in den Schatten eines andern Gebietes, auf welchem dann die Ungleichheiten mit rücksichtsloser Kraft zur Geltung kommen.“ 140 Dieser Widerspruch wird teilweise einzuebnen versucht mit dem Hinweis, Gleichheit sei nur aus der Perspektive der Stärkeren eine Beschränkung; für die Schwächeren sei Gleichheitsgewährleistung eine Bedingung von Freiheit (U. Sackofsky, VerfassungsR-HdB, § 19, Rn. 12). Dieser Schluss beruht auf einer Begriffsvertauschung. Die Freiheit des „Stärkeren“ wird dabei rechtlich-normativ bemessen, die Freiheit des „Schwächeren“ faktisch-individuell. Damit entfällt aber ein gemeinsamer Maßstab, an dem sich erkennen ließe, wer „stärker“ ist und, warum er das ist. Zur Vieldeutigkeit von „Freiheit“ und „Gleichheit“ auch R. Dworkin, Was ist Gleichheit?, 2000/2014, 159 f., 166 f.; M. Pöschl, Gleichheit vor dem Gesetz, 2008, 549. 141 R. Knieper, Zwang, Vernunft, Freiheit, 1981, 20 f. 142 N. Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft, 1997, 1016. 143 So M. Foucault, Die Ordnung der Dinge, 1971, 383 über das historische „Ende der Metaphysik“.
B. Das Opfer der Straftat
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konstruierten Rechtsperson verdrängte Interesse des Individuums kehrt in der praktischen Umsetzung des Rechts immer zurück und treibt den normativ gesetzten Begriff über sich hinaus. „Die ,Idee‘ blamierte sich immer, soweit sie von dem ,Interesse‘ unterschieden war.“ 144 Nachträgliche Korrekturen, die dem Personenbegriff nicht inbeschrieben sind, stabilisieren die Rechts-Praxis der Personen, indem Fällen, in denen das Individuum als Person nicht mehr „sein Auskommen findet“ 145, vorgebeugt wird. Was bedeuten diese abstrakten Überlegungen aber nun für die opferorientierte Straftheorie? – Die Einbeziehung des Opfers ist kein „Trend“ oder eine zusätzliche „Schiene“ des Strafrechts146, sondern steht mit der normativen Verfasstheit des bürgerlichen Rechts in einem spannungsvollen Widerspruch.147 Damit einhergehend ist der Übertritt dieser Schwelle ein Beispiel zur Funktionalisierung des Strafrechts als Konfliktlösungsmittel in einem weiten Sinne.148 Person-Sein ist dann nichts Starres, sondern wird ent-formalisiert und in der Gesetzgebungspraxis zunehmend untergraben. Das ist aber kein nahtloser Übergang: Die Straftheorie soll die Balance zwischen bürgerlichen Rechtssphären und kontingenten Individualinteressen halten149, ist damit aber überlastet, weil sie Außer-Rechtliches als Rechtszweck behandeln soll. „Das Strafrecht ist aufgrund seiner Normorientierung nicht in der Lage, den TäterOpfer-Konflikt wirklich ernst zu nehmen, d. h.: Ihn überhaupt als Konflikt zu begreifen. Aus der Perspektive des Strafrechts geht es nicht um einen Konflikt, d. h. um einen manifesten Interessengegensatz zwischen Personen (. . .), sondern um die Verletzung einer Norm, um abweichendes Verhalten.“ 150
Die opferorientierte Straftheorie verarbeitet kognitive Erwartungen in einem normativ anderweitig strukturierten Programm. Es wäre freilich viel zu kurz gedacht, die Opfereinbeziehung aus diesem Grund schlicht zu verteufeln. Die Einordnung des Opfers als außer-rechtliches, kontingentes Faktum schließt es keineswegs aus, das Opfer als Teil der Rechtssystem-Umwelt für die Verfolgung rechtlicher Zwecke dienstbar zu machen. Selbst auf dem Gipfel des Vernunftrechts bemerkte Puchta: 144
K. Marx, Die heilige Familie (1845), MEW 2, 1962, 1, 85. Vgl. G. Jakobs, Norm, Person, Gesellschaft, 2008, 45. 146 Eher unscharf scheint in diesem Zusammenhang auch die Rede von einem „Rechtfertigungsnarrativ der Opferneutralisierung“ (so K. Günther, in: Strukturwandel der Anerkennung, 2013, 185, 201), weil so der vorliegend beschriebene normative Widerspruch zu einer zeitgenössischen Schwankung der Gesellschaftsauffassung verkürzt wird, eben eine „Erzählung“, die heute schlicht anders als früher ausfällt. 147 Ausführlich zur „Paradoxie“ K. Seelmann, JZ 44 (1989), 670. 148 D. Rössner, in: GS R. Keller, 2003, 213, 221 f.; Hans J. Schneider, GA 2002, 567, 569; S. Walther, Vom Rechtsbruch zum Realkonflikt, 2000, 163 ff.; B. Zabel, Die Ordnung des Strafrechts, 2017, 490. 149 B. Zabel, Die Ordnung des Strafrechts, 2017, 523. 150 U. Neumann, in: Strafrechtspolitik, 1987, 225, 249. 145
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„Indessen läßt der lebendige Zusammenhang aller Seiten des menschlichen Daseyns keine vollkommene Abstraction von jenen individuellen Qualitäten zu. Auch sie haben daher einen Einfluß im Recht, jedoch immer nur einen secundären.“ 151
Herauszuarbeiten ist also, wie dieser „secundäre Einfluß“ sich geltend macht. Gleichzeitig scheiden damit aber auch Begründungswege aus, die auf einen plausiblen Ad-Hoc-Begriff von Gerechtigkeit verweisen und dem Opfer mit leichter Feder immer neue Rechte zuschreiben. Sondern die kruziale Frage ist, wie und mit welchem Zweck diese Bezugnahme erfolgt.
C. Vorüberlegung: Begründungswege der Opfereinbeziehung Aus der Gesamtheit rechtswissenschaftlicher Ansätze zur Einbeziehung des Opfers in die Straftheorie lassen sich verschiedene argumentative Stränge unterscheiden:
I. Normentheoretische Aspekte Es ist bereits auf einer formal-rechtstheoretischen Ebene ein voraussetzungsreiches Anliegen, durch Strafbewehrung Opferinteressen stärken zu wollen. Normentheoretisch setzt der Opferschutzgedanke einiges voraus: Nur, wenn den Verhaltensnormen ein über reinen Ungehorsam hinausgehendes, intersubjektives Ordnungsprogramm zu entnehmen ist, rückt das Opfer in die Unrechtsbeschreibung. Und nur, wenn Qualifikationsnormen mehr als Zusatzermächtigungen für den staatlichen Rechtsstab sind, lassen sie sich als Instrumente des Opferschutzes verstehen. Dadurch kommt normentheoretischen Aspekten etwa bei dem Problem generalpräventiver Strafschärfungen eine gehobene Bedeutung zu. Diese formellen Fragen lagern zumindest implizit vor jeder Befassung mit opferorientierten Sanktionsnormen und können materielle Grundsatzprobleme verdeutlichen. 1. Staatlicher Imperativ und horizontale Dimension a) Die klassische normentheoretische Beschreibung der Straftat scheint einer Opfereinbeziehung entgegenzustehen. Geläufig versteht man unter „Normentheorie“ eine analytische Trennung zweier Kategorien: Sanktionsnormen ermächtigen den Rechtsstab zur Reaktion auf einen Verstoß gegen Verhaltensnormen. Strafbewehrt kann nur sein, was sich als Verhaltensnormverstoß ausbuchstabieren lässt. Jeder Bestrafung ist insoweit ein unabhängig von strafrechtlichen Aspekten zu bestimmender Verhaltensnormverstoß vorgelagert.152 Binding als 151
G. F. Puchta, Lehrbuch für Institutionen-Vorlesungen, 1829, 19. K. Binding, Die Normen und ihre Übertretung 1. Normen und Strafgesetze, 1872, 54 u. ö.; auf S. 56: „Die Norm schafft die rechtswidrige, das Strafgesetz die verbrecherische Handlung.“ 152
C. Vorüberlegung: Begründungswege der Opfereinbeziehung
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ihr prominentester Vordenker – zumindest im deutschsprachigen Raum153 – stellt klar, dass die Norm (also die den Bürger bindende Verhaltensvorgabe) staatlich verordnet wird und kollektiven Interessen dient. Die Norm begründet ein staatliches Recht, vom Bürger die Erfüllung einer Pflicht zu verlangen. Dieses Recht „ist ein Herrscherrecht auf Gehorsam oder Botmässigkeit“.154 Es ist für Binding also klar: „[D]as Gehorsamsrecht ist nie ein Privatrecht“ 155 und privatrechtlich vermittelte Ge- und Verbote müssen nicht mit dem staatlich verordneten Pflichtenprogramm im Gleichschritt laufen.156 Insoweit gilt diese historische Ausgestaltung der Normentheorie bei Kritikern als obrigkeitsstaatliches und kollektivistisch ausgerichtetes Analysekonstrukt, das jedenfalls zu einer Berücksichtigung von Individualinteressen gänzlich ungeeignet ist.157 Bei Armin Kaufmann erfährt Bindings Theorie eine Fortentwicklung mit finalistischen Einflüssen.158 Anders als bei Binding steht nunmehr eine Wertung an erster Stelle: Zunächst ist ein Rechtsgut als positiver Zustand im weiteren Sinne zu ermitteln;159 sodann ist zu bestimmen, welche Ereignisse dem Erhalt dieser Rechtsgüter dienen. Aus diesen Ereignissen ist danach das menschliche Verhalten herauszufiltern. Denn nur Menschen lassen sich normativ ansprechen160 und können den Rechtsgüterschutz insoweit gewährleisten.161 Aus diesem „Wechsel vom ,Seinsollen‘ zum ,Tunsollen‘ “ 162 speist sich schließlich die Norm als Brücke zwischen ideellem Zustand und menschlicher finaler Handlung.163 Der Tat153 Die Darstellung ist hier insoweit sehr knapp gehalten, als sie sich auf die im deutschsprachigen Raum wirkmächtigen Theorien beschränkt. Allerdings verfügt auch die angloamerikanische Debatte über ein facettenreiches normentheoretisches Angebot. Siehe nur M. Dan-Cohen, Harvard Law Review 97 (1983), 625, 630 ff.; H. L. A. Hart, Der Begriff des Rechts, 1994/2011, 40 ff.; J. Raz, Practical Reason and Norms, 1975/ 2002. Zu Bentham und Hart: J. Renzikowski, in: FS Gössel, 2002, 3, 7 ff. Eine Übersicht bei T. Grosse-Wilde, in: Normentheorie und Strafrecht, 2018, 215. 154 K. Binding, Die Normen und ihre Übertretung I, 1922/1965, 97. 155 K. Binding, Die Normen und ihre Übertretung I, 1922/1965, 97. 156 K. Binding, Die Normen und ihre Übertretung I, 1922/1965, 100. Dazu J. M. Göhler, Strafprozessuale Rechte des Verletzten in der Europäischen Union, 2019, 453 mit Fn. 261. 157 Vgl. T. Hörnle, JZ 61 (2006), 950, 951 f. 158 Zu Armin Kaufmann auch H.-U. Paeffgen, Der Verrat in irriger Annahme eines illegalen Geheimnisses (Paragraph 97b StGB) und die allgemeine Irrtumslehre, 1979, 100 f.; H.-U. Paeffgen, Vorüberlegungen zu einer Dogmatik des UntersuchungshaftRechts, 1986, 82. 159 Armin Kaufmann, Lebendiges und Totes in Bindings Normentheorie, 1954, 69 f. 160 Dazu L. Greco, Lebendiges und Totes in Feuerbachs Straftheorie, 2009, 339 Fn. 610: „eine der vielen unverlierbaren Lektionen des Finalismus“. 161 Armin Kaufmann, Lebendiges und Totes in Bindings Normentheorie, 1954, 71. „Der Mensch (. . .) ist das Normsubjekt, der ,Sollträger‘“, ebd., 105. 162 H.-U. Paeffgen, Der Verrat in irriger Annahme eines illegalen Geheimnisses (Paragraph 97b StGB) und die allgemeine Irrtumslehre, 1979, 101. 163 Armin Kaufmann, Lebendiges und Totes in Bindings Normentheorie, 1954, 75 f.
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erfolg – das deutet sich hier bereits an – entscheidet nicht über den „Aktwert“ 164 der Tat. Die Pflichterfüllung ist alles, was der Normadressat zur Erzielung des ideellen Zustands beisteuern kann. Zugespitzt wird diese Auffassung schließlich bei Zielinski, der den Erfolg schlicht für Unrechts-entbehrlich hält.165 und die rechtstheoretische Straftatbeschreibung der Normentheorie in die Form eines inhaltlichen Verbrechensbegriffs gießt. Der Nicht-Erfolg kann ex post kaum das finale Handlungsunrecht beseitigen,166 sodass Unrecht „nichts anderes als ein Willensentschluss“ 167 ist. Das inhaltliche Geschehen der Straftat spielt sich einzig zwischen Täter und Staat ab. Diese Variante einer klassischen, „vertikalen“ Normentheorie klammert den Erfolg aus ihrer Unrechtserklärung aus und bietet damit auch keinerlei Anhaltspunkte, um das Opfer als von einem Erfolg unmittelbar Betroffenen zu berücksichtigen. b) Bereits im Spätfinalismus haben einzelne Vertreter aber neue normentheoretische Wege aufgezeigt. Krümpelmann168 und Paeffgen169 weisen die einseitige Ausrichtung auf den staatlichen Imperativ, der nur das Handlungsunrecht betrifft, zurück und beziehen das Erfolgsunrecht ausdrücklich in die Unrechtsbeschreibung ein. Denn in der konsequenten dogmatischen Umsetzung der Straftat als Handlung wider die staatlich angeordnete Norm gehen elementare Merkmale strafrechtlichen Unrechts verloren: Wenn rechtlich nur die (Nicht-)Vornahme von Handlungen zu verbieten sein soll, weil jeder Erfolgseintritt ein Produkt unvorhersehbarer Zufälle ist,170 übergeht dies, dass Verantwortungszuschreibung
164 Armin Kaufmann, Lebendiges und Totes in Bindings Normentheorie, 1954, 71; vgl. auch Armin Kaufmann, ZStW 80 (1968), 34, 51; Armin Kaufmann, in: FS Welzel, 1974, 393, 403. Dazu S. Ast, in: Strafrecht und Gesellschaft, 2019, 195, 208 f. 165 Im Ergebnis zustimmend mit je unterschiedlichen Prämissen G. Dornseifer, in: GS Armin Kaufmann, 1989, 427, 435 ff.; G. Freund, MK-StGB4, vor § 13, Rn. 327; E. Horn, Konkrete Gefährdungsdelikte, 1973, 78 ff.; A. Hoyer, Strafrechtsdogmatik nach Armin Kaufmann, 1997, 190, 230 u. ö.; K. Lüderssen, ZStW 85 (1973), 288, 291 f.; M. A. Sancinetti, Subjektive Unrechtsbegründung und Rücktritt vom Versuch, 1995, 286 u. ö.; M. A. Sancinetti, Jahrbuch der Juristischen Zeitgeschichte 12 (2011), 267; M. A. Sancinetti, GA 2016, 411. Differenzierend F. Rostalski, in: FS Sancinetti, 2020, 635, 637. 166 D. Zielinski, Handlungs- und Erfolgsunwert im Unrechtsbegriff, 1973, 129 f.; D. Zielinski, in: FS Schreiber, 2003, 533, 545. Zur Kritik an Zielinski ausführlich H.-U. Paeffgen, Der Verrat in irriger Annahme eines illegalen Geheimnisses (Paragraph 97b StGB) und die allgemeine Irrtumslehre, 1979, 107 ff. 167 M. A. Sancinetti, Subjektive Unrechtsbegründung und Rücktritt vom Versuch, 1995, 18. 168 J. Krümpelmann, Die Bagatelldelikte, 1966, 82 ff. 169 H.-U. Paeffgen, Der Verrat in irriger Annahme eines illegalen Geheimnisses (Paragraph 97b StGB) und die allgemeine Irrtumslehre, 1979, 117 ff. 170 So D. Zielinski, Handlungs- und Erfolgsunwert im Unrechtsbegriff, 1973, 124, 142 u. ö.
C. Vorüberlegung: Begründungswege der Opfereinbeziehung
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(schon auf ethischer Ebene171) für menschliches Verhalten im Glied einer Kausalkette immer von empirischen Kontingenzen abhängt.172 Einen vollends durch den Täter kontrollierbaren Bereich der äußeren Unrechtsverwirklichung gibt es schlichtweg nicht. Für die hiesige Position noch gewichtiger ist aber der folgende Einwand: Den erfolgten Verhaltensnormenverstoß schon als vollständiges und nicht mehr steigerungsfähiges Unrecht zu werten, begreift die Straftat als ein rein vertikales Geschehen zwischen Bürger und Staat. Das lässt sich als formalrechtstheoretische Beschreibung noch halten, ist aber als materielles Erklärungsschema Einwänden ausgesetzt. Denn modernes, bürgerliches Recht setzt seine Normen nicht als selbstzweckhaft zu erfüllende Imperative, sondern begreift sich als ein normativ unterteilendes Netz aus personalen Freiheitssphären.173 Recht ist ein „Regelungsinstrument, das Freiheit verteilt“.174 Damit scheint es aber gesellschaftlich175 nicht unerheblich, ob das Täterverhalten zu einem Erfolg führt; bürgerliches Straf-Recht schützt in Relationalität wirklich werdende Normen.176 Es 171 Das Problem des „Glücks“ oder „Unglücks“, wenn riskantes Verhalten ohne Folgen bleibt oder eben doch zu einem Erfolg führt („moral luck“), ist als Zurechnungsproblem epochenübergreifend und universell, oder ganz nüchtern formuliert: „[D]er Gedanke ist uralt“ (so C.-F. Stuckenberg, Vorstudien zu Vorsatz und Irrtum im Völkerstrafrecht, 2007, 241 Fn. 1282: mit zugehörigen Nachweisen). Im englischsprachigen Raum firmiert die Debatte unter „Moral Luck“, dazu etwa J. Andre, Analysis 43 (1983), 202; T. Grosse-Wilde, Erfolgszurechnung in der Strafzumessung, 2017, 119 ff.; M. S. Moore, Placing Blame, 1997/2010, 210 ff.; A. Walen, Law and Philosophy 29 (2010), 373, 379 ff.; T. Zürcher, Legitimation von Strafe, 2014, 117 ff. 172 Dieses Argument kann heute als gesicherter und schlagender Einwand gegen den extremen Finalismus gelten (Die entgegengesetzte Stellungnahme von W. Degener, ZStW 103 (1991), 357, 369 Fn. 45 geht über eine Behauptung nicht hinaus). Klassisch hat H.-U. Paeffgen, Der Verrat in irriger Annahme eines illegalen Geheimnisses (Paragraph 97b StGB) und die allgemeine Irrtumslehre, 1979, 114 f. darauf hingewiesen, dass der „Zufall“ bei der strafbaren Unternehmung des Täters nicht erst beginnt, wo die Kugel das Opfer verfehlt (ebenso H.-U. Paeffgen, NK-StGB4, vor §§ 32 ff., Rn. 52 ( H.-U. Paeffgen/B. Zabel, NK-StGB5, vor §§ 32 ff., Rn. 52)). Das Opfer könnte auch eine kugelsichere Weste tragen oder der Täter einen Muskelkrampf erleiden. Ein insoweit kompromissloser Finalismus muss also in ein Gedankenstrafrecht münden, wenn er seine eigenen Prämissen ernst nimmt (T. Grosse-Wilde, Erfolgszurechnung in der Strafzumessung, 2017, 132 mit Fn. 78). Siehe weiter B. Burghardt, Zufall und Kontrolle, 2019, 423; G. Jakobs, Studien zum fahrlässigen Erfolgsdelikt, 1972, 124 f.; G. Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, 1991, 6/72 ff.; B. Schünemann, JA 1975, 511, 512; B. Schünemann, in: FS Schaffstein, 1975, 159, 162 ff.; G. Stratenwerth, in: FS Schaffstein, 1975, 177, 183 ff.; G. Timpe, Strafmilderungen des allgemeinen Teils des StGB und das Doppelverwertungsverbot, 1983, 97 f.; R. Zaczyk, GA 2014, 73, 78. 173 Dazu im ersten Teil S. 52 ff. 174 H.-U. Paeffgen, in: GS Armin Kaufmann, 1989, 399, 415. 175 G. Jakobs, in: FS Sancinetti, 2020, 485, 486 f. Fn. 5. Siehe schon G. Jakobs, in: GS Armin Kaufmann, 1989, 271, 277, 287 f. Vgl. auch (mit stark empirielastiger Grundlage) T. Horter, Die fakultative Strafmilderung beim Versuch nach Paragraph 23 II StGB, 2020, 128. 176 Besonders deutlich H.-U. Paeffgen, in: GS Armin Kaufmann, 1989, 399, 413 ff. Vgl. auch U. Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, 1989, 150; H.-U. Paeffgen, Der Verrat in irriger Annahme eines illegalen Geheimnisses (Paragraph 97b StGB) und die all-
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lässt sich also keine genuin strafrechtliche Normenordnung ausmachen, sondern zivilrechtliche Wertungen laufen hier gleich.177 Plastisch vereinfachend: Wer alleine auf einer einsamen Insel lebt, benötigt keine Verhaltensnormen. Ein Grund, Freiheitsräume abzugrenzen178 und dadurch rechtliche Verhaltenserwartungen abzusichern, ergibt sich erst in Gesellschaft. Dann kann die formale Konstruktion dieser Erwartungen (eben die Normentheorie) aber den Grund der Erwartungen nicht übergehen.179 Damit lässt sich nach dem heutigen Verständnis der Erfolg, und bei Delikten gegen die Person auch das Opfer als Person, in das analytische Schema der Normentheorie einbeziehen.180 2. Strafbarkeitsstufen Die normentheoretische Funktion eines opferorientierten Qualifikationstatbestandes muss sich zunächst an einem offensichtlichen Einwand messen lassen: Bereits der Grundtatbestand umfasst sämtliche strafbewehrten Verhaltensweisen. Worin liegt also das Proprium des (opferorientierten) Qualifikationstatbestandes? Erstens könnte er den staatlichen Rechtsstab ermächtigen, einen Verstoß gegen die gleiche Verhaltensnorm in einem speziellen Fall ihrer Erfüllung anders zu sanktionieren. Oder aber zweitens könnte der Qualifikationstatbestand eine ganz andere Verhaltensnorm mit Strafe bewehren. Näher zu klären ist also, welcher Mehrwert einer zusätzlichen Sanktionsnorm zukommt, die einen verengten Radius an Verhaltensweisen betrifft und dabei nach der Qualität des Tatopfers untergemeine Irrtumslehre, 1979, 121. Daraus erschließt sich noch ein weiteres Argument: Zu den Merkmalen bürgerlichen Rechts zählt ebenfalls, dass die Innerlichkeit per se noch keine Rechtsfolge nach sich ziehen darf, G. Jakobs, System der strafrechtlichen Zurechnung, 2012, 69 f. Stärker als hier zwischen Straf- und Zivilrecht differenzierend aber G. Jakobs, in: FS Samson, 2010, 43, 50. 177 J. Krümpelmann, Die Bagatelldelikte, 1966, 87. Zu ergänzen ist, dass es nach hiesigem Verständnis nicht um ein ästhetisches (und somit nachrangiges) Interesse an einer „Einheit der Rechtsordnung“ geht. Sondern eine Sanktionierung durch das Strafrecht, die der Gesamtrechtsordnung zuwiderläuft, wäre schlicht dysfunktional. Siehe auch in diesem Zusammenhang gegen einen Sonderweg des Strafrechts W. Frisch, in: FS Sancinetti, 2020, 347, 359. Zu Zweckmäßigkeitsaspekten einer Einheit der Rechtsordnung M. Baldus, Die Einheit der Rechtsordnung, 1995, 94 ff., 102 ff. 178 Wie hier B. Müssig, ZStW 115 (2003), 224, 232: „Strafrechtliche Zurechnung beschränkt sich so nicht auf die Feststellung eines individuellen Verhältnisses des Täters zur Norm – im Sinne von Gehorsam gegenüber einem Imperativ, von dem Rechtfertigungsgründe ausnahmsweise suspendieren; strafrechtliche Zurechnung in diesem Sinne ist vielmehr kommunikativ vermittelte Handlungsdeutung vor den Koordinaten allgemein garantierter Verantwortungssphären. Kurz: Strafrechtliche Zurechnung kennzeichnet, was als Rechtsverletzung in wessen Verantwortung fällt.“ 179 Vgl. B. Müssig, Schutz abstrakter Rechtsgüter und abstrakter Rechtsgüterschutz, 1994, 38 ff. 180 U. Neumann, in: FS Sancinetti, 2020, 119, 128 erkennt gerade in der Unfähigkeit, das Opfer einzubinden, eine der wesentlichen Schwächen einer „monistischen“ normentheoretischen Unrechtsbeschreibung.
C. Vorüberlegung: Begründungswege der Opfereinbeziehung
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scheidet.181 Wenn beispielsweise § 185 StGB die Beleidigung bestraft, ist die allgemeine Verhaltensnorm (etwa: „du sollst keinen anderen beleidigen“) damit bereits strafrechtlich gewürdigt. Der darauf aufbauende – in welcher Form er darauf aufbaut, ist nun zu klären – § 188 StGB muss also einen besonderen Verstoß umfassen. a) Denkbar wäre, in der Anordnung der Härterbestrafung eine rechtliche Reaktion auf einen besonders intensiven Verhaltensnormverstoß zu sehen. Indem der Täter ein herausgehoben schützenswertes Rechtsgut beschädigt, steigert er das erzeugte Unrecht.182 Die Sanktionsnorm lässt sodann auf gesteigertes Unrecht einen gesteigerten Strafrahmen folgen. Der „Strafgesetzgeber (. . .) fixirt die Stufen der Strafbarkeit, worauf die Verbrechen stehen“.183 Diese Differenzierung ist nur durchführbar, wenn Verhaltens- und Sanktionsnormen sich voneinander losgelöst formulieren lassen. Ansonsten wäre für jede Qualifikationsnorm eine abweichende, nicht nur Unrechts-quantitativ verschiedene Verhaltensnorm zu bestimmen. Den §§ 185, 188 Abs. 1 StGB liegt nach dieser Herleitung also gleichermaßen die genannte Verhaltensnorm „du sollst keinen anderen beleidigen“ zugrunde. Die positiven Gesetzesvorschriften lassen sich dann nur als staatliche Ermächtigungsgrundlagen begreifen. Diese Deutung hat zum Preis, den Fundus der rechtlichen Verhaltensnormen erheblich zu reduzieren. Denn es ist nicht nur die Qualifikation bereits vollständig im Grundtatbestand umfasst; der vollzogene Abstraktionsvorgang lässt sich auf das Verhältnis vieler Verhaltensnormen übertragen:184 Das Tötungsverbot ist bereits vollständig im Körperverletzungsverbot enthalten,185 jede räuberische Erpressung ist zugleich eine Nötigung und jedes Vorsatzdelikt beinhaltet ein vollständiges Fahrlässigkeitsdelikt.186 Sämtlichen dieser spezielleren Tatbestände liegt also keine losgelöste und insoweit selbstständige Verhaltensnorm zugrunde. Stattdessen benennen die Normen des Besonderen Teils nur unterschiedliche Quantitäten des qualitativ immer gleichen Verstoßes. An den §§ 223, 226 Abs. 1 Nr. 1 StGB exemplifiziert: „Die Norm ,Es ist verboten, einem anderen das Sehvermögen zu nehmen!‘ hat sub specie des Verbotenen keinen eigenständigen Sinn gegenüber ,Es ist verboten, einen anderen an der Gesundheit zu schädigen!‘“ 187 Damit schrumpft das unverrückbare Substrat an strafrechtlichen Verhaltensnormen erheblich zusammen. Die Delikte gegen die 181 Ausführlich zur normentheoretischen Einordnung von Qualifikationsvorschriften T. Grosse-Wilde, RphZ 4 (2018), 137. 182 Zur Steigerungsmöglichkeit des Unrechts I. Puppe, NK-StGB5, vor §§ 13 ff., Rn. 19. Dass eine materielle Differenzierung anhand des Tatopfers möglich ist, sei hier einmal arguendo unterstellt, dazu im Weiteren. 183 K. Binding, Die Normen und ihre Übertretung I, 1922/1965, 194. 184 T. Grosse-Wilde, RphZ 4 (2018), 137, 139. 185 Anders K. Binding, Handbuch des Strafrechts, 1885, 358. 186 G. Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, 1991, 9/4; I. Puppe, NK-StGB5, § 15, Rn. 5; anders U. Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, 1989, 93. 187 T. Grosse-Wilde, RphZ 4 (2018), 137, 146.
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Person im Besonderen Teil des Strafrechts lassen sich auf ein klassisches „neminem laede!“ als einzige „unstreichbare“ Verhaltensnorm reduzieren. Mit Binding: „Es führen also nicht selten Strafgesetze in grösserer Zahl auf dieselbe Norm zurück. (. . .) und von allen Unsicherheiten in der Ableitung der Normen aus den Strafgesetzen ist diese die störendste.“ 188
Sämtliche Deliktsabstufungen und Unrechtsvertypungen betreffen dann unmittelbar nur die sanktionsbefugten Institutionen. b) Radikalisiert man diese Unterteilung und löst die Verhaltensnorm vollständig von einer gesetzlichen Strafbarkeitsfixierung ab, lässt sie sich auch nicht länger durch das Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG) greifen.189 Das bedeutet gleichzeitig eine Fundamentalisierung des Gebots zur persönlichen Verhaltensnormbildung. Denn nur wenige Gesetzesapparate verfügen über eine klare Aufteilung nach positivierten Verhaltensnormen und darauf bezugnehmenden Sanktionsnormen; beliebt ist diese Methodik nur im Nebenstrafrecht.190 Jede Sanktionsnorm ist dann Blankettnorm.191 Während Binding es – zumindest grundsätzlich – noch für möglich hält, Verhaltensnormen anhand der Sanktionsnormen zu ermitteln,192 besteht diese Option bei einer gänzlich zugespitzten Separierung der Normenkategorien nicht länger.193 Insoweit zumindest folgerichtige Vorschläge der Gegenwart lauten aus diesem Grund, die Verhaltensnormenordnung aus einer Vernunftleistung der Rechtsteilnehmer zu schließen.194 Zur Bestim188
K. Binding, Die Normen und ihre Übertretung I, 1922/1965, 50. Konsequent: F. Rostalski, RphZ 4 (2018), 157, 160 ff.; F. Rostalski, Der Tatbegriff im Strafrecht, 2019, 89. 190 Vgl. dazu G. Freund, MK-StGB3, vor § 95 AMG, Rn. 3. 191 G. Freund, MK-StGB3, vor § 95 AMG, Rn. 61. 192 K. Binding, Die Normen und ihre Übertretung I, 1922/1965, 45: „Dieses Gebot [FL: Die Verhaltensnorm] finden wir im Wesentlichen durch Umwandlung des ersten Teils unsrer Strafrechtssätze in einen Befehl: nicht zu handeln, wie es darselbst bezeichnet, oder zu handeln, wie es dort gefordert ist.“ Dazu Armin Kaufmann, Lebendiges und Totes in Bindings Normentheorie, 1954, 4 f. Siehe auch U. Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, 1989, 132. 193 Dieser Vorgang reibt sich offensichtlich mit der Angabe, aus Qualifikationsnormen (also: bestimmten Sanktionsnormen) keine besonderen Verhaltensnormen ableiten zu können (vgl. erneut K. Binding, Die Normen und ihre Übertretung I, 1922/1965, 194 f.). Es könnte sich damit als verfehlt erweisen, Bindings Werk die denkbar strengste Trennung der Normenkategorien zuzuschreiben. A. Funke, in: „Eine gewaltige Erscheinung des positiven Rechts“, 2020, 11, 28 f. betont in Auseinandersetzung mit Binding, „daß es nicht immer angezeigt ist, rein strukturtheoretisch zu argumentieren, d. h. davon auszugehen, daß die Frage des Status der Normen für das gesamte Recht einheitlich beantwortet werden muß. Es ist vielleicht auch vorstellbar, manche Normen in der Tat aus dem Strafgesetz abzuleiten, andere aber nicht.“ Bindings Normentheorie lässt also einiges offen. E. von Beling, Die Lehre vom Verbrechen, 1906, 118 spricht (mit Gegenrede) vom „Sprung ins Dunkle“. – Eher kritisch insoweit auch G. Jakobs, in: „Eine gewaltige Erscheinung des positiven Rechts“, 2020, 93, 108. 194 F. Rostalski, RphZ 4 (2018), 157, 162; F. Rostalski, Der Tatbegriff im Strafrecht, 2019, 25, 32, 47 ff. in enger Verknüpfung mit einer Gesellschaftsvertragstheorie, ebd., 189
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mung der konkreten195 sorgfaltspflichtbegründenden Norm beim Fahrlässigkeitsdelikt ist eine individualorientierte Vorgehensweise durchaus verbreitet.196 Möchte man aber die gesamte Matrix der Verhaltensnormen als einen innerer Einsicht zugänglichen Vermittlungsgegenstand ausweisen197, sind erhebliche metaphysische Vorschüsse einzubringen: Jeder Einzelne führt dann qua Mensch-Sein die Einsicht in ein soziales Ordnungsgeflecht inhärent mit sich.198 Damit verlangt eine gesellschaftsvertragliche Begründung sowohl den Gesellschaftsvertragschließenden als auch dem positiven Recht199 einiges ab, soll das Zusammentreffen von objektiver Rechtsordnung und (vor-institutioneller) subjektiver Vernunft mehr als ein glücklicher Zufall sein.200 Weil die (gewaltsam durchsetzbare) Verbindlichkeit staatlicher Regeln ein empirisch nachweisbares Faktum, deren Ableitung aus der Vernunft des „mündigen Bürgers“ hingegen eine Ideologie201 ist, muss die Aneinanderreihung rein normativer Präsuppositionen immer weiter fortgesetzt werden, um das eigene Theoriegebäude halten zu können: So soll es der Bürgerfreiheit entspringen, nicht nach staatlichen Befehlen, sondern nur nach eigens qua Vernunft gesetzten Verhaltensnormen zu handeln. Statt einer äußeren Anordnung trifft den Einzelnen also eine höchstpersönliche Normbildungspflicht, die zwar jeweils kontextbezogen zu konkretisieren sein soll, von der man aber schon ex ante weiß, dass sie dem Vernunftbegabten hinreichende Gründe zur
18. Scharf gegen die Vereinnahmung Bindings in diesem Modell U. Kindhäuser, in: Normentheorie, 2022, 27, 32 ff. 195 Zur Normkonkretisierung G. Jakobs, Studien zum fahrlässigen Erfolgsdelikt, 1972, 74. 196 G. Duttge, MK-StGB4, § 15, Rn. 95 ff.; G. Freund, GA 2014, 137, 140; F. Rostalski, GA 2016, 73, 77. 197 Differenzierend hingegen G. Jakobs, Norm, Person, Gesellschaft, 2008, 94 f.: Norm als grundsätzlich gesellschaftliche Vorgabe, die aber in der konkreten Situation durch die Person innerlich zu konkretisieren ist. 198 Dieser Sichtweise steht BGH, 18.3.1952 – GSSt 2/51 = BGHSt 2, 194, 201 freilich recht nahe: „Der Mensch ist, weil er auf freie, sittliche Selbstbestimmung angelegt ist, auch jederzeit in die verantwortliche Entscheidung gerufen, sich als Teilhaber der Rechtsgemeinschaft rechtmäßig zu verhalten und das Unrecht zu vermeiden. Dieser Pflicht genügt er nicht, wenn er nur das nicht tut, was ihm als Unrecht klar vor Augen steht. Vielmehr hat er bei allem, was er zu tun im Begriff steht, sich bewußt zu machen, ob es mit den Sätzen des rechtlichen Sollens in Einklang steht. Zweifel hat er durch Nachdenken oder Erkundigung zu beseitigen. Hierzu bedarf es der Anspannung des Gewissens (. . .).“ 199 Sind etwa strafbewehrte Verhaltensnormen des Rindfleischetikettierungsgesetzes Ausfluss praktischer Vernunft? Und angenommen, sie sind es nicht, was wäre die Folgerung: Wäre der Gesellschaftsvertrag nachzubessern? Oder handelt es sich um „Unrecht“, das nicht zu befolgen ist? 200 Kritisch U. Kindhäuser, ZStW 107 (1995), 701, 706: „Praktisch kommt dies einer völligen Überforderung des Normadressaten gleich (. . .).“; siehe auch R. D. Herzberg, GA 2016, 737, 746 ff.; B. Kreuzberg, Täterschaft und Teilnahme als Handlungsunrechtstypen, 2019, 242. 201 Ausführlich S. 66 ff.
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Befolgung liefern wird.202 Das ist kaum verwunderlich, sind Inhaber des Normbefehls, Normadressat und Vernunftwächter doch in diesem Modell die ein und selbe Person. Die noch zu bildende Verhaltensnorm wird also bei der Begründung der Pflicht zu ihrer eigenen Bildung bereits vorausgesetzt (wie sonst ließe sich über ihre Qualität urteilen?). Das ist ein glatter Zirkelschluss,203 der freilich typisches Merkmal bei Argumentation anhand der Motive „Gesellschaftsvertrag“ 204 und „Naturzustand“ 205 ist. Im Übrigen legt der Staat des Grundgesetzes sehr wohl rechtliche Verhaltensvorschriften autoritativ fest; allein die fundamentale Beteiligung der Bürger an deren Erstellung ist garantiert (Art. 20 Abs. 2 GG wäre überflüssig, wenn gar keine Herrschaft ausgeübt würde; Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG bräuchte es nicht, wenn die „Vernunft“ von Wählern und Abgeordneten in permanentem Gleichlauf stünde).206 Denkbar wäre freilich eine genuin idealistische Theorie, die dem positiven Recht einen unbefangenen Gegenentwurf präsentiert.207 Als analytisches Instrument zur Untersuchung einer positiven Rechtsordnung büßt die Normentheorie damit ihre Funktionstüchtigkeit ein.208 „Unvernünftigen“ Sanktionsnormen stünde dann schlicht gar keine, nicht einmal eine fehlerhafte oder eine verfassungswidrige Verhaltensnorm gegenüber, da sich kein Vernunftwesen diese Norm je erdenken könnte.209 Der Weg einer erfahrungsfreien Fundamentalableitung aller Verhaltensnormen zieht damit lange Folgefragen nach sich. 3. Qualifikationsnormen als Schadensbegrenzungsmaßnahmen? Wie steht es nun aber um den zweiten denkbaren Ansatz: die Formulierung einer der Sanktionsnorm zugehörigen und dem Grundtatbestand gegenüber eigenständigen Verhaltensnorm? Eigenständig ist eine Qualifikations-Verhaltensnorm nur dort, wo sie inhaltlich von einer Erfüllung des Grundtatbestands ausgeht. Ansonsten wäre sie ein schlichter Spezialfall ohne losgelöste Bedeutung. Eine solche Norm muss also notwendig dort ansetzen, wo ein rechtswidriger Zustand längst besteht. Weiterhin einmal arguendo unterstellt, dass sich die Opferqualität als materieller Strafschärfungsgrund ausweisen lässt, lautete eine solche Norm also etwa: „Wenn du durch einen Diebstahl eine Sache erlangen willst, dann nutze dabei nicht die hilflose Lage einer anderen Person aus!“ (vgl. § 243 202
Ausdrücklich G. Freund/F. Rostalski, GA 2022, 543, 550 f. U. Kindhäuser, GA 2022, 563, 573. 204 Deutlich wird an dieser Stelle die totale Konfundierung von Staat und Gesellschaft im Gesellschaftsvertragsmodell. Dazu kritisch schon im ersten Teil bei Fn. 370. 205 Siehe im ersten Teil bei Fn. 548. 206 J. Renzikowski, GA 2022, 575, 579 f. Näher im ersten Teil S. 38 ff. 207 So dann wohl auch G. Freund/F. Rostalski, GA 2022, 582, 586. 208 U. Kindhäuser, GA 2022, 563, 563. 209 So dann auch F. Rostalski, RphZ 4 (2018), 157, 168 f. 203
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Abs. 1 Nr. 6 StGB210). Dieser Gedanke ist nur streng utilitaristisch verständlich. Er ließe sich dann durchaus begründen, weil mit der Unfähigkeit des Opfers zur Verteidigung der eigenen Rechtsgüter die erwartbare Schadenshöhe ansteigt. Mittels Strafschärfung soll dann die Täterkalkulation beeinflusst werden, indem sie der bei einem hilflosen Opfer gesteigerten Erfolgserwartung ein gesteigertes Übel beim Scheitern der Tat in Aussicht stellt. Die Problematik solcher Befehle drängt sich schnell auf; sie implizieren eine Tatbestandsverwirklichung, nämlich die des Grundtatbestandes. Es handelt sich dabei um sogenannte sekundäre oder bedingte Verhaltensnormen.211 Diesen Gedanken liegt eine genuin konsequentialistische, genauer: utilitaristische, Methodik zugrunde, also – grob gezeichnet – eine rechtliche Zweckreduzierung auf Glücksschaffung und Schmerzvermeidung.212 Die Rechtswidrigkeit von Handlungen bemisst sich dann ausschließlich nach ihren Auswirkungen213 und der Zweck der Strafgesetzgebung liegt folglich in der Prävention.214 Das führt zu folgender Pointe: „But if a man must needs [sic] commit an offense of some kind or other, the next object is to induce him to commit an offense less mischievous, rather than one more mischievous: in other words, to choose always the least mischievous, of two offenses that will either of them suit his purpose. (. . .) Where two offences come in competition, the punishment for the greater offence must be sufficient to induce a man to prefer the less.“ 215
Die schärfere Sanktionsnorm der Qualifikation soll also den potentiellen Täter dazu anhalten, sich mit einer Verwirklichung des Grundtatbestandes zu begnügen.216 Utilitaristisch ergibt das einen klaren Sinn: Schon diese Schadenreduzierung legitimiert die Strafrahmenverschärfung. Dem Begründungsweg ist treffend entgegengehalten worden, dass er sich in einen normlogischen Widerspruch be210 Regelbeispiele sind wie Qualifikationen Strafzumessungsregeln, bei der Unterscheidung handelt es sich um eine „formale Frage der Gesetzestechnik“, U. Kindhäuser, NK-StGB5, § 243, Rn. 3 mit Fn. 10. 211 Siehe wiederum zum Folgenden ausführlich T. Grosse-Wilde, RphZ 4 (2018), 137. 212 Paradigmatisch J. Bentham, An Introduction to the Principes of Morals and Legislation, Works I, 1962, 1, 1: „Nature has placed mankind under the governance of two sovereign masters, pain and pleasure.“ 213 J. Bentham, An Introduction to the Principes of Morals and Legislation, Works I, 1962, 1, 69: „The tendency of an act is mischievous when the consequences of it are mischievous (. . .).“ 214 J. Bentham, An Introduction to the Principes of Morals and Legislation, Works I, 1962, 1, 86: „(. . .) the general object of all laws ist to prevent mischief.“ 215 J. Bentham, An Introduction to the Principes of Morals and Legislation, Works I, 1962, 1, 86, 88. 216 Vgl. J. Renzikowski, in: FS Neumann, 2017, 335, 343. Heute noch ganz ähnlich vertreten bei J. Deigh, Criminal Justice Ethics 33 (2014), 185, 191; dazu T. GrosseWilde, Erfolgszurechnung in der Strafzumessung, 2017, 66 f.
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gibt.217 Dieser Widerspruch gründet in dem Zusammentreffen von rechtswidrigem Vorverhalten als Normvoraussetzung und darauf aufbauendem Soll-Verhalten. Denn Soll-Verhalten kann nur ein rechtmäßiges Verhalten sein, sonst wäre die Rechtsordnung ja eine Rechtswidrigkeitsordnung. Rechtmäßig wird ein Verhalten aber nicht, indem es auf weitere Schädigungen verzichtet. Noch einmal zu dem Beispiel: Wer einen Diebstahl begeht, handelt rechtswidrig, auch wenn er dabei bewusst keine hilflose Person bestiehlt.218 In einer deontischen Logik219 lässt sich diese Kollision von Rechtswidrigkeit und Rechtmäßigkeit nicht fusionieren. „Was verboten ist, ist unter keinen Bedingungen erlaubt.“ 220 Alles andere ist als Soll-Satz nicht begründbar.221 Wäre es deontisch geboten, bei einem Diebstahl auf die Auswahl eines hilflosen Opfers zu verzichten, hieße das gleichzeitig, den Diebstahl im Sinne des Grundtatbestandes in einem ersten BegründungsSchritt für erlaubt zu erklären. Möglich ist die Erklärung also nur, soweit sie auf einen normativ gesetzten Tatbestand vollständig verzichtet und dem Gesetz ein reines Schadensverringerungskalkül anhängt.222 Das ist eine spannende und weiterführende Position – es ist aber nicht aber die Position einer bürgerlichen Rechtsordnung, die ihr legitimatorisches Paradigma aus der pauschalen Ermächtigung des freien Willens223 ihrer Rechtsteilnehmer speist. Subjektive Rechte lassen sich zwar nur durch Miteinbeziehung der Betätigung des Willens auf etwas in ihrer praktischen Funktion erklären.224 Sie stehen aber grundsätzlich nicht unter dem Vorbehalt einer interessengerechten, sittlichen oder tugendhaften Nutzung.225 Entsprechend gibt es schlicht keinen strengen „caveat der Folgenberücksichtigung“, wie Bentham ihn begründen wollte226. 217
T. Grosse-Wilde, RphZ 4 (2018), 137, 144 ff. Etwa: auf einem Volksfest verzichtet der „Taschendieb“ T darauf, dem schwer betrunken am Boden liegenden A dessen Geldbörse aus der Tasche zu ziehen und widmet sich stattdessen der Wegnahme des Mobiltelefons des B. 219 Eingängig K. F. Röhl, JA 1999, 600, 602; ausführlich R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, 182 ff. Bentham gilt gleichsam als Vordenker einer Kollisionsordnung gesetzgeberischer Imperative, versteht aber die Normenlogik als eine psychologisierende „logic oft the will“ (J. Bentham, Principles of Penal Law, Works I, 1962, 365, 538), es geht Bentham also nicht um kategorisches Sollen, sondern um eine Handlungsentscheidungs-Beeinflussung der Normadressaten. 220 I. Puppe, Kleine Schule des juristischen Denkens, 2019, 256. Siehe auch O. Weinberger, in: Argumentation und Hermeneutik in der Jurisprudenz, 1979, 301, 316 f. 221 H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 1960, 21 mit Fn. *. 222 Das wäre wohl auch die Lösung Benthams, vgl. T. Grosse-Wilde, RphZ 4 (2018), 137, 143. 223 Vgl. hier nur G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986, § 34. 224 C. Menke, Kritik der Rechte, 2015, 60 ff. 225 Das belegt besonders eindrücklich der Fall des strafrechtlich relevanten „Containerns“, BVerfG-K, 5.8.2020 – 2 BvR 1985/19, 2 BvR 1986/19 = NJW 2020, 2953. 226 Zitat bei T. Grosse-Wilde, RphZ 4 (2018), 137, 143; vgl. auch L. Greco, Strafprozesstheorie und materielle Rechtskraft, 2015, 216. 218
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Ebenso kategorisch wie das subjektive Recht gilt auch die Straf-Reaktion auf seine Negation227: Der Rechtsstandpunkt kann insoweit nicht differenzieren, sondern verlangt von den Personen nicht weniger, als jede Rechtsverletzung zu unterlassen.228 4. Das Opfer im Qualifikationstatbestand: Symbolischer Überschuss Das Ergebnis der Überlegungen ist bis hierhin unbefriedigend: Qualifikationsnormen lassen sich nicht als Pendant zu sekundären Verhaltensnormen begreifen (ohne auf jedes „Sollen“ zu verzichten); möchte man sie stattdessen gemäß dem ersten Vorschlag fundamental von der Verhaltensnormenordnung separieren, verliert das gesetzespositive Recht seine Orientierungsfunktion für die Rechtsteilnehmer.229 Über eine schlichte Trennung der Verhaltens- und Sanktionsnormen hinaus wird man auf weiter differenzierende Kategorien zurückgreifen müssen. Dabei gilt es, unter anderem die Figur rechtlich anerkannter Handlungsgründe230 miteinzubeziehen. 231 Zu viele (als Normen des StGB formulierte) Rechtsinstitute lassen sich sonst nicht fassen, beispielsweise der Rücktritt vom Versuch nach § 24 StGB232 oder der Rechtfertigungstatbestand des § 32 StGB.233 Für die hier in Frage stehenden „opferorientierten“ Qualifikationsnormen sind derlei Handlungsgründe aber nicht weiterführend. Das Ergebnis lautet insoweit: Sekundäre Verhaltensnormen vertragen sich nicht mit dem idealisierten Sollen des Rechts; Strafschärfungsregeln betreffen also nur eine quantitative Verschiebung des Unrechts.234 Ein Qualifikationstatbestand ist eine gesetzlich fixierte Strafzumessungsregel.235 Der Normadressat wird 227 Vgl. auch T. Hörnle, in: Empirische und dogmatische Fundamente, kriminalpolitischer Impetus, 2005, 105, 113: „Soweit es um Strafverbote geht, sind die Intentionen des Gesetzgebers (. . .) nicht auf Kompromisse und Interessenausgleich gerichtet, sondern auf eine konsequente Unterbindung sozialschädlichen Tuns. (. . .) Das normative Ziel ist (. . .) eindeutig: Das Verhalten wird nicht, auch nicht in Maßen, geduldet.“ 228 T. Grosse-Wilde, RphZ 4 (2018), 137, 145 f. 229 „Appellfunktion“ der Tatbestände, vgl. dazu in verschiedenen Zusammenhängen J. Brammsen, JZ 44 (1989), 71, 78 f.; G. Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, 1991, 11/ 47 (differenzierend); U. Kindhäuser/M. Böse, Strafrecht Besonderer Teil II, 2021, § 18 Rn. 8; T. Rönnau, JuS 2021, 499, 501; B. Vogel, ZStW 128 (2016), 139, 142. 230 Grundlegend J. Raz, Practical Reason and Norms, 1975/2002. Siehe auch J. Gardner, Offences and Defences, 2007, 91 ff.; N. MacCormick, Institutions of Law, 2008, 26 ff. 231 Vgl. T. Grosse-Wilde, RphZ 4 (2018), 137, 146 ff.; J. Renzikowski, in: FS Neumann, 2017, 335. 232 J. Renzikowski, in: FS Neumann, 2017, 335, 344. Zu denken ist hier auch an Fälle der tätigen Reue, etwa § 142 Abs. 5 StGB. Ausführlich zu den Begründungsschwierigkeiten beim Rücktritt vom Versuch H.-U. Paeffgen, in: FS Puppe, 2011, 791. 233 Dazu T. Grosse-Wilde, ZIS 2011, 83. 234 So im Ergebnis auch U. Kindhäuser, in: FS Merkel, 2020, 351, 361. 235 G. Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, 1991, 6/99: „Wie also z. B. das Gesetz in § 242 StGB nicht zwischen dem Diebstahl einer kleinen Summe und dem einer großen
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aber nicht nur durch einige (nach dieser Deutung: recht wenige) Verhaltensnormen angesprochen, sondern ihm werden durch Qualifikations-Sanktionsnormen ausgewählte Verhaltensweisen empfohlen (eben nicht: befohlen).236 Die Rechnung einer empirischen Schadensverringerung greift für die erfolgsqualifizierten Delikte, darüber hinaus aber nicht. Die Qualifikation der Delikte gegen bestimmte Opfergruppen ist empirisch überhaupt nicht erklärbar. Die Schadensverringerung als Zweck ergibt hier kaum einen Sinn.237 Hier geht es um Symbolik, oder, wenn man so will, um Expression: Das Strafrecht betont etwa im Fall des § 188 StGB, dass bei dessen tatbestandlicher Erfüllung immer ein schwerer Fall der Beleidigung vorliegt, der eine härtere Strafe verdient. Auch das ist mit der teils geforderten radikalen Trennung der Normenkategorien unvereinbar; die Sanktionsnorm richtet sich dann nämlich nicht nur nach dem Rechtspflegeapparat. Sanktionsnormen sorgen sich um die Publizität des Rechts, „setzen ein Zeichen“ und verschaffen ihm eine informationelle Durchschlagskraft bis hin an die Grenze der sachlichen Sinnhaftigkeit, insbesondere bei spektakulärer Einzelfallgesetzgebung. Sanktionsnormen sind insoweit auch ein politisches Mittel, das ein Zeugnis über die Handlungsfähigkeit des Gesetzgebers ablegen soll. Man mag das bemängeln – zur Erklärung der positivrechtlichen Funktion der Sanktionsnormen scheint diese Erkenntnis aber unabdingbar. Für die weitere Diskussion hier bedeutet das vor allem, dass man sich keine normentheoretischen „Zauberformeln“ versprechen darf, die materielle Probleme lösen.
II. Der Staat als „Treuhänder“ der Opferinteressen? – Zum „second-person standpoint“ Eine tiefere Erklärung fordert das Verhältnis der opferorientierten Straftheorien zum öffentlichen Strafanspruch. Die Problemhintergründe wurden bereits angerissen: Indem Konflikte institutionell gelöst werden, entziehen sie sich ganz Summe etc. differenziert, trotzdem aber die Differenz zwischen beiden Diebstählen eine Unrechtsdifferenz ist, so ist auch alles das, was der Richter – einem bindenden Beispiel oder einem Regelbeispiel folgend oder frei – als Merkmal eines besonders schweren oder minder schweren Falls zusammenträgt, als mindernd oder erschwerend zurechenbares Material dem Tatbestand zugehörig. Die Merkmale dieses Materials sind von anderen strafbegründenden oder strafändernden Deliktsmerkmalen nicht einmal durch ihre gesetzliche Unbestimmtheit unterschieden; eine solche Unbestimmtheit weisen auch die zu ergänzenden Merkmale der unbestimmt-geschlossenen Tatbestände auf.“ Weiter U. Kindhäuser, in: FS Triffterer, 1996, 123, 126 f.; U. Kindhäuser, NKStGB5, § 243, Rn. 3. 236 J. Raz, Practical Reason and Norms, 1975/2002, 161: „auxilary reason“; dazu J. Renzikowski, in: FS Neumann, 2017, 335, 342: „Hilfsgrund“. – Nachgerade melodramatisch die Kritik bei G. Freund/F. Rostalski, GA 2022, 543, 551: Es handele sich gegenüber der Person um eine „Missachtung ihrer Vernunftbegabung“. 237 § 188 StGB empfiehlt dem Normadressaten nicht, auf eine Beleidigung des Politikers zu verzichten und stattdessen lieber eine Privatperson zu beleidigen.
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bewusst der Individualsphären.238 Wenn also der A dem B ins Gesicht schlägt, filtert das Recht den Konflikt zunächst nach seiner Abstrahierbarkeit, das bedeutet konkret: Verletzt A nur eine beliebige Individualsphäre des B oder ein berechtigtes (be-rechtigtes!) Interesse? Steht fest, dass es sich um eine Rechtsfrage handelt, reagiert das Strafrecht und verhandelt den Konflikt nach seinen Maßstäben. Die Rechtsverletzung findet dann soweit Berücksichtigung, als sie einer Rechtsperson zuerkannt wird. Inwieweit kann also noch von der Einbeziehung der Individualinteressen die Rede sein? Die opferorientierte Straftheorie argumentiert an dieser Stelle teils mit dem erklärenden Begriff eines Treuhänders (Staat), der fremde Interessen (die des Opfers) vertritt und wahrnimmt.239 Damit schwebt die strafrechtliche Bewertung nicht länger über dem Konflikt, sondern tritt in seine Austragung parteiergreifend ein. Gemeint ist ein grundlegender Perspektivenwechsel240: Ein Schuldvorwurf bezieht sich nach dieser Deutung nicht auf das Zuwiderhandeln gegen einen staatlichen Imperativ, sondern einzig auf die Vereinnahmung einer täterfremden Freiheitssphäre.241 Gegen das rein „horizontale“ Verständnis einer Straftat sind hier bereits Argumente vorgetragen worden, namentlich die (allgemein anerkannte) mangelnde Möglichkeit einer nachträglichen Straftatgenehmigung durch das Opfer und grundlegend die institutionelle Fundierung der Rechtsperson.242 Diese Punkte lassen sich im Folgenden näher überprüfen. Der von Hörnle verfolgte Gedanke der Positionsbeziehung bei der Konfliktbewertung zugunsten eines Teilnehmers entstammt der Moralphilosophie („secondperson standpoint“).243 Grob skizziert: Verantwortlichkeitszuschreibung soll voraussetzen, dass der Vorhalt sich aus der Perspektive einer gleichgeordneten Person vornehmen lässt.244 Der Verletzte tritt dann als Repräsentant der „moral 238
Ausführlich K. Günther, in: Strukturwandel der Anerkennung, 2013, 185, 190 ff. T. Hörnle, Kriminalstrafe ohne Schuldvorwurf, 2013, 54; T. Hörnle, Straftheorien, 2017, 41; T. Hörnle, in: FS Neumann, 2017, 593, 602. Vgl. bereits T. Hörnle, Tatproportionale Strafzumessung, 1999, 206. 240 T. Hörnle, Buffalo Criminal Law Review 3 (1999), 175, 179 ff. 241 M. Abraham, Sanktion, Norm, Vertrauen, 2018, 231; T. Hörnle, Kriminalstrafe ohne Schuldvorwurf, 2013, 55; T. Hörnle, in: FS Schünemann, 2014, 93, 104 f. 242 Siehe im ersten Teil S. 78 ff. 243 Siehe S. Darwall, Philosophy and Phenomenological Research 81 (2010), 216; auf Darwall bezieht sich auch T. Hörnle, Kriminalstrafe ohne Schuldvorwurf, 2013, 52. 244 S. Darwall, Philosophy and Phenomenological Research 81 (2010), 216, 219: „Accountability is always to someone; second-personal address is inherent in its nature.“; vgl. auch allgemein (diskurstheoretisch) J. Habermas, Der philosophische Diskurs der Moderne, 1988, 347: „Unter den Blicken der dritten Person, ob nun nach außen oder nach innen gerichtet, gefriert alles zum Gegenstand. Die erste Person, die sich in performativer Einstellung aus dem Blickwinkel der zweiten Person auf sich zurückbeugt, kann indessen ihre geradehin ausgeführten Akte nachvollziehen.“; ferner zur Frage nach der Sicht einer „zweiten“ oder „dritten“ Person in der Sozialphilosophie L. Siep, Anerkennung als Prinzip der praktischen Philosophie, 1979, 76 ff. 239
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community“ 245 auf und die Allgemeinheit macht an seiner statt (eben als „Treuhänder“) eine Verletzung der zwischen-menschlichen und insoweit allgemeinen Normen geltend.246 Es wird also vorausgesetzt, dass zwischen den Einzelnen ein normatives Ordnungsschema besteht, auf dessen Wahrung insistiert werden kann. Die Parallelen zu einer idealistischen Anerkennungslehre247 drängen sich auf – und tatsächlich werden Referenzen zu einer Fichte’schen Anthropologie vorgebracht.248 Überträgt man dieses Verständnis auf das Strafrecht, tritt der Staat also nur als Konfliktlöser auf, der ein vor-staatliches Regelnetz249 der Individuen verteidigt und zugunsten der nach diesen Regeln verletzten Individuen einschreitet. Dabei geht es nach Hörnle aber nicht darum, „die Bewertung zu versubjektivieren und zu individualisieren“: Gerade die Einheitlichkeit der Beurteilung soll gewährleistet sein.250 Trotz der weitläufigen ontologischen Grundannahmen bildet sich dennoch ein analytisches Raster. Über die argumentative Tragfähigkeit des „second-person standpoint“ entscheidet, inwieweit sich die staatliche Rolle eines Treuhänders mit seiner für den Konflikt konstitutiven Funktion vereinbaren lässt. Versteht man die Tat als horizontales und damit staatlich vor-gefundenes Verhältnis, geht damit zwingend ein institutionell losgelöster Begriff des Strafbaren einher. Die rechtliche Verhaltensnorm ergibt sich dann aus dem ontologischen Verhältnis der Individuen zueinander (und Darwall bekennt sich dazu auch offen). Diesem Verständnis im Allgemeinen hat Jakobs entgegengehalten: „(. . .) Anerkennung [kann] nicht allein als wechselbezügliche Leistung zweier (oder mehrerer) Individuen begriffen werden – zwei Schiffe können nicht aneinander ankern –, sondern nur als eine Verbindung von Personen durch eine sie konstituierende Norm – durch einen Ankergrund – (. . .).“ 251
Verbildlicht wird damit die Schwierigkeit, den Ursprung eines rein zwischenindividuellen Rechtsverhältnisses aus dessen Inhalt selbst zu bestimmen. Nur auf den ersten Blick einleuchtend scheint der Weg, den Verhältnis-Grund aus der 245
S. Darwall, Philosophy and Phenomenological Research 81 (2010), 216, 223. S. Darwall, Morality, Authority, and Law, 2013, 176 f. Ganz ähnlich S. E. Marshall/R. A. Duff, Can. J. Law Jurisprud. 11 (1998), 7, 15 f.; G. S. Mendlow, The Yale Law Journal 130 (2021), 1146, 1165 ff. 247 Dazu im ersten Teil S. 55 ff. 248 S. Darwall, Philosophy and Phenomenological Research 81 (2010), 216, 224; S. Darwall, Morality, Authority, and Law, 2013, 108 f.; vgl. zu Fichte den ersten Teil bei Fn. 303. 249 Eher kritisch zu einem Schutz vor-rechtlicher Werte aber T. Hörnle, ZStW 133 (2021), 549, 558. 250 T. Hörnle, Kriminalstrafe ohne Schuldvorwurf, 2013, 53 f. Vgl. schon T. Hörnle, Buffalo Criminal Law Review 3 (1999), 175, 176; T. Hörnle, Tatproportionale Strafzumessung, 1999, 219. 251 G. Jakobs, Norm, Person, Gesellschaft, 2008, 36; dazu K. Seelmann, in: FS Jakobs, 2007, 635. 246
C. Vorüberlegung: Begründungswege der Opfereinbeziehung
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konkreten Verhältnis-Gestaltung herzuleiten – hier also das Argument für Intersubjektivität im intersubjektiven Handeln der Menschen zu suchen. Dieses wechselseitige Hin- und Herschieben der Begründungslast droht, sich in zirkulären Strukturen zu verlaufen. Begründen lässt sich damit nur, was schon „ist“. An dieser Stelle tritt der Begriff des „normativen Individualismus“ erneut auf: Wer diesen Gedanken für rechts-konstitutiv hält, wird auf diesem Weg den Tatkonflikt und die Einbeziehung des Opfers herleiten können; der Gedanke deckt sich insoweit mit den Überlegungen zum „second-person standpoint“.252 Das rechtliche Netz, oder – mit dem Zitat Jakobs’ – der „Ankergrund“, ergibt sich nach dieser Sichtweise aus dem Verhältnis selbst. Entgegnet wurde bereits, dass es sich um „ein geradezu lehrbuchartiges Beispiel für einen naturalistischen Fehlschluss“ 253 handelt, also das „Sollen“ des Individualismus aus dem bloßen „Sein“ der Individuen abgeleitet wird. Wenn man diesen Punkt also erneut unter dem Aspekt der „Treuhänderfunktion“ des Staates konkret macht, verdeutlichen sich diese Grundsatzprobleme. Schon der Begriff einer Straftat lässt sich nicht ohne weiteres als Individualaushandlung bestimmen: Wo ein Konflikt sich als Rechtskonflikt qualifiziert, legt eine institutionelle Ebene fest.254 Es geht nicht darum, wie der Täter einen anderen behandelt, sondern darum, nach welchem allgemeinen Schema er einen anderen behandelt.255 Und erst an diesem Punkt lässt sich von einem Opfer sprechen, für das Partei ergriffen werden könnte.256 Streitet man dies ab, hat man es mit einem außer-rechtlichen Opferbegriff zutun, der die eigene Betroffenheit reklamieren kann, aber spätestens beim Abgleich mit den eigenen Rechtsgarantien auf den Status einer treuherzigen Forderung nach „Gerechtigkeit“ zurückfällt. Eine institutionelle Betrachtung kann nicht ausgeklammert werden, um sich dem individualistischen Programm zu nähern.257 Erkennt man dies an, steht der „secondperson standpoint“ aber vor einem Problem: Aus der Opferperspektive müsste er – soweit er „Bewertungen (. . .) vereinheitlichen“ 258 möchte – Einordnungen voraussetzen, die ihm erst vom Standpunkt einer dritten Person aus deutlich werden.259 Das Beharren auf der horizontalen Perspektive müsste den institutionell vermittelten Standpunkt als ontologische Notwendigkeit einsetzen und könnte 252 Ontologisierend (wie Darwall mit Bezug zu Fichte) und zum normativen Individualismus J. Rath, JZ 61 (2006), 665. 253 D. von der Pfordten, JZ 61 (2006), 667, 668. 254 A. Werkmeister, Straftheorien im Völkerstrafrecht, 2015, 344: „Wie man sich auf Seiten des Täters vor einer Naturzustandsanalogie hüten sollte, so gilt dies auch für die Seite der Opfer.“ 255 Vgl. I. Appel, Verfassung und Strafe, 1998, 448; M. Pawlik, Normbestätigung und Identitätsbalance, 2017, 32. 256 Vgl. K. Seelmann, JZ 44 (1989), 670, 675. 257 B. Zabel, Die Ordnung des Strafrechts, 2017, 721. 258 Siehe Fn. 250. 259 Vgl. S. Bibas, The Yale Law Journal 130 (2021), 857, 861 ff.
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dann eine nur einseitige Bewertung treffen.260 Es bleibt also daran festzuhalten, dass öffentliches Strafrecht unmöglich von seinen praktischen Voraussetzungen (eben der Einrichtung eines Staates) abstrahiert werden kann.261
III. Expressive Wirkung Ein weiterer Begründungsstrang verknüpft eine kommunikative Deutung der Strafe mit der Einbeziehung der Opferperspektive. Strafe vermittelt nach dieser Begründung eine Botschaft. Diese Botschaft richtet sich nunmehr nicht im klassischen Wege der positiven Generalprävention an die rechtstreue Allgemeinheit262, sondern formuliert eine Beistandserklärung an das Opfer und drückt Parteilichkeit zugunsten der in ihren Rechten Verletzten aus.263 1. Strafe als Kommunikation? Kommunikative und expressive Theorieansätze erfreuen sich als Legitimationsparadigmen des Strafvorgangs einer wachsenden Beliebtheit.264 Im Vergleich zu archaisch anmutenden Begriffen von „Abschreckung“ oder „Vergeltung“ strahlt „Kommunikation“ eine abgeklärte Gelassenheit aus. Schließlich gilt Kommunikation nicht als strafrechtliches Spezifikum, sondern prägt jedes Aufeinandertreffen.265 In der Sprache der Systemtheorie setzt Gesellschaft Kommunikation voraus, sonst existierte die Gesellschaft nicht als solche.266 Man hat es also mit einem voluminösen Groß-Begriff zu tun, dessen Dehnbarkeit sich in alle Richtungen erstreckt. Schon auf grundlegender Ebene wäre zu unterscheiden, ob die Vertreter einer Vorstellung von Strafe als Kommunikation einen empirisch wahrnehmbaren Vorgang von Nachrichtenübertragung meinen267 oder als norma260 Vgl. (dort zur Notwendigkeit der Institutionalisierung des Notstandsrechts) M. Pawlik, Der rechtfertigende Notstand, 2002, 108: „Wer in dem Konflikt selber Partei ist, kann in ihm nicht zugleich Richter sein.“ 261 So im Ergebnis auch J. Kennedy, Legal Theory 27 (2021), 253, 258 ff. 262 Grundlegend G. Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, 1991, 1/9 ff. 263 So K. Günther, in: Strafrechtsprobleme an der Jahrtausendwende, 2000, 27, 40; P.-A. Hirsch, Das Verbrechen als Rechtsverletzung, 2021, 231; T. Hörnle, Straftheorien, 2017, 36 ff. 264 Aus jüngerer Zeit G. Jakobs, System der strafrechtlichen Zurechnung, 2012, 14; U. Kindhäuser, in: FS Ostendorf, 2015, 483; M. Pawlik, Normbestätigung und Identitätsbalance, 2017, 52 f.; F. Rostalski, Der Tatbegriff im Strafrecht, 2019, 20 ff. Einordnung bei G. Seher, in: FS Merkel, 2020, 493, 498 ff. Zur Ähnlichkeit mit der formalistischen Straferklärung in der hegelischen Logik siehe oben Text bei Fn. 451. 265 Vgl. F. Saliger, in: FS Neumann, 2017, 689, 691. 266 G. Jakobs, in: Verantwortung in Recht und Moral, 2000, 57, 57 f.: „Gesellschaft findet statt, wenn mindestens eine Norm gilt (. . .) Eine Norm gilt, wenn sie den Inhalt möglicher Kommunikation bestimmt (. . .).“ 267 Kritisch dazu aus systemtheoretischer Sicht N. Luhmann, Soziale Systeme, 1984, 193 f.
C. Vorüberlegung: Begründungswege der Opfereinbeziehung
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tiven (also: nur rechtlich fassbaren) Verständigungsprozess konstruieren.268 Dabei treten nur wenige der kommunikativen und expressiven Theorien mit dem Anspruch an, die herkömmliche Strafform in ihrer tatsächlichen Umsetzung abzuändern.269 Man hat es vielmehr mit einer Meta-Theorie zu tun, die das Strafen nicht abschließend erklärt, sondern der Erklärung einen neuen Rahmen verpasst.270 „Der Zweck liegt nicht im Akt der Kommunikation, sondern in dem, was mit dem Akt bezweckt werden soll.“ 271 Eine isolierte expressive Theorie, ohne Bezug zu Folgenorientierung oder Retribution, kann es also schlicht nicht geben: Ein kommunikativer Ausdruck bedarf eines Gegenstandes, den er ausdrückt.272 Entsprechend schwer tut sich der kommunikative Ansatz bei der Begründung der Übelszufügung durch Strafe: Mit dem Schuldspruch lässt sich ein Ausdruck von Missbilligung formulieren, ganz ohne einen tieferen Eingriff in die Rechtspersönlichkeit des Adressaten. Insoweit folgerichtig bestimmen Vertreter einer kommunikativen Strafbegründung ihn als eigenständige Belastung, sodass der Schuldspruch bereits „Strafschmerz“ vermittelt und Freiheits- oder Geldstrafe nur als fakultative Ergänzung wirken.273 Innerhalb dieser Konstruktion greift ein Zahnrad in das andere: Das Handeln des Täters wird als Infragestellung einer Norm gedeutet, der Schuldspruch gibt die Antwort. Gleichzeitig umfasst der Schuldspruch gar nicht mehr als die Bestätigung der eigenen normativen Einordnung des empirischen Vorgangs.274 Ohne diese normative Einordnung gäbe es aber schon keine Infragestellung einer Norm. Dieser Zirkel dreht sich beständig, verpasst dabei aber die Einbeziehung des greifbaren Strafübels. Über die vergleichsweise unverfänglichen Seiten der Strafe gelangt das Kommunikationsparadigma gerade nicht hinaus und verfehlt die notwendig unschönen Facetten der Strafe: „It sounds awkward to emphasise the communicative meaning of punishment on the one hand and to do exactly the opposite by hard treatment on the other.“ 275 Es erfolgt also gar keine wertende Verarbeitung eines empirischen Geschehens, sondern die Strafe als Schuldspruch wiederholt ihre abstrakten Voraus268 Vgl. den Dissens von L. Greco, GA 2009, 636, 642 und F. Rostalski, Der Tatbegriff im Strafrecht, 2019, 20 Fn. 17. 269 So aber M. Abraham, Sanktion, Norm, Vertrauen, 2018, 173 ff. 270 Vgl. W. Frisch, in: Strafrecht und Gesellschaft, 2019, 647, 649; B. Zabel, Die Ordnung des Strafrechts, 2017, 715. Zu den verschiedenen Theoriesträngen von Expression auch M. S. Moore, Placing Blame, 1997/2010, 84 f. 271 R. Zaczyk, GA 2013, 362, 363; siehe auch L. Greco, Strafprozesstheorie und materielle Rechtskraft, 2015, 647. 272 I. Puppe, in: FS Grünwald, 1999, 469, 482; N. Walker, Punishment, Danger and Stigma, 1980, 28 f. 273 G. Freund/F. Rostalski, JZ 2015, 164, 164 f. sprechen bei der Geld-/Freiheitsstrafe von einem „zusätzlichen Übel“ (Hervorhebung nachträglich). 274 Vgl. C.-F. Stuckenberg, JZ 2015, 714, 714 f. 275 K. Günther, Criminal Law, Crime and Punishment as Communication, 16.
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setzungen. Dabei ist die Pointe des strafrechtlichen Normativismus doch, dass er auf die Empirie Bezug nimmt und auf sie einwirkt.276 So lautet schließlich auch die verbreitete Lösung, die Übelszufügung zu reintegrieren, indem darauf verwiesen wird, dass die kommunikative Tadelung eben auch geglaubt werden muss.277 An dieser Stelle verdeutlicht sich die angerissene Problematik: Mit „Kommunikation“ lässt sich viel umschreiben, aber nicht alles begründen.278 Nimmt man das geflügelte Wort „Man kann nicht nicht kommunizieren“ 279 ernst, ließe sich sogar fragen, ob eine nicht kommunikative Strafe überhaupt denkbar wäre280 – und was im Umkehrschluss den genuin kommunikativen Strafgehalt, auch und gerade den der spezifisch opfer-orientierten Ansätze, dann noch ausmacht.281 2. Genugtuung und Normbestätigung Im Kontext der Opferorientierung des Strafrechts tritt der Topos von kommunikativer Strafe als Lückenschließer auf: Während die herkömmlichen Straftheorien es versäumen, so der Vorwurf, das Verbrechensopfer angemessen miteinzubeziehen, 282 könnte eine kommunikative Straftheorie den ganz konkret betroffenen Menschen in die Bestimmung der Strafmodalitäten einbinden. Bisweilen wird auch die „Kommunikation“ mit dem Opfer als elementarer Grund angeführt, warum es gerade einer „harten Behandlung“ durch Strafe bedarf.283 Weil das Strafrecht offensichtlich zum Ausgleich empirischer Güterschäden des Opfers nichts beiträgt,284 ist diese Einbindung nur als sinnstiftender Akt denkbar. Unterschlagen wird dabei häufig, dass der Strafgesetzgeber nicht etwa jahrzehntelang unkreativ war oder ignorant über Einzelinteressen hinweggesehen hat, sondern Straf-Recht prästiert. Das ist etwas wesentlich anderes als die Erfüllung kontingenter Individualwünsche.285 Als Teil eines normativen Netzes stiftet Strafrecht gesamtgesellschaftliche Erwartungssicherheit286 und nötigt dem Bürger das 276
Siehe S. 161 ff. So R. Hamel, Strafen als Sprechakt, 2009, 156 ff.; I. Puppe, in: FS Grünwald, 1999, 469, 479. 278 Vgl. auch H. Weyrich, Straftheorien und Rechtswirklichkeit, 2021, 159. 279 P. Watzlawick, Man kann nicht nicht kommunizieren, 2016. 280 Vgl. C. Sachs, Moral, Tadel, Buße, 2015, 125 Fn. 349. 281 Vgl. F. Saliger, in: FS Neumann, 2017, 689, 691. 282 So etwa S. E. Buhlmann, Die Berücksichtigung des Täter-Opfer-Ausgleichs als Verfahrensgrundsatz, 2005, 130 ff. 283 R. A. Duff, Punishment, Communication, and Community, 2001, 95 f. 284 G. Jakobs, in: Vergangenheitsbewältigung durch Recht, 1992, 37, 38: „Strafrecht heilt keine vom Täter geschlagenen Wunden des Opfers, ja spricht nicht einmal Schadensersatz zu, schickt vielmehr dem Übel der Tat am Opfer ein weiteres Übel hinterher: die Strafe als ein Übel am Täter.“ 285 So auch T. Hörnle, in: FS Neumann, 2017, 593, 600. 286 N. Luhmann, Rechtssoziologie, 1983/2008, 43. 277
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Person-Sein ab. Dieser Ordnungsentwurf arbeitet – notwendigerweise – in kollektiv ausgerichteten Schemata und verträgt sich nicht mit der Berücksichtigung intuitiver Sonderbelange des Einzelnen.287 „Als formale und heteronome Normenordnung blendet das Recht die emotionale Dimension der Beziehung zwischen den Menschen, die es auf Rechtssubjekte reduziert, notwendig aus, wenn es nicht im Einzelfall (etwa im Familienrecht) an den ,Tatbestand‘ einer bestimmten (typischer Weise negativen) psychologischen Struktur eines zwischenmenschlichen Verhältnisses anknüpft.“ 288
Nun schließt die opferorientierte Straftheorie aber an der emotionalen Dimension an: Teils mit Verweis auf die empirische Forschungslage289 zu einem Bedürfnis nach „Genugtuung“ wird dessen Einbeziehung in die Straftheorie gefolgert.290 Die Problematik liegt dabei auf der Hand: „Genugtuung“ ist als Begriff moralisch vorbelastet291 und umfasst ein nur emotional nachzuempfindendes Schema,292 erklärt sich also keineswegs von selbst.293 Zu einer Kritik genügt es 287 Für eine unverhohlen naturalistische und moralistische Einbeziehung der Opfergefühle D. Whiteley, Criminal Justice Ethics 17 (1998), 42, 45 ff. 288 U. Neumann, in: Handbuch Rechtsphilosophie, 2017, 7, 11. 289 K. Günther, in: FS Lüderssen, 2002, 205, 208 ff.; R. Hamel, Strafen als Sprechakt, 2009, 167 ff.; T. Hörnle, in: FS Neumann, 2017, 593, 599 f.; T. Hörnle, Hdb-StrR I, § 12, Rn. 38; G. Jerouschek, JZ 55 (2000), 185, 187 ff.; C. F. Schiemann, Die Berücksichtigung von Opferinteressen in der Straftheorie, 2015, 21 ff.; P. Velten, SK-StPO5, vor §§ 374 ff., Rn. 18 ff. – Eine methodische Reflektion findet dabei nicht immer statt (so aber ausdrücklich F. Bommer, Offensive Verletztenrechte im Strafprozess, 2006, 242; T. Hörnle, in: FS Neumann, 2017, 593, 600; C. F. Schiemann, Die Berücksichtigung von Opferinteressen in der Straftheorie, 2015, 65). Es ist gesicherter Konsens, dass aus einer empirischen Datenlage kein normatives Gebot folgt. Deutlich S. Augsberg, ARSP 94 (2008), 461: „Erfolgreiche Interdisziplinarität setzt begriffliche Klarheit voraus. Begriffe lassen sich keineswegs entkontextualisiert nachvollziehen und friktionslos in andere Disziplinen übertragen.“ 290 H. Giehring, in: FS Ostendorf, 2015, 353, 361: „Es ist heute unstrittig, dass die Erlangung von Genugtuung durch die autorative Anerkennung, dass man Opfer eines schuldhaft begangenen strafrechtlichen Unrechts geworden ist, und durch eine angemessene staatliche Reaktion auf die Straftat ein legitimes Interesse des Verletzten ist.“ Siehe allgemein: K. Altenhain, JZ 56 (2001), 791, 794 ff.; H. Baier, GA 2005, 81, 86 ff.; S. E. Buhlmann, Die Berücksichtigung des Täter-Opfer-Ausgleichs als Verfahrensgrundsatz, 2005, 135 f.; A. Eser, ZStW 104 (1992), 361, 381 f.; A. Eser, in: FS Mestmäcker, 1996, 1005, 1023 f.; K. Günther, in: Strafrechtsprobleme an der Jahrtausendwende, 2000, 27, 40; K. Günther, in: FS Lüderssen, 2002, 205, 207 ff.; W. Hassemer/ U. Neumann, NK-StGB5, vor § 1, Rn. 103a; T. Hörnle, Straftheorien, 2017, 36 ff.; P. Rieß, in: FS Jung, 2007, 751, 755; D. Rössner, in: FS Roxin I, 2001, 977, 986; D. Rössner, in: GS R. Keller, 2003, 213, 222; C. Roxin, GA 2015, 185, 200 f.; S. Wollmann, Mehr Opferschutz ohne Abbau liberaler Strukturen im Verständnis der Prinzipien der Strafprozessordnung, 2009, 68. 291 Mit Zweifeln an der „moralische[n] Leistungsfähigkeit des Rechts“ differenzierend zur symbolischen Genugtuung als Strafzweck B. Zabel, ZStW 133 (2021), 358, 381. 292 Insoweit kritisch auch F. Zimmermann, Verdienst und Vergeltung, 2012, 139. 293 T. Grosse-Wilde, Erfolgszurechnung in der Strafzumessung, 2017, 427; W. Holz, Justizgewähranspruch des Verbrechensopfers, 2007, 133; C. F. Schiemann, Die Berück-
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nicht, diese moralischen Einwürfe (wie auch „Rache“) ebenso moralisch abzuurteilen294 – die gesamte Kategorie ist zu verwerfen. Entscheidend dürfte dagegen sein, dass man zu einem normativ verallgemeinerbaren Begriff gelangt.295 Eine Kurzformel wie „Genugtuung bedeutet symbolische Restitution des beeinträchtigten Normvertrauens“ 296 überzeugt durchaus, indem sie auf ein objektivierbares Schema (Norm-Vertrauen) zurückgreift. Diese Begründung siebt eine individualisierbare Teilmenge aus dem Kollektivinteresse am Normerhalt aus und weist insoweit Überschneidungen mit der positiven Generalprävention297 auf.298 Die Genugtuungsinteressen werden damit wieder auf ein verallgemeinerbares Schema zurückgeführt. Ein (re-)normativiertes Opfer299 ist nun aber nichts anderes als die ursprünglich im Recht adressierte Rechtsperson.300 Ganz ähnliche Einwände lassen sich gegen den beliebten Gedanken anführen, die Strafe teile dem Opfer in einem kommunikativen Akt mit, dass es Opfer einer Straftat und eben keiner Naturgewalt geworden sei.301 Der Gedanke ist zunächst einmal begründet: Wie alles Recht hat auch das Strafrecht zu unterteilen, was Empirie und was Normativität ist. Die Verletzung durch den Schlag eines anderen verstößt gegen eine Norm und fordert eine normative Reaktion; die Verletzung durch eine herabstürzende Lawine ist dagegen Natur, denn dem Schnee kann bekanntlich schlecht verboten werden, sich zur Lawine zu ballen.302 Auch sichtigung von Opferinteressen in der Straftheorie, 2015, 13; T. Weigend, JR 1990, 29, 30. 294 Insoweit wie hier J. G. Murphy, Retribution Reconsidered, 1992, 70. 295 Vgl. H. Giehring, in: FS Ostendorf, 2015, 353, 361 f. 296 W. Holz, Justizgewähranspruch des Verbrechensopfers, 2007, 134. Zustimmend M. Endler, Die Doppelstellung des Opferzeugen, 2019, 50. 297 Nach K. F. Gärditz, Weltrechtspflege, 2006, 338: „geht der Gedanke der Befriedung des Ausgleichs mit den Opfern als metarechtliches Substrat der allgemeinen Friedensfunktion des Rechts und sozialer Stabilitätsfaktor auf in den übergreifenden Erwägungen positiver Generalprävention“; weiter T. Kleinert, Persönliche Betroffenheit und Mitwirkung, 2008, 215 f.; F. Neubacher, NJW 2006, 966, 969; C. Prittwitz, in: Winfried Hassemer zum sechzigsten Geburtstag, 2000, 162; P. Velten, SK-StPO5, vor §§ 374 ff., Rn. 16. – Kritisch H. Jung, JZ 58 (2003), 1096, 1098; C. Knauer, Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform 83 (2000), 54, 56; K. Lüderssen, in: Strafrechtsprobleme an der Jahrtausendwende, 2000, 63, 72 f. 298 W. Holz, Justizgewähranspruch des Verbrechensopfers, 2007, 190 ff. bezeichnet dies als „Spezialrestitution“. 299 Vgl. F. Saliger, in: FS Neumann, 2017, 689, 695 f. 300 Ähnlich J. Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, 2014, 88 Fn. 422; A. Werkmeister, Straftheorien im Völkerstrafrecht, 2015, 346. 301 K. Günther, in: FS Lüderssen, 2002, 205, 218; T. Hörnle, in: FS Neumann, 2017, 593, 600; K.-L. Kunz, in: FS Schöch, 2010, 353, 364; S. Walther, JR 2008, 405, 407; T. Zürcher, Legitimation von Strafe, 2014, 177. 302 Das Beispiel ist gebildet nach Armin Kaufmann, Lebendiges und Totes in Bindings Normentheorie, 1954, 105 f.
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bei zwei Fällen mit gleichem Schaden oder gleicher plastischer Rechtsgutsverletzung unterscheidet sich das Rechts-Interesse an diesen Fällen diametral. Es geht dem (Straf-)Recht grundsätzlich nie um Naturgewalt, sondern immer um menschliches Verhalten. Wäre das anders, und es ginge um den möglichst effizienten Schutz empirisch-physischer Rechtsgutsobjekte, hätte sich das Strafrecht vor einem „riesigen Rechtsgüterfriedhof “ 303 zu rechtfertigen, den das Leben immer mit sich bringt (bislang ist beispielsweise noch jeder Mensch gestorben und die wenigsten Sachen sind über Jahrhunderte unbeschädigt geblieben), und es wäre angesichts seiner dahingehend schwachen Leistungskraft blamiert. Verdächtig stimmen sollte hier auch, dass strafrechtlicher Schaden und empirischer Schaden schon im simplen Fall einer mittäterschaftlichen Begehung auseinanderfallen: Wenn fünf Personen einen körperlichen Gegenstand zerstören, folgen darauf fünf Strafverfahren mit je eigener Sanktion, der empirische Sachschaden ist dagegen nur einmal zu ersetzen.304 Es ist also deskriptiv vollkommen richtig, dass der Schuldspruch eine Unterscheidung von enttäuschten, aber berechtigten, normativen Verhaltenserwartungen einerseits und rein empirischen Schäden andererseits kennzeichnet. Mit dieser rechtlichen Kanalisierung ist der Konflikt zwischen Rechtspersonen aber bereits umfassend beschrieben. „Genugtuung“ und „Kommunikation mit dem Opfer“ formulieren dann nur auf anderem Weg, was man längst weiß.305 Eine eigenständige Bedeutung erlangen diese Worte nur, wenn sie auf etwas Außer-Rechtliches abzielen. Damit verschwimmen wiederum die normativen Grenzmarkierungen und „Genugtuung“ ist von „Rache“ kaum trennbar.306 Ob in diesem Rückfall hinter die Epoche des öffentlichen Strafanspruchs307 ein Fortschritt liegt, scheint damit sehr zweifelhaft.
IV. Präventiver Individualschutz Eine häufige Begründung opferbezogener Sanktionsnormen verläuft kriminalpolitisch und folgenorientiert: Durch eine Strafschärfung sollen potenzielle Täter von der Tatbegehung abgehalten werden und das Festhalten an der Schutzwirkung der Norm besondere Verdeutlichung finden. Wenn bemerkt wird, dass das 303
Treffend G. Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, 1991, 2/4. Beispiel nach U. Kindhäuser, Analytische Strafrechtswissenschaft, 2021, 1376. 305 K. Amelung, in: FS Eser, 2005, 3, 5 f. hat schon darauf hingewiesen, dass es unter der Prämisse eines interpersonalen Straftatverständnisses ein normativ eigenständiges „viktimodogmatisches Prinzip“ gar nicht gibt. 306 Allgemeine Bedenken zur Unterscheidbarkeit beider Begriffe bei S. Barton, ZIS 2021, 478, 478. 307 Neu ist der Gedanke, die urtümliche Genugtuung sei dem individualentkernten öffentlichen Strafen vorzuziehen, nicht; vgl. dagegen bereits die Polemik bei K. Marx/ F. Engels, Die deutsche Ideologie (1845/46), MEW 3, 1978, 5, 325 f. 304
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Teil 2: Institutionenschutz durch Opferschutz?
Opfer in relativen Straftheorien keinen Platz findet308, trifft dies insoweit zu, als das ganz konkret geschädigte Individuum tatsächlich unbeachtet bleibt. Seine Rolle geht dann nicht über die eines notwendigen Bestandteils des „Symptoms“ 309 (Straftat) hinaus, das zu einer Reaktion (Strafe) anregt. Als Reaktion auf die individuelle Schädigung veranlasst das Recht weitere Maßnahmen, bezieht den Geschädigten darin aber nicht mehr ein. Soweit auch der konkreten Einzelfallstrafe eine generalpräventive Wirkung zugeschrieben wird, fungiert das Opfer im Weiteren als Mittel zur Präventivwirkung, indem es in Ermittlungsverfahren und Prozess gegebenenfalls als Zeuge dient.310 Von einer gesonderten Würdigung des Opfers in der Straftheorie kann in präventiven Straftheorien also nicht die Rede sein;311 die Verletzung von Individualinteressen dient höchstens noch der Bemessung des Schadens.312 Die Opferorientierung ist hier, anders als etwa in den expressiven Theoriesträngen, ohne Nutzen für den bereits Verletzten. Stattdessen setzt das Präventivstrafrecht früher an und versucht, es gar nicht zu einer Opfererzeugung kommen zu lassen. Wenn eine abgrenzbare Individualgruppe besonders gefährdet ist, muss die Strafandrohung diese Besonderheiten aufnehmen und ihre Abschreckungswirkung optimieren,313 so die Überlegung.314 Dieser Gedanke soll im Folgenden normativ untersucht werden. Er setzt implizit voraus, dass Strafvorschriften generalpräventiv wirken und diese Wirkung dogmatisch tragfähig ist. Lässt sich also ein konsequentialistisch ausgerichtetes Schadensbegrenzungsstreben in eine Sanktionsnorm integrieren? Dazu zunächst einige allgemeine Ausführungen:
308 W. Hassemer, Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, 1990, 69; K. Lüderssen, in: Strafrechtsprobleme an der Jahrtausendwende, 2000, 63, 67; K. Lüderssen, in: Kriminologie – wissenschaftliche und praktische Entwicklungen, 2004, 171, 179; C. Prittwitz, in: Die Stellung des Opfers im Strafrechtssystem, 2000, 51, 60. Vgl. C. F. Schiemann, Die Berücksichtigung von Opferinteressen in der Straftheorie, 2015, 46. 309 Siehe im ersten Teil Fn. 223. 310 C. Prittwitz, in: Die Stellung des Opfers im Strafrechtssystem, 2000, 51, 61 spricht von einer „Zumutung“. 311 Vgl. aber zur Forderung nach erhöhter Abschreckung in der Hate-Crime-Debatte P. B. Gerstenfeld, Hate Crimes, 2003, 19 ff.; J. B. Jacobs/K. Potter, Hate Crimes, 2001, 89 f. 312 U. Kindhäuser, Analytische Strafrechtswissenschaft, 2021, 1377. 313 Rechtsökonomisch ausbuchstabiert von D. Dharmapala/N. Garoupa, American Law and Economics Association 6 (2004), 185, 190 ff. 314 Vgl. die Gesetzesbegründung zu § 114 StGB n. F. in BT-Drs. 18/11161: „(. . .) verdienen gerade Polizisten, die allgemeine Diensthandlungen ausüben, einen besonderen Schutz. (. . .) Vor diesem Hintergrund zielt dieser Gesetzentwurf auf eine Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten. Tätliche Angriffe auf sie mit dem ihnen innewohnenden erhöhten Gefährdungspotential für das Opfer sollen stärker sanktioniert werden.“
C. Vorüberlegung: Begründungswege der Opfereinbeziehung
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1. Exkurs: Der kriminalpolitische Straftatbegriff und das Problem von Schuld und Generalprävention Eine kriminalpolitisch-präventiv ausgerichtete Verbrechenslehre (im Folgenden anhand der Lehre Roxins dargestellt – zur Klarstellung: die Opfereinbeziehung in den Verbrechensbegriff ist kein Teil dieser Lehre315) vereinigt den Straftatbegriff mit dem kriminalpolitisch als zulässig Erachteten.316 Rechtsgüterschutz bezeichnet dann eine normative Vorgabe, der sich ein Straftatbegriff anpasst.317 Diese Vorgehensweise schlägt auf sämtliche Verbrechensmerkmale im Einzelnen durch und veranlasst eine streng zweckgebundene Bestimmung.318 Die grundlegende Spannung: Präventiver Schutz ist in vollständiger Form kaum erreichbar, soweit er grundrechtliche Schranken akzeptiert. Kriminalpolitische Zweckerfüllung und Präventionsbedürfnis lassen sich nie in Gänze sättigen und müssen nachträglich gebändigt werden.319 Es entsteht eine zweistellige Relation:320 Gegenüber stehen sich das zu schützende Rechtsgut und die Person als potenzieller Schädiger. Unmittelbar eigene Beschränkungen wohnen dieser Konzeption nicht inne. Für den materiellen Straftatbegriff ist also bedeutsam, inwieweit sich Prävention und Schuld konstruktiv begrenzen können. Strafrecht ist nach dieser Bestimmung Verbrechensbekämpfungsrecht.321 Kriminalpolitisch ist Strafrecht also nicht ontologisch oder un315 C. Roxin/L. Greco, Strafrecht, Allgemeiner Teil Band 1, 2020, § 3 Rn. 36m. Siehe aber C. Roxin, GA 2015, 185, 200 f. Zur Einbeziehung des Opfers zu präventiven Zwecken C. Roxin, in: FS Müller-Dietz, 2001, 701, 706 f., 709. 316 Zur Verbindung von Kriminalpolitik und Straftatsystem K. Volk, ZStW 97 (1985), 871, 888 ff. 317 „Die Aufgabe des Strafrechts liegt darin, seinen Bürgern ein freies und friedliches Zusammenleben unter Gewährleistung aller verfassungsrechtlich garantierten Grundrechte zu sichern. Bezeichnet man diese Aufgabe zusammenfassend als Rechtsgüterschutz, sind unter Rechtsgütern alle Gegebenheiten oder Zwecksetzungen zu verstehen, die für die freie Entfaltung des Einzelnen, die Verwirklichung seiner Grundrechte und das Funktionieren eines auf dieser Zielvorstellung aufbauenden staatlichen Systems notwendig sind“, C. Roxin, Strafrecht, Allgemeiner Teil 1, 2006, § 2 Rn. 7 (= C. Roxin/L. Greco, Strafrecht, Allgemeiner Teil Band 1, 2020, § 2 Rn. 7). 318 C. Roxin, GA 2011, 678, 679. 319 Vgl. nur R. Nozick, Anarchy, State and Utopia, 1974, 61: „If all commission ist ampl deterred, so that the crime is eliminated, the penalty will be set unacceptably high.“ 320 Vgl. dazu J. Renzikowski, M/R-StGB2, Einleitung, Rn. 10, 12. 321 C. Roxin, Kriminalpolitik und Strafrechtssystem, 1973, 10 f.: „Rechtliche Gebundenheit und kriminalpolitische Zweckmäßigkeit dürfen einander nicht widersprechen, sondern müssen zu einer Synthese gebracht werden [. . .] Die systematische Einheit zwischen Kriminalpolitik und Strafrecht, die nach meiner Intention auch im Aufbau der Verbrechenslehre verwirklicht werden muß, ist also nur eine Erfüllung der Aufgabe, die unserer Rechtsordnung heute in allen Bereichen gestellt ist.“ Ähnlich gibt bei F. von Liszt, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, 1912, 2 der Zweck des Strafrechts den Verbrechensbegriff vor: „Über das geltende Strafrecht hinaus führt uns die Erkenntnis der Strafe als eines in die Hand des Staates gelegten Mittels zur Bekämpfung des Verbrechens. Diese Erkenntnis legt uns die Frage [. . .] aber auch nach dem Ursprung und der Eigenart des Verbrechens nahe. Die wissenschaftliche Lösung dieser Frage ist Aufgabe der auf Kriminologie und Pönologie gestützten Kriminalpolitik. [. . .]; aber sie lehrt uns
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Teil 2: Institutionenschutz durch Opferschutz?
ter Rückgriff auf eine zu verwirklichende Idee zu konstruieren, sondern erschließt sich nur über seine Zweckverwirklichung.322 Ebenso deutlich ist der Kontrast zu allen Theorien, die Strafrecht gesellschaftsfunktional323 bestimmen wollen. Letztere zeichnet es gerade aus, dass sie keinen Bezug zu politischer Zweckmäßigkeit herstellen und Begriffe auf einer übergelagerten Abstraktionshöhe schaffen. Sie befürchten stattdessen sogar, durch die Vermengung von Kriminalpolitik und Strafrechtsdogmatik werde der „rechtsstaatliche Gewinn eines funktionalen Ansatzes verspielt“.324 Damit kann nur ein formaler Gewinn im Sinne gleichen Ineinandergreifens der strafrechtlichen Begriffe unabhängig von der politischen Bewertung des Tatbestandes gemeint sein. Dagegen sichert die kriminalpolitische Sichtweise den „rechtsstaatlichen Gewinn“ vielmehr durch materielle Kriterien – und zuvorderst durch die Bindung an die weiter oben zitierte Beschreibung der Aufgabe des Strafrechts.
Um den Zweck des subsidiären Rechtsgüterschutzes zu erfüllen, bevorzugt die Denkrichtung präventive Straftheorien.325 Prävention ist in die Zukunft gerichtet, in ihrer Stoßrichtung also konsequentialistisch. Roxin verknüpft diesen Gedanken nunmehr mit einer deontologischen Komponente: Um das grenzenlose Ausufern eines Präventionsstrafrechts326 zu vermeiden, soll der Schuldgrundsatz Schranken setzen.327 In diesem Rahmen geht es dem Schuldgrundsatz weder um Vergeltung noch um Strafbegründung, sondern einzig um Strafbegrenzung.328 Sein Begriff wird als „Verantwortlichkeit“ normativiert: Schuld und Prävention sollen sich wechselseitig begrenzen.329 Im Ergebnis bleibt eine „dialektische präventive Vereinigungstheorie“ 330, die den Strafzweck im Spannungsfeld von präventiver Verbrechensbekämpfung und Prinzipientreue verortet. Das kriminalpolitische auch, das geltende Recht aus seinem Zweck heraus zu verstehen und seinem Zweck gemäß im Einzelfalle anzuwenden.“; vgl. B. Schünemann, GA 2016, 506, 508 f. 322 C. Roxin, Strafrecht, Allgemeiner Teil 1, 2006, § 3 Rn. 44 ff. (= C. Roxin/ L. Greco, Strafrecht, Allgemeiner Teil Band 1, 2020, § 3 Rn. 44 ff.). 323 Siehe unter III. 324 H. H. Lesch, Der Verbrechensbegriff, 1999, VIII; G. Jakobs, in: FS Kühl, 2014, 281, 289 Fn. 41: Beim Rechtsgüterschutz werden „rechtspolitisch gewünschte Ergebnisse begrifflich erschlichen“. 325 C. Roxin, GA 2011, 678, 684; siehe bereits F. von Liszt, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, 1912, 74 ff. 326 Instruktiv zu den Gefahren einer Zuspitzung der präventionsorientierten Ausrichtung des Straf(prozess)rechts H.-U. Paeffgen, GA 2003, 647. 327 C. Roxin, Strafrechtliche Grundlagenprobleme, 1973, 20 ff.; C. Roxin, GA 2015, 185, 193 f.; zu deontologischen Schranken C. Roxin, ZIS 2008, 552, 557 f.; für ein Nebeneinander von Strafbegründung und Strafbegrenzung im Schuldprinzip auch T. R. Andrissek, Vergeltung als Strafzweck, 2017, 122. 328 Der Gedanke findet sich im angloamerikanischen Raum bei H. L. A. Hart, Punishment and Responsibility, 1968, 10 unter dem Oberbegriff „restrictive qualifier“; siehe dazu mit Kritik T. Grosse-Wilde, Erfolgszurechnung in der Strafzumessung, 2017, 49 f.; T. Hörnle, in: FS Roxin II, 2011, 3, 20; siehe ebenfalls zu H. L. A. Hart und Roxin: J. M. Erber-Schropp, Schuld und Strafe, 2016, 66 ff. 329 L. Greco, GA 2021, 266, 268 ff.; C. Roxin, ZStW 96 (1984), 641, 654 f. 330 C. Roxin/L. Greco, Strafrecht, Allgemeiner Teil Band 1, 2020, § 3 Rn. 36; siehe auch L. Greco, Lebendiges und Totes in Feuerbachs Straftheorie, 2009, 227 ff.
C. Vorüberlegung: Begründungswege der Opfereinbeziehung
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Ziel, der Rechtsgüterschutz, wird konsequent verfolgt, eingehegt in den Schranken des Schuldprinzips. Der zentrale Einwand: Der Verbrechensbegriff führt nicht zu einer Begrenzungsleistung. Die Begrenzungsleistung ist geradezu der Verbrechensbegriff. Zwar wird ein Spielfeld, namentlich „präventiver Rechtsgüterschutz“, entworfen, auf dem das Strafrecht auftritt und dieses wiederum eingezäunt – die stützende Grundlage bleibt aber nur schmal unterbaut.331 Roxin hat dazu grundlegend formuliert: „Wollten wir Sinn und Grenzen des Strafrechts in einem Satz umreißen, so könnten wir seine Aufgabe charakterisieren als subsidiären Schutz von Rechtsgütern und staatlichen Leistungsaufgaben durch persönlichkeitswahrende General- und Spezialprävention in dem durch das Maß der individuellen Schuld abgesteckten Rahmen. Das ist, wenn ich dieser Konzeption einen Namen geben darf, eine dialektische Vereinigungstheorie [. . .] Man kann eine solche Auffassung insofern dialektisch nennen, als sie die Gegensätzlichkeit der verschiedenen Standpunkte betont und zu einer Synthese zu bringen versucht. Ein derartiges Verfahren ist kein konstruktives Schema, sondern wird durch die Natur der Sache vorgezeichnet.“ 332
Dabei muss sich aber in Erinnerung gerufen werden, worum es der dialektischen Methode geht: In einem Hegelischen Sinne333 bedeutet Dialektik nicht etwa ein Tauziehen zweier Gegenpole, die nur ihren Mittelpunkt suchen.334 Gemeint ist stattdessen die Aufdeckung gleichursprünglicher Zusammenhänge, aus deren produktivem Widerstreit sich der Begriff voll entfaltet.335 Innerhalb der beschriebenen Vereinigungstheorie eine dialektische Beziehung anzunehmen, ist in einem strengen Sinne nicht möglich: Der Ansatz setzt unvereinbare Momente in ein Spannungsverhältnis. Dieses Spannungsverhältnis benötigt aber eine einheitliche Grundierung, um Maßgaben zur Auflösung des Gegensatzes zu finden. Ohne eine gemeinsame Idee an der Wurzel können beide Gewichte sich nicht zum Ausgleich bringen. Diese gemeinsame Idee fehlt konsequentialistischem Präventionsgedanken und deontologischem Schuldgedanken offensichtlich. Der Blick nach vorne, in Richtung zu verhindernder Tat, oder nach hinten, 331 Teilweise wird der Gedanke des Gesellschaftsvertrages vorgebracht, so C. Roxin, Strafrecht, Allgemeiner Teil 1, 2006, § 2 Rn. 8; C. Roxin/L. Greco, Strafrecht, Allgemeiner Teil Band 1, 2020, § 2 Rn. 8 mit Fn. 58; B. Schünemann, in: Die Rechtsgutstheorie, 2003, 133, 138 ff.; B. Schünemann, ZIS 2016, 654, 658 ff. Wie sich aus den Erkenntnissen dieser Denkfigur konkrete rechtliche Argumente herleiten lassen, bleibt aber unbestimmt. Kritisch schon bei Fn. 370. 332 C. Roxin, Strafrechtliche Grundlagenprobleme, 1973, 27 ff. 333 Greco legt die Inspiration dieses „Versöhnungsdenkens“ durch Hegel nahe, L. Greco, ZIS 2016, 416, 419; vgl. auch die dialektische Begriffsbestimmung bei C. Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, 2019, 590 ff. 334 S. Stübinger, Das „idealisierte“ Strafrecht, 2008, 314. 335 S. Stübinger, Das „idealisierte“ Strafrecht, 2008, 317; beispielhaft für die Ausarbeitung einer dialektischen Begriffsbestimmung: M. Pawlik, Der rechtfertigende Notstand, 2002, 83 ff.
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Teil 2: Institutionenschutz durch Opferschutz?
Richtung erfolgter Tat, sind im Wortsinne Grund-verschiedene Vorgehensweisen.336 Ist Grund der Bestrafung die Tat selbst oder liegt oder liegt in ihr nur ein „Triggerpunkt“ zur Aktivierung eines anderen Strafgrundes? „So bleibt dann etwa das Problem, wie denn die Strafe den realen Bezug zur Tat behält, d. i. das Problem des ,Andauerns der Straftat‘ [. . .]. Ein häufiger Versuch der Vereinigungstheorie wird dadurch ermöglicht, daß man dieses Problem nicht ernst nimmt; so etwa die bekannte Lehre von Roxin, JuS 1966, 377ff., der eine ,dialektische Einheit‘ annimmt. [. . .] Nun ist nicht schon Dialektik, gegenläufige praktische Begründung hintereinander zu ordnen. Vielmehr muß die Einheit sich im Rückstoß der Argumentation verdeutlichen. Hier aber ist die Einheit gerade zerstört. Wenn wegen schuldhafter Tat verurteilt wird, dann bezieht man sich auf den Zusammenhang mit dem zeitlich vorhergehenden Ereignis der Straftat und nicht bloß auf die Androhung. Und wenn man vollstreckt, verschwindet das Übel nicht, zu dem man den Täter verurteilt hat.“ 337
Ohne gemeinsamen Grund wird die angestrebte wechselseitige Begrenzung von Prävention und Schuld also der Beliebigkeit preisgegeben; ihre Maßstäbe zur Grenzziehung verschwimmen.338 Das entscheidende Argument folgt aus der Bedeutung des Schuldbegriffs im Verbrechensaufbau. Unrecht und Schuld stehen nicht in einem äußeren Verhältnis, vielmehr sind beide Begriffe logisch miteinander verzahnt.339 Schuld muss sich immer auf etwas beziehen. Ein reiner Begrenzungsfaktor als an sich isoliert begründbarer Gedanke darf dagegen nicht abhängig von den Gegenständen sein, die er begrenzen möchte.340 Schuld lässt sich also nicht als rein strafbarkeitslimitierendes Prinzip begreifen, wenn doch zwischen Tatunrecht und Schuld eine notwendige Verknüpfung besteht.341 Tatschuld (nicht: Täterschuld342) bezieht sich auf die Tat. Diese ist bereits per definitionem zumindest Teil eines Bestrafungsgrundes. Wenn also trotz „normativer Ansprechbarkeit“ 343 eine solche Tat begangen wird, dann ist das ein Argument für und 336 Insoweit übereinstimmend mit H. H. Lesch, Der Verbrechensbegriff, 1999, 168 „Quadratur des Zirkels“. 337 E. A. Wolff, ZStW 97 (1985), 786, 806 Fn. 50; ähnlich M. Köhler, Der Begriff der Strafe, 1986, 4 Fn. 11 und ebd., 62 ff.; B. Zabel, Schuldtypisierung als Begriffsanalyse, 2007, 271 f.; vgl. ferner R. Zaczyk, in: FS Eser, 2005, 207, 208 f. – Siehe aber die Einordnung Grecos: Dialektik mehr „Stil als Methode“, L. Greco, ZIS 2016, 416, 420. Das kann zutreffen; die Frage nach der Vereinbarkeit zweier Grund-verschiedener Prämissen bleibt aber. 338 H. H. Lesch, Der Verbrechensbegriff, 1999, 170. 339 Siehe dazu etwa I. Puppe, NK-StGB5, vor §§ 13 ff., Rn. 17. 340 Vgl. Arthur Kaufmann, JURA 1986, 225, 228 f.; H.-U. Paeffgen, NK-StGB4, vor §§ 32 ff., Rn. 225 ( H.-U. Paeffgen/B. Zabel, NK-StGB5, vor §§ 32 ff., Rn. 225). 341 I. Puppe, in: FS Grünwald, 1999, 469, 480 f. 342 Diese fügt sich in präventive Ansätze hingegen friktionslos ein, dazu G. Jakobs, in: Das Proprium der Rechtswissenschaft, 2007, 104, 120; H. H. Lesch, Der Verbrechensbegriff, 1999, 168 mit Fn. 18. 343 So die gegenwärtige Schulddefinition von C. Roxin/L. Greco, Strafrecht, Allgemeiner Teil Band 1, 2020, § 19 Rn. 36 ff.
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nicht gegen eine Bestrafung.344 Die These der Schuld als reines Mittel der Strafbegrenzung345 lässt sich nicht stimmig in ein tatstrafrechtliches Gesamtkonzept eingliedern. Auf Gesellschaftsebene ein ausschweifendes Präventionsinteresse zu begründen, um es im konkreten Fall durch das Schuldprinzip wieder einzufangen, führt zu Reibungen. 2. Verbesserte Prävention durch Strafschärfung? Formuliert ist damit ein allgemeiner Einwand. Schlägt dieses am Inhalt der „Schuld“ orientierte Argument hier also durch? Zur Debatte steht hier die Funktion opferbezogener Tatbestandsmerkmale im Besonderen Teil des Strafrechts. Sollte sich ergeben, dass opferbezogene Tatbestandsmerkmale die Einzelfallstrafe aus generalpräventiven Gründen schärfen, sähen sie sich der Unvereinbarkeit mit einem strafbegründenden Schuldbegriff ausgesetzt. Zunächst muss nach dem zuvor Gesagten unterschieden werden: Die Strafe im Einzelnen erfordert die Schuld des Täters; diese Schuld begründet damit die Strafe, indem sie sich relational zum Unrecht verhält. Entgegengehalten wird nun, dass sich dies auf einer institutionellen Ebene ändert: der beschriebene Einwand wird durch eine Aufspaltung der Rechtfertigungsperspektive umschifft: Strafe soll auf institutioneller Ebene (Generalprävention) und im Einzelfall (Schuldprinzip) disparaten Begründungen unterliegen.346 Durch eine Aufspaltung der „Rechtfertigungslasten“ soll die gemeinsame Basis entbehrlich werden.347 Diese Konstruktion weist Parallelen zu einer ethischen Differenzierung nach Handlungsmoral und Institutionenmoral348 auf. Lässt man sich auf diese Differenzierung ein,349 würde also beispielsweise § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StGB die Einzelfallstrafe nicht mit dem Argument besserer Prävention schärfen können, allerdings durch seine gesetzliche Normierung einen Verhaltenssteuerungseffekt erzeugen.
344 T. Grosse-Wilde, Erfolgszurechnung in der Strafzumessung, 2017, 45. Vgl. auch R. A. Duff, Punishment, Communication, and Community, 2001, 12. 345 L. Greco, Lebendiges und Totes in Feuerbachs Straftheorie, 2009, 136 f., 248 ff. 346 So mit Unterschieden L. Greco, GA 2021, 266, 270; T. Grosse-Wilde, Erfolgszurechnung in der Strafzumessung, 2017, 21 ff.; T. Hörnle, Tatproportionale Strafzumessung, 1999, 126 f.; T. Hörnle, in: FS Roxin II, 2011, 3, 7 ff.; J. M. Peralta, ZIS 2008, 506, 516; C. Roxin/L. Greco, Strafrecht, Allgemeiner Teil Band 1, 2020, § 3 Rn. 51a f. 347 Grundsatzkritik zur Vereinigung utilitaristischer und deontologischer Bausteine bei H. Kaiser, Widerspruch und harte Behandlung, 1999, 145 ff. 348 Siehe schon H. L. A. Hart, Punishment and Responsibility, 1968, 10; J. Rawls, The Philosophical Review 64 (1955), 3. 349 Kritisch auch S. Lichtenthäler, Besitzverbot und Eigentumsschutz, 2020, 33 f. Fn. 153; F. Rostalski, Der Tatbegriff im Strafrecht, 2019, 140 ff.
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Teil 2: Institutionenschutz durch Opferschutz?
Als Bestandteile des gesetzespositiven Rechts sind Qualifikations-Tatbestandsmerkmale einerseits institutionalisiert. Das wird erkennbar in Abgrenzung zu einem unter § 46 StGB zu subsumierenden Strafzumessungsgrund, der erst in Betrachtung der konkreten Tat seine Berücksichtigung findet. Andererseits gehen sie als qualifizierende Merkmale über das bereits durch allgemeinere Tatbestände institutionell Strafbewehrte hinaus. Damit kommt aber kein neuer institutioneller Verhaltenssteuerungsantrieb hinzu, sondern ein bereits bestehender Effekt wird punktuell verstärkt. Verändert wird nicht das „ob“, sondern das rein quantitative „wie“ der Bestrafung. Mit dem oben350 Gesagten fixieren sie unterschiedliche Strafbarkeitsstufen. Aus diesem Grund lagert der Fall einer opferorientierten Qualifikation deutlich näher an der Bestrafung im Einzelnen und ist an den ihrigen Kriterien zu messen. Das grob lenkende Kalkül des Aggregations- und Regelutilitarismus kommt damit nicht zur Geltung; mit anderen Worten nimmt die institutionell-verhaltenssteuernde Strafrechtsfunktion, soweit man sie legitimatorisch voraussetzt, hier keine im Verhältnis zum Grundtatbestand unabhängige Bedeutung ein. Die opferorientieren, qualifizierenden Tatbestandsmerkmale steigern also das Unrecht und führen aufgrund dessen zu einer Strafrahmenerhöhung und somit zu einer Straferhöhung im Einzelfall. Weil es sich um Unrechtsmerkmale handelt, bezieht sich die Schuld in ihrer relationalen Funktion auf diese Merkmale. Damit begründet die Schuld an einer tatbestandlich relevanten Opferschädigung die (erhöhte) Strafbarkeit. Schuld kann die generalpräventiv orientierte Strafschärfung also nicht begrenzen oder auch nur bremsen. Dieses allgemein formulierte Argument wirkt sich auch in der vorliegend relevanten Einzelfallprüfung aus. Das heißt im Ergebnis: Mit einer Verstärkung des präventiv ausgerichteten Individualschutz lässt sich eine Strafschärfung bei Verletzung bestimmter Opfergruppen nicht rechtfertigen, ohne sich dabei in einen normlogischen Widerspruch zu verwickeln. 3. Herstellung von Gleichheit im Strafrechtsschutz? Aus der US-Amerikanischen Debatte ist zudem ein rechtsökonomisches Argument bekannt, das aus der Sicht eines „alteuropäisch“-deontologischen Strafrechts sehr ungewöhnlich aufgebaut ist. Im Kern handelt das Anliegen von der Förderung einer präventivstrafrechtlich zu erreichenden Schutz-Gleichheit aller Opfer, indem Delikte gegen besondere Opfergruppen mit einem schärferen Strafrahmen versehen werden.351 Auch wenn sich schnell allgemeine Einwände aufdrängen (etwa: „Instrumentalisierung“ des Täters als Mittel zum Zweck der Ver-
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S. 116 ff. Zum Folgenden A. Harel/G. Parchomovsky, The Yale Law Journal 109 (1999), 507, 532 ff. 351
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hinderung weiterer Straftaten352), ist der Vorschlag einmal in seinem Anliegen zu überprüfen. Den Ausgangspunkt bildet ein „fair-protection-paradigm“ 353: Vorauszusetzen ist, dass die Strafandrohung abschreckend wirkt, die Strafandrohung dadurch eine Schutzfunktion für die Rechtsteilnehmer einnimmt und, dass alle zu gleicher Teilhabe an dieser Schutzfunktion berechtigt sind. Erweist sich, dass bestimmte Menschengruppen häufiger Opfer von Straftaten werden, ist die Strafandrohung zu modifizieren. Dadurch soll die Abschreckungswirkung punktuell erhöht werden (was indes empirisch streitig ist354), sodass auch in diesen Fällen die Wahrscheinlichkeit, Opfer einer Straftat zu werden, mit der Regelfall-Wahrscheinlichkeit gleichzieht.355 Diese Vorgehensweise psychologisiert also gleich an zweifacher Stelle: Ihr Ziel ist das Wohlbefinden potenzieller Opfer, im gleichen Maße wie alle anderen Bürger vor Straftaten geschützt zu sein; ihr Mittel ist die Abschreckung potenzieller Täter. Die Methodik deckt sich mit dem utilitaristischen Gedanken, die Strafhöhe an den Erfolgsaussichten der Tat zu messen.356 Das „fair-protection-paradigm“ spiegelt dieses klassische Argument und zeichnet die Opferperspektive auf diese Rechnungsweise: Höhere Profitaussichten bei erfolgreicher Tatbegehung357 und Angriffe auf besonders häufig betroffene Opfergruppen verändern gleichermaßen die ökonomischen Koordinaten einer Tat. Vorausgesetzt wird also ein rechnender Täter, der den Tatgewinn (ideeller oder materieller Natur) mit der Entdeckungswahrscheinlichkeit abwägt. Kollektivistisch betrachtet steigen in beiden Fällen die Anreize zur Tatbegehung. Dabei kommt es gar nicht darauf an, ob jeder Normadressat am Diebstahl wertvoller Dinge oder der Körperverletzung abgrenzbarer Minderheiten interessiert ist oder sich sogar zur Tat hinreißen lässt. Sobald eine allgemeine, kollektiv wahrnehmbare Steigerung erkennbar ist, gibt das einem konsequentialistischen Kalkül Gründe zur Strafverschärfung.
352 Dazu unten bei Fn. 580. Ebenso greift hier das (schon allzu oft gewendete) Hund-Stock-Argument (G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986, § 99 Z) in den hier besprochenen Fällen noch kräftiger: Wenn es schon eine Instrumentalisierung ist, den Täter von der Tat abzuschrecken, ist es wohl eine Zuspitzung dessen, wenn die Abschreckung an die genaueren Tatmodalitäten (eben das Opfer) angepasst wird. 353 A. Harel/G. Parchomovsky, The Yale Law Journal 109 (1999), 507, 509, 524 u. ö. Allgemein dazu J. H. Ely, Democracy and Distrust, 1980, 30 ff. 354 G. Mason, University of Western Australia Law Review 48 (2021), 470, 490 f. mit Verweis auf Studien aus dem Vereinigten Königreich und Australien. 355 A. Harel/G. Parchomovsky, The Yale Law Journal 109 (1999), 507, 534. 356 Klassisch J. Bentham, An Introduction to the Principes of Morals and Legislation, Works I, 1962, 1, 87 zur Proportionalität von Strafe und zu erwartendem Profit der Straftat („The value of the punishment must not less in any case than what is sufficient to outweigh that of the profit of the offense.“) aus präventiven Gründen (ebd., 69, 86). 357 Etwa beim Diebstahl einer wertvollen Sache.
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Teil 2: Institutionenschutz durch Opferschutz?
Das Ungewöhnliche an diesem Argument ist nun, dass es normative Beschränkungen kaum berücksichtigt. Die ökonomische Rechnungsweise unterscheidet nicht zwischen einer realen Verbrechensreduktion und der Schaffung gleichwertiger Verhaltensanreize zur Verbrechensbegehung. Beides wirkt sich auf das Ergebnis eines Abgleichs der unterschiedlichen (rein faktisch zu bestimmenden) Schutzniveaus der einzelnen Bürger aus. Soweit aber nur diese Gleichwertigkeit das Ziel der Strafgesetzgebung ist, lässt dieser „unabashed consequentialism“ 358 sich nicht mehr einfangen. Das strafrechtliche Ziel der „Abschreckung“ einmal ernst genommen, müsste es regelmäßig die Furcht seiner Adressaten evaluieren und die Strafen bei Massendelikten immer stärker anheben.359 Eine Beschränkung ergibt sich aus dem Präventionsbegriff selbst nicht.360 Ob in der „Gleichwertigkeit“ der Abschirmung vor Angriffen ein echtes Interesse der Betroffenen liegt, lässt sich ebenfalls anzweifeln.361 Jedem potenziellen Opfer dürfte vermutlich stärker an einer absoluten Senkung der Straftaten gelegen sein. Als einzige Soll-Vorgabe des ökonomischen Arguments bleibt der Fairness-Gedanke362 des gleichen Schutzes für alle. Diese Form der Gleichheit scheint aber unter zwei Aspekten verkürzt: Erstens übergeht sie das Verhältnis zwischen Täter und Opfer komplett und betrachtet lediglich denkbare Schädigungen, die es zu verhindern gilt. Nur als ein solches Schädigungsobjekt einer Rechtsgutsverletzung tritt das Opfer überhaupt auf. Dabei ist die Straftat doch nur deshalb als soziales Ereignis relevant, weil auf beiden Seiten (jedenfalls auf der Täter-Seite!) Rechtspersonen stehen. Was gilt beispielsweise bei der Tat gegen eine spezielle Opfergruppe, die von einem anderen Mitglied der gleichen Gruppe ausgeht?363 Es wäre offensichtlich verfehlt, hier ein Verbrechen gegen eine besonders betroffene Opfergruppe anzunehmen. Eine Ansicht, die ihren schützenswerten Zustand aber isoliert, ohne gesellschaftliche Zusammenhänge, „museal“ 364 betrachtet, kann darauf gar nicht eingehen. Zweitens wird nicht erklärt, wann genau eine Differenzierung nach Opfergruppen angezeigt ist.365 Streng genommen müsste jede kriminologisch nachweisbare Anhäufung von Straftaten gegen eine beliebig
358
M. S. Moore/H. M. Hurd, Stanford Law Review 56 (2004), 1081, 1140. Vgl. allgemein etwa W. Frisch, in: FS Schünemann, 2014, 55, 59; R. Nozick, Anarchy, State and Utopia, 1974, 61. 360 N. Walker, Punishment, Danger and Stigma, 1980, 84. 361 Vgl. M. S. Moore/H. M. Hurd, Stanford Law Review 56 (2004), 1081, 1144. 362 A. Harel/G. Parchomovsky, The Yale Law Journal 109 (1999), 507, 525. 363 Beispiel: Zwei Polizisten greifen sich wechselseitig tätlich an bei Streitigkeiten über die Vorgehensweise in einem Einsatz. 364 Zur sozialen Relevanz von Rechtsgütern etwa T. Grosse-Wilde, ZStW 133 (2021), 60, 104; G. Jakobs, Rechtsgüterschutz?, 2012, 20; H. Welzel, ZStW 58 (1939), 491, 514. 365 M. S. Moore/H. M. Hurd, Stanford Law Review 56 (2004), 1081, 1145; K. W. Simons, Journal of Criminal Law and Criminology 91 (2000), 237, 239 mit Fn. 7. 359
C. Vorüberlegung: Begründungswege der Opfereinbeziehung
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abgrenzbare Personengruppe Anlass zu einer Strafschärfung geben.366 Das dürfte praktisch kaum durchführbar sein und geht an denjenigen Opferschutzbestrebungen vorbei, die vor allem eine wertende Entscheidung in der Fokussierung auf bestimmte Gruppen sehen. Die Beschränkung auf eine Gruppendifferenzierung nach „gender, race, religion, or sexual orientation“ 367 wird schließlich selbst vorgetragen368 – in das Muster einer strengen Folgenausrichtung fügt sich diese Eingrenzung allerdings kaum ein.369 4. Kosten und Nutzen Aus einer Präventionslogik heraus ließe sich auch überlegen, den Täter durch höhere Strafandrohung stärker abzuschrecken, da ihm der Eingriff in fremde Rechte erleichtert ist. Gegebenenfalls hat der Täter mit geringerer Gegenwehr zu rechnen und schlägt ein geringeres Risiko ein. Das lässt sich gut am Regelbeispiel des § 243 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 StGB (Diebstahl durch Hilflosigkeit einer anderen Person, einen Unglücksfall oder eine gemeine Gefahr) erkennen. Aus der höheren Erfolgswahrscheinlichkeit der Tat folgt dann die Notwendigkeit einer erhöhten Strafandrohung. Das Verhältnis von Profit-Chance durch die Tat und Risiko-Investition seitens des Täters wird somit wiederhergestellt. Bemerkenswerterweise hat die ökonomische Analyse370 aber ein Argument mit genau entgegenliegender Ausrichtung formuliert:371 Es sollen gerade Taten gegen besonders selbstverteidigungsfähige und insbesondere bewaffnete Opfer mit einer besonders hohen Strafandrohung versehen werden. Der Gedankengang: Durch die erhöhte Strafandrohung sollen Täter dazu verleitet werden, sich auf schwächer vorbereitete Opfer zu fokussieren. Das wiederum hätte zur Folge, dass potenzielle Opfer sich selbst bereits präventiv besser schützen. Dadurch würde das Niveau des gesamtgesellschaftlichen (Rechts-)Güterschutzes steigen. Zumindest vereinbar wäre dieser Gedankengang mit § 243 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB (Diebstahl einer besonders gesicherten Sache), auch wenn dieser Gedankengang
366 Wie wäre die Lage etwa bei Straftaten gegen Türsteher, Sicherheitsleute oder Fahrkartenkontrolleure? 367 A. Harel/G. Parchomovsky, The Yale Law Journal 109 (1999), 507, 535. Allgemein zu typischen Opfergruppen der Hate Crimes P. B. Gerstenfeld, Hate Crimes, 2003, 191 ff. 368 Insbesondere A. Harel/G. Parchomovsky, The Yale Law Journal 109 (1999), 507, 536 f. 369 Kritisch auch M. Blake, Law and Philosophy 20 (2001), 121, 131 Fn. 22. 370 Die Frage, ob vorhersehbare Strafen überhaupt der Abschreckung dienen, oder es nicht effizienter wäre, jeden Täter im Unklaren über die Konsequenzen für sein Handeln zu lassen, wird dort unterschiedlich beantwortet, vgl. T. Grosse-Wilde, Erfolgszurechnung in der Strafzumessung, 2017, 213. 371 Zum Folgenden O. Ben-Shahar/A. Harel, University of Pennsylvania Law Review 145 (1996), 299, 313 ff.
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Teil 2: Institutionenschutz durch Opferschutz?
dazu nicht formuliert wird.372 Im Kern geht es also um eine Verhaltenslenkung potenzieller Opfer durch eine konsequentialistisch ausgerichtete Austarierung des Strafmaßes für den Täter. Der Knackpunkt dieser Argumentation dürfte darin liegen, dass eine Argumentation dieser Art seine Normadressaten nicht als Rechts-Personen begreift, sondern als Nutzenmaximierer nach dem Schema von Lust und Unlust.373 Die Rechenweise des Individuums, das als Rechtsperson in der Welt zurechtkommen muss (das bedeutet: zu seinem eigenen Auskommen die benötigten Güter als Eigentum erwerben), wird als anthropologische Eigenschaft umgestempelt.374 Diese Prämisse steht auf dem Kopf und ist für ein bürgerliches Strafrecht nicht verwertbar, weil sie zur idealisierten Soll-Vorstellung, an der das Strafrecht mit der Strafe („kontra-faktisch“) festhält, in kein Verhältnis zu setzen ist. Was sich als Rechts-Ökonomie geriert, ist eher Rechts-Mathematik: Es geht dem Kostenund-Nutzen-Denken doch gar nicht darum, wie und mit welchem Zweck Güter produziert werden (Wirtschaft). Sondern die Kalkulationsweise konkurrierender Eigentümer von Revenue-Quellen, die nur mit der Absicht in den Produktionsprozess eintreten (müssen), an dessen Ende möge ein geldwertes Plus stehen – diese Kalkulationsweise wird für das ganze Wesen menschlichen Zusammenlebens genommen. Wer ökonomisch analysieren möchte, sollte doch überprüfen, welche Aufgabe Recht, Staat, Strafe und sonstige Gegenstände für den Produktionsprozess einnehmen, anstatt überall die fiktive Abstraktion des „homo oeconomicus“ am Werk sehen zu wollen. Auch hier stimmt: „Abstraktionen in der Wirklichkeit geltend machen, heißt Wirklichkeit zerstören.“375 Es zeigt sich darüber hinaus erneut ein Grundproblem der generalpräventiven Strafrahmenschärfung: Eine solche Schärfung steht in einem nur äußerlichen Verhältnis zur Tatschuld.376 Die Strafe des Täters hängt nicht einmal mehr von seinem Handeln ab (bei einer generalpräventiven Einzelstrafenschärfung) oder will sein Handeln beeinflussen (allgemeine Generalprävention, die sich an poten372 Vgl. etwa U. Kindhäuser, NK-StGB5, § 243, Rn. 20: „Das regelmäßig erhöhte Unrecht dieser Tatausführung liegt in der Überwindung einer vom Berechtigten vorgesehenen besonderen Sicherung, durch welche die Wertschätzung der Sache angezeigt wird.“ Subjektivierend stellt BGH, 13.12.1973 – 4 StR 561/73 = NJW 1974, 567 ab auf „[d]as erhöhte Maß von Rücksichtslosigkeit gegenüber fremdem Eigentum, das der Täter an den Tag legt, indem er sich über eine besondere Sicherung hinwegsetzt, mit der der Eigentümer zu erkennen gibt, daß er auf die Erhaltung gerade dieser Sache Wert lege“. Meistens geht die Kommentarliteratur auf den Normzweck des Regelbeispiels nicht näher ein, vgl. etwa A. Hoyer, SK-StGB9, § 243, Rn. 27; R. Schmitz, MK-StGB4, § 243, Rn. 32. 373 H. Kaiser, Widerspruch und harte Behandlung, 1999, 155. 374 Ausführliche Kritik bei S. Stübinger, Das „idealisierte“ Strafrecht, 2008, 126 ff. 375 G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie III, 1819 ff./ 1986, 331. 376 W. Frisch, in: FG BGH IV, 2000, 269, 284 f.; M. Kubiciel, Die Wissenschaft vom Besonderen Teil des Strafrechts, 2013, 151.
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tielle Täter richtet), sondern nimmt die vermutete Abschreckung nur als ein mögliches Mittel in ein gesamtgesellschaftliches Rechtsgüterschutzkalkül auf. Ohne das Straftatsystem einmal zu zerlegen und konsequentialistisch neu zu errichten, lässt sich ein radikal rechtsökonomischer Gedanke kaum einbauen. Das Argument ist also ganz offensichtlich in der westeuropäischen Strafrechts-Debatte nicht anschlussfähig, wenngleich es in ähnlicher Form377 im Deliktsrecht durchaus diskutiert wird.378 Es zeigt aber gut auf, wie sich ein empiristisches Präventionsdenken (wenn man es denn ernst meint) praktisch realisieren würde.
V. Verfassungsrechtlicher Straf(verfolgungs)anspruch des Opfers? Neuen Auftrieb hat die Debatte um den Opferbezug im Strafrecht durch mehrere Kammerbeschlüsse des BVerfG379 seit dem Jahr 2014 erhalten. Die Kammern des zweiten Senats sprechen darin erstmalig380 dem Opfer oder „nahen Angehörigen“ einen Anspruch auf „effektive Strafverfolgung“ zu, und zwar dort, „wo der Einzelne nicht in der Lage ist, erhebliche Straftaten gegen seine höchstpersönlichen Rechtsgüter – Leben, körperliche Unversehrtheit, sexuelle Selbstbestimmung und Freiheit der Person – abzuwehren und ein Verzicht auf die effektive Verfolgung solcher Taten zu einer Erschütterung des Vertrauens in das Gewaltmonopol des Staates und einem allgemeinen Klima der Rechtsunsicherheit und Gewalt führen kann“.381
Diese „Kehrtwende“ 382 in der Verfassungsrechtsprechung beruht also auf ganz verschiedenen Aspekten, die indes ohne materiell-begründungsinnere Bezug377 Anhaltspunkt dort ist die Berücksichtigung des Opfermitverschuldens, um dem Verletzten einen Verhaltensanreiz zur Schadensvermeidung zu lassen. Nur wenn das Verhalten von Schädiger und Geschädigtem die Schadensersatzhöhe beeinflusst, versuchen alle Seiten, den Schaden möglichst gering zu halten. Ausführlich J. P. Brown, The Journal of Legal Studies 2 (1973), 323, 338, 343 u. ö. 378 Vgl. G. Wagner, MK-BGB8, vor § 823, Rn. 58. 379 BVerfG-K, 26.6.2014 – 2 BvR 2699/10 = BeckRS 2014, 59593; BVerfG-K, 6.10. 2014 – 2 BvR 1568/12 = NJW 2015, 150; BVerfG-K, 23.3.2015 – 2 BvR 1304/12 = NStZ-RR 2015, 347; BVerfG-K, 19.5.2015 – 2 BvR 987/11 = JZ 2015, 890; BVerfG-K, 15.1.2020 – 2 BvR 1763/16 = NJW 2020, 675. Vgl. die Übersicht bei D. Diehm, in: Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 2016, 223. 380 Siehe vorher zunächst BVerfG, 8.5.1979 – 2 BvR 782/78 = BVerfGE 51, 176, 187: „[E]s gibt grundsätzlich keinen verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf Strafverfolgung eines anderen durch den Staat.“; bestätigend BVerfG-K, 5.11.2001 – 2 BvR 1551/01 = NJW 2002, 815, 815 f.; BVerfG-K, 31.1.2002 – 2 BvR 1087/00 = BeckRS 2002, 20643; BVerfG-K, 28.3.2002 – 2 BvR 2104/01 = NJW 2002, 2859, 2860. 381 Zunächst BVerfG-K, 26.6.2014 – 2 BvR 2699/10 = BeckRS 2014, 59593, Rn. 10. Erste Ansätze in BVerfG-K, 4.2.2010 – 2 BvR 2307/06 = BeckRS 2010, 46477, Rn. 19. 382 T. Hörnle, JZ 70 (2015), 893, 893. Vgl. auch S. Barton, Hdb-StrR VII, § 19, Rn. 63.
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Teil 2: Institutionenschutz durch Opferschutz?
nahme nebeneinander platziert sind.383 Grundsätzlich knüpft die Begründung an einer staatlichen Schutzpflicht384 aus Art. 2 Abs. 2 S. 1, 2 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG an.385 Inhaltliche Argumente werden zum Beleg der Position nicht angeführt, die sich damit „genau genommen in einer Behauptung erschöpft“ 386 (unter logischen Gesichtspunkten verstoßen die Ausführungen damit gegen den Satz vom zureichenden Grund). Die einzelnen argumentativen Anknüpfungspunkte erinnern aber an bekannte strafrechtliche Begründungsstrukturen und sind insoweit überprüfbar.387 Freilich lautet der mögliche Anspruch des Opfers auf effektive
383 Scharf K. F. Gärditz, JZ 70 (2015), 896, 899: „wirrer, unausgegorener Synkretismus aus eklektischen strafrechtstheoretischen Anleihen“; vorsichtig zustimmend C. Roxin/L. Greco, Strafrecht, Allgemeiner Teil Band 1, 2020, § 3 Rn. 36k. 384 Vgl. nur (grundlegend) BVerfG, 25.2.1975 – 1 BvF 1/74 ua = BVerfGE 39, 1, 41. 385 Die Rechtswissenschaft hatte in den Jahren zuvor schon verschiedene andere Angebote zur Ableitung eines subjektiven Rechts des Opfers aus der Verfassung gemacht. W. Holz, Justizgewähranspruch des Verbrechensopfers, 2007, 128 begründet ein über Art. 19 Abs. 4 GG durchsetzungsfähiges subjektiv-öffentliches Recht des Opfers auf Wiederherstellung des Normvertrauens und führt dazu verschiedene prozessuale Rechtsinstitute an (ebd., 157). Methodisch ließe sich aber durchaus anzweifeln, ob sämtlichen Prozessvorschriften mit Opferbezug wirklich ein gemeinsamer Zweck innewohnt, der sich zu einem großen und einheitlichen subjektiv-öffentlichen Recht verallgemeinern lässt (bezwecken etwa Klageerzwingungsverfahren (§ 172 Abs. 2 S. 1 StPO) und TäterOpfer-Ausgleich (§ 46a StGB) wirklich das gleiche oder beziehen sie sich nicht nur beide auf das Opfer als Mittel?). – T. Weigend, RW 1 (2010), 39, 50 ff.; T. Weigend, in: FS Streng, 2017, 781, 790 leitet ein solches Recht aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ab. Tatsächlich zeigt das allgemeine Persönlichkeitsrecht klar auf, dass Rechtsperson und Individuum im Recht auseinanderfallen, denn anderenfalls wäre das allgemeine Persönlichkeitsrecht schlicht überflüssig. Als kontextbezogenes Korrektiv kann es den Rechtskreis der Personen bereichsweise weiter ziehen, lässt sich dabei aber nicht auf einen allgemeinen Begriff bringen (vgl. G. Britz, NVwZ 2019, 672, 673 f.; M. Eifert, VerfassungsR-HdB, § 18, 104) Offen bleibt, wie der Beitrag Weigends auch bekennt, inwieweit sich eine konkrete Substanzbetrachtung der individuellen Leiden des Einzelnen (über seine selbstverständlich gewährleisteten Rechte als Rechtsperson hinaus) mit der formalen und insoweit auch kalten Zweckrationalität staatlicher Verfahren in Einklang bringen lässt. – Ablehnend dagegen J. Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, 2014, 88 f.; T. Kleinert, Persönliche Betroffenheit und Mitwirkung, 2008, 220. 386 M. Sachs, JuS 2015, 376, 377. Siehe auch T. Weigend, in: FS Streng, 2017, 781, 789: „seltsam inkonsistent“. 387 Nur noch von rechtshistorischem Interesse ist die sich immer weiter verschleifende Orientierung der Kammerbegründungen an der Rechtsprechung des EGMR (BVerfG-K, 19.5.2015 – 2 BvR 987/11 = JZ 2015, 890, Rn. 27 erwähnt den EGMR nur noch; vertiefter hingegen zuvor BVerfG-K, 26.6.2014 – 2 BvR 2699/10 = BeckRS 2014, 59593, Rn. 18, zur Bezugnahme des BVerfG auf den EGMR auch R. Esser/ F. Lubrich, StV 2017, 418, 421 f.). Siehe dazu EGMR, 27.9.1995 – 18 984/91 Rn. 161: „The obligation to protect the right to life under this provision (art. 2), read in conjunction with the State’s general duty under Article 1 (art. 2+1) of the Convention to ,secure to everyone within their jurisdiction the rights and freedoms defined in [the] Convention‘, requires by implication that there should be some form of effective official investigation when individuals have been killed as a result of the use of force by, inter alios, agents of the State.“ (zur Entscheidung H.-U. Paeffgen, SK-StPO4, Art. 2 EMRK,
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Strafverfolgung388 und nicht auf Strafe. Pauschal lassen sich sämtliche straftheoretischen Einwände hier also nicht übertragen. Aber: Strafverfahrensrecht als „Instrument der Umsetzung des Geltungsanspruchs des materiellen Strafrechts“ 389 erschließt sich nicht ohne die mögliche Rechtsfolge eines Prozesses, die Strafe; ferner argumentieren die Kammerentscheidungen des BVerfG ausschließlich anhand straftheoretischer Muster.390 1. Schutz der persönlichen Integrität Die Kammern des BVerfG nennen als Ziel der „(verfassungsrechtliche)[n] Verpflichtung zur effektiven Strafverfolgung“ „eine wirksame Anwendung der zum Schutz des Lebens, der körperlichen Integrität, der sexuellen Selbstbestimmung und der Freiheit der Person erlassenen Strafvorschriften sicherzustellen“. 391
Das ist im Zusammenhang mit der Begründung eines subjektiv-rechtlichen Anspruchs ein bemerkenswerter Einwurf. Denn diejenigen, zu deren Gunsten beschwerdegemäß strafrechtlich einzuschreiten wäre (namentlich das Opfer oder seine Angehörigen), können nachträglich nicht mehr geschützt werden.392 Es ist eine klassische Einsicht, dass Zweck des Strafrechts „nicht der aktuelle Rechtsgüterschutz, also nicht Schutz der individuellen Person, ihres Eigentums usf. [ist]. Denn dazu kommt es gerade dort, wo es real in Aktion tritt, regelmäßig zu
Rn. 33 f.); ferner EGMR 26.3.1985 – 8978/80, Rn. 27 (mit Akzentsetzung auf einer präventiven Wirkung von Strafe und Strafverfolgung); EGMR, 2.9.1998 – 22495/93, Rn. 100; EGMR, 20.5.1999 – 21594/93, Rn. 91; EGMR 14.3.2002 – 46477/99, Rn. 71 (dazu S. Kuhn, ZRP 2005, 125, 126 f.); EGMR, 22.3.2005 – 28290/95, Rn. 67; EGMR, 10.4.2012 – Nr. 9829/07, Rn. 45. Ein subjektives Recht auf Strafverfolgung lässt sich aus den verschiedenen Einzelfallentscheidungen aber nicht ohne zusätzliche Annahmen herauslesen – der EGMR entscheidet nur nachträglich über eingetretene Menschenrechtsverletzungen, T. Weigend, RW 1 (2010), 39, 47 f. Instruktiv die ausführliche Einordnung der EGMR-Rechtsprechung bei W. Holz, Justizgewähranspruch des Verbrechensopfers, 2007, 98 ff. Ausführliche Kritik bei J. M. Göhler, Strafprozessuale Rechte des Verletzten in der Europäischen Union, 2019, 397 ff. 388 Ein Recht auf Erstattung einer Strafanzeige hatte der erste Senat schon 1987 anerkannt, BVerfG, 25.02.1987 – 1 BvR 1086/85 = BVerfGE 74, 257, 262: „Die (nicht wissentlich unwahre oder leichtfertige) Strafanzeige eines Bürgers liegt im allgemeinen Interesse an der Erhaltung des Rechtsfriedens und an der Aufklärung von Straftaten; der Rechtsstaat kann darauf bei der Strafverfolgung nicht verzichten.“; dazu S. Walther, in: FS Jung, 2007, 1045, 1051. 389 H.-H. Kühne, L/R-StPO27, Einleitung, B. Rn. 51; siehe auch P. Rieß, JR 2006, 269, 270. 390 Wie hier M. Abraham, Sanktion, Norm, Vertrauen, 2018, 236. 391 BVerfG-K, 26.6.2014 – 2 BvR 2699/10 = BeckRS 2014, 59593, Rn. 13; leicht veränderte Formulierung ohne inhaltliche Abweichung in BVerfG-K, 23.2.2021 – 2 BvR 1304/17 = BeckRS 2021, 4125, Rn. 19. 392 K. F. Gärditz, JZ 70 (2015), 896, 898; K. F. Gärditz, JZ 75 (2020), 362, 365; J. Isensee, in: GS Tröndle, 2019, 249, 258, 266.
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spät“.393 Ein empirisch-materielles Schutzinteresse können das Verbrechensopfer und seine Angehörigen also nicht mehr schlüssig verfolgen.394 Im Fall eines vollendeten Tötungsdelikts drängt sich das geradezu auf.395 Der vorangestellte Verweis auf die staatliche Selbstverpflichtung, „sich dort schützend und fördernd vor das Leben, die körperliche Unversehrtheit und die Freiheit des Einzelnen zu stellen und sie vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten Dritter zu bewahren, wo die Grundrechtsberechtigten selbst nicht dazu in der Lage sind“ 396,
wirkt insoweit nicht an einer Begründung mit.397 Es gibt nichts Handfestes mehr, das zu „bewahren“ wäre. Lediglich ideelle, expressive und normativ vermittelte Anliegen taugen an dieser Stelle – der empirische Schaden ist für das Opfer unwiderruflich entstanden – noch zur Straferklärung. 2. Vergeltungsanspruch Die Forderung, es müsse „insoweit gewährleistet werden, dass Straftäter für von ihnen verschuldete Verletzungen dieser Rechtsgüter auch tatsächlich zur Verantwortung gezogen werden“ 398,
lässt sich damit nur als Anspruch auf ideelle Kompensation verstehen. Betrachtet man die Formulierung isoliert, ist zunächst lediglich eine Reaktion als solche auf die Straftat gefordert. Ganz unterschiedliche Spielarten von positiver Generalprävention und strafrechtlicher Retribution ließen sich hier unterbringen. Im Kontext einer Forderung nach einem subjektiv-öffentlichen Recht auf Bestrafung engt sich dieses Erklärungspotenzial indes ein: Strafe dient hier der Vermeidung von Selbstjustiz.399 Soweit gar keine allgemeinbezogene Begründung ansteht und nur die staatliche Interventionspflicht in ein horizontales Täter-Opfer-Verhältnis zu verhandeln ist, beschränkt sich jeder Ausgleichsgedanke auf ein institutionell nur noch zu vollziehendes Straf-Recht auf Gegenschlag. Ohne weitere inhaltliche 393 H. Welzel, Das deutsche Strafrecht, 1969, 3. So etwa auch W. Frisch, in: FS Müller-Dietz, 2001, 237, 252 f. 394 T. Hörnle, Straftheorien, 2017, 42. 395 J. M. Göhler, Strafprozessuale Rechte des Verletzten in der Europäischen Union, 2019, 405. 396 BVerfG-K, 26.6.2014 – 2 BvR 2699/10 = BeckRS 2014, 59593, Rn. 9. 397 Nur wenige Jahre zuvor (BVerfG-K, 4.2.2010 – 2 BvR 2307/06 = BeckRS 2010, 46477, Rn. 19) war hier noch stärker differenziert worden: Über die Schutzpflicht hieß es, sie „gebietet dem Staat, sich schützend und fördernd vor dieses Leben zu stellen; das heißt vor allem, es auch vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten anderer zu bewahren [. . .]. Davon unterscheidet sich aber ein Anspruch gegen den Staat auf effektive Untersuchung von verdächtigen Todesfällen“ (Hervorhebungen nachträglich). Erst im Anschluss formulierte die Kammer sodann eine Ausnahme mit Bezug zur Rechtsfriedensstörung (dazu im Folgenden). 398 BVerfG-K, 26.6.2014 – 2 BvR 2699/10 = BeckRS 2014, 59593, Rn. 13. 399 So auch T. Hörnle, in: FS Neumann, 2017, 593, 601 f.
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Einkleidung rückt das „zur-Verantwortung-Ziehen der Straftäter“ in die Nähe zu atavistischen Rachetheorien400, die schon seit langer Zeit überboten werden.401 Staatliche Strafe ist nämlich keine Ersatzvornahme eines zwischenmenschlichen Revanchefouls, sondern verarbeitet Rechts-Konflikte.402 Die strafprozesstheoretisch folgenschwere403 Installierung erweiterter Verletztenrechte wird durch ihren Pauschalverweis auf Strafen als Staatsaufgabe mit grobem Handwerkszeug angegangen. Selbst wenn man die Funktion von Staatlichkeit (auch) aus dem Motiv der Privatrachevermeidung404 erklären möchte405, wären weitere Folgerungen zu einer Antwort auf Einzelfragen des Klageerzwingungsverfahrens erforderlich. Auch ein „zivilisatorisch eingedämmt[es]“ 406 Genugtuungsinteresse bleibt als rein emotionaler Ausschlag in naturalistischen Schemata festgesetzt und ist somit normativ nicht ohne Zusatzannahmen verwertbar.407 Insoweit schlüssiger scheint der Einwurf, dass der institutionelle Garant subjektiver Rechte ebendiese Rechte auch im Falle ihrer Verletzung nachträglich zu beschützen hat.408 Dahingehend tragen einzelne Vorschläge einen Anspruch auf Strafe als Ausfluss einer staatlichen Folgenbeseitigungspflicht vor.409 Für das horizontale Verhältnis der Bürger dürfte dieser Schutz aber durch die Gewährleistung der Zivilgerichtsbarkeit abschließend erfolgt sein. Die strafrechtliche Reaktion gründet auf derselben Rechtsverletzung, richtet ihren Blick aber auf allgemeine, institutionelle und normative Zwecke.410 Dagegen lässt die Begründung des verfassungsgerichtlichem Beharrens auf der Strafe für den Schädiger der gelisteten Rechtsgüter ein von der konkreten Gesell400 Vgl. dazu S. Barton, Hdb-StrR VII, § 19, Rn. 169; W. Hassemer/J. P. Reemtsma, Verbrechensopfer, 2002, 125 f.; P. Velten, SK-StPO5, vor §§ 395 ff., Rn. 6. Durchaus offen dafür aber J. G. Murphy, Retribution Reconsidered, 1992, 77 ff. 401 Bekannt ist etwa der klassische Hinweis, dass es mit der schlichten Sequenz zweier Übel nicht sein Bewenden haben kann, G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986, § 99. Gegen den Rachegedanken der Strafe auch ebd., § 102. 402 K. F. Gärditz, JZ 70 (2015), 896, 899; C. Roxin/L. Greco, Strafrecht, Allgemeiner Teil Band 1, 2020, § 3 Rn. 36l. 403 R. Esser/F. Lubrich, StV 2017, 418, 422 f.; K. F. Gärditz, JZ 75 (2020), 362, 363 f.; H. Giehring, in: FS Ostendorf, 2015, 353, 367 ff.; A. Würdinger, HRRS 2016, 29, 33 ff. 404 Zur Zirkularität der notorischen Warnung vor Selbstjustiz M. Abraham, Sanktion, Norm, Vertrauen, 2018, 28. 405 Der Begründungsstrang der Kammerrechtsprechung weist hier einen gewissen Bezug zu Gesellschaftsvertragstheorien auf, siehe M. Abraham, Sanktion, Norm, Vertrauen, 2018, 236. 406 Insoweit zustimmend aber T. Hörnle, JZ 70 (2015), 893, 896. 407 Kritisch zu am Individuum ansetzenden Straftheorien allgemein H. Kaiser, Widerspruch und harte Behandlung, 1999, 188 et passim. 408 T. Hörnle, Straftheorien, 2017, 42. 409 S. Walther, Vom Rechtsbruch zum Realkonflikt, 2000, 268. 410 Ausführlich im ersten Teil S. 73 ff.
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Teil 2: Institutionenschutz durch Opferschutz?
schaft losgelöstes Gerechtigkeitspathos411 durchscheinen: Die Entscheidung geht weder auf deontologische Gebotenheit noch funktionale Zweckmäßigkeit ein, sondern setzt ein intuitives Strafbedürfnis rechtlich frei. 3. Institutionenvertrauen Am weitesten führt es also, auf institutionelle und kollektive Aspekte abzustellen.412 Die Entscheidungsbegründungen liefern auch deutliche Hinweise in diese Richtung, wenn, wie schon zitiert, die Sorge vor der „Erschütterung des Vertrauens in das Gewaltmonopol des Staates und einem allgemeinen Klima der Rechtsunsicherheit und Gewalt“ angeführt wird. Diese Vorstellung eines empirischen Normgeltungsschadens ist als ein allgemeines Argument zur Unrechtsbegründung bekannt.413 Dabei setzen die genannten Kriterien des Verfassungsrechtsprechung denkbar hoch an. Mit der kaum einer Messung zugänglichen, wohl nur intuitiv indizierbaren und damit notwendig unscharfen Kategorie einer Schädigung des sozialen Klimas ist also keine Tatbestandsvoraussetzung formuliert,414 die konkret erfüllt sein müsste. Vielmehr handelt es sich eine reine Begründungsstütze durch den Verweis auf die abstrakte (und nicht näher ausgewiesene) Gefahr einer Schädigung gesellschaftlicher Abläufe bei der Nichtermittlung einzelner Straftaten. Unabhängig von der inneren Plausibilität der Annahme lautet die ganz konkrete Frage: Wie lässt sich aus dieser Konstruktion ein subjektiver Anspruch auf Strafverfolgung herleiten? In einem ersten Schritt wären hier Schädigung des Opfers und die benannte Rechtsfriedensschädigung in ein inhaltliches Verhältnis zu setzen. Bereits die Individualisierung eines allgemeinen Stabilitätsinteresses fällt konstruktiv schwer. Oder näher: Warum sollte das Opfer (im Anschluss an die Tat!) ein herausragendes Interesse an der allgemeinen Normstabilisierung haben? Selbst der Täter einer schweren Körperverletzung oder eines versuchten Totschlags wird sich wohl kaum wünschen, dass ihm Selbiges widerfährt; folglich würde sogar der genaue Gegenspieler des Opfers von der allgemeinen Normstabilisierung profitieren können. Wenn man den Aspekt der Rechtsfriedensschädigung einmal zu Ende denkt, stünde im Ergebnis eine Popularklage auf Strafverfolgung415.416 Eine geschädigte Normgeltung betrifft jeden Bürger schließlich gleichermaßen. Es bleibt 411
Dazu bereits K. F. Gärditz, Der Staat 49 (2010), 331, 335 ff. Auch H. Giehring, in: FS Ostendorf, 2015, 353, 354 benennt klar, „dass es dem BVerfG nicht um die Wahrung von Individual-, sondern um die von Allgemeininteressen geht“. 413 Ausführlich S. 169 ff. 414 D. Diehm, in: Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 2016, 223, 235; J. F. Sturm, GA 2017, 398, 400. 415 Vorsichtig dahingehend aber H. Jung, ZStW 93 (1981), 1147, 1165 f.; S. Walther, in: FS Jung, 2007, 1045, 1058. 416 T. Grosse-Wilde, Erfolgszurechnung in der Strafzumessung, 2017, 395 Fn. 180. 412
C. Vorüberlegung: Begründungswege der Opfereinbeziehung
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unklar, warum gerade der Verletzte einer Straftat zur Verfolgung dieses Kollektivinteresses qualifiziert ist.417 Nun behelfen sich die Kammern des BVerfG mit unterschiedlichen Fallgruppen, indem Straftaten gegen „höchstpersönliche Rechtsgüter“ 418 hervorgehoben werden, zusätzlich Straftaten in staatlichen Nähe- und Machtverhältnissen sowie Straftaten durch Amtsträger.419 Umrissen sind damit Straftaten, die das Vertrauen in Staatsinstitutionen beschädigen können, es aber nicht beschädigen müssen. Gleichzeitig sind andere Straftaten denkbar (etwa: eine Diebstahlsserie) – oder auch tatsächlich abwehrbare Angriffe (die Beschlüsse betonen gerade den staatlichen Schutz bei individueller Unfähigkeit der eigenen Verteidigung) –, die für ein viel höheres Maß an sozialer Unruhe sorgen, aber nicht schematisch umfasst sind.420 Trennscharfe Parameter liefern sämtliche Kammerbeschlüsse also nicht und der Zusammenhang mit dem Schutz des konkreten Opfers bleibt weiterhin ungeklärt. Ihren gemeinsamen Nenner legen die Fallgruppen eher bei Begutachtung der staatlichen Interessenlage offen. Alle Konstellationen haben gemeinsam, dass eine mangelhafte Ermittlungstätigkeit denkbar ist (Näheverhältnis von staatlicher Institution und Täter) oder Ermittlungsfehler ein abstrakt schwer gewichtetes Unrecht ungewürdigt ließen und dadurch wiederum das Institutionenansehen schädigen würden. Der Fokus scheint also weniger unmittelbar auf den prozessualen Opferinteressen als vielmehr auf deren mittelbarer Bedeutung für die funktionale Integrität der Strafrechtspflege als solcher zu liegen. 4. Opferschutz: Mittel statt Zweck! Die Überlegungen gelangen also zu einem ganz anderen Ergebnis. Sämtliche bislang dargestellten Deutungsversuche gehen von der Prämisse aus, Opferschutz sei Zweck des verfassungsrechtlichen Strafverfolgungsanspruchs. Die harte Gegenthese lautet: Opferschutz wird lediglich als Mittel in die Verfolgung rechtlich anerkannte Zwecke eingebunden:421 „Die Schwachstelle eines (. . .) objektiven Strafjustiz-Gewährleistungskonzepts besteht nun darin, dass dieses praktisch leerläuft, wenn es niemanden gibt, der über ge417
Kritisch auch J. Isensee, in: GS Tröndle, 2019, 249, 266. In dieser Restriktion bestätigt in BVerfG-K, 22.1.2021 – 2 BvR 757/17 = BeckRS 2021, 1319, Rn. 11. 419 BVerfG-K, 26.6.2014 – 2 BvR 2699/10 = BeckRS 2014, 59593, Rn. 11 f. Eine Untersuchungspflicht bei Taten „im staatlichen Wirkungsbereich“ war ursprünglich auch einmal der Sinn der EGMR-Rechtsprechung, siehe H.-U. Paeffgen, SK-StPO4, Art. 2 EMRK, Rn. 38 ff. Insoweit ist es durchaus irritierend, wenn in der BVerfG-Rechtsprechung auch Taten durch Private umfasst sind, vgl. J. M. Göhler, Strafprozessuale Rechte des Verletzten in der Europäischen Union, 2019, 422. 420 Darauf weist K. F. Gärditz, JZ 70 (2015), 896, 897 f. hin; vgl. auch K. Ambos, in: FS Merkel, 2020, 565, 580; J. F. Sturm, GA 2017, 398, 400. 421 So schon zum Strafantrag P. Rieß, in: FS Jung, 2007, 751, 756. 418
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Teil 2: Institutionenschutz durch Opferschutz?
sicherte Kompetenzen verfügt, untätige Strafverfolgungsbehörden zu aktivem Handeln zu zwingen. Das BVerfG dreht hier letztlich die hemdsärmelige Maxime ,Wo kein Kläger, da kein Richter‘ um: Es muss einen Kläger geben, damit es einen Richter gibt.“ 422
Das institutionelle Interesse richtet sich also auf eine Straftatenaufklärung um des Bestands der Institution willen. Die Gefahr einer inaktiven Strafjustiz liegt von staatlicher Warte nicht im unerfüllten Bedürfnis des Opfers nach Gerechtigkeit. Sondern das individuelle Streben nach Vergeltung wird als antreibender Motor der Strafverfolgungsbehörden funktionalisiert. Es findet also eine Umstempelung der objektiven Staatsverpflichtung zum Schutz seiner Bürger in einen subjektiven Verletztenanspruch statt, wodurch wiederum ein objektives Anliegen, die Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege,423 gestärkt werden soll. Dieses Ergebnis fügt sich in die allgemeinen Strukturen des Klageerzwingungsverfahrens ein, das mit dem zuvor Gesagten auf einen objektiv-institutionellen Zweck ausgerichtet ist.424 Den abrupten Rechtsprechungswandel dürfte die Position, wenn auch nur sehr pragmatisch, erklären. Zu bedenken bleibt, dass es hier einen tieferliegenden Konflikt zu bewältigen gilt: Die den einzelnen Fällen zugrundeliegenden Sachverhalte handeln meist von Übergriffen durch institutionell mit Befugnissen ausgestatteten Personen und ein zugehöriges Machtgehabe im offenkundigen Bewusstsein, kraft staatlicher Ermächtigung frei walten zu können.425 Damit zeigt sich gleichsam, wie problematisch ein pauschales Abstellen auf Opferbelange ist. Denn mit der gleichen argumentativen Gestaltung („Opfer verdienen stärkeren Schutz“) kommt der Gesetzgeber jüngst zu ganz anderen Beurteilungen. Die Täter im Kontext der durch das BVerfG zu entscheidenden Fälle (Polizisten und Soldaten) werden etwa im Kontext des § 114 StGB zu besonders schützenswerten Opfern.426 Es bleibt schließlich zu vermuten, dass eine Stärkung präventiver und inner-institutioneller Kontrollstrukturen427 den Ermittlungsdefiziten besser abhelfen kann als es einer Subjektivierung der Strafrechtspflege gelingt.428
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K. F. Gärditz, JZ 75 (2020), 362, 365. Zu einer dahingehenden „Pflicht des Staates“ H. Landau, NStZ 2007, 121. 424 So auch aus der prozessrechtlichen Literatur u. a.: K. Graalmann-Scheerer, L/RStPO27, § 172, Rn. 1; B. Schmitt64, § 172, Rn. 1; W. Sing/M. Andrä, SSW-StPO4, § 172, Rn. 1; W. Wohlers, SK-StPO5, § 172, Rn. 2; M. A. Zöller, HK-StPO5, § 172, Rn. 1. Anders etwa K. Ambos, in: FS Merkel, 2020, 565, 582 ff. 425 Dazu unten Fn. 783. 426 M. Wagner-Kern, Recht und Politik 54 (2018), 7, 15 f., 18 weist auf etliche Diskrepanzen hin. 427 Dazu insbesondere H.-U. Paeffgen, GA 2013, 253, 262 f. 428 Vorschläge bei K. F. Gärditz, JZ 75 (2020), 362, 365. 423
D. Opferorientierte Sanktionsnormen: Unrechtsbestimmung/Funktionenanalyse 153
D. Opferorientierte Sanktionsnormen: Unrechtsbestimmung und Funktionenanalyse Positivrechtlich finden sich bereits einige Sanktionsnormen im StGB, die an die Verletzung eines bestimmten Opfers schärfere Rechtsfolgen knüpfen. Welche Gemeinsamkeiten die Normen teilen und welche Unterschiede sie andererseits ausmachen, ist bislang ungeklärt. Wie fügen sich also opferbezogene Strafvorschriften in die Systematik des StGB ein?
I. Durchsicht des positiven Rechts Im ersten Zugriff sind die bereits bestehenden opferorientierten Sanktionsnormen auf ihre Schutzrichtung abzuklopfen: – §§ 90, 102, 106 StGB bestimmen als besondere Verletztengruppe den Bundespräsidenten (§§ 90, 106 StGB) und besondere Vertreter ausländischer Staaten (§ 102 StGB). Während § 90 StGB (Verunglimpfung des Bundespräsidenten) „Schutz des Ansehens v. Amt und Person des Bundespräsidenten“ umfasst429, geht es § 106 StGB um dessen (respektive derjenigen der übrigen genannten Verfassungsorgane) „Handlungs- und Entschlussfreiheit“.430 § 102 StGB beinhaltet den Angriff gegen Organe und Vertreter ausländischer Staaten; geschütztes Rechtsgut ist dabei aber einzig die Handlungsfähigkeit ausländischer Staaten.431 § 103 StGB, die Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter, ist 2018 aus dem StGB entfernt worden.432 – §§ 114 und 115 Abs. 3 S. 2 StGB stellen Tätlichkeiten gegen Vollstreckungsbeamte, Hilfeleistende der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes, eines Rettungsdienstes, eines ärztlichen Notdienstes oder einer Notaufnahme unter besondere Strafe.433 Die Schutzrichtung der Normen ist bislang ungeklärt; darauf ist noch vertieft einzugehen. – §§ 174, 174a, 174b, 174c, 176, 176a, 176b, 225, 232 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, 232a Abs. 1, 232b Abs. 1, 233 Abs. 1, 2 Nr. 1, 235, 236 StGB (siehe auch § 58 Abs. 5 JArbSchG) umfassen als besondere Opfergruppe Kinder und Minderjährige (vereinzelt Menschen unter 21 Jahren, siehe etwa § 232a Abs. 1 StGB).
H.-U. Paeffgen, NK-StGB5, § 90, Rn. 2. W. Kargl, NK-StGB5, § 106, Rn. 2. 431 C. Kreß, MK-StGB3, § 102, Rn. 1. 432 Im Rahmen der Causa „Böhmermann“, vgl. dazu J. Kaspar, ZStW 129 (2017), 401; H.-U. Paeffgen, Hdb-StrR IV, § 19, Rn. 10. 433 Die tatbestandliche Situation des § 323c Abs. 2 StGB – Behinderung anderer Personen bei der Hilfeleistung – dürfte häufig die genannten Berufsgruppen als Tatopfer des § 323 Abs. 2 StGB betreffen. Die Norm ist allerdings allgemein formuliert; grundsätzlich ist damit jeder helfende Bürger geschützt, vgl. T. Preuß, ZIS 2019, 345, 350. 429 430
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Teil 2: Institutionenschutz durch Opferschutz?
Geschützte Rechtsgüter sind bei den verschiedenen Delikten – jedenfalls434 – die körperliche Integrität435 beziehungsweise sexuelle Selbstbestimmung436, deren Wahrung jeweils durch die faktisch unterlegene Position des Opfers erschwert ist.437 – § 188 StGB (ehemals § 187a StGB) qualifiziert die Beleidigung (Abs. 1), üble Nachrede und Verleumdung (Abs. 2) gegen Personen des politischen Lebens. Als offensichtlich an der sozialen Position des Opfers orientierte (und in ihrer Verfassungsmäßigkeit bestätigte438) Qualifikation bildet die Norm eine Blaupause für die infrage stehenden Unrechts-Differenzierungen nach der Opferrolle. Die Vorschrift weist jüngst eine hohe kriminalpolitische Dynamik auf. Auch auf § 188 StGB wird noch vertieft einzugehen sein. – § 192a StGB regelt seit 2021 (BGBl. I 4250) die „verhetzende Beleidigung“.439 Der Unrechtsgehalt erklärt sich hier gerade aus der vom allgemeinen Personenstatus losgelösten Individualität des Opfers: Weil das Opfer im Wege einer Beleidigung auf eine „nationale, rassische, religiöse oder ethnische Herkunft“, „Weltanschauung“ oder „Behinderung“ reduziert wird, soll der Tat ein besonderer Unwertgehalt zukommen. Die normativ gleichgeordnete Person wird dabei auf eigene Merkmale reduziert, von denen das Recht gerade absehen möchte. Die Umsetzung dieser rechtlichen Abstraktionsleistung darf die Person normativ auch von anderen Personen erwarten. – § 243 Abs. 1 Nr. 6 StGB ist ein Regelbeispiel des Diebstahls in einem besonders schweren Fall. Die Vorschrift umfasst den Diebstahl unter Ausnutzung von Hilflosigkeit des Opfers440 und vergleichbaren Fällen. Als Normzweck
434 Bei §§ 174, 174a, 174b, 174c StGB wird teilweise das jeweilige institutionelle Verhältnis zwischen Täter und Opfer als Schutzgegenstand angesehen (etwa M. Heger, Lackner/Kühl-StGB29, § 174, Rn. 1), durchweg kritisch dazu J. Renzikowski, MKStGB3, § 174, Rn. 1 u. ö. Bei § 225 StGB wird hingegen diskutiert, ob es sich um ein delictum sui generis handelt, das keine Verletzung der körperlichen Unversehrtheit voraussetzt (so etwa D. Sternberg-Lieben, Sch/Sch-StGB30, § 225, Rn. 1 f.), dagegen H.-U. Paeffgen, NK-StGB4, § 225, Rn. 2 H.-U. Paeffgen/M. Böse, NK-StGB5, § 225, Rn. 2. 435 Zu § 225 StGB: H.-U. Paeffgen, NK-StGB4, § 225, Rn. 2 f. H.-U. Paeffgen/ M. Böse, NK-StGB5, § 225, Rn. 2 f. 436 Siehe etwa J. Renzikowski, MK-StGB3, § 174, Rn. 1; J. Renzikowski, MK-StGB3, § 176, Rn. 1. 437 Einen für die hiesige Untersuchung nicht bedeutsamen Sonderfall bildet § 226a StGB, dessen tatbestandliche Handlung rein empirisch ausschließlich an weiblichen Personen verübt werden kann. 438 BVerfG, 30.11.1955 – 1 BvL 120/53 = BVerfGE 4, 352, 357. 439 Kritische Einordnungen bei E. Hoven/A. Witting, NStZ 2022, 589; S. Jansen, GA 2022, 94. 440 Für ein solches Mordmerkmal de lege ferenda C. Momsen/M. Schwarze, JR 2021, 421.
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werden die „Bedrängnis des Opfers“ und die „verwerfliche[ ] Gesinnung des Täters“ angegeben.441 – § 291 StGB (früher § 302a StGB) betrifft den „Wucher“. Strafbar ist die vertragliche Kontraktion im weiteren Sinne unter der Ausnutzung einer besonderen Schwächelage des Vertragspartners. Der Tatbestand bildet in besonders klarer Paradigmatizität die Schwierigkeiten der Opfereinbeziehung ab: Obwohl zwei Rechtspersonen als Freie und Gleiche aufeinandertreffen, missbilligt das Recht die Kontraktion.442 Parallelen zu § 138 Abs. 2 BGB sind offensichtlich. Das Wucherverbot lässt sich als allgemein-rechtlicher Eingriff in die Privatautonomie verstehen443 und speist sich aus dem zivilrechtlich diskutierten Prozess der „Materialisierung“ 444, der durch § 291 StGB strafrechtlich verstärkt wird. Die Freiheitspositionen der Einzelnen konfligieren in einer Weise, die sich Freiheits-Prinzipien-treu nicht lösen lässt. Demzufolge schützt die Vorschrift ein allgemeines Interesse an der Vertragsfreiheit.445 – Auch die bezüglich der Tatbegehung oder des Taterfolgs allgemeiner gefassten Qualifikationstatbestände weisen bei Delikten gegen die Person einen mittelbaren Opferbezug auf (Beispiel: Die Körperverletzung446 mit einer Waffe).447 Typisch der Fall des heimtückischen Mordes: Indem § 211 Abs. 2 Gruppe 2 Var. 1 StGB auf die besonders gefährliche Begehungsform einer Tötung abstellt448, widmet sie sich einem klar opferorientierten Aspekt.449 Das drückt sich in der näheren Definition aus: Heimtücke meint nach ständiger Rechtsprechung die bewusste Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers in U. Kindhäuser, NK-StGB5, § 243, Rn. 35. Vgl. U. Kindhäuser, NK-StGB5, § 291, Rn. 3. 443 Als Freiheitseinschnitt aus einem Solidargedanken heraus deutet das M. M. Laufen, Der Wucher (§ 291 Abs. 1 Satz 1 StGB), 2004, 87, 155 et passim. 444 Oben bei Fn. 421. 445 U. Kindhäuser, NStZ 1994, 105, 106; U. Kindhäuser, NK-StGB5, § 291, Rn. 2 ff. Anders die h. M., etwa M. Heger, Lackner/Kühl-StGB29, § 291, Rn. 1. 446 Der Vollständigkeit halber noch die Ergänzung, dass der Körperverletzungstatbestand bis 1994 in § 223 Abs. 2 StGB a. F. die sogenannte Aszendenten-Verletzung (und in § 215 StGB a. F. auch den Aszendenten-Totschlag) regelte (dazu H.-U. Paeffgen, NKStGB4, § 223, Rn. 1 H.-U. Paeffgen/M. Böse, NK-StGB5, § 223, Rn. 1). Demnach wurde eine Körperverletzung höher bestraft, wenn sie gegen Verwandte aufsteigender Linie erfolgte. 447 A. Sarhan, Wiedergutmachung zugunsten des Opfers im Lichte strafrechtlicher Trennungsdogmatik, 2006, 235 f. 448 B. Müssig, Mord und Totschlag, 2005, 300. 449 BGH, 27.9.1977 – 1 StR 470/77 = NJW, 709, 710: „Der Grund für die Strafdrohung bei der heimtückischen Tötung liegt in der besonderen Gefährlichkeit des Vorgehens des Täters, der das Opfer in einer hilflosen Lage überrascht und es dadurch hindert, sich zu verteidigen oder sonst dem Angriff zu begegnen; diese besondere Gefährlichkeit will das Gesetz möglichst nachdrücklich bekämpfen und denkt dabei weniger an den Täter als an das hinterrücks überfallene Opfer.“; vgl. dazu U. Neumann/F. Saliger, NK-StGB5, § 211, Rn. 46. 441 442
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Teil 2: Institutionenschutz durch Opferschutz?
feindseliger Willensrichtung.450 Dabei richten sich die Begriffe einzig nach der individuellen Verfasstheit des Opfers, ohne normative Korrekturen insoweit zuzulassen.451 Unter denjenigen Qualifikationsnormen, die auf eine besondere Gefährlichkeit der Begehungsweise abstellen, sticht der Opferbezug des Heimtückemerkmals besonders heraus. Ähnliches gilt für das Mordmerkmal „grausam“. Auch hier zählt zur Bewertung der objektiven Seite der Grausamkeit der psychologisierende Maßstab des Opfers.452 Eine besonders gefährliche Tatbegehung betrifft bei Delikten gegen die Person selbstverständlich auch das Opfer in besonderem Maße.453 Zu denken ist insbesondere an §§ 224 Abs. 1, 244 Abs. 1 Nr. 1, 250 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, 2 StGB. Ähnliches gilt für die Erfolgsqualifikationen wie etwa §§ 221 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3, 226 Abs. 1, 227, 238 Abs. 3, 239 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 4, 239a Abs. 3, 251 StGB. – Alle genannten Tatbestände regeln durchaus Gefährdungen und Schädigungen des Opfers. Dabei beziehen sie sich aber weiterhin auf die abstrakte Rechtsperson und unterscheiden nicht nach der Individualität der Betroffenen; sie betreffen den Problemkreis der Differenzierung nach Opfergruppen nicht. So lagert die Sache auch bei Delikten, die für Opfer in speziellen Tatsituationen (etwa den Führer eines Kraftfahrzeugs nach § 316a StGB) Sonderregeln schaffen, während die Tatsituation aber von der Individualkonstitution des Opfers losgelöst ist. Das ist eine Opfereinbeziehung im viktimodogmatischen Sinne: Einzelne abstrakte Opfergruppen werden hier nicht abgegrenzt.454 An einem Beispiel: Die gefährliche Körperverletzung mit einer Waffe ist gleichermaßen strafbar, wenn sie an einem massigen Kampfsportler oder an einem schmal gebauten Studenten verübt wird. – Schließlich taucht eine Abschichtung unterschiedlicher Opferkategorien auch in § 6 Abs. 1 VStGB (Völkermord) auf. Notwendige Bedingung zur Tatbestandserfüllung ist gerade die Zugehörigkeit des Opfers zu einer dort aufgeführten „nationale[n], rassische[n], religiöse[n] oder ethnische[n]“ Gruppe und die Täterabsicht, die Gruppe dadurch ganz oder teilweise zu zerstören. Dass
450 Siehe nur BGH, 21.12.1951 – 1 StR 675/51 = BGHSt 2, 60, 61; „feindselige Willensrichtung“ seit BGH, 22.9.1956 – GSSt 1/56 = BGHSt 9, 385, 390. 451 Siehe etwa BGH, 6.9.2012 – 3 StR 171/12 = NStZ-RR 2012, 371; vgl. dazu H. Schneider, MK-StGB3, § 211, Rn. 149 f.; kritisch B. Müssig, Mord und Totschlag, 2005, 301 f. 452 BGH, 30.9.1952 – 1 StR 243/52 = BGHSt 3, 180, 181; U. Neumann/F. Saliger, NK-StGB5, § 211, Rn. 76. 453 Ausführend T. Hörnle, in: Die Stellung des Opfers im Strafrechtssystem, 2000, 175, 189 f. 454 Einen Individualschutz in einem solchen weiten Sinne vermitteln noch deutlich mehr Sanktionsnormen des StGB. Das lässt sich recht gut an ihrer Einbeziehung in das Zivilrecht über § 823 Abs. 2 BGB erkennen. Sämtliche insoweit individualschützende Normen des StGB sind mit umfassenden Verweisen aufgeführt bei G. Wagner, MKBGB8, vor § 823, Rn. 596.
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die Opfer als Individuen durch die Norm geschützt werden, wird zumindest von Teilen der Literatur bejaht.455 Allerdings verfügt das Völkerstrafrecht456 über Besonderheiten, die eine Einbeziehung in die hiesige Analyse erschweren: Als auf Universalität457 ausgerichtetes Regelnetz muss sich das Völkerstrafrecht über die Rechtsgrenzen einzelner Gesellschaften hinwegsetzen, sodass der durch Sanktion abzusichernde Normenbestand ein ganz anderer ist als im Fall des nationalen Strafrechts.458 Damit verschieben sich die Bezugspunkte einzelner Rechtsinstitute – natürlich auch der Strafe459 – und Begriffe sind autonom zu bilden.460 Das Völkerstrafrecht kann also nicht auf eine längst gestiftete Rechtswirklichkeit461 reagieren, sondern treibt in einer willkürlich durch die Akteure beeinflussbaren und insoweit nicht normativen Ordnung.462 Die Rechtsdurchsetzung ist nicht unverrückbar institutionalisiert;463 realpolitische Kontingenzen schlagen auf eine Verfolgungs- und Anwendungspraxis durch, die dadurch in den Verdacht gerät, schiere Macht ohne Recht durchzusetzen.464 – Das Ideal der „Opfergerechtigkeit“ verfügt dort über eine nachgerade sinnstiftende Funktion, weil es auf einen zeitlosen und ortsübergreifenden Gedanken von Vergeltung abzielen kann.465 Folgerichtig ist das 455 C. Kreß, MK-StGB3, § 6 VStGB, Rn. 2. Anders etwa BGH, 30.4.1999 – 3 StR 215/98 = BGHSt 45, 64, 80. 456 Zum Begriff L. Gardocki, ZStW 98 (1986), 703, 713; H.-H. Jescheck, Die Verantwortlichkeit der Staatsorgane nach Völkerstrafrecht, 1952, 8 ff. 457 C. Kreß, Journal of International Criminal Justice 4 (2006), 561, 565. 458 Differenzierend C. Kreß, in: Strafrecht und Gesellschaft, 2019, 1, 56. 459 Zu Strafzwecken im Völkerstrafrecht F. Neubacher, NJW 2006, 966. 460 C.-F. Stuckenberg, Vorstudien zu Vorsatz und Irrtum im Völkerstrafrecht, 2007, 27 f. 461 Insoweit hat hier eine vernunftrechtliche Strafrechtsbegründung durch ihr gezieltes Hinwegsehen über das einer realen Durchsetzung zugängliche Recht deutlich weniger Probleme, vgl. M. Köhler, JRE 11 (2003), 435, 438. 462 Vgl. G. Jakobs, Norm, Person, Gesellschaft, 2008, 118. Das hat bereits G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986, § 333 schonungslos zusammengetragen: Weil jeder Staat souverän ist, befinden sich die Staaten „im Naturzustande gegeneinander, und ihre Rechte haben nicht in einem allgemeinen zur Macht über sie konstituierten, sondern in ihrem besonderen Willen ihre Wirklichkeit “. Ein gemeinsames Regelwerk „bleibt daher beim Sollen“, weil es keinen Richter gibt, der gewährleisten könnte, dass im Wege des Völkerrechts allgemeine Regeln in Rechtsform und keine Partikularinteressen in Willkür geltend gemacht werden. 463 Zu gegenwärtigen Durchsetzungsproblemen A. Schiemann, JR 2017, 339, 343. Vgl. F. Neubacher, NJW 2006, 966, 967 zur „heute noch gültigen Erfahrung, dass auf die nationale Justiz bei der Verfolgung völkerrechtlicher Verbrechen kein Verlass ist, jedenfalls dann nicht, wenn eigene Staatsangehörige betroffen sind“. 464 Eindringlich J. Powderly, Leiden Journal of International Law 32 (2019), 1, 8 ff. Zur gegenwärtigen Kritik und Problemen mit weiteren Nachweisen K. Ambos, MKStGB3, vor § 3 VStGB, Rn. 7 ff.; A. Zimmermann, JZ 77 (2022), 261. 465 Vgl. E. Hoven, ZIS 2014, 679, 679: „Opferpartizipation als ,raison d’être‘ der internationalen Strafgerichtsbarkeit.“ Zum kommunikativen Aspekt A. Werkmeister, Straftheorien im Völkerstrafrecht, 2015, 338. Zur Rolle im Verfahren C. Safferling,
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Teil 2: Institutionenschutz durch Opferschutz?
Instrumentarium zur Restitution von Opferinteressen großzügig ausgestattet, zu nennen sind etwa Rechte auf Zugang zur Justiz, Rückerstattung von Abhandengekommenem, finanzielle Entschädigung bis hin zu psychischer Unterstützung.466 Gleichwohl zeigt sich hier sehr deutlich, wie unscharf ein aus der normativen Ordnung isoliertes Anliegen der Solidarität mit dem Opfer wirkt: Jede Ausweitung der nationalen Strafgewalt ist so legitimierbar. Das Argument „beweist zu viel und deshalb bei Lichte besehen nichts“.467 Aufgrund der beschriebenen Unterschiede des inner-gesellschaftlichen Strafens einerseits und universell-völkerrechtlichen Strafens andererseits können daraus aber keine Folgerungen für die hiesige Untersuchung gezogen werden. Denn eine jeweils unabhängige Zweckbestimmung der Strafinstitution führt zu einer ebenso unabhängigen Zweckbestimmung der einzelnen Sanktionsnormen und ihrer (opferbezogenen) Merkmale. Die aufgelisteten Tatbestände teilen die Fokussierung auf eine besondere Qualität des Tatopfers. Ein gemeinsamer Oberbegriff bietet sich nur dann an, wenn neben der phänomenologischen Gleichheit eine Zweckgleichheit hinzukommt. Es drängen sich aber Unterschiede auf. Das verdeutlicht sich bereits bei einem Blick auf die auseinandertretenden Begründungen:468 Sowohl in der konkreten Tatsituation gegen Angriffe gut gerüsteten Individuen (§ 114 StGB) als auch faktisch stark unterlegenen Individuen (siehe etwa § 243 Abs. 1 S. 6 StGB) kommt eine besondere Bedeutung zu. Um diese Differenz systematisch zu erfassen, versuchen sich die folgenden Ausführungen – in Anknüpfung an die hier zugrundeliegenden Überlegungen – an einer dogmatischen Zweiteilung: Opferschutz als strafrechtliche Leistung zugunsten von Rechtspersonen oder Institutionen. Dazu sind die wesentlichen Begründungslinien nachzuziehen, anhand derer eine Unrechtssteigerung bei Taten gegen spezielle Opfergruppen begründbar ist. Aufgeboten werden eine jeweilige Steigerung der Rechts(guts)verletzung, des Normgeltungsschadens und des Handlungsunrechts.
II. Schwere der Rechtsverletzung Begründungen, die eine Opfereinbeziehung gerade aus dessen Personenstatus ableiten möchten, werden durchaus vertreten.
ZStW 115 (2003), 352; C. Safferling, ZStW 122 (2010), 87, 101 ff. Kritisch K. F. Gärditz, Weltrechtspflege, 2006, 337. 466 Hier nach O.-F. Abo-Youssef, Die Stellung des Opfers im Völkerstrafrecht, 2008, 57 ff. et passim. 467 M. Pawlik, in: FS Schroeder, 2006, 357, 365. 468 Siehe auch S. Weiss-Brummer, Der Schutz älterer Menschen durch das Strafrecht, 2021, 278 ff.
D. Opferorientierte Sanktionsnormen: Unrechtsbestimmung/Funktionenanalyse 159
1. Noch einmal: Anerkennung? Ein Argument stellt etwa auf eine freiheitstheoretische Strafbegründung ab. Man hat es hier mit einer genuin idealistischen Bestimmung der Person zu tun: Aus der notwendigen Einbeziehung des Verletzten als dem Täter gleicher Mitkonstituent eines vor-staatlichen, wechselseitigen Anerkennungsverhältnisses soll sich seine besondere Teilhabe an straf(prozess)rechtlichen Instituten erklären. „Ohnehin steht für die Rechtsverletzung die konkrete Verletzung einer Person. Der Verletzte ist damit (ebenfalls) konstituierend im Begriff des Verbrechens und damit in der Strafunrechtsbegründung mit aufgehoben.“ 469
Aber handelt es sich dabei um eine schlüssige Ableitung zur Begründung einer „Sonderstellung“ 470 des Opfers? Eine freiheitstheoretische Strafrechtserklärung setzt unmittelbar am „vernunftbegabten“ Menschen an, sie geht also nicht von einer gesellschaftlichen Konstruktionsleistung aus, die dem Einzelnen Rechtsteilnehmerqualität verleiht. Möchte man diese Begründung einmal gelten lassen,471 ist damit aber noch nicht ausgewiesen, mit welchen Schritten der Weg zum konkreten Verletzten der Straftat führt.472 Denn es ist etwas ganz anderes, die Qualität als Rechtsperson aus der Individualität des Einzelnen zu begründen oder aber Rechtspersonalität und Individualität ohne Abstriche gleichzusetzen. Auch auf dem Standpunkt, die bürgerliche Freiheit sei ontologisch im Menschen angelegt, muss diese Freiheit als gesellschaftlicher Schnittpunkt fixiert werden, damit die Menschen sich im Recht treffen können. Der Einzelne kann nach dieser Herleitung unabhängig von der Ausprägung seiner Individualität seine Personalität niemals einbüßen – seine Personalität bleibt aber immer das Ergebnis einer Verallgemeinerung der Individuen. Letztlich zeigt sich hier auch die Gefahr eines wohlklingenden Terminus des Anerkennungsverhältnisses, der in der Sache dem Begriff des Rechtsverhältnisses in nichts nachsteht: Anerkennung unterstellt in seiner Verwendung als narrativer Kern der personalen Unterscheidung von Rechtskreisen ein individual zugeschnittenes Rücksichtnahmeverfahren auf Ein-
469 R. P. Anders, ZStW 124 (2012), 374, 404. Siehe auch (im Ergebnis ablehnend) K. Helmken, Das Opfer im Strafverfahrensrecht, 2020, 160 ff.; W. Holz, Justizgewähranspruch des Verbrechensopfers, 2007, 122 ff.; S. Walther, Vom Rechtsbruch zum Realkonflikt, 2000, 144 ff. Auch nach G. P. Fletcher, in: Die Stellung des Opfers im Strafrechtssystem, 2000, 75, 81 soll der Ausgleich zwischen Täter und Opfer Vergeltungstheorien nahestehen; insoweit zustimmend M. S. Moore, in: Die Stellung des Opfers im Strafrechtssystem, 2000, 85, 90. 470 R. P. Anders, ZStW 124 (2012), 374, 406; tendenziell ähnlich P.-A. Hirsch, in: Verletzte im Strafrecht, 2020, 31, 50; T. Kleinert, Persönliche Betroffenheit und Mitwirkung, 2008, 218 f. 471 Kritisch dazu im ersten Teil S. 58 ff. 472 Eine besondere Einbeziehung des Opfers durch Rechtsverletzungslehren (und Rechtsgutslehren) verneint auch W. Hassemer, in: FS Klug, 1983, 217, 220 f.
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Teil 2: Institutionenschutz durch Opferschutz?
zelbedürfnisse – das verspricht im bürgerlichen Recht zu viel und lässt sich rechtspraktisch nicht verwirklichen.473 Es ist umgekehrt: Weil die Personalität als Rechtskreis verallgemeinerbarer und be-rechtigter Anliegen des Individuums bereits vollständig im Recht aufgegangen ist, bedarf es gerade keiner erweiterten Einbeziehung individueller Bedürfnisse. Aus einer anerkennungstheoretischen Begründung folgt gerade keine gesonderte Einbeziehung des Verletzten. Alles andere wäre vielmehr eine „Doppelverwertung“ der Rechtsverletzung.474 Über die Schädigung im normativen Sinne entscheidet gerade nicht der empirische Schaden für das Individuum, sondern die Missachtung seiner Subjekts-Qualität (diese Qualität hat es im Idealismus immer inne).475 Die Rechts-Verletzung ist also in einem engen, normativen Sinne gar nicht graduierbar.476 Damit entfällt zunächst die Anknüpfung für eine spezielle Einbeziehung des Tatopfers. 2. Stattdessen: Funktionaler Bezug auf Außer-Rechtliches Die Schwere einer Rechtsverletzung gegen besondere Opfergruppen lässt sich also nicht abstrakt damit erklären, dass die Opfer Rechtspersonen sind. Selbstverständlich kann das Recht des Opfers als solches nicht verletzt werden – das ist ein alter Einwand gegen Rechtsverletzungslehren.477 Gleiches gilt aber für die Beschädigung des sogenannten „Rechtsgutsobjekts“ als Maß des tatbestandlichen Erfolges:478 Bei einem Diebstahl wird die betroffene Sache nicht verletzt, sondern nur ihr Eigentümer (nach teils vertretener Auffassung auch ihr Gewahrsamsinhaber479).480 Verletzt wird – wie oben ausführlich dargelegt481 – die wirklichkeitsmächtige Allgemeinheit normativer Regeln, an der im Fall der Strafe kontra-faktisch festgehalten wird. Es ist denn also nicht zu fragen, was diese Re473
Vgl. auch W. Holz, Justizgewähranspruch des Verbrechensopfers, 2007, 124. So treffend über die opferorientierte Straftheorie von idealistischer Warte R. Zaczyk, GA 2013, 362, 365; im Ergebnis zustimmend T. Grosse-Wilde, Erfolgszurechnung in der Strafzumessung, 2017, 147. 475 B. Noltenius, GA 2007, 518, 524; L. Rösinger, Die Freiheit des Beschuldigten vom Zwang zur Selbstbelastung, 2019, 92 Fn. 210. Vgl. ferner W. Frisch, GA 2021, 65, 75: „Soweit es dabei um (. . .) generalisierungsfähig bestehende Rechte und Pflichten, geht, interessieren freilich zunächst nicht der konkrete ,Täter‘ oder das konkrete ,Opfer‘, sondern das, was vernünftige Rechtspersonen in bestimmten Situationen wollen.“ 476 Vgl. auch K. Seelmann, JZ 44 (1989), 670, 676. 477 Allgemein G. Jakobs, in: FS Androulakis, 2003, 251, 252: „Der Begriff [FL: des Rechts], das An-Sich, ist unverletzbar“; siehe bereits G. W. F. Hegel, Die Philosophie des Rechts (Vorlesung), 1822/2005, § 99: „(. . .) das Recht als Recht bleibt und an ihm als solchem ist eigentlich keine Verletzung geschehen (. . .)“. 478 So aber I. Puppe, ZStW 92 (1980), 863, 883; I. Puppe, GA 1994, 297, 299. 479 BGH, 26.7.1957 – 4 StR 257/57 = BGHSt 10, 400, 401. Dagegen U. Kindhäuser, NK-StGB5, vor §§ 242 ff., Rn. 1. 480 T. Hörnle, Tatproportionale Strafzumessung, 1999, 211. 481 S. 73 ff. 474
D. Opferorientierte Sanktionsnormen: Unrechtsbestimmung/Funktionenanalyse 161
geln für das Opfer bedeuten, sondern was das Opfer für diese Regeln bedeutet, anders: wie sich die empirischen, kontingenten Individualeigenschaften auf die normative Bewertung auswirken. Hier ist an die bereits ausführlich besprochene482 Grundlage der Personalität zu erinnern: Personalität bedeutet die Gleichsetzung ganz verschiedener Menschen im Recht. Möglich ist das nur innerhalb eines institutionellen Netzes. Ein Bezug auf den empirischen „Menschen“ ist also an zweierlei Punkten denkbar: In seiner Funktion als Person im Recht und als Werkzeug einer Institution. Auf welche seiner empirischen Eigenschaften es in der normativen Bewertung ankommt, hängt ganz entscheidend davon ab, welche der benannten Charaktermasken er trägt. Die Bedeutung dieser Betrachtung wird sich in der Untersuchung des § 114 StGB zeigen. Die pauschale Rede vom „Opferschutz“ verwischt also eine funktionale Unterscheidung zwischen Personen- und Institutionenschutz.483 Im Weiteren ist nun zu differenzieren, welche Einzelbezugnahme eines Tatbestandes auf besondere Opfer welchem der beiden Zwecke dient; ob also das Individuum als privater Agent seiner Eigeninteressen oder als Garant der allgemeinen Institutionenerhaltung begriffen wird. 3. Vorüberlegung: Normativismus im Recht – Wie geht das? Damit ist eine entscheidende Weichenstellung bei der Begriffsbildung erreicht. Der Begriff des Opfers im Strafrecht fließt nach dem zuvor Gesagten nicht aus ontologischen Eigenschaften, sondern einzig aus im Recht eingerichteten SollVorgaben, die außer-rechtliche Eigenschaften des Opfers „aus Fleisch und Blut“ normativ verarbeiten. Dieser als „normativistisch“ bezeichneten Begriffsbildungsmethode werden immer wieder fundamentale Einwände entgegengehalten. Insoweit ist sie mit einigen Klarstellungen zu versehen: 482
S. 100 ff. Das ist keine Fiktion, sondern der abstrakte Verweis auf den „Opferschutz“ hat beispielsweise die Gesetzesbegründung von § 114 StGB maßgeblich getragen (siehe S. 192 ff.). Ein weiteres Beispiel aus der Rechtswirklichkeit liefert s 21 A (2) des australischen „Crimes Sentencing Procedure Act“ 1999 von New South Wales. Strafschärfend wirkt nach lit. a: „the victim was a police officer, emergency services worker, correctional officer, judicial officer, council law enforcement officer, health worker, teacher, community worker, or other public official, exercising public or community functions and the offence arose because of the victim’s occupation or voluntary work“ und nach lit. l: „the victim was vulnerable, for example, because the victim was very young or very old or had a disability, because of the geographical isolation of the victim or because of the victim’s occupation (such as a person working at a hospital (other than a health worker), taxi driver, bus driver or other public transport worker, bank teller or service station attendant)“. Beide Kategorien bedingen die gleiche Rechtsfolge und werden in der Literatur teils unter die gemeinsame Klammer „Belange des Opfers“ gefasst (so E. Hoven, in: FS Sieber, 2021, 1373, 1382). 483
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Verbreitet ist der Vorhalt, dass normativistische Rechtsbegriffe ein wirklichkeitsfremdes Eigenleben führen.484 Gemeint ist: Wer etwa eine Körperverletzung begeht, handelt in einem zwischenmenschlichen Konflikt, der Konflikt mit der Norm findet dagegen auf einer „wertenden“ Ebene statt. Dadurch wird ein Beobachtungsergebnis in die Sprache des Rechts eingearbeitet und der Vorwurf dem Täter gegenüber folgt aus einer äußeren Zuschreibung.485 Diese als solche kritisierte „Rutschbahn der Normativierung“ 486 endet erst am Boden der Strafbarkeitsanknüpfung: Der vorgenommenen oder vorzunehmenden Körperbewegung des Täters487 (worin freilich – soweit sich der Handlungsbegriff auf dieses Erfordernis bezieht – bereits die normative Weichenstellung steckt, dass es darauf, also auf das Verhalten eines einzelnen Individuums, zu seiner eigenen Haftung ankommt488). Der Gedankengang weist auf ein entscheidendes Erfordernis hin: Die normativistische Begriffsvernetzung ist in sich schlüssig und wahr, bedarf aber einer Kopplung an die tatsächlichen gesellschaftlichen Praxisformen und deren Kriterien.489 Ein gesellschaftstheoretischer Begriff kennt statt psycho-physischer Systeme nur Personen als Normadressaten,490 muss gleichwohl aber die Anbindung an das Individuum herstellen.491 Normativistische Programme können dieser Aufgabe nachkommen. Sie unterscheiden bisweilen differenzierter als es die Kritik unterstellt: Als Sollens-Ordnung ist das Recht insoweit frei, als es nach Belieben werten kann. Ohne Berücksichtigung der Rechtsteilnehmer, die diese Wertungen praktisch auszutragen ha484 G. Küpper, Grenzen der normativierenden Strafrechtsdogmatik, 1990, 17 ff., 37; M. S. Moore, Southern California Law Review 58 (1985), 277, 302 f. Das ist freilich keine genuin strafrechtliche Debatte, zur verfassungsrechtlichen Gefahr einer „normative[n] Hybris“ etwa O. Depenheuer, HStR XII3, § 269, Rn. 3. 485 I. Puppe, in: FS Grünwald, 1999, 469, 483. 486 I. Puppe, in: FS Grünwald, 1999, 469, 485 entfaltet diesen Gedanken umfassend; siehe auch I. Puppe, GA 1994, 297, 308 u. ö.; vermittelnd U. Neumann, ZStW 99 (1987), 567, 572 f. 487 Zu einer „Handlung“ im normativen Sinne ist damit noch nichts gesagt; die Körperbewegung dient nur als „alltagssprachliche, paradigmatische Markierung einer notwendigen Bedingung strafrechtlicher Verantwortung“, C.-F. Stuckenberg, Vorstudien zu Vorsatz und Irrtum im Völkerstrafrecht, 2007, 203. 488 G. Jakobs, Der strafrechtliche Handlungsbegriff, 1992, 16 in Abgrenzung von der historischen „Sippenschuld“. 489 Vgl. die weiterreichende Kritik von M. Sacher, ZStW 118 (2006), 574, 598 ff.; S. Stübinger, KJ 26 (1993), 33, 46 f.; B. Zabel, Schuldtypisierung als Begriffsanalyse, 2007, 148: „[. . .] Unterbestimmung der personalen Erlebnis-, Weltkonstitutions- wie Weltvermittlungsdimension des Subjekts“; dazu ferner O. H. Gerson, Das Recht auf Beschuldigung, 2016, 50; K. Günther, Schuld und kommunikative Freiheit, 2005, 61 f.; V. Haas, Kausalität und Rechtsverletzung, 2002, 50 f.; U. Kindhäuser, in: Normentheorie, 2022, 27, 50 ff.; B. Zabel, HRRS 2010, 170, 172. 490 G. Jakobs, Norm, Person, Gesellschaft, 2008, 43 ff.; N. Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993, 48 mit Fn. 19; vgl. dazu auch M. Auer, Der privatrechtliche Diskurs der Moderne, 2014, 54 Fn. 38. 491 Sehr griffig am Beispiel des Handlungsbegriffs S. Stübinger, KJ 26 (1993), 33, 46.
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ben, wäre jedes Sollen indes funktional ausgesetzt. Denn der Zweck rechtlichen Sollens ist es ja gerade, auf das „Sein“ einzuwirken492, sodass jedes Sollen – das gilt bereits epistemologisch493 – ohne einen die Kategorien teilenden Seins-Begriff kaum herstellbar ist.494 „Die Gesetze, welche die Wirklichkeit beherrschen, sind deshalb auch für die Rechtsbegriffe maßgebend, die sich in dieser Wirklichkeit realisieren sollen.“ 495 Während normativen Programmen ein unmittelbarer Zugriff auf rechtsäußere Tatsachen verwehrt bleibt, schließt die anwendungstaugliche Kategorienbildung gleichwohl eine zweckgemäß graduierbare Bezugnahme auf ihre Umwelt mit ein.496 Der perhorreszierte reine Wertungsbegriff ist also gar nicht das Anliegen einer normativistischen Lehre und er ließe sich praktisch auch kaum umsetzen, weil Normen nicht auf eine Gesellschaft hinabregnen, sondern in ihr wirklich werden.497 Die klassische Trennung von Sollen und Sein untersagt lediglich eine strenge Ableitung des einen aus dem anderen, erlaubt aber funktional schlüssige Verweisungen.498 „Trennung“ meint hier nämlich keine 492 J. C. Joerden, Logik im Recht, 2018, 184; M. Kamil Abdulsalam, JöR 69 (2021), 487, 489. Zum „logischen Verhältnis zwischen Sein und Wert“ G. Radbruch, Rechtsphilosophie, 1950, 99. Grundlegend I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, 1781/1974, A 808 B 836: „So fern ist sie [FL: die „moralische Welt“, die „bloß als intelligibele Welt gedacht“ wird] also doch eine bloße, aber doch praktische Idee, die wirklich ihren Einfluß auf die Sinnenwelt haben kann und soll, um sie dieser Idee so viel als möglich gemäß zu machen.“ 493 Instruktiv S. Stübinger, Das „idealisierte“ Strafrecht, 2008, 202 f. Klassisch I. Kant, Kritik der Urteilskraft, 1790/1974, AB XIX f.: „Ob nun zwar eine unübersehbare Kluft zwischen dem Gebiete des Naturbegriffs, als dem Sinnlichen, und dem Gebiete des Freiheitsbegriffs, als dem Übersinnlichen, befestigt ist, (. . .) so soll doch diese auf jene einen Einfluß haben, nämlich der Freiheitsbegriff soll den durch seine Gesetze aufgegebenen Zweck in der Sinnenwelt wirklich machen; und die Natur muß folglich auch so gedacht werden können, daß die Gesetzmäßigkeit ihrer Form wenigstens zur Möglichkeit der in ihr zu bewirkenden Zwecke nach Freiheitsgesetzen zusammenstimme.“ Zu Kant auch B. Kelker, Zur Legitimität von Gesinnungsmerkmalen im Strafrecht, 2007, 341. 494 G. Jakobs, RW 1 (2010), 283, 287 f. Diese grundsätzliche Kategorienteilung ist mit C. Menke, Kritik der Rechte, 2015, 63 das Proprium der Rechte im modernen Sinne. 495 G. Rümelin, Juristische Begriffsbildung, 1878, 13 (Zitat orthografisch angepasst). Siehe auch H.-U. Paeffgen, in: FS Wolter, 2013, 125, 139. 496 K. F. Gärditz, Hochschulorganisation und verwaltungsrechtliche Systembildung, 2009, 101 f.; vgl. auch M. Jestaedt, Das mag in der Theorie richtig sein, 2006, 41. 497 G. Jakobs, Norm, Person, Gesellschaft, 2008, 51: „Die Wirklichkeit der Norm bloß im äußeren Vollzug der Sanktion ist Zwang, Natur, nicht aber Gesellschaft. Gesellschaft entsteht, wenn die Norm den die Kommunikation leitenden Maßstab abgibt.“ Siehe auch R. M. Cover, Harvard Law Review 97 (1983), 4, 14: „Of course, no normative world has ever been created or maintained wholly in either the paideic or the imperial mode. (. . .) Law must be meaningful in the sense that it permits those who live together to express themselves with it and with respect to it. It must both ground predictable behavior and provide meaning for behavior that departs from the ordinary.“ 498 N. Hoerster, ARSP 55 (1969), 11, 15; N. Luhmann, Grundrechte als Institution, 1999, 39 mit Fn. 3.
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Spaltung des Rechts-Gegenstandes in ein normatives und ein empirisches Lager499, sondern markiert die Leitdifferenz, anhand derer erst die Reichweite eines rechtlichen Programms – und eben der Raum des in Bezug zu nehmenden AußerJuridischen – bestimmt werden kann.500 Alle normativen Begriffe „beziehen sich letztlich stets auf Beschreibbares, sonst sind sie nicht von dieser Welt“.501 Richtig ist allerdings, dass eine ohne Abstriche normativierte „Person“ gar nicht normwidrig handeln kann.502 Man käme zu dem Punkt, an dem eine Art Teil503-Umkehrung des naturalistischen Fehlschlusses504 erfolgt und vom Sollen auf das Sein geschlossen wird.505 Zu berücksichtigen ist also: „Abstrakte Personalität ist nicht das Ganze und kein Endzweck; Rechte sind nur als nutzbare Rechte gut, ansonsten, als nackte Rechte, unbrauchbar. Systemtheoretisch formuliert, die Person ist dergestalt mit dem Individuum, dem Bedürfniswesen, strukturell gekoppelt, daß sie ohne dessen Befriedigung ihrerseits nicht wirklich werden kann.“ 506
499 C. Möllers, Die Möglichkeit der Normen, 2015, 107: „Auch normative Sätze müssen sich nicht nur auf die Welt, auf Fakten, beziehen, sie müssen auch aus dieser kommen. Sonderontologien für Normen erweisen sich jedenfalls dann als zweifelhaftes Unterfangen, wenn Normen faktische Relevanz entfalten sollen.“ 500 I. Augsberg, Der Staat 51 (2012), 117, 122. Vgl. im systemtheoretischen Kontext N. Luhmann, in: Rechtstheorie als Grundlagenwissenschaft der Rechtswissenschaft, 1972, 255, 276: „Daraus, daß das Recht eine normative Struktur ist, folgt aber keineswegs, daß die Rechtswissenschaft sich auf die Verwendung normativer Begriffe und auf ,Erkenntnisse‘, die zugleich als Rechtssätze fungieren können, beschränken müßte.“; J. Rosenstock/T. Singelnstein/C. Boulanger, in: Interdisziplinäre Rechtsforschung, 2019, 3, 12 mit Fn. 29, 31. Siehe auch M. Auer, RW 8 (2017), 45, 54 f. 501 C.-F. Stuckenberg, Vorstudien zu Vorsatz und Irrtum im Völkerstrafrecht, 2007, 43; siehe auch K. Amelung, ZStW 120 (2008), 205, 208; D. Dold, Eine Revision der Lehre vom Rücktritt vom Versuch, 2017, 2; I. Puppe, Kleine Schule des juristischen Denkens, 2019, 254. 502 I. Puppe, in: FS Grünwald, 1999, 469, 484 f.; M. Sacher, ZStW 118 (2006), 574, 611; eingehend auf dieses Problem U. Kindhäuser, in: Strafrecht und Gesellschaft, 2019, 155, 189 ff. 503 Naturalistischer Fehlschluss und Sein-Sollen-Fehlschluss weisen eine gemeinsame Schnittmenge auf, sind aber nicht identisch. Instruktiv S. Augsberg, ARSP 94 (2008), 461, 470 ff. 504 Dazu G. E. Moore, Principia Ethica, 1903/1970, 41 ff. Grundlegend zu Sein und Sollen I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, 1781/1974, A 547 ff. B 575 f.: „Das Sollen drückt eine Art von Notwendigkeit und Verknüpfung mit Gründen aus, die in der ganzen Natur sonst nicht vorkommt. [. . .] so gibt die Vernunft nicht demjenigen Grunde, der empirisch gegeben ist nach [. . .]“; mit vielen Nachweisen H.-U. Paeffgen, in: FS Wolter, 2013, 125, 129 Fn. 17; ferner R. Zaczyk, in: FS E. A. Wolff, 1998, 509, 513. 505 J. Bung, HRRS 2006, 317; zum „normativistischen Fehlschluss“ schon B. Schünemann, in: FS R. Schmitt, 1992, 117, 131. 506 G. Jakobs, HRRS 2006, 289, 291. Siehe auch G. Jakobs, Staatliche Strafe: Bedeutung und Zweck, 2004, 29: „Potentielle Opfer müssen sich im Recht mit ihren Interessen einrichten können.“
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Eine solche Anbindung, eine „kognitive Untermauerung“ 507, dürfte entscheidend sein, um mit dem Personenbegriff ein innerrechtliches Programm verfolgen zu können.508 Das Recht setzt als Sicherungssystem der Normgeltung voraus, dass es überhaupt Teilnehmer gibt, die Normen möglicherweise nicht einhalten, also Menschen, die auch (normativ) defizitär agieren.509 Des Weiteren erfährt in einem rein empirischen Sinne freilich ein leibhaftiger Mensch und nicht etwa das Kommunikationsmedium „Person“ die Strafe.510 Nur lässt sich daraus nicht rückschließen, dass das Individuum dadurch Schutzgegenstand des Rechts ist. Der Zusammenhang lagert genau umgekehrt: Weil Individuum und Person untrennbar verknüpft sind, lässt sich das Individuum als Mittel in die Sinn-hafte (insoweit eben „normative“) Bestrafung einer Person (das ist nun der Zweck) funktional einbinden. Es wird aber „nicht instrumentalisiert, sondern als Sozialperson ernst genommen, freilich nicht unter Idealbedingungen, sondern in einer Gesellschaft durchaus irdischer Gestalt“.511 4. Übertragung auf opferorientierte Sanktionsnormen Eine Gruppe bilden die Delikte mit Bezug zur Individualität des Opfers. Es handelt sich bei einer solchen strafrechtlichen Verletzung um das Eindringen in täterfremde Räume von Rechtsmacht. Die Personen sind als Rechtspersonen aber normativ gleichgeordnet, es wird über Umstände gerade hinweggesehen. Unter diesem Gesichtspunkt lässt sich also unmittelbar gar kein Grund zur Berücksichtigung des einzelnen in seiner Besonderheit stellen. Berücksichtigt wird also gar nicht die normative Seite der Rechtsperson, sondern vielmehr ihr faktisches Substrat. Weil das Opfer dem Eingriff des Täters strukturell ausgeliefert war, gilt es als schwereres Unrecht, wenn die Rechte des Opfers sodann verletzt werden. In 507
Dazu auch M. P. Navarrete/M. Polaino-Orts, in: FS Kühl, 2014, 363, 368. Siehe allgemein zu systemtheoretischen Analysen als Maßstab innerrechtlicher Argumentation: N. Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993, 352: „Auf dieser Ebene zweiter Ordnung können wir die Frage stellen, wie ein System seine eigene Autopoeisis mit Einschluß seiner Selbstbeobachtung [also sich selbst] ermöglicht, und auf diese Frage antwortet ein anderes, auf der Ebene der Beobachtung erster Ordnung nicht sinnvoll einsetzbares Instrumentarium.“; vgl. dazu K. Gierhake, JRE 28 (2020), 171, 199; C.-F. Stuckenberg, in: Strafrecht und Gesellschaft, 2019, 125, 154 mit Fn. 249. 509 Vgl. N. Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993, 444. 510 Dazu M. Abraham, Sanktion, Norm, Vertrauen, 2018, 92; B. Schünemann, in: FS Roxin I, 2001, 1, 24. Weitergedacht: Ein streng an der Sozialrolle orientiertes Strafen dürfte nicht das Individuum einsperren, sondern müsste die Personalität des Täters zurücksetzen. Auf deliktisches Handeln im Beruf etwa müsste als repressive Hauptstrafe ein Berufsverbot folgen oder durch öffentliche Bekanntmachung das Nichterreichen der sozial erwarteten Kompetenz dokumentiert werden (weitere Beispiele bei R. Zaczyk, GA 2014, 73, 86. An einer Begründung des herkömmlichen Strafens gingen solche Überlegungen freilich vorbei (zu „Shame Sanctions“ M. Kubiciel, ZStW 118 (2006), 45). Dazu M. Abraham, Sanktion, Norm, Vertrauen, 2018, 92; B. Schünemann, in: FS Roxin I, 2001, 1, 24. 511 G. Jakobs, ZStW 101 (1989), 516, 537. 508
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Teil 2: Institutionenschutz durch Opferschutz?
dieser Kategorisierung erfährt also die Person als Rechtsträger keine Aufwertung, es wird lediglich rechtlich darauf reagiert, dass es dem Einzelnen empirisch erschwert war, seiner personalen Willkürsphäre Herr zu werden. Das Opfer hat einen nach naturalistischen Maßgaben „vorgeschwächten“ Rechtskreis zu beherrschen; das Recht wertet diese Vorschwächung und setzt seinerseits das Unrecht hoch. In diese Kategorie fallen beispielsweise §§ 211 Abs. 2 Gruppe 2 Var. 1, 243 Abs. 1 Nr. 6, 291 StGB.512 Darunter fassen sich also besondere Qualifikationstatbestände, die bestehendes Unrecht als vertieft ansehen, wenn ein Opfer besonders wehrlos ist (so z. B. das Regelbeispiel § 243 Abs. 1 Nr. 6 StGB), als auch Tatbestände, deren Unrecht erst durch die Wehrlosigkeit des Opfers konstituiert wird (so z. B. § 291 StGB). Im Vergleich zweier gleicher Straftaten mit verschiedenen Opfern verschiebt sich nicht der rechtliche Teil der Straftat – sondern ihr außer-rechtlicher Teil, auf den sich wiederum die rechtliche Bewertung bezieht. Der Individualschutz dient hier dem Zweck des Personenschutzes. Der Zusammenhang ist ein funktionaler Zusammenhang:513 Um den durch das Recht 512 Das ÖStGB hat die zugehörigen Strafschärfungsgründe verallgemeinert als Strafzumessungsregeln positiviert, siehe § 33 Abs. 1 Nr. 5 (Feindliche Gesinnung gegen Gruppe, der das Opfer angehört), Nr. 6 (Handeln war heimtückisch, grausam oder in einer für das Opfer qualvollen Weise), Nr. 7 (bei Begehung der Tat hat Täter die Wehroder Hilflosigkeit eines anderen ausgenutzt). 513 Nur wenn man hier eine Verknüpfung herstellt – was bedeutet der außer-rechtliche „Realkonflikt“ für den vorgeformten Konflikt der Rechtspersonen? – lässt sich überhaupt klären, inwieweit individuelle Kontingenzen eine normative Neubewertung veranlassen können. Das gelingt nicht, wenn die Abstraktion des Konflikts auf RechtsFragen gezielt abgelehnt wird – als ließe sich das im Recht verhandeln! Gleichwohl gibt es radikal andere Gegenentwürfe: So heißt es, dass „Täter und Opfer (. . .) in unmittelbaren Aspekten ihrer Persönlichkeit, also als unmittelbar gleich zu achtende Person, die zum Beispiel auch leiblich in ihren Gefühlen betroffen sein kann, nicht mehr im Begriff der Straftat präsent sind“ (A. Schmidt, Strafe und Versöhnung, 2012, 119). Wer „gleich zu achten“ sein soll, braucht aber doch einen Maßstab, der die Gleichheit festlegt. Zu Begründung heißt es: „Wir lassen uns als einzigartige leiblich basierte Ganzheit nicht auf bestimmte Aspekte unserer selbst reduzieren, auch nicht in Bezug auf das vernünftige Verstehen einer Straftat (. . .).“ Tatsächlich lassen „wir“ das sehr wohl zu, zumindest soweit „wir“ als Rechtsteilnehmer (und nicht etwa als Einsiedler) leben. Es ist unerklärbar, warum sich eine „leiblich basierte Ganzheit“ strafbar macht, die beispielsweise Lebensmittel in der Filiale eines großen, nicht leiblichen Konzerns stiehlt. Die Wahrheit ist: Nicht Menschen, sondern Personen (natürliche wie juristische) schließen Verträge und die Gegenstände im Eigentum anderer Personen sind keine „Sinngestalten der gemeinsamen Welt“ (ebd., 120), sondern nehmen Warenform an und sind eben nur als Gebrauchswerte zugänglich, wenn andere Ware (regelmäßig in Geldform) hingegeben wird. Die Vorstellung eines rechtsverbindlichen „Interexistenzials“ (ebd., 101 ff. und durchgehend) liest sämtliche gesellschaftlichen Umstände in die naturgegebene Konstitution des Menschen hinein: Als „Gründe für die Asymmetrie“ zwischen den Reichsteilnehmern werden in einem Zug (!) leibliche Verschiedenheit, ungleiche soziale Lebensverhältnisse und „Komplexität der Gesellschaften“ angegeben (ebd., 85). – Aber das Recht nimmt nicht auf diese Asymmetrie Bezug (ebd., 87), sondern erzeugt sie, indem sich die leiblich Verschiedenen (diese Asymmetrie besteht tatsächlich vor-rechtlich) an einem gemeinsamen normativen Maßstab messen lassen müssen.
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gesetzten Zweck der personalen Freiheit verwirklichen zu können, kategorisiert das Recht die außer-rechtlichen Maßstäbe (die natürliche Verfasstheit der Individuen). Die Verletzung eines besonders hilflosen Opfers greift also einen „empirisch vorgeschwächten“ Rechtskreis an und ist dann schwerwiegenderes Unrecht. Die Gesetzgebungspraxis geht dabei freilich nicht anhand der einzelnen Individuen als solchen vor, sondern formt entsprechende Untergruppen (beispielsweise Minderjährige, Behinderte, ältere Menschen).514 Aber – und das ist der kruziale Punkt – diese Untergruppen gehen von einem empirischen Maßstab aus, der mit der ursprünglichen normativen Gleichsetzung der Rechtspersonen515 in einem Widerspruch steht. Diese Differenzierung lässt sich auch der Gesamtrechtsordnung entnehmen. §§ 2, 106 ff. BGB ergeben, dass das bürgerliche Recht nach der Kontrollfähigkeit über den eigenen Rechtskreis unterscheidet;516 ein noch deutlicher parallelisiertes Verhältnis findet sich bei § 138 Abs. 2 BGB und § 291 StGB. Diese Personalitäts-Begrenzung ist keine Selbstverständlichkeit, sondern „eine geradezu dramatische Einschränkung nicht nur der allgemeinen Handlungsfreiheit, sondern darüber hinaus auch des Persönlichkeitsrechts oder der engeren persönlichen Lebenssphäre“.517 Nur soweit man den Modus der Rechtsverletzung insoweit entnormativiert und den Erfolg auf sein faktisches Substrat zurückführt, erschließt sich die opferorientierte Ungleichbehandlung der Rechtseingriffe. Das Strafrecht bezieht sich auf das empirische Opfer, um wiederum die normative Gewährleistung der Verfügungsmacht über die eigene Persönlichkeitssphäre zu stützen. 5. Folgerungen zum strafrechtlichen Institutionenschutz Dieser Begründungszusammenhang verschiebt sich, wenn der Opferschutz mit institutioneller Ausrichtung Teil der Strafnorm ist. Der Grund ist simpel: Die gemeinsame Klammer „Opfer“ taugt nur, solange sie Gegenstände mit gleicher Zwecksetzung umfasst; das ist eine Konsequenz der Relativität der Rechtsbegriffe.518 Wird ein Individuum nun aufgrund seiner institutionell fundierten sozialen Rolle geschützt, lässt sich dies nicht als Funktionalisierungsvorgang zugunsten seiner Personalsphäre plausibel machen. 514 Zu älteren Menschen ausführlich S. Weiss-Brummer, Der Schutz älterer Menschen durch das Strafrecht, 2021. 515 Diese besteht – wie oben ausführlich gezeigt – in einem „vollkommen abstrakte[n] Ich, in welchem alle konkrete Beschränktheit und Gültigkeit negiert und ungültig ist“, G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986, § 35. Im Ausgangspunkt abstrahiert das Recht von allen Bezugspunkten, die Minderjährige, Behinderte oder ältere Menschen von anderen Menschen unterscheiden. 516 Vgl. A. Spickhoff, MK-BGB9, vor § 104, Rn. 6. 517 C.-W. Canaris, JZ 42 (1987), 993, 996. 518 Dazu K. Engisch, in: Deutsche Landesreferate zum V. Internationalen Kongreß für Rechtsvergleichung, 1958, 59, 68.
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Zur Veranschaulichung: Der Bundespräsident wird nicht um seiner privat-persönlichen Würde willen vor Verunglimpfung (§ 90a StGB) geschützt,519 sondern, weil sein Amt vor ideeller Desavouierung abgeschirmt wird. Das ist eine Veränderung der normativen Stoßrichtung. Von Interesse ist dieser Gedanke vor allem bei einer Untersuchung des § 114 StGB. Dort fließen Opferschutzargumente und Institutionenschutzargumente zusammen und werden kaum getrennt betrachtet. Ein Argument hängt aber an seinen Bezugspunkten und wenn diese sich verschieben, ist das Argument erneut auf seine Beschreibung der Zweckzusammenhänge zu überprüfen.520 Eine Erklärung anhand der besonderen Unterlegenheit des Rechtsinhabers trägt hier nicht mehr. Prüft man einmal die Argumente der personalen Orientierung, schlagen sie nicht ohne Weiteres durch: Es ist beispielsweise in der Durchführung nicht voraussetzungsloser oder -reicher, den Bundespräsidenten zu verunglimpfen (§ 90 StGB) verglichen mit anderen Adressaten eines verbalen Angriffs. Genau so gibt es keine individuell-substanzielle Prägung bestimmter Personen des öffentlichen politischen Lebens oder Vollstreckungsbeamter, die diese zu leichteren Opfern einer üblen Nachrede (§ 188 StGB) bzw. eines tätlichen Angriffs werden lassen (§ 114 StGB). Eine empirisch messbare Steigerung der Angriffe auf Rechtsgüter sind im Einzelfall zu prüfen – nur liegt selbst dann die gesteigerte Schädigungswahrscheinlichkeit an der personalen Rolle und eben nicht an dem Individuum, das diese Rolle auszufüllen hat. Der besondere Schutz des Strafrechts zugunsten einer sozialen Position lässt sich also nicht ohne Weiteres anhand der Wahrung subjektiver Rechte erklären. Hier werden vielmehr einzelne gesellschaftliche Funktionen in besonderem Maße strafrechtlich gewürdigt. Die Norm berücksichtigt nicht den Rollenträger als besonders vulnerables Individuum – gerade als Träger dieser Rolle wertet das Recht seinen Status auf. Der Schutz des einzelnen Opfers muss sich hier zur Stützung seiner durch ihn getragenen Institutionenebene fruchtbar machen lassen. Gesetzlich angeordnet ist das etwa in § 188 StGB: Die Äußerung gegen eine „Person des politischen Lebens“ muss „geeignet [sein], sein öffentliches Wirken [das des Beleidigten] erheblich zu erschweren“.521 Zwischen Äußerung (Beleidigung, Übler Nachrede oder Verleumdung) und dem Wirken der politischen Person als politische Person muss ein Konnex bestehen. Was also das Individuum hart treffen kann, kann für die Politikerrolle unerheblich sein. Gleichzeitig kann tatbe519 Im Ausgangspunkt wie hier H.-U. Paeffgen, NK-StGB5, § 90, Rn. 2, der aber davon ausgeht, dass „die Person in der Amtsstellung ,Bundespräsident‘ v. der Privatperson des Amtsinhabers – während der Amtszeit – kaum zu trennen [ist]“. Die hiesige Position möchte aber gerade anhand dieser Unterscheidung – so künstlich sie im Alltagsverständnis auch wirken mag – analytischen Gewinn erzielen. 520 Vgl. I. Puppe, ZIS 2020, 143, 149. 521 Unterschiedlich beantwortet wird, ob dabei eine abstrakte Eignung des Inhalts genügt (so BGH, 8.1.1954 – 5 StR 611/53 = NJW 1954, 649; BGH, 4.3.1981 – 2 StR 641/80 = BeckRS 1981, 31107343) oder, ob auch die konkreten Umstände der Äußerung miteinzubeziehen sind (so R. Zaczyk, NK-StGB5, § 188, Rn. 6).
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standlich sein, was ein möglicherweise künstlich errichtetes Öffentlichkeitsbild beschädigt, den Privatmenschen aber völlig unberührt lässt.522 Es wäre also ein vergebliches Unterfangen, eine Verbindung zwischen Äußerungsdelikten gegen Personen des politischen Lebens und einer Berührung ihrer personaler Rechtskreise zu knüpfen. Überdeutlich ist ein von der Rechtssubjekt-Qualität des Tatopfers absehendes Verhältnis bei § 109 StGB, Wehrpflichtentziehung durch Verstümmelung, zu erkennen. Die im Übrigen straflose Verletzung des eigenen Körpers ist hier tatbestandlich, weil es um die „personelle Voraussetzung der Landesverteidigung“ 523 geht, der Einzelne mithin als bloßes menschliches Staatsinventar gilt. Die funktionale Erklärungslinie ist also eigenständig zu ziehen: Allgemein ist zu folgern: Die Erklärungsregeln personenbezogener Opferschutzdelikte sind nicht ohne Zusatzannahmen übertragbar.524 Der reine Topos „Opferschutz“ ist damit zur Begründung sowohl personal als auch institutionell vermittelter Verletzteneinbeziehung ungeeignet. Denn gibt es keinen gemeinsamen Zweck der Verletzteneinbeziehung, dann ist auch der Topos als leere Begriffshülse wertlos; anders gewendet ist ein gemeinsamer Begriff nur dort zu mobilisieren, wo er Gleiches zusammenfasst und nicht etwa Ungleiches in eine unzweckmäßig bestimmte Schnittmenge drückt.
III. Besonderer Normgeltungsschaden Insbesondere in der US-amerikanischen Debatte ist der Gedanke publiziert worden, ein besonderes Unrecht sei im Angriff auf die „larger community“ 525 eines bestimmten Opfers zu erkennen.526 Das ist schon aus diesem Grund ein spannender Gedanke, weil er das, was im Deutschen als „Normgeltungsschaden“ firmiert, auf einen konkreteren Begriff zu bringen scheint. Über das Unrechtsausmaß entscheidet gleichermaßen ein Tat-externer, gesellschaftlicher Standpunkt: Inwieweit ist die Tat geeignet, soziale Unruhe zu stiften und das Normvertrauen zu beschädigen? Darunter kann man nun zweierlei verstehen527: Einerseits den rein normativen Verbrechensschaden, der auszugleichen ist, weil die Norm sonst „nicht gilt“ (in 522
Vgl. F. Hartung, JR 1951, 677, 678. H.-E. Müller, MK-StGB4, § 109, Rn. 1. 524 Erste Überlegungen dazu schon bei U. Bachnick, ZRP 2001, 250, 251 f. 525 Zur Vieldeutigkeit dieses im anglo-amerikanischen Diskurs beliebten Begriffs der „community“ S. Walther, ZStW 111 (1999), 123, 136 f. Fn. 21. 526 F. M. Lawrence, Punishing Hate, 1999, 41 ff.; dazu M. S. Moore/H. M. Hurd, Stanford Law Review 56 (2004), 1081, 1090 ff. 527 Zur Unterscheidung T. Geiger, Vorstudien zu einer Soziologie des Rechts, 1964, 65 ff.; L. Greco, Strafprozesstheorie und materielle Rechtskraft, 2015, 189 f.; W. Holz, Justizgewähranspruch des Verbrechensopfers, 2007, 178; U. Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, 1989, 133 f. 523
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einem empirie-freien Sinne als reiner Idealismus); andererseits das „soziologisierende“ Abstellen auf eine empirisch messbare Erwartungsunsicherheit der Bevölkerung. Die Konfundierung beider Momente wird als Erschwernis einer Normgeltungs-orientierten Erfolgsbemessung betrachtet,528 sodass im Folgenden zu unterscheiden ist. 1. Normative Bestätigung Der erste Ansatz stellt nur auf die Funktion des Strafrechts im Recht ab. Normbestätigung ist damit erreicht, sobald die Strafe erklärt, die Norm nun bestätigt zu haben. Diesen Gedanken hat vor allem Jakobs (zeitweise529) vorangetrieben.530 Zur Strafe im Allgemeinen heißt es etwa: „Empirische Untersuchungen zur positiven Generalprävention müssen deshalb stets ein wenig deplaciert wirken; sie betreffen das Umfeld, scil. die individual- oder sozialpsychischen Folgen, nicht aber den Kern der Theorie: Strafrecht stellt auf der kommunikativen Ebene die gestörte Normgeltung schlechthin immer wieder her, wenn überhaupt ernsthaft ein Verfahren wegen einer Normverletzung betrieben wird, und das heißt zugleich, damit werde die unveränderte Identität der Gesellschaft dargestellt. Empirisch faßbar sind an diesem Vorgang einzig die Straftat, das Verfahren und der Zusammenhang beider; nicht empirisch faßbar ist insbesondere die Bestätigung der Identität; denn sie ist nicht Folge des Verfahrens, sondern seine Bedeutung.“ 531
Das ist ein abstrakter, gesellschafts-übergreifender und insoweit formaler Ansatz, und es kann nicht überraschen, dass eine sichere Vermessung des Unrechts damit schwer fällt. Folgerichtig konstatiert Jakobs, dass „ein für allemal geltende Strafquanten sich nicht nennen [lassen]“.532 Um sich dieser systematischen Begründung nähern zu können, sind zunächst einige grundlegende Einordnungen fällig. a) Die Prämissen der Gesellschaftstheorie: Jeder Naturalismus soll ausgeschieden werden und zugunsten einer Begriffsbildung zurücktreten, die erstens normativ ist, also ihre Kategorien aus einem nicht unmittelbar der Faktizität entnommenen Sollen bestimmt, und zweitens funktional ist, der Inhalt des Sollens sich also nach der Leistungserbringung zum Systemerhalt richtet.533 Im Ursprung ent528
T. Grosse-Wilde, Erfolgszurechnung in der Strafzumessung, 2017, 447. Zu dessen „changierenden Stellungnahmen“ T. Grosse-Wilde, Erfolgszurechnung in der Strafzumessung, 2017, 443 ff. 530 Ebenso für eine Wiederherstellung des Rechts W. Frisch, in: FS Müller-Dietz, 2001, 237, 254. 531 G. Jakobs, ZStW 107 (1995), 843, 844 f.; ähnlich G. Jakobs, in: Strafe muss sein! Muss Strafe sein?, 1998, 29, 36; H. H. Lesch, ZStW 105 (1993), 271, 274; H. H. Lesch, JA 1994, 590, 598; H. H. Lesch, Der Verbrechensbegriff, 1999, 192 f. et passim. 532 G. Jakobs, Norm, Person, Gesellschaft, 2008, 115. 533 „Die ontologisierende Strafrechtsdogmatik zerbricht, und zwar gründlicher, als sie überhaupt je bewußt etabliert worden ist“, G. Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, 1983, Vorwort, V; G. Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, 1991, Vorwort, VII druckt 529
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stammt der Gedanke dem Neukantianismus, alles Recht losgelöst von Empirie aus Werten aufzubauen.534 Bei Jakobs findet der Gedanke seine grundlegende Umsetzung im Strafrecht.535 Dabei macht sich Jakobs einen systemtheoretischen Ansatz in Anknüpfung an Luhmann536 nicht umfassend zu eigen,537 lässt das Paradigma eines „autopoietischen“ Systemerhalts aber in die Theoriebildung einfließen.538 Wenn die Rede von „Verhaltenserwartungen“ und deren Sicherung ist, dann handelt die Theorie nicht davon, wie Menschen sich in Gesellschaft verhalten und welche Zwecke sie dabei verfolgen dürfen und müssen. Sondern das reine Faktum ihres (als solches gar nicht verhandelbaren) Zusammenlebens wird auf den Groß-Begriff „Gesellschaft“ gebracht, um sodann das Verhalten der Personen auf den Zweck des Gesellschaftserhalts normativierend einzuschließen, umgekehrt gleichsam den Gesellschaftszweck in der Gewährleistung personaler u. a. diesen Auszug ab mit dem Verweis auf S. V, es skizziere den „Ordnungsansatz“, das Strafrecht nach seiner gesellschaftlichen Aufgabe zu bestimmen. Zu diesem geflügelten Zitat G. Küpper, Grenzen der normativierenden Strafrechtsdogmatik, 1990, 11 f.; M. Pawlik, in: Strafrecht und Gesellschaft, 2019, 217, 240; C. Roxin, NJW 1984, 2270; C. Roxin, GA 2011, 678, 688; P. Schladitz, Normtheoretische Grundlagen der Lehre von der objektiven Zurechnung, 2021, 47; E. Schmidhäuser, JZ 41 (1986), 109, 116; B. Schünemann, GA 1995, 201, 218 f. 534 Vgl. etwa B. Schünemann, in: Grundfragen des modernen Strafrechtssystems, 1984, 1, 24 f.; H. Welzel, Abhandlungen zum Strafrecht und zur Rechtsphilosophie, 1975, 70 ff. 535 Instruktiv C.-F. Stuckenberg, in: Strafrecht und Gesellschaft, 2019, 125; explizit zu Schnittmengen zwischen Jakobs’ Lehre und neukantianischem Denken ebd., 146 ff.; vgl. auch B. Zabel, Schuldtypisierung als Begriffsanalyse, 2007, 224. 536 Übersichtlich zu Luhmann etwa: R. Dreier, ARSP 88 (2002), 305; B. Müssig, Schutz abstrakter Rechtsgüter und abstrakter Rechtsgüterschutz, 1994, 87 ff.; eine eng an Luhmann konzipierte Strafrechtskonstruktion bei H. H. Lesch, Das Problem der sukzessiven Beihilfe, 1992, 239 ff. 537 Bisweilen distanziert Jakobs sich von bestimmten Aspekten der Theorie Luhmanns, siehe G. Jakobs, ZStW 107 (1995), 843; G. Jakobs, in: Verantwortung in Recht und Moral, 2000, 57, 64 Fn. 11. Vgl. zur Verbindung von Jakobs und Luhmann etwa P. P. de Albuquerque, ZStW 110 (1998), 640, 644 Fn. 22; M. Pawlik, in: FS von Heintschel-Heinegg, 2015, 363, 364 ff.; G. Stratenwerth, in: FS Lüderssen, 2002, 373, 380; H. Weyrich, Straftheorien und Rechtswirklichkeit, 2021, 69; B. Zabel, Schuldtypisierung als Begriffsanalyse, 2007, 221; breit belegt von M. Sacher, Sonderwissen und Sonderfähigkeiten in der Lehre vom Straftatbestand, 2006, 95 f. – Dagegen meint etwa C. Kreß, in: Strafrecht und Gesellschaft, 2019, 1, 5 die Bedeutung der Systemtheorie für das Werk Jakobs’ sei „überschätzt“; noch deutlicher M. Pawlik, in: Strafrecht und Gesellschaft, 2019, 217, 249; H.-U. Paeffgen, in: FS Amelung, 2009, 81, 84 Fn. 18 spricht von „der sich zunehmend verschleifenden Bedeutung“ des Werkes Luhmanns für Jakobs’ Lehre. 538 Es gibt zahlreiche sehr ausführliche Einführungen in das Strafrechtssystem Jakobs’; die folgenden Bemerkungen beschränken sich auf die für die hiesige Untersuchung entscheidenden Eckdaten. Weiterführend etwa: W. Frisch, in: Strafrecht und Gesellschaft, 2019, 647; C. Kreß, in: Strafrecht und Gesellschaft, 2019, 1; U. Neumann, in: Strafrecht und Gesellschaft, 2019, 257; H.-U. Paeffgen, NK-StGB4, vor §§ 32 ff., Rn. 212 ff.; H. Schneider, Kann die Einübung in Normanerkennung die Strafrechtsdogmatik leiten?, 2004, 70 ff.
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Freiheit zu erkennen – die sodann zum Gesellschaftserhalt verwendet werden kann. So wird deutlich, dass es nicht zielführend ist, etwa auf den kreisförmigen Selbstbezug der Elemente in Jakobs’ Strafrechtssystem kritisch hinzuweisen.539 Wird nur der Bestand der Gesellschaft gesichert, ohne eine höhere Vorgabe, aus der heraus Ableitungen erfolgen, ist das sehr wohl zirkulär, gleichsam aber Ausfluss eines funktionalen Systemdenkens.540 In diesem Sinne bestimmen sich die wesentlichen Elemente des gesellschaftstheoretischen Strafrechtssystems wechselseitig: Strafe erklärt im Falle der Enttäuschung bestimmter Erwartungen eine Person für zuständig und hält an der Norm fest.541 Gesellschaft und Person sollen gleichzeitig nur durch Normgeltung entstehen;542 die Norm wiederum ist Produkt gesellschaftlicher Verständigung.543 Geläufig ist mittlerweile der Begriff der „Gleichursprünglichkeit“.544 Unschwer erkennbar sind diese Definitionen in Teilen zirkulär und liefern keine jeweils neuartige Erkenntnis.545 Diesen Anspruch möchte ein gesellschaftstheoretischer Begriff aber auch nicht erfüllen. Er beinhaltet die Ist-Aufnahme eines sozialen Systems, dessen Bestandteile begriffsnotwendig aufeinander verweisen. Es wäre im Gegenteil weltfremd, die Strafe als gesellschaftliches Ereignis losgelöst von 539 So aber B. Schünemann, GA 1995, 201, 220; B. Schünemann, in: FS Roxin I, 2001, 1, 16, 18 f.; I. Puppe zit. nach F. Zieschang, ZStW 107 (1995), 907, 925; vgl. zur Zirkelfigur G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik I, 1812/1986, 71; G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986, § 2 Z: „Die Philosophie bildet einen Kreis“; siehe aber die Deutung von S. Stübinger, Das „idealisierte“ Strafrecht, 2008, 318 zur Funktion im dialektischen Denken. 540 Die Zirkularität bestreitet C. Kreß, in: Strafrecht und Gesellschaft, 2019, 1, 26. Zirkularität widerspricht indes keineswegs dem Streben nach einer höheren, einheitsstiftenden Idee, sind doch die wechselseitigen Bezüge in Jakobs’ Verbrechensmerkmalen (Handlung, Zuständigkeit, Schuld etc.) Folge eines Verbrechensbegriffs als umfassendes Totum. 541 Vgl. nur: G. Jakobs, in: FS Roxin I, 2001, 793, 794. 542 Vgl. nur: G. Jakobs, ZStW 107 (1995), 843, 847, 873; G. Jakobs, Norm, Person, Gesellschaft, 2008, 51; G. Jakobs, System der strafrechtlichen Zurechnung, 2012, 27. 543 G. Jakobs, Norm, Person, Gesellschaft, 2008, 61. 544 G. Jakobs, ZIS 2006, 589; G. Jakobs, Rechtsgüterschutz?, 2012, 26 f.; G. Jakobs, in: FS Frisch, 2013, 81, 91 f.; siehe auch G. Jakobs, in: Lebendiges und Totes in der Verbrechenslehre Hans Welzels, 2015, 257, 274. – Vgl. hierzu schon N. Luhmann, Soziale Systeme, 1984, 92: „Personen und soziale Systeme sind im Wege der Co-Evolution entstanden (. . .) Personen können nicht ohne soziale Systeme entstehen und bestehen, und das gleiche gilt umgekehrt“, siehe auch ebd., 293 f.; kritisch zur Co-Evolution aber G. Jakobs, Norm, Person, Gesellschaft, 2008, 4. – Ferner taucht der Begriff auch mit anderer Stoßrichtung in der idealistischen Rechtsbegründung auf, wenn betont wird, dass die Freiheit der sich wechselseitig anerkennenden Personen „gleichursprünglich“ ist, so K. Gierhake, ZRph Neue Folge 1 (2017), 92, 93; S. Schick, JRE 28 (2020), 85, 95; E. A. Wolff, in: Strafrechtspolitik, 1987, 137, 182; R. Zaczyk, in: FS E. A. Wolff, 1998, 509, 519. 545 M. Sacher, Sonderwissen und Sonderfähigkeiten in der Lehre vom Straftatbestand, 2006, 95; M. Sacher, ZStW 118 (2006), 574, 590 ff. führt dies vertieft aus und belegt im Weiteren tautologische Elemente in Luhmanns Lehre.
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ihrem institutionellen Rahmen zu erklären, der den Begriff doch erst in die Wirklichkeit überführt. Die Straftat reißt eine Lücke in den Organismus mit dem Namen „Gesellschaft“, die Strafe bildet das Ersatzstück. Die Gesellschaftsidentität ist dann funktional wiederhergestellt. Eine Straftheorie nach dieser Ausrichtung changiert zwischen den klassischen Kategorien „Vergeltung“ und „Prävention“ 546 – am ehesten beschreibt das gesellschaftstheoretische Strafverständnis ein expressives, kontrafaktisches Festhalten an der Norm.547 Insgesamt berühren und überschneiden sich bei Jakobs ein ganzheitlicher Rechtsbegriff mit hegelischem Bezug und systemtheoretische Betrachtungen in wechselhaften Akzentuierungen.548 Die Verbrechenslehre ist damit untermauert: Zweck der Strafe ist der Geltungserhalt der Norm, sämtliche Begriffe haben sich danach zu richten. Der Normgeltungsschaden kann also kaum in schlichter Für-Wider-Abwägung den Theorienzweigen der Rechtsverletzung oder der Rechtsgutsverletzung entgegengehalten werden, sondern ist erst verallgemeinert erklärlich.549 Die Strafinstitution verfügt über einen festen Platz: „Auf diese Kraft kann freilich kein System verzichten.“ 550 b) Der hiesige Ansatz hat viele der soeben nur angedeuteten Gedanken übernommen: Hier ist die Rede vom Recht, wie es ist, und nicht, wie es sein könnte; und jenes „wie“ lässt sich nicht nach zeitlosen Transzendentalien bestimmen, 546 Gegen diese übliche Unterscheidung S. Stübinger, Das „idealisierte“ Strafrecht, 2008, 289 f. 547 Vgl. die changierenden Stellungnahmen: G. Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, 1991/4 ff. (generalpräventiv); G. Jakobs, ZStW 107 (1995), 843, 844: „Die Strafe ist in diesem Verständnis nicht nur ein Mittel der Erhaltung gesellschaftlicher Identität, sondern ist bereits diese Erhaltung selbst“; ähnlich G. Jakobs, Norm, Person, Gesellschaft, 1997, 106; G. Jakobs, Staatliche Strafe: Bedeutung und Zweck, 2004, 33 f. gegen eine Schematisierung nach „gerecht versus zweckmäßig“ und stattdessen nach „verdient versus unverdient“; G. Jakobs, System der strafrechtlichen Zurechnung, 2012, 15 spricht von „geltungserhaltender Generalprävention“; zur Einordnung Jakobs’ Straftheorie in klassische Muster: K. Seelmann, in: Strafrecht und Gesellschaft, 2019, 85, 91; vgl. auch T. R. Andrissek, Vergeltung als Strafzweck, 2017, 69 ff. 548 H.-U. Paeffgen, NK-StGB4, vor §§ 32 ff., Rn. 212 ( H.-U. Paeffgen/B. Zabel, NK-StGB5, vor §§ 32 ff., Rn. 212); zur Verknüpfung von Hegel und der Systemtheorie auch K. Seelmann, in: Strafrecht und Gesellschaft, 2019, 85, 86; vgl. auch K. Lüderssen, StV 2004, 97, 99: „die Rezeption der machtorientierten Teile der Hegel’schen Philosophie geht also weitgehend bruchlos in die Rezeption der Luhmann’schen Systemtheorie über“. – Nur angerissen sei hier die Frage, inwieweit schon in den Grundpositionen der Systemtheorie eine hegelsche dialektische Logik umfasst ist: Etwa weist ein Denken in der Differenz von System und Umwelt ohne das Behaupten einer zugrundeliegenden, letztbegründenden und metaphysischen Identität Fragen auf, dazu G. A. Wagner, ZfS 23 (1994), 275 und dagegen N. Luhmann, ZfS 23 (1994); vgl. auch C. Möllers, ZIS 2010, 1, 3; S. Stübinger, Das „idealisierte“ Strafrecht, 2008, 190 mit Fn. 4. 549 Vgl. D. von der Pfordten, Der Staat 49 (2010), 503, 504 f. 550 G. Jakobs, ZStW 107 (1995), 843, 853.
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sondern ist Produkt einer wirklichen Setzung institutionalisierter Soll-Zustände.551 Kaum bestreitbar ist, dass Strafe von der Gesellschaftsform abhängt,552 wenngleich zu klären bleibt, inwieweit die Analyse sich auf eine „Gesellschaft bestimmter Gestalt“ zu konzentrieren hat.553 Die Herangehensweise im gesellschaftstheoretischen Sinne betrachtet dabei nicht die konkrete Form des Zusammenlebens, sondern nimmt die aus einer Außenperspektive gewonnene Erkenntnis, dass Strafe von der Art der Gesellschaft abhängt, und abstrahiert von diesem Punkt aus. Damit entledigt sich die Strafbeschreibung der inneren Zwecksetzungen des zu beschreibenden Rechtssystems und fragt stattdessen, wie sie bezogen auf ihre bloße Existenz als Gesellschaftsform unter Gesellschaftsformen, unabhängig von ihrem materiellen Substrat,554 das Strafen wahrnimmt. Das Ergebnis ist der beschriebene Mechanismus, bestehend aus Normen, die vor Schädigung zu schützen sind, und zuständigen Personen, die wiederum durch die Norm gebildet werden, womit sich jedes Straftatsystem beschreiben lässt.555 Diese begriffliche Umschließung ganz verschieden ausgestalteter Gesellschaftskonzepte ist freilich nicht ohne eine gewaltige Abstraktionsleistung und einen damit einhergehend Verlust an materieller Trennschärfe556 zu haben.557 Diese „von ganz oben“ gebildeten Begriffe verselbstständigen sich, wenn sie Werte oder Zwecke („Ge551 Wie dargestellt, lässt sich ein gesellschaftstheoretischer Ansatz nach Jakobs schwer in das Schema von Deontologie und Konsequentialismus einordnen (siehe schon H. H. Lesch, JA 1994, 590, 598 f.). Gewissermaßen markiert die funktionalistische Gesellschaftstheorie ein ganz eigenes Feld an Vorannahmen (vgl. S. Stübinger, Das „idealisierte“ Strafrecht, 2008, 266), das sich jedenfalls in ein folgenorientiertes Denkschema nicht einfügen kann. Angesichts der Abstraktionshöhe kritisch G. Stratenwerth, in: FS Lüderssen, 2002, 373, 380. 552 Klassisch K. Marx, Die Todesstrafe (1852), MEW 8, 1960, 506, 508: „Wenn wir die Dinge offen aussprechen und auf alle Umschreibungen verzichten, so ist die Strafe nichts anderes als ein Verteidigungsmittel der Gesellschaft gegen die Verletzung ihrer Lebensbedingungen, was auch immer deren Inhalt sein mag.“ Dazu J. G. Murphy, Philosophy & Public Affairs 2 (1973), 217. Ganz ähnlich wie Marx später auch R. von Jhering, Der Zweck im Recht (1877), Ausgew. Schriften, 1965, 383, 392. 553 Dagegen B. Müssig, Schutz abstrakter Rechtsgüter und abstrakter Rechtsgüterschutz, 1994, 161 f. Fn. 35. Anders aber B. Müssig, Mord und Totschlag, 2005, 231 ff.; siehe auch B. Müssig, in: FS Fischer, 2018, 171, 179 f. 554 Ausführlich G. Jakobs, ZStW 107 (1995), 843, 851 ff. 555 G. Jakobs, ZStW 107 (1995), 843, 854 f. mit dem Beispiel einer „Sklavenhaltergesellschaft“; C. Kreß, in: Strafrecht und Gesellschaft, 2019, 1, 24 bejaht diesen Punkt, ergänzt aber, dass die Gesellschaftstheorie Jakobs’ ohnehin nur „das normative Verständnis der Zeit“ begreifen möchte. Das erklärt aber nicht, warum es dann einer Terminologie bedarf, die gerade zeitloser, gesellschaftsübergreifender Verwendung zuführbar ist. 556 Ähnlich M. Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, 1999, 138. 557 Siehe K. Amelung, Rechtsgüterschutz und Schutz der Gesellschaft, 1972, 368: „Was in einer konkreten Gesellschaft in concreto sozialschädlich ist, kann nur im Hinblick auf fundamentale Strukturentscheidungen, d. h. im Hinblick darauf beantwortet werden, wie die fundamentalen Systemprobleme in einer konkreten Gesellschaft gelöst worden sind.“
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sellschaftserhalt“) an die Spitze stellen, zu deren Erhalt freilich jeder Rechtsbegriff umgedeutet werden kann. Hegel wurde Ähnliches vorgehalten: „Ist es zum Verwundern, daß in letzter Abstraktion – denn es handelt sich um Abstraktion, nicht um Analyse – jedes Ding sich als logische Kategorie darstellt? Ist es zum Verwundern, daß, wenn man nach und nach alles fallen läßt, was die Individualität eines Hauses ausmacht, wenn man von den Baustoffen absieht, woraus es besteht, von der Form, die es auszeichnet, man schließlich nur noch einen Körper vor sich hat (. . .) Wenn wir solchermaßen konsequent abstrahieren, von jedem Subjekt, von allen seinen belebten oder unbelebten angeblichen Akzidenzien, Menschen oder Dingen, so haben wir ein Recht zu sagen, daß man in letzter Abstraktion nur noch die logischen Kategorien als Substanz übrigbehält.“ 558
Die Gesellschaftstheorie kann soziale Tatbestände ihr Raster einordnen und verarbeiten, untersucht dabei aber nur mittelbar und vorgefiltert die tatsächlichen Wurzeln eines „zeitgenössischen“ Denkens; die Theoriebildung entfernt sich von der Frage nach der Strafe in der konkret betroffenen Gesellschaft.559 „,Die Gesellschaft als Ganzes‘ existiert nirgends außerhalb der Phantasie der Juristen.“ 560 Tatsächlich gibt es doch nichts, das nicht auch dem Erhalt der Gesellschaft dienen kann (ein besonderes prägnantes Beispiel ist die soziologisch behauptete Stärkung561 oder inhaltliche Auffrischung562 der Normen durch Devianz). Wenn zur Aufrechterhaltung der abstrakten (kognitiven)563 Normgeltung bestraft wird, bleiben die Inhalte der Norm unbekannt und ebenso, warum bei Widerspruch gerade eine Strafe erforderlich ist.564 Eine materielle Straferklärung hängt gleichwohl entscheidend davon ab, in welcher Gesellschaft gestraft wird565, und was ihr Rechtsbegriff ist.
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K. Marx, Das Elend der Philosophie (1846/47), MEW 4, 1977, 63, 127. Diese Unklarheit betont auch K. Ambos, RW 12 (2021), 76, 80, 100. 560 E. B. Pas ˇ ukanis, Allgemeine Rechtslehre und Marxismus, 1929/2003, 158. 561 Vgl. C. Möllers, Die Möglichkeit der Normen, 2015, 329. 562 É. Durkheim, Kriminalität als normales Phänomen (1895), Kriminologische Grundlagentexte, 2016, 25, 30. 563 An einem konkreten Beispiel: Es geht nicht um die gesellschaftliche Haltung zur Strafwürdigkeit der Körperverletzung zum Tatzeitpunkt, sodass der Unrechtsgehalt davon abhängen würde, in welchem gesellschaftlichen „Stimmungs-Zustand“ (in einem soziologischen Sinne) es zur Tat kam. Die Konsequenz wäre, dass die Strafe vor allem auf den sozialen Widerhall als Unrechtsmerkmal reagieren müsste, vgl. T. GrosseWilde, Erfolgszurechnung in der Strafzumessung, 2017, 62 f.; R. Zaczyk, GA 2014, 73, 85 f. Recht regelt die Verhältnisse der Personen, deren körperliche Integrität als praktischer Freiheitsbestandteil gesellschaftlich gestützt werden soll. 564 T. Hörnle, Hdb-StrR I, § 12, Rn. 34: „Der Gedanke, dass eine rechtlich verfasste Ordnung auf Missachtungen derselben irgendwie reagieren müsse, läuft auf eine allgemeine Theorie des Rechts hinaus.“ 565 U. Neumann, in: Zukunftsperspektiven des Strafrechts, 2020, 91, 91: „Über die Zwecke, die mit der Strafe verfolgt werden, entscheidet die Gesellschaft, und zwar die jeweilige konkrete Gesellschaft.“; siehe auch B. Feijoo Sánchez, in: FS Jakobs, 2007, 75, 83 f. 559
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c) Diese allgemeine Kritik schlägt nunmehr auch auf den Begriff des Normgeltungsschadens durch. Gewissermaßen sind aus der dargelegten gesellschaftstheoretischen Abstraktionshöhe einzelne Straftaten kaum noch unterscheidbar: Unabhängig von den empirischen Umständen filtert die Sichtweise jede Straftatbegehung durch das normative Schema, sodass beispielsweise eine Körperverletzung zunächst als kommunikative Verhandlungsanregung über die Geltung der körperliche Integrität schützenden Normen verstanden wird. Das schließt nun nicht aus, auch auf Empirisches Bezug nehmen zu können,566 aber das Wesen des „Normgeltungsschadens“ scheint diesbezüglich keine Auskunft zu geben. Entsprechend kräftig fallen die Ablehnungen gegen eine daran orientierte Unrechtsbemessung aus.567 Nimmt man den Gedanken aber einmal ernst und überträgt ihn auf eine konkrete gesellschaftliche Verfasstheit, lässt sich ihm einiges entnehmen. Denn eine abstrakte Ordnung der verletzten Norm unter „irgendwelchen“ anderen Normen ist freilich undurchführbar, dagegen kann durchaus die Bedeutung der Norm für die Rechtsperson in der konkreten (hier: bürgerlichen) Ordnung bestimmt werden.568 Es ist also für die Rechtsperson (regelmäßig) die schwere Körperverletzung gravierender als ein Diebstahl (wer über ein eingeschränktes körperliches Substrat verfügt, dem ist es erschwert, überhaupt am Erwerbsleben teilzunehmen und Eigentum anzuhäufen), der Diebstahl wiederum gravierender als eine Beleidigung etc. Das ist im Einzelfall anhand der Funktionalität der einzelnen Rechtspositionen für das Auftreten als Person geltend zu machen.569 Natürlich ist diese Position ausgesprochen voraussetzungsreich. Das Recht wird hier als normative Ordnung der Empirie „übergestülpt“ (freilich um auf die Empirie einzuwirken) und bekräftigt sich im Strafrecht. Dieser Funktionsablauf reguliert sich selbstständig: Das Recht legt fest, wann die Norm in der Geltung angegriffen ist und hat sogleich das Kompensationsmittel parat. Wie lässt sich dies nun auf eine Opfereinbeziehung übertragen? Stellt man auf die beschriebene Form der Normgeltung ab, muss hier in besonderem Maße demonstriert werden, dass die Norm den kommunikationsleitenden Maßstab bildet. Wer sich etwa in einer „hilflosen Lage“ i. S. v. § 243 Abs. 1 Nr. 6 StGB befindet, 566 Vgl. hierzu noch einmal C.-F. Stuckenberg, Vorstudien zu Vorsatz und Irrtum im Völkerstrafrecht, 2007, 45 ff. 567 T. Grosse-Wilde, Erfolgszurechnung in der Strafzumessung, 2017, 445 supponiert Jakobs’ Äußerungen zur Strafzumessung „Unsicherheit und gewissermaßen Gleichgültigkeit gegenüber den normativen Einzelproblemen der Strafmaßbestimmung.“; T. Hörnle, Tatproportionale Strafzumessung, 1999, 207 f.: „Sinnvoll kann von einer Friedensstörung oder Erschütterung der Rechtsordnung nur gesprochen werden, wenn damit ein real existierender und damit prinzipiell auch empirisch feststellbarer Zustand gezeichnet wird.“ 568 G. Jakobs, Staatliche Strafe: Bedeutung und Zweck, 2004, 16 f. 569 Es kann also eine die Person nachhaltig im Wirtschaftsleben schädigende Üble Nachrede gewichtiger sein als der Diebstahl eines Alltagsgegenstandes usf.
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ist empirisch kaum in der Lage, seine subjektive Rechtssphäre instand zu halten. Auf diese Faktizität reagiert die Strafandrohung, indem sie ihre Vorstellung kontra-faktisch bestärkt: Es wird nunmehr „erst recht“ betont, dass das Recht an dem Soll-Bild einer Rechtsperson mit garantierten Rechten festhalten möchte. Das gilt gerade dann, wenn die Personalität temporär nicht hinreichend ausgefüllt werden kann. Anhand eines klassischen (hier modifizierten) Beispiels von Jakobs:570 Wer nachts durch den Park spaziert, soll normativ erwarten können, dass er nicht ausgeraubt wird, also seine personale Freiheitssphäre respektiert wird. Diese Norm gilt für alle Personen, also auch für solche Personen, die aufgrund eigener Gebrechen zu Flucht oder Selbstverteidigung nicht in der Lage sind. Wenn der Normbruch dadurch empirisch vereinfacht ist, fällt die straf-rechtliche Reaktion umso kräftiger und ostentativer aus. Innerhalb dieses Gedankensystems ist die Aussage opferbezogener Straftatbestände (und der auf dieser Grundlage verhängten Strafen) also: „Die Norm gilt – und zwar unabhängig von kontingenten Individualeigenschaften der Person!“ In den hiesigen Fallkonstellationen beruht diese Vereinfachung des Normbruchs auf den natürlichen Individualeigenschaften des Individuums, es ist also nicht „zuständig“ für die mangelhafte Fähigkeit, seine Güter zu verwalten. Anders mag die Bewertung aber ausfallen, wenn dies dem Opfer zuzurechnen ist, also beispielsweise bei selbst verschuldeter Volltrunkenheit.571 Das alles ist im Ergebnis gegenüber der „gewöhnlichen“ Erfolgsbestimmung im Ergebnis gar kein neuer Gedanke. Es ist aber fraglich, ob die gesellschaftstheoretische Lehre einen solchen überhaupt formulieren wollte.572 Der Normgeltungsschaden ist vielmehr Produkt einer normativen Aussiebung der herkömmlichen Strafrechtskategorien und nicht etwa ein neuer Topos, der zu einer regulären Erfolgsbestimmung zu addieren wäre. Man kann also sehr wohl fragen, wie die Gesellschaftstheorie einzelne öffentlichkeitswirksam aufgetretene Strafrechts570
G. Jakobs, Staatliche Strafe: Bedeutung und Zweck, 2004, 29. G. Jakobs, in: Verantwortung in Recht und Moral, 2000, 57, 71: „Nach deutschem Strafrecht (. . .) wird derjenige Dieb härter bestraft, der stiehlt, indem er die Hilflosigkeit eines anderen ausnutzt (. . .) Aber gewiß wird milder bestraft, wer den grundlosen Leichtsinn des Opfers ausnutzt (. . .) Was rechtfertigt also die unterschiedliche Behandlung? Offenbar nicht die Individualität des Täters (. . .) Der Täter muß also um so dringlicher für seine Normfolgungsbereitschaft sorgen, je legitimer das Opfer danach verlangt.“ Es geht also um eine gesellschaftliche Zuständigkeitsverteilung, wessen Sphäre die empirische Vereinfachung des Normbruchs anzulasten ist. Siehe auch G. Jakobs, Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft (KritV) 79 (1996), 320, 323; G. Jakobs, Die strafrechtliche Zurechnung von Tun und Unterlassen, 1996, 29; G. Jakobs, System der strafrechtlichen Zurechnung, 2012, 60. 572 Grundlegend bereits G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986, § 96: „Manche qualitative Bestimmungen, wie die Gefährlichkeit für die öffentliche Sicherheit, haben in den weiter bestimmten Verhältnissen ihren Grund, aber sind auch öfters erst auf dem Umwege der Folgen statt aus dem Begriffe der Sache aufgefaßt“ und erläutert in der zugehörigen Anmerkung, dass die innere gesellschaftliche Sicherheit „eine äußere – nicht die innere Notwendigkeit der Strafe“ betrifft. 571
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fälle lösen würde573 – man darf aber nicht erwarten, dass sie darauf eine besondere Antwort parat hat; der empirische Aufruhr der Straftat ist schließlich nach wie vor nicht ihre Kategorie.574 Die teils vorgetragene scharfe Kritik an diesem Normgeltungsschadensmodell beruht womöglich auf ganz verschiedenen Begriffen von Norm und Geltung. 2. Empirische Auswirkungen der Tat Damit ist aber noch nichts über das empirisch arbeitende Modell gesagt. Der Gedankengang lässt sich hier deutlich plakativer aufmalen: Mit der Tat gegen eine Person einer bestimmten Opfergruppe entsteht eine weitergreifende Unsicherheit bei weiteren Mitgliedern der sozialen Gruppe, eine Beeinträchtigung der Normvertrauens. Das soll besonders schwer wiegen, weil dem Strafrecht die Aufgabe einer Sozialfriedenssicherung575 zukommt. Dieses Argument bestimmt maßgeblich die klassische Hate-Crime-Debatte 576, lässt sich aber hier einmal grundlegend formulieren: Steckt in dem Angriff auf ein einzelnes Opfer das Potenzial zur allgemeinen Rechtsfriedensstörung und lässt sich dies strafrechtlich verarbeiten? Auf den hier in Frage stehenden Institutionenschutz ließe sich dies jedenfalls nahtlos übertragen: Der Angriff auf einen einzelnen Polizisten577 hätte dann das Potenzial, sämtliche weitere Polizisten einzuschüchtern und darüber hinaus das empirische Vertrauen in die Institution als solche zu beeinträchtigen (das gilt dann auch für Feuerwehrleute, Sanitäter oder welche Berufsgruppen der Gesetzgeber auch immer meint, für schützenswert erachten zu müssen578). a) Ein sehr tief ansetzender Einwand ist es, in jeder Strafe, die (auch) unter Einbeziehung kollektiver Aspekte begründet wird, pauschal eine Vergegenständlichung des Täters zu sehen: „Die Strafe an einem per se äußerst undifferenzierten und Schwankungen unterliegenden ,Normbewusstsein‘ der Allgemeinheit auszurichten, hieße, den Täter im Interesse Dritter zu instrumentalisieren.“ 579 573
So T. Grosse-Wilde, Erfolgszurechnung in der Strafzumessung, 2017, 447 f. Zum notwendigen Maß an kognitiver Untermauerung aber G. Jakobs, ZStW 117 (2006), 839, 841 f. 575 Vgl. etwa W. Frisch, ZStW 99 (1987), 349, 379, 387 f.; E. Kern, ZStW 64 (1952), 255, 277; T. Würtenberger, in: FS Peters, 1974, 209. 576 Siehe BT-Drs. 17/9345, 1: „Zum anderen führt es [FL: Hate Crime] zu einer starken Verunsicherung von Bürgerinnen und Bürgern, die die gleichen Eigenschaften oder Einstellungen aufweisen, wegen derer ein anderer Mensch zum Opfer einer Gewalttat wurde“; vgl. weiter O. Tolmein, ZRP 2001, 315, 316. Aus der US-amerikanischen Debatte: F. M. Lawrence, Punishing Hate, 1999, 42 f. 577 Als Beispiel ausdrücklich genannt bei M. S. Moore/H. M. Hurd, Stanford Law Review 56 (2004), 1081, 1090. 578 Kritische Bemerkungen zur Fokussierung der Hate-Crime-Debatte auf einzelne Gruppen finden sich bei M. Blake, Law and Philosophy 20 (2001), 121, 125 et passim. 579 F. Timm, JR 2014, 144. 574
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Zur Erklärung wird auf das „freiheitlich verfasste[ ] Gemeinwesen“ verwiesen, dessen Strafe nur auf den „individuellen Verhaltensnormverstoß“ reagieren, nicht aber „mit allgemeinen gesellschaftlichen Bedürfnissen in Zusammenhang stehen“ darf.580 – Nachvollziehen lässt sich die Forderung nach einer verstärkten Begründungsleistung, soweit sich das geschützte Strafrechtsgut von der unmittelbar inter-personalen Rechtsverletzung entfernt und zunehmend kondensiert.581 Der Instrumentalisierungseinwand scheint aber deutlich weiter zu greifen: Er bezieht sich auf die Subjektqualität des Täters und legt damit im Falle von dessen Objektifizierung nichts weniger als einen Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG nahe.582 Jedes Abstellen auf eine „Rechtsfriedensstörung“ wäre damit unweigerlich verfassungswidrig und unter keinen Umständen legitimierbar. Eine derart großzügige Auslegung der „Objektformel“ 583 scheint indes zu weit zu greifen:584 Im Alltag läge die erste Menschenwürdeverletzung etwa schon vor, sobald der Bürger das Haus verlässt und von einer roten Fußgängerampel unter Sanktionsbewehrung585 – zu Erreichung des kollektiven Interesses an einem funktionstüchtigen Straßenverkehr – davon abgehalten wird, die Straße zu überqueren.586 Da „jedes Handeln Vergegenständlichung voraus[setzt]“, hat der ObjektTopos sich bereits grundsätzlich den Vorwurf einer „Leerformel“ zugezogen.587 Mit diesem grobschlächtigen Werkzeug lässt sich möglicherweise über ethische
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F. Timm, JR 2014, 144. Allgemein dahingehend W. Frisch, GA 2019, 185, 187 f. Für die personale Rechtsgutslehre ist das ein bedeutsamer Debattengegenstand, siehe etwa W. Hassemer/U. Neumann, NK-StGB5, vor § 1, Rn. 125, 138; R. Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter im Strafrecht, 2002, passim. 582 So dann auch zur Objektifizierung und Instrumentalisierung des Täters – jedenfalls bezüglich aller präventiven Straftheorien – F. Rostalski, Der Tatbegriff im Strafrecht, 2019, 39. 583 BVerfG, 16.7.1969 – 1 BvL 19/63 = BVerfGE 27, 1, 6. Grundlegend G. Dürig, AöR 81 (1956), 117, 127 ff., 136 ff. 584 Das gilt auch und gerade in der strafrechtlichen Diskussion, siehe T. Hörnle, Straftheorien, 2017, 49: „Verfehlt ist es, das Etikett ,Instrumentalisierung‘ zu nutzen, um damit jegliche weitere Diskussion zu stoppen.“ 585 Siehe hier § 24 Abs. 1 S. 1 StVG i.V. m. §§ 49 Abs. 3 Nr. 2, 37 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 StVO. 586 Siehe auch BVerfG, 15.12.1970 – 2 BvF 1/69 ua = BVerfGE 30, 1, 25 f.: „Allgemeine Formeln wie die, der Mensch dürfe nicht zum bloßen Objekt der Staatsgewalt herabgewürdigt werden, können lediglich die Richtung andeuten, in der Fälle der Verletzung der Menschenwürde gefunden werden können. Der Mensch ist nicht selten bloßes Objekt nicht nur der Verhältnisse und der gesellschaftlichen Entwicklung, sondern auch des Rechts, insofern er ohne Rücksicht auf seine Interessen sich fügen muß.“ Übereinstimmend BVerfG, 3.3.2004 – 1 BvR 2378/98 ua = BVerfGE 109, 279, 312. 587 Beide Zitate bei N. Luhmann, Grundrechte als Institution, 1999, 60 Fn. 18. Zustimmend H. Dreier, Dreier-GG3, Art. 1, Rn. 55. Vernichtendes Fazit zum analytischen Nutzen des Instrumentalisierungsverbots bei E. Hilgendorf, in: FS Puppe, 2011, 1653, 1671. 581
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Brandmauern588 diskutieren, wohl kaum lassen sich aber sensibel auszutarierende Freiheitsverlaufslinien einzeichnen, die gerade außerhalb eines „Kernstrafrechts“ nur temporär-kontextbezogen zu erklären sind. Sofern man nicht jeden kollektiven oder institutionellen Sanktionszweck ausschließt, dürfte der Instrumentalisierungsgedanke589 fehl am Platz sein. Ob das Normbewusstsein der Allgemeinheit also im Einzelfall Leitfaden der Strafgesetzgebung sein kann, entscheiden nicht abstrakte Großformeln.590 In dieser Losgelöstheit lässt sich die „soziale Rechtsfriedensstörung“ noch nicht ablehnen. b) Dieses methodische Argument gilt gleichsam an anderer Stelle, wenn aus der großbegrifflichen Fassung der „Rechtsfriedensstörung“ selbst ein Argument zur Nutzung des Begriffs geformt wird.591 Dann wird in dem Schweben dieses holistischen Gesamtkonstrukts über den sonstigen Strafrechtskategorien gerade ein Vorteil gesehen; mit einem solchen Begriff läge nunmehr ein gemeinsames „tertium“ vor, um Unrechtsvergleiche anstellen zu können. – Methodisch lagert dieses Vorgehen nahe an einer Inversionsmethode592 und schwammiger Begriffsjurisprudenz.593 „Rechtsfrieden“ kann nur das erklären, was einmal als „Recht“ in den Begriff hineingelegt wurde. Der Begriff kann aber durch die reine Bündelung vieler Erkenntnisse keine qualitativ neue Erkenntnis stiften (das gilt auch für „Leerformeln“ 594 wie die „Auflehnung gegen die höhere Ordnung“ 595). Ein Unrecht-Kategorisierungsbegriff lässt sich nur über eine gemeinsame Schnittmenge der besonderen Unrechtsverwirklichungen in ihrem gesellschaftswirklichen Zusammenhang ermitteln (im ersten Teil wurde zu begründen versucht, dass diese 588 So denn auch die klassischen Anwendungsbeispiele (Folter, finaler Rettungsschuss, früherer § 14 LuftSichG etc.), ausführlich R. Poscher, VerfassungsR-HdB, § 17, Rn. 84 ff. 589 Näher differenzierend (indes ohne Relevanz für die hiesige Debatte) zwischen Objektivierung und Instrumentalisierung R. Poscher, VerfassungsR-HdB, § 17, Rn. 94. 590 Vgl. auch die scharfe Zurückweisung des Instrumentalisierungs-Einwandes bei M. Herdegen, JZ 56 (2001), 773, 775: „Im Grunde ist die Begründung einer Würdeverletzung mit der ,Instrumentalisierung‘ nichts anderes als eine Tautologie im Mantel einer volksnahen Version der Kantschen Ethik.“ 591 Symptomatische Begriffsjuristerei bei T. Kulhanek, NStZ 2020, 65: „Mit der Rechtsfriedensidee als Leitbild der Strafbestimmung lassen sich sämtliche gängigen Straftheorien – an unterschiedlicher Stelle mit unterschiedlichem Gewicht – einbinden.“ Siehe ferner S. E. Buhlmann, Die Berücksichtigung des Täter-Opfer-Ausgleichs als Verfahrensgrundsatz, 2005, 137; E.-J. Lampe, Das personale Unrecht, 1967, 217 ff.; B. Schünemann, in: Grundfragen des modernen Strafrechtssystems, 1984, 153, 191. A. Montenbruck, Abwägung und Umwertung, 1989, 76 ff. möchte dagegen den „Grad der Beeinträchtigung der Gesamtrechtsgüterordnung“ nicht länger als taugliche Kategorie gelten lassen. 592 Dazu etwa K. F. Röhl/H. C. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 2008, 71. 593 T. Hörnle, Tatproportionale Strafzumessung, 1999, 209. Kritisch auch T. GrosseWilde, Erfolgszurechnung in der Strafzumessung, 2017, 73. 594 So mit Recht kritisch I. Puppe, Idealkonkurrenz und Einzelverbrechen, 1979, 184 f.; I. Puppe, GA 1982, 143, 155 Fn. 50. 595 A. Baumgarten, in: FG Frank, 1930, 188, 193.
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Kategorie die Rechtsverletzung ist). Zweckmäßig scheint eine abstrakte Vorstellung des „Rechtsfriedens“ also nur zur Bestimmung ebenso abstrakter Ziele, etwa der „Friedenssicherung“ als wesentlicher Aufgabe eines bürgerlichen Staats.596 „Je abstrakter der Oberbegriff ist, desto mehr Konturierungsmöglichkeiten eröffnet er, desto weniger Konturierungsklarheit schafft er.“ 597 c) Es ist also entscheidend, was eigentlich „secondary harms, „social harms“ oder eine „Verunsicherung von Bürgerinnen und Bürgern“ konkret sein sollen. Ganz greifbar wird dem Täter Folgendes, zusätzlich zum Gewicht der grundlegenden Tatbestandsverwirklichung, in Rechnung gestellt: Eine Tat beeinträchtigt, soweit andere von ihr erfahren, nicht nur die Rechtsgüter der geschädigten Person, sondern schlägt auf die psychische Verfasstheit von Dritten durch.598 Dabei sind wiederum zwei Phänomene zu unterscheiden: Einmal die Anteilnahme aufgrund enger persönlicher Beziehung zum Opfer, andererseits die Befürchtung, selbst zum Opfer zu werden aufgrund einer befundenen Ähnlichkeit zum Opfer.599 Der erste Punkt bietet einen Einstieg wegen seiner Prominenz im Deliktsrecht: Dort ist die Debatte um „Schockschäden“ bei Angehörigen lange bekannt.600 Im Strafrecht ist sie eine (bislang wohl eher verdeckt gebliebene601) Frage der Strafzumessung. Unabhängig von der Antwort auf diese Frage, lagert die Problematik vorliegend in einem entscheidenden Punkt anders. Es geht nicht um einen abgrenzbaren, ermittelbaren und hinsichtlich der Beeinträchtigung überprüfbaren Personenkreis der Angehörigen des Opfers, sondern eine ganze soziale Menschengruppe, eben die „victim’s larger community“. Gerade weil dieser Ansatz empirisch vorgehen möchte, steht er vor Problemen: Wie eine nicht immer trennscharf zu ermittelnde Menschengruppe ein einzelnes Verbrechen wahrnimmt, wäre jedenfalls eine anspruchsvolle Ermittlungsaufgabe.602 Spitzt man das Argument bewusst zu, zeigt sich eine weitere Problematik der empiristischen Herangehensweise: Was wäre etwa, wenn das Opfer einer religiösen Minderheit angehört, deren Mitgliederzahlen so gering sind, dass sich nicht sagen lässt, ob überDazu H.-U. Paeffgen, NK-StGB5, vor §§ 80 ff., Rn. 13. H.-U. Paeffgen, Vorüberlegungen zu einer Dogmatik des UntersuchungshaftRechts, 1986, 28. 598 G. P. Fletcher, in: Die Stellung des Opfers im Strafrechtssystem, 2000, 75, 83; P. B. Gerstenfeld, Hate Crimes, 2003, 17 f.; N. Hall, Hate Crime, 2013, 166 f.; K. Krupna, Das Konzept der „Hate Crimes“ in Deutschland, 2010, 76 f.; F. M. Lawrence, Punishing Hate, 1999, 41 f.; L. Meli, University of Illinois Law Review 2014, 921, 954 f.; C. H. Wellman, Hypatia 21 (2006), 62, 66 ff. 599 Dazu auch M. Blake, Law and Philosophy 20 (2001), 121, 132. 600 Siehe nur BGH, 11.5.1971 – VI ZR 78/70 = BGHZ 56, 163. 601 T. Grosse-Wilde, Erfolgszurechnung in der Strafzumessung, 2017, 379. 602 M. S. Moore/H. M. Hurd, Stanford Law Review 56 (2004), 1081, 1091: „judgement from the armchair“ zu den „Spekulationen“ bei J. B. Jacobs/K. Potter, Hate Crimes, 2001, 87. 596 597
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haupt ein anderes Gruppenmitglied von der Tat erfahren hat? Oder, anders gewendet: Das Unrecht der Täter wäre umso höher, je größer die Minderheit ist, weil dann noch mehr Menschen sekundär beeinträchtigt sein würden. Am größten wäre der Schaden freilich, wenn die Tat nicht gegen Minderheiten, sondern gegen Mehrheiten gerichtet wäre. Damit wäre der normative Zweck der HateCrime-Gesetze schließlich in Gänze verfehlt.603 Auch der zweite Punkt kann sich von den Problemen des empiristischen Denkens im Recht nicht lösen. Die genannten Einwände schlagen auch auf die zu bemessende Angst der anderen sozialen Gruppenmitglieder, selbst attackiert zu werden, durch.604 Jeden Messungs-Versuch einer Rechtsfriedensstörung beeinflussen in einem erheblichen Maß unvorhersehbare, einzelfallbezogene und kaum verallgemeinerbare Faktoren, vor allem die mediale Berichterstattung.605 Durchaus zu konzedieren ist aber, dass dieser Gedanke zumindest ein normatives Pendant hat. Es ist ein klassischer Gedanke der positiven Generalprävention, die Erwartung der rechtstreuen Bevölkerung zu stabilisieren.606 Mit einer Bestrafung würde sich also rechtlich verdeutlichen, dass der Bürger an seiner Erwartung kontrafaktisch festhalten darf, nicht, auch nicht als Angehöriger einer Minderheit, attackiert zu werden.607 Sollte die Erwartung eine besonderen Stabilitätsverdeutlichung benötigen, fügt eine Strafschärfung sich hier ein. Empirischer Untersuchung bedarf es dazu freilich nicht. Das zentrale Problem des SecondaryHarm-Arguments liegt somit in seiner empirischen Ausrichtung, die mit Nachweisproblemen kämpfen muss und selbst im Falle der Nachweisbarkeit nicht auch zwingend eine normative Begründungsleistung erbringt. d) Zuletzt noch zu einem stark zuspitzenden Argument aus der US-amerikanischen Debatte, warum es einer dringenden Berücksichtigung des RechtsfriedensBewusstseins der Bevölkerung bedürfte: Ohne die abschreckende und normstärkende Strafschärfung bei Delikten gegen besondere Opfergruppen droht eine gefährliche Spaltung der Gesamtgesellschaft, so der Gedanke.608 Mit der Verfestigung eines Lagerdenkens innerhalb der Bevölkerung nehmen Konflikte weiter an Fahrt auf, bis hin zu einem „violent cycle of retaliatory violence“.609 Bemerkenswerterweise ist das auch ein Aspekt, den das BVerfG in seiner Rechtsprechung 603
Im Ergebnis kritisch auch C. Keiser, ZRP 2010, 46, 48 f. Zur problematischen Verknüpfung von Vulnerabilität und zahlenmäßiger Größe gesellschaftlicher Gruppen E. Hoven/A. Witting, NStZ 2022, 589, 594. 604 So jedenfalls in Bezug auf nahe Angehörige T. Hörnle, JZ 70 (2015), 893, 895; T. Weigend, RW 1 (2010), 39, 48; vgl. auch T. Hörnle, Tatproportionale Strafzumessung, 1999, 259. 605 C. Prittwitz, Neue Kriminalpolitik 33 (2021), 285, 289 f. 606 Vgl. hier nur G. Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, 1991/4 ff. 607 Zum grundsätzlichen prozeduralen Ablauf der normativen Erwartungssicherung (dort aber als „funktionale Vergeltungstheorie“) H. H. Lesch, JA 1994, 590, 597 f. 608 S. B. Weisburd/B. Levin, Stanford Law & Policy Review 5 (1994), 21, 26 f. 609 S. B. Weisburd/B. Levin, Stanford Law & Policy Review 5 (1994), 21, 26.
D. Opferorientierte Sanktionsnormen: Unrechtsbestimmung/Funktionenanalyse 183
zu einem Strafanspruch des Opfers bemüht.610 Die nähere Erklärung des allgemeinen Gedankens dürfte sein, dass polarisierende Konflikte starke Anknüpfungspunkte für eine opferorientierte Strafschärfung bilden. Die Strafschärfung wirkt dann als eine symbolische Parteinahme des Staates und versucht somit, einen Ausgleich zu schaffen. – Allerdings ist die Warnung vor dem Zusammenbruch des sozialen Lebens als klassisches „Dammbruch-Argument“, wie alle Dammbruch-Argumente611, nur mit Vorsicht zu genießen. Der Zusammenhang zwischen einzelnen Verbrechen und dem befürchteten zivilisatorischen Kollaps wäre einmal schlüssig auszuweisen.612 Das wird kaum gelingen, ist doch klassisches Symptom eines „Ausnahmezustandes“, dass er durch Rechts-Normen gerade nicht mehr kohärent zu greifen ist.613 Man kann den „hysterical claims“ 614 einen nüchternen Verweis auf die Grenzen des Juridischen vorhalten: Eine als zu gering empfundene Strafe dürfte höchstens im Einzelfall Anlass, wohl kaum aber Grund für die Ablehnung einer staatlichen Institution sein.615 Und: Sollte dieses institutionelle Scheitern schon weit fortgeschritten sein, werden drakonische Strafen wohl kaum die gesellschaftlichen Defizite nachträglich kompensieren können.616 Allgemeingesellschaftliche Probleme lassen sich kaum durch eine Übertragung der Verantwortlichkeit auf Einzelne lösen.617 Zu bedenken ist, dass jede gegenwärtige Gesellschaft alltäglich zahlreiche Normbrüche verarbeitet,618 denen speziell opferbezogene Straftaten in Sachen Öffentlichkeitswirksamkeit nicht zwingend etwas voraushaben.619
IV. Strafschärfende Berücksichtigung der Gesinnung Zudem ließe sich der besondere Unwert einer Tat zulasten bestimmter Opfergruppen in den Handlungsgründen des Täters verorten. Das ist der klassische auf den Begriff „hate-crime“ 620 verallgemeinerte Ansatz. Gegenstand öffentlicher 610
Siehe bei Fn. 381. Treffend F. Saliger, JRE 15 (2007), 633. 612 Das Anwendungsbeispiel bei F. M. Lawrence, Punishing Hate, 1999, 43 f. betrifft etwa eine Nomadengesellschaft. Ob man den Gedanken auf die Moderne übertragen kann, bleibt damit offen. 613 C. Schmitt, Politische Theologie, 1934/2009, 18 f. 614 M. S. Moore/H. M. Hurd, Stanford Law Review 56 (2004), 1081, 1092. 615 Vgl. aber die empiristischen Vergeltungstheorien: T. R. Andrissek, Vergeltung als Strafzweck, 2017, passim; T. Walter, ZIS 2011, 636, 638 ff.; T. Walter, JZ 74 (2019), 649. 616 So auch F. Timm, Gesinnung und Straftat, 2012, 213; vgl. allgemein H. H. Lesch, JA 1994, 590, 599. 617 M. B. Kaplan, Liverpool Law Review 29 (2008), 37, 44 f. 618 N. Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993, 568 f. pointiert, dass der Rechtsbruch notwendiger Bestandteil der Rechtswirklichkeit ist. 619 M. S. Moore/H. M. Hurd, Stanford Law Review 56 (2004), 1081, 1092. 620 Kriminologisch wird hier teils zwischen „Hass“ und „Vorurteil“ unterschieden, siehe nur K. Krupna, Das Konzept der „Hate Crimes“ in Deutschland, 2010, 31 ff. 611
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Debatten sind vor allem Straftaten gegen Individuen aus gesellschaftlich abgrenzbaren oder durch gesellschaftliche Zuschreibung abgegrenzten Gruppen. Im Strafzumessungsrecht hat der Gedanke prominente Erwähnung gefunden.621 § 46 Abs. 2 S. 2 StGB nennt nach Reformen 2015 (BGBl. I S. 925) und 2021 (BGBl. I S. 441) als mögliche „Umstände, die für oder gegen den Täter sprechen“ auch „die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende“.
Ein Ende dieser numerischen Aufzählung besonderer Anwendungsbeispiele ist nicht in Sicht.622 Der logische Schritt ist freilich ein ganz allgemeiner, der sich sowohl auf die personal orientierte als auch auf die institutionell orientierte Opfereinbeziehung623 erstreckt. Ein – nicht umgesetzter – Vorschlag der Landesregierung Nordrhein-Westfalens aus dem Jahr 2016 (BR-Drs. 706/16) fordert etwa die wörtliche Einbeziehung des folgenden Passus in § 46 Abs. 2 S. 2 StGB. Zur Gesinnung, die aus der Tat spricht, würde dann zählen: „besonders auch eine gegenüber dem Gemeinwohl feindliche oder gleichgültige Haltung, wie sie insbesondere in Taten zum Nachteil von Amtsträgern, in Notlagen Hilfeleistenden oder ehrenamtlich Tätigen zum Ausdruck kommen kann“.
In den gesetzgeberischen Reformbemühungen zeigt sich die Weitläufigkeit möglicher Aspekte, die das Handlungsunrecht verstärken können. Angesichts der weich gefassten Oberbegriffe in § 46 Abs. 2 StGB kommt den regelbeispielartigen Ausführungen keine eigenständige normative Kraft zu.624 In allen Fällen bemisst sich der zusätzliche Unwert anhand einer rechtlich missbilligten, subjektiven Haltung des Täters bei der Tat. Der allgemeine Gedanke lautet: Wer bei einer Straftat aus einer Haltung heraus handelt, die sich gegen in besonderem Maße schützenswerte Individuen richtet, verwirklicht quantitativ größeres Unrecht. Eine solche Straftat kann also beispielsweise sein: der tätliche Angriff auf einen Vollstreckungsbeamten (§ 114 StGB) aus „staatsfeindlicher Gesinnung“ (insitutionelle Betrachtung) oder der Mord (§ 211 StGB) aus „Rassenhass“ 625 (personale Betrachtung). Die Annahme einer erhöhten Strafwürdigkeit drängt sich auf, verlangt aber anspruchsvolle Vorannahmen. 621 Es bestehen zahlreiche Vorschläge zu einer strafschärfenden Einbeziehung von Gesinnungsmerkmalen durch Qualifikationstatbestände oder durch eine weitere Reform des § 46 Abs. 2 StGB. Siehe etwa zum Zeitraum 2000–2014 ausführlich und mit einordnender Kommentierung K. Lang, Vorurteilskriminalität, 2014, 163 ff.; ferner K. Krupna, Das Konzept der „Hate Crimes“ in Deutschland, 2010, 59 ff. 622 Zu jüngeren Reformbestrebungen krit. H. Kudlich/H. Göken, ZRP 2022, 177, 179 f. 623 Dazu K. Hoffmann-Holland/J. Koranyi, ZStW 127 (2015), 913, 924. 624 O. H. Gerson, KriPoZ 2020, 22, 29. 625 Einschlägiges Mordmerkmal wäre hier das Handeln aus niedrigen Beweggründen, siehe BGH, 2.10.1962 – 1 StR 299/62 = BGHSt 18, 37; U. Neumann/F. Saliger, NKStGB5, § 211, Rn. 34. Konkrete Opfergruppen führt der Mordtatbestand (noch) nicht an, siehe zu Reformbemühungen BT-Drs. 19/4059; H. Schneider, ZRP 2021, 183.
D. Opferorientierte Sanktionsnormen: Unrechtsbestimmung/Funktionenanalyse 185
1. Übergriff auf das „Forum Internum“? Teils setzt die Kritik hier sehr grundlegend an und vermutet bei jeder strafrechtlichen Berücksichtigung innerer Haltungen einen Übergriff auf die rechtlich unberührbare Innerlichkeit des Täters. Damit, so lauten die Vorwürfe, gibt das Recht liberale Werte auf626 und pflegt ein „im freiheitlichen Rechtsstaat“ unzulässiges „Gesinnungsstrafrecht“.627 Zutreffend ist sicherlich, dass die Äußerlichkeit der Rechtsverhältnisse zu den wesentlichen Merkmalen des modernen und bürgerlichen Rechts zählt: Erwartet wird eben nicht mehr ein tugendhaftes Verhalten, sondern die Respektierung fremder Freiheitssphären.628 Aber ergibt sich daraus zwingend ein Totalverzicht auf die rechtliche Berücksichtigung jeglicher Gesinnungsausdrücke? Schon das Prozessrecht legt nahe, dass mentale Zustände von Interesse sind. Materielles Recht und Strafprozessrecht stehen immer in einem Begründungszusammenhang629 und lassen sich zumindest unter funktionalen Gesichtspunkten630 gar nicht trennscharf abgrenzen. Die gerichtliche Beweisaufnahme gemäß § 244 Abs. 2 StPO erstreckt sich unstreitig auf „innere Tatsachen“ 631, was insbesondere (wenn auch nicht nur) für die subjektive Zurechnung bedeutsam ist. Dabei birgt die Durchführung einer solchen Beweisunternehmung durchaus Schwierigkeiten: Erkenntnisse vermitteln können hier nur die tätereigene Beschreibung vergangener innerer Zustände oder eine äußere Deutung des Täterverhaltens durch Dritte;632 beide Wege gelten als schwankend und unpräzise.633 Aber auch ein Verständnis der subjektiven Tatseite als reines Zuschreibungsprodukt634 wäre 626 H. M. Hurd, Law and Philosophy 20 (2001), 215, 229 ff.; M. S. Moore/H. M. Hurd, Stanford Law Review 56 (2004), 1081, 1137 f. Vgl. N. Hall, Hate Crime, 2013, 188 f. 627 Zitate bei F. Timm, JR 2014, 145 ff. Siehe auch F. Rostalski, Der Tatbegriff im Strafrecht, 2019, 372 ff.; F. Timm, Gesinnung und Straftat, 2012, 197 f. et passim. 628 Vgl. hier nur erneut G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986, § 36; I. Kant, Die Metaphysik der Sitten, 1797/1991, AB 33. Im Detail sind die Verzweigungen freilich komplexer: bei Kant wurzeln Recht und Moral in einem gemeinsamen Begriff von praktischer Vernunft (B. Kelker, Zur Legitimität von Gesinnungsmerkmalen im Strafrecht, 2007, 401), bei Hegel ist das abstrakte, die Freiheitssphären formal unterteilende Recht nur die erste Systemstufe. Das wird hier nicht vertieft. 629 H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 1960, 237; H.-U. Paeffgen, Vorüberlegungen zu einer Dogmatik des Untersuchungshaft-Rechts, 1986, 15. 630 K. F. Gärditz, in: Strafrecht und Gesellschaft, 2019, 709, 733. 631 BGH, 24.6.2008 – 3 StR 179/08 = NStZ 2008, 707; J.-P. Becker, L/R-StPO27, § 244, Rn. 5; T. Grosse-Wilde, Erfolgszurechnung in der Strafzumessung, 2017, 580 f. (mit Anwendungsbeispielen). 632 Dazu BGH, 3.12.2015 – 2 StR 177/15 = NStZ 2016, 365. 633 C.-F. Stuckenberg, Vorstudien zu Vorsatz und Irrtum im Völkerstrafrecht, 2007, 388 mit vielen Nachweisen. Vgl. auch B. Kelker, Zur Legitimität von Gesinnungsmerkmalen im Strafrecht, 2007, 406. 634 J. Hruschka, Strukturen der Zurechnung, 1976, 25 f.; vgl. K. Volk, in: FG BGH IV, 2000, 739, 749 ff.
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auf ein empirisches Substrat angewiesen, aufgrund dessen eine Zuschreibung erst stattfinden kann.635 Unabhängig davon, inwieweit man inner-individuelle Zustände für ontologisch greifbar hält oder als rein askriptives Erzeugnis fassen möchte,636 lässt sich deren Einordnung nicht aus der Rechtsbetrachtung ausklammern (jedenfalls immer dann, wenn subjektiv zugerechnet wird). Weiterhin sehr gut begründbar bleibt eine Reduzierung der an die Person adressierten Verhaltenserwartungen auf äußerliche Handlungen und, insbesondere strafrechtlich,637 ein Verzicht der Rechtsordnung auf Ge- oder Verbote, bestimmte Gesinnungen zu bilden oder eben ihre Bildung zu unterlassen. Das ist schließlich auch eine Grundannahme, die sich mit aus der kantischen Unterteilung nach Legalität und Moralität gut herleiten und erklären lässt.638 Das umfasst aber keine strikte Tabuisierung aller Miteinbeziehung des „fori interni“ in Rechtsfragen.639 2. Zweckbindung: Durchschlagen auf den Erfolg In dieser Radikalität wird man den Einwand des „Gesinnungsstrafrechts“ also wohl nicht verstehen können. Gleichzeitig ist der berechtigte Kern der Kritik unverkennbar: Es ist offensichtlich, dass Straftatbestände wie etwa „Es ist verboten, den Staat zu hassen“ als moralisierender Übergriff die gewährleistete personale Rechtssphäre verletzen würden.640 Nun steht aber die Verknüpfung regulärer Tatbestände mit Gesinnungsausdrücken zur Debatte. Angesprochen ist damit also nicht die schiere Sanktionierung des Gesinnungsausdrucks als solchem, sondern sein Wirkungsverhältnis zu einer schon isoliert erfüllbaren Sanktionsnorm. Nach dem zuvor Gesagten – grundsätzliche Trennung von Legalität und Moralität – befindet sich die innere Haltung des Täters nicht im Feld des Juridischen, es ist also beispielsweise die Vermeidung bestimmter Gesinnungsbildung kein Strafrechtszweck.641 Dennoch ist es 635
G. Jakobs, ZStW 101 (1989), 516, 530 Fn. 18. Dazu C.-F. Stuckenberg, in: FS Kindhäuser, 2019, 533. 637 Sehr deutliche Positionierung bei F. Timm, Gesinnung und Straftat, 2012, 85 f. 638 I. Kant, Die Metaphysik der Sitten, 1797/1991, AB 15 ff.: „Die Pflichten nach der rechtlichen Gesetzgebung können nur äußere Pflichten sein, weil diese Gesetzgebung nicht verlangt, daß die Idee dieser Pflicht, welche innerlich ist, für sich selbst Bestimmungsgrund der Willkür des Handelnden sei, und, da sie doch einer für Gesetze schicklichen Triebfeder bedarf, nur äußere mit dem Gesetze verbinden kann. (. . .) Die ethische Gesetzgebung (die Pflichten mögen allenfalls auch äußere sein) ist diejenige, welche nicht äußerlich sein kann; die juridische ist, welche auch äußerlich sein kann.“ 639 T. Grosse-Wilde, ZIS 2011, 83, 91 ff.; B. Kelker, Zur Legitimität von Gesinnungsmerkmalen im Strafrecht, 2007, 405 ff. Dass sich aus der kantischen Philosophie keine eindeutigen Ableitungen zur Einbeziehung von Gesinnung im Strafrecht durchführen lassen, benennt auch F. Timm, Gesinnung und Straftat, 2012, 79. 640 Siehe aber immerhin § 89b StGB, dazu H.-U. Paeffgen, NK-StGB5, § 89b, Rn. 3 f. 641 Auch von kriminologischer Warte wird die analytisch verkürzte Betrachtung einzelner innerer Merkmale gerügt. Die Hate-Crime-Problematik etwa wird in ihrer gesell636
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konstruktiv möglich, zur rechtlichen Verfolgung der Strafrechtszwecke auf die außer-juridische Umgebung Bezug zu nehmen. Dann schreibt eine Sanktionsnorm den Verweis auf Moralisches zur Erreichung des Rechtlichen fest; es handelt sich um einen funktionalen Zusammenhang.642 „Gesinnung“ meint dann keinen abstrakt-ontologischen inneren Status, sondern gibt eine kontext- und tatbezogene Haltung der Person bei Tatbegehung an. Das heißt, einen allgemeinen Oberbegriff von beispielsweise „Grausamkeit“ oder „Staatsfeindlichkeit“ kann es im Recht gar nicht geben. Eine strafrechtliche Indienstnahme des mentalen Status pflegt ihn nicht undifferenziert in die Unrechtsbeschreibung ein und erklärt ihn zum eigenständigen Kriterium, sondern entscheidet, was er als außer-rechtliches Faktum für das Recht bedeutet.643 Gesinnungsmerkmale sind Eigenschaften eines konkreten Unrechts und werden Rechtsverletzungen zugeschrieben; Charaktereigenschaften werden Personen als solchen zugeschrieben und sind damit ohne rechtlichen Eigenwert.644 Es gibt keine ureigene Intension von „Grausamkeit“, die dem Begriff einen losgelösten Sinn vermitteln könnte.645 Allgemein besteht keine Identität des Sinns, also der Begriffsintension, bei Nicht-Identität der Bedeutung, also der Begriffsextension.646 Das gilt zumindest bei einer zweckmäßigen Begriffsbestimmung. Ebendiese Begriffsextension/Bedeutung unterscheidet sich bei Eigenschaften von Personen oder Handlungen. Erkennen lässt sich das schon in der Sprachgrammatik: Jemand kann „grausam“ handeln, dann ist „grausam“ ein Adverb und fungiert im Satzbau als adverbiale Bestimmung; oder er kann eine „grausame“ Person sein, dann ist „grausam[e]“ ein Adjektiv und fungiert im Satzbau als Prädikativum.647 Wer „grausam“ 648 tötet, muss nicht zwingend ein „grausamer Mensch“ sein; die strafrechtliche Unrechtsbeschreibung interessiert
schaftlichen Dimension verfehlt, wenn Rassismus und Fremdenfeindlichkeit als rein psychologisch fassbare Phänomene fehlgeleiteter Einzeltäter begriffen werden, siehe K. Lang, Vorurteilskriminalität, 2014, 37 f. 642 Man kann sich dem Problem auch deontologisch weiter nähern, siehe dazu das Programm bei B. Kelker, Zur Legitimität von Gesinnungsmerkmalen im Strafrecht, 2007, 414 ff. auf Basis einer kantischen Freiheitstheorie. 643 Dahingehend auch W. Frisch, in: FS Müller-Dietz, 2001, 237, 251, 255. 644 T. Grosse-Wilde, Erfolgszurechnung in der Strafzumessung, 2017, 111; I. Puppe, Idealkonkurrenz und Einzelverbrechen, 1979, 155. 645 I. Puppe, Idealkonkurrenz und Einzelverbrechen, 1979, 155 f. 646 C.-F. Stuckenberg, Vorstudien zu Vorsatz und Irrtum im Völkerstrafrecht, 2007, 225. Vgl. auch J. B. Hermann, Begriffsrelativität im Strafrecht und das Grundgesetz, 2015, 37. 647 Siehe R. Honig, in: FS Larenz, 1973, 245, 253. 648 Grausamkeit als Mordmerkmal nach § 211 Abs. 2 Gruppe 2 Var. 2 StGB erfordert, dass die Tötung auf „gefühlloser, unbarmherziger Gesinnung des Täters beruhen muß, die ihn jedenfalls bei der Tat beherrscht hat“, BGH, 30.9.1952 – 1 StR 243/52 = BGHSt 3, 180, 181. Dagegen U. Neumann/F. Saliger, NK-StGB5, § 211, Rn. 79.
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sich zumindest nicht dafür.649 Denn Grund der Strafe ist – und hier wird tatsächlich nun eine heuristische Unterscheidung von „Tatstrafrecht“ und „Täterstrafrecht“ erforderlich650 – eine Tat, also eine Handlung. Rechtsdogmatisch handelt es sich um schulderschwerende Gründe, die sich relativ auf das Unrecht beziehen.651 Es wird also kein abstrakt zu missbilligendes subjektives Element beliebig angerechnet, sondern es ist eine Verknüpfung von Schulderschwernis und dem geschützten Rechtsgut auszuweisen.652 Notwendig zur Einbeziehung der Gesinnungsmerkmale ist eine „Unrechts-Fundierung“,653 respektive eine „Unrechtsdimension“.654 Insoweit kommt also der Berücksichtigung des „fori interni“ des Täters eine materielle Bedeutung zu, die nicht als gesetzgeberischer Exzess mit Erstreckung auf Unberührbares prima facie abgelehnt
649
Beispiel bei I. Puppe, in: FS Neumann, 2017, 323, 329. Dazu im Zusammenhang mit Gesinnungsmerkmalen E. Schmidhäuser, Gesinnungsmerkmale im Strafrecht, 109 ff. 651 B. Berger, Das Gesinnungsmoment im Strafrecht, 2008, 137 f.; T. Grosse-Wilde, Erfolgszurechnung in der Strafzumessung, 2017, 584 f.; I. Puppe, ZStW 120 (2008), 504, 521; I. Puppe, NK-StGB5, § 29, Rn. 19 ff.; E. Schmidhäuser, Gesinnungsmerkmale im Strafrecht, 206 ff. Anders die finalistische, und insoweit auch konsequente, Einordnung, die Gesinnungsmerkmalen zuspricht, „die subjektive Seite der Deliktsbeschreibung über den verhältnismäßig groben Begriff des Vorsatzes hinaus außerordentlich zu verfeinern“, H. Welzel, Das deutsche Strafrecht, 1969, 80; so auch J. Krümpelmann, ZStW 87 (1975), 888, 896 f.; H.-U. Paeffgen, GA 1982, 255, 259 (Gesinnungsmerkmale als „Weiterungsformen des Vorsatzes“, ebd., 257). 652 Dabei führen die „strafbegründenden Schuldmerkmale“ (Beispielsweise die „Böswilligkeit“ in § 90a StGB und § 225 StGB) zu dogmatischen Reibungen bei der Teilnehmerstrafbarkeit (zum Folgenden I. Puppe, NK-StGB5, § 29, Rn. 19 ff.). Umfasst sind dabei Fälle, in denen dem Teilnehmer das Gesinnungsmerkmal fehlt. Als besondere persönliche Merkmale müssten Gesinnungsmerkmale eine Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB zur Folge haben; dann wird aber ein Teilnehmer aufgrund einer Haupttat bestraft, die als notwendiges Merkmal ein Schuld-Element (eben z. B. die „Böswilligkeit“) aufweist, das der Teilnehmer gerade nicht hat. Der Grundsatz „Jeder nach seiner Schuld“ wäre berührt. Eine Anwendung von § 29 StGB dagegen würde den Teilnehmer straflos lassen, obwohl er doch an einer vollständigen Haupttat teilnimmt. Strafbegründende Schuldmerkmale provozieren also einen inhaltlichen Widerspruch zwischen §§ 26, 27 StGB und § 29 StGB. I. Puppe, ZStW 120 (2008), 504, 520 ff. möchte aus diesem Grund strafbegründende Schuldmerkmale nicht zulassen und deren im Gesetz auftauchende Phänotypen konsequent zu objektiven Merkmalen umstempeln (siehe auch B. Berger, Das Gesinnungsmoment im Strafrecht, 2008, 159 ff.; I. Puppe, NK-StGB5, § 29, 22 ff.; F. Timm, Gesinnung und Straftat, 2012, 221). Auch wenn dem Anliegen aus kriminalpolitischen und systematischen Gründen grundsätzlich zuzustimmen ist, scheint es doch sehr ambitioniert, aus Merkmalen wie „böswillig“ ein subjektives Element gezielt herauszufiltern (vgl. B. Kelker, Zur Legitimität von Gesinnungsmerkmalen im Strafrecht, 2007, 543) und nur mit dem Rest-Begriff zu arbeiten. Wie hier wohl auch H.-U. Paeffgen, NK-StGB4, § 225, Rn. 16 Fn. 19 ( H.-U. Paeffgen/M. Böse, NKStGB5, § 225, Rn. 16 Fn. 75). 653 H.-U. Paeffgen, NK-StGB5, § 90a, Rn. 14. 654 H.-U. Paeffgen, NK-StGB4, § 225, Rn. 16 Fn. 20 ( H.-U. Paeffgen/M. Böse, NK-StGB5, § 225, Rn. 16 Fn. 76). 650
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werden kann.655 Ob man derlei Tatbestandstrukturierungen auf kriminalpolitischer Ebene für zweckmäßig und systematisch gelungen hält, mag eine andere Frage sein – der Gesetzgeber ist jedenfalls von dieser Regelungsform nach wie vor nicht abgerückt.656 3. Institutionenablehnung? Entscheidend ist also, wie sich eine innere Haltung des Täters auf den Taterfolg auswirkt.657 a) Ein Erklärungsansatz kehrt die Zusammenhänge bewusst um und erklärt die Auswirkung auf das Opfer für den Grund, überhaupt die subjektive Tatseite zu berücksichtigen und zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit zu differenzieren.658 Die Vorsatztat soll demnach besondere Missachtung gegenüber dem Opfer formulieren.659 Das setzt einiges voraus: Wenn der subjektive Tatbestand nach Wertungskriterien bemessen wird, die über den inneren Bezug des Täters zum objektiven Tatbestand hinausgehen, ist das mit einer Trennung von Tatbestandskenntnis und Unrechtsbewusstsein, unvereinbar. Um in der Vorsatztat eine Missachtung bestimmen zu können, müssen also §§ 16, 17 StGB übergangen werden; ein Schwenk hin zum dolus malus ist unvermeidbar.660 In der Sache dürfte zudem keine notwendige Verknüpfung von absichtlicher Tat und der Empfindung von Herabwürdigung bestehen. Denn in dem breiten und schwer umkämpften Grenzgebiet zwischen dolus eventualis und bewusster Fahrlässigkeit lässt sich kein objektiv nachprüfbarer Schwellenmesswert ausmachen, der über zu einer qualitativ neuartigen Missachtung führt.661 Die (für den second-person-standpoint letztlich sehr konsequente!) Bestimmung der subjektiven Zurechnung des Täters nach einer Evaluation der Empfindungen des Opfers dürfte jedenfalls nicht allgemein durchführbar sein (und wird auch soweit ersichtlich von niemandem gefordert).
655
C.-F. Stuckenberg, Vorstudien zu Vorsatz und Irrtum im Völkerstrafrecht, 2007,
277 f. 656 Die gescheiterte Reform des Mordtatbestandes (vgl. nur das Fazit bei V. Haas, ZStW 128 (2016), 316, 369) mag hier ein aktuelles Beispiel bilden. R. Merkel, ZRP 2020, 162, 166 schlägt mittlerweile sogar eine Erweiterung der subjektiven Mordmerkmale (immerhin mit Streichung der allgemeinen sonstigen niedrigen Beweggründe) vor. 657 Im Ergebnis ähnlich K. Ambos/P. Rackow, in: FS Sancinetti, 2020, 19, 30. 658 T. Hörnle, Kriminalstrafe ohne Schuldvorwurf, 2013, 56 f. 659 Allgemein dahingehend schon A. Löffler, Die Schuldformen des Strafrechts, 1895, 23 f.: „Wer sich an meinen Rechtsgütern vergreift, weiß, daß ich mir das nicht werde gefallen lassen, und indem er dieses Bedenken nicht beachtet, erzeigt er mir selbst seine Geringschätzung (. . .) Nun zeigt aber, (. . .) dass in einer zufälligen Verletzung keinerlei Verhöhnung steckt.“ 660 C.-F. Stuckenberg, Vorstudien zu Vorsatz und Irrtum im Völkerstrafrecht, 2007, 421. Gegenwärtig zum dolus malus etwa G. Jakobs, in: FS Rudolphi, 2004, 107. 661 Vgl. T. Grosse-Wilde, RphZ 4 (2018), 137, 151.
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Anhand der Opferperspektive die Gesinnung bei der Tat miteinzubeziehen, führt zu weiteren Problemen: Durch das pauschale Erschweren der Strafe bei entsprechender Tatgesinnung nimmt die Einzelfalldifferenzierung ab. So wenig wie Hassverbrechen immer höhere Schäden nach sich ziehen, hat die objektive Seite eines Delikts gegen die Person schweren Ausmaßes notwendig einen subjektiven Gegenspieler.662 Problematisch scheint auch der Fall des „hassenden“ Anstifters, wenn der Haupttäter die Gesinnung nicht teilt und sich folglich das Erfolgsunrecht beispielsweise einer Körperverletzung nicht aufgrund der Gesinnung erhöhen wird.663 Darüber hinaus hat die Rechtspraxis schon Fälle eines irrtümlichen „hate-crime“ hervorgebracht,664 zu dessen Bewertung offensichtlich auf Umstände außerhalb des Opfers abzustellen ist. Deutlich wird, dass die gesamte Verbrechensbeurteilung aus der Opfersicht insoweit verkürzt ist, als sie über das klassische, atavistisch anmutende Straftatbild einer offenen Täter-Opfer-Konfrontation und dessen Beurteilung nicht hinauskommt. Das ist die Beurteilung der hier vorgenommenen Unterscheidung opferbezogener Delikte im Besonderen Teil des Strafrechts. Ein Schlag ins Gesicht gegen beispielsweise einen Kneipenbesucher, mit dem man in Streit geraten ist (§ 223 Abs. 1 StGB), und ein Schlag gegen einen Polizisten (§ 114 StGB)665 bilden phänomenologisch eine vergleichbare Tat, die möglicherweise aus Opfersicht gleich beurteilt würde. Das sagt aber noch nichts über den objektiven Zweck der Tatbestände, ob also ein personales Anliegen (§ 223 StGB) oder ein institutionelles Anliegen (§ 114 StGB) gestützt werden soll. Diese Differenzierungsleistung lässt sich anhand einer individualisierten Betrachtung der Einzelwahrnehmungen nicht bewerkstelligen. b) Eine zweckgerichtete Einbindung der Gesinnung ist vollziehbar, indem ein Zusammenhang zum Ausmaß des Erfolgs hergestellt wird. Auch das ist eines der Argumente der Hate-Crime-Debatte: Bei Delikten gegen die Person, so heißt es, fällt der Erfolgsunwert drastischer aus, wenn die Tathandlung aus hasserfüllten Motiven vorgenommen wird.666 Das gilt erst recht, wenn die Gesinnung, den Er662 A. Grünewald, Das vorsätzliche Tötungsdelikt, 2010, 166 bestreitet zudem, eingekleidet in viele Fallbeispiele, dass die Motive des Täters sich auf das Tat-Empfinden des Opfers auswirken. 663 T. Grosse-Wilde, Erfolgszurechnung in der Strafzumessung, 2017, 574. 664 Mit Nachweis aus dem Raum des common-law T. Grosse-Wilde, RphZ 4 (2018), 137, 152. 665 Freilich ist auch § 223 StGB erfüllt. Hier soll es aber nur um eine plakative Darstellung des isolierten durch die Tatbestände vertypten Unrechts gehen. 666 Ö. D. Aydin, Die strafrechtliche Bekämpfung von Hassdelikten in Deutschland und in den Vereinigten Staaten von Amerika, 2006, 113; P. B. Gerstenfeld, Hate Crimes, 2003, 16 f.; N. Hall, Hate Crime, 2013, 165 f.; K. Krupna, Das Konzept der „Hate Crimes“ in Deutschland, 2010, 75 f.; F. M. Lawrence, Michigan Law Review 93 (1994), 320, 342; F. M. Lawrence, Punishing Hate, 1999, 39; L. Meli, University of Illinois Law Review 2014, 921, 952. Teilweise gilt schon das schiere Wissen des Opfers um die Mo-
D. Opferorientierte Sanktionsnormen: Unrechtsbestimmung/Funktionenanalyse 191
folg erst bedingt, also zentrales Motiv der Tat ist.667 Damit ist der Vorwurf einer reinen Gesinnungsbestrafung beseitigt und eine empirisch nachweisbare668 Verknüpfung zur Tat hergestellt. Dadurch bildet der Bezug auf innere Tatmerkmale gewissermaßen ein stellvertretendes Merkmal zur tatsächlichen Steigerung des Erfolgsunrechts.669 Das aber wäre auch unkomplizierter umsetzbar gewesen – es ist bewährte gesetzgeberische Technik, die Erfolgsschwere in Qualifikationstatbeständen zu würdigen (siehe nur § 226 StGB). Wäre der schwerere Erfolg zwingende Konsequenz eines Verbrechens mit besonderer Abneigung des Täters, bedürfte es also gar keiner Berücksichtigung innerer Faktoren.670 Das Abstellen auf „Hass“ lässt sich damit als eine starke Vorverlagerung des zu einer Strafrahmenanhebung671 genügenden Handelns begreifen: Bereits das abstrakt gefährlichere Verhalten wird schärfer sanktioniert. Das ist, nach dem zuvor Gesagten, erklärlich und die Verwendung einer solchen funktionalen Subjektivierung einzelner Tateigenschaften kontingente Entscheidung des Gesetzgebers. Der Bezug zur Verletzung des Opfers sollte aber immer herstellbar sein; es hat noch kein böser Wille an sich eine andere Person lädiert. „It is the harm that makes the victim.“ 672 c) Hebt man diese Gedanken nun auf die Ebene institutionenbezogener Delikte, zeigt sich, wie voraussetzungsreich ein Opferschutz aus allgemeinheitsdienlichen Gründen ist. Denn auch hier gilt, dass die Berücksichtigung einer „staatsfeindlichen Gesinnung“ auf den Schutz der betroffenen Institution durchschlagen muss. Es lässt sich also nicht sagen, dass das spezielle Unrecht – beispielsweise – einer Verunglimpfung des Bundespräsidenten schon in dem dadurch zur Geltung kommenden staatsfeindlichen Gesinnungsmoment des Täters läge. Und selbst
tivation des Täters als zusätzliches Übel, so etwa bei R. A. Posner, Economic Analysis of Law, 2014, 278 f. 667 S. Salzborn, Recht und Politik 57 (2021), 221, 224. 668 Das Gelingen dieses Nachweises behaupten jedenfalls Befürworter der gesonderten Kriminalisierung etwa: M. Coester, Hate Crimes, 2008, 191; T. A. Scotting, Akron Law Review 34 Iss. 4, Article 2 (2001), 1, 9; S. B. Weisburd/B. Levin, Stanford Law & Policy Review 5 (1994), 21, 23 f.; anders und differenzierend aber Ö. D. Aydin, Die strafrechtliche Bekämpfung von Hassdelikten in Deutschland und in den Vereinigten Staaten von Amerika, 2006, 121. Die größere Meta-Studie bei M. D. Fetzer/F. S. Pezzella, J Interpers Violence 34 (2019), 3864 ff. resümiert: „Research on the severity of injuries derived from bias-motivated offending has produced mixed results. Studies that have detected differences in the severity of injuries have often been undermined by the use of non-representative and convenience-type samples that restrict the generalization of their findings.“ 669 Kritisch T. Grosse-Wilde, Erfolgszurechnung in der Strafzumessung, 2017, 572 ff.; M. S. Moore/H. M. Hurd, Stanford Law Review 56 (2004), 1081, 1086. 670 J. B. Jacobs/K. Potter, Hate Crimes, 2001, 81. 671 Das hat sich bislang nur in der allgemeinen Fassung des § 46 Abs. 2 StGB niedergeschlagen. 672 A. Walen, Law and Philosophy 29 (2010), 373, 381.
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Teil 2: Institutionenschutz durch Opferschutz?
wenn er es hätte, wäre es erst dann rechtlich relevant, wenn die Institution „Bundespräsident“ dadurch beschädigt würde. Hier gilt das gleiche, was auf einer ganz allgemeinen Ebene schon gegen das Vorwurfskonstrukt „rechtsfeindlicher Gesinnung“ spricht: Ob eine Tat-Gesinnung in normativ entscheidender Form rechtsfeindlich ist, ergibt sich ja durch die Rechtswidrigkeit der Tat. Im Beispiel müsste die Verunglimpfung also aufgrund der Gesinnung des Täters besonders kräftig und damit unrechtssteigernd ausfallen. Der – pars pro toto – bereits zitierte Reformvorschlag der Einbeziehung „eine[r] gegenüber dem Gemeinwohl feindliche[n] oder gleichgültige[n] Haltung, wie sie insbesondere in Taten zum Nachteil von Amtsträgern, in Notlagen Hilfeleistenden oder ehrenamtlich Tätigen zum Ausdruck kommen kann“ wäre dagegen untauglich, weil er mit „dem Gemeinwohl“ einen viel zu unklaren Oberbegriff anführt. Ein solcher Begriff lässt unüberschaubar viele Deutungsoptionen offen und kommt dem perhorreszierten Gesinnungsstrafrecht damit wieder deutlich näher. Denkbar wäre eine institutionenbezogene Berücksichtigung der Tätergesinnung nur bei klarer Bestimmung der Institution einerseits und ihrer Schädigungsmöglichkeit und wiederum deren Steigerungsmöglichkeit bei feindlicher Gesinnung andererseits. Zudem spricht auch kriminologisch-kriminalpolitisch nicht viel für ein solches Regelungskonstrukt.673
E. Der reformierte § 114 StGB § 114 StGB ist im Jahr 2017 (BGBl. I, 1226) als neuer Tatbestand „Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte“ in das StGB eingefügt worden. Als auf einen speziellen Opferkreis – Vollstreckungsbeamte und ihnen gleichstehende Personen – eingegrenzte Sanktionsnorm, lässt sich § 114 StGB als paradigmatischer Beispielsfall eines hier zu Debatte stehenden opferorientierten „Sonderstrafrechts“ begreifen.674 Schon seit jeher gilt das Widerstandsstrafrecht als brisantes Diskussionsfeld: Im Vollstreckungsfall prallen die Interessen von Staat und betroffenem Bürger physisch-gewaltsam aufeinander, die idealisierende Vorstellung eines Konfliktausgleichs im Recht scheint hier offen blamiert. Dieser Musterfall staatlicher Herrschaftsausübung gehört zu den Standardkonstellationen der geregelten Lebenssachverhalte aller Strafgesetze. Auch wenn die Akzentuierung, etwa das Strafmaß im Vergleich zu Nötigung und Körperverletzung, variiert,675
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So im Ergebnis A. Ehresmann, Straftaten gegen Polizeibeamte, 2015, 375. S. Barton, Hdb-StrR IV, § 20, Rn. 13 bemerkt etwa zutreffend, dass die Reform „breiten populär-viktimären Strömungen in Medien und Gesellschaft“ folge. 675 Zustimmende Beurteilungen sehen in der Verschärfung des Widerstandsstrafrechts eine „nach dem normativen Selbstverständnis unserer Gesellschaft“ (M. Kubiciel, Stellungnahme, 3; siehe auch T. Kulhanek, JR 2018, 551, 551) zeitgemäße Veränderung. So wird es wohl sein; derlei Groß-Abstraktionen eignen sich indes nur als formale Rahmenzeichnung (näher schließlich auch M. Kubiciel, in: FS Merkel, 2020, 529, 539). 674
E. Der reformierte § 114 StGB
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ist für den Gesetzgeber durchgängig klar: Das ist ein Fall, wo es das Strafrecht nun wirklich braucht.676 Das Besondere am neuen § 114 StGB ist, dass er schon weit vor dem Vollstreckungsfall ansetzt (ihn freilich auch mitumfasst) und damit eine zwingend funktionsverschiedene, sachlich gleichwohl entscheidend weiterreichende Strafbarkeit schafft. Der Gesetzesnovelle liegt eine impulsive Debatte zugrunde, in der außerordentlich viel Staub aufgewirbelt wurde.677 Trotz überaus scharfer Kritik gleicht das verabschiedete Gesetz in wesentlichen Zügen678 einer im Jahr 2010 publizierten Polizeigewerkschafts-Forderung679, die schon seinerzeit auf kräftige Gegenrede680 gestoßen ist. Zu prüfen ist nun, was es mit den zahlreichen Einwänden auf sich hat. Interessant ist doch – wenn man schon erkennt, dass das Gesetz augenscheinlich nicht den Maßgaben entspricht, die aus der Strafrechtswissenschaft an Gesetze gelegt werden – nach welchen Gesichtspunkten das Gesetz stattdessen ausgerichtet ist. Im Folgenden soll also schlicht versucht werden, die Norm des § 114 StGB einmal ernst zu nehmen und aus ihrem Begriff (nicht durch äußere Erwartungen) eine Kritik zu ermitteln. Denn „[b]ei der Bewertung eines ad-hoc-Gesetzes darf Verdächtig scheint zumindest, dass ein unterstelltes neumodernes Selbstbewusstsein der Staatsbürger (als Kern jenes „normativen Selbstverständnisses“) ausgerechnet das Argument sein soll, um lange Überwundenes noch einmal aufzuwärmen: Die gesonderte, von einer Vollstreckungshandlung unabhängige Sanktionierung des tätlichen Angriffs findet sich schon in der tatbestandlichen Fassung des § 113 im RStGB von 1871: „Wer einem Beamten, welcher zur Vollstreckung von Gesetzen, von Befehlen und Anordnungen der Verwaltungsbehörden oder von Urtheilen und Verfügungen der Gerichte berufen ist, in der rechtmäßigen Ausübung seines Amtes durch Gewalt oder durch Bedrohung mit Gewalt Widerstand leistet, oder wer einen solchen Beamten während der rechtmäßigen Ausübung seines Amtes thätlich angreift, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu fünfhundert Thalern bestraft.“ Auf diesen eigentümlichen historischen Zirkel hat H.-U. Paeffgen, NK-StGB6, § 114, Rn. 15 hingewiesen. Hinzu kommt in der heutigen Normfassung neben einer deutlichen Strafrahmenerhöhung freilich noch das Regelwerk der Irrtumsvorschriften. Ausführlich zur Historie der Delikte gegen Vollstreckungsbeamte seitdem J. Fallack, Legale Illegalität, 2016, 94 ff.; H.-U. Paeffgen, NK-StGB6, § 113, Rn. 1 ff. 676 Siehe aber die Ausarbeitung einer Streichung der §§ 113 f. StGB bei K. Hoffmann-Holland/J. Koranyi, ZStW 127 (2015), 913. Eine Streichung rechtspolitisch befürwortend H. Satzger, in: FS Neumann, 2017, 1161, 1164. 677 Die später in § 114 StGB verwirklichte Idee wurde etwa schon vor seinem Erlass in der einschlägigen Kommentarliteratur kritisch aufgegriffen, siehe N. Bosch, MKStGB3, § 113, Rn. 2; H.-U. Paeffgen, NK-StGB5, § 113, Rn. 1a f., 96. 678 Dazu H.-U. Paeffgen, NK-StGB5, § 113, Rn. 96 Fn. 533. 679 Siehe S. Braun, Deutsche Polizei 2010, 9, 10 zum Plan eines § 115 Abs. 1 StGB: „Wer einen Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, während der Ausübung seines Dienstes oder in Beziehung auf seinen Dienst tätlich angreift, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“ 680 S. Caspari, Neue Justiz 2011, 318, 326 ff.; C. Rathgeber, KritV 95 (2012), 314, 321 ff.
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Teil 2: Institutionenschutz durch Opferschutz?
sich die Wissenschaft nicht mit ebenso fehleranfälliger ad-hoc-Analyse begnügen“.681
I. Personaler Schutz Es ist bislang nahezu einhellig anerkannt, dass § 114 StGB (auch) den Schutz der körperlichen Integrität von Vollstreckungsbeamten bezweckt.682 Die Erwägungen liegen auf der Hand: Es ist offensichtlich die Bedingung der Tatbestandserfüllung, dass ein Vollstreckungsbeamter „tätlich angegriffen“, also seine Individualsphäre jedenfalls gefährdet wird. Das leuchtet prima facie ein, eine Erklärung ist es aber noch nicht. Phänomenologie des tatbestandlichen Verhaltens und Zweck des Tatbestandes lassen insoweit keine eindeutigen Rückschlüsse aufeinander zu.683 Die lakonischen Bemerkungen des Gesetzgebers, es ginge um den „besonderen Schutz“ 684 der Vollstreckungsbeamten, helfen jedenfalls nur bedingt weiter; sie lassen offen, wie dieser Schutzmechanismus ablaufen soll. 1. Empirischer Schutz Zunächst ließe sich argumentieren, dass es um einen ganz plastisch verstandenen Schutz der Vollstreckungsbeamten in ihrer körperlichen Integrität geht: Durch die erhöhte Strafandrohung im Vergleich zur Körperverletzung sollen dann potenzielle Täter von der Tat abgeschreckt werden. Das Opfer, namentlich der Vollstreckungsbeamte, wird nach diesem Argument in seinem Status als eigene Rechtsperson betrachtet; es geht um seine Rechte. Dass es sich um einen Vollstreckungsbeamten handelt, ist der Anlass der Strafschärfung: eine durch die berufliche Position unterstellte Wahrscheinlichkeitserhöhung, Opfer von Angriffen zu werden. Es ist aber nicht der entscheidende Grund: Der Schutz des „Menschen in Uniform“. Bemerkenswert ist, dass sowohl die Abschreckungswir-
681
C.-F. Stuckenberg, in: FS Rengier, 2018, 353, 354. BGH, 11.6.2020 – 5 StR 157/20 = BGHSt 65, 36, 41 mit Verweis auf den gesetzgeberischen Willen in BT-Drs. 18/11161, 10. Aus der Literatur S. Barton, Hdb-StrR IV, § 20, Rn. 27; A. Bleckat, Zeitschrift für die Anwaltspraxis 2019, 1207, 1208; Y. Bolender, Das neue Widerstandsstrafrecht, 2021, 170 ff.; N. Bosch, MK-StGB4, § 114, Rn. 2; J. Busch/T. Singelnstein, NStZ 2018, 510, 511; A. Eser, Sch/Sch-StGB30, § 114, Rn. 1; C. Fahl, SSW-StGB5, § 114, Rn. 1; T. Kulhanek, JR 2018, 551, 553; J. Puschke/ J. Rienhoff, JZ 72 (2017), 924, 930; H. Rosenau, LK-StGB13, § 114, Rn. 1; H. Satzger, in: FS Neumann, 2017, 1161, 1170 f.; G. Wolters, SK-StGB9, § 114, Rn. 2. 683 Beispielsweise dient der Betrug (§ 263 StGB) immer dem Vermögensschutz, auch wenn der gegebenenfalls personenverschiedene Getäuschte große Hoffnungen auf die Leistung der Vermögensverfügung hatte; erkennbar daran, dass der Getäuschte kein Verletzter (heute nach § 77 Abs. 1 StGB) ist, RG, 9.4.1940 – 1 D 161/40 = RGSt 74, 167, 168 f. Anderes kann aber für die Strafzumessung (T. Grosse-Wilde, Erfolgszurechnung in der Strafzumessung, 2017, 391 ff., 418 ff.) oder das Klageerzwingungsverfahren (OLG Celle, 1.2.2008 – 1 Ws 32/08 = NStZ 2008, 423) gelten. 684 BT-Drs. 18/11161, 10. 682
E. Der reformierte § 114 StGB
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kung eines mit erhöhter Strafandrohung versehenen Tatbestandes685 als auch die Grundlage seiner Schaffung – vorgeblich steigende Angriffe auf Vollstreckungsbeamte686 – trotz ihrer grundsätzlich möglichen empirischen Überprüfbarkeit nie ein ernsthafter Faktor waren, der über Möglichkeit und Legitimität eines solchen Tatbestandes entschieden hat.687 Das ist ein typisches Merkmal moderner Kriminalpolitik: „Forschungsergebnisse zur zweifelhaften präventiven Wirkung kriminalpolitischer Maßnahmen haben in der Regel keine Konsequenzen. Das liegt daran, dass man zwar permanent mehr Strafrecht schafft und dabei von der Prävention bzw. ,Bekämpfung‘ von Kriminalität redet – dies aber nicht davon abhängig machen will, dass durch die jeweils anstehende Verschärfung tatsächlich weniger Delikte begangen werden. Entgegen jeder empirischen Evidenz wird gebetsmühlenhaft die simple, aber falsche Botschaft transportiert, dass härtere Strafen per se zu weniger Straftaten führten.“ 688
Es liegt damit nahe, dass der konkret greifbare Schutz der einzelnen Vollstreckungsbeamten, also eine Opferschutzerwägung mit dem Ziel, seine personale Rechts-Sphäre zu wahren, nicht der Normzweck ist. Dazu die folgenden Argumente: a) Zunächst liegt es auf der Hand, dass ein Vollstreckungsbeamter im Dienst schon durch Ausrüstung und konfliktspezifische Ausbildung ganz regelmäßig kein dem Täter physisch unterlegenes Opfer ist.689 Diese offensichtliche Erkennt685 Kriminologisch wird dieser Gedanke massiv angezweifelt, siehe nur A. Ehresmann, Straftaten gegen Polizeibeamte, 2015, 264 f. 686 In der Literatur ist dieser Begründungsstrang der Gesetzesbegründung außerordentlich deutlich zurückgewiesen worden: Bereits die Polizeiliche Kriminalstatistik wird als Mittel zur empirischen Kriminalitätsmessung aus allgemeinen Gründen nicht anerkannt (siehe A. Ehresmann, Straftaten gegen Polizeibeamte, 2015, 93 ff.; T. Fischer, Strafgesetzbuch, 692022, § 114 Rn. 2; D. Magnus, GA 2017, 530, 532; H. E. Müller, Stellungnahme, 2; J. Puschke, Neue Kriminalpolitik 26 (2014), 28, 30 ff.; T. Singelnstein/J. Puschke, NJW 2011, 3473, 3475 f.; M. Wagner-Kern, Recht und Politik 54 (2018), 7, 8 f.; M. A. Zöller, KriPoZ 2017, 143, 143 f.; J. Zopfs, GA 2012, 259, 262), unter anderem weil die Anzeigebereitschaft bei betroffenen Polizisten ungleich höher als bei verletzten Bürgern ist. Insbesondere die „Opferzählung“ gilt als notorisch unscharf; sie lädt zu einer Verquickung von individuellen Vulnerabilitätserfahrungen und Unrechtswertung ein (H. E. Müller, Stellungnahme, 6). H.-U. Paeffgen, NK-StGB6, § 114, Rn. 1: „kindliche[r] Umgang mit statistischen Daten aus der Strafverfolgungsstatistik“. Ebenfalls durchgehend kritisch J. Dallmeyer, BeckOK-StGB50, § 114, Rn. 2; J. Puschke/ J. Rienhoff, JZ 72 (2017), 924, 925 f.; A. Schiemann, NJW 2017, 1846, 1848 f. 687 Siehe dazu etwa BT-Drs. 19/22688. 688 J. Kaspar, StV 2021, I (Heft 9). 689 Ähnlich N. Bosch, MK-StGB4, § 114, Rn. 1. Das spiegelbildliche Argument des Gesetzgebers, durch die Schutzleistung des § 114 StGB solle gerade verhindert werden, dass Vollstreckungsbeamte durchgängig Schutzkleidung tragen müssen (BT-Drs. 18/ 11161, 10), passt nicht wirklich, weil ja gerade auch Vollstreckungssituationen von § 114 StGB umfasst sind, S. Barton, Hdb-StrR IV, § 20, Rn. 55. Ausführlich zur Frage, ob man durch punktuell erhöhte Abschreckung einen erhöhten Schutz für einzelne Opfergruppen erreichen kann, S. 133 ff.
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Teil 2: Institutionenschutz durch Opferschutz?
nis findet in der Rechtsprechung an anderer Stelle Berücksichtigung: Bei der Bewertung, ob eine „erhebliche Straftat“ vorliegt, die eine Unterbringung gemäß § 63 StGB begründet, heißt es: „Sollte der neue Tatrichter zu dem Ergebnis gelangen, dass von dem Besch. in Zukunft (auch) Taten vergleichbar der Anlasstat zum Nachteil der eingesetzten Polizeibeamten zu erwarten sind, wird er bei deren Gewichtung in den Blick zu nehmen haben, dass Angriffe gegen Personen, die professionell mit derartigen Konfliktsituationen umgehen, dafür entsprechend geschult sind und in der konkreten Situation über besondere Hilfs- und Schutzmittel verfügen, möglicherweise weniger gefährlich sind.“ 690
Der Berücksichtigung dieser Rechtsprechung bei der Rechtsgutsbestimmung des § 114 StGB wird bisweilen entgegengehalten, es handele sich um „unterschiedliche Rechtsfragen“.691 So ist es auch, nur hat das nichts mit der Feststellung des empirischen Befunds über die praktische Schutzwürdigkeit von Polizeibeamten zu tun.692 Die Parallelen zur Rechtsprechung bezüglich § 63 StGB erstrecken sich hier nur auf die Beurteilung des faktischen Schutzniveaus von Polizeibeamten im Einsatz. Freilich verläuft die normative Einordnung dessen im Kontext des § 63 StGB anders als im Kontext des § 114 StGB, muss aber selbstredend von der gleichen Tatsachenbasis ausgehen. Sie lässt also, unabhängig davon, dass es sich um „unterschiedliche Rechtsfragen“ handeln mag, klar die Folgerung zu: Wenn Polizeibeamte im Einsatz gerade besonders gut gewappnet auf mögliche Angriffe sind, scheiden sie als empirisch schützenswerte Opfer aus.693 b) Darüber hinaus ist zu bedenken, welche Schutzlücke möglicher Angriffsarten § 114 StGB füllt. Denn selbstverständlich waren Vollstreckungsbeamte vor der Reform im Jahr 2017 keineswegs rechtlich schutzlos gestellt: Die §§ 223 StGB ff. gelten unbeschadet, darüber hinaus sanktioniert § 113 StGB den Widerstand gegen eine Vollstreckungshandlung. Insbesondere übersteigt der Strafrahmen der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 StGB: sechs Monate bis zehn Jahre Freiheitsstrafe) den Strafrahmen des neuen § 114 StGB (drei Monate bis fünf Jahre Freiheitsstrafe). Es besteht also keinerlei Abschreckungsmehrwert bezüglich aller Angriffe mit gesteigertem Verletzungsrisiko. Die Wirkung erschöpft sich einerseits in einer Strafrahmenerhöhung der einfachen Körperverletzung nach § 223 StGB, soweit sie gegen einen Vollstreckungsbeamten begangen wird, andererseits in der strafrechtlichen Neu-Einbeziehung solcher Straftaten, die unterhalb der Grenze einer einfachen Körperverletzung liegen. Die Rede ist damit
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BGH, 14.2.2017 – 4 StR 565/16 = NStZ-RR 2017, 308, 309. T. Kulhanek, JR 2018, 551, 554. 692 N. Bosch, MK-StGB4, § 114, Rn. 1 Fn. 6. 693 So auch S. Weiss-Brummer, Der Schutz älterer Menschen durch das Strafrecht, 2021, 280. 691
E. Der reformierte § 114 StGB
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vorrangig von Schubsereien,694 Rangeleien, unbewaffneten Schlägen, Taten „an der unteren Schwelle der Strafwürdigkeit“.695 Hier ist angesichts der mit Waffen ausgerüsteten und grundsätzlich in Mehrzahl auftretenden Vollstreckungsbeamten ein tatsächliches Schutzbedürfnis abwegig. Erklären ließe sich das nur als extreme Strafbarkeitsvorverlagerung einer erheblichen Schädigung, die zumindest einmal das Maß der Körperverletzung erreicht. Kriminologisch wird die These einer punktuellen Abschreckungsverstärkung stark bestritten,696 die rechtlichen Einwände wurden hier schon vorgetragen.697 c) Wenn es wirklich so dringend und ernst mit dem Schutz der körperlichen Integrität ist, schadet der Gesetzgeber mit der Ausgestaltung des § 114 StGB als unechtes Unternehmensdelikt (§ 11 Abs. 1 Nr. 6 StGB: Versuch und Vollendung sind gleichermaßen umfasst) dem eigenen Anliegen.698 Denn ein Rücktritt vom Versuch (§ 24 StGB) ist in diesem Fall nicht möglich. Wer also mit einem Wurfgeschoss einen Vollstreckungsbeamten verfehlt, kann durch das Unterlassen eines zweiten (möglichen und erfolgsversprechenden) Wurfs nicht straffrei von seinem Ziel absehen und damit zur Tat-Aufgabe motiviert werden. Die zugehörigen allgemeinen Überlegungen zur Rücktrittsdogmatik („goldene Brücke“) werden hier nicht einer ausführlichen Prüfung unterzogen;699 jedenfalls die Motive des Gesetzgebers gehen durchgängig von einem durch Strafandrohung ansprechbaren Adressaten aus, sodass dieser Punkt insoweit durchschlägt. d) Schließlich passt ein vorrangiger Schutz der körperlichen Integrität auch nicht zu der systematischen Stellung des § 114 StGB. Handelte es sich um eine Qualifikation zur Körperverletzung, wäre der Tatbestand in den §§ 223 ff. StGB zu lozieren gewesen.700 Der sechste Abschnitt (§§ 110–122 StGB) trägt dagegen den Titel „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ und umschließt institutionenbezo-
694 Dagegen aber, im Ergebnis gut nachvollziehbar, AG Berlin-Tiergarten, 4.11. 2021 – 231 Js 341/21 = BeckRS 2021, 55900, was freilich der herrschenden Auslegung (siehe S. 207 ff.) widersprechen dürfte. 695 J. Puschke/J. Rienhoff, JZ 72 (2017), 924, 930. 696 D. Magnus, GA 2017, 530, 535; H. Satzger, in: FS Neumann, 2017, 1161, 1166. 697 S. 139 ff. 698 Siehe schon S. Caspari, Neue Justiz 2011, 318, 327. 699 Ausführlich H.-U. Paeffgen, in: FS Puppe, 2011, 791. 700 Das war die gescheiterte Idee eines § 224 Abs. 2 StGB-E (BR-Drs. 98/2/10, 1): „Ebenso wird bestraft, wer die Körperverletzung gegen eine Person begeht, während diese sich in Erfüllung der ihr obliegenden öffentlich-rechtlichen Aufgaben im Einsatz befindet zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, zur Verfolgung und Ahndung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten oder sonst zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen.“; kritisch A. Ehresmann, Straftaten gegen Polizeibeamte, 2015, 296 ff.; M. Stadtler, ZRP 2010, 157. In eine ähnliche Kerbe schlägt der Vorschlag eines Mordmerkmals, das die Tötung von Amtsträgern umfasst, dazu kritisch U. Bachnick, ZRP 2001, 250, 251; A. Ehresmann, Straftaten gegen Polizeibeamte, 2015, 315 ff.
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Teil 2: Institutionenschutz durch Opferschutz?
gene Straftaten. Ein reiner Individualbezug fügt sich an der Stelle nicht schlüssig ein. 2. Normative Anliegen Ein anderer Ansatz wäre es, ebenfalls auf den Schutz der personalen Integrität einzelner Vollstreckungsbeamter abzustellen, dabei aber nicht auf eine Verbesserung des faktisch-empirischen Rechtsgüterschutzes abzuzielen. Verfolgt wäre stattdessen ein rein inner-rechtlicher Zweck, der die „Soll“-Position eines als solchen anerkannten Staatswillen-Vollstreckers verstärkt. a) In diese Richtung tendierend wird etwa behauptet, der verstärkte Schutz von Vollstreckungsbeamten in § 114 StGB sei „auch deshalb gerechtfertigt, weil diese gerade angesichts von Gefahren für Leib und Leben nicht – wie jeder Normalbürger – den Rückzug antreten dürfen, sondern aufgrund entsprechender staatlicher Anweisung auch angesichts erhöhter Risiken auf Posten verharren müssen, ohne ihrerseits bei vorschneller Gegenwehr gegenüber solchen Gefahren mit Milde rechnen zu können; nicht umsonst versagt § 35 I S 2 (. . .) eine Entschuldigung, wenn zur Gefahrtragung verpflichtete Personen innerhalb des für sie bestehenden Risikos überreagieren und schärfer als notwendig gegen Angreifer vorgehen.“ 701
Das bemerkenswerte an diesem Argument ist, dass die Duldungspflicht der Vollstreckungsbeamten bei Gefahren für Leib und Leben kein natürliches Faktum ist, sondern einer intentionalen gesetzgeberischen Entscheidung folgt. Es soll ein Schaden (die Gefährdung der Vollstreckungsbeamten) normativ kompensiert702 werden, der auf rechtseigener, ebenso normativer Verursachung beruht. Wenn also ein Vollstreckungsbeamter in einer Weise bedroht ist, dass eine Notstandslage nach § 35 Abs. 1 S. 1 StGB vorliegt, wird an seiner Zuständigkeit zur rechtmäßigen Gefahrenabwehr auch individuell festgehalten; er kann nicht polizeirechtswidrig handeln und sich über den Weg einer Entschuldigung von dem Normbruch distanzieren.703 Das Risiko einer unsachgemäßen Übersprungshandlung gegen einen Angreifer trägt weiterhin der staatlich Bedienstete und auch eine individuelle Ausweichmöglichkeit wird ihm versagt (anders als es etwa bei Einschlägigkeit eines Notwehrexzesses nach § 33 StGB der Fall wäre704). Diese eindeutige Wertung des StGB wird übergangen, wenn durch § 114 StGB der Angreifer einen Teil der normativen Kosten dieser Zuständigkeitszuweisung tragen 701 M. Heger, Lackner/Kühl-StGB29, § 114, Rn. 1. Ähnlich S. Schermaul, JuS 2019, 663, 664 f. 702 Stillschweigend vorausgesetzt wird dabei, dass potenzielle Täter sich aufgrund einer schärferen Strafandrohung von der Tatbegehung abschrecken lassen. 703 Zur Erklärung des entschuldigenden Notstands B. Müssig, MK-StGB4, § 35, Rn. 1 ff. 704 Eine Berufung staatlicher Stellen auf Notwehrrechte ist abzulehnen, siehe U. Kindhäuser, NK-StGB5, § 32, Rn. 85; H.-U. Paeffgen, NK-StGB4, vor §§ 32 ff., Rn. 151, 153 H.-U. Paeffgen/B. Zabel, NK-StGB5, vor §§ 32 ff., Rn. 151, 153. Anders aber T. Fischer, Strafgesetzbuch, 692022, § 32 Rn. 12a.
E. Der reformierte § 114 StGB
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soll, indem ihm eine höhere Strafe zugemutet wird. Ihm ist es nicht anzulasten, dass die Gesamtrechtsordnung zu ihrer Aufrechterhaltung Repräsentanten benötigt und diesen sodann praktische Opferbereitschaft abverlangt.705 Anhand dieser Wertung den Strafbarkeitssprung des § 114 StGB zu erklären, würde vielmehr die Zuständigkeiten sachwidrig verschieben, eine Art Schwarzer-Peter-Spiel mit den Folgen von Rechtsduldungspflichten betreiben. Eine höhere Strafandrohung setzt höheres Unrecht voraus, und höheres Unrecht muss sich aus der Tätersphäre zuzuordnenden Aspekten begründen lassen. Diese Fragestellung ist aus den sogenannten „Retter-Fällen“ bekannt. Dort steht zur Debatte, ob dem Verursacher einer Gefahr die personalen Schäden der Gefahr-Beseitiger – hier konkret: dazu institutionell beauftragten Personen – zugerechnet werden können. Beispielhaft: Ist dem Brandstifter der Tod von helfenden Feuerwehrleuten zuzurechnen? Gegen die Zurechnung lässt sich anführen, dass „der Gesetzgeber, wenn er ein Handlungsgebot ausspricht, die strafrechtliche Verantwortung für dessen etwaige Schadensfolgen nicht dritten Personen zuschieben darf“.706 Das ist der (gleichwohl stark kritisierte707) Gedanke, auf den es auch hier ankommt: Resultate der gesamtgesellschaftliche Lastenverteilung bei der Behebung von Not und Gefahr, konkret in Form einer institutionellen Absonderung spezifischer Berufszweige, können einzelnen Personen nicht vorgehalten werden. Dass die Beschädigung der Individual-Interessen von Rettungskräften nichts Erstrebenswertes ist, dürfte offensichtlich sein, nur kommt es darauf bei der Zurechnung von „Retter-Schäden“, der Entschuldigung nach § 35 Abs. 1 S. 1 StGB und eben auch im Zweckzusammenhang des § 114 StGB nicht unmittelbar an. Wenn jemand als institutioneller Garant verpflichtet wird, lassen sich die Grenzen dieser Pflichtenstellung nur nach einem Schema begreifen, das die Sonderstellung des Verpflichteten berücksichtigt.708 Es treffen eben nicht zwei gleichgeordnete Organisationskreise aufeinander (Beispiel dafür: der Hauseigentümer selbst wird bei Brand-Lösch-Bemühungen verletzt), sodass aus der Freiraum-Überschreitung des Brandstifters eine Folgenverantwortung für die Risiken 705 Vgl. zur Funktion des § 35 Abs. 1 S. 2 StGB B. Müssig, MK-StGB4, § 35, Rn. 59 ff. Ganz deutlich auch G. Timpe, Strafmilderungen des allgemeinen Teils des StGB und das Doppelverwertungsverbot, 1983, 305: „Wird Exkulpation oder auch nur Strafmilderung für den zugelassen, der in einem ,besonderen Rechtsverhältnis, steht, gehen die Vorteile verloren, die mit der Institutionalisierung solcher sozialen Sonderbeziehungen erreicht werden sollen: Daß nicht mehr fremde individuelle Motive, Neigungen, Ängste usw. in der eigenen Verhaltensplanung stets kalkuliert werden müssen.“ 706 C. Roxin, in: FS Gallas, 1973, 241, 247; vorher bereits C. Roxin, in: FS Honig, 1970, 133, 142 f. Heute aber ausdrücklich anders C. Roxin, in: FS Puppe, 2011, 909, 914; C. Roxin, in: FS Kindhäuser, 2019, 407, 413 ff.; C. Roxin/L. Greco, Strafrecht, Allgemeiner Teil Band 1, 2020, § 11 Rn. 139 ff. 707 H. Radtke/M. Hoffmann, GA 2007, 201, 211 f.; F. Strasser, Die Zurechnung von Retter-, Flucht- und Verfolgerverhalten im Strafrecht, 2008, 191. 708 Dass sich Pflichten von Polizeibeamten nicht losgelöst von deren institutioneller Aufgabe bestimmen lassen, betont auch M. Pawlik, ZStW 111 (1999), 335, 348 ff.
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des Brand-Beseitigers folgen würde. Sondern der Feuerwehrmann ist zu jeder Brand-Gefahrenabwehr angehalten, ganz unabhängig von der Gefahrverursachung.709 Er handelt innerhalb eines von Fremdhandeln unberührten und insoweit eigenständigen Verantwortungsbereichs.710 Damit lässt sich aus der Frage nach der „Freiheit“ oder „Unfreiheit“ des Retters überhaupt nichts gewinnen, weil es im Schema einer institutionellen Pflichterfüllung darauf gar nicht ankommt.711 Ganz anders entscheidet der BGH:712 „Die maßgeblichen Erwägungen, die die Zurechnung bei Rettungsmaßnahmen durch nahestehende Personen begründen (. . .), treffen auf den pflichtigen Retter erst recht zu. Denn an die Stelle eines einsichtigen Motivs des freiwilligen Retters tritt hier seine Rechtspflicht zum Eingreifen, die den psychischen Druck zu handeln erhöht und damit die Eigenverantwortlichkeit der Entscheidung des Retters durch die normative Vorgabe einschränkt.“ – Das beruht auf einem linearen Begriff von Zurechnung: Schaden (Verletzung des Retters) und Tathandlung (Zündelei) werden kausal verknüpft und sodann um topische ZurechnungsAusschlussgründe ergänzt. Allerdings sind weder die Strafbarkeit der Brandstiftung noch die Installierung spezieller Berufszweige zur Gefahrenabwehr vom Himmel gefallen, sondern entstammen jeweils einer Konstruktionsleistung. Ein Staat, der Eigentum gewährleistet, will es auch schützen; er untersagt den Bürgern die wechselseitige Schädigung ihrer Eigentumssphären, grenzt also Verantwortungs- oder Zuständigkeitsbereiche ab, organisiert aber auch eigenständige Schutz-Strukturen, deren Verantwortungsbereich sich von den bürgerlichen Bereichen unterscheidet (vgl. § 35 Abs. 1 S. 2 StGB). Damit lässt sich erst erklären, warum Schädigungen von Eigentum und Leib der Personen rechtlich relevante Ereignisse sind; folglich lassen sie sich auch nicht durch eine rein naturwissenschaftliche Erklärung strafbarkeitsbegründend mit dem Täterhandeln verknüpfen: „Kausalketten sind endlos, Zurechnung kann es aber nicht sein.“ 713 Weil sich die Zuständigkeitssphären von brandstiftendem 709 Freilich lautet diese Pflicht nicht auf bedingungslose Selbstaufgabe, sondern lediglich auf Umsetzung der ordnungsgemäßen Ermessensentscheidung, siehe C.-F. Stuckenberg, in: FS Roxin II, 2011, 411, 420. 710 So auch noch C. Roxin, Strafrecht, Allgemeiner Teil 1, 2006, § 11 Rn. 138. 711 T. Walter, JR 2022, 224, 228 meint dagegen, es handele sich um eine „Gerechtigkeitsfrage“, wiederholt dann aber nur Evidenzerwägungen zur Zuständigkeitsverteilung bei der Gefahrschaffung. Wer „im Dienste der Gemeinschaft“ tätig werde, dürfe doch nicht die Risiken des Dienstes tragen. – Auch dort trägt der Ruf nach „Gerechtigkeit“ nichts Substanzielles bei, sondern bauscht die eigene Auffassung zum moralischen Desiderat des „rationale[n] Publikum[s]“ auf. Weiterführend wäre vielmehr, den normativen Grund freizulegen, auf dem sich derlei subjektive Regungen entfalten. Die moralische Parallelwertung der Rechtsteilnehmer, was „gerecht“ ist, folgt aus einer individuellen Subjektivierung äußerer Rechtspflichten (grundlegend G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986, §§ 106, 107); sie zum Maßstab zu erklären, vertauscht Ursache und Wirkung. 712 Jüngst BGH, 5.5.2021 – 4 StR 19/20 = NJW 2021, 3340, 3341; im Anschluss an OLG Stuttgart, 20.2.2008 – 4 Ws 37/08 = NJW 2008, 1971, 1972; dazu auch H. Radtke/M. Hoffmann, NStZ-RR 2009, 52, 54 f.; auch in der zivilrechtlichen Diskussion findet dieser Gedanke Anklang, so etwa bei M. Ehmer/R. Knaier, Zeitschrift für die gesamte Privatrechtswissenschaft 2022, 81, 104. 713 C.-F. Stuckenberg, in: FS Roxin II, 2011, 411, 421.
E. Der reformierte § 114 StGB
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Bürger und rettender Feuerwehr gar nicht kompetenziell überschneiden, kann in den Retter-Fällen nicht zugerechnet werden.
Prägnant: „Differenziert eine Gesellschaft Subsysteme zur Behebung bestimmter Störungen aus wie ein Rettungswesen zur Gefahrenabwehr oder Strafverfolgungsorgane nebst Strafjustiz, so ist mit der Existenz dieser Einrichtungen zugleich der Grund für die im Rahmen eigener Zuständigkeit typischerweise auftretenden Schäden („Berufsrisiko“) geliefert.“ 714 Ebendieses „Berufsrisiko“ lässt sich nicht normativ in Dienst nehmen, um eine verschärfte Bestrafung der Risiko-Erzeuger zu legitimieren.715 Das gilt ohne Abstriche auch für § 114 StGB. b) Schließlich wird vorgetragen, § 114 StGB sei als Gegengewicht zu § 340 StGB legitimierbar.716 Weil die Körperverletzung im Amt verschärft bestraft wird, soll auch der tätliche Angriff auf bestimmte Amtsträger verschärft bestraft werden; eine Form der „Waffengleichheit“ ist hergestellt. – Schon die konkrete Gesetzesfassung deckt diese These nicht: Während § 340 StGB eine Körperverletzung verlangt, beginnt das tatbestandliche Verhalten des § 114 StGB schon früher, eben beim tätlichen Angriff. Darüber hinaus steht dem Vergleich beider Sanktionsnormen deren unterschiedliche Zweckrichtung entgegen. Staatsdiener und Bürger sind eben nicht gleichgeordnet; bei ihrem Aufeinandertreffen wird ein Subordinationsverhältnis praktisch umgesetzt. Wie sich das Strafrecht an dieser Umsetzung beteiligt, mag von der realpolitisch präformierten und insoweit kontingenten Organisationsform von Herrschaft abhängen:717 Je liberaler und eingriffstechnisch zurückhaltender ein Staat sein Regime gestaltet, desto eher lässt sich die Körperverletzung durch Amtsträger als rechtlich nicht gedeckter Übergriff beurteilen, während dem sich in der Vollstreckungssituation befindlichen Bürger mit Verständnis begegnet wird.718 Ein obrigkeitsdienlich organisierter Staatsapparat hingegen blickt über Verfehlungen von Amtsträgern leichter hinweg, qualifiziert aber die Auflehnung gegen Staatsbedienstete als Schädigung des gemeinsamen Ganzen. § 114 StGB weist offensichtlich in die zweitgenannte Richtung.719 Um eine Gleich-Ordnung der Beteiligten handelt es sich indes in keinem Fall.720 Der Vollstreckungsbeamte tritt eben nicht als Privatperson, sondern als 714 C.-F. Stuckenberg, in: FS Roxin II, 2011, 411, 424. Siehe auch K. Günther, StV 1995, 78, 80. 715 Im Ergebnis zu § 114 StGB wie hier C. Prittwitz, KriPoZ 2018, 44, 46. 716 Dahingehend F. Braun, Deutsches Polizeiblatt 2016, 9, 10. 717 Dazu S. Barton, Hdb-StrR IV, § 20, Rn. 9 ff. 718 So die über mehrere Jahrzehnte vorgetragene Begründung für die damalige Privilegierungsleistung des § 113 StGB gegenüber § 240 StGB, näher Fn. 745. 719 Siehe auch J. Busch/T. Singelnstein, NStZ 2018, 510, 514. 720 J. Busch/T. Singelnstein, NStZ 2018, 510, 512 bemerken zutreffend, die Strafrahmengleichheit zwischen § 114 StGB und § 340 StGB sei „[s]ystematisch geradezu kurios“.
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Umsetzungsbefugter des staatlichen Willens auf. Und aus diesem Grund kommen § 114 StGB und § 340 StGB zu ihren jeweiligen Unrechtsbewertungen. Einen Gleichlauf gibt es nicht: Unrecht des Bürgers zulasten einer Institution und Unrecht der Institution zulasten des Bürgers sind eben zwei verschiedene Dinge. Es käme auch niemand auf die Idee, an die verspätete Steuererklärung des Steuerpflichtigen und den verspäteten Steuerbescheid der Behörde die gleiche Rechtsfolge zu knüpfen.
II. Institutionelle Funktionsfähigkeit Ein durch § 114 StGB gewährleisteter Individualschutz lässt sich nicht plausibel erklären. Es kommen darüber hinaus aber institutionelle Schutzzwecke in Betracht. 1. Tatsächliche Funktionalität Auch hier wäre zunächst an einen empirisch-praktischen Zusammenhang zu denken. Vollstreckungsbeamte setzen staatliche Interessen physisch durch, sodass ein Angriff auf sie als Störung des ordnungsgemäßen Vollstreckungshandelns gewertet werden könnte. Während das bei § 113 StGB offensichtlich der Fall ist,721 scheint das bei § 114 StGB problematisch. Denn der Radius möglicher tatbestandlicher Lagen ist ja gerade deutlich weiter gezogen und umfasst bewusst Angriffe, die fernab einer Vollstreckungssituation erfolgen.722 In diesen Situationen (beispielsweise einer einfachen polizeilichen Streifenfahrt) besteht aber kein unmittelbares institutionelles Schutzbedürfnis. Denn insoweit unterscheidet sich die Tätigkeit der in § 114 StGB gelisteten Organe überhaupt nicht von der Tätigkeit sämtlicher übriger Personen, die im Dienst staatlicher Stellen auftreten.723 Aus diesem Grund hilft es auch nicht weiter, dass eine nach § 114 StGB strafbare Verhaltensweise durchaus der Angriff gegen eine Vollstreckungshandlung sein kann,724 wenngleich § 114 Abs. 3 StGB i.V. m. § 113 Abs. 3 S. 1 StGB dazu sogar gesetzliche Vorkehrungen trifft, indem er den tätlichen Angriff gegen eine rechtswidrige Vollstreckungshandlung straflos lässt und somit ein Übergehen der Regelungsfunktion des § 113 StGB verhindert. Ein zusätzliches Strafbedürfnis ergibt sich bei Vollstreckungshandlungen also nicht und wird auch gesetzlich nicht anvisiert. Gerade weil § 113 StGB parallel unbeschadet anwendbar ist, füllt § 114 StGB insoweit keine Lücke.
721 Konsequenterweise lässt sich § 113 StGB denn auch anhand dieser Schutzrichtung erklären; auf einen Individualschutz der Amtswalter ist hier ebenfalls nicht zurückzugreifen (so schon immer H.-U. Paeffgen, NK-StGB5, § 113, Rn. 7). 722 BT-Drs. 18/11161, 9. 723 Vgl. H. Satzger, in: FS Neumann, 2017, 1161, 1170. 724 So auch Y. Bolender, Das neue Widerstandsstrafrecht, 2021, 169.
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2. Symbolstrafrecht, Autorität, „Respekt und Wertschätzung“ Der Versuch, dem Tatbestand ein empirisch messbares Schutzinteresse zu entnehmen, kann offensichtlich nicht gelingen. Warum er mit klassischen Rechtsguts-Schutz-Konzepten aus der Strafrechtswissenschaft kollidiert, ist damit erklärt. Aber was schützt die Norm denn dann? Die Gesetzesbegründung liefert hier Ansatzpunkte, indem sie ihr „wichtiges Anliegen“ mit „Respekt und Wertschätzung“ 725 der Rettungskräfte begründet. Es geht um Institutionenschutz, und zwar um einen empirisch losgelösten Schutz rein symbolischer Natur.726 Das ist auch kein Geheimnis: „Angesichts dieser Begründung [FL: des Gesetzgebers] erübrigt sich der Vorwurf symbolischer Strafgesetzgebung, denn die Symbolsetzung wird bei § 114 zum Ziel der Reform erklärt.“ 727 § 114 StGB führt damit eine Linie fort, die schon in mehreren Reformdebatten zu den Widerstandsdelikten in Frage stand.728 Ein Beispiel für den massiven symbolischen Überschuss der Sanktionsnorm lässt sich der BundesratsDebatte ihres Vorläufers entnehmen: Der ursprünglich geplante „Schutzparagraph“ § 112 StGB sollte „besondere Solidarität“ ausdrücken, weil er eine „eigenständige Norm“ ist; hervorgehoben wurde außerdem, dass die Ziffer 112 „sehr passend“ sei (offenkundig eine Anspielung auf die Notruf-Telefonnummer).729 Die klassische Kritik „symbolischen Strafrechts“ 730 schlägt hier also voll aus. Vorgehalten wird dahingehend, dass symbolisch überladene Sanktionsnormen keine empirische Verbesserung des Zusammenlebens anstreben (und auch gar nicht erreichen können), sondern sich vielmehr nach losgelösten und insoweit selbstgenügsamen Ritualen der Kriminalpolitik richten: Wo ein Missstand auftritt, bedarf es einer strafrechtlichen Reaktion und zwar unabhängig davon, ob die Reaktion etwas zu leisten vermag. Es scheint indessen sogar fraglich, ob sich ein symbolischer Überschuss überhaupt noch als Ansatzpunkt zur Kritik gegen einzelne Sanktionsnormen eignet, ist „Symbolstrafrecht“, also eine Sanktionsnormerzeugung mit dem inhaltlichen Schwerpunkt auf deren publizitärer Außenwirkung, doch längst zur treibenden Form moderner Strafgesetzgebung geworden.731 Dass Symbolstrafrecht an den empirischen Lebenssachverhalten, die es 725
BT-Drs. 18/11161, 1. H. Satzger, in: FS Neumann, 2017, 1161, 1171; siehe schon T. Singelnstein, StV 2015, I (Ausgabe 8). 727 N. Bosch, MK-StGB4, § 114, Rn. 1. 728 Zu den vorgetragenen „Gründen der Optik“ schon kritisch K. Tiedemann, Beratungen des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform 6. Wahlperiode, 1970, 207; siehe auch BT-Drs. 17/6505, 4 f. 729 Alle Zitate nach P. Beuth Plenarprotokoll 933, 154. 730 Siehe bereits K. Amelung, ZStW 92 (1980), 19, 54 ff. 731 Differenziert K. Peters, JR 2020 (2020), 414. 726
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umfasst, überhaupt nichts ändert, ist bekannt. Zunehmend wird darin aber auch gar kein echtes Problem mehr gesehen, sodass das Feigenblatt der „Evidenzbasierung“ schon gar nicht mehr zur Legitimation angeführt wird.732 Während die genuin strafrechtliche Leistung einer normativen Restitution immer symbolisch vorgeht, besteht das Problem des hier in Frage stehenden Symbolstrafrechts darin, dass sein Bezugspunkt verschwimmt. Bei § 114 StGB ist nicht nur die Reaktion symbolisch. Sondern es fehlt schon an einer Verhaltensnormen-Lücke, die noch nicht sanktionsnormativ umfasst wäre. Die Symbolik ist dabei, und das ist die Besonderheit, Selbstzweck. Es geht also nicht nur um den „Hauch[ ] eines Schutzes staatlicher Autorität an sich“ 733, sondern um überhaupt nichts anderes. Schon vor Jahrzehnten wurde festgestellt, dass der tätliche Angriff (damals noch in den § 113 StGB integriert) ein „Relikt der alten Majestätsbeleidigung sei“ und „sich typischerweise gegen das Ansehen der Vollstreckungsorgane“ richte.734 Etwas blumiger lässt sich auch von einem „Impuls (. . .), der sich gegen jene anti-institutionellen Affekte richtet, die eine fragmentierte Gesellschaft kennzeichnen“ 735 sprechen; ein „Impuls“ ist aber auch nur ein „Anstoß“, trägt seine Wirkung begrifflich nicht in sich. Außer einer demonstrativen Beistandserklärung an staatliche Institutionen und ihre Angehörigen bleibt in der Sache nichts übrig.736 Es ist vollkommen zutreffend, dass § 114 StGB auf eine „Überbetonung des staatlichen Gewaltmonopols“ 737 hinausläuft; nur lässt sich eine wohlmeinende und gleichsam klügere Ansicht nicht in ein geltendes Gesetz von außen hineinlesen.738 Der perhorreszierte „Gehorsamskult gegenüber der Obrigkeit oder gar nur der Uniform“ 739 wohnt § 114 StGB 732
Vgl. die Kritik bei R. Kölbel, StV 2021, I (Heft 2). S. Barton, Hdb-StrR IV, § 20, Rn. 29. 734 So F. Geerds, Einzelner und Staatsgewalt im geltenden Strafrecht, 1969, 42. 735 M. Kubiciel, in: FS Merkel, 2020, 529, 539. 736 Teilweise wird selbst das für eine gute Sache gehalten. J. Isensee, AöR 140 (2015), 169, 186 meint etwa: „Damit fällt ein Licht auf die symbolische Politik, also auf Aktivitäten, die von vornherein ungeeignet sind, die Sache zu fördern, der sie sich offen verschreiben, die jedoch in Wahrheit dazu bestimmt sind, eine aufgeregte Öffentlichkeit zu beruhigen und ihr vorzuspiegeln, daß etwas geschehe (,ut aliquid videatur‘). Von der Sache her gesehen handelt die Politik irrational, doch von der Stimmungslage her zweckrational, vergleichbar dem Arzt, der in psychosomatischer Therapie ein Placebo verabreicht“ und führt die Legitimation dieser Herrschaftsmethode auf die „Natur des Menschen“ zurück (ebd., 190 ff. u. ö.). „Der Mensch“ ist demzufolge also von Grund auf irrational, gleichwohl noch rational genug, um zu begreifen, dass er eine irrationale Herrschaft braucht, die seinen rationalistischen Wünschen Einhalt gebietet. – Näher gegen derlei Naturalismen S. 61 ff. und im ersten Teil bei Fn. 548. 737 K. Hoffmann-Holland/J. Koranyi, ZStW 127 (2015), 913, 923. 738 Klassisch G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986, § 3 Anm.: „[D]ie subjektive Einsicht ist zugleich etwas Zufälliges und das Gelten des Rechts kann nicht davon abhängig gemacht werden, ob der eine so meinte und möchte, – oder so.“ 739 F. Geerds, Einzelner und Staatsgewalt im geltenden Strafrecht, 1969, 43. 733
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deutlich erkennbar inne.740 Einzelne Vorläufer eines symbolischen Institutionenschutzes finden sich in §§ 90 ff. StGB – mit dem erheblichen Unterschied, dass Vollstreckungsbeamte keine Verfassungsorgane sind.741 Die normative Absicherung des staatlichen Handlungsprogramms findet sich hier in einer weit vorgelagerten Form: Bereits die praktische Zurschaustellung von Missachtung und ihre nur ansatzweise Umsetzung742 gilt als strafbar, und zwar nicht erst auf der höchsten Ebene, sondern bereits in der beliebigen Alltagskonfrontation (eben nicht nur: der Vollstreckungssituation) mit den Beamten. Der gleichzeitige Schutz der Individualrechtsgüter des Beamten ergibt sich dabei nur als reiner Normreflex. Die Lehre vom „zweifachen Schutzzweck“ verschleiert diese offensichtliche Problematik des Tatbestandes. Eine empirisch unbelegte und normativ dünn begründete Ausrichtung am Individualschutz dient vielmehr als Feigenblatt, um eine obrigkeitsdienliche Institutionen-Stabilisierung zu verdecken. Man lässt dem Gesetz eine höchst unverdiente Ehre zukommen, indem man ihm einen Zweck unterschiebt, den es gar nicht hat.743
III. Gleichheitswidrigkeit? Der schärfste Vorhalt gegen den neuen § 114 StGB lautet auf Schaffung eines gleichheitswidrigen Sonderstrafrechts.744 Grundsätzlich ist die systematische Unstimmigkeit zwischen allgemein-bezogenen und Amtsträger-bezogenen Straftaten ein klassischer Einwand gegen das gesamte Widerstandsstrafrecht.745 740 Siehe auch F. Roggan, KriPoZ 2020, 144, 147: „statusgruppenbezogenes Beleidigungsdelikt“. 741 C. Rathgeber, KritV 95 (2012), 314, 323. Zu den Diskrepanzen bezüglich der Strafrahmen (beispielsweise der gleichermaßen sanktionierten Nötigung des Bundespräsidenten, § 106 Abs. 1 StGB) H. Satzger, in: FS Neumann, 2017, 1161, 1172. 742 So jedenfalls nach der durch die Rechtsprechung favorisierten Auslegung des Tatbestands, dazu S. 207 ff. 743 Allgemein H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 1960, 112: „So verhindert sie [FL: Die reine Rechtslehre], daß im Namen der Rechtswissenschaft dem positiven Recht, indem man es mit einem idealen, richtigen Recht identifiziert, ein höherer Wert beigelegt wird, als dieses Recht tatsächlich hat.“ Ganz ähnlich K. Binding, Handbuch des Strafrechts, 1885, 8 f. 744 Y. Bolender, Das neue Widerstandsstrafrecht, 2021, 173; D. König/S. T. Müller, ZIS 2018, 96, 101; D. Magnus, GA 2017, 530, 530; F. Roggan, KriPoZ 2020, 144, 147; G. Steinberg/W. Zetzmann/J. Dust, JR 2013, 7, 8; M. A. Zöller, KriPoZ 2017, 143, 147 f. Vgl. allgemein schon K. Hoffmann-Holland/J. Koranyi, ZStW 127 (2015), 913, 923; T. Perger, Ehrenschutz von Soldaten in Deutschland und anderen Staaten, 2002, 173 f. 745 Das Argument lässt sich somit aus beiden Richtungen aufziehen. K. Binding, Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts II, 1905, 780 f. war empört darüber, dass „Angriffe auf loiale Beamte[ ]“ geringer bestraft werden als die „leichte“ Körperverletzung: „Aber allerdings erregt die Strafe des § 113 die größten Bedenken. Man kann doch nicht annehmen, daß der gesetzmäßig handelnde Vollstreckungsbeamte für leichter verletzlich als jeder Andere erklärt werden solle (. . .).“ Während die spätere Ent-
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Die um § 114 StGB entfachte Debatte verfügt in vielerlei Hinsicht über einen historischen Vorläufer746: Im Anschluss an die „Soldaten-sind-Mörder“-Entscheidung des BVerfG747 wurde der Gesetzesentwurf eines § 109b StGB748 („Verunglimpfung der Bundeswehr“) in den Bundestag eingebracht.749 Dieses gesonderte Beleidigungsstrafrecht für Bundeswehrsoldaten sollte nach der Entwurfsbegründung bezwecken, „die Funktionsfähigkeit und Verteidigungsbereitschaft der Bundeswehr, den Einsatzwillen des einzelnen Soldaten und die Bereitschaft der Bürger, ihren Wehrdienst zu leisten oder den Beruf eines Bundeswehrsoldaten zu ergreifen, durch eine weitere, spezielle Strafvorschrift zu schützen“. Damals noch konnte das Argument durchschlagen, die Schaffung einer strafrechtlichen Sonderrolle zugunsten einzelner Berufsgruppen sei abwegig.750 Erkannt wurde zudem, dass – wie beim heutigen § 114 StGB – Individualschutzabsichten nur vorgeschoben werden, um eine Imagepflege staatlicher Institutionen zu betreiben („Anachronismus“).751 Ebenfalls schon vorgetragen wurde der Einwand, dass die individualschützende Schutzrichtung zu kaum lösbaren Abgrenzungsproblemen führt.752 Die durchgängig kritischen Stellungnahmen im Schrifttum753 konnten die spätere Diskussion um § 114 StGB freilich nicht beeinflussen.
Diese Kritik greift hier nur, soweit man § 114 StGB als eine personalen Rechtsgütern dienende Norm begreift. Stünde die körperliche Integrität der Vollstreckungsbeamten im Mittelpunkt, wäre die Strafschärfung des § 114 StGB gegenüber § 223 StGB tatsächlich schwer begründbar.754 Denn auf einer rein personalen Ebene sind die einzelnen Rechtsteilnehmer normativ gleichgeordnet; das
wicklung des Widerstandsstrafrechts ihm zu widersprechen schien (als Normzweck galt bisweilen eine Privilegierung des Bürgers; dazu und zu den Ambivalenzen nur H.-U. Paeffgen, NK-StGB5, § 113, Rn. 1, 3), bewegt Bindings Argumentation sich heute wieder ganz am Zahn der Zeit. 746 C. Rathgeber, KritV 95 (2012), 314, 323: „Präzedenzfall“. 747 BVerfG, 10.10.1995 – 1 BvR 1476/91 ua = BVerfGE 93, 266. 748 Der Vorschlag nach BT-Drs. 13/3971, 2 lautete: „Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreitung von Schriften (§ 11 Abs. 3) Soldaten in Beziehung auf ihren Dienst in einer Weise verunglimpft, die geeignet ist, das Ansehen der Bundeswehr oder ihrer Soldaten in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ 749 Zu den damaligen Hintergründen T. Perger, Ehrenschutz von Soldaten in Deutschland und anderen Staaten, 2002, 164 ff.; A. von Arnauld, ZRP 30 (1997), 110. 750 Vgl. BT-Drs. 13/6486, 3. Eine Kostprobe aus der Debatte (O. Schily laut Plenarprotokoll 13/93, 8255): „Es ist die offenbar unausrottbare Sehnsucht nach dem Obrigkeitsstaat (. . .) Schon fordern einige einen besonderen Ehrenschutz für Polizeibeamte. Warum denn nicht gleich für alle Ministerialräte, Abgeordnete und Ministerpräsidenten? Wo bleibt der besondere Ehrenschutz für Gerichtsvollzieher und Oberförster, für Pastoren und Staatsanwälte?“ 751 Durchgängig kritisch G. Stächelin, Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat, 1998, 303 ff., Zitat auf 307. 752 T. Perger, Ehrenschutz von Soldaten in Deutschland und anderen Staaten, 2002, 173 f. 753 Vgl. auch E. Pohlreich, ZIS 2014, 369, 371. 754 So auch K. Hoffmann-Holland/J. Koranyi, ZStW 127 (2015), 913, 923. Gegen eine entsprechende Qualifikation in den §§ 223 ff. StGB oben Fn. 700.
E. Der reformierte § 114 StGB
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Recht blickt hier über Individualunterschiede gerade hinweg. Erklären ließe sich eine Strafschärfung nur dann, wenn die Härterbestrafung der praktischen Verwirklichung dieser Gleichsetzung dienen würde, Vollstreckungsbeamte also starke Probleme mit der Verwaltung ihrer personalen Rechts-Sphäre hätten. Angesichts der Ausbildung, Ausrüstung und dem Auftreten in größeren Gruppen ist dieser Gedanke abwegig. Wie schon gezeigt, schützt § 114 StGB kollektive, institutionelle Interessen; der faktische Schutz der personalen Interessen einzelner Beamter ist lediglich ein Reflex. Aus diesem Grund entfällt der Einwand der Gleichheitswidrigkeit. Wenn Art. 3 Abs. 1 GG vorgibt, Gleiches gleich zu behandeln755, dann begründet die verschiedene Schutzrichtung der Normen die tatbestandliche Differenzierung. Das Urteil über „Gleichheit“ oder „Ungleichheit“ zweier Gegenstände hängt eben immer maßgeblich von deren gemeinsamen Vergleichspunkt, dem „tertium comperationis“, ab.756 Und das ist hier, wie ausführlich zu zeigen versucht wurde, eben nicht die empirische körperliche Unversehrtheit der Tatopfer, sondern ihre Funktion (Rechtsperson oder Dienstbarmachung für gesellschaftliche Institution) innerhalb des staatlichen Regelnetzes. Mit der institutionellen Schutzrichtung liegt ein Aspekt vor, der die Verschiedenartigkeit der Angriffe auf die körperliche Integrität der verschiedenen Personen erklärt. Unabhängig davon, ob man das für kriminalpolitisch klug und einleuchtend hält: Eine sachwidrige „Ungleichbehandlung“ liegt der gesetzgeberischen Reaktion daher nicht zugrunde.
IV. Auswirkungen auf die Herleitung des „tätlichen Angriffs“ Die veränderte Funktion des § 114 StGB führt zur Folgefrage nach der Definition des „tätlichen Angriffs“ und insbesondere, ob es einer restriktiven Auslegung bis hin zum Erfordernis einer tatsächlichen körperlichen Einwirkung bedarf 757 oder nicht.758 In der Rechtsprechung wird die herkömmliche Begriffsbestimmung beibehalten: Tätlicher Angriff sei
755
Siehe nur U. Sackofsky, VerfassungsR-HdB, § 19, Rn. 41. K. Hesse, Archiv des öffentlichen Rechts 77 (N. F. 38) (1951), 167, 173. 757 So S. Barton, AnwK-StGB3, § 114, Rn. 7; A. Bleckat, Zeitschrift für die Anwaltspraxis 2019, 1207, 1208; Y. Bolender, Das neue Widerstandsstrafrecht, 2021, 216 ff.; N. Bosch, JURA 42 (2020), 1144; N. Bosch, MK-StGB4, § 114, Rn. 6; J. Busch/ T. Singelnstein, NStZ 2018, 510, 513; J. Dallmeyer, BeckOK-StGB50, § 114, Rn. 5; R. Esser, Pandemiestrafrecht, § 5, Rn. 74; C. Jäger, JA 2019, 705, 707 f.; H.-U. Paeffgen, NK-StGB6, § 114, Rn. 8; J. Puschke/J. Rienhoff, JZ 72 (2017), 924, 930; T. Singelnstein, NJW 2020, 2349; G. Wolters, SK-StGB9, § 114, Rn. 5. Schon bzgl. der Auslegung im Rahmen des früheren § 113 StGB kritisch: H.-U. Paeffgen, NK-StGB5, § 113, Rn. 31. 758 So die Rspr. (siehe sogleich). Im Übrigen zum früheren § 113 StGB: K. Held, Der Widerstand gegen die Staatsgewalt, 1933, 87 f.; G. S. Streit, Die Widersetzung gegen die Staatsgewalt, 1892, 79 f. Zu § 114 StGB: M. Heinrich, HK-GS5, § 114, Rn. 3; 756
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Teil 2: Institutionenschutz durch Opferschutz?
„jede mit feindseligem Willen unmittelbar auf den Körper des Beamten zielende Einwirkung, unabhängig von ihrem Erfolg“.759
Die nähere Begründung erfolgt nicht in der Sache, sondern pflegt ein formales Traditionsbewusstsein – es handele sich um eine „seit über 140 Jahren von der Rechtsprechung in ständiger Übung praktizierte[ ] Auslegung“ 760 – und stützt sich auf die Begründung des Gesetzgebers, eine Begriffsänderung sei eben nicht beabsichtigt gewesen.761 Diese Form einer Ableitung ist methodisch stark angreifbar. 1. Begriffliche Historizität – Funktionale Irrelevanz Der Fehler liegt in dem Gedanken, sobald ein Wort einmal in der Rechts-Welt sei, entfalte es eine eigenständige normative Kraft und könnte die Auslegung einzelner dogmatischer Fragen unabhängig von deren singulären Zweckzusammenhang anleiten. „Begriffsbestimmungen als Fragen des richtigen oder falschen Sprachgebrauchs aufzufassen, ist also ein grundlegender Irrtum, der zahllose Untersuchungen auf jedem Gebiete der Wissenschaft zunichte gemacht hat.“ 762
Es ist also nicht die Frage zu stellen, wie lange und von wem eine bestimmte Auslegung des tätlichen Angriffs praktiziert wurde, sondern ob die vorangegangenen Unternehmungen mit den jetzigen Zwecken kompatibel sind. „Das Fortbestehen bestimmter Begriffe gibt keinen verlässlichen Aufschluss über das Fortbestehen der Fragen, die diese Begriffe beantworten sollten.“ 763 T. Kulhanek, JR 2018, 551, 554 ff.; T. Kulhanek, NStZ-RR 2020, 39, 40; T. Kulhanek, JR 2020, 621, 626 ff.; S. Schermaul, JuS 2019, 663, 665. 759 BGH, 11.6.2020 – 5 StR 157/20 = BGHSt 65, 36, 38. Ebenso BGH, 13.5.2020 – 4 StR 607/19 = BeckRS 2020, 13163; LG Nürnberg-Fürth, 6.3.2019 – 10 Ns 403 Js 70416/17 = NStZ-RR 2020, 39 (im Ergebnis); OLG Hamm, 12.2.2019 – 4 RVs 9/19 = BeckRS 2019, 3129, Rn. 16 ff.; OLG Hamm, 10.12.2019 – 4 RVs 88/19 = BeckRS 2019, 37351, Rn. 20 ff. So auch schon zu anderen (älteren) Tatbeständen: RG, 18.11. 1882 – Rep. 2463/82 = RGSt 7, 301 (Hand zum Schlag erhoben); RG, 29.11.1895 – Rep. 3327/95 = RGSt 28, 32, 33 f. (Einsperren eines Forstbeamten); RG, 17.3.1908 – II 74/08 = RGSt 41, 181, 182 f. (nicht tatbestandlich: Schuss aus einem Gewehr, um einem Forstbeamten einen Schreck einzujagen, ohne ihn dabei treffen zu können; anders hingegen bei konkret gefährlichen Schüssen: RG, 26.9.1890 – AZ nicht abgedruckt = GA 38, 359, 360); RG, 18.6.1925 – III 213/25 = RGSt 59, 264, 265 (Nachlaufen und Verfolgen [Urteil zum damaligen § 227 StGB]). RG, 12.1.1922 – III 954/21 = RGSt 56, 353, 355 (Zum „tätlichen Sichvergreifen“); RG, 14.3.1924 – IV 147/24 = RGSt 58, 110, 111 f. (zum „Unternehmen eines tätlichen Angriffs gegen einen Vorgesetzten“). – Anders AG Berlin-Tiergarten, 4.11.2021 – 231 Js 341/21 = BeckRS 2021, 55900: „aufgrund der deutlich erhöhten Strafandrohung zu beachtende Erheblichkeitsschwelle“. 760 BGH, 11.6.2020 – 5 StR 157/20 = BGHSt 65, 36, 38. 761 BGH, 11.6.2020 – 5 StR 157/20 = BGHSt 65, 36, 38 f. mit Bezugnahme auf BTDrs. 18/11161, 9. 762 H. Kantorowicz, Der Begriff des Rechts, 1939/1963, 20. 763 M. Pawlik, in: FS Paeffgen, 2015, 13, 15.
E. Der reformierte § 114 StGB
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Was also war die frühere Funktion der Tat-Modalität? Als die Begehungsweisen der Widerstandsdelikte im Jahr 1970 zur Debatte standen, sollte die historisch überbrachte764 Alternative des „tätlichen Angriffs“ zunächst aus dem Wortlaut entfernt werden; der „Sonderausschuß für die Strafrechtsreform“ votierte dagegen.765 Als Argument wurde die Füllung einer Strafbarkeitslücke angeführt: Weil die versuchte Körperverletzung seinerzeit nicht strafbar war, wären unerfolgreiche Attacken gegen Vollstreckungskräfte sonst straflos gestellt.766 Unter diesen Auspizien lässt sich eine weite Begriffsauslegung erklären. Gleichwohl hat das 6. Stafrechtsreformgesetz mit § 223 Abs. 2 StGB die Versuchsstrafbarkeit des Grundtatbestandes der Körperverletzung eingeführt (BGBl. 1998 I, 175)767 und der Argumentation damit den Boden entzogen.768 Denn sämtliche auf eine Verletzung gerichteten Handlungen gegen Vollstreckungsbeamte sind damit als versuchte Körperverletzung strafbar, auch wenn es die tatbestandliche Variante eines tätlichen Angriffs in § 113 StGB nicht gäbe. Darüber hinaus ist die Modalität des „tätlichen Angriffs“ bekanntlich noch in die hier angesprochene Norm, § 114 StGB, verpflanzt worden. Aus dem „Lückenfüller“ des § 113 StGB ist nunmehr also ein Tatbestand mit eigenständigem Unrechtsgehalt geworden. Die systematischen Voraussetzungen der „tätlichen Angriffs“ haben sich von der Modalität des § 113 StGB von 1871 bis zum § 114 StGB von 2017 also in gleich 764 Der maßgebliche Vorgänger des Widerstandsstrafrechts im RStGB war § 89 des Preußischen Strafgesetzbuchs von 1851 (vgl. Motive zu dem Entwurfe eines Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund, 126: „Dagegen erschien es zulässig, die Bestimmungen des fünften Abschnitts über den Widerstand gegen die Staatsgewalt (. . .) mit den entsprechenden Vorschriften des Preußischen Strafgesetzbuchs (. . .) im Wesentlichen gleich zu halten, da die politische Gestaltung des Bundes für die hier bedrohten strafbaren Handlungen eine Abweichung in den Strafvorschriften nicht bedingt.“) kannte das Angreifen („wer . . . angreift“). Der „tätliche Angriff“ taucht im Entwurf eines Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund von 1870 auf (dort § 111) und wurde ein Jahr später als § 113 in das neue Reichsstrafgesetzbuch übernommen (Wortlaut oben in Fn. 675), vgl. R. A. Lenz, Die Diensthandlung und ihre Rechtmäßigkeit in § 113 StGB, 1987, 6 ff. Diskutiert wurde seinerzeit aber nur über das Rechtmäßigkeitserfordernis der Diensthandlung (siehe Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages des Norddeutschen Bundes 1870 I, 388 ff., 428 ff., ausführlich H. Mersmann, Der Begriff der Rechtmässigkeit der Amtsausübung im Vergehen des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte, 1909, 27 ff.). Die Betonung der „Tätlichkeit“ erscheint aber schon in § 166 Zweyter Theil Zwanzigster Titel des Preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794: dort wurde noch das Tätliche Widersetzen bestraft („Wer sich . . . thätlich widersetzt“). – Belegt werden kann damit nur Folgendes: Eine Wortklauberei rund um die Traditionalität des tätlichen Angriffs ist schon deshalb witzlos, weil sich das Widerstandsstrafrecht im 19. Jahrhundert ganz unterschiedlicher Termini zur Tathandlungsbeschreibung bediente, ohne dabei in der Sache groß voneinander abzuweichen. Näher zur Historie vor 1871 W. Möbius, Die Funktion des Straftatbestandes des § 113 StGB, 1985, 30 ff. 765 Siehe BT-Drs. 6/502, 4. 766 BT-Drs. 6/502, 4. 767 Dazu schon J. Zopfs, GA 2000, 527, 528, 540. 768 Y. Bolender, Das neue Widerstandsstrafrecht, 2021, 210.
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mehrerlei Hinsicht gewandelt. Eine traditionsorientierte Auslegung würde diese veränderten Umstände ignorieren und somit funktional ins Leere laufen. Ohne die Hinzuziehung kontextbezogen-materieller Gesichtspunkte ist eine Norm nicht auslegungsfähig.769 Wenn man denn die formalen Regeln demokratischer Rechtssetzung hervorheben möchte, dann ergeben sich daraus indes keine zeitlosen Wahrheiten, sondern situationsgebundene Auslegungsergebnisse, die ihrerseits immer Veränderung unterworfen sind (wie eben tatsächliche und normative Umstände auch).770 – Mit Hinblick auf die – auch strafverfassungsrechtlich gebotene (Art. 103 Abs. 2 GG) – Normenklarheit ist eine enge, restriktive Auslegung des Begriffs „Tätlicher Angriff“ vorzuziehen.771 2. Zum „Willen des Gesetzgebers“ Daneben wird ein weiteres formal ausgerichtetes Argument für die „klassische“ Auslegung des Begriffs des tätlichen Angriffs formuliert: Weil der Gesetzgeber diese Vorgehensweise bevorzugt und staatsorganisationsrechtlich wiederum als unmittelbar demokratisch legitimiert gilt, soll seine Auffassung besondere Wirkung entfalten.772 Diesem Argument zufolge kommt dem „Willen des Gesetzgebers“ eine besondere Dignität zu. Die Ermittlung dieses Willens sei „höchstes Auslegungsziel“.773 Erste Grenzen dieser Methodik zeigen sich im Strafrecht schnell: Ein erheblicher Teil der Normen des StGB entstammt historisch einer vor-demokratischen Zeit.774 Dem Verweis auf einen solchen Primat der subjektiv-historischen Auslegung steht zudem dessen Fiktionalität775 entgegen. „Der Gesetzgeber“ be769 M. Kubiciel, Die Wissenschaft vom Besonderen Teil des Strafrechts, 2013, 51. Siehe auch H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 1960, 106. 770 Klar O. Lepsius, in: Rechtswissenschaftstheorie, 2008, 1, 48: „Historisierung und Kontextualisierung sind daher Aufgaben der gegenwärtigen Rechtsanwendung; sie verfolgen ein Erkenntnisinteresse, das in erster Linie auf die Bewältigung aktueller praktischer Rechtsprobleme bzw. der Identifikation politischer Handlungsspielräume gerichtet ist.“ 771 So auch ausdrücklich zu §§ 113, 114 StGB S. Barton, Hdb-StrR IV, § 20, Rn. 22: „Norminterpretationen, die aufgrund der gesetzgeberischen Unzulänglichkeiten und Wirrungen nicht widerspruchsfrei möglich sind, sollten deshalb dem Bestimmtheitsgebot folgend im Geiste restriktiver Auslegung erfolgen.“ 772 OLG Hamm, 12.2.2019 – 4 RVs 9/19 = BeckRS 2019, 3129, Rn. 20; OLG Hamm, 10.12.2019 – 4 RVs 88/19 = BeckRS 2019, 37351, Rn. 25. T. Kulhanek, JR 2018, 551, 555: „Der Gesetzgeber hat jedoch mit keinem Wort eine restriktive Auslegung des tätlichen Angriffs oder die Implementierung einer Erheblichkeitsschwelle in seinen Willen aufgenommen. Der mit der Verfassung im Einklang stehende Wille des Gesetzgebers ist zu akzeptieren und umzusetzen.“; Betonung des „demokratischen Gesetzgeber[s]“ bei T. Kulhanek, JR 2020, 621, 626. 773 T. Walter, ZIS 2016, 746, 747. Siehe auch T. Walter, in: FS von Heintschel-Heinegg, 2015, 471, 475. 774 M. Kubiciel, Die Wissenschaft vom Besonderen Teil des Strafrechts, 2013, 40 f. 775 Dazu schon C. Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, 1926/1969, 36.
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steht aus einem institutionellen Netz mit Beteiligung unzähliger Einzelpersonen in Parteien, Ausschüssen und Regierung, sein „Wille“ kann lediglich „eine abkürzende bildliche Redeweise darstellen“.776 Aus dem uneinheitlichen Willen der im politischen Kompromiss handelnden Parlamentarier lassen sich folglich auch keine Einzelfalllösungen ableiten.777 Umgekehrt besteht vielmehr die Gefahr, dass wissenschaftliche Argumente dem Gesetzgeber untergeschoben werden, um den Argumenten stärkeres Gewicht zu verleihen.778 Der üblicherweise pompös anmoderierte „Wille des Gesetzgebers“ erschöpft sich vorliegend also darin, dass im Jahr 2017 kein Mitarbeiter der Regierungsfraktionen den Einfall hatte, überhaupt etwas zur Auslegung des „tätlichen Angriffs“ in den Gesetzesentwurf schreiben zu lassen.779 Wenn man die pragmatische Kontextbezogenheit des positiven Rechts ernst nimmt, lässt sich realpolitischen Abwägungsergebnissen ein dogmatisches Programm kaum entnehmen; mehr als einen „täuschende[n] Kunstgriff“ 780 bringt die historische Auslegung nicht hervor. Aus demokratischer Begründung von Macht – eine Methode der Staats-Organisation781 – folgt nicht unmittelbar ein inhaltliches Profil. Klar und deutlich: „Der ,Wille des Gesetzgebers‘ ist der im Gesetz objektivierte Wille.“ 782
V. Was bleibt? Bei Lichte betrachtet bleibt von den pathetisch schwer aufgeladenen Legitimationsversuchen des § 114 StGB wenig Substanzielles übrig. Wer sich für die Ur-
776 F. Müller/R. Christensen, Juristische Methodik Band 1, 2013, 96, dort auch zur Gefahr einer „Verhexung der Sprache“. T. Walter, ZIS 2016, 746, 748 hält entgegen, dass gerade diese Fiktion die Bundesrepublik doch als Demokratie qualifiziere. So mag es auch sein. Zu belegen wäre aber, warum gerade daraus Folgerungen auf die richtige Gesetzesauslegung zu ziehen sind. Der Zweck staatlicher Normen und die institutionelle Vorgehensweise bei der Normerzeugung werden bei Walter nicht unterschieden. 777 I. Puppe, Kleine Schule des juristischen Denkens, 2019, 146. 778 K. G. Wurzel, Das juristische Denken, 1904, 50: „Der Gesetzgeber kann eben nicht entdeckt werden, denn gerade seine Mystizität, seine Unbestimmtheit bildet das Korrektiv, welches ermöglicht, ohne eklatante Widersprüche mit dem Leben, die Jurisprudenz ausschließlich als Ermittlung des Willens des Gesetzgebers hinzustellen.“ 779 Sehr weitreichend (im Ergebnis zu psychologisierend) K. Olivecrona, Gesetz und Staat, 1940, 66: „Es ist der Gipfel der Absurdität, wenn Juristen und Philosophen sagen, die Gesetze seien der Willensausdruck des Staates, die Gesetzgeber Organe des Staates usw. Die Gesetze sind stets das Werk von Einzelpersonen und ein Mittel, die Wünsche von Einzelpersonen zu verwirklichen.“ 780 F. Loos, in: FS Wassermann, 1985, 123, 124. 781 Ausführlich S. 32 ff. 782 BVerfG, 17.5.1960 – 2 BvL 11/59 u. a. = BVerfGE 11, 126, 131. Siehe auch BVerfG, 16.12.1981 – 1 BvR 898/79 u. a. = BVerfGE 59, 128, 153. Nicht zu bestreiten ist, dass die subjektive Auslegung in der neueren Verfassungsrechtsprechung eine stärkere Rolle einnimmt, siehe etwa BVerfG, 27.1.2015 – 1 BvR 471/10 u. a. = BVerfGE 138, 296, 350. Instruktiv C. Burkiczak, Rechtstheorie 52 (2021), 23.
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Teil 2: Institutionenschutz durch Opferschutz?
sachen783 der Konfliktgeneigtheit im Polizeialltag nicht interessiert, dem bleibt nur der Ruf nach einer kontra-faktischen Normenstärkung. Der symbolische Überhang des Tatbestands ist offenkundig. Man mag in erhitzten Debatten um Strafrechtsverschärfungen auch einen „Prozess evaluativer Selbstvergewisserung“ erblicken können, in dessen Folge „später viel Unsinniges wieder heraus[zu]filtern“ 784 ist. Dass das immer gelingt, dürfte mit den hier vorgetragenen Argumenten zu bezweifeln sein.785
F. Der Zweck des § 188 StGB § 188 StGB umfasst tatbestandlich Beleidigung, Üble Nachrede und Verleumdung von Personen des politischen Lebens. Aufgrund ihrer inhaltlichen Beschränkung auf eine durch ihren institutionellen Status bestimmte Personengruppe ist die Norm hier von Interesse. Während § 188 StGB lange Zeit ein Randdasein fristete und als „weithin bedeutungslos“786 galt (früher § 187a StGB), hat der Tatbestand in den letzten Jahren erheblichen kriminalpolitischen Auftrieb gewonnen. Wie schon bei § 114 StGB sind dazu soziologische Befunde787 ausschlaggebend, die einen allgemeinen Sittenverfall anprangern: Die allgemeine These einer gesellschaftlichen „Verrohung“ wird auf die Diagnose „Hass“ (ihrerseits ebenfalls weitläufig)788 präzisiert.789
783 Nur eine schmale Auswahl an jeweils weiterführenden Fundstellen: O. H. Gerson, Das Recht auf Beschuldigung, 2016, 229 ff.; H.-U. Paeffgen, GA 2013, 253; T. Singelnstein, Neue Kriminalpolitik 26 (2014), 15; T. Singelnstein, in: FS Feltes, 2021, 379, 381 ff.; D. Zühlke, KriPoZ 2021, 238, 242 ff. Bereits G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986, § 234 mit Zusatz wusste zum Problem polizeilichen Verhaltens etwas zu berichten: Weil zur Vorsorge von Straftaten „keine Grenze an sich vorhanden“ sei, trete das „subjektive Meinen“ in die Bewertung ein. „Durch diese Seiten der Zufälligkeit und willkürlichen Persönlichkeit erhält die Polizei etwas Gehässiges. Sie kann bei sehr gebildeter Reflexion die Richtung nehmen, alles Mögliche in ihr [sic] Bereich zu ziehen, denn in allem läßt sich eine Beziehung finden, durch die etwas schädlich werden könnte.“ 784 K. F. Gärditz, Staat und Strafrechtspflege, 2015, 52 f. 785 Siehe auch das kritische Fazit von S. Barton, Hdb-StrR IV, § 20, Rn. 21. 786 E. Dreher/H. Tröndle, Strafgesetzbuch, 471995, § 187a Rn. 1. Siehe auch E. Schwinge, MDR 27 (1973), 801, 802: Die Norm käme „höchst selten“ zur Anwendung; ähnlich E. Hilgendorf, LK-StGB12, § 188, Rn. 1. 787 Bezug dazu etwa bei E. Hoven/A. Witting, NJW 2021, 2397, 2399, 2401. 788 Als Abstraktion ist „Hass“ recht gehaltlos. Es kommt schon ganz darauf an, wer aus welchem Grund wen hasst und auf welche Weise er das nach außen trägt (siehe auch M. T. Og˘lakcıog˘lu, ZStW 132 (2020), 521, 525 f.). Soweit nur die Rede von der emotionalen Wallung einzelner Personen ist, spielt das für die äußerlich-formale Zuständigkeitsordnung des modernen Rechts schon gar keine unmittelbare Rolle. BT-Drs. 19/17741 geht es gleichwohl um die Bekämpfung der „Hasskriminalität“. Zur in den USA schon lange geführten „Hate-Crime“ Debatte siehe Fn. 27. 789 Zu Hate-Speech und Strafrecht C. Apostel, KriPoZ 2019, 287.
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Weil das Strafrecht nunmehr die – früher bisweilen verloren gegebene790 – „Ehre“ retten soll, feiern die §§ 185 ff. StGB ihre Renaissance.791 Notwendigkeit eines hervorgehobenen Ehrschutzes im politischen Betrieb und Tauglichkeit einer verschärften Strafandrohung zur Stützung dieses Zwecks hängen damit erheblich vom Zustand der staatlichen Stabilität ab, so insbesondere dem Rang eines integren Diskurses in der politischen Öffentlichkeit und der Fähigkeit zur außerrechtlichen Verarbeitung kommunikativer Grenzüberschreitungen. Während im 19. Jahrhundert „nicht einmal Hinweise ersichtlich“ 792 waren, dass ein gesonderter Ehrschutz von Personen des politischen Lebens im Strafrecht diskutiert wurde, änderte sich das in der Weimarer Republik:793 Im Anschluss an die Ermordung des Politikers Matthias Erzberger, dem von radikal-nationalistischer Seite sein Beitrag zum Versailler Friedensschluss vorgeworfen wurde, erließ der Reichstag ein „Gesetz zum Schutze der Republik“ (RGBl. 1922, 585, 586), dessen § 8 Nr. 1 den bestrafte, „wer öffentlich oder in einer Versammlung die verfassungsmäßig festgestellte republikanische Staatsform des Reichs oder eines Landes beschimpft oder dadurch herabwürdigt, daß er Mitflieder der republikanischen Regierung des Reichs oder eines Landes beschimpft oder verleumdet.“ Das Gesetz wurde sodann im Jahr 1927 (RGBl. 125) um zwei Jahre verlängert. In der Endphase der Weimarer Republik erschien in der „Vierten Notverordnung zum Schutz des inneren Friedens“ vom 8. Dezember 1931 in Teil 8 Kapitel III eine „Verstärkung des Ehrenschutzes“. Mit der Hoffnung auf eine generalpräventive Wirkung794 bestimmte § 1: „Steht im Falle der üblen Nachrede (§ 186 des Strafgesetzbuches) der Verletzte im öffentlichen Leben und ist die ehrenrührige Tatsache öffentlich behauptet oder verbreitet worden und geeignet, den Verletzten des Vertrauens unwürdig erscheinen zu lassen, dessen er für sein öffentliches Wirken bedarf, so ist die Strafe Gefängnis nicht unter drei Monaten, wenn der Täter sich nicht erweislich in entschuldbarem guten Glauben an die Wahrheit der Äußerung befunden hat.“ In § 2 wurde für die Verleumdung Ähnliches bestimmt. Mit dem „Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Parteiuniformen“ (RGBl. 1934, 1269) unter dem Regime des NSFaschismus galt der Tatbestand der Notverordnung als überholt (Reichsrechtsamt, Deutsches Recht 1939, 219, 220). Mit dem Kontrollratsgesetz Art. I Nr. 1 Ziffer 1h 790 Für eine Entkriminalisierung W. Brugger, Der Staat 42 (2003), 77, 88; M. Kubiciel/T. Winter, ZStW 113 (2001), 305. Dazu auch G. Marfels, Von der Ehre zur Anerkennung?, 2011, 26 und im Ergebnis dafür ebd., 269 ff. Speziell für eine Entkriminalisierung des hier in Frage stehenden § 188 StGB (§ 187a StGB a. F.) der Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches. Besonderer Teil, Straftaten gegen die Person, 1971, 21. 791 Wenngleich sich die aktuelle Debatte vorrangig mit den Neuerungen aus der digitalen Welt befasst, sind Abgesänge auf die Sachlichkeit des öffentlichen Meinungskampfes schon älter als das allgemeinverfügbare Internet, siehe etwa die deutlich überzogenen Befürchtungen bei E. Schwinge, Ehrenschutz heute, 1988, 36 f., 92 f. – J. Q. Whitman, Yale Law Journal 109 (2000), 1279, 1295 ff. unterstellt wohl nicht ohne Grund eine „German culture of insult“. 792 So U. Bräuel, Ehrverletzung und Ehrenschutz im politischen Leben, 1984, 82; siehe dort auch zum Folgenden, 793 Zur Entstehungsgeschichte der Vorschriften RG, 2.2.1933 – II 1464/32 = RGSt 67, 101, 103 ff. 794 So E. Schäfer, Juristische Wochenschrift 1931, 3646, 3646.
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lebte die Weimarer Norm aber wieder auf 795 und bildete die Blaupause für den späteren § 187a StGB.796
I. Ehre und Kommunikation, Individuum und Kollektiv Der Diskussionsbedarf um § 188 StGB ergibt sich aus seiner „janusköpfigen“ Strukturierung: Sanktioniert wird ein klassisch interpersonales Geschehen, eine Person beleidigt eine andere Person, die Strafschärfung ergibt sich aber aus der institutionellen Zugehörigkeit des Opfers. Damit spitzt sich eine Frage zu, die alle Ehrschutzdelikte betrifft: Schützen sie nur personale oder auch öffentliche Interessen? Dazu einige allgemeine Überlegungen, die sich indes auf Vorüberlegungen zu § 188 StGB erstrecken und Groß-Fragen nach dem richtigen Begriff der Ehre nur streifen.797 Der Ursprung der Problematik um die §§ 185 ff. StGB liegt in der Dis-Kontinuität des Ehrbegriffs. Weil die Standesgesellschaft noch selbstverständlich ihre Menschen nach hierarchisch angeordneten Rollen einsortierte,798 lag in jeder Missachtung der Anerkennung als Standesgenosse ein Angriff auf das gesellschaftliche Ordnungsschema.799 Diese Hierarchie-stützende Vorstellung von Ehre ist in der bürgerlichen Gesellschaft hinfällig geworden.800 Ehre besteht weiter als Verhimmelung personaler Herrschafts-Strukturen, baut aber nicht auf feststehenden Gesellschafts-Kasten auf, sondern betrifft freie und gleichgeordnete Rechtspersonen.801 1. Individualcharakter? Ehre ist nach diesen Überlegungen ein soziales Ereignis, das sich nicht aus der Qualität „Mensch“ ableiten lässt (in einem Sinne, dass jeder Mensch Ehre mit sich trüge, wie er etwa regelmäßig zwei Arme und Beine hat). Ein bloß subjektives „Ehrgefühl“ erbringt noch keinen Nachweis über seine rechtliche Rele-
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Vgl. OLG Celle, 14.6.1947 – Ss 120/47 = MDR 1947, 168. Siehe BT-Drs. 1/1307, 47; F. Hartung, JR 1951, 677. 797 Die hier vorausgesetzten Prämissen zu Person und Institution sind im ersten Teil der Arbeit zu finden. 798 D. Burkhart, Eine Geschichte der Ehre, 2006, 39. 799 G. Jakobs, in: FS Jescheck, 1985, 627, 635. Instruktiv E. A. Wolff, ZStW 81 (1969), 886, 893 ff. 800 Klassisch G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986, § 206. Allgemein K. Marx, Kritik des Hegelschen Staatsrechts (1843/44), MEW 1, 1956, 203, 284: „Der Stand der bürgerlichen Gesellschaft hat weder das Bedürfnis, also ein natürliches Moment, noch die Politik zu seinem Prinzip. Es ist eine Teilung von Massen, die sich flüchtig bilden, deren Bildung selbst eine willkürliche und keine Organisation ist.“ Vgl. G. Marfels, Von der Ehre zur Anerkennung?, 2011, 28 f. 801 N. Luhmann, Zettelkasten II: Zettel 535/13b3: „In der Funktion der Gleichheit als Rangregel steckt vornehmlich die Wurzel des Phänomens der Ehre.“ 796
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vanz.802 Der Vorschlag eines „normativen Ehrbegriffs“ 803 macht dagegen besonderen Ernst mit diesem Gedanken und folgert das Sozialphänomen Ehre aus einem vor-institutionellen „Geltungswert-Status“.804 Dieser Begriff steht auf dem Kopf und liest alles, was er begründen möchte, aus einer „irreale[n] Ideenwelt“ 805 heraus. Man erkennt den – sicherlich ideell übersättigten Ehrbegriff – in seiner praktischen Bedeutung aber nicht, indem man dessen soziale Phänomenologie aus einem Begriffshimmel ableitet, sondern umgekehrt, indem man beschreibt, wie die praktische Anerkennung zwischen Rechtspersonen in der gesellschaftlichen Auffassung zu einem „Wert“ kondensiert. Das Verständnis der Ehre als Anerkennungsverhältnis806 führt hier bereits deutlich weiter, indem soziale Beziehungen der Personen untereinander die Maßgabe bilden. Dieser Prozess beruht auf idealistischen Prämissen: Indem Vernunftwesen sich als solche wechselseitig anerkennen, sprechen sie sich jeweils Freiheitsräume zu, in denen sie als Freie und Gleiche ihr Leben gestalten können. Eine Ehrverletzung entzieht dem Verletzten nach diesem Modell die Anerkennung, somit eine Grundlage von Selbstständigkeit und Freiheit.807 – Aber lässt sich das beschriebene Verhältnis wirklich schon mit voluminösen Begriffen von „Freiheit“ und „Selbstbestimmung“ abschließend darlegen?808 Zu erklären ist das nur, wenn gerade das Leben im praktischen Anerkennungsverhältnis erst die Freiheit ausmachen soll; Freiheit ist dann aber nur ein anderes Wort für das aus dem ontologischen Zusammenhang der Vernunftsubjekte bereits Bestimmte. Auch wer einen Ehrverlust erleidet, kann noch in vielerlei Hinsicht „frei“ sein: Einen Willen zu fassen, kann ohnehin niemandem entsagt werden, und auch Freiheit in einem Verständnis als staatlicher Erlaubnistitel kann unbeschadet weiterbestehen.809 Anschlussfähig ist dabei der Gedanke, dass die Ehrverletzung das Gleichheitsverhältnis der Personen missachtet.810 Dieses genuin gesellschaftlich erzeugte Phänomen wird aber durch die Anerkennungslehre zu einem voll-eigenständigen Verhältnis der Gesellschaftsmitglieder untereinander verformt. 802 Ein sogenannter „faktischer“ Ehrbegriff (so etwa noch R. von Frank, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 111914, 335 f.; kritisch bereits E. Kern, in: FG Frank, 1930, 335, 338) ist aus diesem Grund schon lange aus der Debatte ausgeschieden, vgl. K. Amelung, Die Ehre als Kommunikationsvoraussetzung, 2002, 4. 803 H. J. Hirsch, Ehre und Beleidigung, 1967, 29 ff. 804 H. J. Hirsch, Ehre und Beleidigung, 1967, 30. So auch BGH, 18.11.1957 – GSSt 2/57 = BGHSt 11, 67, 71: Der Rechtsanspruch auf Ehr-Erhalt „fließt aus“ der inneren Ehre. 805 K. Amelung, Die Ehre als Kommunikationsvoraussetzung, 2002, 6. 806 E. A. Wolff, ZStW 81 (1969), 886, 897 ff.; R. Zaczyk, NK-StGB5, vor §§ 185 ff., Rn. 1. Näher auf S. 55 ff. 807 So E. A. Wolff, ZStW 81 (1969), 886, 901 ff. 808 Eine kantische Vernunftableitung auch bei H. Kube, Archiv des öffentlichen Rechts 125 (2000), 341, 374 f. 809 K. Amelung, Die Ehre als Kommunikationsvoraussetzung, 2002, 18. 810 So auch K. Gaede, M/R-StGB2, vor § 185, Rn. 7.
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2. Personale Gleichheit – Zurechnung Das betroffene Gleichheitsverhältnis besteht nur gesellschaftlich und zwar als Trennung personaler Willenssphären, die sich wechselseitig nicht verletzen dürfen. Das Problem liegt nun im schwer greifbaren Charakter der Ehre: Während es einleuchtet, dass Nötigung oder Diebstahl den jeweils fremden Willen in seiner Äußerlichkeit berühren, bedarf das bei der Ehre einer besonderen Begründung. Denn wie schon gezeigt, ist die bürgerliche Ehre zunächst inhaltsleer, sie erschöpft sich im Auftreten als formale Person. Eine Ehrverletzung ist aus diesem Grund der Verstoß gegen die äußere Struktur der Gleichheit, nicht die innermaterielle Verletzung einer Rangregel. Darzulegen ist genauer, warum eine Äußerung bei bestimmten Inhalten nicht von der angesprochenen Person zu verarbeiten ist, sondern sich stattdessen der Staat der Sache annimmt,811 und die Zuständigkeit zu ebenjener Verarbeitung in den Rechtskreis der sich äußernden Person zurückfällt, die sodann bestraft wird. Ein auch öffentliches, und damit strafrechtlich relevantes Interesse an Ehrabschneidungen besteht, wenn die Form öffentlich zulässiger Kommunikation als solche betroffen ist.812 Zugrunde liegt: Die Kehrseite der Freiheit von Personen liegt in der Folgenverantwortung für ihr Handeln, sie sind „Zurechnungsendpunkte“.813 Die Verarbeitung von störenden wie auch willkommenen Erscheinungen des Soziallebens erfolgt damit regelmäßig nach einem Schema, das einzelnen Personen (nicht: einem Kollektiv) die Verantwortung zuweist.814 Das ist eine gesellschaftliche Folge des bürgerlichen Begriffs von den Rechtsteilnehmern: Jede Person kann Verdienste für sich beanspruchen, die in ihren Organisationskreis fallen, kann gleichwohl alles andere von sich weisen.815 Ehre ist die fingierte Gesamtheit derjenigen Selbst-Zuschreibungen, deren Anerkennung in Kommunikation berechtigt erwartet werden kann. Anders: Die Ehre ist das Resultat einer Umbuchung individueller Leistungen auf das Konto der Rechtsperson. Wer etwas leistet, zieht daraus nicht nur gegebenenfalls einen Nutzen, sondern kann sozial verlangen, mit dieser Leistung assoziiert zu werden. Das ist fraglos eine Idealisierung,816 aber als
811
Soweit im Fall des § 185 StGB ein Strafantrag gestellt wird. G. Jakobs, in: FS Jescheck, 1985, 627, 636. 813 Ausführlich S. 103 ff. 814 G. Jakobs, Der strafrechtliche Handlungsbegriff, 1992, 16. 815 G. Jakobs, in: FS Jescheck, 1985, 627, 635 ff.; G. Jakobs, in: FS Maiwald, 2010, 365, 373 ff. 816 Es ist schon ein prima facie ungewöhnliches Vorgehen, Leistungen aller Art nicht nach ihrem empirischen Nutzen zu bewerten. Wer beispielsweise ein Medikament erfindet der schafft eine Möglichkeit, Menschen zu heilen. Die Behauptung, der Erfinder sei dabei unredlich vorgegangen, wäre strafrechtlich sanktionierbar, die Behauptung, das Medikament sei schädlich hingegen nicht. Das durch die Ehrschutzdelikte geschützte Interesse ist eben nicht die objektive Wahrheit und ihre Zweckmäßigkeit für den Materialismus der Menschen, sondern die äußerliche Selbstdarstellung der Person. 812
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wirklicher Bestandteil des Zusammenlebens keine reine Ideologie;817 mit anderen Worten zählt es zur elementaren gesellschaftlichen Praxis (nicht: Einbildung) der Personen, sich als solche wechselseitig zu respektieren und Gewinne wie Schäden mit dem Handeln von Personen zu verknüpfen.818 In gravierenden Fällen kennt das Strafrecht den Schutz der formellen Zurechnung, §§ 153 ff., 164 StGB.819 Die Ehrschutzdelikte ergänzen dazu eine in-formelle Zurechnungs-Sicherung, die ein sachlich begrenztes „Recht auf Wahrheit“ 820 stützt. Folgerichtig scheiden wahrheitsgemäße Äußerungen (Ausnahme: § 192 StGB) als strafbares Verhalten aus.821 Im Kern ergibt sich damit: Eine Ehrverletzung ist eine formelle Missachtung der Person als Person. Regelmäßig wird dagegen (etwa bei Diebstahl und Körperverletzung) die materielle Sphäre der Person und dadurch gleichsam die Person verletzt. Delikte gegen die Ehre greifen dagegen den reinen Status der Person als gleichberechtigter Träger von Rechten und Zurechnungsverantwortlicher an. In der Ehre „betrifft die Verletzung nicht den sachlichen realen Wert, Eigentum, Stand, Pflicht usf., sondern die Persönlichkeit als solche und deren Vorstellung von sich selbst, den Wert, den das Subjekt sich für sich selber zuschreibt. (. . .)“.822 Wer in seiner Ehre betroffen ist, wird gegenständlich nicht unmittelbar geschädigt. Die Schädigung betrifft einzig das Selbst-Bewusstsein, sich nicht schädigen lassen zu müssen. Die §§ 185 ff. StGB schützen die Rechts-Form „Person“ als solche. Beleidigungen setzten die Person als gleichgeordneten Rechtsteilnehmer herab, bedrohen „die Akzeptanz eines Menschen als Partner ebenbürtiger Kommunikation“.823 Gerade bei Äußerungen im zwei-PersonenVerhältnis, die reine Missachtung als solche ausdrücken, ist die Vorgehensweise so plump, dass sie sich kaum eignet, um den Personenstatus des Opfers praktisch 817 G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Ästhetik II, 1818 ff./1986, 177: „Die Ehre ist nur Schein, pflegt man zu sagen. Allerdings ist dies der Fall; aber sie ist dem jetzigen Standpunkt gemäß näher als das Scheinen und Widerscheinen der Subjektivität in sich selbst zu nehmen, das als Scheinen eines in sich Unendlichen selber unendlich ist. Durch diese Unendlichkeit eben wird der Schein der Ehre das eigentliche Dasein des Subjekts, seine höchste Wirklichkeit, und jede besondere Qualität, in welche die Ehre hineinscheint und dieselbe zur ihrigen macht, ist durch dieses Scheinen selber schon zu einem unendlichen Wert erhoben.“ 818 Treffend T. Fischer, Beleidigung: Habe die Ehre!, zeit-online: „[Ehre] ist ein soziales Konstrukt. Sie ist deswegen aber nicht ,fiktiv‘, überflüssig oder irrational, sondern ein überaus wichtiger Teil des normativen Kitts, der Gesellschaften zusammenhält. Sie ist Selbst- und Fremdzuschreibung von ,Verdiensten‘, Wert, Herrschaft. Daher kann der Inhalt der Ehre nicht von der (jeweiligen) Form der Herrschaft getrennt werden.“ Zur Bedeutung der Ehre in der Gegenwart auch E. Hilgendorf, Hdb-StrR IV, § 12, Rn. 6 ff. 819 G. Jakobs, in: FS Maiwald, 2010, 365, 373. 820 Ausführlich dazu I. Puppe, ZStW 130 (2018), 649. 821 Vgl. schon E. Kern, in: FG Frank, 1930, 335, 341 ff. 822 G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Ästhetik II, 1818 ff./1986, 177. 823 K. Amelung, in: FS Rudolphi, 2004, 373, 377.
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anzutasten. Die rein formale Seite der Person wird wiederum formal attackiert, nämlich durch die reine Bekundung ihrer Missachtung. Der Strafrahmen dieses Verhaltens rangiert nicht ohne Grund am unteren Ende der Strafrahmen des Besonderen Teils des StGB. Anders ist es nun bei wahrheitswidrigen Auskünften gegenüber Dritten. Dort wird „die zugunsten einer Person angebrachte Zurechnung als verdienstlich“ 824 missachtet, indem einer Person Dinge angerechnet werden, die sich nicht zurechnen lassen muss – das war sie nicht.825 Die Person wird dadurch in ihrer Funktion als Zurechnungsendpunkt verletzt, indem die ihr allein zustehende Sinnstiftung durch Handlung aus ihrem Rechtskreis heraus von außen verwischt wird: Wo die Person selbst entscheiden kann, wie sie sich verhält und an gesellschaftlicher Kommunikation teilnimmt (mit der Kalkulation, wie dieses Verhalten sodann von anderen aufgefasst werden mag), entziehen Täter eines Delikts der §§ 185 ff. StGB ihr diese Kompetenz faktisch durch Falschbehauptungen. Die Sanktion verdeutlicht kontra-faktisch, dass dem rechtlich nicht so ist.
II. Funktionsträger als Opfer? § 188 StGB hebt nunmehr aus der gleichgeordneten Gruppe der ehrfähigen Rechtspersonen „im politischen Leben des Volkes stehende Person[en]“ heraus und versieht dahingehende Ehrangriffe mit einer erhöhten Strafandrohung. Der Grund dieser Strafrahmenerhöhung ist nicht abschließend geklärt, wenngleich eine verfassungsgerichtliche Überprüfung mit positivem Ausgang schon im Jahr 1955 stattgefunden hat.826 Ein prima facie naheliegender Strafschärfungsgrund ist der „Blick auf das Opfer“ 827, also auf die Politiker, die „weil sie besonders exponiert sind, in erhöhtem Maß auch das Ziel von Ehrverletzungen sind“.828 Es ist die überwiegende Auffassung, § 188 StGB schütze nicht das jeweilige Amt, sondern die Person, die das Amt innehat. Die „Stellung im öffentlichen Leben“ sei „nur ein Begleitumstand“.829
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G. Jakobs, in: FS Jescheck, 1985, 627, 639. Vgl. G. Jakobs, in: FS Hirsch, 1999, 45, 50: „Werk einer Person ist das Produkt ihrer Freiheit, nicht aber dasjenige der Freiheit anderer.“; ähnlich auch E. Hilgendorf, LK-StGB12, vor § 185, Rn. 14. 826 BVerfG, 30.11.1955 – 1 BvL 120/53 = BVerfGE 4, 352. Zu den Gründen im Folgenden. 827 R. Zaczyk, NK-StGB5, § 188, Rn. 1. 828 J. Eisele/U. Schittenhelm, Sch/Sch-StGB30, § 188, Rn. 2; ähnlich BayObLG, 11.5. 1982 – RReg. 5 St 45/80 = NJW 1982, 2511; H. Schneider, HK-GS5, § 188, Rn. 1. So auch allgemein zur erhöhten Strafwürdigkeit öffentlicher Beleidigungen S. Großmann, GA 2020, 546, 548 ff., 554. 829 BGH, 12.5.1954 – 6 StR 92/54 = BGHSt 6, 159, 161; zustimmend A. Sinn, SSWStGB5, § 188, Rn. 3. 825
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1. Besonderes Schutzbedürfnis Dass Berufsträgern im politischen Betrieb eine gewisse Prominenz innewohnt, die ihre Angriffsfläche für Beleidigungen erhöht, scheint sehr plausibel. Mit zunehmender Bedeutsamkeit der Position im Staatsapparat steigt die mediale Aufmerksamkeit, fördert Informationen zutage und verbreitet sie, sodass Positives wie Negatives über das politische Handeln publik wird und gleichsam der Boden für Spekulationen wächst. Daneben wird vorgetragen, dass Personen des politischen Lebens in ganz besonderem Maße auf ihre öffentliche Reputation angewiesen sind.830 Wer sich um ein Amt bemüht oder es schon bekleidet, dem droht die Beschädigung seines weiteren Vorankommens, wenn sein sozialer Geltungswert als Verantwortungsträger und damit gleichsam die ideelle Qualifikation für höhere Weihen in Abrede gestellt wird.831 Von dieser Zweckbestimmung hängt auch der Begründungsstrang ab, es sei die „Motivation des Täters“ 832 strafschärfend zu berücksichtigen. Eine Verknüpfung mit der subjektiven Tatseite sieht der Tatbestand jedenfalls vor: Der Täter muss nach dem Wortlaut des § 188 StGB aus „Beweggründen begangen [handeln], die mit der Stellung des Beleidigten im öffentlichen Leben zusammenhängen“.833 Grundsätzlich ließe sich das Tatbestandsmerkmal sowohl unrechtsbegründend als auch restringierend verstehen. Nach den obigen Ausführungen834 handelt es sich bei Motiven des Täters bei der Tat nicht um ein isoliert berücksichtigungsfähiges Tat-Merkmal mit für sich unrechtssteigernder Wirkung. Sondern es verdient nur insoweit Berücksichtigung, als es mit der Erhöhung des Taterfolgs in einem Zweckzusammenhang steht. Ob die Motivation des Täters, also beispielsweise: der Hass gegen „die da Oben“, als unrechtssteigerndes Merkmal einzuordnen ist, scheint eher fraglich. Die individuelle Geistesregung mag eine von vielen Ursachen sein, dass es zu der Beleidigung/üblen Nachrede/Verleumdung gekommen ist; eine Unrechtssteigerung im Sinne einer besonders nachhaltigen Ehrschädigung lässt sich indes nur dünn untermauern. Vielmehr dürften die allermeisten Beleidigungen – ob nun privat oder gegen Personen des politischen Lebens – von einer inneren Abneigung der sich Äußernden getragen sein. 2. Außer-personale Gründe Aber geht es hier wirklich noch um einen personalen Schutz? Relativierend wirkt gegen das Argument besonderer Prominenz der Tatopfer bereits § 188 Abs. 1 830 U. a. auf die „Bedeutung der Vertrauenswürdigkeit von Politikern zur Erfüllung ihrer Aufgaben“ stellen P. Regge/C. Pegel, MK-StGB4, § 188, Rn. 2 ab. 831 Vgl. C. Rühs, Zeitschrift für internationale Strafrechtswissenschaft 2022, 51, 54 f. 832 R. Zaczyk, NK-StGB5, § 188, Rn. 1. 833 Näher M. Rahmlow, AnwK-StGB3, § 188, Rn. 7. 834 S. 183 ff.
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S. 2 StGB, der auch die kommunale Ebene ausdrücklich unter das tatbestandlich relevante politische Leben fasst; freilich können auch Kommunalpolitiker je nach Einzelfall in ein temporäres mediales Kreuzfeuer geraten. Keine Klärung verspricht auch der systematische Gedanke, dass es sich bei § 188 StGB gemäß § 374 Abs. 1 Nr. 2 StPO um ein Privatklagedelikt handelt (und es nach § 380 StPO vor Klageerhebung eines Sühneversuchs bedarf),835 nach Wertung der einschlägigen Strafverfolgungsregeln also ein Individualrechtsgut geschützt sei. Denn andererseits nimmt § 194 Abs. 1 S. 3 StGB Straftaten nach § 188 StGB aus dem Regelprogramm der absoluten Strafantragsdelikte heraus und lässt eine Verfolgung zu, soweit ein öffentliches Interesse betroffen ist.836 Im Übrigen kennt das StGB auch andere relative Antragsdelikte, die Individualrechtsgüter schützen (vgl. § 230 StGB). Die Verfahrensregeln stützen daher keine der möglichen Auslegungsvarianten. Eine Individualrechtsgut-bezogene Deutung würde all dies aber nur als äußeren Faktor bewerten, der die zu schützende Ehre der Einzelnen bedroht. Recht unklar bleibt indessen, was das eine mit dem anderen zu tun hat, wie also aus der Diagnose einer Verrohung innerhalb der politischen Kommunikation und der Ehrbedrohung einzelner Politiker eine Strafschärfung folgt. Hier eine deontologisch begründbare Unrechtserhöhung anzunehmen, scheint fernliegend. Zu begründen wäre die erhöhte Relevanz der – eigentlich doch gerade egalitären! – Ehre einzelner Berufsgruppen gegenüber der Normalbevölkerung und, wenn man hier schon graduieren möchte, warum das nicht für andere Berufsgruppen gilt, die ähnlichen Anfeindungen ausgesetzt sind.837 Das ließe sich im Wege einer zweckgebundenen Herleitung durchaus erklären: Soweit das durch die Tat angegriffene Individuum besondere Merkmale aufweist (hier: die öffentlichkeitswirksame Berufstätigkeit), die ihm die Verwaltung seiner personalen Rechtssphäre erschwert (gesteigerte Angriffsfläche), erklärt das Strafrecht, dessen Organisationskreis erst recht zu schützen. Das Strafrecht hält an der Gewährleistung von Ehre dort in besonderem Maße fest, wo sie aufgrund der empirischen Unterschiede leichter anzugreifen ist. Der Zweck des § 188 StGB liegt aber kaum in diesen Überlegungen begründet. Denn die tatbestandliche Fassung der Norm ist unter diesen Gesichtspunkten sowohl zu weit als auch zu eng: Geschützt sind einerseits Kommunalpolitiker,838 deren Prominenz zumeist regionale Grenzen Dazu B. Valerius, BeckOK-StGB50, § 188, Rn. 13. Kritisch Deutscher Richterbund, Stellungnahme Nr. 1/20, 3; gegen ebendiese Bedenken A. Engländer, NStZ 2021, 385, 389. 837 Vgl. C. Rühs, Zeitschrift für internationale Strafrechtswissenschaft 2022, 51, 55 f. Pointiert M. T. Og˘lakcıog˘lu, ZStW 132 (2020), 521, 541: „Der Erlass von Strafgesetzen ist nicht dazu da, verärgerte oder psychisch labile Politiker/innen zu beschwichtigen.“ 838 Das ist erst seit der Änderung 2021 (BGBl. I 441) der Fall. BayObLG, 11.5. 1982 – RReg. 5 St 45/80 = NJW 1982, 2511 meinte noch: „Auf Personen, die durch ihr Wirken in der Öffentlichkeit keine nennenswerte Aufmerksamkeit auf sich ziehen, trifft der Gesichtspunkt einer Gefahrerhöhung dagegen nicht zu.“; ebenfalls BayObLG, 30.9. 835 836
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nicht überschreitet;839 andererseits sind unzählige Berufsgruppen nicht geschützt, deren Vorankommen ebenso vom öffentlichen Ruf beeinflusst werden kann.840 Es ist nicht zu bestreiten, dass publikumswirksam vorgetragene Unwahrheiten auch weit darüber hinaus reichen können und im Einzelfall sogar Ursache für physische Gewaltanwendung gegen Betroffene sein können. Um diese Fälle tatbestandlich zu greifen, bedarf es aber keiner gesonderten Ehrschutznorm. Strafbar sind etwa – jeweils außerordentlich weitreichend und teils noch einmal durch den Gesetzgeber nachgeschärft841 – Anstiftung und versuchte Anstiftung zu Straftaten (§§ 26, 30 Abs. 1 StGB), Androhung von Straftaten (§ 126 StGB), Billigung oder Belohnung von Straftaten (§ 140 StGB), Bedrohung (§ 241 StGB). Es gibt hier keine Lücke, die gesondert zu schließen wäre. Der Grund für den erhöhten Strafrahmen scheint vielmehr in den Eigenheiten der institutionellen Stellung der Tatopfer zu liegen.
III. Institutionelle Schutzrichtung § 188 StGB lässt sich also mit einem rein personalen Schutz nicht erklären.842 Es geht eben nicht nur um die Personen, sondern um die Institutionen, die sie repräsentieren;843 die Charaktermaske wird geschützt, nicht der Träger unter ihr.844 Als Qualifikation der §§ 185, 186, 187 StGB betrifft § 188 StGB sehr wohl weiterhin die personale Ehre; der besondere Unrechtsgehalt erklärt sich indes aus kollektiven Gesichtspunkten. Insoweit handelt es sich um einen „Mischtyp“.845 Die Sanktionsnorm richtet sich sowohl nach personellen als auch nach institutionellen Zwecken aus.846
1989 – RReg. 3 St 215/88 = JZ 1989, 699, 700; P. Kretschmer, Strafrechtlicher Ehrenschutz und Meinungs- und Pressefreiheit im Recht der Bundesrepublik Deutschland und der Vereinigten Staaten von Amerika, 1994, 49. 839 BVerfG-K, 19.5.2020 – 1 BvR 2397/19 = NJW 2020, 2622, 2626: „Einem Bundesminister gegenüber können insoweit härtere Äußerungen zuzumuten sein als etwa einem Lokalpolitiker.“ 840 C. Rühs, Zeitschrift für internationale Strafrechtswissenschaft 2022, 51, 55. 841 BT-Drs. 19/17741, 7 f. 842 B. Karpf, Die Begrenzung des strafrechtlichen Schutzes der Ehre, 2004, 73; K. Kühl, Lackner/Kühl-StGB29, § 188, Rn. 1. 843 U. Bräuel, Ehrverletzung und Ehrenschutz im politischen Leben, 1984, 265: Der Einzelne wird „als Repräsentant“ geschützt. 844 Ausdrücklich BT-Drs. 1/1307, 48: „Denn die genannten Personen genießen den erhöhten Ehrenschutz nicht um ihrer, eigenen Person willen, sondern im Hinblick auf ihr öffentliches Wirken.“; siehe auch OLG Düsseldorf, 7.12.1982 – 2 Ss 444/82 – 342/ 82 II = NJW 1983, 1211, 1212. 845 U. Bräuel, Ehrverletzung und Ehrenschutz im politischen Leben, 1984, 268 f. 846 So auch W. Krämer, Die Wahrnehmung berechtigter Interessen bei Ehrverletzungen im politischen Meinungskampf, 1985, 58; ähnlich (beide Schutzrichtungen seien bei öffentlicher Begehung der Beleidigung untrennbar) A. Heinze, Zeitschrift für internationale Strafrechtswissenschaft 2022, 497, 501.
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Nur mit dieser Auslegung ergibt auch die tatbestandliche Eignungsklausel (die Tat muss aus „Beweggründen begangen [sein], die mit der Stellung des Beleidigten im öffentlichen Leben zusammenhängen, und ist die Tat geeignet, sein öffentliches Wirken erheblich zu erschweren“) einen Sinn: Ausgeschieden werden nämlich politikferne Ehrabschneidungen, die gleichwohl die rein persönliche Sphäre durchaus betreffen können. Das BVerfG formuliert insoweit (im Anschluss an BT-Drs. 1/1307, 47), § 188 StGB solle „der Vergiftung des politischen Lebens durch Ehrabschneidung und Verunglimpfungen und der Verhetzung im politischen Kampf entgegenwirken“.847 Was aber ist unter dieser Metapher sinnvoll zu verstehen? Der Gedanke ist ein allgemeiner: Die Akzeptanz politischer Institutionen speist sich nicht nur aus dem staatlichen Gewaltmonopol, das ihren Entscheidungen praktische Geltung verleiht, sondern auch aus der Anerkennung durch die Regierten.848 Anzuerkennen ist dabei nicht nur der Zweck der Institution selbst, sondern auch das zuständige Personal.849 Insbesondere soll abgesichert werden, dass sich solches Personal überhaupt finden lässt und nicht aufgrund massiver privater Einschnitte vor einem Engagement zurückschreckt.850 Darüber hinaus sollen Personen des politischen Lebens auch nach den ihrer jeweiligen Funktion immanenten Sachgründen Entscheidungen treffen, also nicht durch äußerliche Attacken beeinflusst werden.851 Wer falsche Tatsachen über Verantwortungsträger (respektive solche, die es noch werden wollen) verbreitet oder sie schlicht beleidigt, gibt objektiv unrichtige Gründe zur Abwendung von dem betroffenen politischen System. Während diese Überlegungen auch auf eine Monarchie oder Aristokratie zuträfen, lässt sich das in der Demokratie moderner Prägung noch konkretisieren: Indem die parlamentarische Demokratie die Besetzung staatlicher
847 BVerfG, 30.11.1955 – 1 BvL 120/53 = BVerfGE 4, 352, 356. So auch BayObLG, 11.5.1982 – RReg. 5 St 45/80 = NJW 1982, 2511; BayObLG, 30.9.1989 – RReg. 3 St 215/88 = JZ 1989, 699, 700. 848 G. Jakobs, Norm, Person, Gesellschaft, 2008, 48 f.; O. Weinberger, Recht, Institution und Rechtspolitik, 1987, 230. 849 A. Engländer, NStZ 2021, 385, 389 stellt ab auf das „Vertrauen der Bevölkerung in die Integrität der politisch tätigen Person“. Recht weit BGH, 22.9.1953 – 5 StR 213/ 53 = BGHSt 4, 338, 339: „alle tatsächlich politisch bedeutenden Persönlichkeiten, die auf das politische Leben erheblichen Einfluß ausüben“. 850 Recht deutlich schon BT-Drs. 1/1307, 48; weiter BVerfG, 30.11.1955 – 1 BvL 120/53 = BVerfGE 4, 352, 356; U. Bräuel, Ehrverletzung und Ehrenschutz im politischen Leben, 1984, 189 f. In der jüngeren Verfassungsrechtsprechung wird dieser Aspekt wieder verstärkt betont, so BVerfG, 6.11.2019 – 1 BvR 16/13 = BVerfGE 152, 152, 199; BVerfG-K, 19.5.2020 – 1 BvR 2397/19 = NJW 2020, 2622, 2626; BVerfG-K, 19.12.2021 – 1 BvR 1073/20 = BeckRS 2021, 44392, Rn. 35. 851 U. Bräuel, Ehrverletzung und Ehrenschutz im politischen Leben, 1984, 185 ff. Vgl. auch K. Rogall, SK-StGB9, § 188, Rn. 1: „erhebliches öffentliches Interesse an unverfälschter Darstellung und Beurteilung ihrer Person und ihrer Leistungen“.
F. Der Zweck des § 188 StGB
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Ämter in der Form eines Konkurrenzkampfes zwischen Parteien durchführt,852 schafft sie gleichsam das Problem eines geordneten Ablaufs dieses Qualifizierungsprozesses. Je weiter sich die öffentliche Auseinandersetzung vom in der Sache vorausgesetzten Ziel, nämlich der geordneten Ermittlung der Verwalter staatlicher Macht, entfernt, desto stärker nimmt der objektive Zweck des Prozesses Schaden. Diese angeordnete Verlaufsform des Ringens um Posten und Ämter wird verletzt, wo ehrverletzende Äußerungen gegen Bewerber aus anderen Lagern eingesetzt werden. Gerade weil Profilierung Teil von Wahlkämpfen ist, nimmt die Ehre der Kandidaten eine besondere Rolle ein.853 Ein falsches „Ehrenwort“ kann Karrieren beenden; wer hingegen zum Amtsträger qualifiziert ist, muss zunächst einen Eid schwören (Art. 56, 64 Abs. 2 GG), also seinen personalen Selbstwert ideell mit seiner politischen Rolle vermengen.854 Das politische Leben wird mithin „vergiftet“, wo sein äußeres Erscheinungsbild als regelgeleiteter und durch übergeordnete Akzeptanz zum jeweiligen politischen System geprägter Konfrontationsprozess der Teilnehmer gestört wird.855 Wie oben schon dargelegt, stellt der Normzweck damit ein funktionales Band zwischen Beleidigung und Schädigung der beruflichen Rollendarstellung des Betroffenen her. Wegen dieses festgeschriebenen Zusammenhangs lehnt das BVerfG einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ab.856 Das bedeutet auch: Der Individualschutz der betroffenen Personen ist lediglich ein Reflex des Qualifikationstatbestandes. § 188 StGB zielt nicht auf die EhrPosition der Einzelnen ab. Sondern der hervorgehobene Schutz der Ehre der Op852 Siehe bereits S. 32 ff. Vgl. hier erneut I. Shapiro, in: Deliberative Politics: Essays on Democracy and Disagreement, 1999, 28; I. Shapiro, The State of Democratic Theory, 2009, 55 ff.; klassisch: J. A. Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, 1942/2018, 355 ff. 853 D. Burkhart, Eine Geschichte der Ehre, 2006, 127. 854 Nach BVerfG, 11.4.1972 – 2 BvR 75/71 = BVerfGE 33, 23, 31 zeigt der Eid die „vollkommene Identifizierung des Gewählten mit den in der Verfassung niedergelegten Wertungen“; eingehend A. Wetzel, Eid und Gelöbnis im demokratischen, weltanschaulich neutralen Staat, 2001, 81. 855 Es ist offensichtlich, dass hier eine massive Spannung zwischen gestatteter Meinungsfreiheit im politischen Diskurs und Ehrschutz der Betroffenen des Meinungskampfes entsteht. Abstrakt und kontextunabhängig ist dieser Konflikt kaum auflösbar, wie nicht zuletzt die historischen Schwankungen des Ehrschutzes im politischen Leben belegen. Vgl. aus der Verfassungsrechtsprechung etwa BVerfG, 10.10.1995 – 1 BvR 1476/91 ua = BVerfGE 93, 266, 293 ff.; BVerfG-K, 19.5.2020 – 1 BvR 1094/19 = NJW 2020, 2631, 2632 ff. Siehe auch aus der Rechtsprechung des EGMR etwa Urt. v. 14.3. 2013 – 26118/10, Rn. 59: „The limits of acceptable criticism are wider as regards a politician as such than as regards a private individual.“ Ausführlich B. Karpf, Die Begrenzung des strafrechtlichen Schutzes der Ehre, 2004, 86 ff. et passim. Daher wurde schon angemerkt, § 188 StGB würde, „angesichts des hohen Gewichts der Meinungsfreiheit im politischen Meinungskampf häufig ins Leere laufen“, E. Simon, JR 2020, 599, 602. 856 BVerfG, 30.11.1955 – 1 BvL 120/53 = BVerfGE 4, 352, 355.
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Teil 2: Institutionenschutz durch Opferschutz?
fer ist das Mittel, um den Zweck namens Institutionenerhalt zu erreichen. Kriminalpolitisch ließe sich gegen diesen Eingriff in die Form öffentlicher Kommunikation einiges einwenden,857 der Gesetzgeber begreift derlei Delikte indes als bedeutsames Mittel zur institutionensichernden Sozialkontrolle.
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Vgl. M. Kubiciel/T. Winter, ZStW 113 (2001), 305, 333.
Schluss: Zusammenfassung der Ergebnisse und Einordnung Die vorangegangenen Überlegungen haben sich bemüht, einen Begriff von Opfer und Institution im Besonderen Teil des Strafrechts zu bestimmen. Es verbleibt noch eine Zusammenfassung und Pointierung der Ergebnisse; darüber hinaus erfolgt zumindest skizzenhaft die Einbindung des Gedankengangs in allgemeinstrafrechtliche Überlegungen.
I. Opferschutz als Strafrechtszweck – eine schlechte Abstraktion Aus dem zweiten Teil ergibt sich zunächst ein recht klares Ergebnis: Opferschutz ist kein Strafrechtsprogramm. Trägt man einmal die Erklärungshüllen aus Gerechtigkeitsintuitionen und individualzentrierten Geltungsforderungen ab, offenbart sich der Kern einer dem Opfer beistehenden Straftheorie als schlichtes Desiderat. Denn ein normativer Eigenzweck „Schutz des Opfers“ lässt sich einer modernen bürgerlichen Rechtsordnung nicht entnehmen, selbst wenn man sich ihn wünschen mag. Beliebt ist die Rede vom „Opferschutz“ ohnehin primär als abstrakter Topos. Sobald die Straftat einen Verletzten kennt, lassen sich seinen vermuteten Interessen die verschiedensten Anliegen supponieren.1 Der Opferbegriff weicht immer weiter auf und verliert in dessen Folge auch seinen Beschreibungswert (ein präskriptiver Nutzen wird hier ohnehin bestritten). Denn ein Recht, das wesentlich auf Interessengegensätzen gründet,2 bringt unweigerlich und permanent Unterlegene hervor. Opfer sind „wir alle“ 3 und eine der Zukunft
1 H. Schöch, in: FS Sieber, 2021, 591, 594. Mit dem Argument „Opferschutz“ ließe sich der Strafrahmen jedes Delikts gegen die Person nachgerade unermesslich anheben, jede weitere Qualifikation der Körperverletzung würde dem „Opferschutz“ dienen, usw. Zur Strafvorverlagerung G. Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, 1991, 2/25a: „Bei der Bestimmung des Beginns eines solchen Angriffs [FL: auf die Normgeltung] geht es nicht nur um optimalen Opferschutz (dafür wäre es zweckdienlich, schon böse Gedanken des Täters als Angriff zu definieren), sondern auch um das Interesse von jedermann, also auch des Täters, an einer internen (von sozialer Verantwortung freien) Sphäre.“ 2 E. Pas ˇ ukanis, Allgemeine Rechtslehre und Marxismus, 1924/1991, 70. Insoweit (wenngleich naturalisierend) zustimmend H. Kelsen, The Communist Theory of Law, 1955, 94. 3 W. Hassemer, in: Strafrechtsprobleme an der Jahrtausendwende, 2000, 17, 25. M. D. Dubber, Victims in the War on Crime, 2002, 197: „The Victim in All of Us.“
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Schluss: Zusammenfassung der Ergebnisse und Einordnung
zugewandte Rechtsgestaltung erschließt sich über die „Opfer von morgen“.4 Damit gelangt man freilich nicht über die heuristische Erkenntnis hinaus, dass Recht von Menschen gemacht ist und für Menschen gilt.5 „Opferschutz“ oder „Genugtuung“ sind als Begriffe schlicht zu weitläufig6, um den Zweck eines rechtlichen Programms bilden zu können. Die Wenigsten würden diese hohen Werte als solche ablehnen wollen – wer ist schon für die Erzeugung möglichst zahlreicher Verbrechensopfer und deren schlechte Behandlung?7 Es würde aber auch niemand bestreiten, dass wohlklingende Ideale wie „Gerechtigkeit“, „Solidarität“ 8, „Mitmenschlichkeit“ (beziehungsweise gleich in Kombination9: „Menschengerechtigkeit“, das „solidarische Miteinander“) oder „Rechtsfrieden“ üblicherweise auf Zustimmung treffen. – Und trotzdem ist offensichtlich, dass diese Begriffe als analytische Arbeitsmittel kaum brauchbar sind.10 Ob eine Straftat den „Rechtsfrieden“ berührt, das richtet sich danach, ob 4 Mit Recht kritisch C. Prittwitz, in: „Personale Rechtsgutslehre“ und „Opferorientierung im Strafrecht“, 2007, 97, 101 ff. 5 Dazu nur H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 1960, 32 f. 6 Das setzt sich in der konkreten Viktimodogmatik fort. Siehe etwa zu den zahlreichen Problemen, aus der Ratio „Opferschutz“ ein dogmatisches Programm für § 24 StGB abzuleiten, H.-U. Paeffgen, in: FS Puppe, 2011, 791, 792 ff., 812 f. 7 C. Schmitt, Die Tyrannei der Werte, 1967/2011, 50: „Wertlogisch muß immer gelten: daß für den höchsten Wert der höchste Preis nicht zu hoch ist und gezahlt werden muß. Diese Logik ist viel zu stark und einleuchtend, als daß sie im Kampf der Werte eingeschränkt oder bedingt werden könnte. Man braucht nur das altmodische Verhältnis von Zweck und Mittel mit dem modernen Verhältnis von höherem und niedrigem Wert oder gar dem von Wert und Unwert miteinander zu vergleichen, um zu erkennen, wie Hemmungen und Rücksichtslosigkeiten infolge der spezifischen Wertlogik entfallen.“ 8 Am Begriff der „Solidarität“ im Strafrecht lässt sich vermutlich am besten die Problematik des Sonntagsreden-Vokabulars (treffend M. Pawlik, Der rechtfertigende Notstand, 2002, 58 ff.; siehe auch N. Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993, 486: „praktisch konturlose[s] Rechtsprinzip“; offener etwa U. Volkmann, Solidarität – Programm und Prinzip der Verfassung, 1999, 374 ff.) erklären: In der Konfliktsituation des Aggressivnotstands – kann im dringenden Eigennutzinteresse in eine fremde Freiheitssphäre eingegriffen werden? – trägt es zur Lösung nichts bei, von außen ein neues Ideal an den Konflikt heranzutragen. Denn personal zugeordnete Rechtsräume sind ja kein Zufall, sondern eine institutionelle Setzung. Diesen normativen Regelfall ohne eine innere Begründung bereichsweise auszusetzen hieße, die Regel schlichtweg zu desavouieren (der Widerspruch zwischen zwei Regeln ließe sich logisch nur beheben, wenn eine Meta-Regel vorliegt, die angibt, wann welche Regel anzuwenden ist, vgl. I. Puppe, NKStGB5, vor §§ 13 ff., Rn. 93). Das bedeutet im Fall des Aggressivnotstands, dass jede Ergebniskorrektur der Freiheitskonflikte sich aus dem Grund der Setzung begründen lassen muss (so denn auch der Vorschlag M. Pawlik, Der rechtfertigende Notstand, 2002, 83 ff. – ob der Vorschlag letztlich überzeugt, wird hier nicht bewertet). 9 B. Zabel, ZStW 133 (2021), 358, 384 verknüpft eine „Inklusionswirkung“ zugunsten der Opfer mit Solidaritätsgedanken. Treffend gegen rechtliche Appelle an die Solidarität F. S. Cohen, Yale Law Journal 41 (1931), 201, 209: „crypto-idealism“. 10 Allgemein H. Kantorowicz, Der Begriff des Rechts, 1939/1963, 24 f.: „Die einmal erfolgte begriffliche Festlegung, die weder wahr noch falsch ist, muß für den Zweck der speziellen Wissenschaft fruchtbar sein. Vor allem muß sie sich als geeignet erweisen,
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es denn „Unrecht“ ist. Die Zirkularität ist offensichtlich. Das gleiche gilt – wie ausführlich zu zeigen versucht wurde – für das Opfer der Straftat: Opfer im Rechtssinne ist nur, wer als Person verletzt (oder je nach Einzelfall: gefährdet) wurde. Diese Matrix lässt sich nicht beliebig verändern und um eigenständige Billigkeitsüberlegungen ergänzen, ohne ihre Funktionstüchtigkeit zu beschädigen.11 Ein funktional abgestimmtes Rechtsinstitut verliert seine Leistungskraft, wenn es Zweckfremdes als Zweck behandeln soll; denn es fehlt an einer grundierenden Regel12, die sinnvoll erklärt, wann der eine oder der andere Zweck relevant wäre.13 Die soziale Ordnungsfunktion des Rechts hängt von Verallgemeinerung und Kategorisierung ab. Aus diesem Schema lässt sich nicht ohne Weiteres ausbrechen.14 Sondern es ist, um diese These noch einmal zu wiederholen, erforderlich, dass die außer-rechtlichen Faktoren – und darunter sind auch die kontinzu verbinden, was zusammengehört, und zu trennen, was getrennt werden soll: so grenzt sie einen Gegenstand ab, über den zutreffende und bedeutsame Aussagen gemacht werden können, und gibt uns ein Werkzeug in die Hand, das eindeutige Zuordnungen gewährleistet.“ 11 S. Barton, Hdb-StrR VII, § 19, Rn. 26: „Die Leitlinien des Rechtssystems sehen vor, menschliche Konflikte auf der Basis der Unterscheidung von Recht und Unrecht zu entscheiden. Recht und Gesetz sollen maßgeblich sein – und nicht Moral und Empathie. Das Sprechen vom Opfer und das Denken in Opferkategorien können dazu führen, diese Leistungen des Rechtssystems in Vergessenheit geraten zu lassen.“ 12 Allgemein dazu I. Puppe, NK-StGB5, vor §§ 13 ff., Rn. 93: „Nun kann man einen Widerspruch zwischen zwei Regeln stets dadurch beseitigen, dass man eine Meta-Regel darüber angibt, unter welchen Voraussetzungen die eine Regel anzuwenden ist und wann die andere.“ 13 Das lässt sich gut am Beispiel der Konkurrenzen erklären: Die Lehre von den Konkurrenzen gewährleistet eine schlüssige und regelgeleitete Strafzumessung, indem sie absichert, dass keine unrechtsrelevante Tatsache zweimal verwertet wird, gleichzeitig aber sämtliche unrechtsrelevanten Tatsachen mit einbezogen werden (vgl. nur I. Puppe, NK-StGB5, vor §§ 52 ff., Rn. 2). Die Forderung nach einer verstärkten Einbeziehung von Opferbelangen (so H. Baier, GA 2005, 81, 86 ff.) ist an dieser Stelle ein Fremdkörper. Konkret: Steht das Verhältnis zwischen §§ 224 und 226 StGB zur Debatte (beispielsweise der Täter schlägt das Opfer mit einem gefährlichen Werkzeug, sodass es eine schwere Folge eintritt), kann sehr wohl angezweifelt werden, dass bei einem Zurücktreten des § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB das Tatunrecht voll ausgeschöpft wird (so wohl auch H.-U. Paeffgen, NK-StGB4, § 226, Rn. 47 H.-U. Paeffgen/M. Böse, NK-StGB5, § 226, Rn. 47). Nur – was soll bei dieser Frage ein Genugtuungsinteresse des Opfers zur Lösung beitragen? Nimmt man hier an, dass dem Opfer zuliebe (um seine Leiden abzubilden soll das Strafgesetz wohl sämtliche Geschütze auffahren) alle einzelnen verwirklichten Straftatbestände gegen die Person in Idealkonkurrenz stehen (so zu Körperverletzungsdelikten H. Baier, GA 2005, 81, 92 f.), läuft das dem Doppelverwertungsverbot vollständig zuwider und normiert einen sachlich begrenzten idemcrimen-Begriff (dazu kritisch T. Grosse-Wilde, ZStW 133 (2021), 60, 67 ff.). Da der Gedanke der Genugtuung als weit abgehobener Strafrechtszweck nichts mit der konkreten Zweckausrichtung der Konkurrenzenlehre zu tun hat, lässt er sich mit ihr in kein Verhältnis setzen und desavouiert die gesamte Prüfung der Konkurrenzen – und damit eine treffende Strafzumessung. 14 Zur funktionalen Limitierung des Strafrechts gegenüber Ansätzen von Wiedergutmachung H. J. Hirsch, in: GS Armin Kaufmann, 1989, 699, 706 ff.; S. N. Patsuraku, Die Stellung des Verletzten im Strafrechtssystem, 1994, 205 f.
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Schluss: Zusammenfassung der Ergebnisse und Einordnung
genten Individualeigenschaften der Rechtsteilnehmer zu fassen – sich für das Programm des Rechts nützlich machen. Jeder dieser Faktoren wird „dadurch, dass sich das Recht darauf bezieht, transformiert“.15 Es ist gegen die Ideen von individueller Schadens-Kompensation, Versöhnung und Genugtuung gar nichts einzuwenden; nur haben sie mit einer Strafe im bürgerlichen Staat nichts zu tun. „Das Strafrecht, um dessen Rechtfertigung es den opferbezogenen Theorien geht, ist nicht unser Strafrecht, sondern ein anderes.“ 16 Man kann selbstverständlich utopistische Gedankenexperimente wagen, wie ein anderes Strafen ablaufen könnte;17 nur gewinnt man dadurch nichts für eine Analyse des Gegenwärtigen. Die harte These lautet damit: Der Oberbegriff „Opferorientierte Straftheorie“ ist als solcher untauglich, weil er teleologisch Verschiedenes aufgrund einer sich ähnelnden Normen-Phänomenologie in eine gemeinsame Kategorie presst. Juristische Begriffe werden aber anders gebildet: Sie verklammern keine Oberflächlichkeiten, sondern bündeln das empirisch Disparate sortiert nach normativen Zwecksetzungen.18 Das konkrete Tatopfer als Individuum hat im Recht als solches aber keine eigene Entität; Rechtssubjektivität ist für das Individuum an die Bedingung gekoppelt, als Person aufzutreten. Opferschutz ist also nicht Zweck im Recht, sondern Mittel. Das Opfer tritt nicht in der normativen Selbstschreibung des Rechts auf, sondern muss für das das Rechtsprogramm funktional verwertbar sein. Die Gefahren des „Opferschutzes“ im Strafrecht liegen also einerseits in einer Verzerrung der Zweckzusammenhänge durch emotionale Durchgriffe (wohlklingende Ideale sind nicht sogleich objektive Zwecke des Rechts), andererseits in einer Begriffsaufweichung durch die Überfrachtung mit Worten19 (über den Zweck von Strafe entscheiden nicht Parolen, die man von außen an sie heranträgt).20 Vorschläge aus der jüngeren Vergangenheit wie: 15
G. Jakobs, System der strafrechtlichen Zurechnung, 2012, 17. Dazu C.-F. Stuckenberg, in: Strafrecht und Gesellschaft, 2019, 125, 148: „[W]enn das Recht in dieser Welt etwas bewirken will, muß es sich darum kümmern, wie die Welt aussieht.“ 16 L. Greco, GA 2020, 258, 263. 17 Siehe etwa K. Günther, in: FS Lüderssen, 2002, 205; R. Miklau, in: FS Burgstaller, 2004, 293, 305 f. 18 Siehe dazu (neukantianisch) E. Lask, in: FS Kuno Fischer, 1907, 269, 307: „Zwei einander durchdringende Momente konstituieren das spezifisch juristische Verhalten gegenüber der Wirklichkeit: Die von Zweckbeziehungen geleitete Umsetzung des realen Substrats in eine Gedankenwelt reiner Bedeutungen und die damit verbundene Herausfaserung bloßer Teilinhalte aus der Totalität des Erlebbaren.“ 19 Treffend M. Auer, AcP 216 (2016), 239, 252: „Begriffe sind mehr als nur Worte. Sie sind vielmehr Chiffren für Normwelten und normative Ableitungsbeziehungen, die im Hintergrund der Wortbedeutungen immer mitschwingen und eine normative Eigendynamik, eine Art kontinuierlichen rechtsethischen Drall entfalten, der in jedem einzelnen Fall ihrer Anwendung wirksam wird. Eine Rechtsdogmatik, die das nicht beachtet, kennt ihr eigenes Werkzeug nicht.“ 20 Allgemein K. A. Kroeschell, JZ 7 (1952), 747: „(. . .) Gesetzgebung, Wissenschaft und Rechtsprechung sind gehalten, sich bei jedem Rechtsbegriff darüber Rechenschaft abzulegen, welchen vorhandenen Lebenszusammenhang er darstellen und in welchem
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„Wenn man berücksichtigt, dass es für Opfer im Strafverfahren um mehr bzw. auch um etwas Anderes geht als um die Bestrafung des Täters, liegt es nahe, die verschiedenen Aspekte einer opferorientierten Strafrechtspflege zu einem gesamthaften Strafrechtszweck zusammenzufassen.“ 21
sind damit zurückzuweisen. Methodisch lässt sich nur das zu einem gemeinsamen Zweck verallgemeinern, was sich in den jeweiligen Einzelzwecken überschneidet. Wie zu zeigen versucht wurde,22 dienen aber die einzelnen Bezugnahmen auf das Opfer ganz anderen Zwecken.23 Kurz: Aus dem „Sein“ der individuellen Einbuße folgt kein „Sollen“ der strafrechtlichen Ahndung, aus einer faktischen Freiheit folgt kein geltendes Recht, aus einer subjektiven Beschwerde kein objektiver Schaden.
II. Berufsangehörige als Opfer? Die Überlegungen erlauben damit Schlüsse auf den hervorgehobenen Schutz der Mitglieder besonderer Berufsgruppen: Wenn das Strafrecht, wie an § 114 StGB und § 188 StGB zu zeigen versucht wurde, Personen aufgrund deren sozialer Rolle besondere Aufmerksamkeit zukommen lässt, dann ist dieses Programm an der Funktion der Rolle zu messen. Auch hier verschleiert der Duktus der Gesetzesbegründungen häufig das Wesentliche. „Respekt“ und „Wertschätzung“ mögen Personen sich zum Wohlbefinden aller gerne wechselseitig zuschreiben, eine materielle Grundlage haben diese Ideale nicht. Um zu verstehen und zu erSinne er ihn gestalten will. Nur durch eine solche immer wieder neu zu vollziehende ,Besinnung‘ lässt sich die Sinnentleerung der Rechtsbegriffe überwinden (. . .) Es wird dann allerdings weder für ein ,Rechnen mit Begriffen‘ noch für eine Verachtung des Begrifflichen mit Rekurs auf das Gefühl Raum sein. Beides war ja auch stets nur ein geringes Surrogat für die eigentliche, die geisteswissenschaftliche und verstehende Methode der Rechtswissenschaft.“ Kritisch zur „Gefühlsjurisprudenz“ auch F. Berolzheimer, Archiv für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie 4 (1911), 595, 609 f. 21 L. Sautner, Viktimologie, 2014, 186. 22 Hier vorwiegend unter materiell-rechtlichen Gesichtspunkten. Siehe zu den prozessualen Rechtsinstituten ausführlich J. M. Göhler, Strafprozessuale Rechte des Verletzten in der Europäischen Union, 2019, 277 ff. mit dem Ergebnis (ebd., 305): „Allerdings beruhen die in der StPO vorgesehenen Verfahrensrechte des (mutmaßlichen) Opfers auf heterogenen Gründen und bezwecken allesamt nicht die Befriedigung eines privaten Genugtuungsbedürfnisses.“ Zur Funktionenverschiedenheit auch M. Endler, Die Doppelstellung des Opferzeugen, 2019, 42. So auch (zum schweizerischen Recht) F. Bommer, Offensive Verletztenrechte im Strafprozess, 2006, 156: „Vielmehr macht sich hier [FL: bei Verletztenrechten im Strafprozess] der Gesetzgeber der Interessenlage des Opfers zunutze, um Entscheidungen der Strafverfolgungsbehörden auch dann einer gerichtlichen Kontrolle zu unterwerfen, wenn sie mit Blick auf ihren Inhalt (. . .) solcher Kontrolle entgehen würden.“ 23 Siehe auch K. Lüderssen, in: Kriminologie – wissenschaftliche und praktische Entwicklungen, 2004, 171, 172: „Die vielen Aspekte, unter denen das Opfer in den Blick des Strafrechts, der Kriminologie und der Kriminalpolitik, aber auch des Strafprozessrechts kommt, sind viel zu heterogen, als dass man das System einer eigenen Wissenschaftsdisziplin entfalten könnte.“
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Schluss: Zusammenfassung der Ergebnisse und Einordnung
klären, was es mit diesem Schutz-Bedürfnis auf sich hat, ist die Einordnung der Tatbestände in ein objektives und verallgemeinerbares Schema unerlässlich. Es wäre kaum überraschend, wenn die Straftatbestände des Besonderen Teils in der Zukunft noch weitere Berufsgruppen in den Kreis spezieller Tatopfer aufnehmen. Auch für Personen aus Krankenpflege, Katastrophenschutz oder allgemeiner Daseinsvorsorge gilt das soeben Gesagte. Zu unterscheiden wäre dabei immer, ob der einzelne Berufstätige als in seinen persönlichen Rechten Bedrohter betrachtet wird, oder als institutioneller Garant gestärkt werden soll. Die exegetischen Konsequenzen dieser Einteilung wurden in den Ausführungen zu § 114 StGB und § 188 StGB aufzuzeigen versucht. Eine kriminalpolitische Stellungnahme erfolgt hier indes nicht. Zu bemerken bleibt, dass sämtliche Strafrechtsreformen mit dem Augenmerk auf einen positiven Institutionenschutz fernab der negativen Freiheit sich nicht immer nahtlos einfügen, sondern ein Spannungsfeld markieren. Wer sich etwa einer moralisch fundierten Norm beugen soll, muss zur Aufrechterhaltung des allgemeinen Zusammenhangs personaler Handlungsspielräume etwas leisten, das ihm der Gehalt dieser Handlungsspielräume gerade freistellt.24 Wer als Bürger meint, nur staatliche Eingriffe bei Fehlverhalten dulden zu müssen, wird in § 114 StGB an einer Art Ehrfurchts-Pflicht vor den staatlichen Repräsentanten festgehalten; wer meint, auch drastische Kritik an staatlichen Stellen äußern zu können, wird in § 188 StGB auf eine geordnete, nicht schmähende, Verlaufsform dieser Kritik festgelegt. Der Bürger muss eben „Bourgeois“ und „Citoyen“ sein, ob er will oder nicht. Neu ist eine Überlagerung rechtlicher Strukturen durch außer-rechtliche Erwartungen jedenfalls nicht: „Manches deutet darauf hin, daß ein wichtiger Stützmechanismus des Rechts, das normative Erwarten normativen Erwartens an Bedeutung verliert (. . .) Die normative Institutionalisierung von Werteinstellungen erstreckt sich bis hin zu moralischen aufgezogenen Zumutungsprogrammen. (. . .) Diese Form des normativen Erwartens normativen Erwartens liegt jedoch weitgehend außerhalb der etablierten juristischen Formenwelt und richtet sich auch gegen das Recht.“ 25
Der Widerspruch zwischen freiheitlichem Formalrecht und materiellen Korrekturen aufgrund gesellschaftlicher Stabilitätsbedürfnisse ist grundlegend, seine Austragung politischen Kontingenzen ausgesetzt. Die soeben angeführten § 114 StGB und § 188 StGB liefern typische Beispiele für eine solche Verschiebung der Zuständigkeiten des Bürgers. 24 Vgl. T. Fischer, Strafgesetzbuch, 692022, vor § 218 Rn. 10c: „Es ist aber eine empirisch gesicherte Erkenntnis, dass normative Forderungen nach einem sittlichen Handeln, das mit den tatsächlich leitenden, dh über Macht und Reichtum entscheidenden Prinzipien einer Gesellschaft nicht übereinstimmt, nicht befolgt werden. Ein solches („unmoralisches“) Verhalten ist in hohem Maße rational; es zu beklagen ist naiv oder heuchlerisch.“ 25 N. Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993, 556.
Schluss: Zusammenfassung der Ergebnisse und Einordnung
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III. Ausblick: Ein Allgemeiner Teil des Besonderen Teils? Wenn man also das Opfer der Straftat nicht als einen der analytischen Haltepunkte gelten lässt, wie sähe stattdessen die Näherung an eine Theorie des Besonderen Teils des Strafrechts aus? Die innere Kategorisierung und Vernetzung einzelner Delikte gilt angesichts der pragmatisch-kontextorientierten und eben nicht systematisch abgestimmten Schaffung neuer Straftatbestände26 als geradezu aussichtsloses Unterfangen.27 Es ist dabei zu unterscheiden: Eine begriffsjuristische Vorgehensweise, die einen allgemeinen Verbrechensbegriff erdenkt und sodann aus ihm die besonderen Straftatbestände ableiten möchte, wäre analytisch unbrauchbar.28 Mit der Akzeptanz eines geltungstheoretischen Positivismus, auch nur im Ansatz,29 ist diese Methodik nachhaltig desavouiert. Das entledigt gleichwohl nicht von der Aufgabe einer materiellen Ordnung des Besonderen Teils des Strafrechts.30 Beispielsweise nötigt die Befassung mit der Strafzumessung (dort in Fragen der Gesetzeskonkurrenz) eine Stellungnahme zur inhaltlichen Gewichtung der im Einzelnen verwirklichten Delikte ab.31 Dabei ist zur Vermeidung einer Doppel-
26 K. F. Gärditz, in: GS Tröndle, 2019, 729, 741; J. Schulz, in: Das Proprium der Rechtswissenschaft, 2007, 136, 141. 27 M. Pawlik, in: FS Jakobs, 2007, 469, 474, aber mit Fn. 43. Differenzierend zur Systematisierung des positiven Rechts M. Jestaedt, Das mag in der Theorie richtig sein, 2006, 81 ff. 28 Insoweit übereinstimmend mit K. Tiedemann, in: FS J. Baumann, 1992, 7, 10. 29 Überzeugend gegen einen moralisierenden Parallelbegriff der Rechtsgeltung M. Auer, RW 8 (2017), 45, 54 et passim. Das bedeutet nun nicht die Hinwendung zu einem inhaltsleeren Gesetzespositivismus, sondern eröffnet gerade die Möglichkeit einer näheren Überprüfung und Kritik des positiven Rechts, M. Auer, Materialisierung, Flexibilisierung, Richterfreiheit, 2005, 217. Beschwerden aus einer idealen Parallelwelt genügen nicht mehr; man hat stattdessen das wirklich geltende Recht auf einen Begriff zu bringen. 30 Anders W. Frisch, in: Das Proprium der Rechtswissenschaft, 2007, 156, 161: „Eher begrenzt erscheint mir die Bedeutung systematisierenden wissenschaftlichen Arbeitens im sogenannten Besonderen Teil (der Einzeldelikte). Sie erschöpft sich hier weitgehend in einer nur begrenzt folgenreichen äußerlichen Systematisierung der einzelnen Delikte, vor allem unter dem Aspekt des betroffenen Rechtsguts, sowie darin, daß die hermeneutisch wissenschaftliche Arbeit an den einzelnen Delikten im Raster bestimmter Vorgaben des Allgemeinen Teils (objektiver, subjektiver Tatbestand usw.) erfolgt.“; siehe auch U. Kindhäuser, in: Die deutschsprachige Strafrechtswissenschaft in Selbstdarstellungen II, 2021, 189, 205: „Die Dogmatik des Besonderen Teils beschränkt sich dagegen auf die Auslegung einzelner Delikte und die Bestimmung der Charakteristika des jeweiligen Deliktstyps. (. . .) Ein theoretischer Zugriff auf den Besonderen Teil lässt sich daher nicht selten nur durch die Inanspruchnahme einer gewissen Plausibilität rechtfertigen, ein schwaches Argument, zumal dann, wenn sich die Gegenauffassung auf eine lange, Rechtssicherheit vermittelnde Judikatur stützen kann.“ Eher kritisch auch W. Class, Grenzen des Tatbestandes, 1933/1977, 136; K. Tiedemann, in: FS J. Baumann, 1992, 7, 11, 20. 31 T. Grosse-Wilde, ZStW 133 (2021), 60, 91.
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Schluss: Zusammenfassung der Ergebnisse und Einordnung
verwertung zwingend zu klären, inwieweit sich die Unrechtsmerkmale einzelner Delikte decken,32 sogenannte „Unrechtsverwandtschaft“.33 Ein beharrlicher Gesetzespositivismus scheitert hier, weil es nicht um Worte, sondern um Begriffe geht.34 Allgemein: „Der Gesetzgeber, das sei ihm zugestanden, verfügt über den Namen, den er einer Sache gibt, aber er verfügt nicht über deren Begriff!“ 35
Das Verstehen (und die Kritik) der „Buntheit des Besonderen Teils setzt eines voraus, die Entwicklung einer Farbenlehre im Allgemeinen Teil“.36 Es bleibt hier also zu rekapitulieren, dass Strafrecht, auch in besonderen Tatbeständen, einem Zweck dient. Aus diesem objektiven, nicht zwingend subjektiv wünschenswerten, Zweck lässt sich eine Norm anschlussfähig begreifen.37 Unabhängig davon, ob der Gesetzgeber sich einen klugen Gedanken zu einem neuen Straftatbestand gemacht hat, muss der Straftatbestand in jenem normativen Resonanzraum angewendet werden, weil er nur so aufdecken kann, was sonst über schwammige Allgemeinbegriffe in die Norm gelesen wird. Es handelt sich bei der Verallgemeinerung des Besonderen Teils also nicht um theoretische Selbstbeschäftigung, sondern den Versuch, die einzelnen Tatbestände in einer Rechtswirklichkeitsnähe zu begreifen,38 die anderenfalls etwa als intuitive Gerechtigkeitseingebung doch wieder in die Überlegungen mit einfließt. Es bestehen auch entsprechende Vorschläge einer Kopplung einzelner Delikte an allgemeine Strukturen39 neben der Debatte, ob es sich bei der Nötigung40 oder
32 G. Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, 1991, 31/12; I. Puppe, GA 1982, 143, 152 f. 33 I. Puppe, Idealkonkurrenz und Einzelverbrechen, 1979, 170 ff. Neben der gesetzlichen Positivierung in § 46 Abs. 3 StGB handelt es sich dabei um ein logisch zwingendes Erfordernis, soweit man von einem materiellen Unrechtsbegriff ausgeht. Die Prüfung von Unrecht kann sich dann nicht in einem formalistischen Nebeneinanderplatzieren einzelner Tatbestände erschöpfen. Im US-amerikanischen Rechtsraum firmiert ebendiese Idee als Verbot des „double counting“, siehe mit umfassenden Nachweisen T. Grosse-Wilde, ZStW 133 (2021), 60, 81 ff. 34 I. Puppe, Idealkonkurrenz und Einzelverbrechen, 1979, 175. 35 G. Jakobs, Nötigung, 2015, 51 Fn. 36. Siehe auch G. Jakobs, System der strafrechtlichen Zurechnung, 2012, 18 Fn. 15: „[D]er Richter [muss] auf die Gesetzesformulierungen ein Ordnungsmuster legen, um sie verstehen zu können (. . .).“ 36 G. Jakobs, in: FS Roxin I, 2001, 793, 810. In diese Richtung auch M. Köhler, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 1997, 65; M. Pawlik, Das Unrecht des Bürgers, 2012, 46; R. R. Planas, ZIS 2010, 357, 360. 37 Vgl. H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 1960, 23 f. 38 Es wirken auch empirisch nicht die einzelnen Normen für sich abschreckend (sofern man auf eine abschreckende Funktion des Strafrechts setzt), sondern das Strafrechtssystem als Ganzes, C.-F. Stuckenberg, Vorstudien zu Vorsatz und Irrtum im Völkerstrafrecht, 2007, 490; siehe auch K. F. Gärditz, JöR 69 (2021), 505, 512 Fn. 45. 39 Siehe etwa G. Jakobs, Urkundenfälschung, 2000; B. Müssig, Mord und Totschlag, 2005; M. Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, 1999.
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der Beleidigung41 oder gar im Sinne einer ökonomistischen Analyse beim Diebstahl42 um das allgemeine Delikt gegen die Person43 handelt.44 Wo man sodann die Wurzel der Delikte gegen die Person genau loziert, mag davon abhängen, ob man die Person dem Recht vor-ordnet (dann wäre am ehesten die Beleidigung als eine Art Proto-Anerkennungsverletzung einschlägig45), die Person erst durch das Recht entstehen lässt (dann einschlägig: Nötigung) oder sämtliche Rechtsverhältnisse radikal-ökonomistisch als Verhandlungen über Eigentum und Marktanteile deutet (dann einschlägig: Diebstahl). Bei institutionenbezogenen Delikten dagegen scheidet die Fahndung nach einem Generaldelikt schon aufgrund der Vielheit und Diversität der Institutionen46 aus (was sich zu Zeiten Hegels noch in Familie, Staat und bürgerlicher Gesellschaft erschöpfte, sind für den heutigen Gesetzgeber eben auch Gesundheitswesen [§§ 299a, 299b StGB], Sportwettbewerb [§§ 265c, 265d StGB] oder die Stabilität der Kapitalmärkte). Schließlich bleibt zu ergänzen, dass Person und Institution die Rahmenkategorien formen, aber keine unendlichen Ableitungen erlauben. Zu einer genauen Bestimmung des tatbestandlichen Unrechts im Einzelnen sind jeweils Mittelbegriffe zu bilden.47
40 So G. Jakobs, Nötigung, 2015. Grundlegend schon G. Jakobs, in: FS Peters, 1974, 69; G. Jakobs, in: GS Hilde Kaufmann, 1986, 791, 797 ff.; den Prämissen zustimmend H. H. Lesch, in: FS Rudolphi, 2004, 483, 486 u. ö.; H. H. Lesch, in: FS Jakobs, 2007, 327, 330 ff. – Kritisch J. P. Mañalich, in: Strafrecht und Gesellschaft, 2019, 613, 631 ff.; H.-U. Paeffgen, in: FS Grünwald, 1999, 433, 459 ff. 41 In diese Richtung K. Günther, in: FS Lüderssen, 2002, 205, 208. 42 R. A. Posner, Economic Analysis of Law, 2014, 253 fasst etwa die Delikte gegen die Person zusammen als „Intentional torts (. . .) that represent a pure coercive transfer, either of wealth or of utility from victim to wrongdoer“. 43 Zum Ganzen T. Grosse-Wilde, ZStW 133 (2021), 60, 90. 44 Bekannt ist der Satz von H. Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht II/1, 1884, 1: „Alles was irgend als wesentliches Moment des besondern Thatbestandes erscheint, ist niemals nur etwas Besonderes, sondern zugleich ein Allgemeines, das nach dieser Seite seine gebührende Berücksichtigung im allgemeinen Theile fordert.“ Im Anschluss an G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821/1986, § 95: „Das Recht, dessen Verletzung das Verbrechen ist, hat zwar bis hierher nur erst die Gestaltungen, die wir gesehen haben, das Verbrechen hiermit auch zunächst nur die auf diese Bestimmungen sich beziehende nähere Bedeutung. Aber das in diesen Formen Substantielle ist das Allgemeine, das in seiner weiteren Entwicklung und Gestaltung dasselbe bleibt und daher ebenso dessen Verletzung, das Verbrechen, seinem Begriffe nach.“ (Hervorhebung nachträglich). 45 Zu einer solchen Begründung R. Zaczyk, NK-StGB5, vor §§ 185 ff., Rn. 1 (aber ohne die Folgerung, darin ein „Grunddelikt“ gegen die Person zu sehen, ebd., Rn. 24). Vgl. T. Grosse-Wilde, Erfolgszurechnung in der Strafzumessung, 2017, 291 f. 46 G. Jakobs, Die strafrechtliche Zurechnung von Tun und Unterlassen, 1996, 33. Speziell zur Gegenwart M. Kubiciel, JZ 73 (2018), 171, 176. 47 Zu diesem Gedanken schon I. Puppe, Idealkonkurrenz und Einzelverbrechen, 1979, 102 f. Fn. 14.
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Stichwortverzeichnis Abschreckung 76, 128, 134, 141 ff., 194 ff. Anspruch auf Strafverfolgung 145 ff.
Idealismus 42, 55 ff. Individualismus, normativer 97 ff. Institution 68 f.
Begriffsbildung 15 ff. Beleidigung 214, 217, 219, 223 Bourgeois 69
Kommunikation 38, 104, 128 ff., 214 ff. Konkurrenz, ökonomisch 53, 89 f. Kriminalpolitik 16, 18 ff., 49, 135 ff.
Citoyen 69 Demokratie 29 ff., 210 f. Ehre 214 ff. Evidenzbasierung 76, 204 Expressive Straftheorie 128 ff., 134, 173 Fahrlässigkeit 117, 119, 189 Finalismus 114 f., 97 Freier Wille 59 ff., 84 Generalprävention, negative 135 ff. Generalprävention, positive 32, 76, 128, 132, 170, 182 Genugtuung 130 ff., 149, 226 Gerechtigkeit 26, 30 ff., 53, 71 f., 105, 112, 127, 150 ff., 225 f., 232 Gesellschaftsvertrag 40, 64 f., 87, 119 ff. Gesetzeskonkurrenz 227 Gesetzespositivismus 231 f. Gesinnung 183 ff. Gleichheit, der Personen 109 Gleichursprünglichkeit 41, 84, 137, 172 Handlungsunrecht 183 ff. Harm Principle 86 Hate Crime siehe Gesinnung
Materialisierung 63, 71, 155 Meinungsfreiheit 223 Menschenbild, des Grundgesetzes 99 Metaphysik 31, 34 Mitwirkungspflicht 72, 88 ff. Moderne 53 ff., 93, 108, 115 Moral 23, 25 f., 43, 56, 125, 131 f., 139, 186 f. Mordmerkmal 156, 187 Naturalismus 68, 88 Naturalistischer Fehlschluss 164 Naturrecht 32, 63 ff. Normativismus 161 ff. Normentheorie 53, 112 ff. Normgeltungsschaden 169 ff. Notstand 70, 198 Notwehr 97 Objektformel 179 Person 65 ff., 74, 100 ff. Pflichten, rechtliche 78 ff. Politiker 212 ff. Postmoderne 70, 96 Pragmatismus 33 f.
296
Stichwortverzeichnis
Qualifikationstatbestand 116 ff., 140, 154 ff., 191, 197
Subjektive Rechte 61 ff., 81, 122 Symbolstrafrecht 203 ff.
Realabstraktion 105 Rechtsfriedensstörung 180 Rechtsgut 46 ff. Rechtsökonomie 33, 140 ff. Rechtspositivismus 32, 63 ff. Rechtsrealismus 17, 81 Rechtsverletzung 73 ff. Regelbeispiele 77, 121, 143 Relativismus 35 ff. Retterfälle 199 ff.
Talion 83
Schadensersatz 81 ff. Schuld 18, 37, 44, 50, 76, 108, 125, 129, 135 ff., 188 Secondary Harm 181 f. Social Harm 181 f. Spezialprävention 76 Staat 63 ff. Strafzumessung 123, 140, 181, 184
Unterlassen 79, 197 Utilitarismus 120 ff., 140 ff. Verbrechensbegriff, formal 16, 29 ff. Vergeltung 78, 128, 148 ff., 173 Verhältnismäßigkeitsprinzip 42 ff. Vernunft 55 ff., 60 f., 68, 73, 100, 118 ff., 159, 215 Vertragsschluss 68 Viktimodogmatik 156, 94 f. Vollstreckungsbeamte 192 ff. Vorsatz 117, 189 Vorteilsausgleich 86 ff. Wahrheit, Recht auf 217 f. Wahrheit, wissenschaftlich 27