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German Pages 446 Year 2014
Schriften zum Strafrecht Band 257
Das Verabreden, Auffordern und Anleiten zur Begehung von Straftaten unter Nutzung der Kommunikationsmöglichkeiten des Internets Von
Martin Piazena
Duncker & Humblot · Berlin
MARTIN PIAZENA
Das Verabreden, Auffordern und Anleiten zur Begehung von Straftaten unter Nutzung der Kommunikationsmöglichkeiten des Internets
Schriften zum Strafrecht Band 257
Das Verabreden, Auffordern und Anleiten zur Begehung von Straftaten unter Nutzung der Kommunikationsmöglichkeiten des Internets
Von
Martin Piazena
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2012 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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© 2014 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-14146-3 (Print) ISBN 978-3-428-54146-1 (E-Book) ISBN 978-3-428-84146-2 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Meiner Familie und meinen Freunden
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im August 2012 von der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin als Dissertation angenommen. Die Disputation fand am 13.02.2013 statt. Ganz besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Bernd Heinrich, dessen Betreuung vom Anfang bis zum Abschluss meines Promotionsvorhabens nicht besser hätte sein können. Die stets konstruktiven Gespräche waren sowohl in fachlicher als auch in persönlicher Hinsicht eine wirkliche Bereicherung für mich und werden mir immer in guter Erinnerung bleiben. Darüber hinaus habe ich nicht nur durch die Arbeit an meiner Dissertation, sondern auch durch die Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Lehrstuhls sehr viel gelernt. Für all dies bin ich sehr dankbar. Mein weiterer Dank gilt Herrn Professor Dr. Martin Heger für die Erstellung des Zweitgutachtens. Außerdem bedanke ich mich bei allen, die mich in sonstiger Weise während der Zeit des Schreibens und auch bei der Fertigstellung der Arbeit unterstützt haben. Hervorheben möchte ich hier Herrn Gerrit Oldenburg, der mit seinem besonderen Sachverstand im Bereich der Informationstechnik einen wichtigen Teil der Dissertation kritisch gewürdigt hat, Frau Swantje Maecker, die mir sehr bei der Aktualisierung des Literaturverzeichnisses geholfen hat, sowie meinen guten Freund Herrn Dr. Bernhard-Martin Hellwig, der mehrfach Teile der Dissertation zur Korrektur gelesen hat. Mein größter Dank gebührt schließlich meinem Vater, denn ohne dessen uneingeschränkte und stete Unterstützung und Ermutigung wäre mir das Schreiben dieser Arbeit nicht möglich gewesen. Ihm ist diese Arbeit daher in besonderer Weise gewidmet. Tbilisi/Georgien, im Juli 2013
Martin Piazena
Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anlass und Ziel der Arbeit – allgemeine Darstellung des Problems . . . . . . . . II. Konkretisierung des Untersuchungsgegenstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gang und Methode der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Die Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten des Internets . . . . . . I. Die Entwicklung und Funktionsweise des Internets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Entstehung und Entwicklung des Internets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die technische Funktionsweise der Datenübertragung im Internet . . . . . . II. Die relevanten Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kommunikation und Information außerhalb des WWW . . . . . . . . . . . . . . . a) E-Mail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mailinglisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Usenet-Newsgroups . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Internet Relay Chat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Dateiübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kommunikation und Information innerhalb des WWW . . . . . . . . . . . . . . . a) Websites . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Webmail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Webforen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Weblogs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Mikroblogs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Webchat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Webkonferenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Webcasts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Soziale Netzwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . j) Webbasiertes Share- und Filehosting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Allgemeine Differenzierungskriterien für die Kommunikationsmittel des Internets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Differenzierung nach der Reichweite des Kommunikationsmittels . . . . . . 2. Differenzierung nach der Zeitlichkeit des Kommunikationsmittels . . . . . 3. Weitere Differenzierungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Die strafrechtlich relevanten Formen kommunikativer Beeinflussung . . . . . . I. Der Begriff der „interpersonalen Kommunikation“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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32 33 33 35 36 38 40 43 45 48 48 51 52 54 56 57 59 62
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Inhaltsverzeichnis II. Überblick über die kommunikationsbezogenen Normen des AT des StGB III. Überblick über die Äußerungsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Überblick über die Verbreitungsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Schriftenbegriff des § 11 III StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die zentralen Handlungsvarianten „Verbreiten“ und „Zugänglichmachen“ sowie das Merkmal „öffentlich“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Beteiligung Dritter an der (strafrechtlich relevanten) Kommunikation im Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Anbieten von Kommunikationsdiensten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Bereithalten eigener Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Umgang mit fremden Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Das Zueigenmachen fremder Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Verlinken von strafbaren Inhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände . . . . . . . . . . 1. Die Nutzung von Computern und Internet zur Begehung von Straftaten – Begriffsklärung und Abgrenzung von „Computer-“ und „Internetkriminalität“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Normen des StGB und des Nebenstrafrechts – Tatbestandsmerkmale und relevante Streitstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Anstiftung (§ 26 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Überblick über § 26 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Intensität der Einflussnahme des Anstifters . . . . . . . . . . . . . . . (1) Das Schaffen einer zur Tat anreizenden Situation . . . . . . . . . . (2) Das Erfordernis eines einfachen geistigen Kontakts . . . . . . . . (3) Das Erfordernis eines kollusiven Zusammenwirkens . . . . . . . (4) Die restriktiveren Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die erforderliche Konkretisierung von Haupttat und Haupttäter . . dd) Sonstige Probleme der Anstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die versuchte Anstiftung zu einem Verbrechen (§ 30 I StGB) . . . . . . aa) Einführung zu § 30 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Überblick über § 30 I StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Grundlegende Probleme der Anstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die Ernstlichkeit des Anstiftungsversuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Der Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens zur Bestimmungshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Bereitschaftserklärung zur Begehung eines Verbrechens (§ 30 II Alt. 1 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Überblick über § 30 II Alt. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Bereitschaftserklärung als Annahme einer Aufforderung . . .
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112 117 118 118 119 120 121 123 124 126 134 137 139 139 141 143 144 148 157 157 160
Inhaltsverzeichnis cc) Die Bereitschaftserklärung als Sich-Erbieten . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Das Problem des erforderlichen Zugangs bei der Bereitschaftserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Annahme eines Sich-Erbietens zur Begehung eines Verbrechens (§ 30 II Alt. 2 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Überblick über § 30 II Alt. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Annahme eines für ernst gehaltenen Scheinangebots . . . . . . . cc) Das Problem des erforderlichen Zugangs bei der Annahmeerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die Verabredung zur Begehung eines Verbrechens (§ 30 II Alt. 3 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Überblick über § 30 II Alt. 3 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die erforderliche Konkretisierung der Verabredung . . . . . . . . . . . . cc) Das Problem der nur scheinbaren Bereitschaft . . . . . . . . . . . . . . . . f) Die öffentliche Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB) . . . . . . . . . . . aa) Überblick über § 111 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die tatbestandsmäßige Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die subjektive Einstellung des Auffordernden zur Bezugstat . . . . dd) Die Vollendung der Tat bei § 111 II StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Die Modalität des öffentlichen Aufforderns (§ 111 I Alt. 1 StGB) ff) Die Modalität des Aufforderns in einer Versammlung (§ 111 I Alt. 2 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Die Modalität des Aufforderns durch Verbreiten von Schriften (§ 111 I Alt. 3 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Die Anleitung zu Straftaten (§ 130a StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Überblick über § 130a StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 130a StGB . . . . . . . . . . . . . cc) Das Problem der geeigneten Anleitungsschrift . . . . . . . . . . . . . . . . h) Die Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 91 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Die Anleitung oder Aufforderung zur Herstellung verbotener Waffen (§ 52 I Nr. 4 WaffG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Tatbestandsübergreifende Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Problem der hinreichenden Konkretisierung der zu begehenden Straftat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Problemdiskussion für die Formen der Anstiftung (§§ 26, 30 I StGB) und die Bereitschaftserklärung in Form des Sich-Erbietens (§ 30 II Alt. 1 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Das Erfordernis konkret-individualisierender Tatmerkmale . . (2) Das Erfordernis der wesentlichen Unrechtsdimensionen . . . . (3) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis bb) Problemdiskussion für die Verbrechensverabredung (§ 30 II Alt. 3 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Das Erfordernis der Konkretisierung in wesentlichen Grundzügen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Das Erfordernis „generell relativ konkreter Anforderungen“ (3) Das Erfordernis bloßer tatbestandlicher Zuordenbarkeit . . . . (4) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Problemdiskussion für die öffentliche Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Das Erfordernis der Straftatkennzeichnung nach Art und rechtlichem Wesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Das Erfordernis der konkreteren Angabe von Tatopfer bzw. Tatobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Das Erfordernis der Konkretisierung in wesentlichen Grundzügen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Der Beschluss des OLG Stuttgart vom 26.02.2007 (4 Ss 42/2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Problem der hinreichenden Konkretisierung des Täters der in Aussicht genommenen Tat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erforderlichkeit und Umfang der Problemdiskussion . . . . . . . . . . bb) Die Abgrenzung zwischen Anstiftung (§§ 26, 30 I StGB) und öffentlicher Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB) anhand der angesprochenen Adressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Erforderlichkeit eines zumindest zahlenmäßig überschaubaren bzw. individuell bestimmten Adressatenkreises bei der Anstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Entbehrlichkeit einer Vorstellung vom Haupttäter bei der Anstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Das Verhältnis von Anstiftung (§§ 26, 30 I StGB) und öffentlicher Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB) und deren Abgrenzung voneinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Einzelfragen bezüglich der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Anforderungen an den unbestimmten Personenkreis . . . . (2) Das sukzessive Herbeiführen der Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . (3) Die Anstiftung in den Handlungsformen des § 111 StGB . . . (4) Zur Wahlfeststellung bei Anstiftung und öffentlicher Aufforderung zu Straftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Der Irrtum über die Größe des angesprochenen Personenkreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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309 315 316 321 324 331 340
Inhaltsverzeichnis dd) Die Modifikation der Problemfrage für das Sich-Erbieten (§ 30 II Alt. 1 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassung zur Frage der Ernstlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Formen der Anstiftung (§§ 26, 30 I StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Bereitschaftserklärung (§ 30 II Alt. 1 StGB) . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Annahme eines Sich-Erbietens (§ 30 II Alt. 2 StGB) . . . . . . dd) Die Verbrechensverabredung (§ 30 II Alt. 3 StGB) . . . . . . . . . . . . ee) Die öffentliche Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB) . . . . . . . ff) Die Anleitung oder Aufforderung zur Herstellung verbotener Waffen (§ 52 I Nr. 4 WaffG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung zum Erfordernis des Zugangs der Erklärung . . . . . aa) Die einzelnen Handlungsformen des § 30 StGB . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die öffentliche Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB) . . . . . . . cc) Die Anleitung oder Aufforderung zur Herstellung verbotener Waffen (§ 52 I Nr. 4 WaffG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Anwendung der gefundenen Ergebnisse auf ausgewählte Beispielsfälle . . . . . I. Der Fall des sog. „Arizona Shooting“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Tötungsumfrage in einem Online-Netzwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Anleitung zur Herstellung von Sprengstoff im Webforum . . . . . . . . . . . . 1. Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Verbrechensverabredung im Internetchat – Der Beschluss des BGH vom 16.03.2011 (5 StR 581/10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Ansicht des 5. Strafsenats des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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E. Abschließende Betrachtung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440
Abkürzungsverzeichnis a. A. Abl. a. F. AFP AG Alt. ARD ARPA Art. AT Aufl. BayObLG BGB BGBl. BGH BGHR StGB BGHSt BITKOM BT BT-Drs. BtMG BVerfG bzw. ca. CCC CD-ROM CERN CMS CR c’t ders. d.h.
anderer Ansicht Amtsblatt alte Fassung Agence France-Presse Amtsgericht Alternative Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland Advanced Research Project Agency Artikel Allgemeiner Teil Auflage Bayerisches Oberstes Landesgericht Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt (zitiert nach Band und Jahrgang) Bundesgerichtshof Bundesgerichtshof-Rechtsprechung – Strafsachen (zitiert nach Paragraf, Stichwort und laufender Nummer) Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen (zitiert nach Band) Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V. Besonderer Teil Bundestag-Drucksache Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln Bundesverfassungsgericht beziehungsweise circa Convention on Cybercrime Compact Disc Read-Only Memory European Organization for Nuclear Research Content Management System Computer und Recht (Zeitschrift, zitiert nach Jahrgang) Magazin für Computertechnik (Zeitschrift, zitiert nach Erscheinungsdatum und Jahrgang) derselbe das heißt
Abkürzungsverzeichnis dies. DNS DSL DVD-ROM E-Business E-Commerce EDV E-Government E-Mail etc. EU f. ff. Fn. FS FTP GA GG GMX GPS GRUR-RR h. M. Hrsg. HTML HTTP ICANN i. e. S. IMAP IP IRC i. S. i. S. d. i. S. e. i. S. v. IuKDG i.V. m. i. w. S. JA JMStV JR JURA
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dieselbe Domain Name System Digital Subscriber Lines Digital Versatile Disc Read-Only Memory Electronic Business Electronic Commerce Elektronische Datenverarbeitung Electronic Government Electronic Mail et cetera Europäische Union folgende fortfolgende Fußnote Festschrift File Transfer Protocol Goltdammer’s Archiv für Strafrecht (Zeitschrift, zitiert nach Jahrgang) Grundgesetz Global Message Exchange Global Positioning System Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Rechtsprechungs-Report (Zeitschrift, zitiert nach Jahrgang) herrschende Meinung Herausgeber Hypertext Markup Language Hypertext Transfer Protocol Internet Corporation for Assigned Names And Numbers im engeren Sinn Internet Message Access Protocol Internet Protocol Internet Relay Chat im Sinn im Sinn des/der im Sinn eines/einer im Sinn von Informations- und Kommunikationsdienstegesetz in Verbindung mit im weiteren Sinn Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift, zitiert nach Jahrgang) Jugendmedienschutz-Staatsvertrag Juristische Rundschau (Zeitschrift, zitiert nach Jahrgang) Juristische Ausbildung (Zeitschrift, zitiert nach Jahrgang)
16 JuS JuSchG JZ KG LG LK LPK MK MMR n. F. NJW NJW-RR NK NNTP NPD Nr. NStZ NStZ-RR NZZ o. ä. OLG OLGR OWiG PKS POP3 P2P RAF RdA RGSt Rn. RStGB S. SK SMS SMTP sog. SprengG StGB StrÄndG
Abkürzungsverzeichnis Juristische Schulung (Zeitschrift, zitiert nach Jahrgang) Jugendschutzgesetz Juristenzeitung (Zeitschrift, zitiert nach Jahrgang) Kammergericht Landgericht Leipziger Kommentar Lehr- und Praxiskommentar Münchener Kommentar MultiMedia und Recht (Zeitschrift, zitiert nach Jahrgang) neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift, zitiert nach Jahrgang) Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungsreport (Zeitschrift, zitiert nach Jahrgang) Nomos Kommentar Network News Transfer Protocol Nationaldemokratische Partei Deutschlands Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht (Zeitschrift, zitiert nach Jahrgang) Neue Zeitschrift für Strafrecht Rechtsprechungsreport (Zeitschrift, zitiert nach Jahrgang) Neue Zürcher Zeitung oder ähnlichem/ähnliches Oberlandesgericht Oberlandesgericht-Report (Zeitschrift, seit Ende 2009 nur noch als Online-Publikation) Gesetz über Ordnungswidrigkeiten Polizeiliche Kriminalstatistik Post Office Protocol (in der dritten, aktualisierten Version) Peer to Peer Rote Armee Fraktion Recht der Arbeit (Zeitschrift, zitiert nach Jahrgang) Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen (zitiert nach Band) Randnummer Reichsstrafgesetzbuch Seite Systematischer Kommentar Short Message Service Simple Mail Transfer Protocol sogenannte/sogenanntem/sogenannten/sogenannter/sogenanntes Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe/Sprengstoffgesetz Strafgesetzbuch Strafrechtsänderungsgesetz
Abkürzungsverzeichnis StV taz TCP TDG TMG TNT u. a. UMTS UN UrhG URL US USB USBV VersammlG vgl. Vorbem. WaffG WiKG WLAN WWW z. B. ZDF ZIS ZJS ZStW z. T. ZUM
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Strafverteidiger (Zeitschrift, zitiert nach Jahrgang) Die Tageszeitung Transmission Control Protocol Teledienstegesetz Telemediengesetz Trinitrotoluol unter anderem Universal Mobile Telecommunications System United Nations Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Uniform Resource Locator United States Universal Serial Bus Unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen Gesetz über Versammlungen und Aufzüge vergleiche Vorbemerkung Waffengesetz Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität Wireless Local Area Network World Wide Web zum Beispiel Zweites Deutsches Fernsehen Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik (Zeitschrift, zitiert nach Jahrgang) Zeitschrift für das Juristische Studium (Online-Zeitschrift, zitiert nach Jahrgang) Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft (Zeitschrift, zitiert nach Band und Jahrgang) zum Teil Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (Zeitschrift, zitiert nach Jahrgang)
A. Einleitung I. Anlass und Ziel der Arbeit – allgemeine Darstellung des Problems Weithin wird das Internet als eine der wichtigsten technologischen Errungenschaften des letzten Jahrhunderts angesehen, welche die Möglichkeiten der kommunikativen Interaktion sowie der Informationsverbreitung und -gewinnung revolutioniert hat1. Es finden sich Vergleiche, die das Internet hinsichtlich des technischen Fortschritts und seiner Bedeutung für die Menschheit mit der Erfindung des Buchdrucks2 oder der des Automobils3 gleichsetzen. Tatsächlich hat das Internet – und insbesondere das World Wide Web (WWW)4 – Eingang in nahezu alle Bereiche5 des gesellschaftlichen Lebens gefunden. So ist z. B. die EMail6 eine tatsächliche Alternative zum herkömmlichen Briefversand geworden, kaum ein Print- oder Rundfunkmedienunternehmen verbreitet seine Inhalte nicht auch über eine entsprechende Website7 und mit Internetdiensten wie dem Chat8 oder dem gemeinhin als „Twittern“ bezeichneten Mikroblogging9 wurden darüber hinaus gänzlich neue Mittel der Kommunikation geschaffen. Zudem dient das Internet mittlerweile auch als Übertragungsmedium für weltumspannende Konferenzschaltungen10, Telefonie inklusive Faxversand und -empfang, sowie die Ausstrahlung von Radio- und Fernsehprogrammen11. Da das Internet praktisch niemandem gehört12 und heute nahezu jeder Teil der Welt durch selbiges erschlos1 Vgl. zur heutigen Bedeutung des Internets Ensthaler/Weidert-Lührig, Kapitel 1 Rn. 1 ff. 2 Vgl. Ensthaler/Weidert-Lührig, Kapitel 1 Rn. 2. 3 Vgl. Jofer, S. 10 f. 4 Zur Unterscheidung vom Internet und der besonderen Bedeutung des WWW vgl. unten B.II.2. 5 So u. a. Sieber, Verantwortlichkeit, Rn. 1, der diesbezüglich neben der Bedeutung für Bildung und Wissenschaft auch ausdrücklich auf die Bedeutung des Internets als „zentralen Wirtschaftsfaktor“ hinweist. 6 Vgl. hierzu unten B.II.1.a). 7 Vgl. hierzu unten B.II.2.a). 8 Vgl. hierzu unten B.II.1.d) und B.II.2.f). 9 Vgl. hierzu unten B.II.2.e). 10 Vgl. hierzu unten B.II.2.g). 11 So können z. B. die Programme des Deutschlandfunks, von Deutschlandradio Kultur und von DRadio Wissen im Live-Streaming-Verfahren angehört werden, vgl. unter http://www.dradio.de/ (zuletzt abgerufen am 10.08.2012). 12 Meinel/Sack, S. 2; Preuße, S. 22; Vetter, S. 8.
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A. Einleitung
sen ist13, können Menschen ohne Rücksicht auf räumliche Entfernungen oder territoriale Grenzen miteinander kommunizieren und allein aufgrund eines gemeinsamen Motivs beispielsweise sog. „soziale Netzwerke“ 14 – auch bezeichnet als „Online-Communities“ – bilden. Bereits im Jahr 2008 präsentierten sich neun Millionen Deutsche mit persönlichen Daten und privaten Informationen in derartigen Online-Communities15. Der Anschub, den das Internet dem Wandel hin zur sog. „Informationsgesellschaft“ gegeben hat, findet u. a. in Begriffen wie „E-Commerce“ bzw. „E-Business“ 16 oder „E-Government“ 17 Ausdruck und führte im Jahr 2006 in Deutschland zur Gründung der Piratenpartei Deutschland18. Diese vertritt im Wesentlichen die Interessen der Internetnutzer und ihr gelang es, bei der Europawahl am 07.06.2009 immerhin fast ein Prozent der deutschen Wählerstimmen auf sich zu vereinigen19. Bei der Bundestagswahl am 27.09.2009 waren es dann bereits zwei Prozent der Zweitstimmen20 und bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus am 18.09.2011 sogar schon 8,9 Prozent der Zweitstimmen21, womit der Partei erstmals auch der Einzug in ein deutsches Landesparlament gelungen ist. Der stetige Zuwachs von Internetnutzern wird nicht zuletzt auch durch die Weiterentwicklung der technologischen Infrastrukturen des Netzes22 begünstigt. Immer mehr Menschen können auch im privaten Bereich von hochleistungsfähigen Digital Subscriber Lines (DSL), modernen Übertragungswegen wie dem Wireless Local Area Network (WLAN)23, dem Universal Mobile Telecommunica13 Derzeit nutzen weltweit knapp 2,3 Milliarden Menschen das Internet, vgl. die Statistik des Internet World Stats vom 31.12.2011 unter http://www.internetworldstats. com/stats.htm (zuletzt abgerufen am 10.08.2012). 14 Vgl. hierzu unten B.II.2.i). 15 Vgl. hierzu die BITKOM-Pressemitteilung vom 18.06.2008 unter http://www.bit kom.org/de/presse/56204_52791.aspx (zuletzt abgerufen am 10.08.2012). 16 Bezeichnung für kommerzielle und wirtschaftliche Unternehmensaktivitäten im Internet; vgl. hierzu auch die E-Commerce-Richtlinie der Europäischen Union vom 08.06.2000 unter 2000/31/EG; sowie von Diringshofen, S. 22 ff. 17 Bezeichnung für die im Internet stattfindenden Informations- und Kommunikationsprozesse zwischen Behörden und sonstigen staatlichen Stellen untereinander und zwischen diesen und den Bürgern oder Unternehmen. 18 http://www.piratenpartei.de/ (zuletzt abgerufen am 10.08.2012). 19 Vgl. hierzu die Statistik des Bundeswahlleiters unter http://www.bundeswahl leiter.de/de/europawahlen/EU_BUND_09/ergebnisse/bundesergebnisse/ (zuletzt abgerufen am 10.08.2012). 20 Vgl. hierzu die Statistik des Bundeswahlleiters unter http://www.bundeswahl leiter.de/de/bundestagswahlen/ BTW_BUND_09/ergebnisse/bundesergebnisse/index. html (zuletzt abgerufen am 10.08.2012). 21 Vgl. hierzu die Statistik der Landeswahlleiterin von Berlin unter http://www. wahlen-berlin.de/wahlen/BE2011/ergebnis/karten/zweitstimmen/ErgebnisUeberblick. asp?sel1=1052&sel2=0651 (zuletzt abgerufen am 10.08.2012). 22 Hierzu eingehend Bleich, c’t Magazin 7/2005 vom 21.03.2005, 88. 23 Hierzu ausführlich Meinel/Sack, S. 358 ff.
I. Anlass und Ziel der Arbeit
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tions System (UMTS) oder dem Gigabit-Ethernet-Standard24, sowie beständig sinkenden Tarifen, z. B. sog. „Internet-Flatrates“, der Telekommunikationsanbieter profitieren25. Allein in Deutschland hatten im Jahr 2011 mehr als 73 Prozent der Bevölkerung Zugang zum Internet26. Nachdem dem Internet im heutigen Alltag der meisten Menschen also ein derart hoher Stellenwert zukommt, kann es keineswegs überraschen, dass selbiges auch für kriminelle Zwecke eingesetzt wird bzw. auch als (virtueller) Raum zur Begehung von Straftaten dient. Die hierbei zutage tretende Bandbreite strafbarer Handlungen ist durchaus beachtlich und umfasst „klassische“ Straftaten (z. B. Beleidigungsdelikte, Betrugstaten) ebenso wie Kriminalität im Zusammenhang mit Medien (z. B. Zugänglichmachung verbotener pornografischer oder verfassungsfeindlicher Inhalte, Verletzung von Urheberrechten) und neue, computerund/oder internetspezifische Delikte (z. B. Datenausspähungen und/oder -veränderungen, Computersabotage oder sonstige Angriffe auf fremde Computersysteme). Aufgrund ihres Kommunikationsbezugs „qua Tatbestand“ spielen hier nicht zuletzt aber auch diejenigen Straftaten eine bedeutende Rolle, die das Veranlassen fremder Straftaten zum Gegenstand haben, indem zu deren Begehung aufgefordert, eine Anleitung erteilt oder eine entsprechende Vereinbarung getroffen wird27. So war die Rechtsprechung z. B. schon im Jahr 1998 mit einem Fall befasst, bei dem eine Anleitung zum Herstellen von Brandsätzen anderen im Internet zugänglich gemacht wurde28. Auch musste bereits mehrfach gerichtlich geklärt werden, ob über entsprechende Kommunikationsplattformen im Internet öffentlich zur Begehung (möglicherweise) strafbarer Handlungen (z. B. Sachbeschädigungen oder Tötungen) aufgerufen wurde29. Dass zu § 91 StGB, der es u. a. unter Strafe stellt, Anleitungen zur Begehung schwerer staatsgefährdender Gewalttaten anzupreisen oder anderen Personen zugänglich zu machen, derzeit noch keine Entscheidung der Rechtsprechung vorliegt, muss in erster Linie auf die noch recht kurze Geltungsdauer der Norm, die erst im August 2009 in Kraft getreten ist, zurückgeführt werden. Hinzu kommt, dass der thematische Anwen24
Hierzu ebenfalls Meinel/Sack, S. 272 ff. So Bleich, c’t Magazin 7/2005 vom 21.03.2005, 88; sowie die BITKOM-Pressemitteilungen vom 25.02.2009 unter http://www.bitkom.org/de/presse/8477_57911.aspx und vom 18.03.2009 unter http://www.bitkom.org/de/presse/8477_58386.aspx (jeweils zuletzt abgerufen am 10.08.2012); ferner auch Ensthaler/Weidert-Lührig, Kapitel 1 Rn. 3. 26 Vgl. hierzu die ARD/ZDF-Onlinestudie 2011 unter http://www.ard-zdf-online studie.de/ (zuletzt abgerufen am 10.08.2012). 27 Hierzu ausführlich B. Heinrich, FS Heinz 2012, S. 728 (732 ff., 736 ff.). 28 Vgl. BayObLG NJW 1998, 1087. 29 Vgl. diesbezüglich BGH MMR 1999, 29; OLG Hamm NJW-RR 2010, 189; OLG Hamm NStZ 2010, 452; OLG Oldenburg NStZ 2007, 99; OLG Stuttgart MMR 2007, 434. Zu einem aktuellen Fall aus dem Jahr 2012 auch Schulte/Kanz, ZJS 2013, 24. 25
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A. Einleitung
dungsbereich der Norm im Bereich der Terrorismusbekämpfung liegt und dieser somit keineswegs ein solcher ist, welcher sich der alltäglichen bzw. einfachen Kriminalität zuordnen lässt, so dass dementsprechend von vornherein schon von einer eher überschaubaren Fallzahl auszugehen sein wird30. Schließlich erlangte in der jüngsten Vergangenheit ein Fall die Aufmerksamkeit von Rechtsprechung31 und Literatur32, bei dem eine Verbrechensverabredung (§ 30 II Alt. 3 StGB)33 zwischen zwei Nutzern eines Webchats erfolgte. Während der Inhalt der Verabredung hier ohne Weiteres für die Annahme einer strafbaren Verbrechensverabredung ausgereicht hätte, war höchst fraglich, ob die beiden Verabredungsbeteiligten auch tatsächlich über einen hinreichenden Vorsatz für eine solche Verabredung verfügten, denn diese waren sich lediglich mit ihren Fantasienamen, die sie im Chatroom angenommen hatten, bekannt, konnten sich aber sonst, mangels weiterer personenbezogener Merkmale, nicht gegenseitig identifizieren. Aufgrund dieser Anonymität kamen nun aber berechtigte Zweifel an einem jeweils hinreichenden Vorsatz auf, denn zu keinem Zeitpunkt musste einer der beiden Beteiligten befürchten, dass es ernst würde, weil er ja für seinen vermeintlichen Komplizen zu keinem Zeitpunkt nach dem Chat mehr bzw. wieder auffindbar war. Gerade der zuletzt angesprochene Fall führt deutlich vor Augen, dass die Nutzung von Internetkommunikationsmitteln (Chatroom) mitunter zu völlig neuen Situationen (gesprächsartige Kommunikation unter vollständig aufrechterhaltener Anonymität) führen kann, die es ihrerseits wiederum erforderlich machen, die betreffenden Tatbestandsmerkmale (Vorsatz zur Verbrechensverabredung) entsprechend spezifisch auszulegen. Als internetspezifische Besonderheiten hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang vor allem: die einfache, zumeist sogar intuitive Benutzbarkeit der meisten Kommunikationsangebote und Anwendungsprogramme i.V. m. der regelmäßigen Entbehrlichkeit etwaiger besonderer technischer Voraussetzungen; die ständige Verfügbarkeit/Zugänglichkeit der erforderlichen technischen Infrastruktur; die aus der praktisch weltweiten Zugänglichkeit folgende Unabhängigkeit von Handlungs- und Erfolgsort; die aus der Möglichkeit anonymen Auftretens (z. B. durch die Verwendung von Scheinidentitäten oder falschen Daten, die Nutzung öffentlicher Internetzugänge, die häufig fehlende Verifizierung angegebener Nutzerdaten) resultierende Absenkung der psychischen Hemmschwelle hinsichtlich der Zugänglichmachung problematischer bzw. strafbarer Inhalte; die enorm große Vielfalt von verfügbaren Inhalten i.V. m. meist unaufwendiger Auffindbarkeit (z. B. durch die Nutzung von Suchmaschi-
30
Vgl. zu § 91 StGB noch ausführlich unten C.V.2.h). Vgl. BGH NStZ 2011, 570. 32 Vgl. MK-Joecks, § 30 Rn. 65; Reinbacher, NStZ-RR 2012, 41; Weigend, NStZ 2011, 572. 33 Vgl. hierzu auch noch unten C.V.2.e). 31
II. Konkretisierung des Untersuchungsgegenstands
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nen); die im Vergleich zur realen Welt geringere Kontrollierbarkeit von Inhalten aufgrund der großen Anzahl verschiedener (Eigen)Publikationsmöglichkeiten (z. B. selbst erstellte Websites). Da es – wie zuvor aufgezeigt – im Zuge der Fortentwicklung der Internetkommunikation bereits in der Vergangenheit zu verschiedenen neuen Erscheinungsformen hinsichtlich der Veranlassung fremder Straftaten kam, diesbezüglich aber zugleich keine neuen, internetspezifischen Sondertatbestände geschaffen worden sind, stellt sich die Frage, ob das de lege lata verfügbare Normeninstrumentarium – bestehend aus den Tatbeständen des AT (§§ 26, 30 StGB), des BT (§§ 91, 111, 130a StGB) sowie des Nebenstrafrechts (§ 52 I Nr. 4 WaffG) – (noch) ausreichend und passend ist, um internetspezifische Sachverhalte im Bereich des Verabredens, Aufforderns und Anleitens zur Begehung von Straftaten hinreichend erfassen zu können. Die zuvor benannten, bei der Kommunikation im Internet in Erscheinung tretenden Besonderheiten machen eine entsprechende Untersuchung damit erforderlich.
II. Konkretisierung des Untersuchungsgegenstands Da dem Internet bzw. dessen Kommunikationsmöglichkeiten auch im Hinblick auf die Begehung von Straftaten eine immer größere Bedeutung zukommt und heutzutage eine Vielzahl von Delikten in diesem virtuellen Raum realisiert wird, ist es gleich zu Beginn erforderlich, den Rahmen der Untersuchung eindeutig festzulegen. So soll die folgende Untersuchung auf die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts hinsichtlich des Veranlassens fremder Straftaten durch die Tathandlungen des Verabredens, Aufforderns und Anleitens beschränkt werden. Diesbezüglich treten zunächst die Formen der Anstiftung (§§ 26, 30 I StGB), die verschiedenen Alternativen einer Verbrechensvereinbarung (§ 30 II StGB) und die öffentliche Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB) auf den Plan. Daneben werden in diesem Kontext aber auch die Straftatbestände der Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 91 StGB), der Anleitung zu Straftaten (§ 130a StGB) sowie der Anleitung oder Aufforderung zur Herstellung verbotener Waffen (§ 52 I Nr. 4 WaffG) zu berücksichtigen sein. Neben den vorliegend zu beachtenden Tathandlungen und Delikten, bestehen vielfältige weitere Problemfelder im Bereich der Kriminalität mit Internetbezug. Jedoch wird eine allumfassende, sämtliche Aspekte eines strafrechtlich relevanten Internetkommunikationsvorgangs berücksichtigende Betrachtung im Rahmen und Umfang einer einzigen Dissertation kaum geleistet werden können. Die Komplexität eines Kommunikationsvorgangs im Internet bringt es mit sich, dass hierbei verschiedene rechtliche Problemfelder berührt werden und sich verschiedene strafrechtlich relevante Bereiche überschneiden können. Um dies zu verdeutlichen kann man sich beispielsweise vorstellen, dass ein Nutzer in einem öffentlichen Forum dazu aufruft, einen Sprengstoffanschlag auf das Gebäude ei-
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A. Einleitung
nes deutschen Ministeriums zu begehen und er dabei zugleich – um die Tatbegehung zu erleichtern – einen zuvor abfotografierten und digitalisierten Ausschnitt aus einem Stadtplan dort bereitstellt. Obwohl es sich bei der vorangehend beschriebenen Situation um einen einheitlichen Vorgang handelt, kommt hier nicht nur eine Strafbarkeit nach dem StGB allein wegen der öffentlichen Aufforderung zu dem Anschlag, sondern auch eine solche nach § 106 UrhG wegen einer Verletzung der Urheber- bzw. Verwertungsrechte durch die Vervielfältigung (Bereitstellung im Forum) des Stadtplans in Betracht. Handelte der Täter hier zudem vom Ausland aus, stellt sich des Weiteren die Frage, ob das deutsche Strafrecht überhaupt zur Anwendung gebracht werden kann. Unterlässt es schließlich der Anbieter/Betreiber des Forums, den betreffenden Beitrag nach entsprechender Kenntnisnahme aus dem Forum zu löschen, ist auch nach dessen möglicher (Mit)Verantwortung hinsichtlich der von dem Nutzer begangenen Straftaten zu fragen. Anhand dieses kleinen Beispiels wird deutlich, dass im Zuge einer einheitlichen Kommunikationshandlung im Internet bereits verschiedenste strafrechtlich relevante Rechtsgebiete – wie hier das Kernstrafrecht des StGB, das Nebenstrafrecht des UrhG, das Strafanwendungsrecht des StGB sowie die medienrechtlichen Regelungen über die Verantwortlichkeit von Diensteanbietern im Internet – Bedeutung erlangen können. Über die materiellrechtlichen Bezugspunkte hinaus sind es aber auch prozessrechtliche Fragen, die speziell im Hinblick auf das Internet relevant werden, denn so, wie das Internet als Instrument zur Begehung von Straftaten bzw. dessen Kommunikationsmöglichkeiten/-angebote als virtuelle Räume für kriminelle Handlungen genutzt werden, findet auf der anderen Seite auch eine Nutzung zum Zweck der Straftatenermittlung und -verfolgung statt. So gibt es heute beispielsweise öffentliche Fahndungen sowie verdeckte Ermittlungen u. a. auch in den sozialen Netzwerken und die Beschaffung von Beweismitteln kann mittels einer sog. „Online-Durchsuchung“ erfolgen. Im Unterschied beispielsweise zur Providerhaftung, der Strafbarkeit des Setzens von Hyperlinks oder auch des Strafanwendungsrechts, ist zur Begehung der strafbaren Vorfeldhandlungen des Verabredens, Aufforderns und Anleitens im Internet noch kein umfangreiches Schrifttum vorhanden. Gleichwohl handelt es sich hierbei um einen thematisch eigenständigen Komplex, der aus dem gesamten rechtlichen Umfeld, das hinsichtlich einer Internetkommunikation Relevanz erlangen kann, herausgenommen und einer isolierten Betrachtung unterzogen werden kann.
III. Gang und Methode der Arbeit Nachdem nunmehr die Notwendigkeit der geplanten Untersuchung aufgezeigt werden konnte, scheint es für die den Schwerpunkt bildende rechtliche Analyse bzw. deren Verständnis unabdingbar, zunächst – ohne dabei jedoch zu sehr in die
III. Gang und Methode der Arbeit
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Tiefen der Informationstechnologie vordringen zu wollen – einen Überblick über die grundlegende technische Funktionsweise der Datenübertragung im Internet34 zu geben sowie im Anschluss daran auf die wichtigsten bzw. am häufigsten in der Praxis genutzten Kommunikationsmittel und -möglichkeiten im Einzelnen35 einzugehen. Hierbei wird es insbesondere gelten, die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den jeweiligen Kommunikationsmitteln herauszustellen, um anhand bestimmter, für die vorliegende Fragestellung geeigneter Differenzierungskriterien36 die spätere strafrechtliche Bewertung von Kommunikationshandlungen möglichst effektiv gestalten zu können. Im Anschluss an die technischen Grundlagen soll ein Verständnis dafür geschaffen werden, unter welchen Umständen sich kommunikationsbezogene Handlungen überhaupt als strafbar erweisen können. Diesbezüglich wird zunächst der Versuch unternommen werden, eine geeignete wissenschaftliche Definition für den Vorgang der Kommunikation zu finden37, um den Begriff im Folgenden nicht nur allgemeinsprachlich und damit gleichermaßen unspezifisch zu verwenden, sondern diesen – insbesondere bei der später in den Schwerpunkten der Arbeit vorzunehmenden rechtlichen Analyse – erforderlichenfalls auch an eindeutigen Merkmalen festmachen zu können. Für einen weiteren Überblick über die wichtigsten kommunikationsbezogenen strafrechtlichen Tatbestände wird sodann allgemein auf die betreffenden Normen des AT des StGB38 sowie die diesbezüglich vor allem in Betracht kommenden Gruppen der Äußerungs-39 und der Verbreitungsdelikte40 eingegangen werden. Aufbauend auf einem Fundament aus technischen Grundlagen und einem Überblick über die im Rahmen strafbarer Kommunikationshandlungen primär relevanten Tatbestände wird ein erster Schwerpunkt der Arbeit auf die dezidierte Auseinandersetzung mit denjenigen Normen gelegt werden, welche das Verabreden, Auffordern und Anleiten anderer zur Begehung eigener Straftaten de lege lata sanktionieren41. Hierbei wird es darauf ankommen, die betreffenden Normen (§§ 26, 30, 91, 111, 130a StGB, § 52 I Nr. 4 WaffG) nicht nur jeweils anhand ihrer Tatbestandsmerkmale darzustellen. Vielmehr soll gemäß der vorliegenden Aufgabenstellung das besondere Augenmerk zugleich auf internetspezifische Sachverhalte und Konstellationen gerichtet und dementsprechend analysiert werden, ob und wie die Verwirklichung einzelner Tatbestandsmerkmale bei der Nut34 35 36 37 38 39 40 41
Vgl. unten B.I.2. Vgl. unten B.II. Vgl. unten B.III. Vgl. unten C.I. Vgl. unten C.II. Vgl. unten C.III. Vgl. unten C.IV. Vgl. unten C.V.2.
26
A. Einleitung
zung von Internetkommunikationsmitteln möglich ist. Zudem wird im Rahmen dieser dezidiert normenspezifischen Betrachtung auch zu relevanten tatbestandsbezogenen Streit- und Problemfragen Stellung zu nehmen sein und es werden die Konsequenzen der jeweils gefundenen Entscheidung bzw. Lösung im Hinblick auf internetbezogene Sachverhalte darzustellen sein. Das Ziel des ersten Schwerpunkts der Arbeit besteht also darin, die tatbestandsbezogene Anwendbarkeit der relevanten Normen im Einzelnen zu überprüfen und sich diesbezüglich eventuell stellende Probleme aufzuzeigen. Nachdem im ersten Schwerpunkt der Arbeit somit eine separate Betrachtung der für das Verabreden, Auffordern und Anleiten zur Begehung von Straftaten relevanten Tatbestände mit besonderem Hinblick auf deren Verwirklichung bei der Nutzung von Kommunikationsmitteln des Internets erfolgen wird, wird ein weiterer Schwerpunkt solchen Tatbestandsmerkmalen gewidmet werden, die eine Bedeutung für die Abgrenzung der (zuvor untersuchten) Einzeltatbestände voneinander besitzen42. Die hier – wiederum unter besonderer Berücksichtigung internetrelevanter Konstellationen – zu behandelnden Tatbestandsmerkmale und Problemfragen haben aufgrund ihrer über die Einzelnorm hinausgehenden Bedeutung praktisch eine zentrale Funktion im System der Veranlassung fremder Straftaten durch das Verabreden, Auffordern oder Anleiten zu selbigen. Bereits ein flüchtiger Vergleich der vorab benannten Normen lässt erkennen, dass es für die Tatbestandsverwirklichung beispielsweise entscheidend sein kann, ob die betreffende Kommunikationshandlung öffentlich bzw. nicht öffentlich erfolgt43. Die im Hinblick auf die tatbestandsübergreifenden und abgrenzungsrelevanten Merkmale bestehenden Problemfragen und Streitstände werden daher umfassend dargestellt und diskutiert werden müssen, denn nur wenn die systemrelevanten „Weichenstellungen“ erfolgt sind, werden auch die Fälle, in denen problematisch erscheinende Kommunikationshandlungen im Internet stattfinden, umfassend juristisch bewertet werden können. Entsprechend umfassenden juristischen Bewertungen ist dann schließlich auch der letzte Schwerpunkt der Arbeit zu widmen44. Hier wird es darum gehen, die zuvor im Rahmen der ausführlichen Untersuchung von Einzeltatbeständen sowie tatbestandsübergreifenden, abgrenzungsrelevanten Merkmalen gewonnen Erkenntnisse auf konkrete Sachverhalte mit einschlägigem Internetbezug anzuwenden. So sollen die vorangehenden theoretischen Erörterungen, die für sich jeweils zwar auch über veranschaulichende Beispiele verfügen werden, mit „Leben“ gefüllt und damit zugleich auch die hohe praktische Relevanz der vorliegenden Arbeit unter Beweis gestellt werden.
42 43 44
Vgl. unten C.V.3.a) und C.V.3.b). Vgl. unten C.V.3.b). Vgl. unten D.
B. Die Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten des Internets I. Die Entwicklung und Funktionsweise des Internets 1. Die Entstehung und Entwicklung des Internets Als das „Internet“ bezeichnet man heute den weltumspannenden Verbund sämtlicher Netzwerke und Computer, welche über entsprechende Datenleitungen zum Zweck des Informationsaustauschs und der Kommunikation miteinander in Kontakt treten können und dazu die einheitlichen, international gültigen Übertragungsstandards des Transmission Control Protocol (TCP) und des Internet Protocol (IP) verwenden1. Wie eine Vielzahl technischer Innovationen, man denke z. B. an die satellitengestützte Navigationstechnologie des Global Positioning Systems (GPS), liegt auch der Ursprung des Internets im militärischen Bereich2. In den 1960er Jahren war es Ziel des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums, ein auf Computertechnik basierendes Kommunikationssystem zu schaffen, welches erstmals mit dezentralen Organisationsstrukturen und Verbreitungswegen arbeiten sollte. Hintergrund dieser Idee war es, über ein gegenüber äußeren Angriffen weitgehend unanfälliges Kommunikationssystem zu verfügen. Während bisherige Computerkommunikationssysteme von einem einzigen zentralen Rechner direkt gesteuert wurden und damit vollständig von diesem abhängig waren, sollte das neue Arpanet3 aus einer Vielzahl miteinander vernetzter gleichrangiger Rechner bestehen. Eine weitere technische Neuerung sollte zudem darin bestehen, dass die über dieses Netzwerk zu versendenden Daten und Informationen nicht als eine Einheit, sondern zerlegt in mehrere Teile versendet und erst am Empfangscomputer wieder zu einer einheitlichen Nachricht zusammengesetzt werden sollten. Auch dies sollte das neue System angriffsresistent und übertragungssicher machen. Durch die praktische Nutzung des Arpanets ab dem Ende der 1960er Jahre wurden somit Charakteristika etabliert, welche grundlegend für das Internet auch in seiner heutigen Form sind4. 1
Zur Begriffsbestimmung vgl. u. a. Preuße, S. 18 ff.; P. Tiedemann, S. 3; Vetter, S. 7 f. Zur Entstehung des Internets vgl. Ensthaler/Weidert-Lührig, Kapitel 1 Rn. 4 ff.; Meinel/Sack, S. 25 ff. 3 Benannt nach der entsprechenden Abteilung des US-Verteidigungsministeriums, der Advanced Research Project Agency. 4 Zur technischen Funktionsweise der Datenübertragung im Internet vgl. unten B.I.2. 2
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B. Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten des Internets
Im Laufe der 1970er Jahre wuchs das Arpanet dann durch den Ausbau seiner Infrastruktur stark an5. Zudem wurde im Jahr 1982 das TCP/IP als einheitlicher Kommunikationsstandard für Computernetzwerke eingeführt. Nachdem immer mehr lokale Netzwerke diesen neuen Kommunikationsstandard verwendeten und dadurch kompatibel zueinander wurden, war es möglich, selbige über die Strukturen des Arpanets zu einem globalen Netz zu verbinden. Dieser Entwicklungstrend setzte sich fort, es schlossen sich immer mehr lokale Netzwerke dem Verbund an und das zukünftig als Internet zu bezeichnende Verbundsystem erhielt so seine ersten Konturen. Nachdem es im Jahr 1983 zu einer Aufteilung und Neuzuordnung des Arpanets zum Bereich der Wissenschaft und Forschung kam, wird von dem Zeitraum 1983/1984 auch als der Geburtsstunde des Internets als dem „Netz der Netze“ 6 gesprochen. Im Jahr 1990 ging das Arpanet dann endgültig und vollständig in dem neuen Internet auf. Insbesondere ab Mitte der 1990er Jahre fand das Internet umfangreiche Verbreitung, weil die Nutzungsmöglichkeiten und der Bedienungskomfort zunahmen. Hiernach war das Internet dann auf Dauer nicht mehr nur als ausschließliches und nichtkommerzielles Wissenschaftsmedium haltbar. Um auch den Ansprüchen der Gesellschaft und der Wirtschaft gerecht zu werden, wurde das Internet im Jahr 1995 von der US-amerikanischen Regierung schließlich vollständig für die kommerzielle Nutzung frei gegeben und der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt. 2. Die technische Funktionsweise der Datenübertragung im Internet Für die in der vorliegenden Arbeit zu untersuchende juristische Problematik ist es nicht erforderlich – und auch vom Umfang her nicht möglich – die technische Funktionsweise des Internets erschöpfend zu erörtern und in sämtlichen Einzelheiten darzustellen7. Auch haben technologische Details wie z. B. die jeweils verwendeten Programmiersprachen oder Übertragungsprotokolle keinen Einfluss auf die im Rahmen der strafrechtlichen Analyse zu untersuchenden Handlungen. Dennoch soll an dieser Stelle ein kurzer Überblick über die grundlegende Struktur des Internets und die Wesensmerkmale der Datenübertragung gegeben werden, um ein Grundverständnis für die entsprechenden technischen Vorgänge zu vermitteln.
5 So stieg z. B. die Zahl von nur vier Vermittlungsknotenpunkten im Jahr 1969 bis zum Jahr 1973 auf 37 an; Busse-Muskala, S. 7; Meinel/Sack, S. 27. 6 So z. B. Ensthaler/Weidert-Lührig, Kapitel 1 Rn. 7; Kudlich, JA 2000, 227 (227 Fn. 1); Meinel/Sack, S. 1 f.; Sieber, JZ 1996, 429 (431); Vetter, S. 8. 7 Hierzu findet sich eine ausführliche Darstellung im Rahmen einer juristischen Dissertation bei Germann, S. 56 ff.
I. Entwicklung und Funktionsweise des Internets
29
Wie schon oben angesprochen, ist das Internet als globaler Verbund unzähliger lokaler Netzwerke und Einzelrechner mittels entsprechender Datenleitungen zu verstehen. Die für die Internetkommunikation und den Datenaustausch eingesetzten Computer erfüllen dabei unterschiedliche Funktionen. So gibt es Rechner, auf denen Daten gespeichert, Internetdienste bereitgestellt und für andere Nutzer verfügbar gemacht werden können. Diese Computer werden allgemein als „Server“ bezeichnet und in der Regel von sog. „Internet-Service-Providern“ 8, wie z. B. T-Online9 (von der Deutschen Telekom) oder Kabel Deutschland10, betrieben11. Zwar nicht zwingend, in der Praxis jedoch häufig, übernimmt der Internet-Service-Provider innerhalb seines Leistungsprogramms zugleich auch die Funktion eines sog. „Access-Providers“, dessen Aufgabe es ist, dem Nutzer den Zugang zum Internet zu ermöglichen12. Darüber hinaus muss jeder Internetnutzer über ein entsprechendes internetfähiges Endgerät (z. B. einen entsprechenden Computer), den sog. „Client“, verfügen, um selbst am Datenaustausch über das Internet teilnehmen zu können13. Die Interaktion bzw. die Verbindung zwischen Client und Server, auch als sog. „Client-Server-Modell“ 14 bezeichnet, ist von zentraler Bedeutung für die Datenübertragung im (und somit auch für die Kommunikation über das) Internet. Die lokalen Netzwerke – d.h. Zusammenschlüsse von Rechnern und gegebenenfalls weiteren technischen Komponenten, die in ihrer räumlichen Ausdehnung begrenzt sind und beispielsweise in Privathaushalten zum Einsatz kommen können – sind wiederum über sog. „Gateways“ an das Internet angeschlossen. Diese Computer fungieren praktisch als Schnittstellen zwischen lokalen bzw. internen Netzwerken und dem Internet15. Schließlich bedarf es Verbindungspunkten, welche die Datenleitungen des Internets miteinander verknüpfen und von denen die Daten zum jeweils nächsten Verbindungspunkt weitergeleitet werden. Die als solche Knotenpunkte fungierenden Geräte sind die sog. „Router“ 16. Da gemäß der Natur des Internets, als dezentrales dynamisches System17, eine zentrale Verwaltungsstelle nicht existiert, kann auch nicht exakt gesagt werden, wie viele Computer zu einem bestimmten Zeitpunkt an das Internet angeschlossen sind. Allerdings ist eine Identifikation der angeschlossenen Com8
Preuße, S. 28 ff.; Römer, S. 27 f.; Sieber, JZ 1996, 429 (434). http://www.t-online.de/ (zuletzt abgerufen am 10.08.2012). 10 http://www.kabeldeutschland.de/ (zuletzt abgerufen am 10.08.2012). 11 Eine Beschreibung bzw. Charakterisierung der verschiedenen Arten von Providern sowie eine entsprechende Zuordnung der keineswegs einheitlich verwendeten Bezeichnungen findet sich bei Busse-Muskala, S. 10 ff. 12 Preuße, S. 30. 13 Meinel/Sack, S. 2; P. Tiedemann, S. 3. 14 Hierzu Meinel/Sack, S. 575 ff.; Sieber, Verantwortlichkeit, Rn. 17. 15 Hierzu Sieber, Verantwortlichkeit, Rn. 21. 16 Hierzu Sieber, Verantwortlichkeit, Rn. 20. 17 Ensthaler/Weidert-Lührig, Kapitel 1 Rn. 6; Malek, Rn. 21; Römer, S. 23 f.; Vetter, S. 9. 9
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B. Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten des Internets
puter anhand der jeweiligen IP-Adresse möglich. Besteht der Internetanschluss jedoch nicht für einen einzelnen Rechner allein, sondern für ein lokales Netzwerk aus mehreren Rechnern, ist es möglich, dass die IP-Adresse lediglich dem Netzwerk zugewiesen wird. Dies wiederum kann zur Folge haben, dass der einzelne an dem lokalen Netzwerk angeschlossene Rechner außerhalb dieses Netzwerks nicht als solcher über die IP-Adresse identifizierbar ist und somit ein gewisser Anonymisierungseffekt eintritt. Grundsätzlich erforderlich ist, dass die Information bzw. der jeweilige gedankliche Inhalt einer Nachricht vor der Übertragung digitalisiert, also in Dateiform umgewandelt wird. Wie schon bei dem früheren Arpanet18, basiert die Übertragung einer solchen Datei auf der Grundidee, dass selbige nicht als Einheit, sondern aufgeteilt auf mehrere Datenteilpakete versendet und erst am Rechner des Adressaten wieder zusammengesetzt wird19. Wesentlich für das Aufteilen einer Datei und das spätere Zusammensetzen der Teilpakete ist die Verwendung entsprechender Software20, welche mit den einheitlichen Standards des TCP/IP 21 arbeitet. Die entsprechende Software auf dem Rechner des Versenders legt mittels des TCP fest, in wie viele Teilpakete die ursprüngliche Datei zerlegt werden soll und wie diese später wieder zu einer Einheit zu verbinden sind. Hierzu erhält jedes Teilpaket eine eigene Sequenznummer. Zudem wird unter Verwendung des IP jedes Teilpaket auch mit einer Quellen- und einer Zieladresse gekennzeichnet22. Dies sind die bereits oben angesprochenen IP-Adressen. Eine solche IP-Adresse dient der eindeutigen Bezeichnung und wird daher individuell an jeden an das Internet angeschlossenen Computer (z. B. das von einem Nutzer verwendete Endgerät oder auch einen Server) vergeben23. Hierbei kommen sowohl statische als auch dynamische IP-Adressen zum Einsatz. Als „statisch“ werden solche IPAdressen bezeichnet, die lediglich einmal und dauerhaft an einen bestimmten Internetanschluss vergeben werden. Häufiger erfolgt die Zuweisung einer IPAdresse an einen bestimmten Anschluss durch den Provider jedoch nur für den
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Vgl. dazu bereits zuvor B.I.1. Hierzu – insbesondere hinsichtlich der Vor- und Nachteile – Meinel/Sack, S. 205 ff.; außerdem auch Sieber, Verantwortlichkeit, Rn. 46. 20 Sammelbezeichnung für sämtliche Datenverarbeitungsprogramme und die dazugehörigen Daten. 21 Ausführlich zum TCP/IP auch Meinel/Sack, S. 247 ff.; Sieber, Verantwortlichkeit, Rn. 38 ff.; zusammenfassend Malek, Rn. 24. 22 Hierzu ausführlich Germann, S. 61 ff.; wiederum zusammenfassend Malek, Rn. 25. 23 Die für die Vergabe der IP-Adressen zuständige Organisation ist die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN); vgl. hierzu ausführlich Kleinwächter, MMR 1999, 452; erwähnt auch bei Ensthaler/Weidert-Lührig, Kapitel 1 Rn. 10. 19
I. Entwicklung und Funktionsweise des Internets
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Zeitraum der bestehenden Verbindung mit dem Internet, so dass die IP-Adresse nach dem Verbindungsabbau einem anderen Anschluss zugewiesen wird. Eine solche IP-Adresse wird deswegen auch als „dynamisch“ bezeichnet. Da keine IPAdresse zur gleichen Zeit mehrfach vergeben wird, ist es möglich, einen bestimmten, an das Internet angeschlossenen Computer genauestens zu identifizieren. Die Verwendung dynamischer IP-Adressen führt im Hinblick auf die Verfolgung von Straftaten allerdings zu der Konsequenz, dass nicht nur die IP-Adresse, sondern auch der betreffende Zeitpunkt der Tathandlung sekundengenau festgestellt werden muss, um dem verdächtigen Nutzer die Tatbegehung nachweisen zu können. Die regelmäßig aus einem Code von 32 oder 128 Zahlen24, sog. „Bits“ 25, bestehenden IP-Adressen, sind für Menschen jedoch nur schwer zu merken bzw. einem konkreten Computer im Internet zuzuordnen. Zur benutzerfreundlichen Handhabung werden diese daher standardmäßig in einen sog. „Hostname“ übersetzt, der wiederum zu einer sog. „Domain“ 26 gehört. Hierfür wurde das Domain Name System (DNS)27 entwickelt, unter dessen Anwendung spezielle Rechner (DNS-Server) die Umwandlung zwischen IP-Adresse und Domain vornehmen. Nachdem die Datenteilpakete vom Rechner des Versenders abgeschickt wurden und über einen Provider in das Internet gelangt sind, treffen diese auf ihrem Weg durch die Datenleitungen zwangsläufig auf einen Knotenpunkt, nämlich einen Router. Die ebenfalls mit dem einheitlichen IP-Standard arbeitenden RouterRechner können die Datenteilpakete aufgrund der angegebenen Ziel-IP-Adresse von einem Knotenpunkt zum nächsten bis hin zum Rechner des Empfängers weiterleiten28, im Fall eines Zustellungshindernisses versuchen, einen alternativen Weg zu finden oder auch eine Fehlermeldung an den Absender erstatten. Daher ist es keineswegs zwingend, dass die Datenpakete dieselbe Route durch das Internet nehmen. Gleichwohl werden die Datenpakete praktisch dennoch häufig denselben, nämlich topologisch kürzesten, Weg nehmen.
24 Die Anzahl der Zahlen richtet sich je nach der verwendeten IP-Version. So besteht eine IP-Adresse bei IP-Version 4 aus 32 und bei IP-Version 6 aus 128 Zeichen. 25 Bezeichnung für Binärziffern, als die kleinsten digitalen Einheiten, auf denen die gesamte Digitaltechnik basiert. Vgl. auch ausführlich zu Formen und Beispielen der Codierung Schneider, MMR 2004, 18. 26 Ein Beispiel für eine solche Domain ist „www.rewi.hu-berlin.de“ als Adresse der WWW-Präsenz der juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin. Hierzu auch Busse-Muskala, S. 8 f.; Jofer, S. 17 f.; Sieber, Verantwortlichkeit, Rn. 47. 27 Hierzu ausführlich Meinel/Sack, S. 578 ff. 28 Dieser Vorgang wird auch als „Routing“ bezeichnet; hierzu Germann, S. 64 f.; Meinel/Sack, S. 389; Sieber, Verantwortlichkeit, Rn. 48 f.; sowie zu speziellen Routingverfahren Meinel/Sack, S. 405 ff.
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B. Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten des Internets
II. Die relevanten Kommunikationsund Informationsmöglichkeiten im Einzelnen Das Internet stellt eine Vielzahl von Möglichkeiten zur kommunikativen Interaktion und Informationsverbreitung bereit. Im Hinblick auf die Untersuchung der Strafbarkeit von Verabredungs-, Aufforderungs- und Anleitungshandlungen im Internet ist es erforderlich, sich zunächst einen Überblick über die hierfür relevanten Kommunikationsmittel zu verschaffen. Sind die Funktionen und Eigenheiten der jeweiligen Internetkommunikationsmittel bekannt, kann auch die strafrechtliche Beurteilung entsprechender Handlungen29 besser nachvollzogen werden. Im Folgenden sollen daher diejenigen Kommunikationsmöglichkeiten erläutert werden, welche insbesondere für Aufforderungen zu und Verabredungen von Straftaten im Internet Bedeutung erlangen können. Wie schon bei der Darstellung der Funktionsweise der Datenübertragung im Internet30, soll es dabei mehr darum gehen, einen Überblick zum Zweck eines grundlegenden Verständnisses zu geben, als in die Tiefe sämtlicher – für das Thema der vorliegenden Arbeit ohnehin nicht relevanter – technischer Details vorzudringen. Hierbei kann zwischen den Diensten außerhalb des WWW31 und denen innerhalb des WWW32 unterschieden werden. Die Begründung dieser Unterscheidungsmöglichkeit liegt in der heutigen Koexistenz der relevanten Internetkommunikationsmittel – wie z. B. der E-Mail und dem Chat – im Internet einerseits und im WWW andererseits. Im Zuge der Entwicklung des WWW, als einem (weiteren) Dienst im Internet, wurden bereits bestehende Kommunikationsmöglichkeiten des Internets in dieses integriert, d.h. webtechnologisch umgesetzt33. Zugleich blieben aber auch die ursprünglichen Formen als Kommunikationsmöglichkeiten im Internet erhalten. Zwar werden viele der gängigen Kommunikationsanwendungen – z. B. der Chat – heute praktisch überwiegend im WWW genutzt, jedoch führte dies nicht zu einem völligen Untergang der jeweiligen internetbasierten Variante, beispielsweise dem klassischen Internet Relay Chat34. Da es – je nach dem, ob das Kommunikationsmittel über das WWW oder in seiner originären Form im Internet angewendet wird – mehr oder weniger große Unterschiede bzw. Abweichungen geben kann und das WWW darüber hinaus auch einige zusätzliche Kommunikationsanwendungen bzw. Weiterentwicklungen bereitstellt, ist eine gesonderte Darstellung der Internetkommunikationsmittel außerhalb und derjenigen innerhalb des WWW sinnvoll. 29
Vgl. dazu auch ausführlich unter D. anhand von ausgewählten realen Fällen. Vgl. oben B.I.2. 31 Vgl. sogleich B.II.1. 32 Vgl. unten B.II.2. 33 Vgl. zu den betreffenden WWW-Kommunikationsmöglichkeiten im Einzelnen ebenfalls unten B.II.2. 34 Vgl. hierzu ausführlich B.II.1.d). 30
II. Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten im Einzelnen
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Da mit der vorliegenden Arbeit der Frage der Strafbarkeit des Verabredens, Aufforderns und Anleitens zu Straftaten über die durch das Internet neu hervorgebrachten Kommunikationsmöglichkeiten nachgegangen werden soll, wird in der folgenden Übersicht auf die Darstellung solcher Kommunikationsmittel verzichtet, welche bereits unabhängig von der Entwicklung des Computers und des Internets existierten und das Internet heute lediglich als einen weiteren Verbreitungskanal nutzen. Dies trifft insbesondere auf das Telefonieren und den Faxversand über das Internet zu35. Die Nutzung dieser Kommunikationsmittel für Verabredungs-, Aufforderungs- oder Anleitungshandlungen dürfte in strafrechtlicher Hinsicht kaum anders zu bewerten sein, als vor dem Aufkommen des Internets, da hier allein die veränderten technischen Grundlagen an der eigentlichen Tathandlung und deren jeweiliger Qualität nichts zu ändern vermögen. 1. Kommunikation und Information außerhalb des WWW Unzutreffend werden im normalen Sprachgebrauch häufig der Begriff des Internets und der des WWW für ein und dieselbe Sache verwendet36. Bereits anhand der zuvor dargestellten Entwicklungsgeschichte des Internets37 ist jedoch erkennbar, dass dieses nicht nur älter als das WWW, sondern auch dessen technische und strukturelle Grundlage ist. Die im Folgenden dargestellten Kommunikationsdienste sind solche, die unabhängig vom WWW funktionieren und zumeist – wie das Internet selbst – auch älter als das WWW sind. a) E-Mail E-Mail38 ist ein Dienst, der es Internetnutzern ermöglicht, einfache Textnachrichten, aber auch ganze Dateien, sog. „Attachments“, untereinander zu versenden. Die erste E-Mail wurde 1971 zwischen zwei Rechnern über das damalige Arpanet39 versendet. Die E-Mail gilt als eine der beliebtesten elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten und hat aufgrund ihrer enormen Praxisrelevanz wesentlich zum Erfolg des Internets beigetragen40. Eine E-Mail besteht in technischer Hinsicht aus zwei Teilen. Hierbei werden in dem sog. „Header“ (Kopfzeile bzw. Kopfteil der E-Mail) ein bzw. mehrere 35 Vgl. für einen Überblick über diese Kommunikationsformen Germann, S. 83 ff.; Jofer, S. 24; Knauer, S. 26 ff. 36 Vgl. auch unten B.II.2. 37 Vgl. oben B.I.1. 38 Hierzu ausführlich Meinel/Sack, S. 588 ff.; Sieber, Verantwortlichkeit, Rn. 72 f.; P. Tiedemann, S. 17 ff.; zusammenfassend Malek, Rn. 32 f. 39 Vgl. dazu bereits oben B.I.1. 40 Jofer, S. 21; sowie zu den Vor- und Nachteilen der E-Mail-Kommunikation Kröger/Kuner, S. 15; P. Tiedemann, S. 20.
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B. Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten des Internets
Adressaten und der Betreff der Nachricht angegeben, während der sog. „Body“ (Hauptteil der E-Mail) den eigentlichen Text und gegebenenfalls ein Attachment enthält. Für das Versenden und Empfangen von E-Mails benötigt der jeweilige Nutzer neben einer E-Mail-Adresse ein entsprechendes, oft auch als „E-MailClient“ bezeichnetes, Programm. Für den E-Mail-Versand und -Empfang gibt es drei wesentliche Protokolle welche auf den Grundstandards des TCP/IP basieren. Die abgesendete E-Mail wird zunächst vom Computer des Versenders durch das Simple Mail Transfer Protocol (SMTP) auf einen hierfür von einem Diensteanbieter bereitgestellten Rechner (Mail-Server) übertragen. Dort wird die E-Mail dann dem persönlichen virtuellen Postfach (Mail-Account) des jeweiligen Adressaten zugeordnet und bleibt in diesem so lange gespeichert, bis sie vom Empfänger abgerufen wird. Das Abrufen sowie auch das Versenden unterliegen dabei weder zeitlichen noch örtlichen Beschränkungen. Es ist also jederzeit und von jedem Ort der Welt möglich, mittels eines an das Internet angeschlossenen Computers E-Mails zu senden und zu empfangen. Von seinem Mail-Account kann der als Empfänger bestimmte Nutzer die an ihn adressierte E-Mail mittels eines E-Mail-Programms und (regelmäßig) eines persönlichen Passworts abrufen. Die Übertragung auf den Computer des Adressaten geschieht dann entweder über das Post Office Protocol (POP341) oder alternativ über das Internet Message Access Protocol (IMAP). Das Versenden einer E-Mail kann sowohl individuell an einen einzelnen als auch gleichzeitig an mehrere vom Versender ausgewählte Empfänger erfolgen. Die Möglichkeit der Mehrfachadressierung gehört dabei heute längst zum Standardrepertoire eines E-Mail-Programms. Für den tatsächlichen Zugang einer EMail ist es nicht erforderlich, dass sich der Empfänger zuvor beim Versender angemeldet oder dem Versand der Nachricht zugestimmt hat. Die ungefragte und massenhafte Versendung einer E-Mail ist also unproblematisch möglich und hat sich in Teilen bis hin zum Problem des sog. „Spam“ (Abfall, Müll)42 ausgeweitet. Als Spam werden E-Mails bezeichnet, welche dem Empfänger unverlangt zugesendet werden und in der Regel unpersönlichen, meist werbenden oder kommerziellen Inhalts sind. Darüber hinaus gelten auch unverlangt versendete Massen-E-Mails als Spam43. Begünstigt wird das Spamming dadurch, dass es – wie beim herkömmlichen Postverkehr auch – möglich ist, seine wahre Identität durch die Angabe einer falschen oder nicht existierenden Absenderadresse zu verschleiern44.
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Die „3“ steht hierbei für die dritte, aktualisierte Version dieses Verfahrens. Alternativ ist auch die Bezeichnung „Junk“ gebräuchlich. 43 Hilgendorf/Valerius, Rn. 439. 44 Eine umfassende strafrechtliche Betrachtung des Spamming findet sich in der Dissertation von Frank, Zur strafrechtlichen Bewältigung des Spamming, 2004; zusammen42
II. Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten im Einzelnen
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Die Charakteristika der E-Mail bringen es mit sich, dass der Verfasser einer solchen damit rechnen muss, dass die versendeten Informationen dauerhaft und beliebig oft nachgelesen werden können, denn dem Empfänger ist es möglich, die erhaltene Nachricht ohne weiteren Aufwand zu speichern und an beliebig viele andere Nutzer weiterzuleiten. Zudem ist die E-Mail im Hinblick auf den Schutz bzw. die Vertraulichkeit der in ihr enthaltenen Informationen auch mit einer Postkarte vergleichbar45, so dass das Mitlesen einer fremden E-Mail jedenfalls den Betreibern von Routern und Mail-Servern, über die die E-Mail läuft, möglich ist, sofern die betreffende Nachricht nicht vor dem Versand verschlüsselt worden ist. b) Mailinglisten Mailinglisten46 ermöglichen es, durch einen einmal vorgenommenen Versendevorgang eine Vielzahl von Zustellungen ein und derselben Nachricht zu bewirken und beruhen dabei wiederum auf dem System bzw. der Funktionsweise der EMail. Mailinglisten dienen in der Regel dem Zweck einer Diskussionsgruppe47. Durch sie kann eine Vielzahl von Nutzern – häufig mit einem bestimmten thematischen Bezug – miteinander in einen Gedankenaustausch treten. Anstatt eine Nachricht gleichen Inhalts an eine Vielzahl von einzelnen Empfängern zu schicken, versendet der Mitteilende diese als normale E-Mail an einen Listen-Server, welcher die jeweilige Mailingliste verwaltet. Über diesen Listen-Server wird die Nachricht wiederum auf die Mail-Accounts aller in dieser Mailingliste aktuell eingetragenen Empfänger weitergeleitet. Erforderlich ist hierfür, dass der Empfänger zuvor seinerseits aktiv geworden ist, indem er sich bei dem zuständigen Listen-Server unter Angabe seiner E-Mail-Adresse für die entsprechende, ihn interessierende Mailingliste registriert hat. Der angemeldete Empfänger kann die Nachricht dann wiederum mittels eines normalen E-MailProgramms vom Listen-Server abrufen. Einer weiteren Aktivität des Empfängers zum Erhalt einer solchen E-Mail bedarf es allerdings nicht. Jedoch bedarf es dessen Aktivität in Form einer Abmeldung beim Listen-Server, wenn er aus der Mailingliste wieder ausscheiden möchte. Es existieren Mailinglisten mit Moderation, in denen ein Moderator oder ein Administrator die versendeten Mitteilungen vor der Zustellung an die anderen Listenteilnehmer inhaltlich überprüfen kann. Es überwiegen jedoch die unmoderierten Mailinglisten. Zudem gibt es sowohl offene, als auch geschlossene Lis-
gefasst in CR 2004, 123 ff.; ferner auch die Ausführungen bei Hilgendorf/Valerius, Rn. 439, 477, 656, 675, 679. 45 Jofer, S. 21. 46 Hierzu ausführlich P. Tiedemann, S. 20 f.; zusammenfassend Malek, Rn. 34. 47 Germann, S. 73; Preuße, S. 26.
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B. Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten des Internets
ten48. Während die Anmeldung für eine offene Liste jedem interessierten Nutzer ohne Weiteres möglich ist, also nur einen formalen Akt darstellt, ist die Aufnahme in eine geschlossene Liste von der Zustimmung des zuständigen Administrators abhängig. In einer Diskussionsgruppe wird der Versender regelmäßig eine Reaktion der anderen Listenteilnehmer auf seine Nachricht erwarten. Daneben gibt es aber auch Mailinglisten, welche nicht dem Zweck einer Diskussionsgruppe gewidmet sind. Solche sog. „Verteilungs-“ oder „One-Way-Listen“ sollen lediglich der einseitigen Nachrichtenverbreitung, also dem Zustellen von Newslettern dienen. Während solche Newsletter oder Rundmails grundsätzlich unidirektional49 funktionieren, sind Mailinglisten regelmäßig multidirektional50 angelegt. Dementsprechend erwartet der Versender eines Newsletters im Regelfall auch keine Reaktion von den Empfängern. So kann man sich als (fiktives) Beispiel hierzu vorstellen, dass ein Professor oder ein wissenschaftlicher Mitarbeiter der juristischen Fakultät einer Universität eine Information per E-Mail durch einen einmaligen Versendevorgang an sämtliche anderen Mitarbeiter der Fakultät als Newsletter bzw. Rundmail schickt, indem er die E-Mail an die Verteilerliste mit der Adresse „[email protected]“ adressiert. Der Unterschied zur mehrfach individuell adressierten E-Mail51 besteht in der Regel darin, dass bei jener die Information/Nachricht nur an die vom Versender selbst ausgewählten Empfänger – und somit möglicherweise auch ohne deren vorherige Zustimmung – zugestellt wird, während der Newsletter über eine Verteilerliste wiederum nur an diejenigen verschickt wird, die sich zunächst selbst aktiv in diese Liste eingetragen haben und dann gegebenenfalls noch durch einen Administrator bestätigt worden sind. Daher ist es durchaus denkbar, dass der Nutzer einer Verteilungsliste hinsichtlich des von ihm versendeten Newsletters einen deutlich geringeren Einfluss auf die Zusammensetzung und Größe des Empfängerkreises hat als der Versender einer mehrfach individuell adressierten E-Mail. c) Usenet-Newsgroups 52
Usenet-Newsgroups ermöglichen ebenso wie Mailinglisten die Kommunikation zwischen einer Vielzahl von Internetnutzern. Der Internetdienst des Usenet 48
Malek, Rn. 35. Dies meint die Ansprache vieler, nicht durch einen gemeinsamen thematischen Bezug bzw. ein gemeinsames Interesse miteinander verbundener Empfänger. 50 Dies meint die Ansprache vieler, durch einen gemeinsamen thematischen Bezug bzw. ein gemeinsames Interesse – welchem die Mailingliste speziell gewidmet ist – miteinander verbundener Empfänger. 51 Vgl. zuvor B.II.1.a). 52 Hierzu ausführlich Meinel/Sack, S. 640 ff.; Sieber, Verantwortlichkeit, Rn. 54 ff.; sowie aus juristischer Perspektive Germann, S. 73 ff.; Jofer, S. 22 f.; zusammenfassend Malek, Rn. 37 ff. 49
II. Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten im Einzelnen
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(ursprünglich User Network) hält dafür eine große Auswahl an Newsgroups bereit, die – ähnlich den Mailinglisten – jeweils einem bestimmten Thema gewidmet sind und die Funktion eines Diskussionsforums übernehmen. Es existieren sowohl moderierte Newsgroups, in denen die Beiträge vor der weiteren (weltweiten) Verbreitung von einem Moderator inhaltlich geprüft werden, als auch unmoderierte Newsgroups, in denen die Beiträge unzensiert veröffentlicht werden können. Allerdings dürfte auch hier – wie bei den Mailinglisten – die Variante der unmoderierten bzw. unkontrollierten Newsgroup die (wesentlich) häufigere sein53. Zur Teilnahme an einer Newsgroup, d.h. dem Senden und Empfangen von Nachrichten, ist ein spezielles Programm, der sog. „News-Reader“, erforderlich. Wie bei der E-Mail können auch über Nachrichten im Usenet nicht nur schlichte Textinhalte, sondern auch Dateien versendet werden. Die Teilnahme an einer Newsgroup, also sowohl das Versenden von eigenen Beiträgen als auch das Lesen von Beiträgen anderer, steht allen Usenet-Nutzern frei und bedarf grundsätzlich keiner vorherigen Anmeldung, wie es z. B. bei einer Mailingliste der Fall ist. Daher werden Newsgroups oft auch als „schwarze Bretter“ 54 oder „Pinnwände im Internet“ 55 bezeichnet. Das Einstellen eines Beitrags in einer Newsgroup wird häufig auch mit dem englischen Begriff des „Posting“ bezeichnet56. Gegenüber einer Mailingliste bestehen zudem auch deutliche Unterschiede in der technischen Funktionsweise. Während eine Mailingliste zentral durch einen Listen-Server verwaltet wird, arbeitet der Dienst des Usenet mit einer dezentralen Struktur. Der wesentliche technische Unterschied besteht also darin, dass die Nachricht in einer Mailingliste an einen zentralen Listen-Server gesendet, dort gespeichert und dann an die angemeldeten Empfänger verteilt wird, während der Beitrag in einer Newsgroup dezentral über mehrere miteinander verbundene News-Server verbreitet, auf diesen jeweils gespeichert und für jeden Teilnehmer der entsprechenden Newsgroup zum Abruf bereitgehalten wird. Hierzu wird das Network News Transfer Protocol (NNTP) verwendet, welches seinerseits wiederum auf dem TCP/IP basiert. Die Verbreitung einer Nachricht über mehrere tausend News-Server weltweit57 verhindert praktisch eine zentrale Nutzerverwaltung bzw. -registrierung und führt zu unüberschaubar vielen Kopien der versen53
Vgl. Jofer, S. 23; Malek, Rn. 38; Preuße, S. 26; Sieber, Verantwortlichkeit, Rn. 57. Vgl. Germann, S. 73; Knauer, S. 25. 55 Vgl. Jofer, S. 23; Kröger/Kuner, S. 16. 56 Darüber hinaus wird dieser Begriff in gleicher Weise auch bei anderen Kommunikationsdiensten, wie z. B. den Webforen, vgl. dazu unten B.II.2.c), und den Weblogs, vgl. dazu unten B.II.2.d), verwendet. 57 Ausführlich zum sog. „Synchronisationsverfahren“ Sieber, Verantwortlichkeit, Rn. 59 ff. 54
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B. Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten des Internets
deten Beiträge, so dass deren Wahrnehmung durch andere Nutzer kaum kontrolliert bzw. gesteuert werden kann. Aufgrund des völlig freien Zugangs zu einer Newsgroup ist es weder dem Versender noch einem der zwischengeschalteten News-(Verteil)-Server möglich, abzusehen wer oder wie viele Empfänger die Nachricht lesen werden. Regelmäßig werden Beiträge zwar nach einer gewissen Zeit von den News-Servern gelöscht, jedoch können diese dauerhaft im News-Reader eines Teilnehmers gespeichert bleiben und gegebenenfalls erneut auf einem News-Server gepostet werden. Um Zugang zu einem Beitrag zu bekommen, muss der Teilnehmer sich selbst auf einem der News-Server einloggen, auf denen die konkrete Newsgroup stattfindet und der entsprechende Beitrag gespeichert ist, um diesen mittels seines News-Readers herunterzuladen. Er muss also selbst aktiv werden bzw. sich selbst um den Erhalt der Nachrichten bemühen, da eine automatische Zustellung an einen persönlichen Account, anders als bei einer Mailingliste, nicht stattfindet. d) Internet Relay Chat Der Internet Relay Chat (IRC)58 ermöglicht die synchrone, d.h. zeitgleiche, textbasierte Kommunikation zwischen Internetnutzern. In der zeitlichen Synchronizität besteht zugleich der bedeutendste Unterschied zu den Kommunikationsmitteln der E-Mail, Mailinglisten oder Usenet-Newsgroups59. Die Synchronizität der Chat-Kommunikation ermöglicht es somit, dass die Teilnehmer die Funktionen des Versenders und Empfängers jeweils gleichzeitig bzw. parallel ausüben können. Daher wird das Chatten teilweise auch als „schriftliches Telefonieren“ 60 oder „Text-Telephonieren“ 61 beschrieben. Ein Chat findet in – häufig interessen- bzw. themenbezogenen – sog. „Channels“ oder auch „Chatrooms“ statt, wobei problemlos auch die gleichzeitige Teilnahme an mehreren Channels möglich ist. Grundsätzlich steht es jedem Nutzer frei, die Initiative zu ergreifen und einen (neuen) Channel zu eröffnen. Die Kommunikation in einem Channel kann von jedem dort aktiven Nutzer unbeschränkt eingesehen werden. Daneben kann in sog. „Querys“ (Dialogfenstern) ein separater, nicht öffentlicher Dialog zwischen zwei Teilnehmern des Channels geführt werden, in welchem sie sich die persönlichen Mitteilungen direkt, d.h. ohne den „Umweg“ über den Channel, zuschicken.
58 Hierzu ausführlich Germann, S. 82 f.; Meinel/Sack, S. 639 f.; Sieber, Verantwortlichkeit, Rn. 79 ff.; zusammenfassend Malek, Rn. 41 f. 59 Grundlegend zur Echtzeitkommunikation im Internet Sieber, Verantwortlichkeit, Rn. 74 ff. 60 Vgl. P. Tiedemann, S. 35. 61 Vgl. Germann, S. 82.
II. Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten im Einzelnen
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Ein Chat ist einerseits als praktisch öffentliche Gesprächsrunde zwischen unbegrenzt vielen Teilnehmern (öffentliche Channels) möglich. Andererseits existieren auch nicht öffentliche Chats zwischen lediglich zwei Personen oder einer überschaubaren Gruppe (private Channels). Ein solcher nicht öffentlicher Chat kann z. B. entstehen, wenn der Initiator eines (zunächst möglicherweise noch öffentlichen) Channels den Zugang und die Nutzungsmöglichkeit dadurch beschränkt, dass nur bestimmten Nutzern die Teilnahme gewährt wird, während alle anderen ausgeschlossen bleiben. Für die Teilnahme an einem Chat ist als Programm ein IRC-Client erforderlich, welcher sowohl der Eingabe der eigenen Mitteilungen als auch der Darstellung der empfangenen Mitteilungen auf dem Monitor des Computers dient. Zudem unterstützt die Mehrzahl der Clients neben dem Austausch von rein schriftlichen Texten heutzutage auch die Übertragung von Ton- und Videodatenströmen. Daneben ist außerdem die direkte Übertragung von Dateien zwischen den IRC-Clients, also den aktiven Nutzern eines Channels, möglich. Zunächst muss die zu übermittelnde Textnachricht vollständig in den IRCClient eingegeben werden, bevor diese zur weiteren Verteilung an einen entsprechenden IRC-Server gesendet werden kann. Die Übermittlung der Nachricht erfolgt daher nicht Buchstabe für Buchstabe, sondern erst als komplett fertig getippte Einheit nach dem Betätigen der Eingabetaste bzw. des Sendebefehls. Erst nach dem Absenden des Beitrags kann der Empfänger diesen also „en bloc“ erhalten, hingegen kann er nicht das Eintippen der einzelnen Buchstaben wahrnehmen. Weiterhin ist der IRC-Client auch für den Verbindungsaufbau mit einem IRCServer zuständig. Der angewählte (Verbindungs-)IRC-Server nimmt die vollständige schriftliche Nachricht eines Teilnehmers entgegen und verteilt diese über die mit ihm verbundenen anderen IRC-Server weiter an sämtliche in dem entsprechenden Channel aktiven Nutzer. Auch hier besteht, ähnlich dem System der Usenet-Newsgroups, eine dezentrale Struktur durch den Verbund tausender IRCServer zu einem weltweiten Netzwerk. Dies ermöglicht eine global umspannende, zeitgleiche und konferenzartige Kommunikation, die grundsätzlich auch auf direktem Weg, d.h. ohne zwischengeschaltete Kontrollinstanzen, erfolgt. Eine (vorbeugende) Kontrolle oder sogar Zensur der in einem Chat getätigten Äußerungen ist aufgrund der Echtzeitkommunikation praktisch nicht möglich62 und wäre wohl allenfalls dann denkbar, wenn im Wirkungsbereich der IRC-Server mit künstlichen Zeitverzögerungen gearbeitet würde. Jedoch agiert der Initiator eines Channels bzw. Chatrooms in der Regel auch als sog. „Operator“, der mit speziellen Befugnissen und Rechten ausgestattet ist und u. a. die Funktion eines Moderators übernimmt. Verhält sich ein Teilnehmer nicht nach den indivi62
Sieber, Verantwortlichkeit, Rn. 112, 157.
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B. Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten des Internets
duellen Regeln des Channels oder verstößt er dort sogar gegen Gesetze, kann ihn der Operator aus dem Channel verbannen und ihn für die Zukunft von der weiteren Teilnahme ausschließen. Ein absoluter Ausschluss kann jedoch nicht gewährleistet werden, denn der betreffende Nutzer kann nach seinem Ausschluss unter Verwendung einer anderen IP-Adresse oder eines alternativen Nutzeraccounts praktisch unerkannt den Channel/Chatroom erneut betreten. Auch ist es einem Nutzer in der Regel möglich, zu überblicken wie viele weitere Teilnehmer – neben ihm selbst – gegenwärtig der Kommunikation in dem entsprechenden Channel folgen, da ihm auf seinem Monitor eine Liste der ebenfalls aktuell angemeldeten Nutzer angezeigt wird63. Dabei werden die weiteren Teilnehmer grundsätzlich mit ihrem Pseudonym, dem sog. „Nickname“, angegeben64. Im Normalfall ist der in einem Chat angenommene Nickname ein Fantasiename, entspricht also nicht dem realen Namen des Teilnehmers. Zudem besteht in der Regel die Möglichkeit, weitere persönliche Angaben, wie z. B. Geschlecht, Alter, Wohnort, Interessen etc., in einem frei einsehbaren Nutzerprofil zu veröffentlichen. Zu beachten ist allerdings, dass eine Verifizierung dieser Angaben im Normalfall nicht erfolgt. Allein aus dem Nickname oder den Angaben in einem etwaigen Nutzerprofil können daher kaum fundierte Rückschlüsse auf die wahre Identität eines Teilnehmers gezogen werden. Als eine besondere Variante des Chattens gilt das Instant Messaging, bei dem die Kommunikation nur zwischen zwei oder mehreren ausgewählten Nutzern eines Channels/Chatrooms stattfindet. Das Instant Messaging wird in erster Linie zum Versenden von Kurznachrichten verwendet, bedient sich dabei eines speziellen technischen Verfahrens und erfordert darüber hinaus einen eigens hierfür installierten Chat-Client. Charakteristisch ist hierbei insbesondere, dass der Nutzer eine Kontaktliste führen kann und informiert wird, sobald eine der dort verzeichneten Kontaktpersonen ebenfalls im System angemeldet und zum Empfang von Mitteilungen bereit ist. e) Dateiübertragung Zur Übertragung von Dateien über das Internet dient das auf dem TCP/IP basierende File Transfer Protocol (FTP)65, welches zugleich zum Synonym für diese Anwendung geworden ist. Mittels FTP kann ein Nutzer mit dem eigenen Rechner über das Internet sowohl auf einem Server gespeicherte Dateien abrufen, als auch eigene Dateien auf einem Server für andere Nutzer bereitstellen oder den Austausch von Dateien zwischen zwei Servern bewirken. Dies findet 63
Germann, S. 186. Malek, Rn. 41. 65 Hierzu ausführlich Germann, S. 76 f.; Meinel/Sack, S. 601 ff.; Sieber, Verantwortlichkeit, Rn. 70 f.; P. Tiedemann, S. 30 ff.; zusammenfassend Malek, Rn. 43. 64
II. Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten im Einzelnen
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regelmäßig durch das (Fern)Kopieren der als Bezugsquelle dienenden Datei statt. Die zum Abrufen oder Bereitstellen ausgewählte Datei wird also nicht physisch vom Server auf den Client – bzw. umgekehrt – verschoben. Vielmehr wird eine exakte Kopie der bestehenden (Quell)Datei auf dem Bezugscomputer angelegt. FTP findet gleichermaßen bei öffentlichen als auch nicht öffentlichen Angeboten im Internet Anwendung. Die über FTP zu kopierenden Dateien können dabei jeden möglichen Inhalt haben, so dass einfache Textdateien, aber auch komplexere Bild-, Ton- und Videodateien bis hin zu ganzen Programmdateien abgerufen, bereitgestellt oder ausgetauscht werden können. Gerade das Abrufen und Bereitstellen von Musik- und Videodateien, aber auch der Bezug von Software, also vollständigen Computerprogrammen, verzeichnen sich einer beständig wachsenden Popularität. Nicht zuletzt wurde und wird FTP auch in erheblichem Maße für das illegale Verbreiten urheberrechtlich geschützter Werke genutzt. Für den Dateitransfer muss der Nutzer zunächst als Programm einen FTPClient auf seinem Computer installiert haben. Der FTP-Client baut die Verbindung zu dem FTP-Server im Internet auf. Dies ist der Rechner, auf dem die Dateien gespeichert sind und für den jeweiligen interessierten Nutzer zum Download bereitgestellt werden. Nachdem die Verbindung zum FTP-Server hergestellt ist, ist es weiterhin Aufgabe des FTP-Clients, den Nutzer beim FTP-Server unter Angabe individueller Kenndaten und eines persönlichen Passworts anzumelden. Das Herunterladen der auf dem FTP-Server liegenden Dateien ist dem Nutzer regelmäßig nur nach erfolgreicher Anmeldung möglich, also dann, wenn er vom FTP-Server authentifiziert und als zugriffsberechtigt erkannt wird. War die Anmeldung erfolgreich, kann der Nutzer nicht nur Dateien vom FTP-Server herunterladen, sondern dort auch selbst durch einen entsprechenden Upload eigene Dateien für andere Nutzer bereitstellen. Durch die Beschränkung des FTP-Zugangs auf angemeldete und zugriffsberechtigte Nutzer ist es möglich, den bereits vorhandenen Dateibestand auf einem FTP-Server vor allgemeinen Zugriffen zu schützen und den weiteren Zuwachs an Dateien zumindest ansatzweise zu begrenzen. Anders ist dies jedoch bei öffentlichen bzw. anonymen FTP-Angeboten, welche einer solchen Beschränkung nicht unterliegen und damit praktisch jedermann zugänglich sind. Hier akzeptiert der FTP-Server bei der Anmeldung regelmäßig eine anonyme bzw. allgemeingültige Personenkennung (z. B. „Anonymous“, „Guest“ oder „FTP“), durch welche der jeweilige Nutzer gerade nicht individualisiert wird. Auch bedarf es hier in der Regel nicht eines persönlichen Passworts. Vielmehr reicht im Normalfall die (oftmals freiwillige) Angabe einer E-Mail-Adresse aus. Mittlerweile stellen die öffentlichen bzw. frei zugänglichen Server sogar den überwiegenden Teil der FTP-Angebote im Internet dar66.
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P. Tiedemann, S. 33.
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B. Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten des Internets
Neben der Variante der Dateiübertragung per FTP unter Nutzung des ClientServer-Modells gibt es jedoch auch die Möglichkeit, Dateien direkt zwischen den ans Internet angeschlossen Rechnern der Nutzer – den Clients – und somit ohne Zwischenspeicherung auf einem Server, hin und her zu kopieren. Dies funktioniert über sog. „Peer-to-Peer-Connections“ (P2P), bei denen sich derjenige, der eine bestimmte Datei auf seinen Computer übertragen will, direkt mit dem Computer desjenigen verbindet, der diese Datei besitzt. Die Nutzer bzw. deren Computer sind also zugleich Client und Server. Zur Teilnahme an einem P2P-Netzwerk ist regelmäßig die Verwendung einer speziellen Software erforderlich. Aufgrund der dezentralen Organisation von P2P-Netzwerken stellen diese schon in technischer Hinsicht einen eigenen, vom FTP unabhängigen Dienst zur Übertragung von Dateien dar. Verwendung finden P2P-Systeme insbesondere bei Tauschbörsen im Internet, also Netzwerken die darauf basieren, dass derjenige, der Dateien (z. B. Musik-, Video- oder Programmdateien) sucht und von angeschlossenen Computern anderer Nutzer überspielt, im Gegenzug dafür auch bestimmte, auf seinem Rechner gespeicherte Dateien für andere Netzwerkteilnehmer zum Download freigibt67. Diese Form der Dateiübertragung und -bereitstellung hat gerade im Bereich des privaten bzw. unkommerziellen (und daher meist auch unentgeltlichen) Tauschens von Dateien enorm an Bedeutung gewonnen. Ein berühmtes Beispiel hierfür ist die Musiktauschbörse Napster, über die ab ca. Juni 1999 weltweit Musikdateien zwischen den Nutzern von Computer zu Computer überspielt werden konnten, ohne das dafür ein Entgelt oder eine Lizenzgebühr gezahlt werden mussten. Aufgrund der dadurch aufgetretenen massenhaften Verletzungen der Urheberrechte der Komponisten, Autoren und Musiker kam es dann im Jahr 2000 zur Klage einiger Musiker in deren Folge Napster – zumindest in der bisherigen Form als unentgeltliche Musiktauschbörse – im Juli 2001 geschlossen wurde68. P2P-Netzwerke, über die der Austausch von Dateien stattfindet, existieren jedoch weiterhin in vielfältigen Varianten. Für ein Beispiel aus jüngerer Zeit ist auf den Fall des von Schweden aus betriebenen sog. „Bit-Torrent-Trackers“ The Pirate Bay69 hinzuweisen70. Dieser Service half den sog. „Peers“ lediglich beim Auffinden desjenigen, der die gesuchte Datei bereithielt und gab zudem Hinweise darauf, von wo aus die für den Dateiaustausch benötigte Software bezogen 67
Hierfür hat sich auch der Begriff des „Filesharing“ (Dateiaustausch) etabliert. Ausführlich zum Problem der P2P-basierten Musiktauschbörsen Heghmanns, MMR 2004, 14. 69 http://thepiratebay.se (zuletzt abgerufen am 10.08.2012). 70 Zwar war und ist The Pirate Bay ein Angebot im WWW in Form einer Website. Dennoch soll dieses im hier vorliegenden Zusammenhang der Tauschbörsen im Internet eine kurze Erwähnung finden. Zum webbasierten Dateiaustausch im Detail vgl. auch unten B.II.2.j). 68
II. Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten im Einzelnen
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werden konnte71. Der Dateiaustausch lief hingegen nicht über den Bit-TorrentTracker, sondern erfolgte direkt zwischen den Peers bzw. deren Rechnern. Soweit den Betreibern vorgeworfen wurde, Urheberrechte in massivem Umfang zu verletzen, verteidigten sich diese dagegen mit dem Argument, selbst weder Dateien vervielfältigt oder bereitgestellt zu haben. Dennoch wurden die Betreiber am 17.04.2009 in Schweden erstinstanzlich wegen Beihilfe zur schweren Urheberrechtsverletzung zu jeweils einjährigen Haftstrafen und einer Schadensersatzzahlung von insgesamt rund 2,75 Millionen Euro verurteilt72. Am 16.11.2009 erfolgte dann die freiwillige vorläufige Abschaltung von The Pirate Bay durch die Betreiber selbst. 2. Kommunikation und Information innerhalb des WWW Häufig werden das WWW und das Internet begrifflich gleichgesetzt, also synonym verwendet. Tatsächlich ist das WWW jedoch ein aus unzähligen Websites73 bestehendes, netzartiges Hypertextsystem74, welches auf der Grundlage des Internets basiert und daher neben anderen „nur“ eine weitere Art der Internetnutzung darstellt75. Gleichwohl war es das WWW, welches ganz wesentlich zur Erfolgsgeschichte des Internets beigetragen hat76. Ausschlaggebend dafür dürften insbesondere dessen vielfältige Inhalte und der hohe Anwendungskomfort gewesen sein77. Als die technischen Grundstandards gelten das Hypertext Transfer Protocol (HTTP)78 für die Übertragung von Daten im WWW und die Hypertext Markup Language (HTML)79, als Programmiersprache für Struktur, Darstellung und Inhalte der Websites. Mittels des Uniform Resource Locators (URL)80, der neben dem WWW auch bei anderen Diensten des Internets zum Einsatz kommt, ist es möglich, Quellen im WWW (z. B. die einzelnen Seiten einer Website) genau zu 71 Speziell zur diesbezüglichen Strafbarkeit der Betreiber bzw. Initiatoren eines solchen P2P-Systems Heghmanns, MMR 2004, 14 (17 f.). 72 Vgl. hierzu auch Briegleb, Heise Online vom 17.04.2009 unter http://www. heise.de/-213805.html (zuletzt abgerufen am 10.08.2012). 73 Vgl. dazu sogleich B.II.2.a). 74 Hierzu ausführlich Busse-Muskala, S. 23 ff.; ferner auch Ensthaler/Weidert-Lührig, Kapitel 1 Rn. 8. 75 Zu den Grundlagen des WWW Kröger/Kuner, S. 19 f.; P. Tiedemann, S. 23; vgl. auch den ausführlichen Überblick bei Meinel/Sack, S. 12 ff.; sowie zur begrifflichen Unterscheidung von „Internet“ und „WWW“ Schneider, MMR 2004, 18 (22). 76 Hierzu auch Ensthaler/Weidert-Lührig, Kapitel 1 Rn. 2, 9; Meinel/Sack, S. 33 ff.; sowie im Rahmen einer strafrechtlichen Dissertation Busse-Muskala, S. 7 f. 77 Vgl. Germann, S. 77; Römer, S. 150. 78 Hierzu ausführlich Meinel/Sack, S. 735 ff. 79 Hierzu ausführlich Kröger/Kuner, S. 32 ff.; Meinel/Sack, S. 805 ff.; P. Tiedemann, S. 122 ff. 80 Hierzu ausführlich Meinel/Sack, S. 721 ff.; P. Tiedemann, S. 14 ff.
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B. Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten des Internets
bezeichnen bzw. ihnen eine eindeutige Adresse zuzuweisen. Die erforderliche Client-Software für den Zugriff auf die Angebote und Dienste im WWW ist der Browser81. Dieser stellt praktisch das „Schaufenster“ auf die Websites im WWW dar. Zunächst muss in den Browser die Adresse – also der URL – der gewünschten Website eingegeben werden. Hiernach wird eine Verbindung zu dem WWW-Server aufgebaut, auf dem sich die in Datenform gespeicherte Website befindet. Über diese Verbindung erfolgt dann die Übermittlung der Websitedaten mittels HTTP an den Rechner des Nutzers. Dort werden diese dann wiederum über den Browser grafisch auf dem Computermonitor dargestellt. Auf dieselbe Weise können aber auch in entgegengesetzter Richtung Daten vom Rechner des Nutzers über den Browser auf den WWW-Server übertragen werden, wie es regelmäßig der Fall ist, wenn z. B. Schlagwörter bei Suchfunktionen oder Passwörter bei Zugangsabfragen zu nennen sind. Das HTTP, als Übertragungsstandard des WWW, baut dabei auf dem TCP82 auf83. Mit der Einführung des Browsers in der ersten Hälfte der 1990er Jahre wurde es nunmehr jedermann ermöglicht, mit einem herkömmlichen Heimcomputer auf sämtliche Seiten im WWW zuzugreifen. Dies, in Verbindung mit einer Zunahme technisch immer besserer Web-Anwendungen, verhalf dem WWW – und mit ihm dem Internet – zu enormer Bedeutung. Zugleich verloren aber auch die bis dahin ausschließlich über das Internet verfügbaren Kommunikationsmöglichkeiten84 an Eigenständigkeit, denn identische Anwendungen, wie z. B. E-Mail oder das Senden und Empfangen von Dateien mittels FTP, wurden nunmehr in den Browser integriert und über entsprechende Websites angeboten. So wird heute u. a. Webmail85 anstelle der klassischen E-Mail genutzt, Usenet-Newsgroups werden zunehmend von Webforen86 und der Internet Relay Chat vom Webchat87 ersetzt88 und mit Angeboten wie z. B. MySpace89, Facebook90, StudiVZ91 und Xing92 wurden soziale Netzwerke93 im WWW geschaffen. 81 Zur Funktionsweise eines (Web-)Browsers anhand der Beispiele des Microsoft Internet Explorers und des Netscape Navigators Kröger/Kuner, S. 22 ff.; vgl. aber auch Meinel/Sack, S. 13 f. 82 Vgl. dazu bereits oben B.I.2. 83 Zur Funktionsweise des WWW auch ausführlich Sieber, Verantwortlichkeit, Rn. 62 f. 84 Vgl. dazu bereits oben B.II.1. 85 Vgl. dazu sogleich B.II.2.b). 86 Vgl. dazu sogleich B.II.2.c). 87 Vgl. dazu sogleich B.II.2.f). 88 Keine Ersetzung, sondern eher einen Transfer hat das Unternehmen Google vorgenommen, indem es eine Auswahl bzw. ein Archiv von Usenet-Newsgroups in Form des eigenen Angebots „Google Groups“ im WWW neu veröffentlicht hat, vgl. unter http:// groups.google.com/ (zuletzt abgerufen am 10.08.2012). 89 http://www.myspace.com/ (zuletzt abgerufen am 10.08.2012).
II. Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten im Einzelnen
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Im Zuge der jüngeren Entwicklung des WWW ist auch der Begriff des „Web 2.0“ aufgekommen94. Hierbei handelt es sich jedoch weniger um eine Bezeichnung für technologische Neuentwicklungen, sondern vielmehr um die zusammenfassende Beschreibung bestimmter neuartiger Netzaktivitäten und Nutzungsmöglichkeiten von Privatpersonen. Zu nennen ist hier in erster Linie der sog. „Online-Journalismus“ welcher derzeit in Konkurrenz zu den herkömmlichen Medien tritt und dem (ansonsten) eher passiven Medienkonsumenten die Möglichkeit aktiver Beteiligung an Kommunikations- und Informationsprozessen – als sog. „Web-2.0-Autor“ – im WWW gibt. Dies kann über entsprechende Websites, Webforen oder auch soziale Netzwerke und Online-Communities geschehen. Als eines der beliebtesten dieser neuen Medien hat sich das im Jahr 2005 gegründete Internet-Videoportal YouTube95 etabliert, auf dem die Nutzer kostenlos Videosequenzen aller Art ansehen und auch selbst bereitstellen können. Des Weiteren erweisen sich auch sog. „Wiki-Sites“ 96 stetig wachsender Beliebtheit. Der Sinn und Zweck dieser Websites besteht darin, dass eine – meist einem Nachschlagewerk ähnliche – Sammlung von frei zugänglichen Informationen allgemeiner oder themenspezifischer Art geschaffen wird, indem die Nutzer dieser Seiten selbige nicht nur lesen (konsumieren), sondern eben auch durch kollaborative, ergänzende Bearbeitung aktiv mitgestalten können97. Schließlich haben auch die Weblogs (kurz: Blogs)98 eine beachtliche Bedeutung für das Web 2.0. Ein wesentlicher Unterschied zu den zuvor erwähnten Wiki-Sites besteht jedoch darin, dass es bei einem Blog nicht viele, sondern meist nur einen Autoren gibt. Im Web 2.0 kommt der Gleichstellung von Nutzer und Anbieter folglich eine wesentlich größere Bedeutung zu, als dies bei herkömmlichen Angeboten im WWW der Fall ist99. a) Websites Das WWW hält Inhalte jeglicher Art und Qualität bereit, die in ihrer Vielfalt praktisch unüberschaubar sind und von rein privaten über gesellschaftliche bis hin zu wissenschaftlichen, politischen oder kommerziellen Zwecken reichen. Als 90
http://www.facebook.com/ (zuletzt abgerufen am 10.08.2012). http://www.studivz.net/ (zuletzt abgerufen am 10.08.2012). 92 http://www.xing.com/ (zuletzt abgerufen am 10.08.2012). 93 Vgl. dazu ausführlich B.II.2.i). 94 Hierzu auch Ensthaler/Weidert-Lührig, Kapitel 1 Rn. 3. 95 http://www.youtube.com/ (zuletzt abgerufen am 10.08.2012). 96 Vgl. dazu sogleich auch noch unter B.II.2.a). 97 Die wohl hierzulande bekannteste Wiki-Site dürfte die Online-Enzyklopädie Wikipedia sein, vgl. die deutschsprachige Version unter http://de.wikipedia.org/ (zuletzt abgerufen am 10.08.2012). 98 Vgl. dazu auch noch ausführlich unten B.II.2.d). 99 Vgl. auch Ensthaler/Weidert-Lührig, Kapitel 1 Rn. 3. 91
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B. Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten des Internets
Präsentationsflächen für die Inhalte im WWW dienen Websites100, die in ihrer Ausgestaltung regelmäßig dem Zweck des jeweiligen Angebots angepasst sind. Demzufolge ist von Websites mit einfachen grafischen Darstellungen und Texten bis hin zu Seiten, auf denen Musik angehört und Filme angesehen oder als Dateien auf den eigenen Computer heruntergeladen werden können, alles vertreten. Bereits einfach gestaltete und technisch weniger komplizierte Websites ermöglichen daher das einseitige Bereitstellen und Veröffentlichen von Informationen im WWW. Dabei ist das Erstellen einer Website heutzutage nahezu jedermann binnen kürzester Zeit möglich101, sofern die Darstellung/Bereitstellung der betreffenden Inhalte ein nicht all zu hohes technisches Niveau verlangt. Entsprechende Software ermöglicht es, dass Websites nicht mehr direkt in der eher abstrakten Programmiersprache des HTML geschrieben werden müssen, sondern – ähnlich einem Modellbausatz – aus vorgegebenen Elementen erstellt werden können. Bei den bereits erwähnten Wiki-Sites ist das Bereitstellen bzw. Veröffentlichen von Inhalten noch einfacher. Da es bei diesen vor allem darum geht, entsprechende Inhalte bereitzustellen, zu aktualisieren oder zu ergänzen und die WikiSite an sich nicht erst noch erstellt bzw. programmiert werden muss, gewährleistet es regelmäßig eine spezielle Wiki-Software, dass Aktualisierungen/Bearbeitungen vorgenommen werden können, ohne dass dazu Kenntnisse im Programmieren mit HTML erforderlich sind. Eine der Wiki-Software vergleichbare Funktion erfüllen im Hinblick auf Websites sog. „Content Management Systems“ (CMS). Diese ermöglichen eine direkte Online-Bearbeitung, d.h. die Website muss lediglich mit einem Browser aufgerufen werden und kann dann über diesen mittels des vom Betreiber der Seite ebenfalls auf dem WWW-Server zur Verfügung gestellten CMS inhaltlich umgestaltet werden. Auch die Nutzung eines CMS zum Bereitstellen von Inhalten auf einer Website erfordert folglich keine weiteren Kenntnisse in der HTML-Programmierung. Die Berechtigung zum Bearbeiten einer solchen „Gemeinschaftsseite“ kann jedoch auf bestimmte Nutzer beschränkt werden. Ist dies aber nicht der Fall, ist es praktisch jedermann möglich, auf einer solchen Website/Wiki-Site eigene Inhalte einer unbeschränkten Öffentlichkeit im WWW zugänglich zu machen. Nachdem eine Website erstellt oder aktualisiert bzw. bearbeitet wurde, erfolgt deren Speicherung bzw. Überschreibung auf einen WWW-Server, von wo aus sie weltweit mit einem Browser unter Eingabe der entsprechenden Adresse abgerufen werden kann. Der Zugang zum Angebot auf einer Website kann entweder jedermann eröffnet oder aber auch nur bestimmten registrierten Nutzern – häufig in Verbindung mit einem Passwort – vorbehalten sein.
100 101
Hierzu auch Busse-Muskala, S. 21 ff.; Sieber, JZ 1996, 429 (433). Römer, S. 150.
II. Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten im Einzelnen
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Neben der eigenen hierarchischen Struktur mit einer Haupt- oder Startseite und immer weiter verzweigten Unterseiten enthalten Websites als besonderes Charakteristikum regelmäßig Hyperlinks102, welche auch in einen herkömmlichen Fließtext oder eine grafische Darstellung integriert sein können. Technisch ermöglicht werden diese durch die HTML. Mittels eines einfachen Mausklicks auf den Hyperlink wird der Nutzer auf die entsprechend verlinkte Website weitergeleitet. Diese hat zwar regelmäßig einen eigenen Inhalt, jedoch steht dieser meist in einem Sinnbezug zum Inhalt der ursprünglich abgerufenen Website. Die Aktivierung des Hyperlinks erspart dem Nutzer also vollständig die Eingabe des URL der Ziel-WWW-Seite in die Adresszeile des Browsers, denn genau dieser URL ist im Quellcode des Hyperlinks bereits vorprogrammiert. Einem Hyperlink kommt damit sowohl die Funktion zu, den URL zu speichern als auch dem Browser den Befehl zu geben, die entsprechende WWW-Seite aufzurufen. Durch den Einsatz von Hyperlinks sind Websites im WWW vielfach miteinander vernetzt103. Diese Vernetzung hat wiederum bereits häufig zu der Frage der (Mit)Verantwortlichkeit für die Inhalte fremder Websites geführt104. Für die Bewegung des Nutzers durch das WWW mittels Anklicken von Hyperlinks hat sich auch der Begriff des „Internetsurfens“ etabliert105. Unstreitig hat die Erfindung des Hyperlinks zu einem wesentlichen Fortschritt hinsichtlich des Benutzungskomforts des WWW geführt. Zum Standard gehören heute häufig auch interaktive Nutzungsmöglichkeiten bzw. sog. „dynamische“ Websites. Diese kann man sich auch als ein eigenständiges Computerprogramm vorstellen, welches allerdings nicht mehr lokal auf der Festplatte des Clients gespeichert, sondern praktisch auf einen WWW-Server ausgelagert ist und über den Browser bedient wird. In praktischer Hinsicht liegt der Vorteil hierbei darin, dass nunmehr Anwendungen nutzbar sind, ohne dass dafür ein – die begrenzten lokalen Speicherkapazitäten belastendes – Programm auf dem eigenen Rechner installiert werden muss. Lediglich beispielhaft können hier die Abwicklung von Bankgeschäften, die Buchung von Flugtickets oder die Berechnung einer Reiseroute nach Eingabe der individuellen Parameter genannt werden. Häufig zur Anwendung kommen dynamische Websites somit auch bei
102 Hierzu ausführlich Meinel/Sack, S. 844 ff.; Sieber, Verantwortlichkeit, Rn. 64 ff.; P. Tiedemann, S. 125 f. 103 Sieber, JZ 1996, 429 (433). 104 Hierzu u. a. BGH NJW 2008, 1882; OLG Nürnberg MMR 2009, 131; OLG Stuttgart MMR 2006, 387; LG München MMR 2008, 192; Gercke, CR 2006, 844. Eine umfassende strafrechtliche Betrachtung des Anbietens von Hyperlinks findet sich in der Monografie von Busse-Muskala; vgl. dort zu technischen Grundlagen, Erscheinungsformen von Hyperlinks und Linkmethoden S. 26 ff., sowie zur Bedeutung der Hyperlinks für das WWW, S. 33 ff. Vgl. hierzu außerdem noch unten C.IV.4.b). 105 Vgl. Busse-Muskala, S. 33; Preuße, S. 24; P. Tiedemann, S. 24.
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B. Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten des Internets
den über das WWW angebotenen Kommunikationsdiensten, über die im Folgenden ein kurzer Überblick gegeben werden soll. b) Webmail Wie soeben schon angesprochen, wird der webbasierte E-Mail-Dienst, der häufig bereits im Leistungspaket eines Internet-Service-Providers enthalten ist, auch als „Webmail“ bezeichnet. Regelmäßig erfordert die Nutzung eines WebmailDienstes106 die Registrierung des Nutzers bei dem jeweiligen Anbieter, so dass vor der erstmaligen Einrichtung eines Mail-Accounts personenbezogene Daten, wie u. a. der Name, der Geburtstag und die Adresse, in ein Formular auf der Website eintragen und an den Anbieter übermittelt werden müssen. Im Zuge dessen wird jedoch eine Verifizierung der Daten bzw. eine Überprüfung, ob die angegebenen Daten tatsächlich mit der Identität der sich anmeldenden Person übereinstimmen, wohl höchstens in Ausnahmefällen erfolgen. Weiterhin muss sich der Nutzer auch ein persönliches Passwort geben, um später auf seinen Mail-Account zugreifen zu können. Über den Browser wird der Kontakt zwischen dem Computer des Nutzers und der Website des Diensteanbieters hergestellt. Unter Angabe einer individuellen Kennung – meist die eigene E-Mail-Adresse – und des persönlichen Passworts gelangt der Nutzer nun zu einer Bedienoberfläche, über die er online, also bei aktiver Internetverbindung, auf seinen Mail-Account zugreifen und die dort eingegangenen Nachrichten lesen, beantworten oder an Dritte weiterleiten sowie neue Nachrichten verfassen und absenden kann. Die Installation eines E-Mail-Clients auf dem Rechner des Nutzers ist daher – im Gegensatz zum ursprünglichen E-Mail-Dienst – nicht erforderlich. Dennoch besteht die Möglichkeit, ein spezielles E-Mail-Programm auf dem Computer zu installieren, um damit dann E-Mails auch selbst speichern, verwalten und bearbeiten zu können. Voraussetzung für einen derartigen Abruf der E-Mails ist allerdings, dass der Webmail-Anbieter auch einen POP- oder IMAP-Zugriff auf das Postfach bereitstellt. c) Webforen Webforen dienen primär dem Informationsaustausch zwischen den Nutzern. Die Kommunikation findet hier asynchron zwischen einer Vielzahl von Teilnehmern statt und ist meist thematisch festgelegt, wobei auch hier die Inhalte – je nach Ausrichtung des Forums – unterschiedlichster Art sein können. Der Zweck 106 Als Beispiele können hier das Angebot Google Mail von Google, vgl. unter http://www.gmail.com/, oder der Webmail-Anbieter GMX, vgl. unter http://www.gmx. net/ (jeweils zuletzt abgerufen am 10.08.2012), genannt werden.
II. Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten im Einzelnen
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eines solchen Webforums ist also weitestgehend dem einer Usenet-Newsgroup vergleichbar. Der wesentliche Unterschied besteht allerdings in der technischen Umsetzung. Regelmäßig ist ein Webforum auf einer dafür vorgesehenen Website eingerichtet. Eines speziellen Programms auf dem Rechner des Nutzers bedarf es für die Teilnahme an einem Webforum indes nicht. Vielmehr erfolgt der Zugriff auch hier über den Browser. Während ein Beitrag in einer Usenet-Newsgroup mit dem News-Reader auch offline, d.h. ohne gegenwärtig bestehende Verbindung mit dem Internet, geschrieben und danach zu einem beliebigen Zeitpunkt an den News-Server übermittelt werden kann, werden die Beiträge hier regelmäßig online an den WWW-Server übertragen und in das Webforum eingestellt. Der in ein Webforum eingestellte Beitrag kann wiederum von anderen Nutzern mittels eines Browsers gelesen und beantwortet werden. Es existieren sowohl offene bzw. frei zugängliche als auch solche Foren, deren Nutzung lediglich registrierten Teilnehmern vorbehalten ist. Im Vergleich zu den Usenet-Newsgroups arbeiten webbasierte Foren jedoch wesentlich häufiger mit einer Mitgliederregistrierung, womit häufig bezweckt werden soll, dass sich hier engere Gemeinschaften bzw. Online-Communities bilden und es zu einem höheren Grad der persönlichen Identifikation des Einzelnen mit der Forumgemeinschaft als solcher kommt. Für die Registrierung in einem solchen Forum reicht jedoch häufig die Angabe eines Pseudonyms und eines persönlichen Passworts aus. Folglich bleibt die wahre Identität der Nutzer auch hier meist verborgen. Zwar ist eine Identifizierung des Internetanschlusses möglich, wenn der Anbieter die IP-Adresse des Nutzers speichern kann und ein anschließender Abgleich mit den von den Access-Providern gespeicherten Daten erfolgt. Jedoch dürfte diese Möglichkeit kaum den anderen Nutzern des Webforums zur Verfügung stehen, so dass diesen gegenüber die Anonymitätswahrung ohne Weiteres möglich ist. Kann eine Zugangs- bzw. Nutzungsberechtigung für ein Webforum praktisch selbstständig von jedem interessierten Nutzer erlangt werden, was regelmäßig dann der Fall ist, wenn die Registrierung allein in einem formalen Anmeldeakt besteht und eine weitere Prüfung und individuelle Zulassung durch den Diensteanbieter nicht erfolgt, ist prinzipiell von einem offenen Angebot auszugehen, weil der freie Zugang hier jedermann ohne Weiteres möglich ist. Nur wenn eine tatsächliche Verifizierung der angegebenen Nutzerdaten und eine individuelle Zulassung des einzelnen Interessenten durch den Diensteanbieter stattfindet, ist tatsächlich von einem geschlossenen Angebot auszugehen. Zwischen den frei zugänglichen und den geschlossenen Webforen sind solche Angebote zu verorten, die lediglich die aktive Kommunikation – das Posten von Beiträgen – auf die vom Diensteanbieter individuell geprüften und zugelassenen Mitglieder beschränken, es aber andererseits jedem WWW-Nutzer – also auch den Nichtmitgliedern – ermöglichen, diese Beiträge durch schlichtes Aufrufen der entspre-
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B. Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten des Internets
chenden Website zu lesen. Die dort stattfindende Kommunikation ist im Ergebnis daher ebenfalls als öffentlich zu betrachten, auch wenn den Nichtmitgliedern eine aktive Teilnahme in Form des Postens eigener Beiträge nicht möglich ist. Ein weiterer Unterschied zum Usenet besteht darin, dass die in einem zentral verwalteten Webforum geposteten Beiträge für den Diensteanbieter wesentlich leichter zu kontrollieren sind als Beiträge in einer Newsgroup im dezentral strukturierten Usenet. Gerade im kommerziellen bzw. gewerblichen Bereich sind Webforen daher häufig moderiert. Ein Beitrag wird hier also erst nach erfolgter Kontrolle durch einen Moderator bzw. Administrator – also zeitlich verzögert – freigegeben, während bei unmoderierten Webforen der Beitrag bereits in dem Moment für die anderen Teilnehmer verfügbar wird, in dem er gepostet wird. Regelmäßig haben die Moderatoren bzw. Administratoren auch über die bloße Kontrolle und Freischaltung eines Beitrags hinausgehende Befugnisse. So obliegt ihnen zumeist auch die nachträgliche Löschung oder Veränderung bereits eingestellter Beiträge, die bei einem Großteil der Foren sonst meist sehr lange erhalten bleiben. Darüber hinaus kommen die Sperrung einzelner Teilnehmer oder auch die vollständige Schließung des gesamten Forums als weitere Befugnisse des Moderators/Administrators in Betracht. Allerdings kann die Wirksamkeit der Sperrung bzw. des Ausschlusses eines Teilnehmers nicht vollständig gewährleistet werden, denn dieser kann anschließend unter Verwendung einer anderen IPAdresse oder eines alternativen Accounts in demselben Webforum erneut Beiträge posten, ohne dabei wiedererkannt zu werden. Im Bereich des Zivilrechts findet sich eine Diskussion darüber, ob auf Forenbetreiber eine Art Störerhaftung anzuwenden ist. Hiernach soll der Anbieter eines solchen Dienstes zwar dann nicht von einer grundsätzlichen Pflicht zur Vorabüberprüfung sämtlicher Beiträge in seinem Forum betroffen sein, wenn dies für ihn mit einem unzumutbaren bzw. unverhältnismäßigen technischen und wirtschaftlichen Aufwand verbunden ist. Jedoch soll er zumindest ab dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung von rechtswidrigen Inhalten – was spätestens nach einer eindeutigen Beschwerde der Fall sein soll – für sein Untätigbleiben im Wege der Störerhaftung, gleichermaßen wie der Urheber des entsprechenden Beitrags, in Anspruch genommen werden können107. Entsprechende gesetzliche Regelungen zur Verantwortlichkeit der Diensteanbieter befinden sich im Telemediengesetz108.
107 Zur diesbezüglichen Rechtsprechung vgl. u. a. BGH NJW 2007, 2558; OLG Düsseldorf MMR 2006, 618; OLGR Hamburg 2009, 525; sowie exemplarisch die Mitteilung von sueddeutsche.de zur vorsorglichen Einschränkung der Nutzbarkeit des eigenen Webforums vom 07.12.2007 unter http://www.sueddeutsche.de/computer/81/387877/ text/ (zuletzt abgerufen am 10.08.2012). 108 Vgl. dazu auch den vertiefenden Exkurs unten C.IV.4.
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d) Weblogs Das Weblog gilt als Alternative zu den herkömmlichen Webforen und basiert ebenfalls auf einer Website. Auf dieser können, vergleichbar einem Webforum, entsprechende Äußerungen in Form von Beiträgen bzw. Postings erfolgen. Während der Ursprung der Blogs in der privaten Nutzung zu sehen ist, wird mittlerweile auch vermehrt in Bereichen wie der Wirtschaft109 und den Medien110 auf diese Form der Kommunikation zurückgegriffen. Gerade aufgrund der hohen Dynamik der dort stattfindenden Kommunikation erweisen sich Blogs auch als ideales Instrument für die Auseinandersetzung mit tagesaktuellen Themen und Fragestellungen des allgemeinen Zeitgeschehens. Eine weitere Form sind die sog. „Watchblogs“, deren Funktion darin besteht, sich kritisch einem Thema (z. B. einer Partei, einem Unternehmen, einer gesellschaftlichen Gruppe etc.) zu widmen und diesbezüglich – aktuell am Geschehen – über entsprechende Entwicklungen, Tendenzen, Ereignisse usw. zu berichten111. Hinter einem Blog steht in der Regel ein Initiator – der sog. „Blogger“ – der dieses quasi als (s)ein offenes Tagebuch führt. Hierzu verfasst er fortlaufend neue Beiträge und postet diese auf der dafür eigens installierten Website. Wie bei Websites generell, ist auch das Erstellen einer als Blog dienenden Website heutzutage praktisch jedermann ohne Weiteres möglich. Spezielle Programme, sog. „Weblog Publishing Systems“, ermöglichen es, einen entsprechenden WWWAuftritt unter Verwendung vorgegebener Gestaltungs- und Funktionselemente binnen kurzer Zeit und mit wenig Aufwand zu initiieren. Zunächst dient ein Blog zwar primär der Darstellung und Verbreitung von Äußerungen, Ansichten und Meinungen des Betreibers. Jedoch ist es weitgehend etabliert, dass die Beiträge des Bloggers von den Besuchern der Website mit eigenen Kommentaren versehen bzw. bewertet werden können. Für das Posten eines solchen Kommentars wird teilweise die Angabe eines Namens und einer E-Mail-Adresse oder alternativ des URL einer Website verlangt, wobei eine Verifizierung der angegeben Daten in der Regel nicht erfolgt, also auch fiktive Angaben – wie in einem Webforum – erfolgen können. Sowohl der ursprüngliche Eintrag des Bloggers, als auch die darauf folgenden Kommentare und Stellungnahmen sind dann für sämtliche Nutzer frei zugänglich. In einem Blog kann somit auf ähnliche Weise miteinander kommuniziert werden wie in einem Webforum oder einer Newsgroup im Usenet. 109 So z. B. das Blog des C. H. Beck Verlags zu juristischen Themen, vgl. unter http://blog.beck.de/ (zuletzt abgerufen am 10.08.2012). 110 So z. B. das Blog der ARD Tagesschau, vgl. unter http://blog.tagesschau.de/ (zuletzt abgerufen am 10.08.2012). 111 In deutscher Sprache gibt es beispielsweise mit Bildblog, vgl. unter http:// www.bildblog.de/ (zuletzt abgerufen am 10.08.2012), und Publikative.org, vgl. unter http://www.publikative.org/ (zuletzt abgerufen am 10.08.2012), Watchblogs mit gesellschaftlich-politischer bzw. medienkritischer Themenausrichtung.
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B. Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten des Internets
Der Betreiber des Blogs hat hierbei die Möglichkeit, die Kommentare sofort ungeprüft freizugeben oder diese zu moderieren und erst nach einer inhaltlichen Kontrolle freizuschalten oder zu verwerfen. Darüber hinaus kann er aber auch bereits gepostete Kommentare sowie eigene Einträge löschen. Die Funktionsweise entspricht damit weitgehend der eines Webforums, wobei jedoch ein Unterschied in der Rollenverteilung besteht. Während in einem Forum Nutzer auf gleicher Ebene miteinander kommunizieren und gleichrangige Beiträge abgeben, ist es in einem Blog dessen Initiator, der Blogger, der mit seinem Eintrag das Thema vorgibt, dem sich die anderen Nutzer dann mit ihren Kommentaren anschließen können. Eine Gemeinsamkeit besteht im Hinblick auf einen Großteil der Foren wiederum darin, dass Beiträge oftmals dauerhaft oder zumindest über einen längeren Zeitraum hin erhalten bleiben. Einträge und Kommentare in einem Blog unterliegen somit in der Regel einer langfristigen Archivierung. Zumindest hat derjenige, der einen Kommentar in dem Blog eines anderen abgibt, nach der endgültigen Absendung (z. B. durch Betätigen der Eingabetaste oder Anklicken des entsprechenden Funktionssymbols) keinen Einfluss mehr auf die Dauer und den Umfang der öffentlichen Wahrnehmbarkeit seiner Äußerung. e) Mikroblogs Mikroblogs gelten als eine spezielle Form des Blogs, weisen aber auch Ähnlichkeiten zu (geschlossenen) Webforen und Mailinglisten auf. Als bekanntester Anbieter von Mikroblogs gilt derzeit das Unternehmen Twitter112, dessen Name bereits zum faktischen Synonym für diesen Dienst113 geworden ist. Wie in einem herkömmlichen Blog werden Beiträge dabei auf einer entsprechenden Website gepostet und tabellarisch, entsprechend der Reihenfolge des jeweiligen Einstellungszeitpunkts, dargestellt. Im Unterschied zu anderen Kommunikationsmöglichkeiten im WWW und im Internet stehen in einem Mikroblog meist weniger als 200 Zeichen – bei dem Anbieter Twitter sind es z. B. 140 – für das Verfassen einer Mitteilung zur Verfügung. Die Kommunikation kann hier also ausschließlich in Form von Kurznachrichten/-mitteilungen geführt werden. Das Lesen und Kommentieren eines solchen Logs ist in der Regel jedem – also auch einem nicht registrierten – Nutzer ohne Beschränkung durch einfaches Abrufen der jeweiligen Website möglich, sofern der Verfasser des Mikroblogs dessen Zugänglichkeit nicht von vornherein auf registrierte Mitglieder beschränkt hat. Handelt es sich jedoch um einen eingeschränkten Kreis von Lese-/Schreibberechtigten so werden diese häufig auch als sog. „Follower“ bezeichnet. 112
http://twitter.com/ (zuletzt abgerufen am 10.08.2012). Eine Alternative stellt das Angebot identi.ca, vgl. unter http://identi.ca/ (zuletzt abgerufen am 10.08.2012), dar. Hierzu auch Naone, Technology Review Online vom 12.08.2008 unter http://www.heise.de/-275470.html (zuletzt abgerufen am 10.08.2012). 113
II. Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten im Einzelnen
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Ein weiterer deutlicher Unterschied besteht in den Möglichkeiten durch die das Einstellen der Beiträge erfolgen kann. Während die Teilnahme an der Kommunikation in einem herkömmlichen Blog das Aufsuchen der entsprechenden Website erfordert, können Beiträge in einem Mikroblog nicht nur direkt online auf der Website, sondern zusätzlich auch per E-Mail, Instant Messaging und sogar per SMS von einem Mobiltelefon übermittelt werden. Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit der Nachrichtenübermittlung über eigene Anwendungsprogramme – also Clients – des jeweiligen Diensteanbieters. Damit kann die Dynamik der Kommunikation in einem Mikroblog im Vergleich zu einem herkömmlichen Blog oder Webforum nochmals gesteigert werden. Gerade aufgrund dieser vielfältigen Zugangswege ist für das Einstellen und Abrufen von Beiträgen in einem Mikroblog das Aufsuchen einer Website per Browser nicht zwingend erforderlich, da dies eben nur einer von mehreren Zugangswegen ist. Gleichwohl wird man das Mikroblogging im Zuge der webbasierten Kommunikationsmittel erwähnen können, zumal eben auch ein nicht unwesentlicher Zugangsweg über die entsprechenden Websites gegeben ist. Das Mikroblogging beruht dabei verstärkt auf dem Prinzip des sozialen Netzwerks bzw. der Online-Community. So müssen sich die Teilnehmer, wie es auch bei vielen Webforen üblich ist, regelmäßig auf der Website des Diensteanbieters registrieren bzw. einen eigenen Account einrichten, wobei mindestens ein Pseudonym und ein persönliches Passwort anzugeben sind. Nach erfolgter Registrierung und Aufnahme in die Online-Community, verfügt das Mitglied dort über ein virtuelles Sprachrohr bzw. einen Verbreitungskanal, nämlich das eigene Mikroblog, über das die besagten Kurznachrichten publiziert werden können. Jedes Mitglied einer solchen Online-Community kann aber nicht nur über das eigene Mikroblog Nachrichten verbreiten, sondern auch die Mikroblogs anderer Mitglieder abbonieren, also deren Follower werden. In dieser Hinsicht besteht also eine Ähnlichkeit zu den Mailinglisten, bei denen ebenso regelmäßig eine Anmeldung als Listenteilnehmer erforderlich ist, um die über die entsprechende Liste verteilten E-Mails zu empfangen. Besteht ein solches Abonnement erfolgt eine automatische Zustellung der Kurznachrichten an den Abonnenten, so dass dieser nicht mehr selbst tätig werden muss, um an die gewünschten Mitteilungen zu kommen. Es ist damit also die freie Entscheidung des jeweiligen Teilnehmers, von welchen anderen Mitgliedern ihm die Kurznachrichten zugestellt werden sollen. Einfluss darauf, wer sein Mikroblog abonniert, hat ein Mitglied zwar nicht, jedoch kann es die Öffentlichkeit vom Zugang zu seinem Mikroblog ausschließen und diesen lediglich Abonnenten vorbehalten. Aus der Gruppe der verbleibenden (empfangsberechtigten) Abonnenten können dann wiederum selektive Ausschlüsse erfolgen. Auf diesem Wege ist es also möglich, zumindest einen Überblick über die Empfänger und deren Anzahl zu behalten.
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B. Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten des Internets
f) Webchat Der Webchat stellt praktisch das WWW-Pendant zum IRC114 dar und dient gleichermaßen der synchronen Kommunikation, welche auch hier in öffentlichen oder in ausgewählten Nutzern vorbehaltenen Chatrooms bzw. Channels stattfindet. Entsprechend den anderen Angeboten im WWW basiert auch der Webchat auf einer Website. Wiederum wird für den Zugriff regelmäßig der Browser verwendet, indem über diesen eine Verbindung zu dem Server, auf dem die Website gespeichert ist, hergestellt wird. Anders als beim IRC oder beim Instant Messaging wird ein besonderes Programm (Chat-Client) nicht benötigt, da die Eingabe des Mitteilungstextes hier in ein vom Browser dargestelltes Eingabefeld der Website erfolgt. Häufig kann ein Browser darüber hinaus aber auch selbst mittels einer entsprechenden Softwareerweiterung, einem sog. „Plugin“, Chatfunktionen unterstützen und damit praktisch ähnlich einem Chat-Client genutzt werden. Nach der Eingabe des Textes in das entsprechende Eingabefeld – entweder direkt online auf der Website oder über die Chatfunktion des Browsers – kann die Mitteilung an den Server, auf dem sich die Chat-Website befindet, gesendet werden. Dort wird die Nachricht dann sofort für sämtliche in diesem Channel bzw. Chatroom aktiven Teilnehmer sichtbar. Die Reaktion der anderen Teilnehmer erfolgt dann auf die gleiche Weise. Auch im Webchat wird der Nutzer sehen können, wie viele weitere Teilnehmer aktuell in einem Channel aktiv sind, da ihm selbige häufig in einer Liste angezeigt werden. Zudem gibt es in jedem Channel regelmäßig auch mindestens einen Nutzer mit Operatorstatus, welcher über die bereits beim IRC beschriebenen erweiterten Befugnisse verfügt. Gerade kommerzielle bzw. gewerbliche Anbieter sind oftmals an einer Individualisierung der Nutzer interessiert, um sich Kenntnis darüber zu verschaffen, wer ihren Dienst in Anspruch nimmt. Die Teilnahme an einem Webchat erfordert daher heutzutage – zwar nicht zwingend aber dennoch regelmäßig – die Registrierung des Nutzers beim Diensteanbieter. Hierzu werden häufig persönliche Daten wie Name, Geburtsdatum und die postalische Adresse abgefragt, in jedem Fall aber ist eine eigene gültige E-Mail-Adresse anzugeben. Will der Anbieter sicherstellen, dass nur real existierende Personen an dem Webchat teilnehmen und solche Personen ferngehalten werden, welche den Chat lediglich stören oder dort sogar Gesetzesverletzungen begehen wollen, so wird er diese Daten einer Verifizierung unterziehen und überprüfen müssen, ob selbige tatsächlich einer real existierenden Person zuzuordnen sind. Im Hinblick auf die wirkliche Identität des sich registrierenden Nutzers wird eine Verifizierung der angegebenen Daten jedoch kaum ohne Weiteres möglich sein, da auch die persönlichen Daten einer anderen (real existierenden) Person angegeben werden können. Zumindest 114
Vgl. dazu bereits oben B.II.1.d).
II. Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten im Einzelnen
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wäre ein spezielles Identifikationsverfahren115 erforderlich, um einen solchen Missbrauch fremder Identitätsdaten erkennen zu können. Das Auftreten unter einer zwar wirklich vorhandenen, aber dennoch fremden Identität ist somit im Hinblick auf die Praxis ein durchaus denkbarer Fall. Weiterhin muss sich der Teilnehmer eines Webchats einen individuellen Nutzernamen geben und – sofern eine Registrierung vom Anbieter verlangt wird – ein persönliches Passwort für den Zugang zum Webchat bestimmen. Ist die Teilnahme auch ohne obligatorische Registrierung möglich, reicht die bloße Angabe eines individuellen Nutzernamens zumeist aus116. Wie auch beim IRC ist es üblich, als Nutzernamen einen Nickname, also ein Pseudonym, welches gerade nicht dem realen Namen entspricht, zu wählen. In öffentlichen Channels kann jeder registrierte Nutzer nach erfolgter Anmeldung, d.h. nach Angabe des Nutzernamens und des persönlichen Passworts, sowie jeder Gast chatten. Im Gegensatz dazu ist die Teilnahme an geschlossenen Channels in der Regel ausschließlich besonders geprüften Nutzern vorbehalten. Die Vergabe einer solchen Teilnahmeberechtigung kann der Anbieter beispielsweise an eine erweiterte Verifizierung der persönlichen Registrierungsdaten knüpfen, indem er sich die Identität des betreffenden Nutzers zusätzlich durch Vorlage einer Kopie seines Personalausweises oder Reisepasses belegen lässt. Ein derart geprüfter Benutzer kann dann als besonders vertrauenswürdig gelten. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass eine Kommunikation stattfinden kann, welche gegenüber dem Austausch in den öffentlichen Channels ein höheres Maß an Glaubhaftigkeit, Zuverlässigkeit und Sicherheit bietet. Gleichwohl wird in der Praxis das Erfordernis einer solch strengen Identitätsüberprüfung jedoch nicht einheitlich bzw. standardmäßig an die Zulassung zu einem geschlossenen Channel gestellt. Eine Art Zwischenform stellen solche Chatangebote dar, die zwar einerseits nur wirklich geprüften und zugelassenen Mitgliedern die Abgabe von Äußerungen erlauben, es aber andererseits nicht verhindern, dass auch Nichtmitglieder Einblick in den Channel bzw. Chatroom nehmen können. Die dort stattfindende Kommunikation erfolgt also ebenfalls öffentlich, da praktisch jeder Nutzer des WWW diese durch einfaches Aufrufen der entsprechenden Website wahrnehmen kann, wenngleich ihm eine aktive Teilnahme, also das Abgeben eigener Äußerungen, nicht möglich ist. Insbesondere aufgrund der einfachen Bedienung über den Browser hat der Webchat deutlich an Bedeutung hinzugewonnen und stellt sich gerade für weniger geübte Nutzer bzw. Anfänger als einfachere Alternative zum IRC dar, denn 115 Exemplarisch kann hier auf das Angebot Postident der Deutschen Post verwiesen werden. 116 Während registrierte Nutzer eines Webchat häufig als „Teilnehmer“ oder „Mitglieder“ bezeichnet werden, werden nicht registrierte Nutzer meist als „Gäste“ geführt.
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B. Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten des Internets
während es für die Bedienung eines IRC-Clients spezieller IRC-Befehle bedarf, kann die Teilnahme an einem Webchat regelmäßig ohne weitere Vorkenntnisse erfolgen. Darüber hinaus ist auch die Nutzung von Instant-Messaging-Diensten mittlerweile über das WWW mit einem Browser möglich. Hierbei dienen Websites als Schnittstelle zwischen dem Nutzer und dem Diensteanbieter, so dass wiederum auch in diesem Fall auf die Nutzung eines speziellen, auf den jeweiligen Instant-Messaging-Dienst zugeschnittenen Clients, verzichtet werden kann. g) Webkonferenzen Im Unterschied zum Webchat, welcher nicht ausschließlich, aber überwiegend auf dem Austausch schriftlicher Texte beruht, kommt bei Webkonferenzen bzw. Online-Meetings, der visuellen Komponente eine erhöhte Bedeutung zu. Wie bei einer Konferenz in der realen Welt, gibt es auch bei einer Webkonferenz einen Initiator und eingeladene Teilnehmer, so dass davon auszugehen ist, dass die Kommunikation hier innerhalb eines (vorher) bestimmten Personenkreises stattfindet. Als Veranstaltungsort fungiert dabei die Website eines – in der Regel gewerblichen – Diensteanbieters, auf die mittels eines Browsers zugegriffen wird. Für die Teilnahme an der Webkonferenz übermittelt deren Initiator einen Zugangscode an die von ihm ausgewählten Personen und teilt diesen zugleich mit, wie der URL der Website des Diensteanbieters lautet und wann genau die Webkonferenz auf dieser Website abgehalten werden soll. Mittels dieser Zugangsberechtigung melden sich die eingeladenen Personen als Konferenzteilnehmer zum entsprechenden Zeitpunkt auf der Website des Diensteanbieters an. Nach erfolgreicher Anmeldung findet dann die Zusammenführung der Konferenzteilnehmer statt, indem für diese jeweils in einem Fenster auf dem eigenen Monitor der Bildschirminhalt, regelmäßig also der (virtuelle) Desktop117, des Konferenzleiters sichtbar wird. Folglich können nunmehr Inhalte jeglicher Art über den Computer des Konferenzleiters – z. B. durch das Abspielen einer Präsentation – an die anderen Teilnehmer übermittelt werden. Jedoch beschränkt sich die Informationsvermittlung hier nicht auf einen einseitigen Akt. Vielmehr ist es allen Teilnehmern möglich, multidirektional auf den angezeigten Desktop zuzugreifen und die dort dargestellten Inhalte aktiv zu verändern. So ist beispielsweise die gemeinsame Erstellung oder Bearbeitung einer Datei möglich, welche Text und Bildmaterial enthalten kann. Darüber hinaus kann auch der Status des Konferenzleiters zwischen den Teilnehmern wechseln, was zur Folge hat, dass damit jeweils auch der zur gemeinsamen Verfügung stehende Desktop entsprechend wechselt.
117 Bezeichnung für die auf dem Monitor visuell dargestellte virtuelle Arbeitsoberfläche des Computers.
II. Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten im Einzelnen
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Zusätzlich tritt neben den Informationsaustausch über den Desktop des jeweiligen Konferenzleiters meist noch die Möglichkeit der direkten verbalen Kommunikation in einer parallel laufenden Videokonferenz, einer Telefonzusammenschaltung oder einem Chat. Im Ergebnis bietet eine Webkonferenz somit einem (vorher)bestimmten, abgeschlossenen Personenkreis die Möglichkeit der multidirektionalen, interaktiven und synchronen Kommunikation. h) Webcasts Während in einer Webkonferenz regelmäßig eine gleichberechtigte Kommunikation zwischen mehreren Nutzern geführt wird, ist ein Webcast in erster Linie auf die einseitige Verbreitung von Inhalten gegenüber einem mehr oder weniger größeren Publikum, also eher unidirektional, angelegt. Im Unterschied zu überwiegend schriftlich orientierten WWW-Kommunikationsmitteln, wie Webmail, Webforen, Blogs oder Webchat, ist der Webcast überwiegend durch seine audiovisuelle Komponente geprägt und deshalb eher einer im Fernsehen oder Hörfunk übertragenen Sendung vergleichbar. Zunächst findet eine Aufzeichnung der Informationen statt. Die (dauerhafte) Speicherung erfolgt entweder nur in einem Audiodateiformat für einen Audiocast oder in einem Video- und Audiodateiformat für einen Videocast. Die jeweilige Datei wird anschließend auf einem Server gespeichert und über eine Website zum Download gegen Entgelt oder aber kostenlos bereitgestellt118. Durch das Abrufen dieser Datei von der Website wird eine Kopie auf dem Rechner des Nutzers angelegt. Je nach Konditionen des Anbieters kann die Datei dann entweder frei verfügbar sein, also beliebig oft angehört bzw. angesehen und auch eigenständig weiterverbreitet werden. Möglich ist es jedoch auch, die Datei mit einer Beschränkung zu versehen, welche darin bestehen kann, dass deren Nutzbarkeit entweder nach einer bestimmten Anzahl von Zugriffen oder aber einem bestimmten Zeitablauf verfällt. Alternativ kann ein Webcast aber auch in einem Stream bestehen. Diese Variante wird meist dann gewählt, wenn eine Vervielfältigung der entsprechenden Datei – häufig aus urheberrechtlichen Gründen – nicht erwünscht ist. Bei diesem Verfahren werden allein die Video- und/oder Audiosignale des aktuellen Datenstroms über den Rechner des Empfängers wiedergegeben. Eine Kopie der gesamten gestreamten Datei wird auf dem Rechner des Empfängers hingegen nicht angelegt. Neben dem Streaming von Dateien finden im Verfahren des LiveStreaming auch Direktübertragungen statt, bei denen eine vorherige Aufzeich118 Nicht ausschließlich, aber insbesondere für kommerzielle Audio- und Videoabrufdienste werden auch die Bezeichnungen „audio on demand“ (Audiodatei auf Abruf) bzw. „video on demand“ (Videodatei auf Abruf) verwendet. Ein kostenloses Angebot stellt z. B. die online verfügbare Tagesschau in 100 Sekunden der ARD, vgl. unter http://www.tagesschau.de/tagesschau24/ (zuletzt abgerufen am 10.08.2012), dar.
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B. Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten des Internets
nung der Informationen grundsätzlich ausgeschlossen ist119. Der betreffende Datenstrom wird in diesem Fall also lediglich zu einem bestimmten Zeitpunkt in Echtzeit im WWW übertragen, so dass der interessierte Nutzer die Inhalte folglich auch nur dann wahrnehmen kann, wenn er zum genauen Zeitpunkt des LiveStreams auf die konkrete Website des Anbieters mittels eines Browsers zugreift. Häufig werden Webcasts als eine Komponente innerhalb einer eigenen WWWPräsenz zur Verbreitung eigener Inhalte verwendet120. Jedoch muss der Anbieter des Dienstes, also der Betreiber der Website, nicht zwingend auch Urheber der betreffenden Audio- oder Videodateien sein, denn die eigene Website kann durchaus auch für die Verbreitung fremder Audio- und Videodateien zur Verfügung gestellt werden. Die Verantwortung für die bereitgestellten Inhalte wird – analog den Grundsätzen zur Forenhaftung121 – bei demjenigen zu sehen sein, welcher diese auch tatsächlich mit entsprechendem Bewusstsein und durch aktive Handlung zugänglich gemacht hat. Dies kann der Betreiber der Website selbst oder aber auch – sofern keine Personenidentität vorliegt – der Urheber sein, wenn dieser befugt ist, seine Dateien eigenständig über die Website des Anbieters bereitzustellen und somit der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Um den Empfängerkreis derartiger Ausstrahlungen zumindest ansatzweise bestimmen zu können, ist es möglich, das Ansehen bzw. Anhören des Webcasts auf der Website von einem Zugangscode abhängig zu machen und diesen dann nur den gewünschten Personen zukommen zu lassen. Weiterhin kann sich der Anbieter (zumindest in gewissem Umfang) einen Überblick über die Nutzer verschaffen, indem er von diesen vor der erstmaligen Inanspruchnahme des Angebots jeweils eine Registrierung verlangt. In diesem Fall muss sich der Nutzer dann bei jedem Zugriff auf die Website unter Angabe eines Nutzernamens und eines persönlichen Passworts anmelden. In diesem Punkt besteht somit eine Ähnlichkeit zu den FTP-Angeboten im Internet122, welche ebenfalls öffentlich, also frei zugänglich, oder aber geschlossen sein können. 119 Einen Live-Stream bieten beispielsweise die United Nations (UN) an, vgl. unter http://www.un.org/webcast/index (zuletzt abgerufen am 10.08.2012). In regelmäßigen Abständen bietet auch die European Organization for Nuclear Research (CERN) Übertragungen als Live-Stream an, vgl. unter http://webcast.cern.ch/ (zuletzt abgerufen am 10.08.2012). So wie die Hörfunkprogramme von Deutschlandfunk, Deutschlandradio Kultur und DRadio Wissen in der direkten Online-Übertragung empfangbar sind, vgl. unter http://www.dradio.de/ (zuletzt abgerufen am 10.08.2012), können auch die aktuellen Ausgaben der ARD Tagesschau online angesehen werden, vgl. unter http:// www.tagesschau.de/multimedia/livestreams/index.html (zuletzt abgerufen am 10.08. 2012). 120 So z. B. die abrufbaren Videocasts der Bundeskanzlerin auf deren Website, vgl. unter http://www.bundeskanzlerin.de/Webs/BK/De/Mediathek/Videos/videos.html (zuletzt abgerufen am 10.08.2012). 121 Vgl. dazu bereits oben B.II.2.c) sowie zur Verantwortlichkeit der Diensteanbieter ausführlich unten C.IV.4. 122 Vgl. dazu bereits oben B.II.1.e).
II. Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten im Einzelnen
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Im Zuge der Entwicklung des Web 2.0 entstanden auch Dienste, welche überwiegend als Plattform bzw. Portal zur Publikation fremder Inhalte dienen und dementsprechend von einer Vielzahl von Nutzern in Anspruch genommen werden können. Entsprechend der Philosophie des Web 2.0 existiert hier also nicht ein professioneller Produzent von Audio- oder Videodateien, der diese über seine Website anbietet, sondern die Nutzer selbst stellen eigene Dateien – sog. „user generated content“ – für andere Nutzer als Webcast bereit. Der Webdienst besteht also tatsächlich „nur noch“ darin, eine Plattform im WWW anzubieten, auf der dann die Nutzer sowohl als bereitstellende Publizisten als auch als abrufende Rezipienten auftreten können123. Während für das Bereitstellen bzw. Publizieren von Inhalten per Webcast, meist eine Registrierung beim Anbieter des Dienstes erforderlich ist, ist der Zugriff auf die Dateien häufig ohne Einschränkungen möglich. Ähnlich wie Beiträge in einem Forum können daher – ungeachtet der Frage, ob dies möglicherweise einen Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen des Anbieters darstellt – auch Audio- und Videodateien strafbaren Inhalts auf der Website gepostet und damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Da das Posten einer Datei regelmäßig deren Überspielung auf einen Server des Diensteanbieters erfordert, entlässt der publizierende Nutzer seine Inhalte damit regelmäßig aus seinem Macht- und Einflussbereich, so dass er danach auch keinen Einfluss mehr darauf nehmen können wird, welche und wie viele andere Nutzer des Dienstes Kenntnis von den bereitgestellten Inhalten nehmen werden. i) Soziale Netzwerke Ähnlich wie der Begriff des „Web 2.0“ steht auch die Bezeichnung „soziales Netzwerk“ nicht für eine spezielle Kommunikationstechnologie i. e. S. Vielmehr dient diese Bezeichnung für Angebote im WWW deren vornehmlicher Zweck darin besteht, Plattformen für die bereits mehrfach erwähnten Online-Communities zu installieren. Hierbei gibt es sowohl solche Angebote, die sich an die breite Masse richten, als auch solche, die bestimmte Zielgruppen ansprechen und folglich eher interessenorientiert ausgerichtet sind. Eine Gemeinsamkeit besteht jedoch bei allen sozialen Netzwerken darin, dass diese darauf ausgerichtet sind, die Kontaktaufnahme bzw. Kommunikation zwischen Menschen zu ermöglichen und zu fördern. Folgerichtig zeichnen sich diese sozialen Netzwerke insbesondere dadurch aus, dass sie den Nutzern unter einer einheitlichen Website einerseits diverse Kommunikationsmöglichkeiten wie E-Mail, Chats, Foren, Blogs, Mikroblogs und Instant 123 Als eine der momentan bekanntesten Video-/Musikplattformen gilt YouTube, vgl. unter http://www.youtube.com/ (zuletzt abgerufen am 10.08.2012), bei der die Inhalte von den Nutzern selbst generiert und kostenlos bereitgestellt werden können.
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B. Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten des Internets
Messaging zur Verfügung stellen und andererseits zusätzliche Serviceleistungen wie z. B. die Einrichtung persönlicher Profilseiten, Kontaktlisten bzw. Adressbücher, Mitgliedersuchfunktionen und Tauschbörsen anbieten124. Essentielle Bedeutung kommt dabei gerade den persönlichen Profilseiten zu, denn eine solche Profilseite benötigt der Nutzer, um sich selbst in dem Netzwerk zu präsentieren bzw. darzustellen. Auf der Profilseite kann der Netzwerkteilnehmer regelmäßig Angaben zur Beschreibung der eigenen Person – wie z. B. seinen Namen, sein Alter und seinen Wohnort, aber auch seine Hobbys und Interessen oder seinen Beruf etc. – sowie häufig auch Fotos und Videos veröffentlichen. Bei einigen Netzwerken, deren Leistungsangebot die Anwendung des Webcasting beinhaltet, kommt der Möglichkeit der Publikation eigener Inhalte in Form von Audio- und Videodateien sogar eine tragende Bedeutung zu125. Weiterhin ist eine persönliche Profilseite die Grundlage dafür, dass deren Inhaber von anderen Mitgliedern mittels einer entsprechenden netzwerkspezifischen Suchfunktion gefunden werden kann. Zudem bietet eine Profilseite ihrem Verwender die Möglichkeit, von anderen Netzwerkmitgliedern kontaktiert zu werden. Häufig können in einem speziellen Bereich bzw. Fenster auf der Profilseite öffentliche Nachrichten, ähnlich wie in einem Forum, einem Blog oder einer Newsgroup, von anderen Mitgliedern gepostet werden. Um einer (ungewünschten) all zu umfangreichen Preisgabe bzw. Wahrnehmung seiner persönlichen Angaben und bereitgestellten Inhalte vorzubeugen, kann der Verwender der Profilseite deren öffentliche Einsehbarkeit beschränken, indem er selbst festlegt, welche Personen Einblick in welche Angaben bzw. Bereiche dieser Seite haben dürfen. Diesbezüglich kann die (selbst bestimmbare) Öffentlichkeit der persönlichen Profildaten und Inhalte – je nach Netzwerk – in zwei bis drei Intensitätsstufen eingeteilt werden. Daten auf der Stufe der höchsten Öffentlichkeitswirksamkeit (Stufe 1) können dabei von allen Nutzern des WWW bzw. Besuchern der Netzwerkseite eingesehen werden. In diesen Bereichen ist die persönliche Profilseite also ohne Einschränkung und in vollem Umfang öffentlich126. Eine erste Einschränkung der Einsehbarkeit der persönlichen Daten 124 Vgl. speziell zur Funktionsweise des sozialen Netzwerks Facebook Schulte/Kanz, ZJS 2013, 24 (24 f.). 125 So wird z. B. das soziale Netzwerk MySpace, vgl. unter http://www.my space.com/ (zuletzt abgerufen am 10.08.2012), neben der Kommunikation mit anderen Mitgliedern insbesondere auch zum Publizieren von Musik in Form von Audiodateien zum Download oder per Streaming genutzt. Hierzu auch Brüderlin, NZZ Online vom 16.11.2007, unter http://www.nzz.ch/_1.585119.html (zuletzt abgerufen am 10.08. 2012). 126 Während der Netzwerkanbieter Facebook, vgl. unter http://www.facebook.com/ (zuletzt abgerufen am 10.08.2012), es seinen Mitgliedern ermöglicht, die eigene Profilseite bzw. Teile von dieser (z. B. Name und Foto) unbeschränkt öffentlich zu machen, schließt der Netzwerkanbieter StudiVZ, vgl. unter http://www.studivz.net/ (zuletzt abgerufen am 10.08.2012), diese weit reichende Öffentlichkeit für die Profilseiten seiner
II. Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten im Einzelnen
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kann dadurch erreicht werden, dass die Profilseite insgesamt oder einzelne Angaben von ihrem Verwender so definiert werden, dass nur Mitglieder des Netzwerks, nicht aber jeder Nutzer des WWW, diese sehen können (Stufe 2)127. Den weitestgehenden Schutz vor einer öffentlichen Einsehbarkeit der persönlichen Daten (Stufe 3) bietet schließlich die Funktion, die Profilseite insgesamt oder einzelne Angaben wiederum so zu definieren, dass diese nur von ganz bestimmten, vom Inhaber der Profilseite selbst ausgewählten Netzwerkmitgliedern eingesehen werden können. Lediglich bei den der Stufe 3 unterliegenden Teilen der Profilseite kann sich daher für den Inhaber der Profilseite ein überschaubarer Personenkreis ergeben128. Schließlich hat jedes Netzwerkmitglied zudem noch die Möglichkeit, andere Mitglieder selektiv vom Zugang zu seiner Profilseite auszuschließen, so dass den Betroffenen nach einer solchen individuellen Sperrung weder das Ansehen der Profilseite, noch eine anderweitige Kontaktaufnahme möglich sind. Da bei allen sozialen Netzwerken besonderer Wert auf die Bildung einer Online-Community gelegt wird, müssen sich die Teilnehmer vor der ersten Nutzung grundsätzlich beim Anbieter registrieren. Im Zuge dessen muss der Teilnehmer nicht nur ein persönliches Passwort wählen, sondern dem Betreiber regelmäßig auch persönliche Daten, wie u. a. den vollständigen Namen, das Geburtstagsdatum und gegebenenfalls auch das Geschlecht, angeben129. In Verbindung mit den freiwillig gemachten Angaben im Rahmen des persönlichen Nutzerprofils kommt es im Ergebnis regelmäßig zu einer umfangreichen Weitergabe sensibler persönlicher Daten an den Betreiber des Netzwerks. Wie aber z. B. auch beim Webchat ist es möglich, sich unter einer Scheinidentität zu registrieren und unter selbiger in dem Netzwerk aufzutreten. Zwar wird seitens der Betreiber eine VeriMitglieder – jedenfalls soweit es sich um Privatpersonen handelt – bereits von vornherein aus, so dass hier nicht von außerhalb des Netzwerks, z. B. über Suchdienste wie Google, vgl. unter http://www.google.de/ (zuletzt abgerufen am 10.08.2012), oder 123people.de, vgl. unter http://www.123people.de/ (zuletzt abgerufen am 10.08.2012), auf die persönlichen Daten zugegriffen werden kann. 127 Da die sozialen Netzwerke im WWW regelmäßig mehrere tausend, meist sogar mehrere Millionen Mitglieder haben, bleibt die Öffentlichkeit der persönlichen Profilseite annähernd genau so groß wie auf Stufe 1. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass hier nicht von außerhalb des Netzwerks auf die betreffenden Daten zugegriffen werden kann. 128 Bei den sozialen Netzwerken Facebook und StudiVZ sind dies diejenigen Netzwerkmitglieder, welche von dem Inhaber der persönlichen Profilseite als sog. „Freunde“ akzeptiert worden sind. Vgl. exemplarisch hierzu auch die Sicherheitstipps von StudiVZ unter http://www.studivz.net/l/security/5/ (zuletzt abgerufen am 10.08.2012). Zu den Konsequenzen im Hinblick auf die Überschaubarkeit der Freundesliste durch die Betätigung der Like-Funktion im sozialen Netzwerk Facebook Schulte/Kanz, ZJS 2013, 24 (27 f.). 129 Vgl. beispielsweise die Registrierungsformulare von Facebook, vgl. unter http:// www.facebook.com/ (zuletzt abgerufen am 10.08.2012), und StudiVZ, vgl. unter https://secure.studivz.net/Register/Step1b (zuletzt abgerufen am 10.08.2012).
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B. Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten des Internets
fizierung der Registrierungsdaten regelmäßig nicht durchgeführt, jedoch können diese sich vorbehalten, Profilseiten bereits dann zu löschen, wenn allein der Verdacht besteht, dass der dort angegebene Nutzer nicht real existiert bzw. es sich um eine Scheinidentität handelt. Zudem ist für jede Nutzung, d.h. jedes Aufsuchen des sozialen Netzwerks, eine Anmeldung unter Angabe eines Benutzernamens bzw. einer eigenen gültigen E-Mail-Adresse und eines persönlichen Passworts erforderlich. Hierdurch kann der Betreiber des Netzwerks das (Kommunikations)Verhalten eines jeden Nutzers individuell beobachten, analysieren und daraus weitere Rückschlüsse auf dessen Persönlichkeit ziehen, was ihn wiederum in die Lage versetzt, konkrete personenbezogene Werbung zu schalten. Im Hinblick auf den Datenschutz der Nutzer hat dies bereits zu weitreichender Kritik an den Anbietern geführt130. Die Nutzung und die Funktionen der hier gebündelt angebotenen Kommunikationsmöglichkeiten entsprechen im Einzelnen jeweils der üblichen Art und Weise, so dass diesbezüglich auf die bereits erfolgten Ausführungen verwiesen werden kann und eine (erneute) eingehende Darstellung von E-Mail-Versand und -Empfang, Kommunikation in Chats sowie Postings in Foren, Blogs und Mikroblogs lediglich eine Wiederholung des bereits Beschriebenen wäre. Festzuhalten bleibt damit, dass die Mitglieder eines sozialen Netzwerks sowohl öffentlich, d.h. ohne Begrenzung der Rezipienten, als auch nicht öffentlich in kleineren Gruppen oder auch nur zu zweit miteinander kommunizieren können. Das Charakteristische an den sozialen Netzwerken im WWW sind somit nicht die einzelnen Kommunikationsmöglichkeiten als solche, sondern vielmehr deren Anwendungs- und Wirkbereich. Die bekannten Kommunikationsmöglichkeiten erfahren nämlich eine Effektivierung bzw. einen Mehrwert dadurch, dass diese speziell auf das Profil des jeweiligen sozialen Netzwerks bzw. die Bedürfnisse der Nutzer (z. B. Knüpfen beruflicher Kontakte) zugeschnitten sind, durch ergänzende Such- und Speicherfunktionen unterstützt werden und nur den Mitgliedern der Online-Community zur Verfügung stehen. j) Webbasiertes Share- und Filehosting Für die Übertragung von Dateien stellen Share- bzw. Filehoster-Angebote im WWW häufig genutzte Möglichkeiten dar. Diese Angebote basieren in der Regel auf einer Website, so dass per Browser auf sie zugegriffen werden kann. Wird ein Share- bzw. Filehoster in Anspruch genommen, um Dateien zum Abruf bereitzustellen, erhält der Bereitsteller vom Diensteanbieter eine spezielle 130 Diesbezüglich z. B. Boie, sueddeutsche.de vom 25.03.2010 unter http://www. sueddeutsche.de/digital/facebook-und-co-in-der-kritik-gierig-nach-daten-1.22950 (zuletzt abgerufen am 10.08.2012).
III. Allgemeine Differenzierungskriterien für Kommunikationsmittel
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Download-Adresse. Dies ist der URL unter dem die auf dem Server abgespeicherte Datei abgerufen werden kann. Der Abruf der so bereitgestellten Datei ist folglich nur demjenigen möglich, der den konkreten URL – d.h. die DownloadAdresse – kennt, so dass der URL hier praktisch als Schlüssel zu der entsprechenden Datei funktioniert. Der Bereitsteller kann hiernach absolut eigenständig darüber entscheiden, wer Zugang zu der betreffenden Datei haben soll, indem er nur den von ihm ausgewählten Personen den passenden URL mitteilt. Mehr noch als bei einem nicht öffentlichen FTP-Server131 kann damit der Kreis der Adressaten nicht nur überblickt bzw. eingegrenzt, sondern bereits von vornherein konkret festgelegt werden. Die Gefahr der unkontrollierbaren Vergrößerung des zugangsberechtigten Adressatenkreises ist dabei letztlich eine Frage der Vertrauenswürdigkeit der vom Bereitsteller ausgewählten Personen. Wie beispielsweise bei der Weitergabe eines Tresorschlüssels, obliegt es regelmäßig dem Bereitsteller, abzuwägen welche Personen vertrauenswürdig sind und den Schlüssel bzw. die Download-Adresse erhalten können bzw. bei welchen Personen aufgrund mangelnder Vertrauenswürdigkeit die Gefahr der Weitergabe der Download-Adresse an Dritte – z. B. durch Veröffentlichung auf einer Website – besteht. Gibt der Bereitsteller einer Datei also nach sorgfältiger und gewissenhafter Abwägung die Download-Adresse nur an vertrauenswürdige Personen weiter, bietet sich die Nutzung eines Filehosters gerade für die Ansprache einzelner Adressaten oder aber kleinerer konkretisierbarer Adressatenkreise an.
III. Allgemeine Differenzierungskriterien für die Kommunikationsmittel des Internets Aus dem soeben gegebenen Überblick über die wesentlichen Kommunikationsmöglichkeiten des Internets und des WWW lässt sich die Erkenntnis gewinnen, dass diese nicht nur in einer Vielzahl, sondern auch in einer Vielgestaltigkeit existieren. So verfügt letztlich jedes Internetkommunikationsmittel über spezifische Merkmale, die dessen eigenen Charakter ausmachen. Hieraus ergeben sich wiederum vielfache Möglichkeiten, um zwischen diesen Kommunikationsmitteln zu unterscheiden. Die – zumindest im Hinblick auf die vorliegend zu untersuchende Problematik – wichtigsten Differenzierungskriterien sollen hier kurz aufgezeigt werden. 1. Differenzierung nach der Reichweite des Kommunikationsmittels Als ein grundlegendes Unterscheidungsmerkmal im Bereich der computervermittelten Kommunikation gilt die Reichweite eines Kommunikationsmittels im
131
Zur Dateiübertragung nach dem Verfahren des FTP vgl. oben B.II.1.e).
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B. Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten des Internets
Hinblick auf die als Sender und Empfänger beteiligten Personen132. So gibt es einerseits Dienste, welche auf die individuelle Kommunikation zugeschnitten sind, genauso wie solche, die der Massenkommunikation dienen. Um Individualkommunikation handelt es sich, wenn die Kommunikationsbeziehung entweder zwischen zwei oder auch mehreren jeweils konkret bestimmten Personen besteht133. Oftmals treten die Beteiligten hier zugleich als Sender und Empfänger auf und es findet ein kommunikativer Austausch i. e. S. – bidirektional zwischen zwei Personen oder multidirektional in einer Gruppe – statt134. Entscheidend ist jedoch sowohl für die Zwei-Personen- als auch für die Gruppensituation, dass für jeden Teilnehmer die anderen Beteiligten konkret feststehen bzw. erkennbar, mitunter sogar bestimmbar sind. Das klassische Beispiel hierfür ist das Gespräch zwischen zwei oder mehreren Personen. Demnach kommen für die Individualkommunikation im Internet solche Dienste in Betracht, bei denen es möglich ist, über die beteiligten Sender- und Empfängerkreise eine zahlenmäßige Überschaubarkeit zu erlangen und/oder die beteiligten Personen anhand bestimmter Merkmale zu individualisieren. Dies können u. a. E-Mail, Webkonferenzen, aber auch nicht öffentliche Channels im IRC und im Webchat sein. Andererseits können Kommunikationsbeziehungen aber auch auf die einseitige Informationsvermittlung eines Senders an eine – sowohl in der Anzahl als auch in der Identität des Einzelnen – unbestimmte Mehrheit von Personen abzielen, was als Massenkommunikation bezeichnet werden kann135. Im Unterschied zur Individualkommunikation steht hier mithin nicht der (gleichberechtigte) Informationsaustausch, sondern die einseitige und massenhafte, also unidirektionale Informationsverbreitung im Vordergrund136. Als aus dem Alltag bekannte Beispiele können hier Zeitungen, das Fernsehen oder auch der Hörfunk genannt werden. Für eine derartige unidirektionale Informationsverbreitung im Internet kommen demnach solche Dienste in Betracht, die die Ansprache eines unüberschaubar großen und nicht individualisierbaren Empfängerkreises ermöglichen. Dies können z. B. frei zugängliche Webcast-Angebote, öffentliche Diskussionsforen, E-Mail-Newsletter oder ein unbeschränkt möglicher Dateiabruf mittels FTP137 sein. Hinsichtlich des Strafrechts ist das Differenzierungskriterium der Reichweite des Kommunikationsmittels folglich insbesondere dann von Bedeutung, wenn es 132
Hierzu auch Misoch, S. 55 f. Germann, S. 100; Misoch, S. 34. 134 Daher werden für diese Kommunikationsstruktur auch die Begriffe „one-to-one“ (einer an einen) bzw. „many-to-many“ (viele an viele) verwendet; vgl. auch Misoch, S. 55. 135 Germann, S. 101; Misoch, S. 34 f. 136 Daher wird diese Kommunikationsstruktur auch mit dem Begriff „one-to-many“ (einer an viele) bezeichnet; vgl. auch Misoch, S. 55. 137 Germann, S. 77. 133
III. Allgemeine Differenzierungskriterien für Kommunikationsmittel
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für die Beurteilung der Strafbarkeit gerade (auch) entscheidend darauf ankommt, wie viele Personen als Adressaten einer bestimmten Äußerung angesprochen bzw. als Empfänger eines bestimmten Inhalts in den Blick genommen werden, wie z. B. bei § 111 StGB138, der explizit eine Aufforderung zu Straftaten gegenüber der Öffentlichkeit139 voraussetzt. 2. Differenzierung nach der Zeitlichkeit des Kommunikationsmittels Ein weiteres essentielles Unterscheidungsmerkmal für computervermittelte Kommunikation besteht in der Zeitlichkeit, genauer gesagt in der Differenzierung zwischen zeitgleicher (synchroner) und zeitlich versetzter (asynchroner) Kommunikation140. Von einer synchronen Kommunikationssituation ist regelmäßig dann auszugehen, wenn der Informationsaustausch ohne Zeitverlust stattfindet, also die Informationen den Empfänger in dem Moment erreichen, in dem der Sender selbige abgibt. Dies setzt prinzipiell voraus, dass die zwischen Sender und Empfänger ausgetauschten Inhalte dasselbe „Format“ besitzen und eine etwaige Umwandlung in verständliche Zeichen – beispielsweise akustisch und/oder visuell wahrnehmbare Signale – nicht erforderlich ist, so z. B. bei einem Gespräch unter gleichzeitiger räumlicher Anwesenheit der Beteiligten. Der Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel erfordert jedoch zwingend eine Übersetzung bzw. Transformierung der vom Sender abgegebenen Informationen. So werden z. B. bei einem Telefonat die gesprochenen Schallwellen vor dem Übermittlungsvorgang von akustischen in elektrische Signale umgewandelt (sog. „Enkodierung“) und wieder zurückgewandelt (sog. „Dekodierung“), wenn sie den Empfänger erreicht haben. Wie bei einem Telefongespräch erfolgt heutzutage aber auch die Datenumwandlung und -übertragung im Internet so schnell, dass der dadurch entstehende Zeitverzug für die Beteiligten kaum wahrnehmbar ist, weshalb auch hier Synchronizität gegeben ist. Als synchron bzw. zeitgleich sind daher diejenigen Internetkommunikationsmittel zu bezeichnen, welche unter koinzidenter Nutzung durch die Beteiligten einen unverzüglichen Informationsaustausch ermöglichen. Dies trifft insbesondere auf den Chat in seinen unterschiedlichen Formen, also den IRC und den Webchat, aber auch auf Webkonferenzen zu. Das Gegenstück zu den synchronen stellen die asynchronen Internetkommunikationsmöglichkeiten dar, bei denen die Äußerung einer Information und deren Zugang zeitlich auseinanderfallen. Dies bringt einerseits zwar einen verzögerten bzw. verlangsamten Informationsaustausch mit sich, erfordert dafür aber auch nicht die koinzidente Teilnahme an einem Kommunikationsvorgang. Von den 138 139 140
Vgl. zu diesem Tatbestand auch noch ausführlich unten C.V.2.f). Vgl. zum Merkmal „öffentlich“ auch unten C.IV.3. Hierzu wiederum Misoch, S. 54 f.
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B. Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten des Internets
klassischen Kommunikationsmitteln her, ist hier beispielsweise der Briefverkehr zu nennen. Im Internet sind daher insbesondere solche Dienste als asynchron zu klassifizieren, welche einen Informationsaustausch auch dann ermöglichen, wenn Sender und Empfänger nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt gleichzeitig online sind. So ist asynchrone Kommunikation u. a. über E-Mail, Mailinglisten, UsenetNewsgroups, Webforen und Blogs möglich. Für strafrechtlich zu beurteilende Sachverhalte erweist sich die Differenzierung zwischen synchroner und asynchroner Kommunikation im Internet insofern als relevant, als dass dem zeitlichen Aspekt hinsichtlich der betreffenden Kommunikationshandlung bei ausschließlich synchron funktionierenden Internetkommunikationsmitteln ein wesentlich stärkeres Gewicht zukommt als bei asynchron funktionierenden. Beispielsweise wird eine Äußerung in einem (wesensgemäß temporären) Chat regelmäßig nicht eine derartige Perpetuierung erfahren, wie es bei einem Forum oder einer E-Mail der Fall ist. Für deren Beurteilung – z. B. als öffentlich oder nicht öffentlich – kann hierbei also allein auf den begrenzten Zeitraum des Bestehens des Chats abgestellt werden, während dieselbe Äußerung, wäre sie in einem Forum gepostet und damit praktisch „verewigt“ worden, aufgrund des deutlich größeren zeitlichen Wirkungs- bzw. Wahrnehmbarkeitsbereichs möglicherweise auch eine im Ergebnis andere rechtliche Bewertung gerechtfertigt bzw. sogar erfordert hätte. Zudem wird das vorliegende Unterscheidungsmerkmal insbesondere auch dann bedeutsam werden, wenn es für die Erfüllung eines Straftatbestands in entscheidender Weise gerade auf das Vorliegen einer zeitgleichen Kommunikation ankommt141. 3. Weitere Differenzierungsmöglichkeiten Neben der Unterscheidung im Hinblick auf Reichweite und Zeitlichkeit sind vielfältige weitere Differenzierungsmöglichkeiten denkbar. So können Kommunikationsdienste im Internet z. B. nach ihrer Zugänglichkeit im Hinblick auf die Nutzer unterschieden werden. Eine Abstufung könnte demnach dahingehend vorgenommen werden, dass ein Angebot für den Nutzer gänzlich ohne Registrierung und jeweilige Anmeldung, also vollkommen frei, nur nach Registrierung und jeweiliger Anmeldung oder sogar nur nach Registrierung und Verifizierung der Daten durch den Anbieter sowie jeweiliger Anmeldung zugänglich ist. Weiterhin kann auch nach der Art der Nutzung, genauer gesagt nach der erforderlichen Kommunikationsaktivität im Hinblick auf die Informationsbeschaffung, differenziert werden. Hierbei könnten zunächst solche Kommunikationsdienste 141 Vgl. in diesem Zusammenhang vor allem die Diskussion zur Versammlungsalternative des § 111 I StGB unten C.V.2.f)ff).
III. Allgemeine Differenzierungskriterien für Kommunikationsmittel
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bzw. Internetangebote zusammengefasst werden, welche die entsprechenden Informationen automatisch zur Verfügung stellen bzw. bereithalten, so dass der interessierte Nutzer diese lediglich noch abrufen muss. Dies ist u. a. denkbar bei automatisierten E-Mail-Informationsdiensten, rein informatorisch angelegten Websites und Webcasts oder auch FTP-Diensten. Das Pendant besteht demnach in solchen Diensten, welche mehr als nur das bloße Abrufen schon bereitgestellter bzw. automatisierter Informationen erfordern. So verlangt z. B. die Informationsbeschaffung in einem Chat oder per individueller E-Mail(-Anfrage) eine weitaus umfangreichere Kommunikationsaktivität des Nutzers, da hier die gesuchten Informationen noch nicht automatisiert bereitgehalten werden bzw. zugestellt worden sind. Eine Mischform, welche die Elemente beider zuvor erwähnter Typen aufweist, könnten Beiträge in einem Webforum bzw. einer Usenet-Newsgroup darstellen. Hier kommt es zunächst ebenfalls erst auf aktive Anfrage eines Teilnehmers zur Bereitstellung entsprechender Informationen durch andere Teilnehmer. Ist die erfragte Information dann aber – in Form eines Postings auf der entsprechenden Website bzw. in der entsprechenden Newsgroup – gegeben worden, wird sie in vielen Fällen längerfristig verfügbar sein, so dass weitere Nutzer die nunmehr bereits vorgehaltene Information nur noch von der Website bzw. dem News-Server abrufen müssen. Eine Unterscheidung kann ferner hinsichtlich der Möglichkeit der inhaltlichen Kontrolle der jeweils zur Bereitstellung bestimmten Informationen getroffen werden. So gibt es einerseits Kommunikationsdienste im Internet, in denen die Äußerungen bzw. die zur Verfügung zu stellenden Informationen vor der Freigabe daraufhin geprüft werden, ob deren Inhalt nicht beleidigender bzw. diffamierender Art oder anderweitig von strafrechtlicher Relevanz ist. Eine solche Kontrolle – denkbar in Form einer der Freigabe vorgelagerten Inhaltsprüfung und/oder einer nachträglichen Löschungsmöglichkeit – kann stattfinden, wenn der genutzte Kommunikationsdienst, z. B. ein Chat, ein Webforum, eine Usenet-Newsgroup, ein Blog, ein Webcast oder auch ein FTP-Dienst, durch einen entsprechenden Moderator oder Administrator „moderiert“, also überwacht wird. Ebenso kann es aber auch der Fall sein, dass die betreffenden Kommunikationsdienste ohne eine solche Inhaltskontrolle angeboten und genutzt werden. Schließlich ist auch eine Differenzierung nach der Form der zu vermittelnden Informationen denkbar. So gibt es Dienste wie E-Mail, Chats, Webforen und Usenet-Newsgroups, welche ausschließlich oder überwiegend auf einer Informationsvermittlung durch geschriebenen Text beruhen. Dem gegenüber stehen Angebote im WWW, welche die zu vermittelnden Informationen in erster Linie über (bewegte) Bilder und Töne, also audiovisuell, transportieren. Zu nennen sind diesbezüglich vor allem Webcasts und Webkonferenzen. Abschließend bleibt festzuhalten, dass es eine enorm große Bandbreite von denkbaren Differenzierungskriterien für die Kommunikationsmittel des Internets
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B. Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten des Internets
gibt. Im Hinblick auf den dieser Arbeit zugrundeliegenden strafrechtlichen Untersuchungsgegenstand wird dabei jedenfalls dem Kriterium der Reichweite142 eine nicht unwesentliche Rolle zukommen, denn bereits jetzt kann darauf hingewiesen werden, dass es für die Verwirklichung einiger der vorliegend relevanten Tatbestandshandlungen – beispielsweise das Bestimmen i. S. v. §§ 26, 30 I StGB oder das Auffordern i. S. v. § 111 StGB – durchaus entscheidend ist, ob diese gegenüber zahlenmäßig überschaubaren und/oder individuell bestimmbaren Adressaten (Individualkommunikation) oder gegenüber einem völlig unüberschaubaren Personenkreis (Massenkommunikation) erfolgen.
142
Vgl. zuvor B.III.1.
C. Die strafrechtlich relevanten Formen kommunikativer Beeinflussung I. Der Begriff der „interpersonalen Kommunikation“ Nachdem die Kommunikationsmittel des Internets ausführlich vorgestellt worden sind, soll das Augenmerk im Folgenden vor allem auf diejenigen Tatbestände des StGB gelegt werden, welche im Hinblick auf zwischenmenschliche Kommunikationsvorgänge und -beziehungen relevant sein können. Zunächst kann hierfür allerdings nicht auf einen allgemeingültigen Begriff der „Kommunikation“ zurückgegriffen werden. Regelmäßig handelt es sich bei diesem Phänomen doch um einen alltäglichen, nahezu alle Lebensbereiche umfassenden und somit für das gesellschaftliche Leben praktisch unabdingbaren Vorgang1, so dass eine abschließende allgemeingültige Definition kaum aufgestellt werden kann. Aufgrund der essentiellen und universellen Bedeutung der Kommunikation für eine Gesellschaft, ist es keineswegs überraschend, dass diese Gegenstand verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen ist. So gibt es beispielsweise Auseinandersetzungen mit dem Vorgang der Kommunikation in naturwissenschaftlichtechnischen Bereichen (z. B. Informatik und Nachrichtentechnik), in den Sozialwissenschaften (z. B. Soziologie, Pädagogik und Politologie), aber auch in bereichsübergreifenden Wissenschaften wie der Psychologie. Nachdem der Kommunikation als gesellschaftlichem Phänomen sogar eine eigene Wissenschaft – nämlich die Kommunikationswissenschaft – gewidmet wurde, ist es nur folgerichtig, dass diese, als grundnotwendiger Vorgang menschlichen (Zusammen)Lebens, auch im Bereich der Rechtswissenschaft Berücksichtigung finden und aus juristischer Sicht gewürdigt werden muss. Gerade wegen ihrer Handlungsgebundenheit ist Kommunikation als (bewusstes oder unbewusstes) Verhalten seit je her auch Gegenstand vielfältiger strafrechtlicher Fragen und Probleme. Da der Begriff jeweils bereichsspezifisch interpretiert wird, kann lediglich darin eine verallgemeinerungsfähige und vereinfachte Formel gesehen werden, dass Kommunikation stets einen Vorgang der Informationsübermittlung unter Verwendung von verbalen oder nonverbalen Zeichen von einem Sender an einen Empfänger darstellt und voraussetzt, dass Sender und Empfänger auch jeweils 1
Hierzu ausführlich Misoch, S. 7 ff.
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
über die Fähigkeit verfügen, diese Zeichen zu erkennen und miteinander bzw. der Umwelt auszutauschen, also wechselseitig zu senden und zu empfangen2. Für das Strafrecht lässt sich aus dieser allgemeinen Formel ableiten, dass der gegenseitige Austausch allseits verständlicher Zeichen zwischen Personen immer dann einer entsprechenden Würdigung bedarf, wenn gerade durch diese interpersonale Kommunikation von der Rechtsordnung geschützte Rechtsgüter entweder bereits angegriffen werden oder aber angegriffen zu werden drohen. Erforderlich ist mithin, dass die den Inhalt des Kommunikationsvorgangs bildenden Zeichen nicht nur vom Sender mit einem bestimmten Sinngehalt versehen und abgegeben werden müssen, sondern dass diese Zeichen für den Empfänger auch als entsprechend sinnbehaftete Informationsträger zu erkennen sind und deren Herkunft auf eine menschliche Quelle bzw. intentionale Handlung zurückgeführt werden kann. Interessant und sinnvoll erscheint es, in diesem Zusammenhang einen Blick auf die in § 25 II StGB geregelte Mittäterschaft zu werfen. Regelmäßig erfordert diese nämlich die Fassung eines gemeinsamen Tatentschlusses bzw. die Aufstellung eines gemeinsamen Tatplans und damit einen Kommunikationsvorgang zwischen den Mittätern. An diesen Kommunikationsvorgang wird als Minimalanforderung gestellt, dass ein Mittäter Zeichen aussendet (entsprechend versehen mit dem Sinngehalt der gemeinschaftlichen Tatbegehung), welche von einem anderen Mittäter als solche erkannt und akzeptiert werden3. Daraus lässt sich ableiten, dass ein interpersonaler Kommunikationsvorgang immer (schon) dann zustandegekommen ist, wenn die von einem Menschen bewusst gesendeten, sinnbehafteten Zeichen von einem anderen objektiv empfangen und subjektiv als solche erkannt – d.h. inhaltlich verstanden und einem menschlichen Urheber zugeordnet – werden. Einer darauf folgenden Reaktion bedarf es indes nicht zwingend. In strafrechtlicher Hinsicht kann damit keine Kommunikation (mehr) z. B. in dem Schaffen bestimmter (tatanreizender) Situationen oder Umstände gesehen werden. So nimmt beispielsweise derjenige, der in Kenntnis der Bereitschaft eines anderen zur Begehung eines Einbruchs am vermeintlichen Tattag die Haustür absichtlich weit offen stehen lässt, eine gewisse Zeichenaussendung in Richtung des avisierten Täters vor. Es wird sogar von einer Beeinflussung gesprochen werden können, sofern der avisierte Täter die zuvor herbeigeführte Situation wahrnimmt und die vermeintliche Gelegenheit tatsächlich nutzt, um einen Einbruch zu begehen. Ob eine solche nicht kommunikative Beeinflussung jedoch ausreichen kann, um eine Strafbarkeit des „Arrangeurs“ zu begründen, wird jedenfalls im Rahmen der Anstiftung streitig diskutiert4. Durchaus erscheint es fraglich, ob das bloße Arrangieren einer bestimmten Situation bereits einen (eigenen) erkenn2
Misoch, S. 7 f. LK-Schünemann, 12. Aufl., § 25 Rn. 173. 4 Vgl. hierzu auch die ausführliche Streitdarstellung und -diskussion unten C.V. 2.a)bb). 3
II. Überblick über die kommunikationsbezogenen Normen des AT des StGB
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baren Rechtsgutangriff darstellen kann. Anders als bei einer kommunikativen bzw. direkten Einflussnahme auf den Täter (hier der Einbrecher) ist es diesem als Adressaten – da zuvor eine Verabredung dergestalt, dass die geöffnete Tür „freie Bahn“ bedeute, eben gerade nicht stattgefunden hat – nämlich nicht möglich, die abgegebenen Zeichen als solche zu erkennen und eindeutig auf eine intentionale Handlung des Senders (hier des Anstifters) zurückzuführen, denn genauso gut könnte die Tür zufällig und ohne weitere Sinngebung offen stehen oder aber deren Öffnung auf einem ganz anderen Sinn und Zweck beruhen. Um an späterer Stelle die für das Verabreden, Auffordern und Anleiten zu Straftaten explizit relevanten Strafnormen detailliert herausstellen zu können5, ist es zunächst sinnvoll, im Folgenden einen kurzen Überblick darüber zu geben, wann der Gesetzgeber kommunikatives Verhalten zwischen Personen grundsätzlich für strafwürdig erachtet6.
II. Überblick über die kommunikationsbezogenen Normen des AT des StGB Schon der AT des StGB hält Normen bereit, welche interpersonale Kommunikationsvorgänge als – mehr oder weniger – integrales Merkmal ihres jeweiligen Tatbestands beinhalten. Zentral ist hierbei der dritte Titel des zweiten Abschnitts des AT des StGB. Mit den §§ 25 ff. enthält das StGB Normen, welche die Strafbarkeit im Hinblick auf die Beteiligung an der Verwirklichung eines Delikts regeln. Nach dem im deutschen Strafrecht geltenden dualistischen System7 ist diesbezüglich grundsätzlich zwischen Täterschaft, als der schwereren, und Teilnahme, als der leichteren Beteiligungsform, zu unterscheiden. Während § 25 StGB die Formen täterschaftlicher Begehung definiert, stellen die §§ 26 und 27 StGB mit den Regelungen zur Anstiftung und zur Beihilfe die „bloße“ Teilnahme an der von einem anderen täterschaftlich begangenen Tat unter Strafe. § 30 StGB normiert schließlich die Strafbarkeit des Versuchs der Beteiligung. Gemäß § 25 I StGB ist nicht nur derjenige Täter einer Straftat, der diese allein – also als Einzeltäter – verwirklicht, sondern auch der, der die Tat durch einen anderen begeht. § 25 I Alt. 2 StGB regelt damit den Fall der mittelbaren Täterschaft8, welche gerade dadurch gekennzeichnet ist, dass der Täter als sog. „Hin5
Vgl. hierzu unten C.V.2. Vgl. hierzu anschließend C.II. bis C.IV. 7 Ausführlich zu den verschiedenen Beteiligungssystemen und Täterbegriffen B. Heinrich, AT, Rn. 1174 ff.; Roxin, AT II, § 25 Rn. 1 ff.; Schönke/Schröder-Heine, Vorbem. §§ 25 ff. Rn. 1 ff. 8 Hierzu ausführlich u. a. B. Heinrich, AT, Rn. 1243 ff.; Roxin, AT II, § 25 Rn. 45 ff.; Schönke/Schröder-Heine, § 25 Rn. 6 ff.; Wessels/Beulke, Rn. 535 ff. 6
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
termann“ einen von ihm eingesetzten Tatmittler – ein sog. „menschliches Werkzeug“ – die entscheidende(n) Tathandlung(en) ausführen lässt. Hierzu bedarf es regelmäßig einer kommunikativen Einflussnahme seitens des mittelbaren Täters, denn eben dieser ist es, der den Tatmittler zur Ausführung der tatbestandsmäßigen Handlung durch Täuschung oder Zwang veranlasst9. Das aus der Täuschung gegenüber dem Tatmittler resultierende überlegene Wissen bzw. der aus der Zwangseinwirkung resultierende überlegene Wille des mittelbaren Täters begründen einerseits die Straflosigkeit des Tatmittlers – so zumindest im Regelfall – und führen andererseits zur Zurechnung der Tatbestandsverwirklichung gegenüber dem mittelbaren Täter10. § 25 II StGB trägt der durch mehrere Täter stattfindenden Deliktsverwirklichung Rechnung und definiert diese als Mittäterschaft11. Die recht knappe Legaldefinition des § 25 II StGB wird dahingehend konkretisiert, als dass Mittäterschaft regelmäßig als bewusstes und gewolltes Zusammenwirken bei der Deliktsverwirklichung von mindestens zwei Tätern durch arbeitsteiliges Handeln verstanden wird12. Das Prinzip der Mittäterschaft ist darin zu sehen, dass jeder Beteiligte wie ein Einzeltäter bestraft werden kann, obwohl nur das gemeinsame Handeln zur Verwirklichung der Tat führen konnte und der jeweilige Einzelbeitrag für die vollständige Tatbestandserfüllung nicht ausgereicht hätte. Das bewusste und gewollte Zusammenwirken soll dabei wiederum Ausdruck eines gemeinsamen Tatplans bzw. Tatentschlusses sein, welcher die Agierenden hier – im Unterschied zur bloßen Nebentäterschaft13 – zu Mittätern macht, die wechselseitige Zurechnung der jeweils nicht selbst verwirklichten Tatbeiträge rechtfertigt und damit im Ergebnis eine Verurteilung wie bei einem allein handelnden Täter ermöglicht14. Gerade das Erfordernis des gemeinsamen Tatentschlusses implementiert nach ganz überwiegender Ansicht zwingend eine ausdrückliche Verabredung oder zumindest die konkludente Herbeiführung einer intellektuellen Willensübereinstimmung zwischen den Beteiligten15, so dass in jedem Fall ein
9
Rengier, AT, § 43 Rn. 3; Wessels/Beulke, Rn. 536. B. Heinrich, AT, Rn. 1243 f.; Rengier, AT, § 43 Rn. 2 f. 11 Hierzu ausführlich u. a. B. Heinrich, AT, Rn. 1218 ff.; Roxin, AT II, § 25 Rn. 188 ff.; Schönke/Schröder-Heine, § 25 Rn. 61 ff.; Wessels/Beulke, Rn. 524 ff. 12 Vgl. u. a. B. Heinrich, AT, Rn. 1218; Rengier, AT, § 44 Rn. 2. 13 Dazu Schönke/Schröder-Heine, § 25 Rn. 100; Wessels/Beulke, Rn. 525. 14 Schönke/Schröder-Heine, Vorbem. §§ 25 ff. Rn. 73, § 25 Rn. 61 f. 15 Vgl. BGHSt 6, 248 (249); Baumann/Weber/Mitsch, § 29 Rn. 82, 85; B. Heinrich, AT, Rn. 1223 f.; Kühl, § 20 Rn. 104 ff.; Küpper, GA 1998, 519 (525 f.); ders., ZStW 105 (1993), 295; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 25 Rn. 173 ff.; Rengier, AT, § 44 Rn. 11; Roxin, AT II, § 25 Rn. 191 f., 251; Schönke/Schröder-Heine, Vorbem. §§ 25 ff. Rn. 81; sowie ferner Flechsig/Gabel, CR 1998, 351 (355 f.) die eine Mittäterschaft zwischen dem Einrichter eines Hyperlinks im WWW, welcher auf verbotene Inhalte verweist, und dem Anbieter der verbotenen Inhalte mangels gemeinsamen Tatentschlusses im Ergebnis ablehnen. 10
II. Überblick über die kommunikationsbezogenen Normen des AT des StGB
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kommunikativer Prozess stattfinden muss16. Zwar ist umstritten, ob sich der gemeinsame Tatentschluss immer auf die bewusste und gewollte Erfolgsherbeiführung beziehen muss oder ob ein solcher bereits im Hinblick auf gemeinschaftliches pflichtwidriges Handeln ausreichen kann, um eine Mittäterschaft zu begründen17. Dies kann hier jedoch dahingestellt bleiben, denn in jedem Fall bedarf es einer interpersonalen Kommunikation. Ebenfalls in eindeutigem Zusammenhang zur interpersonalen Kommunikation steht die in § 26 StGB geregelte Teilnahmeform der Anstiftung18. Hiernach macht sich derjenige strafbar, der vorsätzlich einen anderen zu dessen eigener, vorsätzlich begangener und rechtswidriger Tat bestimmt. Gemäß der Unterscheidung i. S. d. dualistischen Systems macht sich der Anstifter also nicht als Täter der (späteren) Straftat (eines anderen), nämlich der sog. „Haupttat“, sondern „lediglich“ als Teilnehmer19 an dieser strafbar, was bereits im Wortlaut des § 26 StGB zum Ausdruck kommt20. Die tätergleiche Bestrafung des Anstifters resultiert aus seinem erheblichen Anteil an der später begangenen Haupttat, denn diese wird praktisch – wenn auch von einem anderen begangen – von ihm initiiert, indem er den entsprechenden Tatentschluss beim Täter weckt21. Die hierfür erforderliche Handlung des Bestimmens wird daher auch definiert als zumindest objektiv mitursächliches Hervorrufen des Tatentschlusses beim Haupttäter22. Dies geschieht regelmäßig in Form eines interpersonalen Kommunikationsprozesses, wie z. B. einem Überreden, dem Äußern von Wünschen, Bitten und Anregungen oder dem Versprechen einer Belohnung. In Betracht kommen aber auch Bestechungen, Drohungen und Täuschungen23. Darüber hinaus ist jedoch umstritten, ob ein Bestimmen i. S. v. § 26 StGB auch ohne kommunikative Beein-
16 Anders wird dies lediglich von denjenigen gesehen, die statt eines gemeinsamen Tatentschlusses einen einseitigen sog. „Einpassungsentschluss“ ausreichen lassen wollen, vgl. Derksen, GA 1993, 163 (169 ff.); Jakobs, 21/43 ff.; Lesch, JA 2000, 73 (77); ders., ZStW 105 (1993), 271 (291 ff.). 17 Zur Frage der fahrlässigen Mittäterschaft B. Heinrich, AT, Rn. 997 f.; Kühl, § 20 Rn. 116a ff.; Schönke/Schröder-Heine, Vorbem. §§ 25 ff. Rn. 115 f.; Wessels/Beulke, Rn. 507. 18 Hierzu ausführlich u. a. B. Heinrich, AT, Rn. 1283 ff.; Roxin, AT II, § 26 Rn. 57 ff.; Schönke/Schröder-Heine, § 26 Rn. 1 ff.; Wessels/Beulke, Rn. 567 ff. 19 Zum Strafgrund der Teilnahme B. Heinrich, AT, Rn. 1269 ff.; Roxin, AT II, § 26 Rn. 11 ff. 20 Dort heißt es: „Als Anstifter wird gleich einem Täter bestraft, wer [. . .]“. 21 Daher wird in diesem Zusammenhang von Wessels/Beulke, Rn. 568 auch der Begriff des „Miturhebers“ verwendet. Bei Schönke/Schröder-Heine, § 26 Rn. 4 ist wiederum vom mittelbaren Rechtsgutsangriff seitens des Anstifters durch kommunikative Beeinflussung des Täters die Rede. 22 Vgl. B. Heinrich, AT, Rn. 1287; Rengier, AT, § 45 Rn. 24. 23 Rengier, AT, § 45 Rn. 26; Schönke/Schröder-Heine, § 26 Rn. 5.
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
flussung stattfinden kann24. Geht man jedoch davon aus, dass ein Bestimmen i. S. v. § 26 StGB mehr verlangt, als nur eine bloße nichtkommunikative Beeinflussung des Willens des Haupttäters, ist eine Anstiftung durch Unterlassen jedenfalls nicht denkbar25. Da hier jedoch nur der Bezug der Anstiftung zur interpersonalen Kommunikation aufgezeigt werden soll, kann eine eingehende Diskussion der Frage nach der erforderlichen kommunikativen Beeinflussung durch den Anstifter vorerst unterbleiben und soll an späterer Stelle26 erfolgen. Als weniger intensive Teilnahmeform im Vergleich zur Anstiftung gilt die gemäß § 27 StGB strafbare Beihilfe27. Beihilfe leistet regelmäßig derjenige, der vorsätzlich die rechtswidrige Vorsatztat – also wiederum eine Haupttat – eines anderen ermöglicht, erleichtert, beschleunigt oder die Rechtsgutsverletzung verstärkt28. Der Kreis der denkbaren Beihilfehandlungen ist damit – zumindest in der abstrakten Formulierung des Gesetzes – äußerst weit gezogen29. Das Hilfeleisten ist hiernach das entscheidende Tatbestandsmerkmal des § 27 I StGB über das ein Bezug zur interpersonalen Kommunikation hergestellt werden kann. Zwar ist umstritten, ob die Hilfeleistung lediglich objektiv die konkrete Tathandlung des Haupttäters fördern muss oder ob darüber hinaus auch eine Mitursächlichkeit für die Erfolgsherbeiführung zu verlangen ist30. Für die „Kommunikationskomponente“ der Beihilfehandlung spielt dieser Streit indes keine Rolle. Sobald der Haupttäter die Unterstützung des Gehilfen wahrnimmt, liegt auch ein Kommunikationstatbestand vor, denn der Haupttäter erkennt die Handlung des Gehilfen als sinnbehaftetes Zeichen der Unterstützung und kann dies auf menschlich-intentionales Handeln zurückführen. Findet die Hilfeleistung dabei in Form einer „physisch-dinglichen“ Aktivität – z. B. das Besorgen einer Waffe oder das Herstellen einer unechten Urkunde – statt, handelt es sich um einen Fall nonverbaler Kom24 Vgl. zu diesem Streit auch ausführlich unten C.V.2.a)bb) sowie u. a. Baumann/Weber/Mitsch, § 30 Rn. 63; Fischer, § 26 Rn. 3; B. Heinrich, AT, Rn. 1289 ff.; Kühl, § 20 Rn. 171 ff.; Lackner/Kühl, § 26 Rn. 2; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26 Rn. 2 ff.; Rengier, AT, § 45 Rn. 27 ff.; Roxin, AT II, § 26 Rn. 74 ff.; Satzger/Schmitt/Widmaier-Murmann, § 26 Rn. 3 f.; Schönke/Schröder-Heine, § 26 Rn. 4; Wessels/Beulke, Rn. 568. 25 B. Heinrich, AT, Rn. 1293; Schönke/Schröder-Heine, § 26 Rn. 5; Wessels/Beulke, Rn. 568. 26 Vgl. ausführlich unten C.V.2.a)bb). 27 Hierzu ausführlich u. a. B. Heinrich, AT, Rn. 1316 ff.; Roxin, AT II, § 26 Rn. 183 ff.; Schönke/Schröder-Heine, § 27 Rn. 1 ff.; Wessels/Beulke, Rn. 581 ff. 28 B. Heinrich, AT, Rn. 1320; Rengier, AT, § 45 Rn. 82; Wessels/Beulke, Rn. 582. 29 Vgl. in diesem Zusammenhang beispielsweise Schulte/Kanz, ZJS 2013, 24 (33, 35) zur Möglichkeit der Hilfeleistung durch Betätigung der Like-Funktion im sozialen Netzwerk Facebook. 30 Zu diesem Streit u. a. B. Heinrich, AT, Rn. 1325 ff.; Krey/Esser, Rn. 1078 ff.; Kühl, § 20 Rn. 214 ff.; Lackner/Kühl, § 27 Rn. 2; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 27 Rn. 2 ff., 29 ff.; MK-Joecks, § 27 Rn. 23 ff.; Rengier, AT, § 45 Rn. 92 ff.; Roxin, AT II, § 26 Rn. 184 ff.; Satzger/Schmitt/Widmaier-Murmann, § 27 Rn. 3; Schönke/Schröder-Heine, § 27 Rn. 4 ff.
II. Überblick über die kommunikationsbezogenen Normen des AT des StGB
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munikation zwischen dem Haupttäter und dem Gehilfen. Zudem gilt mittlerweile auch die sog. „psychische Beihilfe“ grundsätzlich als anerkannt31. Hiernach liegt eine Hilfeleistung insbesondere dann vor, wenn der Gehilfe eine Einwirkung intellektueller Art auf den Täter ausübt, was beispielsweise durch Ratschläge, Tipps und Beschreibungen erfolgen kann32. Die hier in Betracht kommenden Handlungen werden sich vielfach als verbale Kommunikationsakte darstellen. Darüber hinaus besteht jedoch Uneinigkeit darüber, ob von einer psychischen Beihilfe schon dann auszugehen ist, wenn der Täter lediglich in seinem Tatentschluss bestärkt wird, indem der Gehilfe ihm ein erhöhtes Gefühl der Sicherheit vermittelt. Weitgehend werden diesbezüglich eine bloße innere, nicht nach außen getragene Billigung der Tat oder die schlichte Anwesenheit am Tatort ohne Erbringung einer erkennbaren Unterstützungshandlung für nicht ausreichend gehalten33. Vielmehr lassen sich die hier vielfach genannten Beispiele – wie z. B. anfeuerndes Zurufen34 oder die Zusage diverser Unterstützungshandlungen35 – zweifellos der interpersonalen Kommunikation zuordnen. Im Ergebnis weist damit auch die Beihilfe gemäß § 27 StGB einen eindeutigen Bezug zu Kommunikationshandlungen auf. Der Vollständigkeit halber ist aber darauf hinzuweisen, dass die Erbringung einer strafbaren Beihilfeleistung nicht zwingend eines Kommunikationsvorgangs bedarf, denn eine Kenntnisnahme des Haupttäters von der Hilfeleistung bzw. eine Willensübereinstimmung zwischen dem Haupttäter und dem Gehilfen ist entbehrlich. Namentlich handelt es sich hierbei um die sog. „heimliche Beihilfe“ 36. § 30 StGB enthält in seinen beiden Absätzen insgesamt vier strafbare Handlungen zur Vorbereitung eines Verbrechens37, welche sich sämtlich als Kommunikationstatbestände darstellen. Dass der Versuch der Beteiligung gemäß § 30 StGB überhaupt nur dann relevant wird, wenn das als Haupttat in Aussicht genommene Verbrechen selbst noch nicht einmal in das Versuchsstadium gelangt 31 Hierzu B. Heinrich, AT, Rn. 1322; Rengier, AT, § 45 Rn. 84, 86 ff.; Schönke/ Schröder-Heine, § 27 Rn. 12; Wessels/Beulke, Rn. 581. 32 Rengier, AT, § 45 Rn. 87. 33 Vgl. BGH NStZ 1995, 490 (490 f.); BGH NStZ 1999, 451; BGH NStZ 2002, 139; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2005, 336; Kühl, § 20 Rn. 228; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 27 Rn. 16; Rengier, AT, § 45 Rn. 87; Roxin, AT II, § 26 Rn. 204 f.; Schönke/Schröder-Heine, § 27 Rn. 12. 34 Vgl. LK-Schünemann, 12. Aufl., § 27 Rn. 14; Schönke/Schröder-Heine, § 27 Rn. 12. 35 Vgl. BGH NStZ 1993, 535; BGH NStZ 1999, 609 (610); BGH NStZ 2003, 32 (33); Krey/Esser, Rn. 1073, 1076, 1081. 36 Hierzu Rengier, AT, § 45 Rn. 83; Schönke/Schröder-Heine, § 27 Rn. 14; Wessels/ Beulke, Rn. 582. 37 Hierzu ausführlich u. a. Dessecker, JA 2005, 549; B. Heinrich, AT, Rn. 1362 ff.; Roxin, AT II, § 28 Rn. 1 ff.; Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 1 ff.; Wessels/Beulke, Rn. 560 ff.; sowie im Rahmen einer Dissertation Thalheimer, Die Vorfeldstrafbarkeit nach §§ 30, 31 StGB, 2008.
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
ist, macht umso deutlicher, dass hierdurch gerade der Gefährlichkeit einer diesbezüglichen Kommunikation im Vorfeld der eigentlichen Deliktsbegehung Rechnung getragen werden soll38. Die in § 30 I StGB geregelte versuchte Anstiftung knüpft ebenso wie § 26 StGB an das Handlungselement des Bestimmens an39, so dass der Täter des § 30 I StGB hier in der Vorstellung handeln muss, bei dem Adressaten, dem sog. „präsumtiven Haupttäter“, den Entschluss zur Begehung eines Verbrechens zu wecken. Regelmäßig wird der Täter des § 30 I StGB daher zu einer Kommunikation mit dem präsumtiven Haupttäter ansetzen oder diese sogar vollständig ausführen. Als Beispiele hierfür werden u. a. das Absenden eines Briefs mit der Aufforderung zur Tatbegehung40, die gesprächsweise Mitteilung tatrelevanter Informationen41 oder das Anbieten der Entlohnung für eine Tatbegehung42 genannt. Hiernach bleibt festzuhalten, dass ein nach § 30 I StGB strafbarer Anstiftungsversuch ohne einen entsprechenden Kommunikationsakt43 nicht denkbar ist. Ließe man hingegen – i. S. d. bereits bei § 26 StGB angesprochenen Streits um das Kommunikationserfordernis – ein Bestimmen auch ohne kommunikative Beeinflussung zu, hätte dies eine erhebliche Ausdehnung der ohnehin schon weit ins Vorfeld verlagerten Strafbarkeit zur Folge44. Auch die Handlungsalternativen des § 30 II StGB45 sind ohne einen jeweiligen Kommunikationsakt nicht vorstellbar und werden daher auch unter dem Oberbegriff der „konspirativen Absprachen bzw. Willensbildungen“ zusammengefasst46. Hiernach macht sich strafbar, wer sich bereit erklärt (Alt. 1), das Erbieten eines anderen annimmt (Alt. 2) oder sich mit einem anderen verabredet (Alt. 3) ein 38 Vgl. auch BGHSt 44, 91 (95); Kühl, § 20 Rn. 244 f.; Roxin, AT II, § 28 Rn. 5; Satzger/Schmitt/Widmaier-Murmann, § 30 Rn. 1. 39 Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 18. 40 Roxin, AT II, § 28 Rn. 11; Satzger/Schmitt/Widmaier-Murmann, § 30 Rn. 17; Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 19; Wessels/Beulke, Rn. 563. Teilweise wird die bloße Entäußerung der Aufforderung allein jedoch für nicht ausreichend gehalten und darüber hinaus zumindest auch der Zugang beim Adressaten bzw. noch mehr verlangt, vgl. Jakobs, 27/4; Jescheck/Weigend, § 65 II 1; NK-Zaczyk, § 30 Rn. 12; Schröder, JuS 1967, 289 (291 – zu § 49a I StGB a. F.). Vgl. zur Frage des unmittelbaren Ansetzens zur Bestimmungshandlung bei § 30 I StGB auch unten C.V.2.b)ee). 41 Rengier, AT, § 47 Rn. 21; Satzger/Schmitt/Widmaier-Murmann, § 30 Rn. 17; Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 19. 42 B. Heinrich, AT, Rn. 1365. 43 Vgl. diesbezüglich auch die exemplarische Aufzählung möglicher Handlungen bei Roxin, AT II, § 28 Rn. 13. 44 So könnte eine versuchte Anstiftung zur Tötung eines Menschen beispielsweise bereits darin gesehen werden, dass ein Messer mit entsprechendem Anstiftervorsatz und in der Hoffnung darauf, dass sich der mögliche Haupttäter tatsächlich zur Tatbegehung entschließt, an einem geeigneten Ort bereitgelegt wird. 45 Hierzu ausführlich u. a. Dessecker, JA 2005, 549 (551 ff.); B. Heinrich, AT, Rn. 1368 ff.; Roxin, AT II, § 28 Rn. 43 ff.; Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 22 ff.; Wessels/Beulke, Rn. 564 f.; sowie im Rahmen einer Dissertation Thalheimer, S. 71 ff. 46 Vgl. B. Heinrich, AT, Rn. 1368; Wessels/Beulke, Rn. 564.
II. Überblick über die kommunikationsbezogenen Normen des AT des StGB
77
Verbrechen zu begehen. Deutlicher noch als bei den anderen bisher dargestellten Tatbeständen des AT erhebt hier bereits der Wortlaut der Norm ausdrücklich und ausschließlich interpersonale Kommunikationshandlungen zu strafbarem Verhalten. Dies gilt insbesondere für die Tathandlungen des Sich-Bereiterklärens und des Verabredens. Regelmäßig erfordert das Sich-Bereiterklären nach § 30 II Alt. 1 StGB mehr als nur die einfache Mitteilung der Bereitschaft zur Begehung eines Verbrechens47. Vielmehr muss durch die Kommunikation explizit und ernsthaft zum Ausdruck gebracht werden, dass sich der Erklärende fest an sein Angebot gebunden sieht, so dass der Erklärungsempfänger spätere Abweichungen des Erklärenden von dem in Aussicht gestellten Verhalten als Wortbruch auffassen würde48. Die Verabredung zur Begehung eines Verbrechens gemäß § 30 II Alt. 3 StGB gilt gemeinhin auch als Vorstufe der Mittäterschaft49 und erfordert wiederum die feste Vereinbarung zwischen mindestens zwei Personen zur mittäterschaftlichen Begehung eines Verbrechens oder der Anstiftung zu einem solchen50. Inhaltlich geht es hier also um die Herbeiführung eines gemeinsamen Tatentschlusses, was naturgemäß nur im Wege einer gemeinsamen Willensbildung bzw. eines nach außen erkennbaren „Vertragsschlusses“ möglich ist51. Schließlich ist aber auch die Annahme des Erbietens eines anderen zur Begehung eines Verbrechens nach § 30 II Alt. 2 StGB zwingend mit einem interpersonalen Kommunikationsakt verbunden, denn erforderlich ist das wortwörtlich oder konkludent zum Ausdruck gebrachte Einverständnis mit dem Angebot des sich nach § 30 II Alt. 1 StGB Erbietenden52, so dass praktisch eine Solidarisierung mit ihm erfolgt53. Eine weitere eindeutige Bezugnahme auf Kommunikationsvorgänge findet sich im AT des StGB unter den §§ 36 und 37, welche aus der in Art. 42 III und 46 I GG geregelten Indemnität von parlamentarischen Abgeordneten herrühren und auch im Wortlaut weitgehend mit selbigen übereinstimmen54. Im Gegensatz zu den bisher vorgestellten Normen treffen die §§ 36 und 37 StGB jedoch Regelungen über die Straflosigkeit bestimmter Kommunikationsvorgänge. Für die von ihm benannten Gruppen von Politikern normiert § 36 StGB nach weit überwiegender Meinung einen persönlichen Strafausschließungsgrund55 im Hinblick auf 47
OLG Hamm NStZ-RR 1997, 133 (133 f.); Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 23. MK-Joecks, § 30 Rn. 43; Satzger/Schmitt/Widmaier-Murmann, § 30 Rn. 19. 49 Vgl. B. Heinrich, AT, Rn. 1371; Kühl, § 20 Rn. 252; Wessels/Beulke, Rn. 564. 50 Rengier, AT, § 47 Rn. 24. 51 Roxin, AT II, § 28 Rn. 46. 52 MK-Joecks, § 30 Rn. 49; Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 24. 53 B. Heinrich, AT, Rn. 1370. 54 Vgl. Art. 42 III GG mit § 37 StGB sowie Art. 46 I GG mit § 36 StGB. 55 Vgl. Fischer, § 36 Rn. 2; B. Heinrich, AT, Rn. 619; MK-Joecks, § 36 Rn. 2; Satzger/Schmitt/Widmaier-Rosenau, § 36 Rn. 2; Schönke/Schröder-Perron, § 36 Rn. 1; Wessels/Beulke, Rn. 494. 48
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
sämtliche mündlichen, schriftlichen oder gestikulierten Äußerungen, die mit deren parlamentarischer Tätigkeit in Verbindung stehen56. Das Kommunikationselement ist hier also unzweifelhaft integraler Bestandteil des Regelungsgehalts der Norm. Ebenso verhält es sich mit § 37 StGB. Unabhängig davon, ob dessen Rechtsnatur als Strafausschließungs-57 oder als Rechtfertigungsgrund58 zu qualifizieren ist, setzt dieser zentral die Kommunikation von Berichten über parlamentarische Äußerungen voraus. Somit bleibt festzuhalten, dass sich bereits im AT des StGB diverse Normen mit eindeutigen – und meist sogar zwingend erforderlichen – Bezügen zu interpersonaler Kommunikation befinden. Dies verdeutlicht wiederum auch von welch grundsätzlicher Bedeutung das Phänomen der Kommunikation für die Gesellschaft insgesamt ist.
III. Überblick über die Äußerungsdelikte Nachdem soeben die kommunikationsrelevanten Normen des AT dargestellt wurden, sollen nun die entsprechend relevanten Deliktsgruppen des BT des StGB erläutert und voneinander abgegrenzt werden. Da kaum ein Verhalten zwischen Menschen denkbar ist, welches nicht zumindest Elemente von Kommunikation – also des bewussten gegenseitigen Austauschs verständlicher Zeichen – beinhaltet, ist es nur konsequent, dass das StGB insgesamt eine beachtliche Anzahl von (strafbaren) Handlungen enthält, welche – mehr oder weniger – kommunikationsbezogen sind59. Daher muss sinnvollerweise schon jetzt eine Beschränkung der Betrachtung auf diejenigen Deliktsgruppen erfolgen, bei denen der Kommunikationsbezug von grundlegender Bedeutung ist. In den Blick zu nehmen sind folglich – unter zusätzlicher besonderer Berücksichtigung des Themas der Arbeit – verstärkt solche Regelungen, welche speziell die Kommunikation rechtswidriger Informationen bzw. inkriminierter Inhalte sanktionieren und gerade aufgrund ihres tatbestandsmäßigen Kommunikationsbezugs auch im Hinblick auf eine Realisierung mittels entsprechender Möglichkeiten bzw. Angebote des Internets von Interesse sein können. In Betracht kommen diesbezüglich im Wesentlichen die Gruppen
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Satzger/Schmitt/Widmaier-Rosenau, § 36 Rn. 4. So Fischer, § 37 Rn. 1; Lackner/Kühl, § 37 Rn. 1; Satzger/Schmitt/Widmaier-Rosenau, § 37 Rn. 2; Schönke/Schröder-Perron, § 37 Rn. 1. 58 So Jakobs, 16/30; LK-Häger, 12. Aufl., § 37 Rn. 10; MK-Joecks, § 37 Rn. 2; NKNeumann, § 37 Rn. 2. 59 So z. B. das „Nötigen durch Drohung“ (vgl. §§ 105 I, 106 I, 108 I, 177 I Nr. 2, 240 I StGB), das „Bedrohen“ (vgl. §§ 125 I Nr. 2, 241 I StGB) oder auch das „Anbieten“, „Fordern“ und „(sich) Versprechen(lassen)“ (vgl. §§ 108b, 299, 331 ff. StGB). 57
III. Überblick über die Äußerungsdelikte
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der Äußerungsdelikte und der Verbreitungsdelikte60. Daher ist bereits jetzt darauf hinzuweisen, dass die im Folgenden dargestellten Straftatbestände sämtlich für eine Begehung über das Internet geeignet sind61 (anderenfalls soll an entsprechender Stelle jeweils ein Hinweis gegeben werden). Zu den Äußerungsdelikten gehören solche Tatbestände, welche die Formulierung und Kundgabe rechtswidriger Inhalte unter Strafe stellen, wobei die entsprechenden Inhalte dem Täter auch in ihrem Ursprung zurechenbar sein müssen62. Dies setzt wiederum praktisch eine eigene Urheberschaft oder zumindest das Zueigenmachen fremder rechtswidriger Inhalte voraus63. Eine nicht unwesentliche Bedeutung kommt in diesem Bereich den in den §§ 185 ff. StGB geregelten Beleidigungsdelikten zu64. Gegenstand des 14. Abschnitts des BT des StGB ist eine Vielzahl von Kommunikationshandlungen, durch welche die Äußerung rechtswidriger Inhalte gegenüber anderen Menschen erfolgt. So werden konkret das Beleidigen (§ 185 StGB), das wahrheitswidrige Behaupten (§§ 186, 187, 188 StGB) und das Verunglimpfen (§ 189 StGB) unter Strafe gestellt. Allen diesen Tatbeständen ist gemein, dass sie die Kundgabe einer bestimmten ehrverletzenden Äußerung verlangen, welche gerade zur Wahrnehmung durch andere Menschen bestimmt ist65. Die Vollendung dieser Delikte tritt folglich regelmäßig dann ein, wenn die entsprechende Äußerung einen oder mehrere Adressaten erreicht hat66. Unter einer Beleidigung i. S. v. § 185 StGB versteht man dabei regelmäßig die Kundgabe der Nichtachtung oder Missachtung einer Person in Form von herabwürdigenden Werturteilen oder ehrenrührigen Tatsachenbehauptungen gegenüber dem betroffenen Ehrträger bzw. im Fall des Werturteils auch gegenüber Dritten67. Dies kann sowohl verbal (z. B. durch
60 Da beide Deliktsgruppen ihre gesetzgeberische Rechtfertigung aus der Gefährlichkeit des Umgangs mit inkriminierten Inhalten beziehen, können diese auch unter der Kategorie der „Kommunikationsdelikte“ zusammengefasst werden, vgl. z. B. BusseMuskala, S. 49 f.; Hütig, MMR 1999, 297 (298); Preuße, S. 139; Sieber, Verantwortlichkeit, Rn. 410. Möglich ist es jedoch auch, äußerungs- und verbreitungsbezogene Delikte nach der Art der jeweils von ihnen transportierten rechtswidrigen Inhalte zu differenzieren und sämtliche Tatbestände als „inhaltsbezogene Delikte“ zu kategorisieren, vgl. Gercke/Brunst, Rn. 255. Eine strafrechtliche Dissertation zu diesen beiden Deliktsgruppen liegt vor von Römer, Verbreitungs- und Äußerungsdelikte im Internet, 2000. 61 Vgl. Germann, S. 185; Malek, Rn. 335; Römer, S. 39 f., 78. 62 Rengier, BT II, § 29 Rn. 6; Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, § 186 Rn. 7; Wessels/Hettinger, Rn. 493; sowie speziell zur Begehung über das Internet Germann, S. 185 ff. 63 Busse-Muskala, S. 49 f. 64 Speziell zur Bedeutung der §§ 185 ff. StGB im Internet Hoeren, S. 481 f.; Malek, Rn. 334; Römer, S. 68; ferner auch Busse-Muskala, S. 51. 65 Wessels/Hettinger, Rn. 479. 66 Rengier, BT II, § 28 Rn. 20. 67 Krey/Hellmann/M. Heinrich, Rn. 462; Rengier, BT II, § 29 Rn. 23.
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
mündliche oder schriftliche Formulierungen) als auch durch symbolische Handlungen (z. B. das klassische sog. „Vogelzeigen“) oder Tätlichkeiten gegenüber dem Ehrträger (z. B. durch Erteilen einer sog. „Ohrfeige“) geschehen68. Erfolgt hingegen die Kundgabe in Form der Behauptung unwahrer Tatsachen über den Betroffenen – also verbal – gegenüber Dritten, kann es sich um einen Fall der Üblen Nachrede gemäß § 186 StGB69 oder sogar um eine Verleumdung gemäß § 187 StGB70 handeln71. In jedem Fall zwingend erforderlich sind sowohl die bewusste Sendung bestimmter Zeichen (die Äußerung des Täters) als auch deren verständige Wahrnehmung und Einordnung als menschlich intentionales Verhalten (durch den Beleidigten selbst oder durch Dritte), mithin also ein Kommunikationsvorgang. Unerheblich ist daher in diesem Zusammenhang auch, ob die Äußerung durch aktives Tun oder Unterlassen72 kundgegeben wird. Über die soeben vorgestellten Kerndelikte des strafrechtlichen Ehrenschutzes hinaus finden sich an weiteren Stellen des StGB Normen mit der Intention des unmittelbaren oder mittelbaren Ehren- bzw. Ansehensschutzes73. Hinzuweisen ist diesbezüglich vor allem auf die §§ 90 bis 90b StGB, welche die Verunglimpfung des Bundespräsidenten, des Staates oder dessen Organe und Symbole sanktionieren. § 103 StGB betrifft die Beleidigung eines in der Bundesrepublik Deutschland befindlichen Organs oder Vertreters eines anderen Staates. Eine nach § 130 I StGB strafbare Volksverhetzung ist gemäß dortiger Nr. 2 verwirklicht, wenn der Täter einen „[. . .] Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet [. . .]“. Schließlich findet sich die Tathandlung des Beschimpfens auch in § 166 StGB wieder, wonach eine solche Äußerung im Bezug auf den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses eines anderen strafbar ist. Bei all diesen Tathandlungen steht ebenfalls jeweils eine Kundgabe der Miss- oder Nichtachtung bzw. eine ausdrückliche Herabwürdigung im Raum74. Neben den diversen Möglichkeiten strafbarer Äußerungen durch die Kundgabe von Miss- oder Nichtachtung, hat der Gesetzgeber an zwei Stellen des BT des StGB auch solche Äußerungen unter Strafe gestellt, durch welche die Adressaten zu bestimmten Handlungen oder Verhaltensweisen aufgefordert werden sollen. So ist das Auffordern wortwörtlich als tatbestandsmäßige Handlung in den
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Fischer, § 185 Rn. 7, 9, 18; Wessels/Hettinger, Rn. 508. Vgl. außerdem auch § 188 I StGB. 70 Vgl. außerdem auch § 188 II StGB. 71 Wessels/Hettinger, Rn. 490. 72 Hierzu u. a. Krey/Hellmann/M. Heinrich, Rn. 506 ff.; Lackner/Kühl, § 185 Rn. 7; Satzger/Schmitt/Widmaier-Sinn, § 185 Rn. 22. 73 Schönke/Schröder-Lenckner/Eisele, Vorbem. § 185 ff. Rn. 10. 74 Schönke/Schröder-Eser, § 103 Rn. 6; Schönke/Schröder-Lenckner/Bosch, § 166 Rn. 9; Schönke/Schröder-Lenckner/Sternberg-Lieben, § 130 Rn. 5d; Schönke/SchröderSternberg-Lieben, § 90 Rn. 2, § 90a Rn. 5, 7, 11, § 90b Nr. 3. 69
III. Überblick über die Äußerungsdelikte
81
§§ 111 und 130 I Nr. 1 StGB festgeschrieben. Im Ordnungswidrigkeitenrecht findet sich mit § 116 I OWiG eine dem § 111 I StGB ähnliche Regelung. Darüber hinaus enthält das Nebenstrafrecht mit § 52 I Nr. 4 WaffG, § 29 I 1 Nr. 12 BtMG und § 23 VersammlG weitere strafbewährte Aufforderungsverbote. Hierbei verbietet es § 52 I Nr. 4 WaffG, zur Herstellung sog. „Molotow-Cocktails“ 75 und sonstiger unkonventioneller Spreng- und Brandvorrichtungen (USBV) anzuleiten oder aufzufordern. § 29 I 1 Nr. 12 BtMG und § 23 VersammlG sind hingegen in ihrem jeweiligen Wortlaut erkennbar an § 111 I StGB angelehnt und verbieten es, öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften dazu aufzufordern, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind (§ 29 I 1 Nr. 12 BtMG) bzw. an untersagten oder aufgelösten Versammlungen teilzunehmen (§ 23 VersammlG). Während also sowohl § 111 I StGB, § 29 I 1 Nr. 12 BtMG und § 23 VersammlG explizit ein öffentliches Auffordern verlangen, wurde in § 52 I Nr. 4 WaffG auf das Öffentlichkeitserfordernis verzichtet. Definitionsgemäß wird unter dem Auffordern aber in jedem Fall ein über das bloße Befürworten hinausgehendes, erkennbares Verlangen bzw. ausdrückliches oder konkludentes Einwirken auf andere, mit dem Ziel, in ihnen den Entschluss zu bestimmten Handlungen hervorzurufen, verstanden76. Diese Voraussetzungen lassen das Auffordern grundsätzlich als Kundgabe eines eigenen bzw. sich zu eigen gemachten Inhalts erscheinen, was die Zuordnung der vorgenannten Tatbestände zu den Äußerungsdelikten rechtfertigt. Wiederum ist also auch ein strafbares Auffordern nicht ohne einen entsprechenden Kommunikationsakt denkbar. Nach § 130a II Nr. 2 StGB macht sich strafbar, wer durch eine öffentliche oder in einer Versammlung geäußerte Ansprache zu einer rechtswidrigen Tat aus dem Katalog des § 126 I StGB eine Anleitung gibt. Unter dem Anleiten wird dabei eine taugliche, darlegende Unterweisung bzw. Erteilung von Informationen verstanden, durch welche konkrete Kenntnisse – meist in Form von Hinweisen technischer Art – über die Möglichkeiten der Ausführung oder Vorbereitung einer bestimmten Straftat vermittelt werden77. Zugleich muss durch die Äußerung auch die einer solchen Anleitung begriffsimmanente Tendenz zur Begehung der
75 Umgangssprachliche Bezeichnung für spezielle Brandsätze, welche in der Regel aus einer mit einer leicht entzündlichen Flüssigkeit (z. B. Benzin) gefüllten Glasflasche bestehen und Schäden verursachen, indem die entsprechende Glasflasche äußerlich angezündet und anschließend auf das Zielobjekt geworfen wird, dort zersplittert und so einen eigenständigen Brandherd auf dem getroffenen Objekt bewirkt; vgl. zur Definition auch Gade/Stoppa, Anlage 1 Rn. 117; Steindorf/Heinrich/Papsthart-B. Heinrich, § 1 WaffG Rn. 23 f. 76 BGHSt 32, 310; Gade/Stoppa, § 52 Rn. 34; MK-B. Heinrich, § 52 WaffG Rn. 47; Satzger/Schmitt/Widmaier-Lohse, § 130 Rn. 14; Schönke/Schröder-Eser, § 111 Rn. 3; Schönke/Schröder-Lenckner/Sternberg-Lieben, § 130 Rn. 5b; Steindorf/Heinrich/Papsthart-B. Heinrich, § 52 WaffG Rn. 26. 77 Vgl. BayObLG NJW 1998, 1087; Satzger/Schmitt/Widmaier-Lohse, § 130a Rn. 9.
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
betreffenden Straftat deutlich werden78. Das Vorhandensein und Deutlichwerden einer solchen Begehungstendenz wird unproblematisch anzunehmen sein, sofern es sich um eine eigene Anleitung des sich Äußernden handelt79. In diesem Fall ist in § 130a II Nr. 2 StGB ein (mündliches) Äußerungsdelikt zu sehen80, denn im Ergebnis geht es hier wiederum um die Sanktionierung der Äußerung rechtswidriger Inhalte. Ist Gegenstand der Äußerung hingegen die Wiedergabe einer fremden Handlungsanleitung, kann diese durchaus auch neutralen Charakters sein, denn entsprechend § 130a II StGB kommen (gerade) auch solche Anleitungen in Betracht, welche nicht dazu bestimmt sind, zu einer rechtwidrigen Tat nach § 126 I StGB anzuleiten81. Bedient sich der Täter einer solchen fremden neutralen Anleitung, wird deren fehlende Bestimmung – und damit auch deren fehlende eigene Rechtswidrigkeit – durch das besondere Absichtserfordernis des § 130a II StGB kompensiert82. Während § 130a II Nr. 2 StGB also nicht zwingend durch Äußerung einer eigenen bzw. einer zu eigen gemachten Anleitung verwirklicht werden muss, wird genau dies hingegen für das Anleiten i. S. v. § 52 I Nr. 4 WaffG gefordert83. Folglich wird in § 52 I Nr. 4 WaffG auch ein reines Äußerungsdelikt gesehen84. Um die Vielfalt der strafrechtlich relevanten Äußerungstatbestände zu verdeutlichen, ohne jedoch den hier gebotenen Rahmen eines kurzen Überblicks zu sprengen, sollen die weiteren, zahlreich im BT des StGB enthaltenen, äußerungsrelevanten Handlungen – ohne Anspruch auf abschließende Vollständigkeit – lediglich noch benannt werden. So kennt das StGB neben den bereits vorgestellten Tathandlungen u. a. auch das Aufstacheln85, das Billigen86, das Leugnen und Verharmlosen87 oder z. B. auch das Anpreisen88. 78 BayObLG NJW 1998, 1087; Lackner/Kühl, § 130a Rn. 2; LK-Krauß, 12. Aufl., § 130a, Rn. 30. 79 Schönke/Schröder-Lenckner/Sternberg-Lieben, § 130a Rn. 8. 80 So LK-Krauß, 12. Aufl., § 130a, Rn. 4; Satzger/Schmitt/Widmaier-Lohse, § 130a Rn. 4. 81 Hierunter kann man sich u. a. militärische Anleitungen für bestimmte Verhaltensoder Vorgehensweisen in der Situation eines Verteidigungsfalls vorstellen, wie z. B. die Sprengung einer Brücke oder wichtiger Gebäude. Eine solche Handlungsanleitung ist gerade nicht dazu bestimmt, Kenntnisse zur Begehung einer Straftat aus dem Katalog des § 126 I StGB zu vermitteln. Gleichwohl ist sie – aufgrund der objektiv ähnlichen bzw. sogar identischen Handlungsweisen – durchaus taugliches Mittel, um eben auch Kenntnisse zur Realisierung einer entsprechenden Straftat zu vermitteln. 82 Satzger/Schmitt/Widmaier-Lohse, § 130a Rn. 22 f. 83 Vgl. BayObLG 1998, 1087 (1087 f.); Gade/Stoppa, § 52 Rn. 33; MK-B. Heinrich, § 52 WaffG Rn. 47; Steindorf/Heinrich/Papsthart-B. Heinrich, § 52 WaffG Rn. 26; wonach der Täter regelmäßig selbst zur Herstellung eines Molotow-Cocktails anleiten muss. 84 Vgl. BayObLG NJW 1998, 1087 (1088); Steindorf/Heinrich/Papsthart-B. Heinrich, § 1 WaffG Rn. 23 f. Ausführlich zu dem diesbezüglichen Streit noch unten C. V.2.i). 85 Vgl. §§ 80a, 130 I Nr. 1 StGB.
IV. Überblick über die Verbreitungsdelikte
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Einen speziellen bzw. eigenen Bereich strafbarer Äußerungshandlungen stellen neben den soeben dargestellten Äußerungsdelikten die Aussagedelikte der §§ 153 ff. StGB sowie ferner auch die Falsche Verdächtigung gemäß § 164 StGB89 dar. So verlangen die Ableistung einer Falschen uneidlichen Aussage gemäß § 153 StGB, eines Meineids gemäß § 154 StGB und einer Falschen Versicherung an Eides statt gemäß § 156 StGB jeweils eine eindeutige Äußerung, welche in den Fällen des § 153 StGB und des § 154 StGB sogar mündlich erfolgen muss90. Eine eindeutige Äußerung, nämlich eine Behauptung tatsächlicher Art, setzt in § 164 StGB lediglich dessen zweiter Absatz zwingend voraus, während eine falsche Verdächtigung nach § 164 I StGB zusätzlich auch durch das bloße Schaffen einer entsprechenden Beweislage verwirklicht werden kann91. Auch bei diesen Delikten ist also der grundlegend erforderliche Kommunikationsbezug nicht von der Hand zu weisen. Jedoch besitzen diese Straftatbestände trotz ihrer grundsätzlichen Kommunikationsrelevanz für die hier zu erörternde Frage strafbarer Verabredungs-, Aufforderungs- und Anleitungshandlungen im Internet keine erkennbare Bedeutung, denn anders als bei den zuvor beschriebenen Äußerungsdelikten erscheint bereits deren Begehung – zumindest in den Fällen der §§ 153, 154 und 156 StGB – über die Kommunikationsmittel des Internets kaum realistisch. Zudem unterscheiden sich sowohl deren Zielrichtung (Beeinträchtigung der staatlichen Rechtspflege92), als auch deren äußeres Erscheinungsbild (Aussage oder Anzeige vor bzw. gegenüber einer zuständigen Stelle bzw. Behörde) gänzlich von denen der Aufforderungen und Verabredungen zur Begehung von Straftaten. Daher soll auf eine weitere Vertiefung dieser Delikte verzichtet werden.
IV. Überblick über die Verbreitungsdelikte 1. Einführung Bei den Verbreitungsdelikten steht die Weitergabe rechtswidriger Informationen bzw. inkriminierter Inhalte im Vordergrund, weshalb es – im Gegensatz zu den Äußerungsdelikten – hier nicht erforderlich ist, dass der Täter sich auch 86
Vgl. §§ 130 III und IV, 140 Nr. 2 StGB. Vgl. § 130 III StGB. 88 Vgl. §§ 91 I Nr. 1, 130 II Nr. 1d, 131 I Nr. 4, 184 I Nr. 5 StGB, § 120 I Nr. 2 OWiG. 89 Einen weiteren Fall strafbarer Verdächtigung enthält § 241 StGB. 90 Vgl. Rengier, BT II, § 49 Rn. 6, 22; Satzger/Schmitt/Widmaier-Sinn, § 153 Rn. 6; einschränkend für den Zivilprozess jedoch Schönke/Schröder-Lenckner/Bosch, Vorbem. §§ 153 ff. Rn. 22. 91 Vgl. Satzger/Schmitt/Widmaier-Jeßberger, § 164 Rn. 9; Schönke/Schröder-Lenckner/Bosch, § 164 Rn. 8. 92 Vgl. Rengier, BT II, Einführung zum 12. Kapitel vor § 49, S. 444. 87
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
selbst, mithin aus eigener Überzeugung, zum Gegenstand der Verbreitung bekennt93. Seinen Strafgrund bezieht das Verbreiten inkriminierter Inhalte daraus, dass bereits durch deren bloße Weiterverteilung oder Streuung eine Breitenwirksamkeit erzielt wird, aus der wiederum eine eigene Gefahr bzw. ein besonderes Bedrohungspotenzial für Rechtgüter erwächst94. Folglich wird die massenhafte Kommunikation bestimmter (gefährdender) Inhalte vor allem dort mit Strafe bedroht, wo es darum geht, bestimmte gesellschaftliche Gruppen (z. B. Kinder und Jugendliche), die Gesellschaft im Allgemeinen bzw. die öffentliche Ordnung und den Bestand des Staates i. w. S. zu schützen95. Dies ist insbesondere im Bereich der Staatsschutzdelikte der §§ 80 ff. StGB der Fall, also regelmäßig dann, wenn durch die Verbreitung extremistischer und propagandistischer Inhalte die äußere und innere Sicherheit sowie die verfassungsmäßige Ordnung gefährdet werden96. Weiterhin soll der Schutz vor der Verbreitung jugendgefährdender Inhalte durch § 27 I Nr. 1 i.V. m. § 15 I und II JuSchG im Bereich der „einfachen“ bzw. unmittelbar erfassbaren Medien (z. B. Bücher, Zeitungen etc.), sowie durch § 23 i.V. m. § 4 II 1 Nr. 3 und § 4 II 2 JMStV im Bereich des Rundfunks und der sog. „Telemedien“ 97 (z. B. im Internet bereitgestellte Inhalte) gewährleistet werden98. Ausdrücklich enthalten hierbei die §§ 86 I, 86a I Nr. 1, 91 I Nr. 1, 130 II Nr. 1a bis Nr. 1c und Nr. 2, 130a I und II Nr. 1, 131 I Nr. 1 bis Nr. 3 und II StGB das Verbreiten und/oder auch das (öffentliche) Zugänglichmachen, sowie z. T. weitere Alternativen – beispielsweise das Überlassen oder das öffentliche Vorführen99 – als tatbestandsmäßige Handlungen. Einen weiteren großen Anwendungsbereich finden die Verbreitungsdelikte auch im sog. „Pornografiestrafrecht“ der §§ 184 bis 184d im 13. Abschnitt des BT des StGB100. Aufgrund der umfangreichen Möglichkeiten, welche das Internet gerade auch zur Weitergabe und Veröffentlichung von Bild- und Videodateien bietet, kursieren mittlerweile unzählige pornografische Inhalte – sowohl solche legaler als auch solche illegaler Art – im und über das Internet. Zumindest bei
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Busse-Muskala, S. 49. Zum Hintergrund und der Gesetzesentwicklung des strafbaren Verbreitens Franke, GA 1984, 452 (452 ff.). 95 Busse-Muskala, S. 50; Gercke/Brunst, Rn. 255. 96 Hierzu ausführlich im Hinblick auf die Begehung im Internet Gercke/Brunst, Rn. 362 ff.; Hilgendorf/Valerius, Rn. 463 ff.; Hoeren, S. 475 ff.; Malek, Rn. 335 ff.; Römer, S. 41 ff. 97 Vgl. diesbezüglich auch die in § 1 I 1 TMG enthaltene Legaldefinition. 98 Zum Jugendschutz im Internet auch Hoeren, S. 480 f. 99 Vgl. §§ 130 II Nr. 1b und Nr. 1c, 130a I und II Nr. 1, 131 I Nr. 2 und Nr. 3 StGB. 100 Hierzu Gercke/Brunst, Rn. 258 ff.; Hilgendorf/Valerius, Rn. 264 ff.; MarberthKubicki, Rn. 214 ff. 94
IV. Überblick über die Verbreitungsdelikte
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den „einfachen“ pornografischen Inhalten soll eine starke Nachfrage bestehen101. Vor diesem Hintergrund erscheint es wiederum realistisch, davon auszugehen, dass entsprechende Dateien auch einen großen Teil des Transfers ausmachen, welcher über die bereits erwähnten Tauschbörsen102 im Internet stattfindet. Weil das Pornografiestrafrecht jedoch einerseits für die hier zu thematisierenden Handlungen des Verabredens, Aufforderns und Anleitens zur Begehung von Straftaten nicht relevant ist und andererseits bereits vielfach Gegenstand der wissenschaftlichen Auseinandersetzung war103, soll vorliegend auf die Tatbestände der §§ 184 bis 184d StGB nicht vertieft eingegangen werden. Ähnlich verhält es sich auch mit § 202c StGB, welcher u. a. die Vorbereitung eines strafbaren Ausspähens (§ 202a StGB) oder Abfangens von Daten (§ 202b StGB) sanktioniert. Gemäß § 202c I StGB besteht danach bereits in dem bloßen Verbreiten oder Zugänglichmachen von Passwörtern, Sicherungscodes und Computerprogrammen eine eigenständig strafbare Handlung. Über die Verweisungsklauseln der §§ 303a III und 303b V StGB werden die tatbestandsmäßigen Handlungen dieser Vorfeldnorm zudem auf die Delikte der Datenveränderung (§ 303a StGB) und der Computersabotage (§ 303b StGB) ausgedehnt. Da § 202c StGB, wie noch zu zeigen sein wird104, jedoch dem Bereich der Computerkriminalität i. e. S. zuzurechnen ist105, welcher hier gerade nicht Gegenstand der Untersuchung sein soll, kann vorliegend auch auf eine vertiefte Darstellung dieses Verbreitungstatbestands verzichtet werden. Da für die vorliegend zu untersuchende Problematik also keineswegs alle Verbreitungsdelikte des StGB relevant sind, soll zweckmäßigerweise – anstelle einer detaillierten Betrachtung jedes einzelnen Tatbestands – lediglich ein Überblick über diejenigen Tatbestandsmerkmale gegeben werden, welche den meisten Verbreitungsdelikten zu eigen und damit kennzeichnend für selbige sind. Zu diesen tatbestandsübergreifend relevanten Merkmalen gehören im Wesentlichen der Schriftenbegriff des § 11 III StGB sowie die Tathandlungen des Verbreitens und des (öffentlichen) Zugänglichmachens. 2. Der Schriftenbegriff des § 11 III StGB Viele der vorangehend benannten Verbreitungstatbestände knüpfen hinsichtlich des Mittels zur Tatbegehung an den Begriff der „Schrift“ an und enthalten einen
101
Vgl. Jofer, S. 54. Vgl. zu den Tauschbörsen bereits oben B.II.1.e). 103 Vgl. z. B. Germann, S. 195 ff.; Gercke/Brunst, Rn. 258 ff.; Hilgendorf/Valerius, Rn. 264 ff.; Malek, Rn. 297 ff.; Preuße, S. 144 ff.; Römer, S. 71 ff.; ferner auch BusseMuskala, S. 51 f. 104 Vgl. dazu unten C.V.1. 105 Vgl. dazu ebenso unten C.V.1. 102
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
entsprechend auf § 11 III StGB verweisenden Klammerzusatz106. § 11 III StGB enthält wiederum eine Gleichstellungsklausel, nach der Ton- und Bildträger, Datenspeicher, Abbildungen und andere Darstellungen ebenso wie Schriften zu behandeln sind. Unter den von § 11 III StGB genannten Gegenständen sollen die Darstellungen als übergeordnete Sammelbezeichnung dienen, so dass deren Begriff folglich weit auszulegen ist107. Hierunter fallen regelmäßig alle einen bestimmten Hergang oder Gedanken zum Ausdruck bringenden Zeichen bzw. Gebilde, welche – gegebenenfalls auch nur mit entsprechenden Hilfsmitteln – sinnlich wahrnehmbar sind und deren stoffliche Verkörperung von gewisser Dauerhaftigkeit ist108. Die Digitalisierung der Kommunikationsvorgänge im Internet und die damit verbundene weitgehende Aufgabe einer stofflichen Verkörperung der geäußerten und/oder verbreiteten Gedankeninhalte führte jedoch zu Problemen bei der Subsumtion unter den Begriff der „Darstellung“. Durch das Informations- und Kommunikationsdienstegesetz (IuKDG, vom 22.07.1997, in Kraft getreten zum 01.08. 1997)109 wurden auch die Datenspeicher als ein weiterer Unterfall der Darstellungen in den Gesetzestext aufgenommen110. Als Datenspeicher i. S. d. Gesetzes gelten dabei alle elektronischen, elektromagnetischen, optischen, chemischen oder sonstigen Aufzeichnungen von Daten, welche gedankliche Inhalte verkörpern und nur durch technische Hilfsmittel, also entsprechende Geräte (z. B. durch Anzeige auf einem Computermonitor), wahrnehmbar gemacht werden können111. Demnach erweist sich die Anwendung von § 11 III StGB auf digitalisierte Inhalte im Internet nunmehr als unproblematisch. Unter Einbezug nahezu jeder denkbaren Art der Datenspeicherung kommt es folglich nur noch auf deren hinreichende Dauerhaftigkeit an, welche in jedem Fall bei Speicherungen der (inkriminierten) Dateiinhalte auf selbstständigen bzw. „festen“ Datenträgern, sog. „permanenten“ Speichern (z. B. CD-ROMs, DVD-ROMs, USB-Sticks, Festplatten von Computern und EDV-Anlagen), nach h. M. aber auch bei nur vorübergehenden Speicherungen in sog. „flüchtigen“ Datenspeichern (z. B. im Arbeitsspeicher des Computers) gegeben ist112, denn auch
106 Vgl. §§ 86 II, 86a I Nr. 1, 91 I Nr. 1, 130 II Nr. 1 und V, 130a I und II Nr. 1, 131 I, 184 I, 184a, 184b I, 184c I StGB. 107 Gercke/Brunst, Rn. 276; Hilgendorf/Valerius, Rn. 167; Lackner/Kühl, § 11 Rn. 28; Römer, S. 79 f.; Satzger/Schmitt/Widmaier-Satzger, § 11 Rn. 52. 108 Fischer, § 11 Rn. 33; NK-Saliger, § 11 Rn. 80; Sieber, JZ 1996, 494 (495). 109 BGBl. I 1997, S. 1870. 110 Vgl. Art. 4 Nr. 1 IuKDG. 111 BT-Drs. 13/7385, S. 36; Satzger/Schmitt/Widmaier-Satzger, § 11 Rn. 56; Schönke/Schröder-Eser/Hecker, § 11 Rn. 67. 112 Vgl. BGHSt 47, 55 (58) mit Anmerkungen von Kudlich, JZ 2002, 310 und Lindemann/Wachsmut, JR 2002, 206; OLG Hamburg NJW 2010, 1893 (1894); Busse-Muskala, S. 52; Gercke/Brunst, Rn. 278; Lackner/Kühl, § 11 Rn. 28; MK-Radtke, § 11
IV. Überblick über die Verbreitungsdelikte
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in solchen Speichern befinden sich die Daten eine gewisse Zeit, in der sie dem Nutzer zur unbeschränkten und wiederholten bzw. mehrfachen Verfügung stehen und ebenso verwendet werden können, als wenn sie sich auf einem permanenten Speicher befinden würden113. Ausdrücklich nicht unter den Begriff der „Datenspeicher“ fallen jedoch solche Inhalte, welche in Echtzeit bzw. annähernder Echtzeit übermittelt werden114. Dies kann auf die begriffliche Unterscheidung zwischen unkörperlichen Daten einerseits und Datenspeichern andererseits115 zurückgeführt werden. Grundsätzlich erfordert der bloße Übermittlungsvorgang an sich unkörperlicher Daten nämlich nicht zwingend auch deren Verkörperung durch ein Speichermedium. Im Hinblick auf den Datenaustausch im Internet kann dies der Fall sein, wenn die Daten ohne jegliche Zwischenspeicherung (z. B. auf entsprechenden Servern) vom Versender zum Empfänger transportiert werden116. Die Gegebenheiten der Internetkommunikation bringen es jedoch mit sich, dass es praktisch eher selten einmal der Fall sein wird, dass ein über das Internet vermittelter Inhalt an keiner der beteiligten Stellen – namentlich Versender, Diensteanbieter und Empfänger – eine hinreichende Speicherung i. S. e. beliebigen bzw. mehrfachen Abrufbarkeit erfährt. Kommt bei der Internetkommunikation das Client-Server-Modell117 zum Einsatz, wird regelmäßig zumindest eine Zwischenspeicherung der Daten auf einem von dem Diensteanbieter dafür bereitgehaltenen Rechner (z. B. einem Mail-Server beim E-Mail-Versand oder einem News-Server im Usenet) erfolgen118. Findet hingegen ein Datenaustausch über das Internet auf direktem Weg zwischen den Beteiligten – wie z. B. in einem P2P-Netzwerk119 – statt, sind die Inhalte wiederum regelmäßig bereits auf Seiten des Versenders gespeichert und werden nach der Übertragung zudem auch auf Seiten des Empfängers dauerhaft angelegt120. Der h. M. zufolge ist darüber hinaus sogar schon dann von einer hinreichenden Verkörperung auszugehen, sobald die über das Internet ohne Zwischenspeicherung übertragenen Daten in den Arbeitsspeicher des Empfängerrechners gelan-
Rn. 147; Preuße, S. 143; Schönke/Schröder-Eser/Hecker, § 11 Rn. 67; a. A. hinsichtlich des Arbeitsspeichers jedoch Hilgendorf/Valerius, Rn. 170. 113 Germann, S. 188 f.; Jofer, S. 165, der in diesem Zusammenhang bemerkt, dass auch die im Arbeitsspeicher befindlichen Dateien ganz normal ausgedruckt, per E-Mail versandt oder gelöscht werden können. 114 BT-Drs. 13/7385, S. 36. 115 Zu dieser Unterscheidung auch Hilgendorf/Valerius, Rn. 171. 116 Schönke/Schröder-Eser/Hecker, § 11 Rn. 67. 117 Vgl. dazu oben B.I.2. 118 Gercke/Brunst, Rn. 284; Römer, S. 89. 119 Vgl. dazu oben B.II.1.e). 120 Gercke/Brunst, Rn. 284.
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
gen, dort für eine gewisse Dauer erhalten bzw. verfügbar bleiben und auf einem Monitor dargestellt werden können121. Im Ergebnis kann der Schriftenbegriff des § 11 III StGB in Form der Datenspeicher prinzipiell also nur dort keine Anwendung finden, wo weder auf Seiten des Versenders (vor der Übertragung), noch auf Seiten des Empfängers (nach der Übertragung) eine Speicherung der Daten erfolgt und diese auch ohne relevante Speicherung an anderer Stelle in Echtzeit über das Internet übermittelt werden. Dies ist jedoch lediglich bei der Übertragung von nicht zuvor aufgezeichneten Bild- und Tonsendungen im Wege des Live-Streaming-Verfahrens122 denkbar123, welche nicht auf dem Rechner des Empfängers gespeichert werden (können) und sofort nach einmaliger Wahrnehmung unwiederbringlich „verfallen“ 124. Wie schon oben angedeutet, dürfte dies – unter realistischer Betrachtung der heutigen technischen Möglichkeiten – ein in der Praxis jedoch eher seltener Fall sein125. Gleichwohl ist ein solcher Fall aber auch nicht vollständig auszuschließen. So ist es möglich, dass der Anbieter eines Live-Streams (z. B. einer Live-Fernseh- oder Radiosendung) eine spezielle Codierung verwendet, die verlangt, dass die empfangenen Inhalte vom Empfänger mit einer bestimmten Software angesehen bzw. angehört werden müssen, welche wiederum lediglich ein einmaliges Abspielen, nicht aber eine dauerhafte Speicherung erlaubt126. In einem solchen Fall könnte § 11 III StGB dann auch nicht über den Oberbegriff der „Darstellung“ zur Anwendung gebracht werden, da dieser bloße Bildschirmanzeigen mangels entsprechender dauerhafter Verkörperung gerade nicht erfassen soll127. Dies steht jedenfalls insoweit mit der generellen Begriffsauslegung im Einklang, als dass hiervon auch Live-Übertragungen im Fernsehen oder Hörfunk nicht erfasst sein sollen128. Neben der Möglichkeit, strafbare Verbreitungshandlungen mittels einer Schrift i. S. v. § 11 III StGB zu begehen, können einige Verbreitungsdelikte129 zudem 121
Vgl. OLG Hamburg NJW 2010, 1893 (1894); Germann, S. 191 f. Vgl. dazu oben B.II.2.h). 123 Daher ist z. B. beim Abrufen von gespeicherten und bereitgehaltenen Inhalten im Video- oder Audio-On-Demand-Verfahren unzweifelhaft vom Vorliegen eines Datenspeichers auf Seiten des Anbieters auszugehen, so dass § 11 III StGB hier unproblematisch zur Anwendung gelangen kann; vgl. auch Gercke/Brunst, Rn. 348. 124 So auch Hilgendorf/Valerius, Rn. 173. 125 Ähnlich auch Germann, S. 192, der einwendet, dass der Versender im Normalfall keinen Einfluss darauf hat, ob der Empfänger die erhaltenen Daten einer hinreichend dauerhaften Speicherung – und damit einer entsprechenden Verkörperung – zuführt oder selbige sofort nach Erhalt unwiederbringlich verfallen lässt. 126 Solche Sicherungsmaßnahmen können beispielsweise zum Schutz der jeweiligen Urheberrechte erfolgen. 127 Vgl. Sieber, JZ 1996, 494 (495). 128 Vgl. u. a. MK-Radtke, § 11 Rn. 143; NK-Saliger, § 11 Rn. 80; Satzger/Schmitt/ Widmaier-Satzger, § 11 Rn. 52; Schönke/Schröder-Eser/Hecker, § 11 Rn. 67. 129 Vgl. §§ 130 II Nr. 2, 131 II, 184d StGB. 122
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auch durch eine Darbietung der inkriminierten Inhalte in Rundfunk, Medienoder Telediensten realisiert werden130. Vom Begriff der „Darbietung“ werden dabei ausschließlich zeitgebundene und insoweit nicht wiederholbare Live-Aufführungen erfasst131. Dies soll die Strafbarkeitslücke schließen, die entstünde wenn – wie soeben aufgezeigt – § 11 III StGB mangels hinreichend dauerhafter Verkörperung der Inhalte bzw. Speicherung der Daten (beim Versender, während des Übertragungsvorgangs und/oder beim Empfänger) nicht zur Geltung kommen kann und somit eine Strafbarkeit wegen des Verbreitens bzw. des Zugänglichmachens entfallen müsste132. Im Hinblick auf das Internet kommen hier – wie gesagt – nur gerade stattfindende Aufführungen, welche zeitgleich mit entsprechenden Kameras und/oder Mikrofonen erfasst und ohne weitere Speicherung direkt über das Internet (z. B. durch Ausstrahlung auf einer Website) übertragen werden, in Betracht. Jedoch kann bereits an dieser Stelle festgehalten werden, dass derartige Darbietungshandlungen im Folgenden keiner weiteren Berücksichtigung bedürfen. Zwar ist es grundsätzlich vorstellbar, dass auch Verabredungen, Aufforderungen und Anleitungen zur Begehung von Straftaten mittels einer nicht speicherbaren Originalübertragung erfolgen. Jedoch sieht das Gesetz die Möglichkeit strafbarer Darbietungen lediglich für die Delikte der Volksverhetzung gemäß § 130 II Nr. 2 StGB und der Gewaltdarstellung gemäß § 131 II StGB sowie für die Verbreitungstatbestände des Pornografiestrafrechts gemäß § 184d StGB vor, die für die hier zu untersuchenden Tathandlungen wiederum aber keine entscheidende Bedeutung besitzen. 3. Die zentralen Handlungsvarianten „Verbreiten“ und „Zugänglichmachen“ sowie das Merkmal „öffentlich“ Unter der Tathandlung des Verbreitens wird regelmäßig die körperliche Weitergabe der tatbestandsmäßigen Schrift zu dem Zweck, diese ihrer Substanz nach einem größeren Personenkreis zugänglich zu machen, verstanden133. Konkret wird diesbezüglich vorausgesetzt, dass der adressierte Personenkreis nach Zahl und Individualität unbestimmt oder aber zumindest so groß ist, dass er von dem Täter nicht mehr kontrolliert werden kann134. Allerdings ist zu konstatieren, dass 130
Hierzu ausführlich Busse-Muskala, S. 52 ff. Busse-Muskala, S. 53; Gercke/Brunst, Rn. 348; Satzger/Schmitt/Widmaier-Hilgendorf, § 184d Rn. 3. 132 Gercke/Brunst, Rn. 347. 133 Vgl. BGHSt 18, 63 (64); Satzger/Schmitt/Widmaier-Hilgendorf, § 184b Rn. 8; Schönke/Schröder-Perron/Eisele, § 184b Rn. 5; Wandtke-B. Heinrich, Band 5 Kapitel 5 Rn. 170. 134 Vgl. Lackner/Kühl, § 74d Rn. 5; Satzger/Schmitt/Widmaier-Hilgendorf, § 184b Rn. 8. 131
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
sich das Erfordernis des unüberschaubar großen und individuell unbestimmten Adressatenkreises nicht schon unmittelbar aus dem Begriff des Verbreitens ergibt bzw. eine etwaige Breitenwirkung möglicherweise schon bei der Weitergabe der Schrift an lediglich eine einzige Person angenommen werden könnte. Dass die vorangehend dargestellte Begriffsinterpretation aber dennoch zutreffend ist, ergibt sich aus einer Gegenüberstellung der Handlungen Weitergeben und Verbreiten. So wird hierbei deutlich, dass das Verbreiten zwar regelmäßig den Grundfall der Weitergabe impliziert, darüber hinaus aber eben gerade durch die bestimmungsgemäße Intention gekennzeichnet sein muss, einen möglichst weitläufigen Zugang des weiterzugebenden Gegenstands/Inhalts zu erzielen, um sich von einer schlichten (Einzel)Weitergabe zu unterscheiden. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die betreffenden Tatbestände (z. B. §§ 86, 130a StGB) regelmäßig abstrakte Gefährdungsdelikte sind und gerade diejenige Gefahrschaffung erfassen sollen, die aus der Weitergabe eines gefährlichen Inhalts an einen nicht mehr kontrollierbaren Empfängerkreis und der damit möglicherweise einhergehenden Eigendynamik des weiteren Geschehensverlaufs resultiert. Folglich erweist es sich als zutreffend, das Verbreiten als Weitergabe einer Schrift an einen nach Zahl und Individualität unbestimmten Personenkreis zu verstehen. Ein Verbreiten kann aber dennoch auch schon dadurch realisiert werden, dass die Weitergabe an nur eine Person erfolgt, sofern der Täter dabei damit rechnet, dass diese Person ihrerseits wiederum die Verbreitung an einen hinsichtlich seiner Größe und Zusammensetzung unkontrollierbaren Personenkreis vornimmt135. Gibt der Täter die tatbestandsmäßige Schrift allerdings selbst bzw. direkt an einen zahlenmäßig unbestimmten und damit unkontrollierbaren Empfängerkreis weiter, erfüllt bereits dessen eigene Handlung das Öffentlichkeitsmerkmal. Eine Verbreitung liegt hiernach in jedem Fall unstreitig vor, wenn z. B. eine CD-ROM (Datenspeicher i. S. v. § 11 III StGB) mit auf ihr typischerweise digital gespeicherten Inhalten weitergegeben wird. Gerade bei der Verbreitung von Inhalten im bzw. über das Internet zeigt sich die Bedeutung des Körperlichkeitskriteriums des Schriftenbegriffs in besonderer Weise. Dass über das Internet übertragene Inhalte an keiner Stelle eine hinreichend dauerhafte Speicherung erfahren oder zumindest speicherbar sind, wird – wie schon aufgezeigt136 – eher selten einmal der Fall sein. Viele Internetkommunikationsformen bringen es bereits mit sich, dass die entsprechenden Daten für eine gewisse Dauer gespeichert werden, wie beispielsweise eine E-Mail-Nachricht auf dem entsprechenden Mail-Eingangsserver des Adressaten, die in einem Forum gepostete Mitteilung auf dem Server des Diensteanbieters oder ebenso die
135 BGHSt 13, 257 (258); BGHSt 19, 63 (71); Satzger/Schmitt/Widmaier-Hilgendorf, § 184b Rn. 8; anders allerdings Franke, GA 1984, 452 (469 ff.), der eine Weitergabe der Schrift an mindestens drei Personen fordert. 136 Vgl. direkt zuvor C.IV.2.
IV. Überblick über die Verbreitungsdelikte
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Inhalte einer Website. Bei solchen Kommunikationsformen wiederum, bei denen tatsächlich ein nicht (bereits zuvor) gespeicherter Inhalt ohne wesentliche Zwischenspeicherung zum Empfänger übertragen wird (z. B. Live-Streaming), kann zumindest auf dessen Seite eine dispositive Speicherungsoption bestehen, sobald die übertragenen Daten im Arbeitsspeicher seines Rechners für ihn (frei) verfügbar sind. Festzuhalten ist daher also, dass sehr häufig von einer hinreichenden Verkörperung der Daten in Form eines Datenspeichers i. S. v. § 11 III StGB auszugehen sein wird. Demnach könnte für die Beurteilung der Tathandlung des Verbreitens im Internet in objektiver Hinsicht darauf rekurriert werden, ob das vom Versender verwendete Kommunikationsmittel regelmäßig eine Speicherung der Daten/Inhalte auf Seiten des Empfängers erwarten lässt (z. B. E-Mail) oder ob eine entsprechende Speicherung der empfangenen Daten/Inhalte unmöglich, bzw. zumindest unüblich ist (z. B. bei einem Live-Streaming bei dem der empfangene Datenstrom nur als Video-/Audiosignal wiedergegeben, nicht aber konserviert werden kann)137. Kommt es dabei doch einmal bei einem Kommunikationsmittel zu einer Speicherung seitens des Empfängers, bei dem üblicherweise nicht von einer Speicherung ausgegangen werden muss, so könnte diesbezüglich dann der entsprechende Verbreitungsvorsatz des Versenders entfallen. Wie aber schon dargelegt, erfordert die Weitergabe von Inhalten über das Internet, d.h. die bloße Übertragung von Daten sowie deren Vervielfältigung bzw. Wahrnehmung durch mehrere Nutzer, allerdings gerade keine Handlung durch die (zugleich auch) der entsprechende Datenspeicher übergeben wird138. So liegt es beispielsweise bei der Dateiübertragung per FTP139. Als Datenspeicher fungiert hierbei ein FTP-Server im Internet, auf welchem die Dateien mit den jeweiligen Inhalten zum Abrufen bereitgestellt sind. Greift nun ein Nutzer auf eine solche Datei zu bzw. ruft diese ab, wird eine (Fern)Kopie derselben auf seinem eigenen Rechner erstellt. Er ist damit in den Besitz der Inhalte gelangt, ohne dass der eigentliche Datenspeicher, nämlich der FTP-Server des Anbieters, als solcher übergeben werden musste. Aus dieser augenscheinlichen Diskrepanz heraus entwickelte der BGH den sog. „internetspezifischen Verbreitungsbegriff “, wonach es – unter Verzicht auf eine physisch-reale Weitergabe des eigentlichen Datenspeichers – ausreichen soll, dass „[. . .] die Datei auf dem Rechner des Internetnutzers – sei es im (flüchtigen) Arbeitsspeicher oder auf einem (permanenten) Speichermedium – angekommen ist.“ 140 Des Weiteren soll es nach Ansicht des BGH auch unerheblich sein, ob die Dateien mit den inkriminierten Inhalten direkt vom Täter an die Empfänger übertragen worden sind oder ob selbige ledig-
137 So auch auch Germann, S. 192, der hier vom „allgemeinen Erscheinungsbild des betroffenen Dienstes“ spricht. 138 Vgl. auch vorangehend C.IV.2. 139 Vgl. dazu oben B.II.1.e). 140 Vgl. BGHSt 47, 55 (59 f.).
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
lich bereitgestellt wurden und erst nach entsprechendem Download durch die jeweiligen Nutzer in deren Besitz kommen konnten141. Gegen diese Auslegung des Verbreitungsbegriffs wurde in der Folgezeit mehrfach das Argument vorgebracht, der BGH verwechsle bzw. verwische die deutliche Unterscheidung zwischen (unkörperlichen) Daten und ihren (körperlichen) Speichern142. Letztlich kann der Streit jedoch dahingestellt bleiben, da dieser kaum zu Konsequenzen führt, sofern – wie in den §§ 86 I, 130 II Nr. 1b, 130a I und II Nr. 1, 131 I Nr. 2 StGB143 – neben dem Verbreiten auch das öffentliche Zugänglichmachen als Handlungsalternative normiert ist144. Dieses Merkmal wurde gerade zur Vermeidung der vorstehend genannten Subsumtionsschwierigkeiten im Hinblick auf den herkömmlichen Verbreitungsbegriff durch Art. 4 Nr. 3 IuKDG145 (zunächst für § 86 I StGB) eingeführt146. Ist dem Verbreiten die Handlungsalternative des öffentlichen Zugänglichmachens nicht zur Seite gestellt, wie beispielsweise in § 111 StGB, erlangt der Streit um den internetspezifischen Verbreitungsbegriff in entsprechenden Fällen hingegen Bedeutung147. Im Unterschied zum Verbreiten ist es für ein Zugänglichmachen148 nicht erforderlich, dass das Trägermedium selbst, also die Schrift bzw. der Datenspeicher, als solches weitergegeben wird. Regelmäßig reicht es für das Zugänglichmachen aus, einem anderen die bloße bzw. abstrakte Möglichkeit der Wahrnehmung der Inhalte, also des Zugriffs auf die Daten, zu eröffnen149. Unstreitig hiervon erfasst ist auch der Fall, dass Dateien mit entsprechenden Inhalten über das Internet übertragen oder aber auf einem Server zum Download bereitgestellt werden und dabei einem unbeschränkten Lesezugriff unterliegen150. Zur tatsächlichen Wahr-
141
Vgl. BGHSt 47, 55 (59 f.). Vgl. Gercke/Brunst, Rn. 312; Hilgendorf/Valerius, Rn. 303 ff.; Schönke/Schröder-Perron/Eisele, § 184b Rn. 5; dem Urteil des BGH zustimmend hingegen BusseMuskala, S. 56; Hörnle, NJW 2002, 1008 (1010). 143 Hingegen enthält § 86a I Nr. 1 StGB nicht das Zugänglichmachen und § 91 I Nr. 1 StGB nicht das Verbreiten als tatbestandsmäßige Handlung. Jedoch setzt § 91 I Nr. 1 StGB implizit voraus, dass eine Verbreitung stattfindet („Umstände der Verbreitung“) und § 86a I Nr. 1 StGB enthält mit dem „Verwenden“ eine Handlungsalternative, die – ähnlich dem Zugänglichmachen – darauf ausgerichtet ist, anderen die Wahrnehmung des betreffenden Inhalts zu ermöglichen. 144 So auch Schönke/Schröder-Perron/Eisele, § 184b Rn. 5. 145 BGBl. I 1997, S. 1870. 146 Vgl. BT-Drs. 13/7385, S. 36. 147 Eine ausführliche Diskussion und Entscheidung dieses Streits erfolgt im sachlichen Zusammenhang mit den Ausführungen zu § 111 I Alt. 3 StGB unter C.V.2.f)gg). 148 Zum Begriff auch ausführlich Koch, MMR 1999, 704 (708 f.). 149 BGHSt 47, 55 (60); Hörnle, NJW 2002, 1008 (1009). 150 BGHSt 47, 55 (60); Gercke/Brunst, Rn. 291; Satzger/Schmitt/Widmaier-Hilgendorf, § 184b Rn. 10; Schönke/Schröder-Perron/Eisele, § 184b Rn. 6; Schulte/Kanz, ZJS 2013, 24 (34); Wandtke-B. Heinrich, Band 5 Kapitel 5 Rn. 173 f. 142
IV. Überblick über die Verbreitungsdelikte
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nehmung des Inhalts (z. B. durch das Ansehen einer Website) bzw. zum Abrufen der Dateien muss es hingegen nicht kommen151. Wiederum ist jedoch zumeist erforderlich, dass das Zugänglichmachen öffentlich152 erfolgt. Neben den vorliegend erörterten Verbreitungsdelikten kann das Öffentlichkeitsmerkmal zudem auch bei Äußerungsdelikten auftreten153. Für das Vorliegen des Merkmals „öffentlich“ ist es dabei stets erforderlich, dass sowohl eine numerische als auch eine individuelle Unbestimmtheit im Hinblick auf die angesprochenen Personen besteht154. Bezüglich der numerischen Unbestimmtheit kann dazu die Kontrollfrage gestellt werden: Ist die Anzahl der angesprochenen Personen bereits so groß, dass diese für den Informationslieferanten (bei Verbreitungsdelikten) bzw. den sich Äußernden (bei Äußerungsdelikten mit Öffentlichkeitserfordernis) eine nicht mehr überschaubare bzw. eingrenzbare Gruppe darstellt? Bezüglich der individuellen Unbestimmtheit kann gefragt werden: Ist es dem Informationslieferanten (bei Verbreitungsdelikten) bzw. dem sich Äußernden (bei Äußerungsdelikten mit Öffentlichkeitserfordernis) mangels bestimmter Merkmale nicht möglich, zu ermitteln welche Personen die Informationen (bei Verbreitungsdelikten) bzw. die getätigte Äußerung (bei Äußerungsdelikten mit Öffentlichkeitsmerkmal) zur Kenntnis nehmen und sich daraufhin möglicherweise zur Begehung von Straftaten verleiten lassen. Hinsichtlich der numerischen Unbestimmtheit ist allerdings noch darauf hinzuweisen, dass diese nicht bereits durch die schlichte Kenntnis der genauen Anzahl entfallen kann. Die Annahme einer größenmäßigen bzw. numerischen Unbestimmtheit der adressierten Personen kann nämlich nicht allein deswegen ausgeschlossen sein, weil der Täter lediglich deren genaue Anzahl kennt, es sich dabei aber gleichwohl (weiterhin) um eine – aus seiner Sicht – unüberschaubar große Menschenmenge i. S. e. Nichtkontrollierbarkeit handelt. Erhält beispielsweise der Redner auf einer Großkundgebung kurz vor dem Beginn seiner Rede vom Veranstalter die Information, dass bisher genau 4.572 Teilnehmer gezählt wurden, kann dies sicherlich nicht dazu führen, dass dadurch die Menschenmenge für den Redner überschaubar bzw. kontrollierbar wird. Im Hinblick auf die Kommunikationsvorgänge im Internet ist demzufolge regelmäßig dann von einem öffentlichen Zugänglichmachen auszugehen, wenn – wie auch beim Verbreiten – die tatbestandsrelevanten Inhalte (z. B. in Form von Dateien) einem größeren nach Zahl und Individualität unbestimmten und daher für den Täter unkontrollierbaren Empfängerkreis zur Kenntnisnahme bereitge151
BGHSt 47, 55 (60); Hilgendorf/Valerius, Rn. 292. Das explizite Öffentlichkeitserfordernis wurde gerade von Art. 4 Nr. 3 IuKDG im Zusammenhang mit der Erweiterung des Schriftenbegriffs des § 11 III StGB auf Datenspeicher aufgestellt; vgl. BT-Drs. 13/7385, S. 36. 153 So z. B. bei §§ 111, 130a II Nr. 2 StGB, § 29 I 1 Nr. 12 BtMG, § 23 VersammlG. 154 Kissel, S. 160 ff. 152
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
stellt werden155. So scheint dies möglich, wenn beispielsweise Dateien/Inhalte auf frei zugänglichen Download-Servern bereitgestellt, auf unbeschränkt einsehbaren Websites veröffentlicht156 oder aber in offenen Newsgroups oder Tauschbörsen angeboten werden157. Anders kann der Fall jedoch zu beurteilen sein, wenn das Zugänglichmachen gegenüber einer (z. B. geschlossenen) Benutzergruppe erfolgt, bei der der Kreis der Teilnehmer von vornherein auf eine kleinere überschaubare Personenzahl begrenzt wird, was beispielsweise bei einem zugangsbeschränkten Webforum oder einem nicht öffentlichen Chatroom möglich ist158. Wie bereits dargelegt, kann der Streit, ob rechtswidrige Inhalte über das Internet auch verbreitet oder nur (öffentlich) zugänglich gemacht werden können, dahingestellt bleiben, da jedenfalls auf die Alternative des Zugänglichmachens zurückgegriffen werden kann, sofern diese ebenfalls von der betreffenden Norm erfasst wird159. Unter Auslegung der besagten Entscheidung des BGH, nach der ein internetspezifisches Verbreiten stattgefunden haben soll, wenn die Daten in den Arbeitsspeicher des Empfängercomputers gelangt sind, ist das Verbreiten praktisch als ein Unterfall des Zugänglichmachens zu verstehen, da das Zugänglichmachen – also die Schaffung der bloßen Zugriffsmöglichkeit – zwingend erforderliche Vorstufe zu einer Verbreitung ist160. Wird hingegen die Tathandlung des Verbreitens für die Datenweitergabe im Internet für unpassend gehalten161, so sollen entsprechende Handlungsweisen grundsätzlich ein Zugänglichmachen darstellen, welches neben dem Verbreiten als gleichwertige Alternative anzusehen sei162. Für das gleichberechtigte Nebeneinander beider Handlungsformen wird auch auf § 74d StGB abgestellt, welcher die Möglichkeit der Einziehung solcher Schriften vorsieht, deren Verbreitung eine Straftat darstellt. So erfolge 155 Vgl. auch Germann, S. 193; Satzger/Schmitt/Widmaier-Hilgendorf, § 184b Rn. 10; Wandtke-B. Heinrich, Band 5 Kapitel 5 Rn. 174. 156 BGHSt 46, 212 (219); Fischer, § 184b Rn. 10. 157 Gercke/Brunst, Rn. 309; Hilgendorf/Valerius, Rn. 292, 299; Hörnle, NJW 2002, 1008 (1009). 158 Hierzu auch Fischer, § 184b Rn. 10; Gercke/Brunst, Rn. 309; Hilgendorf/Valerius, Rn. 300; Jofer, S. 166 f.; Schönke/Schröder-Perron/Eisele, § 184b Rn. 6, wonach es maßgeblich darauf ankommen soll, ob die erforderliche Zutrittsberechtigung für eine solche geschlossene Gruppe ohne Weiteres von jedermann erworben werden kann oder ob dies einer tatsächlichen Kontrolle und Auswahl bzw. einer individuellen Zulassung der Mitglieder durch den Anbieter unterliegt. Nur unter dieser Voraussetzung könne von einer bestimm- und überschaubaren Personengruppe ausgegangen werden. 159 Fehlt es hingegen an dieser Handlungsalternative kann die um den internetspezifischen Verbreitungsbegriff geführte Kontroverse jedoch Relevanz erlangen. Eine ausführliche Diskussion und Streitentscheidung hierzu erfolgt an späterer Stelle unter C.V.2.f)gg). 160 So Busse-Muskala, S. 56. 161 Vgl. Hilgendorf/Valerius, Rn. 301. 162 Vgl. Satzger/Schmitt/Widmaier-Hilgendorf, § 184b Rn. 9.
IV. Überblick über die Verbreitungsdelikte
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nach dem Wortlaut von § 74d IV StGB eine ausdrückliche Gleichstellung von Verbreiten und öffentlich Zugänglichmachen163. Wiederum erkennt diese Ansicht jedoch an, dass die Interpretation des BGH (zumindest) vom Wortlaut des Verbreitungsbegriffs gedeckt sein dürfte164. Hinzuweisen ist abschließend noch darauf, dass es sich trotz tatbestandsmäßig manifestierter Verbreitungsmöglichkeit bei den §§ 80a, 90 I, 90a I, 90b I, 103 II, 111 I Alt. 3, 140 Nr. 2, 166, 186, 187, 188 I, 219a I StGB dennoch um Äußerungsdelikte i. S. d. vorliegend verwendeten Abgrenzungskriteriums des eigenen Bekenntnisses zum Äußerungsinhalt handelt. Zwar wird auch in diesen Normen die durch eine Verbreitung beabsichtigte Massenwirksamkeit sanktioniert – dies jedoch nur dann, wenn die verbreitete Äußerung zugleich auch Gegenstand eigener Überzeugung ist, sich der Täter also mit dem Aussagegehalt identifiziert165. Folglich ist das Verbreiten hier nur eine Modalität der eigentlichen Tathandlung, nämlich der zugrundeliegenden und einen Gegenstand eigener Überzeugung bildenden rechtswidrigen Äußerung (z. B. der Aufstachelung, Verunglimpfung, Beschimpfung oder Verleumdung). Dies macht auch die jeweils identische Formulierung „[. . .] durch Verbreiten von Schriften [. . .]“ deutlich. 4. Die Beteiligung Dritter an der (strafrechtlich relevanten) Kommunikation im Internet Bei der Begehung von Straftaten im Internet kommt es – und dies betrifft nicht nur die Verbreitungs- und Äußerungsdelikte – nicht selten vor, dass eine Beteiligung bzw. eine kausale Mitwirkung eines Dritten vorliegt oder sogar zwingend vorliegen muss. Nimmt man beispielsweise eine der für die vorliegende Untersuchung relevanten Kommunikationshandlungen, so bedarf es für deren Realisierung im Internet immer der Inanspruchnahme der technischen Infrastruktur bzw. eines konkreten Kommunikationsmittels166, um die betreffenden Inhalte überhaupt zugänglich machen zu können. Sofern der Täter nicht selbst zugleich auch Betreiber eines solchen Kommunikationsmittels (z. B. eines E-Mail-Dienstes, Chats, Forums, Weblogs etc.) ist, ist er grundsätzlich auf das Angebot anderer Diensteanbieter angewiesen. Deren Dienstleistung – d.h. das Bereitstellen eines Kommunikationsangebots – ist dann also notwendige Voraussetzung und somit auch kausal für die Begehung der Straftat. So ist beispielsweise derjenige, der per E-Mail eine Anstiftung zu einer Straftat begehen will, in der Regel auf die Dienstleistung mindestens eines entsprechenden Anbieters angewiesen, denn so163
Vgl. Römer, S. 90. Vgl. Hilgendorf/Valerius, Rn. 305. 165 Hierzu beispielsweise BayObLG NJW 1998, 1087; LK-Laufhütte/Kuschel, 12. Aufl., § 90a Rn. 20; Malek, Rn. 343; NK-Paeffgen, § 90a Rn. 16; Satzger/Schmitt/ Widmaier-Hilgendorf, § 166 Rn. 21. 166 Vgl. zu diesen ausführlich bereits oben B.II. 164
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
wohl er, als auch der Adressat der Anstiftung benötigen jeweils eine E-MailAdresse und einen E-Mail-Account. Selbst wenn die E-Mail-Accounts nicht bei einem oder mehreren Anbietern eingerichtet sind, sondern selbst vorgehalten werden, bedarf es eines Servers, auf welchem die eingehende (Anstiftungs-)EMail zeitweise – in der Regel bis zum Abruf – gespeichert wird. Zudem sind regelmäßig entsprechende Verbindungsrechner erforderlich, über die die Nachricht an ihr Ziel geleitet wird. Bei der Kommunikation im Internet dürfte es – nicht zuletzt auch aufgrund der Vielzahl gewerbsmäßiger Anbieter und der damit für den Nutzer verbundenen Vereinfachung – eher selten der Fall sein, dass sämtliche der für eine Kommunikation erforderlichen technischen Vorrichtungen (z. B. Server für Speicherkapazitäten, Router für die Weiterleitung von Datenpaketen) von einem Nutzer selbst vorgehalten werden. Speziell für die Kommunikationsangebote im WWW ist noch eine weitere Form der Mitwirkung bzw. Beteiligung an inhaltsbezogenen Delikten denkbar, nämlich das Setzen von Hyperlinks167. Mittels eines auf einer Website angebrachten oder per E-Mail verschickten Hyperlinks kann ohne Weiteres direkt auf entsprechende Inhalte (z. B. andere Websites oder sonstige Dateien), welche auf Servern im WWW gespeichert sind, verwiesen werden. So kann auf diesem Weg beispielsweise die Wirkung einer öffentlichen Aufforderung zu Straftaten verstärkt – d.h. der Kreis der Adressaten erheblich erweitert werden – wenn die entsprechende Äußerung auf einer frei zugänglichen Website enthalten ist und nun per Hyperlink eine Verknüpfung mit weiteren Websites hergestellt wird. Im Unterschied zur Mitwirkung des Diensteanbieters verfügt das Setzen oder Übermitteln eines Hyperlinks im Normalfall jedoch nicht über eine vergleichbare Notwendigkeit für die Begehung der eigentlichen Straftat (z. B. eine öffentliche Aufforderung zur Sachbeschädigung oder eine Äußerung beleidigenden Inhalts auf einer frei zugänglichen Website), vielmehr wird diese – wenn auch gegebenenfalls weniger effektiv – regelmäßig auch ohne eine solche (zusätzliche) Verlinkung begangen werden können. Allerdings kann es bei einer entsprechenden Sachverhaltsgestaltung dennoch zu einer Kausalität der Linksetzung für eine Straftat kommen. So wird beispielsweise die Kausalität für eine öffentliche Aufforderung gemäß § 111 I StGB zu bejahen sein, wenn der spätere, die Aufforderung realisierende Täter allein über den Hyperlink den Zugang zu der die Aufforderung enthaltenden Website gefunden hat. Sowohl für den Diensteanbieter im klassischen Sinn als auch für den Linksetzer kann eine eigene strafrechtliche Verantwortlichkeit in Betracht kommen, wenn deren jeweiliges Handeln in einem Zusammenhang mit der von einem anderen im Internet begangenen Straftat steht. Dabei wird das Vorhalten/Bereitstellen eines Dienstes (durch den Diensteanbieter) regelmäßig sogar als kausal für die Straftat des anderen anzusehen sein, wenn die Tat in ihrer konkreten Form 167
Vgl. zur Funktionsweise von Hyperlinks bereits oben B.II.2.a).
IV. Überblick über die Verbreitungsdelikte
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nicht ohne die Nutzung des entsprechenden Dienstes hätte ausgeübt werden können bzw. sie durch dessen Existenz überhaupt erst möglich wurde. Es stellen sich also die Fragen, wie und wann Dritte – d.h. Diensteanbieter und Linksetzer168 – für Delikte mitverantwortlich (zu machen) sind, die von den jeweiligen Tätern unter Missbrauch der Kommunikationsmittel bzw. der Infrastruktur des Internets begangen werden169. a) Das Anbieten von Kommunikationsdiensten Die rechtlichen Probleme, die das Anbieten bzw. Bereitstellen von Kommunikationsdiensten im Internet mit sich gebracht hat, wurden bereits vielfach unter dem Begriff der sog. „Providerhaftung“ oder dem Stichwort der „Verantwortlichkeit der Diensteanbieter“ diskutiert170. Daher und auch weil dieses Problem lediglich einen Teil- bzw. Nebenaspekt des vorliegenden Untersuchungsgegenstands171 bildet, sollen hier nur die wichtigsten Grundzüge zusammengefasst werden. Hinsichtlich der Diensteanbieter im Internet ist danach zu unterscheiden, worin deren jeweiliges Angebot bzw. deren Dienstleistung/Funktion genau besteht172. Bei dieser Unterscheidung hilft das Telemediengesetz (TMG, vom 26.02.2007, in Kraft getreten zum 01.03.2007)173. Als Sondervorschriften regeln die §§ 7 bis 10 TMG die Verantwortlichkeit der Anbieter elektronischer Informations- und Kommunikationsdienste174 für sämtliche Rechtsgebiete – also auch das Strafrecht175 – 168 Ferner wird dies auch im Hinblick auf Suchmaschinen problematisiert. Vgl. dazu Bleisteiner, S. 137; Gercke/Brunst, Rn. 632; Heghmanns, JA 2001, 71 (73 f.); Hilgendorf/Valerius, Rn. 233; Marberth-Kubicki, Rn. 382; Sieber, Verantwortlichkeit, Rn. 332 ff.; Spindler, NJW 2002, 921 (924); sowie im Rahmen einer Dissertation Busse-Muskala, Strafrechtliche Verantwortlichkeit der Informationsvermittler im Netz – Eine Untersuchung der Strafbarkeit der Anbieter von Hyperlinks und Suchmaschinen, 2006. 169 Hierzu einleitend auch Sieber, Verantwortlichkeit, Rn. 5. 170 Hierzu u. a. Bleisteiner, S. 137 ff.; Gercke/Brunst, Rn. 554 ff.; Heghmanns, JA 2001, 71 (74 ff.); Hilgendorf/Valerius, Rn. 175 ff.; Hörnle, NJW 2002, 1008 (1010 ff.); Marberth-Kubicki, Rn. 361 ff.; Wandtke-B. Heinrich, Band 5 Kapitel 5 Rn. 69 ff.; sowie mit einem umfassenden Rechtsvergleich die Dissertation von Matthies, Providerhaftung für Online-Inhalte, 2004. 171 Primär soll in der vorliegenden Arbeit die Strafbarkeit desjenigen untersucht werden, der Internetkommunikationsmittel i. S. v. § 2 Satz 1 Nr. 3 TMG nutzt, um bestimmte Inhalte zugänglich zu machen. 172 Hilgendorf/Valerius, Rn. 179. 173 BGBl. I 2007, S. 179. 174 Vgl. § 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 TMG zur Legaldefinition des Begriffs des „Diensteanbieters“. 175 Umstritten ist dabei jedoch die Einordnung der §§ 7 ff. TMG in den strafrechtlichen Deliktsaufbau; vgl. (jeweils zu der entsprechenden Vorgängerregelung, dem § 5 TDG a. F. in der bis einschließlich zum 20.12.2001 gültigen Fassung) Heghmanns, JA 2001, 71 (78) (Strafausschließungsgrund); Sieber, Verantwortlichkeit, Rn. 240 ff. (Tat-
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
und geben dabei zugleich ein ausdifferenziertes System i. S. e. abgestuften Verantwortlichkeit vor. Hierbei unterscheidet das Gesetz grundlegend zwischen denjenigen, die eigene Informationen bereithalten (§ 7 I TMG) und solchen, die lediglich mit fremden Informationen umgehen (§§ 7 II, 8, 9, 10 TMG). aa) Das Bereithalten eigener Informationen Anbieter gemäß § 7 I TMG – auch sog. „Content-Provider“ 176 (Inhaltebereitsteller) – sind diejenigen, die eigene Inhalte zur Nutzung bereithalten. Es geht mithin also um die Verfügbarmachung eigener Inhalte. Ein Inhalt gilt dabei als „eigener“, wenn an diesem eine Urheberschaft besteht oder selbiger dem Anbieter zumindest insoweit zurechenbar ist, als dass dieser sich (i. S. e. Zueigenmachens) mit dessen geistigen Gehalt identifiziert177. Eine vollumfängliche Verantwortlichkeit i. S. v. § 7 I TMG besteht beispielsweise dann, wenn selbst erstellte Inhalte über eine eigene Website (z. B. das eigene Weblog) publiziert werden. Weiterhin besteht eine uneingeschränkte Verantwortlichkeit aber auch dann, wenn eigene Informationen über von Dritten vorgehaltene Internetkommunikationsdienste zugänglich gemacht werden (z. B. das Posten eines eigenen Beitrags in einem Forum, Weblog, Chat oder Gästebuch einer Website eines anderen oder auch das Anbieten von Dateien mit eigenen Inhalten über entsprechende Plattformen)178. Unproblematisch unterliegt hiernach also (gerade) auch derjenige der vollen Verantwortlichkeit nach § 7 I TMG – mithin einer Haftung nach den allgemeinen Regeln179 – der als Nutzer180 des Angebots eines Dritten aktiv (eigene) strafrechtlich relevante Inhalte verfügbar macht (z. B. das Posten einer Anleitung i. S. v. § 130a I StGB in dem Forum eines anderen). Weil sich der Status des Nutzers und der des Diensteanbieters nicht zwingend gegenseitig ausschließen, ist regelmäßig derjenige Nutzer, der über das bloße Ansehen von Websites hinaus auch eigene Inhalte einbringt, gleichzeitig auch als Content-Provider zu
bestandsebene); Vassilaki, MMR 1998, 630 (634 ff.) (Schuldebene). Zudem ist umstritten, ob die §§ 7 ff. TMG überhaupt in den strafrechtlichen Deliktsaufbau integriert werden (sog. „Integrationslösung“) oder vielmehr eigenständig stehen und der strafrechtlichen Prüfung vorgelagert sein (sog. „Vorfilterlösung“) sollen; vgl. hierzu Gercke/ Brunst, Rn. 579 ff. sowie den ausführlichen Gesamtüberblick bei Busse-Muskala, S. 229 ff. 176 Gercke/Brunst, Rn. 587; Hilgendorf/Valerius, Rn. 198; Malek, Rn. 47; MarberthKubicki, Rn. 365; Sieber, Verantwortlichkeit, Rn. 14. 177 OLG München MMR 2000, 617 (619); BT-Drs. 13/7385, S. 19; Hilgendorf/Valerius, Rn. 199; Matthies, S. 140. Speziell zum Zueigenmachen einer Äußerung durch die Betätigung der Like-Funktion im sozialen Netzwerk Facebook Schulte/Kanz, ZJS 2013, 24 (26 f.). 178 Gercke/Brunst, Rn. 588. 179 Marberth-Kubicki, Rn. 365. 180 Vgl. § 2 Satz 1 Nr. 3 TMG zur Legaldefinition des Begriffs des „Nutzers“.
IV. Überblick über die Verbreitungsdelikte
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betrachten181. Ebenso kann ein in erster Linie als Content-Provider auftretender Akteur (z. B. der Betreiber einer Website mit eigenen Inhalten) zugleich Nutzer i. S. v. § 2 Satz 1 Nr. 3 TMG sein, wenn er dabei die Leistungen eines anderen Diensteanbieters in Anspruch nimmt (z. B. die von einem entsprechenden Anbieter auf einem Server zur Verfügung gestellten Kapazitäten zur Speicherung der Website)182. Der Begriff des „Content-Providers“ ist demnach weit auszulegen und beschränkt sich nicht allein auf diejenigen, die infolge der Bereitstellung eines Internetkommunikationsmittels den Begriff des „Diensteanbieters“ i. S. v. § 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 TMG erfüllen. Im Ergebnis kann daher zusammengefasst werden, dass das Bereithalten bzw. Bereitstellen eigener Inhalte/Informationen gemäß § 7 I TMG stets zu einer uneingeschränkten rechtlichen Verantwortlichkeit führt. In strafrechtlicher Hinsicht begründet dies sowohl für Äußerungs- als auch Verbreitungsdelikte regelmäßig eine Täterstrafbarkeit hinsichtlich der zugänglich gemachten rechtswidrigen Inhalte183, unabhängig davon, ob dies über ein eigenes Kommunikationsangebot oder das eines Dritten erfolgt. Wirken Nutzer und Diensteanbieter hinsichtlich des Zugänglichmachens eines rechtswidrigen Inhalts kollusiv zusammen, kann eine Mittäterschaft gemäß § 25 II StGB in Betracht kommen, wenn beide dabei als Content-Provider zu betrachten sind184. Dies ist z. B. denkbar, wenn der Nutzer und der Diensteanbieter aufgrund eines zuvor gefassten Tatplans gemeinschaftlich einen rechtswidrigen Inhalt erstellen, um diesen anschließend über das Internetkommunikationsangebot des Diensteanbieters zu publizieren. Stammt der betreffende Inhalt hingegen ursprünglich allein von dem Nutzer des Dienstes (der zugleich aber auch Content-Provider ist), muss der Diensteanbieter, um als Mittäter zu haften, sich diesen Inhalt zunächst zu eigen machen, was bei einem Äußerungsdelikt zudem auch objektiv erkennbar erfolgen muss185. bb) Der Umgang mit fremden Informationen Für die Anbieter/Betreiber, die einen Kommunikationsdienst lediglich für eine Nutzung durch Dritte zur Verfügung stellen, gilt – im Unterschied zu den Bereitstellern eigener Inhalte – nach § 10 TMG im Hinblick auf die Verantwortlichkeit eine Privilegierung. Diese Anbieter sollen für fremde rechtswidrige Inhalte und Handlungen grundsätzlich dann nicht haften, wenn deren Tatbeitrag allein in dem vorherigen (und daher nicht konkret tatbezogenen) Vorhalten/Bereitstellen der technisch notwendigen Speicherkapazitäten besteht. Von der Verantwortlich181 182 183 184 185
Hilgendorf/Valerius, Rn. 182; Römer, S. 154. Hilgendorf/Valerius, Rn. 182. Malek, Rn. 127; Römer, S. 245. Römer, S. 245. Römer, S. 245 f.
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
keitsprivilegierung nach § 10 TMG profitieren im Wesentlichen also diejenigen, die anderen lediglich den erforderlichen Speicherplatz für deren Inhalte zur Verfügung stellen. Diese Akteure werden auch als sog. „Hosting-Provider“ 186 oder „Host-(Service)-Provider“ 187 bezeichnet. Hierzu gehören zunächst solche Diensteanbieter, die Server im Internet bereitstellen, auf denen z. B. Websites oder sonstige Dateien gespeichert werden können. In Betracht kommen darüber hinaus aber auch die Betreiber eigener inhaltlich ausgestalteter (kommerzieller und nichtkommerzieller 188) Angebote im WWW (z. B. Websites), welche es den Nutzern erlauben, dort eigene Informationen zu veröffentlichen bzw. anderen zugänglich zu machen (z. B. Chats, Foren, Gästebücher, Webmail, Tauschbörsen und sonstige Plattformen)189. Kommt es tatsächlich zur Veröffentlichung strafbarer Inhalte eines Dritten über einen entsprechenden Kommunikationsdienst, so ist dessen Betreiber gemäß § 10 TMG verpflichtet, die betreffenden fremden Inhalte unverzüglich zu entfernen oder den Zugang zu diesen zu sperren (§ 10 Satz 1 Nr. 2 TMG), nachdem er positive Kenntnis190 von den konkreten Informationen oder Handlungen und deren Rechtswidrigkeit erlangt hat (§ 10 Satz 1 Nr. 1 TMG). Demnach ergibt sich eine eigene strafrechtliche Verantwortlichkeit des Host-Providers für den Fall, in dem er trotz sicherer Kenntnis – d.h. dolus directus191 – von der Speicherung und Verfügbarkeit der konkreten strafbaren Informationen Dritter in seinem Kommunikationsdienst/-angebot weder zu deren Löschung, noch zu deren Sperrung übergeht oder dies zumindest versucht192. Da es sich um den Umgang mit für den Diensteanbieter (Host-Provider) fremden Informationen handelt, kommt in dieser Konstellation für selbigen eine Teilnehmerstrafbarkeit193 in Betracht, sofern der Dritte (Nutzer) durch das Einstellen der rechtswidrigen Inhalte ein
186
Gercke/Brunst, Rn. 594. Hörnle, NJW 2002, 1008 (1011); Malek, Rn. 48; Marberth-Kubicki, Rn. 373; Schönke/Schröder-Perron/Eisele, § 184 Rn. 60; Sieber, Verantwortlichkeit, Rn. 14. 188 LG Trier MMR 2002, 694. 189 Gercke, MMR 2003, 602; Gercke/Brunst, Rn. 595; in diesem Zusammenhang auch Marberth-Kubicki, Rn. 380 f. zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit bei Gästebüchern und Diskussionsforen im WWW; Nieland, NJW 2010, 1494 zur zivilrechtlichen Haftung bei Meinungsforen im WWW. 190 Zum Erfordernis positiver Kenntnis BGH NJW 2003, 3764 (3764 f.); Gercke/ Brunst, Rn. 598 ff.; Hilgendorf/Valerius, Rn. 208; Hörnle, NJW 2002, 1008 (1012); Marberth-Kubicki, Rn. 374. 191 Bleisteiner, S. 178 ff.; Gercke/Brunst, Rn. 599; Sieber, Verantwortlichkeit, Rn. 336; Vassilaki, NStZ 1998, 521 (522); bereits dolus eventualis ausreichen lässt hingegen OLG München MMR 2000, 617 (618). 192 Regelmäßig reicht bereits der Versuch der Entfernung bzw. Sperrung der rechtswidrigen Informationen aus, um eine Verantwortlichkeitsprivilegierung nach § 10 TMG zu bejahen, vgl. Gercke/Brunst, Rn. 605; Hilgendorf/Valerius, Rn. 207. 193 Marberth-Kubicki, Rn. 376. 187
IV. Überblick über die Verbreitungsdelikte
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Äußerungsdelikt (Haupttat) verwirklicht194. Verwirklicht der Dritte (Nutzer) durch das Einstellen der rechtswidrigen Inhalte hingegen ein Verbreitungsdelikt, kann auch für den bewusst die Löschung/Sperrung unterlassenden Host-Provider eine (eigene) Täterstrafbarkeit in Betracht kommen195. Dies beruht darauf, dass es gerade eines der Wesensmerkmale der Verbreitungsdelikte ist, dass – anders als bei den Äußerungsdelikten – regelmäßig auch bzw. bereits das Zugänglichmachen fremder Inhalte eine Täterschaft begründet. Neben den Host-Providern privilegiert das TMG gemäß § 8 I 1 auch diejenigen Diensteanbieter, die fremde Informationen in Kommunikationsnetzwerken – also auch dem Internet – lediglich übermitteln oder zu deren Nutzung sie den Zugang vermitteln, die sog. „Access-Provider“ 196. Vorwiegend sind dies gewerbsmäßige Kommunikationsunternehmen197, in Betracht können aber auch P2P-Netzwerke198, E-Mail-Dienste199 oder Internetcafés200 kommen. Die Verantwortlichkeitsprivilegierung dieser Access-Provider reicht dabei noch weiter als die der Host-Provider, da selbst die Kenntnis der Rechtswidrigkeit der fremden Informationen gemäß § 8 I 1 TMG nicht zu einer Verantwortlichkeit führt201. Der Grund für diese weitgehende Privilegierung liegt darin, dass Access-Provider als Anbieter rein technischer Weiterleitungsvorgänge in der Regel keinen Einfluss auf den Inhalt der Informationen nehmen können202. In strafrechtlicher Hinsicht bedeutet dies, dass weder eine Täter-, noch eine Teilnehmerstrafbarkeit vorliegt, wenn die Zugangs-/Weiterleitungsdienste trotz Kenntnis von den durch sie vermittelten rechtswidrigen Informationen angeboten werden203. Sofern jedoch entgegen den Nr. 1 bis 3 des § 8 I 1 TMG der Übermittlungsvorgang veranlasst wird (Nr. 1), eine Auswahl des Adressaten (Nr. 2) oder eine Auswahl bzw. Veränderung der betreffenden Inhalte/Informationen (Nr. 3) erfolgt, bleibt die Verantwortlichkeitsprivilegierung versagt. Zudem haftet ein Access-Provider gemäß § 8 I 2 TMG auch dann, wenn dieser mit einem Nutzer seines Dienstes kollusiv zusammenwirkt, um rechtswidrige Handlungen zu begehen. Dies wird z. T. dann
194
So auch Römer, S. 246, 251. Hierzu ausführlich Römer, S. 246 ff. 196 Hierzu ausführlich Gercke/Brunst, Rn. 608 ff.; Malek, Rn. 49 f.; Marberth-Kubicki, Rn. 366 ff.; Sieber, Verantwortlichkeit, Rn. 14. 197 Gercke/Brunst, Rn. 609. 198 Marberth-Kubicki, Rn. 368. 199 OLG Karlsruhe CR 2002, 751 (752). 200 So Heghmanns, JA 2001, 71 (75); Gercke/Brunst, Rn. 609. A. A. jedoch Hilgendorf/Valerius, Rn. 183. 201 Gercke/Brunst, Rn. 608. 202 Gercke/Brunst, Rn. 608; Marberth-Kubicki, Rn. 366 f.; Sieber, Verantwortlichkeit, Rn. 283. 203 Gercke/Brunst, Rn. 614; Hilgendorf/Valerius, Rn. 215, 239, 243. 195
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
angenommen, wenn das Zusammenwirken von Access-Provider und Nutzer zu einer objektiven Gefahrsteigerung führt204. Neben den Host- und Access-Providern gibt es auch solche Diensteanbieter, die fremde Informationen aus wirtschaftlichen Gründen zwischenspeichern um deren Übermittlung zu effektivieren, die sog. „Caching-“ und „Proxy-Provider“ 205. Hierbei erfolgt die Zwischenspeicherung von (in der Regel sehr häufig abgerufenen) Informationen (z. B. stark frequentierte bzw. beliebte Websites) auf sog. „Proxy-Cache-Servern“ 206. Der Vorteil dieses Verfahrens besteht darin, dass nicht jede einzelne/individuelle Nutzeranfrage zu dem originären – aber entfernt gelegenen – WWW-Server durchgeleitet werden muss, sondern die entsprechenden Informationen von einem näher gelegenen Zwischenspeicher (Proxy-CacheServer) abgerufen werden können und dadurch sowohl die allgemeine Netzauslastung verringert, als auch die jeweilige Datenübertragung beschleunigt wird. Die Dienstleistung des Proxycaching vereint in sich gewissermaßen die Funktion der Speicherung (vgl. Host-Provider) und die der Zugangsvermittlung (vgl. Access-Provider). Folglich sind die Voraussetzungen des § 9 Satz 1 TMG für eine Verantwortlichkeitsprivilegierung teilweise mit denen des § 10 Satz 1 TMG und teilweise mit denen des § 8 I 1 TMG vergleichbar207. Erfasst werden sollen von § 9 TMG aber in jedem Fall nur solche Zwischenspeicherungen, die automatisiert erfolgen, nicht auf rein individuellen Kommunikationsvorgängen beruhen und der Beschleunigung der Datenübertragung dienen208. Wiederum haftet der Diensteanbieter auch hier, wenn er gemäß § 9 Satz 2 i.V. m. § 8 I 2 TMG mit einem Nutzer seines Dienstes kollusiv zusammenarbeitet, um rechtswidrige Handlungen zu begehen. cc) Das Zueigenmachen fremder Informationen Nachdem es im Grundsatz unproblematisch ist, dass das Bereithalten eigener Informationen stets zu einer vollständigen eigenen Verantwortlichkeit führt (§ 7 I TMG), während der Umgang mit fremden Informationen dies nur unter bestimmten Voraussetzungen begründet (§§ 8 bis 10 TMG), erweist sich die Frage, wo genau die Grenze zwischen (noch) fremden und (schon) eigenen Informationen zu ziehen ist, von entscheidender Bedeutung. Folglich besteht eine Diskussion209 darüber, ab wann sich Diensteanbieter fremde Informationen (z. B. die eines 204
Vgl. Sieber, Verantwortlichkeit, Rn. 374 f. Hierzu ausführlich Gercke/Brunst, Rn. 621 ff.; Hilgendorf/Valerius, Rn. 223 ff.; Marberth-Kubicki, Rn. 372. 206 Zu deren Funktionsweise Sieber, Verantwortlichkeit, Rn. 22. 207 Vgl. insbesondere § 9 Satz 1 Nr. 5 TMG mit § 10 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 TMG sowie § 9 Satz 1 Nr. 1 TMG mit § 8 I 1 Nr. 3 TMG. 208 Gercke/Brunst, Rn. 623. 209 Vgl. hierzu auch den ausführlichen Gesamtüberblick bei Busse-Muskala, S. 213 ff. 205
IV. Überblick über die Verbreitungsdelikte
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Nutzers) zu eigen machen. Insbesondere hinsichtlich der Host-Provider ist diese Frage von hinreichender Bedeutung, denn gerade bei diesen muss die Dienstleistung nicht zwingend ein rein technischer Service (z. B. die bloße Zugangsvermittlung, Weiterleitung oder Zwischenspeicherung von Informationen) sein, sondern kann vielmehr auch in einem technisch-inhaltlich kombinierten Angebot (z. B. eine Website die nicht nur die Darstellung der Inhalte/Informationen, sondern auch deren Speicherung bzw. dauerhafte Verfügbarkeit ermöglicht) bestehen. Die Verantwortlichkeitsprivilegierung des § 10 TMG bleibt dem Host-Provider von vornherein versagt, wenn dieser sich fremde rechtswidrige Informationen zu eigen macht. In diesem Fall unterliegt neben dem eigentlichen Urheber – oftmals der bereitstellende Nutzer – auch er der vollen Verantwortlichkeit gemäß § 7 I TMG für die gespeicherten und zugänglich gemachten Inhalte. Im Hinblick auf das Strafrecht kommt diesen Konstellationen daher gerade im Bereich der Äußerungsdelikte210 eine bedeutende Rolle zu, denn deren täterschaftliche Verwirklichung verlangt jeweils – anders als bei den Verbreitungsdelikten – eine eigene Urheberschaft oder zumindest ein Zueigenmachen eines fremden strafbaren Inhalts211. Noch nicht hinreichend geklärt ist in diesem Zusammenhang die Frage, wann genau hinsichtlich des Host-Providers von einem Zueigenmachen der relevanten Informationen auszugehen ist212. Zur Verdeutlichung der Problematik soll der folgende kleine Fall dienen: A betreibt (als Host-Provider) eine eigene und frei zugängliche Website mit integriertem Gästebuch, bei dem jeder Beitrag u. a. auch mit dem Zeitpunkt – d.h. Uhrzeit und Datum – der Veröffentlichung gekennzeichnet wird. In diesem Gästebuch äußert sich der B (als Content-Provider) beleidigend (i. S. v. § 185 StGB) über C, indem er einen entsprechenden Beitrag postet. Dies entdeckt C wenige Stunden später. Da er den Angriff auf seine persönliche Ehre nicht hinnehmen will, schickt er zunächst eine direkt an A gerichtete E-Mail, in der er diesen darauf hinweist, dass die von B gepostete Äußerung den Straftatbestand der Beleidigung erfüllt. Gleichzeitig fordert er den A ausdrücklich dazu auf, diesen Beitrag aus dem Gästebuch zu löschen. Um seiner Aufforderung ein wenig Nachdruck zu verleihen, postet C anschließend selbst einen öffentlichen Beitrag in dem Gästebuch, wodurch er andere Nutzer darauf aufmerksam machen will, dass es sich bei dem Beitrag des B um eine bloße und unzutreffende Diffamierung handelt, bezüglich derer er den A bereits zur Löschung aufgefordert habe. 210
Vgl. dazu bereits oben C.III. BGHSt 36, 363 (367 f., 371); Fischer, § 111 Rn. 2a; LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 26; NK-Paeffgen, § 111 Rn. 12; Römer, S. 192, 245 f.; Schönke/SchröderEser, § 111 Rn. 3. 212 Zu den unterschiedlichen Ansätzen Gercke/Brunst, Rn. 590 ff.; Hilgendorf/Valerius, Rn. 199 f.; Malek, Rn. 76 ff.; Marberth-Kubicki, Rn. 381; sowie bereits Sieber, Verantwortlichkeit, Rn. 291 ff. 211
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
Dennoch bleibt A untätig und löscht den beleidigenden Beitrag des B nicht aus dem Gästebuch, so dass dieser auch Tage später noch gelesen werden kann. Es stellt sich hier die Frage, wann hinsichtlich des A von einem Zueigenmachen der (für ihn ursprünglich fremden) Äußerung des B auszugehen ist, denn hierfür kommen jedenfalls verschiedene (zeitliche) Ansatzpunkte in Betracht (u. a. Zeitpunkt des Postens durch B, Bestehenlassen der Äußerung ohne Kenntnis von ihrer Existenz, Bestehenlassen der Äußerung auch nach Kenntniserlangung durch die E-Mail des C). In Übereinstimmung mit den Wertungen, die das TMG vorgibt, wird überwiegend davon ausgegangen, dass ein Zueigenmachen fremder Informationen jedenfalls einen Willensakt des Host-Providers voraussetzt, dass dieser die betreffenden Informationen also bewusst ausgewählt und übernommen213 bzw. in (s)einen Kontext eingebunden hat214 oder zumindest bewusst eine Situation bestehen lässt, „[. . .] in der für einen objektiven Dritten der Anschein entsteht, der Anbieter würde bestimmte Inhalte billigen und wie eigene Inhalte behandeln.“ 215 Insbesondere ergibt sich dies aus den §§ 7 II und 10 TMG. Zwar betreffen diese Normen die (grundlegende) Frage der allgemeinen rechtlichen Verantwortlichkeit des Host-Providers für fremde rechtswidrige Informationen, welche von der des strafrechtlich relevanten Zueigenmachens fremder Inhalte zu unterscheiden ist. Da ein Diensteanbieter jedoch regelmäßig nur dann (auch) strafrechtlich belangt werden kann, wenn dessen grundlegende bzw. allgemeine rechtliche Verantwortlichkeit feststeht, dürfen die Kriterien der §§ 7 ff. TMG auch bei der Beurteilung (möglicherweise) strafbaren Verhaltens nicht ignoriert werden. Die §§ 7 II und 10 TMG legen dabei mittels der in ihnen normierten Handlungen bzw. Verhaltensweisen fest, ab wann eine allgemeine rechtliche Verantwortlichkeit des Host-Providers im Hinblick auf fremde rechtswidrige Informationen vorliegt. Um Widersprüche zur Systematik des TMG zu vermeiden, können an die Strafbarkeit eines Verhaltens des Host-Providers jedenfalls nicht geringere Anforderungen gestellt werden, als es für dessen allgemeine rechtliche Verantwortlichkeit nach §§ 7 II und 10 TMG der Fall ist. Einerseits wird mit § 7 II TMG für Diensteanbieter nach §§ 8 bis 10 TMG gerade eine Befreiung von einer sog. „proaktiven Prüfungspflicht“ 216 statuiert. Andererseits sollen Host-Provider gemäß § 10 Satz 1 Nr. 2 TMG nur dann einer 213
Vgl. Sieber, Verantwortlichkeit, Rn. 302 ff. Vgl. OLG Brandenburg MMR 2004, 330 (330 f.); OLG Hamburg GRUR-RR 2008, 230 (231); OLG Hamburg ZUM 2009, 642 (644); Matthies, S. 145; Nieland, NJW 2010, 1494 (1496). 215 Vgl. Hilgendorf/Valerius, Rn. 200; in diesem Zusammenhang auch OLG Hamburg MMR 2006, 744 (746) zur Haftung des Betreibers eines Diskussionsforums. 216 Hierunter ist die Pflicht des Diensteanbieters zu einer präventiven Kontrolle sämtlicher Inhalte vor deren Bereitstellung zu verstehen. Hierzu auch Gercke/Brunst, Rn. 591; Nieland, NJW 2010, 1494. 214
IV. Überblick über die Verbreitungsdelikte
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eigenen rechtlichen Verantwortlichkeit für fremde Informationen unterliegen, wenn diese trotz Kenntnis von den rechtswidrigen Informationen oder Handlungen nicht unverzüglich tätig werden, um die betreffenden Informationen zu entfernen oder den Zugang zu ihnen zu sperren. Daraus folgt für das Zueigenmachen fremder Informationen: 1. Der Host-Provider macht sich fremde über seinen Dienst zugänglich gemachte Informationen nicht schon dann zu eigen, wenn er es unterlässt, diese vorab zu überprüfen217. 2. Selbst die sichere Kenntnis von den über seinen Dienst verfügbaren rechtswidrigen fremden Informationen begründet allein noch nicht ein Zueigenmachen durch den Host-Provider. Hinzukommen muss seinerseits mindestens noch die bewusste Übernahme oder Billigung i. S. e. Identifikation mit diesen Inhalten. Eine solche Identifikation des Host-Providers muss bei einem Äußerungsdelikt zudem objektiv erkennbar sein, da es bei einem solchen regelmäßig obligatorisch für eine Täterstrafbarkeit ist, dass das Bekenntnis zum Inhalt der Äußerung auch nach außen hin deutlich wird218. Zu weitgehend erscheinen demgegenüber solche Ansätze, die ein Zueigenmachen für den Host-Provider bereits dann annehmen, wenn dieser regelmäßige Inhaltskontrollen unterlässt219 oder sich nicht konkret und ausdrücklich von den fremden Inhalten distanziert220. Im oben dargestellten Beispiel konnte sich A als Betreiber der Website mit Gästebuch (Host-Provider) die von B (als Content-Provider) gepostete Beleidigung zum Nachteil des C also frühestens dann zu eigen machen, als er konkrete Kenntnis von selbiger erlangte (hier durch den per EMail gegebenen ausdrücklichen Hinweis des C) und sie dennoch nicht unverzüglich aus seinem Gästebuch entfernte. Macht sich ein Host-Provider (im obigen Beispiel der A) fremde strafbare Inhalte (im obigen Beispiel die beleidigende Äußerung des B) zu eigen, so haftet er für diese vollumfänglich als Content-Provider gemäß § 7 I TMG. Wie bereits erwähnt, ist dies gerade bei den Äußerungsdelikten von besonderer Bedeutung, da hier eine Täterstrafbarkeit regelmäßig nur dann in Betracht kommt, wenn es sich um eine ursprünglich eigene oder eine ursprünglich fremde, aber objektiv erkennbar zu eigen gemachte Äußerung handelt. In dem vorangehend geschilderten Beispiel hat sich A als Host-Provider demnach des Äußerungsdelikts der Beleidigung durch Unterlassen gemäß §§ 185, 13 StGB zum Nachteil des C strafbar gemacht. Diesbezüglich hat er sich die beleidigende, von B gepostete Äußerung zunächst dadurch zu eigen gemacht, indem er diese auch nach Kenntniserlangung (durch den direkten Hinweis des C per E217 So auch LG Köln MMR 2003, 601 (602) mit Anmerkung von Gercke, MMR 2003, 602. 218 Römer, S. 245. 219 So jedoch LG Trier MMR 2002, 694 (695). 220 So aber LG Hamburg MMR 2007, 450 (451).
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
Mail) nicht aus dem Gästebuch entfernte. Zudem war einem objektiven Dritten (z. B. einem weiteren Besucher der Website bzw. Nutzer des Gästebuchs) aufgrund des von C in dem Gästebuch geposteten Beitrags erkennbar, dass und wann A zur Entfernung der von B abgegebenen Beleidigung aufgefordert worden war. Folglich musste ein längeres Untätigbleiben des A, objektiv erkennbar anhand der automatisierten Angabe des Veröffentlichungszeitpunkts des Beitrags des C, als dessen Billigung der von B geposteten Beleidigung verstanden werden, zumal A seinerseits auch keinerlei (distanzierende) Stellungnahme zu der betreffenden Äußerung abgegeben hatte. Infolge der Zueigenmachung der Äußerung des B stellt sich das Unterlassen der Löschung derselben hinsichtlich A nicht nur als eine Nichtverhinderung der durch einen Dritten geäußerten (fremden) Beleidigung, sondern als eine eigene – d.h. täterschaftliche – dar. Scheitert eine Täterstrafbarkeit hinsichtlich des jeweiligen Äußerungsdelikts jedoch daran, dass die Voraussetzungen eines objektiv erkennbaren Zueigenmachens nicht vorliegen, kann – wie bereits zuvor aufgezeigt – lediglich eine Beihilfestrafbarkeit in Betracht kommen, wenn sich der Host-Provider entgegen den Vorgaben von § 10 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 TMG verhält221. b) Das Verlinken von strafbaren Inhalten Da es gerade Sinn und Zweck von Hyperlinks222 ist, schnellen und unkomplizierten Zugang zu bestimmten Inhalten zu vermitteln, stellt sich wiederum die Frage nach der rechtlichen Verantwortlichkeit für rechtswidrige Inhalte im Hinblick auf denjenigen, der einen solchen Link auf die von einem anderen eingebrachten – d.h. fremden – rechtswidrigen Inhalte setzt223. Zu ersten Fällen in der Praxis kam es schon in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre224. Das Setzen eines Hyperlinks ist – im Unterschied zum Bereitstellen der technischen Mittel seitens eines Diensteanbieters225 – zwar keine zwingend notwendige Handlung, um die Kommunikation bzw. die Übermittlung von Informationen im Internet überhaupt erst zu ermöglichen, jedoch wird durch deren Verwendung unstreitig der Zugang zu Inhalten in großem Umfang erleichtert. Insofern erscheint es auch nicht abwegig, in dem Setzen und Vorhalten eines Hyperlinks 221
Marberth-Kubicki, Rn. 376; Römer, S. 246, 251. Vgl. zum Hyperlink bereits oben B.II.2.a). 223 Hierzu u. a. Gercke/Brunst, Rn. 629 ff.; Heghmanns, JA 2001, 71 (72 f.); Hilgendorf/Valerius, Rn. 232 ff.; Marberth-Kubicki, Rn. 377 ff.; Römer, S. 217 ff., 253 ff.; Sieber, Verantwortlichkeit, Rn. 307 ff., 326 ff.; sowie im Rahmen einer Dissertation Busse-Muskala, Strafrechtliche Verantwortlichkeit der Informationsvermittler im Netz – Eine Untersuchung der Strafbarkeit der Anbieter von Hyperlinks und Suchmaschinen, 2006. 224 Vgl. z. B. AG Tiergarten MMR 1998, 49. 225 Vgl. dazu direkt zuvor C.IV.4.a). 222
IV. Überblick über die Verbreitungsdelikte
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zumindest funktional eine Dienstleitung zu sehen226, welche dann strafrechtlich relevant werden kann, wenn dadurch die Zugriffs- und Kenntnisnahmemöglichkeiten hinsichtlich rechtswidriger Inhalte geschaffen werden. Zunächst ist dabei fraglich, ob – wie bei den Diensteanbietern – spezielle Verantwortlichkeitsregelungen auch für das Setzen/Einrichten von Hyperlinks gelten. In Ermangelung einer eigenen spezialgesetzlichen Regelung bliebe – was besondere Verantwortlichkeitsregelungen betrifft – lediglich die Möglichkeit, auch hinsichtlich des Setzens von Hyperlinks auf die Normen der §§ 7 ff. TMG abzustellen. Allerdings benennt das TMG wörtlich weder das Setzen/Einrichten von Hyperlinks als Anbieten, Erbringen oder Bereithalten von Telemedien bzw. als Vermitteln des Zugangs zur Nutzung von selbigen, noch den Setzer/Einrichter eines Hyperlinks als Diensteanbieter. Ebenso verhielt es sich mit dem Vorgängergesetz des TMG227, dem Teledienstegesetz (TDG, vom 22.07.1997, in Kraft getreten zum 01.08.1997, in Geltung bis zum 28.02.2007)228. Es bestand daher – zumindest bis zum Inkrafttreten des TMG – Uneinigkeit darüber, ob diese speziellen Verantwortlichkeitsregelungen auch auf das Setzen/Einrichten von Hyperlinks angewendet werden können229. Die eine Anwendbarkeit befürwortende Ansicht230 bezog sich dabei darauf, dass der historische Gesetzgeber die Verantwortlichkeitsregelung des § 5 TDG a. F.231 jedenfalls auch im Hinblick auf Hyperlinks für anwendbar hielt232, so dass das Setzen von Hyperlinks damit auch nicht von vornherein aus dem Anwendungsbereich der Folgeregelungen der §§ 8 ff. TDG n. F.233 ausgeschlossen werden könne. Gleichwohl hielt es diese Ansicht aber wiederum für fraglich, ob das gezielte Setzen von Hyperlinks auf inkriminierte Inhalte tatsächlich der Verantwortlichkeitsprivilegierung der §§ 8 ff. TDG n. F. unterfallen solle234. Demgegenüber bezog sich die Gegenansicht235 maßgeblich auf eine Klassifizierung als Diensteanbieter anhand eines rein technischen Begriffsverständnisses236. Infolgedessen kam man hier zu dem Ergebnis, dass sich eine Dienstean226
Ähnlich auch Römer, S. 217. Zu § 5 TDG a. F. Flechsig/Gabel, CR 1998, 351 (354). 228 BGBl. I 1997, S. 1870. 229 Ein aktueller Überblick über das Problem findet sich bei Gercke/Brunst, Rn. 630. 230 Vgl. Liesching, MMR 2006, 390 (391). 231 Dies betrifft die bis zum 20.12.2001 gültige Fassung des TDG. Eine erheblich novellierte Neufassung des Gesetzes trat zum 21.12.2001 in Kraft; BGBl. I 2001, S. 3721. 232 Vgl. dazu BT-Drs. 13/8153, S. 13; ebenso Römer, S. 218. 233 Der Regelungsgehalt dieser Normen findet sich heute weitgehend identisch in den §§ 7 ff. TMG wieder. 234 Vgl. Liesching, MMR 2006, 390 (391). 235 Vgl. Malek, Rn. 95; Spindler, NJW 2002, 921 (924). 236 Vgl. in diesem Zusammenhang auch Römer, S. 192, 218. 227
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
bietereigenschaft – und damit die direkte Anwendbarkeit der §§ 8 ff. TDG n. F. – durch das alleinige Platzieren eines Hyperlinks auf einer Website im Regelfall nicht begründen lasse, weil dieses eben nicht (zwingend) damit verbunden sei, dass auch eigene bzw. zurechenbare Speicherkapazitäten (z. B. Server) vorgehalten/betrieben werden237 (was jedoch beim Host-Provider i. S. v. § 10 TMG der Fall ist). Ebenso führe das Setzen eines Hyperlinks nicht bereits von sich aus dazu, dass Informationen an einen Empfänger übermittelt werden238 (was jedoch beim Access-Provider i. S. v. § 8 I TMG der Fall ist). Zu berücksichtigen sei zudem, dass das Einrichten eines Hyperlinks, anders als die rein technische Leistung eines Diensteanbieters, zusätzlich auch nach inhaltlichen Kriterien geschehe und daher nicht lediglich eine bloße Zugangsvermittlung in technischer Hinsicht darstelle239. Hiernach ist festzustellen, dass das Problem der Anwendbarkeit der entsprechenden Verantwortlichkeitsregeln auf den Linksetzer jedenfalls schon im Zusammenhang mit § 5 TDG a. F. bekannt war240. Gleichwohl entschied sich der Gesetzgeber im Zuge der wesentlichen Neufassung des TDG im Jahr 2001 aber eindeutig dagegen, die Verantwortlichkeitsregelungen der §§ 8 ff. TDG n. F. auf das Setzen von Hyperlinks auszuweiten bzw. den Linksetzer ausdrücklich als Diensteanbieter zu deklarieren oder ihn einem solchen jedenfalls gleichzustellen. Weil die Problematik des Hyperlinksetzens seinerzeit als zu komplex für die Schaffung einer einzelstaatlichen rechtlichen Regelung befunden wurde, sollten ausweislich der gesetzgeberischen Begründung zunächst nur die weiteren Entwicklungen hierzu in Wissenschaft und Rechtsprechung abgewartet und möglichst eine einheitliche Lösung auf europäischer Ebene gefunden werden241. Manifestiert hat sich diese gesetzgeberische Entscheidung dann durch die Einführung des TMG im Jahr 2007, da auch dessen §§ 7 ff. – als direkte und nahezu wortlautgleiche Nachfolgeregelungen der §§ 8 ff. TDG n. F. – weder eine dezidierte Verantwortlichkeitsregelung für das Setzen von Hyperlinks enthalten, noch den Linksetzer als Normadressaten ausweisen. Somit wird heute eine – direkte oder analoge – Anwendbarkeit der §§ 7 ff. TMG auf das Setzen von Hyperlinks ganz überwiegend abgelehnt242. Dies wiederum hat zur Konsequenz, dass die rechtliche Verantwortlichkeit für das Setzen von Hyperlinks allein anhand der 237
Vgl. Spindler, NJW 2002, 921 (924). Vgl. wiederum Spindler, NJW 2002, 921 (924). 239 Vgl. Malek, Rn. 95. 240 Vgl. BT-Drs. 13/8153, S. 13; Römer, S. 218. 241 Vgl. BT-Drs. 14/6098, S. 37 (Gegenäußerung der Bundesregierung). 242 Vgl. BGH MMR 2004, 529 (530 – zu §§ 8 ff. TDG n. F.); OLG Stuttgart MMR 2006, 387 (388 – zu §§ 8 ff. TDG n. F.); Gercke/Brunst, Rn. 630; Marberth-Kubicki, Rn. 377; Spindler, NJW 2002, 921 (924 – zu §§ 8 ff. TDG n. F.). Lackner/Kühl, § 184 Rn. 7b hält allerdings „eine analoge Anwendung der §§ 8–10 TMG oder zumindest eine Anlehnung daran“ für bestimmte Fälle der Verlinkung für vertretbar. 238
IV. Überblick über die Verbreitungsdelikte
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allgemeinen Vorschriften bestimmt wird243, infolgedessen es regelmäßig bei der „klassischen Prüfung der Strafbarkeit“ 244 bleibt und es gerade nicht darauf ankommt, (zunächst) eine grundlegende bzw. außerstrafrechtliche Verantwortlichkeit des Linksetzers für die von ihm verlinkten, gegebenenfalls fremden Inhalte festzustellen. Nachdem herausgestellt wurde, dass die strafrechtliche Verantwortlichkeit für das Linksetzen zutreffenderweise allein anhand strafrechtlicher Kriterien zu bemessen ist, gilt es nun noch, diesbezüglich besonders relevant erscheinende strafrechtliche Aspekte aufzuzeigen. So wird hinsichtlich der – vor allem im Bereich der (Schriften)Verbreitungsdelikte bedeutsamen – Handlungsalternative des Zugänglichmachens vertreten, dass diese (bereits) durch das Setzen eines Hyperlinks verwirklicht werden könne245. Schon das bloße Einrichten eines Hyperlinks könne – so es vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft erfolgt – zu einer Täterstrafbarkeit führen246, wenn dadurch auf einen entsprechend strafbaren Inhalt (z. B. eine Website, die aufgrund ihres Inhalts eine zur Anleitung zu Straftaten geeignete und bestimmte Schrift i. S. v. § 130a I StGB247 darstellt) verwiesen wird. Daher wurde beispielsweise vom OLG Stuttgart eine strafrechtliche Verantwortlichkeit i. S. e. täterschaftlichen Zugänglichmachens hinsichtlich der §§ 86 I Nr. 4 und 130 II Nr. 1b StGB dem Grunde nach anerkannt, weil der Angeklagte auf seiner eigenen Website Hyperlinks auf andere Websites, auf denen u. a. nationalsozialistische Kennzeichen abgebildet waren und der Holocaust geleugnet wurde, eingerichtet hatte248. Schließlich könne auch an eine Täter- bzw. Teilnehmerstrafbarkeit249 we243 Vgl. BT-Drs. 14/6098, S. 37 (Gegenäußerung der Bundesregierung); BGH MMR 2004, 529 (530 – zu §§ 8 ff. TDG n. F.); OLG Stuttgart MMR 2006, 387 (388 – zu §§ 8 ff. TDG n. F.); Flechsig/Gabel, CR 1998, 351 (354 – zu § 5 TDG a. F.); Gercke/ Brunst, Rn. 631; Marberth-Kubicki, Rn. 377; Spindler, NJW 2002, 921 (924 – zu §§ 8 ff. TDG n. F.). 244 So jedenfalls Marberth-Kubicki, Rn. 377; ebenso Gercke/Brunst, Rn. 631. 245 Vgl. OLG Stuttgart MMR 2006, 387 (388); Gercke, CR 2006, 844 (849); Gercke/ Brunst, Rn. 631; Koch, MMR 1999, 704 (709). 246 A. A. jedoch Vassilaki, CR 1999, 85 (86 f., 90), die ausschließlich eine Beihilfe des Linksetzers zum Verbreitungsdelikt für möglich hält. Zustimmend Römer, S. 255. Flechsig/Gabel, CR 1998, 351 (355) verlangen auch bei Verbreitungsdelikten für eine Täterstrafbarkeit grundsätzlich eine erkennbare Identifikation des Linksetzers mit den verlinkten Inhalten, so dass das bloße neutrale Setzen eines Links auf einen rechtswidrigen Inhalt noch nicht ausreiche und diesbezüglich allenfalls eine Beihilfestrafbarkeit in Betracht komme. 247 Vgl. zu § 130a StGB noch ausführlich unten C.V.2.g). 248 OLG Stuttgart MMR 2006, 387 mit Anmerkung von Liesching, MMR 2006, 390. Der Angeklagte wurde im Ergebnis dann jedoch aufgrund des Eingreifens der Sozialadäquanzklausel des § 86 III i.V. m. §§ 86a III und 130 VI StGB freigesprochen. 249 Je nachdem, ob ein täterschaftliches Verbreiten/Zugänglichmachen oder lediglich eine Beihilfe zum Verbreitungsdelikt für den Linksetzer anerkannt wird. Vgl. zu diesem Streit auch den Überblick bei Malek, Rn. 130 ff.
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
gen Unterlassung zu denken sein, wenn dem Einrichter des Hyperlinks bekannt wird, dass der von ihm ursprünglich auf einen rechtmäßigen Inhalt gerichtete Link nunmehr auf einen später unter dieser Zieladresse eingestellten rechtswidrigen/illegalen fremden Inhalt verweist und er es dennoch unterlässt, den Link zu entfernen250. Da Äußerungsdelikte im Gegensatz zu Verbreitungsdelikten regelmäßig die Urheberschaft, zumindest jedoch ein erkennbares inneres Bekenntnis zu den (fremden) inkriminierten Inhalten erfordern, soll diesbezüglich lediglich eine Teilnehmerstrafbarkeit des Linksetzers wegen Beihilfe (z. B. zu einer Beleidigung gemäß § 185 StGB) nach § 27 StGB in Betracht kommen, sofern er sich nicht irgendwie objektiv erkennbar mit dem Inhalt der Äußerung des (Haupt)Täters (z. B. desjenigen der einen beleidigenden Beitrag in einem Forum gepostet hat) solidarisiert hat251. Liegt hingegen eine erkennbare Solidarisierung mit der (ursprünglich) fremden rechtswidrigen Äußerung (z. B. in Form einer befürwortenden Anmerkung bezüglich der verlinkten Inhalte) vor, sei diese dem Linksetzer wie eine eigene zuzurechnen, so dass hinsichtlich des jeweiligen Äußerungsdelikts eine Täterschaft i. S. v. § 25 I Alt. 1 StGB in Betracht kommen könne252. Für ein Zueigenmachen soll dabei aber allein das schlichte Verlinken des betreffenden Inhalts noch nicht ausreichen253. Andererseits soll ein Zueigenmachen jedenfalls dann vorliegen, wenn der Linksetzer kollusiv mit demjenigen zusammenwirkt (z. B. durch das gemeinsam geplante Platzieren eines Hyperlinks in einem hochfrequentierten Forum), von dem die strafbare Äußerung stammt (z. B. derjenige der auf seiner eigenen Website öffentlich zur Begehung von Straftaten gemäß § 111 I StGB aufruft)254. In einer solchen Konstellation wäre dann zudem an eine Mittäterschaft i. S. v. § 25 II StGB zu denken255. Schließlich kann hinsichtlich des Zueigenmachens auch zwischen verschiedenen Arten von Hyperlinks differenziert werden256. Ob bzw. wann ein Zueigenmachen fremder Inhalte für den Linksetzer anzunehmen ist, könne letztlich aber nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden257. 250 Vgl. Gercke/Brunst, Rn. 631; Römer, S. 239 f.; ferner auch Vassilaki, CR 1999, 85 (87 ff.), die auf das Unterlassen der Kontrolle des verwiesenen Inhalts abstellt; a. A. jedoch Malek, Rn. 118 ff., 130, der eine mögliche Garantenstellung des Linksetzers grundlegend ablehnt. Vgl. ferner auch AG Tiergarten MMR 1998, 49. Ausführlich zum Streit um die Garantenstellung des Linksetzers Busse-Muskala, S. 105 ff. 251 Vgl. Römer, S. 253. 252 Vgl. Römer, S. 253. 253 Vgl. Malek, Rn. 81. 254 Vgl. Römer, S. 253. 255 Die Möglichkeit der Mittäterschaft im Ergebnis jedoch ablehnend Vassilaki, CR 1999, 85 (87). 256 Zu diesem Ansatz Sieber, Verantwortlichkeit, Rn. 307 ff. 257 Vgl. Hörnle, NJW 2002, 1008 (1010); Koch, MMR 1999, 704 (710); MarberthKubicki, Rn. 378; Matthies, S. 146.
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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Da es jedoch Ziel der vorliegenden Arbeit ist, zu untersuchen wie sich die Tathandlungen des Verabredens, Aufforderns und Anleitens zur Begehung von Straftaten im Bereich der Internetkommunikationsmittel gestalten können und die betreffenden Tatbestände in entsprechenden Konstellationen zusammenwirken bzw. voneinander abzugrenzen sind, soll es – wie erwähnt – bei diesem Überblick zur telemedien- und strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Diensteanbieter und der Linksetzer belassen werden. Vielmehr soll der Blick daher im Folgenden auf diejenigen gerichtet werden, welche die von den Diensteanbietern bereitgestellten Kommunikationsangebote bzw. zur Verfügung gestellten technischen Infrastruktureinrichtungen (Server, Netzverbindungen etc.) für die Realisierung der genannten kommunikationsbezogenen strafbaren Handlungen nutzen. Den Diensteanbietern, die die Kommunikation im Internet in erster Linie in technischer Hinsicht ermöglichen, kommt bei dieser spezifischen Betrachtung in den meisten Konstellationen jedoch eher die Rolle eines Dritten zu, da sie bereits aufgrund ihrer Dienstleistung einen (notwendigen) kausalen Beitrag zu den entsprechenden Straftaten anderer leisten.
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände Nach der vorangehenden überblicksartigen Darstellung und Erläuterung der Normen des AT des StGB mit primärem Kommunikationsbezug sowie der Äußerungs- und Verbreitungsdelikte des BT, gilt es nunmehr, diejenigen Tatbestände herauszustellen, welche direkte Bedeutung für die Tathandlungen des Verabredens, Aufforderns bzw. Bestimmens zur Begehung von Straftaten haben. Aufgrund des unmittelbaren Sach- und Problemzusammenhangs, welcher sich auch und insbesondere im Hinblick auf die Kommunikationsmöglichkeiten des Internets ergibt, ist zudem die Tathandlung des Anleitens einschlägig zu berücksichtigen. Allein um die hier zu untersuchende Problematik eindeutig und zweifelsfrei abzustecken und einzugrenzen, soll nochmals betont werden, dass diejenigen Delikte, welche dem Bereich der Computerkriminalität im eigentlichen (oder engeren) Sinn und dem der „typischen“ Internetkriminalität 258 zuzurechnen sind, hier nicht den Gegenstand der Untersuchung bilden können. Um dies zu verdeutlichen, soll im Folgenden zunächst erläutert werden, welches Verständnis mit den Begriffen der „Computer-“ und der „Internetkriminalität“ verbunden wird und welche Delikte diesen Bereichen typischerweise zugeordnet werden. 258 Vgl. hierzu aus der bereits zahlreich vorhandenen wissenschaftlichen Literatur u. a. Gercke/Brunst, Praxishandbuch Internetstrafrecht, 2009; Hilgendorf/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, 2. Aufl., 2012; Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, Neuntes Kapitel, 2. Aufl., 2012; Malek, Strafsachen im Internet, 2005; MarberthKubicki, Computer- und Internetstrafrecht, 2. Aufl., 2010; Preuße, Informationsdelikte im Internet, 2001; Vetter, Gesetzeslücken bei der Internetkriminalität, 2003.
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
1. Die Nutzung von Computern und Internet zur Begehung von Straftaten – Begriffsklärung und Abgrenzung von „Computer-“ und „Internetkriminalität“ Computern und dem Internet kommen im heutigen Alltag essentielle Bedeutung für das Funktionieren der modernen Kommunikationsgesellschaft zu. Dass beide dadurch auch zum Gegenstand krimineller Handlungen – sei es als Tatmittel oder als Tatobjekt – werden, liegt auf der Hand. Die Möglichkeiten, Computer insbesondere in Verbindung mit dem Internet zur Begehung strafbarer Handlungen einzusetzen, sind vielfältig. Eine eindeutige und vor allem einheitliche Systematisierung der Delikte, welche jeweils der Computer- und der Internetkriminalität zuzuordnen sind, ist hierbei jedoch kaum auszumachen259. Zudem ist auch nicht eindeutig ersichtlich bzw. geklärt, ob von einem Computer- und Internetstrafrecht gesprochen werden kann oder ob das Computerstrafrecht und das Internetstrafrecht als zwei voneinander zu trennende Bereiche zu verstehen sind260. Der Begriff der „Internetkriminalität“ legt es zunächst nahe, darunter diejenigen Straftaten zu verstehen, bei denen das Internet entweder als Tatmittel genutzt oder aber selbst zum Tatobjekt wird. Da für die Teilnahme an sämtlichen Vorgängen die im bzw. über das Internet erfolgen die Verwendung eines Computers zwingend erforderlich ist, scheint es zumindest auf den ersten Blick widersprüchlich, hier eine Abgrenzung zur Computerkriminalität vorzunehmen, wenn diese ihrerseits wiederum dadurch gekennzeichnet sein soll, dass ein Computer als Mittel zur Tatbegehung eingesetzt oder selbst zum Angriffsziel wird261. Eine solche Abgrenzung ist jedoch möglich, wenn eine einengende Auslegung des Begriffs der „Computerkriminalität“ stattfindet. Hierzu erscheint eine Reduzierung des Begriffsverständnisses auf die „klassischen“ Computerdelikte, welche im Wesentlichen mit dem Zweiten Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität (2. WiKG, vom 15.05.1986, in Kraft getreten zum 01.08.1986)262 in das StGB aufgenommen und später z. T. durch das 41. Strafrechtsänderungsgesetz (41. StrÄndG, vom 07.08.2007, in Kraft getreten zum 11.08.2007)263 erwei-
259 Vgl. Gercke/Brunst, Rn. 73, die eine Begriffsbestimmung der Computerkriminalität, nach der sämtliche Delikte, welche im Zusammenhang mit einem Computer (als Tatmittel oder als Tatobjekt) begangen werden, als zu weitgehend empfinden und bezweifeln, dass eine einheitliche Definition der Computer- und Internetkriminalität überhaupt möglich ist. Für eine solch weitgehende Auslegung jedoch Hilgendorf/Valerius, Rn. 7. 260 Eine vereinheitlichende Begriffsverwendung findet sich z. B. bei Gercke/Brunst, Rn. 73; ähnlich auch Marberth-Kubicki, Rn. 50; während sich Hilgendorf/Valerius, Rn. 7 für eine deutliche Unterscheidung aussprechen. 261 Vgl. Marberth-Kubicki, Rn. 50. 262 BGBl. I 1986, S. 721. 263 BGBl. I 2007, S. 1786.
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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tert wurden, durchaus plausibel264, denn auch heute noch benötigen diese Delikte nicht zwingend das Internet als Tatmittel265. Die Verletzung des durch diese Delikte (unmittelbar oder mittelbar) geschützten Rechtsguts, nämlich das der Integrität von Daten und Datenverarbeitungsanlagen, kann vielfältig auch außerhalb des Internets erfolgen, wie z. B. durch das unberechtigte Bearbeiten, Löschen oder anderweitige Zerstören von Daten unter Verwendung eines Computers. Selbst das strafbare Abfangen von Daten (§ 202b StGB) ist nicht auf einen Datenaustausch über das Internet beschränkt, sondern kann vielmehr bereits durch einen entsprechenden Eingriff in ein geschlossenes Netzwerk (z. B. ein sog. „Intranet“) geschehen266. Für die Möglichkeit einer Unterscheidung zwischen der Computer- und der Internetkriminalität spricht zudem auch das historische Argument. Straftaten welche nur mittels Computer begangen werden können, bildeten den Anlass zur Schaffung spezieller neuer Tatbestände – wie z. B. den des Computerbetrugs (§ 263a StGB). Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des 2. WiKG, dem 01.08.1986, kam dem Internet (als Mittel oder Objekt einer Straftat) jedoch kaum eine Bedeutung – jedenfalls im Hinblick auf die Funktion als allgemein verfügbare Kommunikationsinfrastruktur – zu. Festzuhalten ist daher: 1. Wird ein mittels Computer bzw. sonstiger Datenverarbeitungsanlagen zu begehendes Delikt (z. B. eine Datenveränderung gemäß § 303a StGB) außerhalb des Internets begangen, kann schwerlich von Internetkriminalität die Rede sein. 2. Ordnet man der Computerkriminalität i. e. S. diejenigen Delikte bzw. Handlungsalternativen zu, welche ausschließlich durch Einsatz eines Computers oder einer sonstigen Datenverarbeitungsanlage begangen werden können und (wenigstens mittelbar auch) die Integrität von Daten oder Datenverarbeitungsanlagen angreifen, kann von Computerkriminalität i. w. S. gesprochen werden, wenn zur Ausführung einer (sonstigen) Straftat zwar ein Computer bzw. eine elektronische Datenverarbeitung zum Einsatz kommen kann, die Realisierung des betreffenden Tatbestands grundsätzlich aber auch mit anderen Mitteln möglich ist267. Hiernach lassen sich also drei Begriffe, nämlich „Computerkriminalität i. e. S.“, „Computerkriminalität i. w. S.“ und „Internetkriminalität“, voneinander unterscheiden. Dies bestätigt schließlich auch ein Blick in die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS), die seit 2004 die eigenständige Kategorie der „Straftaten 264
So auch Busse-Muskala, S. 60. Zu diesen Tatbeständen zählen u. a. die §§ 202a, 202b, 263a, 269, 270, 303a, 303b StGB. 266 Satzger/Schmitt/Widmaier-Bosch, § 202b Rn. 1 f. 267 So ist dies beispielsweise bei § 263 StGB oder §§ 185 ff. StGB der Fall, bei denen die Begehung mittels eines Computers zwar möglich, aber nicht zwingend erforderlich ist. 265
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
mit Tatmittel Internet“ 268 neben der bereits zuvor vorhandenen Kategorie der „Computerkriminalität“ 269 verwendet. Zudem verfügt die PKS 2011 über die der Computerkriminalität untergeordnete Kategorie der „IuK-Kriminalität im engeren Sinne“ 270, mit der diejenigen „[. . .] Strafttaten im Deliktsbereich der Computerkriminalität, deren Tatbestandsmerkmal die Informations- und Kommunikationstechnik ist [. . .]“ 271, erfasst werden. Fraglich ist allerdings dennoch, ob eine heutzutage möglicherweise weitgehende Überschneidung in der Praxis eine derartige Differenzierung zwischen Computer- und Internetkriminalität (nahezu) obsolet macht272. Unbestreitbar ist jedenfalls, dass das Internet auch eine beachtliche Auswirkung auf diejenigen Delikte hat, die entweder ausschließlich oder zumindest auch unter Verwendung eines Computers begangen werden können, denn gerade der global umspannende Verbund des Internets als „Netz der Netze“ eröffnet ganz neue Wege und Möglichkeiten für die Begehung computerbezogener Delikte. Im Ergebnis scheint es jedoch konsequent, auch weiterhin zwischen Computerkriminalität einerseits und Internetkriminalität andererseits zu differenzieren, wobei der Begriff der „Internetkriminalität“ als eine Art Sammelkategorie für sämtliche im virtuellen Raum begangenen strafbaren Handlungen verstanden werden sollte. Wie aufgezeigt, fallen unter den Begriff der „Computerkriminalität i. e. S.“ gerade diejenigen Delikte bzw. Handlungsalternativen, die im Zuge der zunehmenden Bedeutung von Computern und elektronischer Datenverarbeitung notwendigerweise in das StGB eingeführt werden mussten, um neu entstandene Strafbarkeitslücken zu schließen. Der jeweils tatbestandlich normierte Bezug zu Daten, Datenträgern oder Datenverarbeitungsanlagen berechtigt hierbei zu der Annahme einer neuen eigenständigen Deliktskategorie. Eine solche Qualität kann dem Begriff der „Internetkriminalität“ indes nicht zukommen. Zwar ist die Bandbreite der Delikte, welche im Internet begangen werden können, ungleich größer als der Bereich der Computerdelikte i. e. S.273. Eine speziell auf Handlungen im Internet zugeschnittene Strafrechtsgesetzgebung, welche derjenigen bei der Computerkriminalität vergleichbar wäre, hat es bisher aber dennoch nicht gegeben, was wiederum dafür spricht, dass der Gesetzgeber hier offensichtlich keinen entsprechenden Handlungsbedarf gesehen hat. Auch vermag es das Internet als virtueller Raum der Tatbegehung nicht, den dort begangenen strafbaren Handlungen einen eigenen bzw. einheitlichen Deliktscha268 269 270 271 272 273
Vgl. PKS 2004, S. 247; sowie aktuell PKS 2011 Kurzbericht, S. 7, 16. Vgl. PKS 2011 Kurzbericht, S. 4 Tabelle T1, S. 7. Vgl. PKS 2011 Kurzbericht, S. 4 Tabelle T1, S. 7 f. Vgl. PKS 2011 Kurzbericht, S. 7 f. So jedenfalls Marberth-Kubicki, Rn. 50. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Hilgendorf/Valerius, Rn. 263.
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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rakter zu verleihen. Ein im Internet begangener Betrug (z. B. durch das Verkaufen nicht existenter Waren über ein fremdes Nutzerkonto einer Auktions- oder Handelsplattform im WWW) bleibt ein Vermögensdelikt, ein in einem Webforum geposteter Beitrag beleidigenden oder verhetzenden Inhalts bleibt ein Äußerungsdelikt sowie auch eine per E-Mail versandte Drohung mit entsprechender Verhaltensaufforderung eine Nötigung – und damit ein Freiheitsdelikt – bleibt. Anders als bei den Computerdelikten i. e. S. lässt sich ein einheitliches bzw. übergeordnetes Schutzgut damit bei den im Internet begangenen Straftaten nicht ausmachen. Der Begriff der „Internetkriminalität“ erweist sich nach alledem als wesentlich offener und indefiniter als der der „Computerkriminalität“ und kann daher lediglich als ein Sammelbegriff für sämtliche im Internet bzw. unter Ausnutzung der Strukturen des Internets begangenen Straftaten verstanden werden. Unbestritten bleibt jedoch, dass das Internet mit seinen diversen Kommunikationsmöglichkeiten (auch) der Begehung von Straftaten eine neue quantitative Dimension verliehen hat. Nach dem vorangehend Gesagten wird deutlich, dass die Computerdelikte i. e. S. für die hier zu erörternde Problematik nicht relevant sein können. Die hier interessierenden Tathandlungen des Verabredens, Aufforderns und Anleitens anderer zur Begehung von Straftaten erfordern nämlich weder zwingend die Verwendung eines Computers, noch richten sie sich gegen die Integrität von Daten, so dass eine Zuordnung zu den Computerdelikten i. e. S. nicht sachgerecht sein kann. Hingegen ist eine Zuordnung zu den Computerdelikten i. w. S. geboten, wenn die Begehung der besagten Handlungen unter Verwendung von Computern bzw. elektronischen Datenverarbeitungsanlagen/-prozessen erfolgt. Darüber hinaus wird zugleich auch der (Sammel)Begriff der „Internetkriminalität“ einschlägig sein, wenn das Verabreden, Auffordern und Anleiten anderer zur Begehung von Straftaten unter Nutzung der Strukturen bzw. Kommunikationsmöglichkeiten des Internets begangen wird. In Anbetracht der Praxisrelevanz ist zwar festzustellen, dass sich vor allem diverse Formen des Betrugs274, die strafbare Verbreitung pornographischer Schriften275 sowie strafbare Urheberrechtsverletzungen276 als typische im Internet begangene Straftaten etabliert haben277. Dies hindert jedoch nicht daran, auch bei den hier zu untersuchenden 274 Der PKS 2011 Kurzbericht weist aus, dass 75,5 Prozent der Straftaten mit „Tatmittel Internet“ auf Betrugsdelikte – insbesondere den Warenbetrug (28,3 Prozent) – entfallen; vgl. dort S. 7, 16. 275 PKS 2011 Kurzbericht, S. 7, 16. 276 PKS 2011 Kurzbericht, S. 16. 277 Darüber hinaus erwiesen sich beispielsweise bisher auch Delikte wie das Verbreiten von Propagandamitteln und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§§ 86, 86a StGB), das öffentliche Auffordern zu Straftaten (§ 111 StGB), die Volksverhetzung (§ 130 StGB), das Anleiten zu Straftaten (§ 130a StGB), die Gewaltdarstellung (§ 131 StGB), die Beleidigung (§ 185 StGB) und die verbotene
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
Handlungen von sog. „Internetdelinquenz“ auszugehen, wenn diese eben über Kommunikationsmöglichkeiten des Internets realisiert werden. Abschließend bleibt daher festzuhalten, dass der Computerkriminalität i. w. S. von den drei hier herausgearbeiteten Begriffen der größte Umfang zukommt, weil dieser sowohl die Computerdelikte i. e. S. als auch die Internetdelikte erfasst. Die Computerdelikte i. e. S. wie auch die Internetdelikte stellen folglich Teilmengen der Computerdelikte i. w. S. dar. Eine Überschneidung zwischen Computerdelikten i. e. S. und Internetdelikten tritt darüber hinaus dann ein, wenn ein Computerdelikt i. e. S. (z. B. das Ausspähen von Daten gemäß § 202a StGB) unter Verwendung des Internets erfolgt. Mit dem Blick auf die internationale Ebene ist im Bereich der Internet- und Computerkriminalität auf die Convention on Cybercrime (CCC) des Europarats278 hinzuweisen, handelt es sich bei dieser doch um das erste internationale Übereinkommen zur strafrechtlichen Bekämpfung der in Datennetzen begangenen Kriminalität. Zudem gilt die CCC als das internationale Dokument mit der größten Regelungsdichte im Bereich der Computer- und Internetkriminalität 279. Deutschland gehörte zu den Erstunterzeichnern der CCC und hat im Jahr 2009 die Umsetzung ihrer Vorgaben vollständig vollzogen280. Darüber hinaus wurde die Konvention bis heute von 47 Staaten durch Unterzeichnung anerkannt, so dass deren jeweilige nationalstaatliche Gesetzgebung die Vorgaben und Beschlüsse der CCC wiederum nicht unberücksichtigt lassen kann281. Im materiell-strafrechtlichen Teil der CCC (Kapitel II Abschnitt 1) werden vier relevante Deliktskategorien definiert. Dies sind: „Straftaten gegen die Vertraulichkeit, Unversehrtheit und Verfügbarkeit von Computerdaten und -systemen“ (Titel 1), „Computerbezogene Straftaten“ (Titel 2), „Inhaltsbezogene Straftaten“ (Titel 3) und „Straftaten in Zusammenhang mit Verletzungen des Urheberrechts und verwandter Schutzrechte“ (Titel 4). Obwohl der Anwendungsbereich der
Durchführung von Glücksspielen (§§ 284 f. StGB) als relevant für eine Begehung im Internet. 278 Von den zunächst 30 Unterzeichnerstaaten – darunter auch Deutschland – verabschiedet am 08.11., unterzeichnet am 23.11.2001 und in Kraft getreten am 01.07.2004. Von Deutschland bis 2009 vollständig ratifiziert. Vgl. auch die ständig aktualisierte Website des Europarates zur CCC unter http://conventions.coe.int/Treaty/Commun/ QueVoulezVous.asp?NT=185&CL=GER (zuletzt abgerufen am 10.08.2012). 279 Vgl. Hoeren, S. 471 f. 280 Infolge der Umsetzung der CCC in nationalstaatliches Recht wurde u. a. das 41. StrÄndG erlassen und darüber die §§ 202b und 202c in das StGB eingeführt sowie die §§ 303a und 303b StGB erweitert. 281 Zur Entstehungsgeschichte und Bedeutung der CCC insbesondere Gercke/Brunst, Rn. 63 f.; Hilgendorf/Valerius, Rn. 119 ff., 736; Hoeren, S. 472 f.; Marberth-Kubicki, Rn. 43 f.
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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CCC auf die Kriminalität ausgerichtet ist, welche in Datennetzwerken282 begangen wird und/oder gegen selbige gerichtet ist, und damit vermutlich nicht zuletzt auch das Internet im Blick hat, zeigt die vorgenommene Kategorisierung in Kapitel II Abschnitt 1, dass auch auf internationaler Ebene keineswegs eine pauschale Verwendung der Begriffe „Internet-“ und „Computerkriminalität“ stattfindet. Nachdem nunmehr die Begrifflichkeiten „Computerkriminalität i. e. S.“, „Computerkriminalität i. w. S.“ und „Internetkriminalität“ geklärt werden konnten und herausgestellt wurde, dass für die hier zu untersuchende Frage der Strafbarkeit des Verabredens, Aufforderns und Anleitens anderer zur Begehung von Straftaten unter Nutzung der Kommunikationsmöglichkeiten des Internets eine Zuordnung zur Computerkriminalität i. e. S. nicht, wohl aber eine solche zur Computerkriminalität i. w. S. und der Internetkriminalität zutreffend ist, sollen im Anschluss diejenigen Tatbestände ausführlich dargestellt werden, auf die es im Weiteren entscheidend ankommen wird. 2. Die Normen des StGB und des Nebenstrafrechts – Tatbestandsmerkmale und relevante Streitstände Wie schon dargelegt, enthält das StGB eine Vielzahl von Straftatbeständen, welche jeweils einen mehr oder weniger intensiven Kommunikationsbezug aufweisen283. Gegenstand der Untersuchung sollen hier jedoch ausschließlich die Tathandlungen des Verabredens, Aufforderns und Anleitens zur Begehung von Straftaten sein, so dass der Blick im Folgenden auf die dafür relevanten Normen gerichtet wird. Von primärer Bedeutung sind in dieser Hinsicht die Anstiftung (§ 26 StGB)284, die versuchte Anstiftung zu einem Verbrechen (§ 30 I StGB)285, die Erklärungen über ein zukünftig zu begehendes Verbrechen (§ 30 II StGB)286, die öffentliche Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB)287, die Anleitung zu Straftaten (§ 130a StGB)288 sowie die Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 91 StGB)289. Aus dem Bereich des Nebenstrafrechts kommt vor allem § 52 I Nr. 4 WaffG in Betracht, der das Auffordern bzw. Anleiten zur Herstellung bestimmter verbotener Waffen pönalisiert290.
282 In der Konvention wird daher der Begriff des „Computersystems“ verwendet, vgl. Art. 1 CCC. 283 Vgl. oben C.II.–IV. 284 Vgl. dazu sogleich C.V.2.a). 285 Vgl. dazu unten C.V.2.b). 286 Vgl. dazu unten C.V.2.c) bis e). 287 Vgl. dazu unten C.V.2.f). 288 Vgl. dazu unten C.V.2.g). 289 Vgl. dazu unten C.V.2.h). 290 Vgl. dazu unten C.V.2.i).
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
a) Die Anstiftung (§ 26 StGB) aa) Überblick über § 26 StGB Die Anstiftung291 enthält als einzige tatbestandsmäßige Handlung das Bestimmen eines anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat, der sog. „Haupttat“. Das Bestimmen muss dabei regelmäßig darauf ausgerichtet sein, bei dem Adressaten einen eigenen Entschluss zu dieser Haupttat hervorzurufen. Da die Anstiftung als Teilnahmehandlung grundsätzlich akzessorisch zur Haupttat ist, bildet die Haupttat i.V. m. § 26 StGB den Ausgangspunkt für die Strafbarkeit des Anstifters292. Liegt also eine entsprechende Haupttat vor, kann im Weiteren der Blick auf denjenigen gelenkt werden, der diese Tat zwar nicht selbst begangen, möglicherweise aber initiiert hat. Eine von der Haupttat abhängige Anstifterstrafbarkeit ist dabei jedenfalls dann gegeben, wenn der Initiator einerseits objektiv so weitgehend beeinflussend tätig wird, dass daraufhin die eigene Entschlussfassung des Haupttäters folgt und er andererseits subjektiv sowohl den Erfolg der Haupttat als auch den seines Bestimmens will. Lässt sich eine solche vorsätzlich und rechtswidrig begangene (Haupt)Tat feststellen, so kann also eine Anstiftung zu selbiger vorliegen, wenn der Haupttäter beispielsweise mittels einer individuellen E-Mail zur Begehung genau dieser Tat aufgefordert wurde. Ebenso kann eine Anstiftung in Betracht kommen, wenn eine hinreichend konkretisierte Aufforderung zur Begehung der Haupttat gegenüber einem individualisierbaren, also für den Anstifter hinsichtlich der Anzahl und Zusammensetzung (noch) überschaubaren Personenkreis erfolgt ist. Für Internetsachverhalte kann dies wiederum anzunehmen sein, wenn die Bestimmung zur Begehung der Tat z. B. per Mailingliste realisiert wird, deren Mitglieder dem Anstifter genau bekannt sind oder er einen nicht frei zugänglichen Chatroom für die Anregung zur Tatbegehung nutzt und dabei erkennen kann, welche und wie viele Teilnehmer zu diesem Zeitpunkt in dem Chatroom angemeldet sind. Da viele Kommunikationsmittel des Internets aber auch die Möglichkeit der öffentlichen bzw. frei zugänglichen Bereitstellung von Informationen bieten und gerade dadurch ihre Eigenheit sowie auch eine beachtliche praktische Relevanz entfalten, stellt sich (auch hier) die Frage, wie eine auf diese Weise begangene Bestimmungshandlung strafrechtlich zu bewerten ist. Regelmäßig wird der Anstifter seinerseits den Empfängerkreis hier – in Betracht kommen diesbezüglich u. a. frei zugängliche Websites, Chats, Foren oder auch Mailinglisten – nicht von Beginn an eingrenzen und damit auch nicht zahlenmäßig überschauen bzw. überschaubar machen können, so dass in diesem Fall vieles für die 291 Ausführlich zur Anstiftung u. a. B. Heinrich, AT, Rn. 1283 ff.; Rengier, AT, § 45 Rn. 23 ff.; Roxin, AT II, § 26 Rn. 57 ff.; Schönke/Schröder-Heine, § 26 Rn. 1 ff.; Wessels/Beulke, Rn. 567 ff. 292 Rengier, AT, § 45 Rn. 1.
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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Annahme einer öffentlichen Äußerung spricht. Die Frage der diesbezüglichen Abgrenzung von Anstiftung und öffentlicher Aufforderung wird daher – mit besonderem Blick auf die Kommunikationsmittel des Internets – ein zentraler Punkt der vorliegenden Arbeit sein293. Unproblematisch ist nach dem bisher Gesagten also immer dann von einer Anstiftung auszugehen, wenn eine vorsätzlich begangene rechtswidrige Haupttat vorliegt, der Anstifter den Angestifteten zu selbiger hinreichend konkret und ausdrücklich instruiert hat und er dabei den Erfolg der Haupttat sowie den seines Bestimmens zumindest für möglich hält, ihn gleichwohl aber billigend in Kauf nimmt. Zudem ist anerkannt, dass auch das Bestimmen eines Dritten, welches darauf gerichtet ist, dass dieser dann als weiterer bzw. „zwischengeschalteter“ Anstifter den Haupttäter zu dessen Tat bestimmt, eine Strafbarkeit wegen Anstiftung zur Haupttat begründet294. Darüber hinaus sind jedoch wesentliche Aspekte der Anstiftung umstritten, von denen hier die wichtigsten dargestellt werden sollen. bb) Die Intensität der Einflussnahme des Anstifters Hinsichtlich der Bestimmungshandlung ist fraglich, welcher Intensität die Einflussnahme des Anstifters auf den Haupttäter bedarf295. Umstritten ist konkret, ob es nur zu einem einfachen geistigen Kontakt – d.h. einer bewusst wahrgenommenen kommunikativen Beeinflussung irgendeiner Art – kommen muss296, ob darüber hinaus ein kollusives Zusammenwirken297 oder sogar ein sog. „Unrechtspakt“ 298 zwischen Anstifter und Haupttäter zu fordern ist oder ob es dem entgegen bereits ausreichen kann, dass – unter Verzicht auf einen geistigen Kontakt – der Anstifter lediglich eine den Haupttäter zur Tat anreizende Situation schafft299. Der vorliegend erwähnte Streit stellt sich als Ausformung des Grund293
Vgl. dazu auch noch unten C.V.2.a)cc) sowie ausführlich unter C.V.3.b)bb). Diese Konstruktion wird auch als sog. „Kettenanstiftung“ bezeichnet; hierzu ausführlich u. a. B. Heinrich, AT, Rn. 1341 f.; Kühl, § 20 Rn. 193; Rengier, AT, § 45 Rn. 75 ff. 295 Ausführlich zu diesem Problem u. a. B. Heinrich, AT, Rn. 1289 ff.; Hillenkamp, AT, 23. Problem, S. 173 ff.; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26 Rn. 2 ff.; MK-Joecks, § 26 Rn. 10 ff.; Rengier, AT, § 45 Rn. 27 ff.; Wessels/Beulke, Rn. 568. 296 So Fischer, § 26 Rn. 3; Jescheck/Weigend, § 64 II 2.a); Krüger, JA 2008, 492 (497 f.); Rogall, GA 1979, 11 (11 f.); Schönke/Schröder-Heine, § 26 Rn. 5. 297 So B. Heinrich, AT, Rn. 1292; Kühl, § 20 Rn. 172 ff.; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26 Rn. 4, 15; NK-Schild, § 26 Rn. 7; Roxin, AT II, § 26 Rn. 80 ff.; Wessels/Beulke, Rn. 568. 298 So Puppe, § 25 Rn. 3 ff.; dies., GA 1984, 101 (112 ff.); dies., NStZ 2006, 424 (425 f.); sowie die ebenfalls sehr restriktiven Ansätze von Jakobs, 22/22 und SK-Hoyer, § 26 Rn. 12. 299 So BGHSt 45, 373 (374); Baumann/Weber/Mitsch, § 30 Rn. 63; Hilgendorf, JURA 1996, 9 (10 ff.); Kindhäuser, AT, § 41 Rn. 9 f.; Lackner/Kühl, § 26 Rn. 2; Satzger/Schmitt/Widmaier-Murmann, § 26 Rn. 4. 294
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
satzstreits um den Strafgrund der Teilnahme300 dar, denn die Auslegung dieses Strafgrundes bedingt praktisch die an die Bestimmungshandlung zu stellenden Anforderungen. Zum Strafgrund der Teilnahme werden heute im Wesentlichen die sog. „Verursachungs- bzw. Förderungstheorie“ 301, die sog. „Theorie des selbstständigen Rechtsgutsangriffs“ 302 sowie die sog. „gemischte Verursachungstheorie“ 303 vertreten. Die auf den Erfolgsunwert abstellende Verursachungstheorie sieht eine strafwürdige Teilnahme bereits in jeder (auch neutralen) Handlung, welche die Haupttat in irgendeiner Weise fördert. Die handlungsunwertorientierte Theorie des selbstständigen Rechtsgutsangriffs verlangt hingegen vom Teilnehmer eine Handlung, in der ein eigener Rechtsgutsangriff unabhängig von dem des Haupttäters zum Ausdruck kommt. Die gemischte Verursachungstheorie kombiniert schließlich die beiden zuvor genannten Ansätze und fordert für die Teilnehmerstrafbarkeit eine Handlung, die sowohl Erfolgs- als auch Handlungsunwert aufweist, also einerseits die Haupttat fördert und andererseits selbst schon eine hinreichende Gefährdung des betroffenen Rechtsguts darstellt. Vor allem die zuletzt genannte Theorie vermag zu überzeugen, denn im Gegensatz zur Verursachungs-/Förderungstheorie vermeidet sie es, die Teilnehmerstrafbarkeit übermäßig auszudehnen, indem vollkommen neutrale Handlungen für sich allein hiernach nicht ausreichen können. Andererseits gelingt es ihr auch, die Akzessorietät der Teilnahme von der Haupttat hinreichend zu würdigen, weil sie – anders als die Theorie des selbstständigen Rechtsgutsangriffs – die durch die Haupttat verursachte Rechtsgutsverletzung bzw. -gefährdung nicht unberücksichtigt lässt. (1) Das Schaffen einer zur Tat anreizenden Situation Die weitestgehende Ansicht lässt es für eine Anstifterstrafbarkeit bereits ausreichen, wenn der Anstoß zur Haupttat dadurch erfolgt bzw. erfolgen soll, dass objektive Umstände derart arrangiert werden, dass diese eine Situation ergeben, aus der heraus der Haupttäter seinen Tatentschluss entwickeln soll, ohne dass es dabei eines geistigen Kontakts mit bzw. einer kommunikativen Einflussnahme seitens des Anstifters bedürfe304. Insofern kann diese Ansicht auch zutreffend als
300 Vertiefend zum Strafgrund der Teilnahme u. a. B. Heinrich, AT, Rn. 1272 ff.; Kühl, § 20 Rn. 132 f.; LK-Schünemann, 12. Aufl., Vor § 26 Rn. 1 ff.; MK-Joecks, Vor §§ 26, 27 Rn. 3 ff.; Roxin, AT II, § 26 Rn. 11 ff. 301 BGHSt 37, 214 (217); BGHSt 43, 317 (320); Baumann/Weber/Mitsch, § 30 Rn. 6; Heghmanns, GA 2000, 473 (473 ff.); Jescheck/Weigend, § 64 I 2. 302 Schmidhäuser, Studienbuch AT, 10. Kapitel Rn. 9. 303 Jakobs, 22/8; LK-Schünemann, 12. Aufl., Vor § 26 Rn. 7; MK-Joecks, Vor §§ 26, 27 Rn. 16; Roxin, AT II, § 26 Rn. 26 ff.; Schönke/Schröder-Heine, Vorbem. §§ 25 ff. Rn. 17a; Wessels/Beulke, Rn. 552. 304 Vgl. BGHSt 45, 373 (374); Baumann/Weber/Mitsch, § 30 Rn. 63; Hilgendorf, JURA 1996, 9 (10 ff.); Kindhäuser, AT, § 41 Rn. 9 f.; Lackner/Kühl, § 26 Rn. 2; Satzger/Schmitt/Widmaier-Murmann, § 26 Rn. 4.
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„Verursachungstheorie“ bezeichnet werden305. Unter Bezugnahme auf die soeben ausgeführten Ansichten zum Strafgrund der Teilnahme ergibt sich folgerichtig, dass sich die Gruppe der Anhänger dieser Theorie306 vor allem aus denjenigen zusammensetzt, welche für die Teilnehmerstrafbarkeit auf den Erfolgsunwert abstellen und diesbezüglich bereits jede Handlung genügen lassen, durch die die Haupttat in irgendeiner Weise gefördert wird. Während nach der Verursachungstheorie also praktisch Äußerungen jeder Art in Betracht kommen, sofern sie nur zu einem Tatentschluss des Haupttäters geführt haben, stellt sich hinsichtlich der Ansichten, welche einen Kommunikationsvorgang bzw. einen bewusst wahrgenommenen geistigen Kontakt zwischen Anstifter und Haupttäter als Mindestvoraussetzung ansehen, im Weiteren die Frage nach der (erforderlichen) Intensität der kommunikativen Einflussnahme. Folglich ist es auch für die im Internet begangenen Bestimmungshandlungen von entscheidender Bedeutung, ob diese bereits durch einen einfachen geistigen Kontakt, erst durch ein kollusives Zusammenwirken oder aber – noch weitergehend – sogar nur durch einen sog. „Unrechtspakt“ zwischen Anstifter und Haupttäter realisiert werden können. So wird beispielsweise ein solcher Unrechtspakt wohl in eher seltenen Fällen durch lediglich einseitige Handlungen, wie dem initiativen Absenden einer E-Mail oder dem Posten eines Kommentars in einem Blog, begründet werden307. Hingegen scheinen selbige Handlungen durchaus geeignet, das Erfordernis eines bloßen geistigen Kontakts oder gegebenenfalls auch das eines kollusiven Zusammenwirkens zu erfüllen. (2) Das Erfordernis eines einfachen geistigen Kontakts Unter den Ansichten, die grundsätzlich eine kommunikative Einflussnahme des Anstifters auf den als Haupttäter in Aussicht genommenen voraussetzen, erweist sich diejenige als die weiteste, die hierfür nahezu sämtliche Formen der Ansprache bzw. alle Mittel „geistiger Beeinflussung“ 308 in Betracht kommen lässt309. Zur Begründung bezieht sich diese Ansicht auch auf einen Vergleich mit der historischen Regelung des § 48 StGB a. F.310, welche dem heutigen § 26 StGB 305
Vgl. B. Heinrich, AT, Rn. 1290. Baumann/Weber/Mitsch, § 30 Rn. 63; Heghmanns, GA 2000, 473 (487). 307 Jedoch könnte z. B. im bloßen Versenden einer E-Mail das Angebot zum Abschluss eines solchen Unrechtspakts und damit eine versuchte Anstiftung gemäß § 30 I StGB gesehen werden, welche zu einer vollendeten wird, sobald der Empfänger dieses Angebot annimmt. 308 Grundsätzlich kritisch zur Geeignetheit dieses Kriteriums allerdings Satzger/ Schmitt/Widmaier-Murmann, § 26 Rn. 4. 309 Vgl. Fischer, § 26 Rn. 3; Jescheck/Weigend, § 64 II 2.a); Krüger, JA 2008, 492 (497 f.); Rogall, GA 1979, 11 (11 f.); Schönke/Schröder-Heine, § 26 Rn. 5. 310 Jescheck/Weigend, § 64 II 2.a); Rogall, GA 1979, 11 (11 f.); sowie Krüger, JA 2008, 492 (495) mit einer ausführlichen historischen Auslegung. 306
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
vorausging. Hierbei wird zunächst ausdrücklich auf die dortige Aufzählung verschiedenster – mehr oder weniger – kommunikationsbezogener Handlungsmodalitäten („Geschenke oder Versprechen“, „Drohungen“, „Missbrauch des Ansehens oder der Gewalt“, „absichtliche Herbeiführung oder Beförderung eines Irrtums“) abgestellt311, um die grundsätzliche Erforderlichkeit einer Kommunikationsbeziehung bzw. eines offenen geistigen Kontakts zwischen dem Anstifter und dem Anzustiftenden plausibel darzulegen. Des Weiteren wird darauf hingewiesen, dass die Aufzählung der Handlungsmodalitäten in § 48 StGB a. F. aufgrund des ebenfalls dort enthaltenen Verweises auf „andere Mittel“ jedenfalls nicht als abschließend betrachtet werden könne312. Dies sei wiederum allerdings nur dahingehend zu verstehen, dass praktisch sämtliche Kommunikationshandlungen erfasst wurden, welche einen offenen geistigen Kontakt darstellen, während das Schaffen einer zur Tat anreizenden Situation nicht ausreichen konnte313. So haben nach § 48 StGB a. F. beispielsweise auch das Äußern von Wünschen, Fragen, Hinweisen oder Bitten, aber auch Überredungen oder scheinbares Abraten als taugliche Mittel zum Bestimmen eines anderen in Betracht kommen müssen314. Im Hinblick auf die heutige Rechtslage wird dann geltend gemacht, dass der Gesetzgeber mit der sprachlichen Neufassung der Regelung in § 26 StGB keine inhaltliche bzw. materielle Änderung beabsichtigt habe315. Zur weiteren Begründung der Qualität der kommunikativen Beeinflussung wird zudem eine systematische Auslegung unter Berücksichtigung der Norm des § 30 StGB vorgenommen316. Hierbei wird zunächst der Unterschied zwischen der in § 30 I StGB geregelten versuchten Anstiftung und den in § 30 II StGB normierten Handlungsmodalitäten (Sich-Bereiterklären, Annahme des Erbietens eines anderen, Verabredung zum Verbrechen) herausgestellt und diesbezüglich festgestellt, dass sämtliche Alternativen des § 30 StGB zwar grundsätzlich eine Kommunikationsbeziehung voraussetzen, die Handlungsformen des § 30 II StGB dabei jedoch von einem deutlich intensiveren, praktisch auf eine Art (Unrechts)Vereinbarung abzielenden Kontakt ausgehen als das Bestimmen in § 30 I StGB317. Dies rechtfertige die Annahme, dass für ein Bestimmen i. S. d. § 30 I StGB bereits „[. . .] eine irgendwie geartete (ausdrückliche oder konkludente) Kommunikation im Rahmen eines offenen Kontakts zwischen Anstifter und Täter [. . .]“ 318 ausreichen müsse. Da die strafbare Handlung des Bestimmens in
311 312 313 314 315 316 317 318
Jescheck/Weigend, § 64 II 2.a). Jescheck/Weigend, § 64 II 2.a). Rogall, GA 1979, 11 (11 f.). Jescheck/Weigend, § 64 II 2.a). Krüger, JA 2008, 492 (495). Krüger, JA 2008, 492 (496 ff.). Krüger, JA 2008, 492 (497 f.). Krüger, JA 2008, 492 (498).
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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§ 26 StGB deckungsgleich mit der in § 30 I StGB ist, gelte dies nicht nur für die versuchte, sondern auch für die vollendete Anstiftung319. Nachdem also einerseits grundsätzlich eine geistige Einflussnahme erforderlich sei, diesbezüglich dann aber sämtliche Mittel in Betracht kommen sollen, kommt diese Ansicht zu dem folgerichtigen Ergebnis, dass lediglich das Schaffen einer zur Tat anreizenden Situation nicht unter § 26 StGB fallen könne, ansonsten aber grundsätzlich jede ausdrückliche oder konkludente Kommunikation zwischen dem Anstifter und dem Haupttäter als geeignetes Mittel des Bestimmens in Betracht komme. (3) Das Erfordernis eines kollusiven Zusammenwirkens Auch die Vertreter der Kollusionstheorie320 legen dem Bestimmen eine unverzichtbare Kommunikationsbeziehung zwischen dem Anstifter und dem Anzustiftenden zugrunde. Im Unterschied zu der vorab dargestellten Ansicht wird jedoch einschränkend verlangt, dass sich die erforderliche Kommunikation hierbei praktisch als eine Art Aufforderung erweist321. Beispielsweise erfüllten „[. . .] schlichtes Verlangen, Überreden, Aufhetzen, Anwerben (gegen Entgelt) oder ein Bedrohen (unterhalb der Schwelle des § 35) [. . .]“ 322 oder auch „[. . .] die Äußerung konkreter Wünsche oder Anregungen, das Versprechen von Geschenken oder auch die Ausnutzung eines Über-/Unterordnungsverhältnisses [. . .]“ 323 diese Anforderung. Darüber hinaus kämen – je nach Gestalt des konkret zu betrachtenden Sachverhalts – auch subtilere bzw. zurückhaltendere Äußerungen in Betracht, sofern sich bei diesen der Aufforderungscharakter aus den begleitenden Umständen ergebe324. Nicht ausreichen sollen hingegen z. B. beiläufig erteilte Ratschläge, schlichte Informationen, bloße Erwägungen325, rein informatorische Fragen326 oder sogar Rechtsauskünfte, soweit diese im Rahmen des Vertretbaren erteilt werden327. Folge dieser Ansicht ist es also, dass sich eine erkennbare Beschränkung der Handlungsmöglichkeiten, mittels derer das Bestimmen i. S. v. § 26 StGB realisiert werden kann, ergibt. 319
Krüger, JA 2008, 492 (497). Vgl. B. Heinrich, AT, Rn. 1292; Kühl, § 20 Rn. 172 ff.; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26 Rn. 4, 15, 51 ff.; NK-Schild, § 26 Rn. 7; Rengier, AT, § 45 Rn. 30; Roxin, AT II, § 26 Rn. 80 ff.; Wessels/Beulke, Rn. 568. 321 B. Heinrich, AT, Rn. 1292; Rengier, AT, § 45 Rn. 30. 322 Roxin, AT II, § 26 Rn. 80; Wessels/Beulke, Rn. 568. 323 B. Heinrich, AT, Rn. 1292; ebenso Wessels/Beulke, Rn. 568. 324 Kühl, § 20 Rn. 175; Roxin, AT II, § 26 Rn. 80 f. 325 B. Heinrich, AT, Rn. 1292; Roxin, AT II, § 26 Rn. 80; Wessels/Beulke, Rn. 568. 326 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26 Rn. 53; NK-Schild, § 26 Rn. 7; Roxin, AT II, § 26 Rn. 82. 327 Kühl, § 20 Rn. 174; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26 Rn. 4; NK-Schild, § 26 Rn. 7. 320
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
Zur Begründung dieser Ansicht wird zunächst vorgetragen, dass man der Stellung des Anstifters als Miturheber der Tat nur dann hinreichend gerecht werden könne, wenn man hinsichtlich seines Beitrags mindestens eine „Anregung zur Begehung der Haupttat“ 328 bzw. ein „zielgerichtetes Andringen“ 329 fordert. Des Weiteren müsse die für den Anstifter vorgesehene hohe Strafandrohung – nämlich „gleich einem Täter“ – berücksichtigt werden, so dass entsprechend hohe Anforderungen an dessen Handlung zu stellen seien330. Wer hingegen lediglich Informationen allgemeiner bzw. alltäglicher Art, welche einen anderen zur Begehung einer eigenen Straftat veranlassen könnten, ohne ein entsprechendes Tatverlangen wiedergibt, verursache dadurch noch nicht den für eine Anstiftung erforderlichen (eigenen) Rechtsgutsangriff, denn hierbei handele es sich praktisch um einen typischen Vorgang des täglichen Lebens331. Schließlich sei eine Beschränkung auf Äußerungen mit Aufforderungscharakter auch deshalb geboten, um Handlungen die lediglich eine psychische Beihilfe darstellen nicht übergebührlich zu bestrafen332. (4) Die restriktiveren Ansätze In der Literatur finden sich vereinzelt weitere Ansätze deren Gemeinsamkeit darin besteht, dass sie über das Erfordernis einer Bestimmungsäußerung mit Aufforderungscharakter hinausgehen und dementsprechend (noch) mehr vom Anstifter verlangen333. Auch für diese sehr restriktiven Ansätze bildet die von § 26 StGB vorgesehene tätergleiche Bestrafung einen argumentativen Anknüpfungspunkt, denn auf deren Grundlage werden zunächst die – vorangehend beschriebenen – Ansichten334, welche von geringeren Anforderungen bezüglich der Beeinflussung durch den Anstifter ausgehen, kritisiert335. Konkret wird eingewandt, dass weder das Schaffen tatanreizender Umstände, noch eine Kommunikationsbeziehung i. S. e. einfachen geistigen Kontakts oder einer kollusiven Einflussnahme mittels einer Aufforderung genügen können, um das für eine Anstiftung erforderliche Maß an Strafwürdigkeit zu erreichen, denn dabei handele es sich in der Regel eher um eine (psychische) Beihilfe336. Solange der Haupttäter frei in seiner Entscheidung 328
Wessels/Beulke, Rn. 568. LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26 Rn. 15. 330 B. Heinrich, AT, Rn. 1292; Roxin, AT II, § 26 Rn. 85. 331 Roxin, AT II, § 26 Rn. 76, 84 f. 332 B. Heinrich, AT, Rn. 1291 f. 333 Vgl. Jakobs, 22/22; Puppe, § 25 Rn. 3 ff.; dies., GA 1984, 101 (112 ff.); dies., NStZ 2006, 424 (425 f.); SK-Hoyer, § 26 Rn. 12. 334 Vgl. direkt zuvor unter C.V.2.a)bb)(1), C.V.2.a)bb)(2) und C.V.2.a)bb)(3). 335 Vgl. Puppe, NStZ 2006, 424 (425). 336 Jakobs, 22/21 f.; SK-Hoyer, § 26 Rn. 14. 329
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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bleibt und letztlich eine selbstbestimmte eigene Straftat begeht, könne eine tätergleiche Bestrafung des Anstifters nicht in Betracht kommen, denn in diesem Fall sei die Beziehung zwischen ihm und dem Haupttäter schwächer als sie es bei einem Gehilfen wäre, der im Vorbereitungsstadium einen kausalen Tatbeitrag geleistet hat337. Daher – und darin stimmen die restriktiven Einzelansichten überein – sei ein derart dominant bestimmender Einfluss des Anstifters auf den Anzustiftenden zu verlangen, dass jener in seiner Entscheidung hinsichtlich der Haupttat nicht mehr autonom agieren kann338. Zu fordern sei demnach, dass der Haupttäter seinen Tatentschluss in Abhängigkeit vom Willen bzw. Vorschlag des Anstifters fasse und bis zum unmittelbaren Ansetzen zur Haupttatverwirklichung durchhalte339 bzw. dass der Anstifter eine sog. „Motivherrschaft“ über den Anzustiftenden ausübe340. Die von den Vertretern der restriktiven Ansätze eingeforderte geistige Einflussnahme des Anstifters wird aufgrund ihrer hochgradigen Intensität auch mit Begriffen wie dem bereits erwähnten „Unrechtspakt“ 341 oder der soeben angesprochenen (und noch über den Unrechtspakt hinausgehenden) „Motivherrschaft“ 342 umschrieben. Faktisch soll die Anstiftung demnach eine Mittäterschaft darstellen, deren einziges Minus im Vergleich zu einer wirklichen Mittäterschaft darin bestehe, dass der Anstifter keinerlei Mitwirkung im Ausführungsstadium der Haupttat aufweist und „[. . .] deshalb in der kritischen Situation doch nicht selbst über das Wie und Ob der Tat entscheiden kann [. . .]“ 343. Somit seien beispielsweise ein Agentenführer oder ein Bandenchef geradezu als „Prototypen des Anstifters“, nicht aber als Mittäter oder mittelbare Täter zu betrachten344. Infolgedessen wird den anderen Ansichten auch der Vorwurf gemacht, durch den Verzicht auf das Erfordernis eines Tatbeitrags im Ausführungsstadium den Täterbegriff zu sehr auszuweiten bzw. originäre Anstiftungshandlungen zur Mittäterschaft oder mittelbaren Täterschaft hochzustufen345. Des Weiteren verweist auch Puppe für die von ihr vertretene Ansicht des Unrechtspakts auf § 48 StGB a. F. und wendet ein, dass die dort beschriebenen Tathandlungen weitgehend auf eine ebensolche Unrechtsvereinbarung hindeuten
337
Puppe, NStZ 2006, 424 (425). Puppe, NStZ 2006, 424 (425); SK-Hoyer, § 26 Rn. 13 f. 339 Jakobs, 22/22, 28, 30; Puppe, NStZ 2006, 424 (425). 340 SK-Hoyer, § 26 Rn. 13; zustimmend MK-Joecks, § 26 Rn. 20. 341 Puppe, § 25 Rn. 6; dies., GA 1984, 101 (112 ff.); dies., NStZ 2006, 424 (425); SK-Hoyer, § 26 Rn. 14. 342 SK-Hoyer, § 26 Rn. 13 ff. 343 Puppe, NStZ 2006, 424 (425); ähnlich dies., GA 1984, 101 (112 f.); ferner auch SK-Hoyer, § 26 Rn. 12. 344 Puppe, NStZ 2006, 424 (426). 345 Puppe, NStZ 2006, 424 (426). 338
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
würden346. Schließlich lege zudem auch der Wortsinn des Bestimmens nahe, dass damit mehr gemeint sein müsse, als nur eine Anregung zum Tatentschluss durch das Schaffen einer provozierenden Situation, einen unverbindlichen Vorschlag oder eine Aufforderung347. Nach den (nur geringfügig voneinander abweichenden) restriktiven Ansätzen bedarf es also grundsätzlich eines gemeinsamen Tatentschlusses von Anstifter und Haupttäter348. Damit wird die Anstiftung weitgehend der Mittäterschaft angenähert und unterscheidet sich nur dadurch von ihr, dass ein eigener Beitrag des Auffordernden im Ausführungsstadium der Tat nicht erfolgt349. Die von den anderen Ansichten bereits der Anstiftung zugeschriebenen Handlungen – d.h. insbesondere Aufforderungen (nach der Kollusionstheorie) oder sonstige Kommunikationshandlungen (nach der Kommunikationstheorie) – kämen hingegen nur als psychische Beihilfe in Betracht350. (5) Eigene Stellungnahme Nachdem die hier vorgestellten Ansichten also deutliche Abweichungen im Hinblick auf die Reichweite bzw. den Anwendungsbereich der Anstiftung – und damit verbunden auch die Reichweite der „angrenzenden“ Beteiligungsformen – mit sich bringen, kommt einer Positionierung in dieser Frage eine grundlegende praktische Bedeutung zu. Nimmt man diesbezüglich zunächst die restriktiven Ansätze in den Blick, welche die am weitestgehenden Anforderungen an das Bestimmen bzw. den Anstifter stellen, so fällt auf, dass hier eindeutig Merkmale der Täterschaft auf die Teilnahmeform der Anstiftung angewendet werden. Wird ein gemeinsamer Tatentschluss verlangt, so handelt es sich dabei um eines der Kernelemente der Mittäterschaft. Ebenso bedenklich erscheint das Erfordernis einer Motivherrschaft, welches zumindest starke Ähnlichkeiten bzw. Tendenzen zur mittelbaren Täterschaft aufweist. Die diesbezüglich vorgebrachten Zweifel, welche darauf abzielen, dass eine derart starke Bindung des Haupttäters an den Anstifter unvereinbar mit dem Wesen der Anstiftung als lediglich akzessorische Teilnahme an der eigenen rechtswidrigen Tat eines anderen sei351, sind daher berechtigt.
346
Puppe, GA 1984, 101 (114). Puppe, GA 1984, 101 (114); dies., NStZ 2006, 424 (426). 348 Vgl. Jakobs, 22/22; Puppe, NStZ 2006, 424 (425); SK-Hoyer, § 26 Rn. 12. 349 So Puppe, NStZ 2006, 424 (425). Durch die von SK-Hoyer, § 26 Rn. 13 ff. geforderte Motivherrschaft des Anstifters über den Haupttäter ergibt sich zudem eine offenkundige Nähe zur mittelbaren Täterschaft; vgl. in diesem Zusammenhang auch MKJoecks, § 26 Rn. 20 f. 350 Vgl. SK-Hoyer, § 26 Rn. 14. 351 Vgl. z. B. LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26 Rn. 12; Roxin, AT II, § 26 Rn. 89. 347
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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Mit der von den restriktiven Ansätzen geforderten starken Bindung bzw. Abhängigkeit des Haupttäters vom Anstifterwillen wird zudem stets ein Eigeninteresse des Anstifters an der Realisierung der Haupttat, welches auf den Haupttäter eben gerade handlungsleitend wirken müsse, verbunden. Das Erfordernis einer derart intensiven Beteiligung bzw. Einflussnahme seitens des Anstifters dürfte es in der Tat erschweren, eine eindeutige Abgrenzung zwischen Mittäterschaft bzw. mittelbarer Täterschaft einerseits und Anstiftung andererseits durchzuhalten. Auch scheint es in diesem Zusammenhang äußerst zweifelhaft, ob bei einem derart umfassenden und dominanten Einfluss des Anstifters noch davon ausgegangen werden kann, dass dieser seinerseits den weiteren Geschehensablauf tatsächlich weitgehend aus der Hand gibt und dem Haupttäter überlässt. Dieser Zweifel jedoch wiegt umso schwerer angesichts der Tatsache, dass es sich hierbei um ein für die Anstiftung geradezu typisches Wesensmerkmal handelt. Zwar verlangen auch die Vertreter der Kollusionstheorie, dass der Wille bzw. das Verlangen des Anstifters hinsichtlich der Realisierung der Haupttat für den Anzustiftenden erkennbar sein müsse352. Soweit, dass aus dem erkennbaren Anstifterwillen zudem auch eine dominante Stellung in Gestalt einer Herrschaftsmacht über den Anzustiftenden erwachsen und dieser in eine Abhängigkeit zum Anstifter geraten müsse, geht diese Ansicht überzeugenderweise indes nicht. Die aus den restriktiven Ansätzen resultierende drastische Einschränkung der Anstifterstrafbarkeit führt zugleich zu einer als unangemessen erscheinenden Ausdehnung des Bereichs der psychischen Beihilfe (insbesondere in der Variante des Bestärkens des Tatentschlusses353), weil danach beispielsweise ganz eindeutige Aufforderungen und Aufhetzungen nicht als Bestimmen i. S. v. § 26 StGB (sondern eben nur als psychische Beihilfe) anzuerkennen sein sollen, sofern nicht zugleich die besagte Abhängigkeit des Haupttäters vom Realisierungswillen – d.h. also dem eigenen Interesse an der Begehung der Haupttat – des Anstifters besteht. Die Folge daraus ist aber, dass eine Anstiftung stets ausscheiden muss, wenn der Anstifter eben gerade kein besonderes Eigeninteresse an der Verwirklichung der Haupttat besitzt. In praktischer Hinsicht ergibt sich daraus nun aber die Befürchtung, dass vielfach die (spontane) Veranlassung fremder bzw. unbekannter Personen zur Begehung von Straftaten nicht angemessen geahndet werden können wird. Kommt es beispielsweise dazu, dass ein Fremder bzw. Unbekannter inmitten einer belebten Fußgängerzone spontan zu einer Körperverletzung aufgefordert wird, so kann nicht (ohne Weiteres) davon ausgegangen werden, dass dieser sich nunmehr sofort in einer Abhängigkeit vom Willen des Auffordernden sieht. Fühlt sich der angesprochene Fremde infolge der Aufforderung gleichwohl aber schon hinreichend angestachelt und schreitet zur Tatausfüh352
So z. B. LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26 Rn. 53; Roxin, AT II, § 26 Rn. 84. Zu den einzelnen Erscheinungsformen psychischer Beihilfe u. a. Kühl, § 20 Rn. 225 ff.; Roxin, AT II, § 26 Rn. 197 ff. 353
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
rung, indem er z. B. einem ihm entgegenkommenden, willkürlich ausgewählten Passanten ins Gesicht schlägt, kann es kaum als sachgerecht betrachtet werden, hier nicht von einer Anstiftung, sondern allenfalls von einer psychischen Beihilfe zur Körperverletzung auszugehen, denn damit würde dem vom Auffordernden als Initiator der Tat verwirklichten Unrecht nicht hinreichend Rechnung getragen. Da nach den restriktiven Ansätzen grundsätzlich auch tatentschlussbegründende Aufforderungen lediglich eine psychische Beihilfe darstellen sollen, sofern es bei deren Äußerung an einer Dominanz des Anstifters einerseits und einem entsprechenden Abhängigkeitsempfinden des Anzustiftenden andererseits fehlt, entsteht das zweifelhafte Ergebnis, dass es für die Annahme einer psychischen Beihilfe praktisch nicht mehr auf den Unterschied ankommen kann, ob der Tatentschluss des Anzustiftenden erstmals hervorgerufen oder dessen bereits vorhandener Tatentschluss lediglich bestärkt worden ist. Diese Gleichstellung widerspricht jedoch dem qualitativen Unterschied zwischen einem erstmaligen Hervorrufen i. S. e. Begründens und dem bloßen Bestärken des Tatentschlusses eines anderen und führt damit zugleich zur Negierung eines ganz essentiellen Merkmals zur Abgrenzung von Anstiftung und Beihilfe. In der von den restriktiven Ansätzen geforderten, aus der dominant bestimmenden Einflussnahme des Anstifters folgenden Abhängigkeit des Haupttäters ist schließlich eindeutig ein subjektives Merkmal zu sehen. Regelmäßig kommt es nämlich auf eine Betrachtung der Beschaffenheit bzw. der Grundlagen des Tatentschlusses des Haupttäters an, wenn verlangt wird, dass dieser in Abhängigkeit vom Willen des Anstifters gefasst und durchgehalten werden müsse. Die Feststellung des Vorliegens sowie genauere Aussagen über die konkrete Beschaffenheit eines solchen subjektiven Merkmals – namentlich das Abhängigkeitsempfinden des Haupttäters – dürften in der Praxis aber deutlich mehr Schwierigkeiten bereiten als Feststellungen zur Qualität der objektiven Anstifterhandlung des Bestimmens. Insofern erweisen sich die auf die Kommunikationshandlung bezogenen Ansichten gegenüber den restriktiven Ansätzen auch unter praktischen Gesichtspunkten als vorzugswürdig. Unter der Prämisse, dass der Begriff des „Bestimmens“ in § 30 I StGB keinerlei Abweichungen gegenüber dem in § 26 StGB unterliegt, ergeben sich ferner auch unter Berücksichtigung der Normsystematik des § 30 StGB Zweifel am Erfordernis eines Unrechtspakts. Diesbezüglich legt Krüger dar, dass nicht lediglich ein begrifflicher, sondern auch ein inhaltlicher Unterschied zwischen dem (einseitigen) Bestimmen des § 30 I StGB und den in § 30 II StGB normierten Handlungsmöglichkeiten des Sich-Bereiterklärens (Alt. 1) und der Annahme eines Erbietens (Alt. 2), welche von ihrer Struktur her praktisch auf eine Unrechtsvereinbarung hinauslaufen sollen, bestehen könne354. Davon ausgehend, dass der 354
Krüger, JA 2008, 492 (497 f.).
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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Gesetzgeber der versuchten Anstiftung gemäß § 30 I StGB das Sich-Bereiterklären (§ 30 II Alt. 1 StGB) und die Annahme eines Erbietens (§ 30 II Alt. 2 StGB) – welche sich von der Verbrechensverabredung nach § 30 II Alt. 3 StGB gerade dadurch unterscheiden, dass keine mittäterschaftliche Tatbegehung verabredet wird – als gleichermaßen strafwürdige Modalitäten zur Seite gestellt hat, lasse sich der Umkehrschluss ziehen, dass das Bestimmen eben gerade nicht das gegenseitige Vereinbaren einer Straftatbegehung bedeuten bzw. erfassen könne355. Folglich bedürfe es bei der versuchten Anstiftung nach § 30 I StGB und ebenso bei der vollendeten Anstiftung nach § 26 StGB nicht einer Vereinbarung i. S. e. Unrechtspakts356. Dieses Ergebnis überzeugt, denn es stellt das logische Resultat einer stringent-systematischen Normauslegung dar. Nachdem – wie aufgezeigt – so vielfältige Argumente gegen die restriktiven Ansätze sprechen, kann diesen mithin nicht gefolgt werden. Festzuhalten ist daher, dass es einer derart intensiven geistigen Einflussnahme, welche auf einer voluntativen Überlegenheit des Anstifters beruht, nicht bedarf. Den stärksten Gegensatz zu den restriktiven Ansätzen bildet die zuerst dargestellte Ansicht, welche für die Verwirklichung der Anstifterstrafbarkeit bereits das Schaffen einer zur Tat anreizenden Situation ausreichen lässt, ohne dass es noch einer weiteren kommunikativen Beeinflussung des Anzustiftenden bedarf 357. Der vollständige Verzicht auf das Vorliegen eines Kommunikationsvorgangs bringt es dabei mit sich, dass der Anzustiftende – d.h. der avisierte Haupttäter – weder ein Bewusstsein hinsichtlich der Existenz des Anstifters, noch der von ihm ausgehenden (Veranlassungs)Handlung haben muss. Folglich ist mit dieser Ansicht eine deutliche Ausweitung der Anstifterstrafbarkeit verbunden, was sich insbesondere bei Verbrechenstatbeständen bemerkbar macht, da hier gemäß § 30 I StGB bereits der bloße Versuch der Anstiftung unter Strafe gestellt ist. So kann man sich beispielsweise vorstellen, dass der in der Villa des C als Hausmeister angestellte A am Abend beim Verlassen des Hauses die Eingangstür offen stehen lässt, wobei er weiß, dass der ihm bekannte Einbrecher B in letzter Zeit wieder auf der Suche nach „geeigneten Objekten“ ist und sich deswegen auch häufiger in der Wohnsiedlung, in der sich auch die Villa des C befindet, herumtreibt. Zudem rechnet A damit, dass B keine Skrupel haben wird, die Villa des C notfalls auch mit Gewalt „auszuräumen“. Unabhängig davon, ob es dann wirklich zu der Haupttat kommt oder nicht, hat A bereits durch das vorsätzliche Offenstehenlassen der Eingangstür einen Umstand geschaffen, der zusammen mit anderen, dem A bekannten Faktoren (Bereitschaft des B zur Begehung eines Raubes durch Eindringen in ein fremdes Haus) eine Situation ergibt, in der es nach seinem Dafürhalten nicht unwahrscheinlich ist, dass es tatsächlich zu einem 355 356 357
Krüger, JA 2008, 492 (498). Krüger, JA 2008, 492 (498). Vgl. zu dieser Ansicht zuvor C.V.2.a)bb)(1).
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
Raub in der Villa des C durch B kommt. Nach der Verursachungstheorie führt dies bereits zu einer Strafbarkeit wegen versuchter Anstiftung zum Raub gemäß §§ 249 I, 30 I StGB. Anhand des vorliegenden Beispiels wird deutlich, dass bereits eine vollkommen neutrale Handlung (das Offenstehenlassen der Eingangstür), welche in keinem erkennbaren Zusammenhang mit einer möglichen späteren Haupttat (dem Raub) steht, zu einer erheblichen Strafbarkeit führen können soll. Dieses Ergebnis erscheint jedoch im Hinblick auf den Strafgrund der Teilnahme, der – wie zuvor dargelegt358 – nicht allein in einer bloßen Förderung der Haupttat besteht, sondern ebenso auf einem nach außen hin erkennbaren selbstständigen Rechtsgutsangriff des Teilnehmers beruht, kaum tragbar. Unabhängig davon, dass die hier diskutierte Auffassung bereits im Hinblick auf den Strafgrund der Teilnahme nicht zu überzeugen vermag, scheint diese für Internetsachverhalte ohnehin kaum von Relevanz. Unter Heranziehung der hier verwendeten Definition, nach der interpersonale Kommunikation stets als ein Vorgang des (gegenseitigen) Austauschs oder zumindest der (einseitigen) Aussendung verständlicher Zeichen durch den Versender und deren entsprechender Wahrnehmung durch den Empfänger verstanden wird359, ist davon auszugehen, dass die vorliegend zu untersuchenden Tathandlungen – sofern sie über das Internet begangen werden – grundsätzlich als Kommunikationsvorgänge einzuordnen sind. Selbst wenn durch die Bereitstellung bestimmter Informationen bzw. Inhalte in Internetkommunikationsmitteln keine direkte Ansprache eines konkreten Adressaten erfolgt, wird darin in der Regel dennoch stets eine – als solche für andere Nutzer auch erkennbare – intentionale Zeichenaussendung des Anbieters bzw. Bereitstellers und damit die erste Stufe eines interpersonalen Kommunikationsvorgangs vorliegen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ohne gezielte Aufforderung über eine Website oder auf einem FTP-Server eine bestimmte Software zum Download zur Verfügung gestellt wird. Vollendet wird der Kommunikationsvorgang dann durch die Wahrnehmung dieser Informationen durch einen anderen Nutzer (z. B. durch denjenigen, der sich die besagte Software per Download verschafft), denn dieser muss regelmäßig davon ausgehen, dass deren Bereitstellung eine bewusste menschliche Handlung zugrunde liegt. Diese (im Hinblick auf die Kommunikationsmittel des Internets logische) Schlussfolgerung bzw. Erkenntnis erfüllt damit die (hier) vorausgesetzten (Minimal)Bedingungen interpersonaler Kommunikation und bewirkt regelmäßig das Zustandekommen eines – nicht zwingendermaßen zeitgleichen – geistigen Kontakts zwischen dem Informations-/Inhaltebereitsteller und dem Rezipienten. Obwohl das Einrichten von Hyperlinks, durch die der Zugang zu originär von anderen Nutzern stammenden bzw. bereitgestellten rechtswidrigen Inhalten ver-
358 359
Vgl. zuvor C.V.2.a)bb). Vgl. zu dieser Definition ausführlich oben C.I.
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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mittelt wird360, im Rahmen der vorliegenden Untersuchung keine vertiefte Betrachtung erfahren soll, sei der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, dass selbst darin eine Kommunikationshandlung i. S. d. der hier verwendeten Definition zu sehen ist, denn auch die Existenz eines solchen Hyperlinks kann zunächst nur auf einen Akt bewusster menschlicher Handlung zurückgeführt werden. Zudem manifestiert sich in dem Hyperlink dann in der Regel auch ein bestimmter eigener Informationsgehalt (und somit Zeichen i. S. d. hier verwendeten Kommunikationsbegriffs), denn immerhin bringt dieser erkennbar zum Ausdruck, dass durch dessen Betätigung der Zugang zu bestimmten Informationen bzw. Inhalten erlangt werden kann. Nicht vollständig vergleichbar sind die soeben beschriebenen Beispiele dabei mit Situationen in der realen Welt, wie z. B. dem zuvor skizzierten Raubfall361, denn anders als in dieser können die in den Internetkommunikationsmitteln verfügbaren Informationen bzw. abrufbaren Daten (wie z. B. eine Software) nur von einem mit hinreichendem (Kommunikations)Bewusstsein handelnden Menschen stammen. Können in der realen Welt etwaige tatanreizende Umstände zudem auch auf Umwelteinflüsse oder Gesetzmäßigkeiten der Natur zurückzuführen sein (z. B. kann im obigen Beispielsfall die Tür, durch die der Räuber B in die Villa des C eindringt bzw. eindringen soll genauso gut durch einen Windstoß geöffnet worden sein), so ist dies im Internet, als einem künstlichen und virtuellen Raum, welcher vollständig menschlicher Kontrolle unterliegt, schlechterdings nicht möglich. Infolgedessen sind die vorliegend zu untersuchenden Tathandlungen – mithin auch das Bestimmen i. S. v. § 26 StGB – regelmäßig als „Kommunikation“ i. S. d. hier verwendeten Definition zu bezeichnen, sofern sie über das Internet begangen werden. Sobald die bereitgestellten Informationen rezipiert werden, ist zumindest ein hinreichender geistiger Kontakt zustande gekommen. Aus diesem Grund kommt der Ansicht, die bereits das bloße Schaffen einer tatanreizenden Situation – welche ohne geistigen Kontakt erfolgen kann und daher für den Anzustiftenden wiederum nicht zwingend erkennbar auf ein menschlich intentionales Handeln zurückzuführen sein muss – für ein Bestimmen i. S. v. § 26 StGB ausreichen lassen will, im Hinblick auf Bestimmungshandlungen in Kommunikationsmitteln des Internets kaum eine eigene Bedeutung zu. Eine Situation, welche den Haupttäter zur Tatbegehung anreizt, von selbigem aber nicht einem bewussten Handeln bzw. einer bewussten Herbeiführung durch einen anderen Menschen zugeordnet wird, ist für Internetsachverhalte kaum vorstellbar. Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass die Verursachungstheorie aufgrund ihrer Weite aber stets auch Kommunikationshandlungen – und damit auch solche im Internet – erfassen wird, denn wenn bereits das bloße Schaffen tatanreizender Umstände 360
Vgl. dazu auch oben C.IV.4.b). Vgl. zu weiteren Beispielen u. a. B. Heinrich, AT, Rn. 1289; Roxin, AT II, § 26 Rn. 75. 361
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
ein geeignetes Bestimmen darstellen können soll, muss dies dann erst recht für die regelmäßig intensiveren kommunikativen Einflussnahmen gelten. Nachdem also dargelegt werden konnte, dass die soeben diskutierte Ansicht im Hinblick auf Internetsachverhalte praktisch keine Rolle spielt, bleibt nun noch zu klären, welcher Art bzw. Qualität sich die betreffende kommunikative Einflussnahme bei einem Bestimmen unter Verwendung der Internetkommunikationsmittel erweisen muss. Der hierbei zu betrachtende Unterschied besteht im Wesentlichen zwischen der Kommunikationstheorie und der Kollusionstheorie. Zwar gleichen sich diese zunächst in ihren Grundzügen, da sie jeweils eine kommunikative Beeinflussung des Haupttäters durch den Anstifter verlangen, welche allerdings einseitig erfolgen kann und nicht die gesteigerten Voraussetzungen einer gegenseitigen Vereinbarung erfüllen muss. Der Unterschied zwischen beiden Ansichten besteht hingegen darin, dass die Kollusionstheorie höhere Anforderungen an die kommunikative Einwirkung des Anstifters stellt, denn während die Vertreter der Kommunikationstheorie hier praktisch jeden kommunikativen Akt ausreichen lassen, verlangen die Vertreter der Kollusionstheorie eine unmittelbar auffordernde Einwirkung des Anstifters. Dagegen, bereits jeden denkbaren Kommunikationsakt als geeignete Anstiftungshandlung in Betracht kommen zu lassen, spricht zunächst der Wortsinn des Bestimmens. Der Begriff des „Bestimmens“ legt nahe, dass es sich hierbei nicht nur um ein unverbindliches Ansprechen des Anzustiftenden in irgendeiner beliebigen Form handeln kann, sondern dass mit dieser Ansprache zumindest auch eine gewisse Verbindlichkeit des Anstifters bezüglich der Realisierung der Haupttat erkennbar hervortreten muss. Demnach erscheint es sachgerechter, kommunikative Einwirkungen, welche zwar für die Tatentschlussfindung des Haupttäters (mit)ursächlich sein können, gleichzeitig aber unterhalb der Schwelle zur Aufforderung bleiben (z. B. besondere Hinweise, welche die Ausführung der Haupttat erleichtern), der psychischen Beihilfe zuzuschreiben. Anderenfalls hätte sich der Gesetzgeber anstatt des Begriffs „bestimmt“ auch einer Formulierung wie beispielsweise „den Tatentschluss verursacht“ bedienen können. Bezieht man darüber hinaus auch den Strafgrund der Teilnahme in die Argumentation ein, welcher zutreffenderweise darin besteht, sowohl das Haupttatunrecht zu fördern als auch einen eigenen erkennbaren Rechtsgutsangriff zu begehen362, so führt dies zunächst zu der Erkenntnis, dass auch solche kommunikativen Einwirkungen die Haupttat fördern und zudem bereits einen eigenen, nach außen hin erkennbaren Rechtsgutsangriff darstellen können, die (noch) nicht die Schwelle zur Aufforderung überschreiten. Beispielsweise kann man sich hier die Unterweisung im Gebrauch einer Waffe vorstellen, wobei dem Unterweisenden 362
Vgl. dazu oben C.V.2.a)bb).
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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klar ist, dass dies die Begehung eines Banküberfalls ermöglichen soll. Es stellt sich hiernach gleichwohl die Frage, wie derartige kommunikative Teilnahmehandlungen zu bewerten sind. Diesbezüglich überzeugt es nicht, auch weniger intensive Einwirkungen – d.h. solche ohne Aufforderungscharakter – als ein Bestimmen i. S. d. Anstiftung anzusehen, denn dies würde tatsächlich zu einer enormen Ausweitung des Anwendungsbereichs der Anstiftung zulasten der psychischen Beihilfe führen. So könnten bereits Handlungen die typischerweise eine psychische Beihilfe darstellen, wie beispielsweise das Erteilen von einfachen Ratschlägen oder Informationen oder aber auch bloße bzw. unverbindliche Erwägungen, als Anstiftung – und damit ohne Milderungsmöglichkeit gegenüber der Täterstrafe – geahndet werden. Dies aber scheint der Sache nicht gerecht zu werden, da es sich bei den betreffenden Äußerungen in vielen Fällen eben gerade um solche handeln wird, die zwar durchaus eine Hilfestellung zur Begehung der Haupttat darstellen, nicht aber bereits objektiv als deren Initiierung bewertet werden können. Eine Äußerung, die keinerlei Aufforderungscharakter hinsichtlich der Begehung einer Straftat beinhaltet, mit der tätergleichen Strafbarkeit zu bedrohen, kann demnach kein der Strafwürdigkeit dieser Handlung angemessenes Ergebnis darstellen. Im Ergebnis ist daher der Kollusionstheorie zuzustimmen, denn diese vermag es am überzeugendsten, die Anstiftung von der Mittäterschaft und der mittelbaren Täterschaft einerseits und der (psychischen) Beihilfe andererseits abzugrenzen. Zu Recht nimmt die Kollusionstheorie dabei für sich in Anspruch, sowohl der Anstiftung als auch der psychischen Beihilfe jeweils einen angemessenen Anwendungsbereich zu belassen. Tatsächlich lässt sich dies aber nur dann erreichen, wenn man dem Anstifter eine geistige Einflussnahme abverlangt, welche dadurch qualifiziert ist, dass sie – im Unterschied zum Gehilfen – jedenfalls den erkennbaren Willen des Anstifters hinsichtlich der Begehung der Haupttat zum Ausdruck bringt. Praktisch wird dieses Erfordernis auch zutreffend als „Aufforderungscharakter“ beschrieben, wobei die Bandbreite der in Betracht kommenden Mittel dennoch vielfältig bleibt und beispielsweise auch Fragen, Erwägungen, Beschreibungen sowie die Darlegung von Möglichkeiten erfasst, sofern diese mit dem erkennbaren Fordern der Tatbegehung verbunden sind. Eine unangemessene Einschränkung des Anwendungsbereichs der Anstiftung ist damit nicht zu befürchten. Schließlich ermöglicht es das Abstellen auf den objektiven Aufforderungscharakter der Anstifterhandlung auch, Rückschlüsse auf den Vorsatz des Anstifters hinsichtlich des Bestimmens des Haupttäters zu ziehen. Hingegen ließe eine Äußerung, die objektiv ebenso eine psychische Beihilfe darstellen könnte, allenfalls die Schlussfolgerung auf einen Vorsatz bezüglich der Unterstützung der Haupttat (Gehilfenbeitrag) zu, nicht aber darauf, ob der sich Äußernde darüber hinausgehend auch tatsächlich einen Tatentschluss bei der angesprochenen Person hervorrufen wollte.
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
Festzuhalten bleibt hiernach, dass das Erfordernis eines kollusiven Zusammenwirkens zu deutlich sachgerechteren Ergebnissen führt, als sie sich durch die Kommunikationstheorie und die Verursachungstheorie (kommunikatives Bestimmen bei bereits einfachem geistigen Kontakt) einerseits oder die besonders restriktiven Ansätze (Lehre vom Unrechtspakt, Erfordernis einer Motivherrschaft des Anstifters) andererseits erzielen lassen. Im Unterschied zur Kommunikationstheorie und zur Verursachungstheorie vermag es die Kollusionstheorie, eine exakte Abgrenzung zur psychischen Beihilfe zu gewährleisten und dieser einen eigenen Anwendungsbereich zu belassen. Zugleich wird der tätergleichen Bestrafung des Anstifters in hinreichendem Umfang Rechnung getragen, wenn diesbezüglich eine derart qualifizierte Äußerung verlangt wird, welche den Willen des Anstifters hinsichtlich der Tatbegehung erkennbar zum Ausdruck bringt. Als vorteilhaft gegenüber den restriktiven Ansätzen erweist sich die Kollusionstheorie deshalb, weil es ihr gelingt, den Status des Anstifters als Teilnehmer der Tat zu wahren und an diesen nicht überhöhte und bereits dem Bereich der Täterschaft zuzuordnende Anforderungen, wie beispielsweise das Vereinbaren eines gemeinsamen Tatentschlusses, zu stellen. cc) Die erforderliche Konkretisierung von Haupttat und Haupttäter Wird das bloße Schaffen einer zur Tat anreizenden Situation nicht für ausreichend gehalten und grundsätzlich ein Kommunikationsvorgang – welcher bei der Nutzung des Internets stets vorliegt363 – gefordert, stellen sich im Weiteren die ebenfalls umstrittenen Fragen, inwieweit der Anstifter die Haupttat konkretisiert sowie den/die Haupttäter als Adressaten individualisiert haben muss364. Während dies überwiegend unter dem Punkt des Anstiftervorsatzes diskutiert wird365, spricht ebenso viel dafür, diese Fragen schon im Rahmen der im objektiven Tatbestand verorteten Bestimmungshandlung zu thematisieren366. Indes erscheint es sogar in systematisch-logischer Hinsicht überzeugender, die Fragen nach der hinreichenden Konkretisierung der Haupttat und der Individualisierung des/der Haupttäter bereits unter dem zum objektiven Tatbestand gehörenden Prüfungspunkt der Bestimmungshandlung zu diskutieren. Es ist nämlich bereits hier erstmals möglich, eine Verknüpfung von Haupttat und Teilnehmerbeitrag herzustel363
Vgl. zuvor C.V.2.a)bb)(5). Ausführlich zu diesem Problem u. a. B. Heinrich, AT, Rn. 1288; Kühl, § 20 Rn. 188 ff.; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26 Rn. 39 ff.; MK-Joecks, § 26 Rn. 57 ff.; Rengier, AT, § 45 Rn. 49 ff.; Roxin, AT II, § 26 Rn. 133 ff.; Wessels/Beulke, Rn. 572. 365 Vgl. u. a. BGHSt 34, 63 (64); Kindhäuser, AT, § 41 Rn. 22 f.; Rengier, AT, § 45 Rn. 49 ff.; Satzger/Schmitt/Widmaier-Murmann, § 26 Rn. 9; Wessels/Beulke, Rn. 572. 366 So z. B. B. Heinrich, AT, Rn. 1288; Kretschmer, NStZ 1998, 401 (403); Lackner/ Kühl, § 26 Rn. 5; Puppe, § 25 Rn. 2; Rogall, GA 1979, 11 (12); Roxin, AT II, § 26 Rn. 134; Schulte/Kanz, ZJS 2013, 24 (25 Fn. 8, 27). Vgl. hierzu außerdem Kühl, § 20 Rn. 188. 364
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len, weil es sich schon objektiv feststellen lässt, ob eine etwaige Haupttat hinreichend konkret bezeichnet und (ein) mögliche(r) Haupttäter hinreichend individualisiert worden sind. Würde man dies bei der objektiven Prüfung hingegen ausblenden und sich darauf beschränken, lediglich festzustellen, dass der (mutmaßliche) Anstifter irgendeine Handlung vorgenommen hat, durch die der Haupttäter irgendwie bestimmt worden ist, so würde praktisch allein schon eine nur kausale – mitunter zufällige bzw. unbewusste – Verursachung des Tatentschlusses des Haupttäters die objektive Verwirklichung der Anstifterstrafbarkeit begründen können. Angesichts der Tatsache, dass der Anstifter einer ebenso hohen Strafandrohung wie der Haupttäter unterliegt, kann dies aber kein überzeugendes Ergebnis sein. Die Erkenntnis, dass es kaum ausreichen kann, auf objektiver Tatbestandsebene eine nur kausale (Anstifter)Handlung ausreichen zu lassen, gilt umso mehr, als dass bereits festgestellt wurde, dass die Anstifterhandlung zutreffenderweise regelmäßig in einer zielgerichteten Aufforderung367 zur Begehung einer bestimmten Tat bestehen muss. Diese objektive Anforderung an die Anstifterhandlung aber bedingt wiederum, dass regelmäßig auch schon im Rahmen des objektiv-tatbestandlichen Bestimmens danach zu fragen ist, wer und wozu bestimmt werden sollte. Nachdem diese Fragen aus den dargelegten Gründen also schon mit der objektiven Handlung des Bestimmens in Verbindung zu bringen sind, ist nicht ersichtlich, warum selbige im objektiven Tatbestand zunächst umgangen werden und nur im subjektiven Tatbestand zur Sprache kommen sollte. Schließlich wird die Frage der hinreichend bestimmbaren Bezugstat im Rahmen von § 111 StGB ebenfalls bereits dem objektiven Tatbestand zugeordnet, denn dort wird regelmäßig unter der Tathandlung des Aufforderns erörtert, ob die Äußerung des Täters eine für deren Empfänger zumindest ihrer rechtlichen Art nach bestimmbare Straftat enthält368. Weitgehende Einigkeit besteht bei diesem Problem im Hinblick auf den anzustiftenden Haupttäter lediglich darin, dass es einerseits nicht ausreichen kann, sich an einen (insbesondere zahlenmäßig) unbestimmten Personenkreis zu richten369, es aber andererseits auch nicht erforderlich ist, (nur) einen einzigen gezielt in Aussicht genommenen Haupttäter anzusprechen370. Hinsichtlich der Haupttat wird – jedoch ebenfalls nicht unumstritten – vertreten, dass zu dieser nicht hinreichend konkret bestimmt wird, wenn der Anstifter lediglich pauschal 367
Vgl. zuvor C.V.2.a)bb)(5). Lackner/Kühl, § 111 Rn. 5; Satzger/Schmitt/Widmaier-Fahl, § 111 Rn. 3; Schönke/Schröder-Eser, § 111 Rn. 13. 369 A. A. jedoch Dreher, FS Gallas 1973, S. 307 (321 ff.) und SK-Hoyer, Vor § 26 Rn. 55, die eine Anstiftung auch gegenüber einem unbestimmten Personenkreis für möglich halten. 370 Vgl. B. Heinrich, AT, Rn. 1288; Kühl, § 20 Rn. 189; Lackner/Kühl, § 26 Rn. 5; Rengier, AT, § 45 Rn. 51; Satzger/Schmitt/Widmaier-Murmann, § 26 Rn. 9. 368
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zur Begehung von nicht näher benannten Straftaten auffordert, vollkommen abstrakt Delikte benennt oder mögliche Angriffsobjekte lediglich der Gattung nach umreißt und dabei keinerlei Bezug zur konkreten Haupttat mangels Individualisierung von Tatobjekt, -zeit und -ort herstellt371. Da es in der vorliegenden Arbeit in erster Linie darum geht, die objektiven Tathandlungen des Verabredens, Aufforderns und Anleitens zur Begehung von Straftaten im Hinblick auf internetbezogene Sachverhalte anhand der bestehenden Rechtslage zu überprüfen, ist auch zu der grundlegenden Frage, welche Konkretisierungsanforderungen an ein Bestimmen i. S. v. § 26 StGB anzulegen sind, Stellung zu nehmen. Regelmäßig kommt dieser Frage sogar tatbestandsübergreifende Bedeutung zu, d.h.: Die Beantwortung der Frage nach dem erforderlichen Konkretisierungsumfang und dessen Vorliegen im jeweiligen Einzelfall entscheidet nicht nur darüber, ob z. B. eine Anstiftung begangen wurde oder nicht, sondern zugleich auch, welche Tathandlungen bzw. Tatbestände ansonsten noch in Betracht kommen können. So ist beispielsweise gerade dann an ein öffentliches Auffordern nach § 111 StGB zu denken, wenn die zu prüfende Tathandlung, mangels eines bestimmbaren Adressatenkreises, kein hinreichend konkretes Bestimmen i. S. v. § 26 StGB darstellt372. Eine Klärung der Konkretisierungsanforderungen ist weiterhin – vor allem im Hinblick auf die angesprochenen Personen – auch von besonderer Bedeutung für die Beurteilung der Strafbarkeit, wenn die Kommunikationshandlung via Internet erfolgt. Die in bestimmten Internetkommunikationsmitteln aufeinander treffenden Möglichkeiten der (häufig frei zugänglichen, z. T. sogar unkontrollierten) Kundgabe von Äußerungen und deren individueller oder massenhafter Verfügbarmachung sowie eine teils noch hinzukommende Dauerhaftigkeit der getätigten Kundgabe werfen ein eigenes Licht auf die vorliegende Problematik, denn gerade das mögliche und je nach Kommunikationsmittel variierende Zusammenspiel dieser spezifischen Faktoren und der sich daraus ergebenden vielfältigen Möglichkeiten machen klare und eindeutige Kriterien zur Beurteilung der Tathandlung unverzichtbar, um eine exakte Abgrenzung und zutreffende strafrechtliche Bewertung der jeweils in Betracht kommenden Tathandlungen zu ermöglichen. Da es sich bei den Konkretisierungsanforderungen jeweils – d.h. sowohl hinsichtlich der zu begehenden Tat als auch hinsichtlich der in Aussicht genommenen Täter – um tatbestandsübergreifende Fragen von grundlegender Bedeutung 371 Vgl. BGHSt 34, 63 (64 ff.); Kühl, § 20 Rn. 190; Rengier, AT, § 45 Rn. 53; Satzger/Schmitt/Widmaier-Murmann, § 26 Rn. 9; Wessels/Beulke, Rn. 572; a. A. jedoch Roxin, AT II, § 26 Rn. 136 ff. und LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26 Rn. 40 ff., die es ausreichen lassen, dass der Anstifter die „wesentlichen Dimensionen des Unrechts“, insbesondere das Tatobjekt bzw. die Angriffsrichtung und die ungefähre Schadenshöhe, erfasst hat. 372 Vgl. diesbezüglich zu § 111 StGB auch noch unten C.V.2.f)bb) sowie die ausführliche Diskussion der Abgrenzungsfrage unter C.V.3.b)bb) und die damit verbundenen tatbestandsbezogenen Einzelfragen unter C.V.3.b)cc).
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für die jeweilige Abgrenzung handelt, scheint es zweckmäßig, diese für alle in Betracht kommenden täter- und teilnehmerschaftlichen Begehungsformen im Zusammenhang zu erörtern373. dd) Sonstige Probleme der Anstiftung Über weitere Probleme der Anstiftung soll an dieser Stelle lediglich ein zusammenfassender Überblick gegeben werden, da diese für den Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit kaum eine Bedeutung haben. Der Begriff des sog. „agent provocateur“ (auch „Lockspitzel“) bezeichnet das Problem des mangelnden Vollendungswillens des Anstifters im Hinblick auf die Haupttat. Konsens besteht zunächst darüber, dass der lediglich auf den Versuch der Haupttat gerichtete Anstiftervorsatz nicht zu einer Strafbarkeit führt, wenn der Initiator eine tatsächliche Rechtsgutsgefährdung sicher ausschließen kann374. Umstritten ist allerdings die Konstellation, in der der Initiator zwar nur den Versuch der Haupttat in seinen Vorsatz aufgenommen hat, er zugleich aber auch eine (zumindest teilweise) Deliktsverwirklichung für möglich hält, weil er das Ausbleiben einer tatsächlichen Rechtsgutsgefährdung eben gerade nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen kann375. Praktische Relevanz erlangt dieses Problem insbesondere im Hinblick auf polizeiliche Maßnahmen zur Überführung von Straftätern376. Häufig wird nämlich gerade im Bereich der organisierten Kriminalität – speziell bei Betäubungsmittel- und Waffendelikten mit häufig weit vorverlagertem formellen Vollendungszeitpunkt377 – ein Tatverdächtiger von verdeckten Ermittlern zur (erneuten) Begehung der Verdachtstat animiert, um diesen überführen zu können. In dem Problem des agent provocateur klingt zumindest ansatzweise auch die grundlegende Frage nach der hinreichenden Ernsthaftigkeit – oder auch der sog. „Ernstlichkeit“ – einer kommunikativen Einflussnahme auf den/die potenziellen Haupttäter an. So kann bei einer nicht ernst gemeinten Äußerung möglicherweise der Vorsatz des betreffenden Beteiligten im Hinblick auf die benannte Haupttat fraglich sein. Diesbezüglich ist wiederum eine Vielzahl von möglichen Sachverhalten denkbar – und darüber hinaus auch in der Praxis nicht selten378 – in denen an sich strafwürdige Kundgaben erfolgen, denen jedoch die erforderliche Ernst373
Vgl. dazu ausführlich unten C.V.3.a) und C.V.3.b). Vgl. Kühl, § 20 Rn. 201; Lackner/Kühl, § 26 Rn. 4; Roxin, AT II, § 26 Rn. 151; Wessels/Beulke, Rn. 573. 375 Ausführlich zu diesem Problem u. a. B. Heinrich, AT, Rn. 1312 ff.; Hillenkamp, AT, 24. Problem, S. 179 ff.; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26 Rn. 60 ff.; MK-Joecks, § 26 Rn. 67 ff.; Rengier, AT, § 45 Rn. 69 ff.; Wessels/Beulke, Rn. 573. 376 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26 Rn. 63; Wessels/Beulke, Rn. 574. 377 Z. B. §§ 29 I 1 Nr. 1, 29a I Nr. 2, 30 I, 30a I, II BtMG und §§ 51 I, 52 I WaffG. 378 Vgl. z. B. die Fälle von BGHSt 18, 160; BGHSt 44, 99. 374
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lichkeit fehlt oder selbige wenigstens zweifelhaft erscheint. Gerade die vielgestaltigen Kommunikationsformen des Internets ermöglichen den Nutzern durch Faktoren wie personale Anonymität, große Reichweite und hohe Geschwindigkeit der Informationsverbreitung ein praktisch neues Betätigungsfeld379 – insbesondere wenn diese Charakteristika kummulativ auftreten – auch für extreme oder drastische Kundgaben380. Da die Frage der Ernstlichkeit jedoch vor allem im Rahmen der §§ 30 und 111 StGB relevant wird, soll an den entsprechenden Stellen381 eine genauere Auseinandersetzung mit diesem Merkmal erfolgen. Ein weiteres Problem im Rahmen von § 26 StGB stellt das der sog. „Aufstiftung“ dar382. Während Einigkeit darüber besteht, dass ein bereits zur Tat Entschlossener, ein sog. „omnimodo facturus“, objektiv nicht mehr angestiftet werden kann383, wird unter dem Begriff der „Aufstiftung“ diskutiert, ob ein Bestimmen auch dann noch erfolgen kann, wenn ein bereits zur Begehung des Grunddelikts Entschlossener zur Begehung einer Qualifikation bestimmt wird. Der Streit rekurriert letztlich darauf, in welchem Verhältnis Grundtatbestand und Qualifikation jeweils gesehen werden. Da jedoch der Grundsatzstreit um die dogmatische Behandlung des Verhältnisses von Grunddelikt und Qualifikationstatbestand für die vorliegend zu untersuchende Problematik nicht relevant ist, soll auch das Problem der Aufstiftung hier nicht weiter vertieft werden. Schließlich besteht Streit darüber, wann und wie sich ein für den Haupttäter unbeachtlicher Motivirrtum über die Identität des Opfers, ein sog. „error in persona“, auf den Anstifter auswirken soll384. Gegenstand ist hier also die Frage, ob eine Anstifterstrafbarkeit hinsichtlich der tatsächlich verübten Haupttat gegeben sein kann, wenn der Haupttäter bei dieser ein anderes als das vom Anstifter vorgestellte Opfer trifft und dabei selbst einer für seine Strafbarkeit unbeachtlichen Personenverwechslung unterliegt. Da dieser Streit hier jedoch letztlich die Zu379
So Heghmanns, JA 2001, 71. Hierzu bereits LG Trier MMR 2002, 694 (695) sowie aktuell BGH NStZ 2011, 570 mit Anmerkungen von Reinbacher, NStZ-RR 2012, 41 und Weigend, NStZ 2011, 572. In diesem Zusammenhang auch Pörksen, Deutschlandradio Kultur vom 30.05.2012 unter http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/politischesfeuilleton/1769368/ (zuletzt abgerufen am 10.08.2012). 381 Vgl. dazu im Einzelnen noch unten C.V.2.b)dd) zu § 30 I StGB, C.V.2.c)aa) zu § 30 II Alt. 1 StGB, C.V.2.d)bb) zu § 30 II Alt. 2 StGB, C.V.2.e)cc) zu § 30 II Alt. 3 StGB, C.V.2.f)bb) zu § 111 StGB sowie zusammenfassend C.V.3.c). 382 Ausführlich zu diesem Problem u. a. B. Heinrich, AT, Rn. 1298 ff.; Hillenkamp, AT, 25. Problem, S. 184 ff.; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26 Rn. 31 ff.; MK-Joecks, § 26 Rn. 37 ff.; Rengier, AT, § 45 Rn. 35 ff. 383 Vgl. BGHSt 2, 223 (225); BGHSt 45, 373 (374); B. Heinrich, AT, Rn. 1294; Kühl, § 20 Rn. 177; Rengier, AT, § 45 Rn. 33; Roxin, AT II, § 26 Rn. 65; Schönke/ Schröder-Heine, § 26 Rn. 7; Wessels/Beulke, Rn. 569. 384 Ausführlich zu diesem Problem u. a. B. Heinrich, AT, Rn. 1307 ff.; Hillenkamp, AT, 26. Problem, S. 189 ff.; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26 Rn. 84 ff.; MK-Joecks, § 26 Rn. 78 ff.; Rengier, AT, § 45 Rn. 57 ff. 380
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rechnung einer Irrtumskonstellation thematisiert und selbst keinen relevanten Bezug zur eigentlichen Bestimmungshandlung des Anstifters aufweist, sind weitere Ausführungen hierzu wiederum entbehrlich. b) Die versuchte Anstiftung zu einem Verbrechen (§ 30 I StGB) aa) Einführung zu § 30 StGB Im Jahr 1975 ist § 30 StGB zur Nachfolgenorm des § 49a StGB a. F. geworden, welcher seinerseits im Jahr 1876 in das damalige RStGB eingeführt wurde und erstmals eine Strafbarkeit für den Versuch der Beteiligung statuierte385. In der aktuellen Fassung enthält § 30 StGB in seinen beiden Absätzen insgesamt vier Handlungsvarianten, welche sämtlich das dem unmittelbaren Ansetzen zu einer Haupttat vorgelagerte Stadium betreffen, also konkret eine Strafbarkeit für die Vorbereitung vorsehen, ohne dass es zu einer (zumindest versuchten) Haupttat oder einer Rechtsgutsverletzung gekommen ist386. Daher wird in diesem Zusammenhang auch von den „Vorstufen der Beteiligung“ 387 oder, speziell im Hinblick auf § 30 I StGB, von der „versuchten“ 388 bzw. „vorweggenommenen Teilnahme“ 389 gesprochen. Der Grund bzw. die Berechtigung der Norm besteht darin, bereits solchen Verbrechensvorbereitungen entgegentreten zu können, die aufgrund des konspirativen Zusammenwirkens von mehreren Beteiligten schon vor dem Eintritt in das Versuchsstadium eine besondere Gefahrschaffung bzw. Bedrohung für das anzugreifende Rechtsgut darstellen390. Hinsichtlich der versuchten Anstiftung (§ 30 I StGB) und der Annahme eines Sich-Erbietens (§ 30 II Alt. 2 StGB) wird die gesteigerte Bedrohung in dem Kontroll- und Einflussverlust, welcher mit der Anregung zur präsumtiven Tat regelmäßig verbunden ist, gesehen391. Bei der Bereitschaftserklärung (§ 30 II Alt. 1 StGB) und der Verabredung (§ 30 II Alt. 3 StGB) zur Begehung eines Verbrechens soll die besondere Gefahrschaffung hingegen aus einer Willensbindung resultieren, welcher sich die Beteiligten durch ihre 385 Zu den historischen Grundlagen und der Entstehungsgeschichte von § 30 StGB u. a. Dessecker, JA 2005, 549 (550 f.); LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 vor Rn. 1; MKJoecks, § 30 Rn. 6 ff.; eine Dissertation aus jüngerer Zeit zu §§ 30, 31 StGB liegt vor von Thalheimer, Die Vorfeldstrafbarkeit nach §§ 30, 31 StGB, 2008. 386 Ausführlich zur systematischen und rechtspolitischen Bedeutung LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 1 ff.; Roxin, AT II, § 28 Rn. 1 ff., 5 ff.; Kritik an der gesetzgeberischen Legitimation wird geübt von Jakobs, ZStW 97 (1985), 751 (752, 756, 765, 767 ff.). 387 Vgl. Kühl, § 20 Rn. 243; Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 1. 388 Vgl. Wessels/Beulke, Rn. 561. 389 Vgl. Lackner/Kühl, § 30 Rn. 1. 390 Fischer, § 30 Rn. 2a; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 10 ff. 391 Vgl. LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 3; Rengier, AT, § 47 Rn. 8; Satzger/ Schmitt/Widmaier-Murmann, § 30 Rn. 1; Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 1.
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Vereinbarung regelmäßig unterwerfen392. Bei der Verbrechensverabredung gewinnt zudem der Umstand, dass mit der eigenen Tatzusage gleichzeitig auch andere zur Tatbegehung bestimmt werden, Bedeutung393. Gemeinsam ist wiederum aber allen Handlungsmodalitäten des § 30 StGB, dass diese zwingend einen interpersonalen Kommunikationsvorgang voraussetzen394. Zudem stehen alle Begehungsformen in einem grundsätzlichen Subsidiaritätsverhältnis zur geplanten Haupttat, so dass § 30 StGB zurücktritt, sobald zum Versuch der Haupttat angesetzt wird395. Dogmatisch wird § 30 StGB heute einheitlich als ein auf Verbrechen beschränkter unselbstständiger Strafausdehnungsgrund verstanden, da dieser einerseits systematisch dem AT des StGB zugeordnet ist und andererseits auch kein spezifisches Rechtsgut, sondern allein das durch die präsumtive Haupttat anzugreifende, schützt396. Um jedoch die Strafbarkeitsausdehnung, welche sich insbesondere durch die mitunter bis an den Beginn des Vorbereitungsstadiums reichende Vorverlagerung ergibt, nicht ins Uferlose laufen zu lassen, besteht ebenfalls Einigkeit über eine grundsätzlich restriktive Auslegung des § 30 StGB397. Hinsichtlich der systematischen Verankerung des § 30 StGB im AT bestehen hingegen unterschiedliche Ansichten. Da diese Frage jedoch rein dogmatischer Art ist und keinen Einfluss auf die konkrete Anwendung bzw. Anwendbarkeit des § 30 StGB auf die hier zu untersuchenden Tathandlungen in Internetkommunikationsmitteln entfaltet, sollen diese der Vollständigkeit halber lediglich in gebotener Kürze skizziert werden398. Für die Einordnung des § 30 StGB in das System des AT kommen grundsätzlich drei Möglichkeiten in Betracht. Nach der Überschrift des § 30 StGB sowie im Hinblick auf den Verweis des § 30 I 3 StGB auf § 23 III StGB und die Rücktrittsvarianten des § 31 StGB liegt es zunächst nahe, die Norm dem Bereich der Versuchsregeln zuzuordnen. Dagegen wird jedoch eingewandt, dass es diesbezüglich an einem für eine Versuchsstrafbarkeit zwingend erforderlichen unmittelbaren Ansetzen zur Tatbestandverwirklichung i. S. v. § 22 StGB fehle und das Sta392
Vgl. LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 3, 11; Schönke/Schröder-Heine, § 30
Rn. 1. 393
MK-Joecks, § 30 Rn. 53; SK-Hoyer, § 30 Rn. 46; Thalheimer, S. 92 ff. Krüger, JA 2008, 492 (497). 395 Fischer, § 30 Rn. 17; Satzger/Schmitt/Widmaier-Murmann, § 30 Rn. 29; Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 37 f. 396 Fischer, § 30 Rn. 2a; Lackner/Kühl, § 30 Rn. 1; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 1; MK-Joecks, § 30 Rn. 3, 11; Roxin, AT II, § 28 Rn. 1; Satzger/Schmitt/WidmaierMurmann, § 30 Rn. 1 f.; Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 2. 397 Vgl. MK-Joecks, § 30 Rn. 3; Satzger/Schmitt/Widmaier-Murmann, § 30 Rn. 1; Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 1. 398 Hierzu vertiefend LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 2 f.; MK-Joecks, § 30 Rn. 11; Roxin, AT II, § 28 Rn. 2. 394
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dium der bloßen Vorbereitung sowohl bei der versuchten Anstiftung nach § 30 I StGB als auch bei den Handlungsformen des § 30 II StGB nicht verlassen werde399. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, § 30 StGB als eine „allgemeine Regelung der Teilnahme“ 400 oder zumindest als Normierung von „Erscheinungsformen der Teilnahme“ 401 aufzufassen. Hieran wird wiederum kritisiert, dass es wegen der regelmäßigen Akzessorietät der Teilnahme immer einer entsprechenden Haupttat bedarf, welche in den Fällen von § 30 StGB aber gerade nicht vorliege402. Zudem passten nicht sämtliche Handlungsmodalitäten des § 30 StGB in das herkömmliche Bild der Teilnahme403. Tatsächlich sind die vorstehend benannten Einwände kaum von der Hand zu weisen, so dass sowohl eine Zuordnung zum Bereich der Versuchsregelungen als auch eine Zuordnung zum Bereich der Teilnahmeregelungen nicht vollständig zu überzeugen vermögen. Mit dem Strafgrund des § 30 StGB – nämlich der Begehung von Verbrechen bereits vor dem Versuchsstadium bzw. im Planungsstadium entgegenzuwirken – scheint es indes besser vereinbar, hierin die Normierung selbstständig strafbarer Vorbereitungshandlungen zu sehen404. Gegen eine Einordnung als allgemeine Regelung der Teilnahme spricht schließlich auch, dass die Handlungsalternativen des Sich-Bereiterklärens und der Verabredung einer Verbrechensbegehung gemäß § 30 II StGB ohnehin eher auf eine täterschaftliche Begehung der präsumtiven Haupttat hindeuten405. bb) Überblick über § 30 I StGB § 30 I StGB erfasst die spezielle Konstellation des Versuchs, einen anderen zur Begehung eines Verbrechens anzustiften406. Charakteristisch für diese und 399 Vgl. BGHSt 50, 142 (146) mit Anmerkung von Kühl, NStZ 2006, 94; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 2; Roxin, AT II, § 28 Rn. 2. 400 So Baumann/Weber/Mitsch, § 32 Rn. 40. 401 So Jescheck/Weigend, § 65 I 3; ähnlich auch Lackner/Kühl, § 30 Rn. 1, wonach § 30 I StGB (versuchte Anstiftung) „einen Fall vorweggenommener Teilnahme“ und § 30 II StGB „weitere verwandte Beteiligungsformen im Vorbereitungsstadium“ behandele. 402 Vgl. LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 2; MK-Joecks, § 30 Rn. 11; Roxin, AT II, § 28 Rn. 2. 403 Vgl. MK-Joecks, § 30 Rn. 11; Roxin, AT II, § 28 Rn. 2. 404 So auch BGHSt 9, 131 (134); BGHSt 14, 378 (379) jeweils zur Vorgängernorm § 49a StGB a. F.; sowie LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 2a; MK-Joecks, § 30 Rn. 11; Roxin, AT II, § 28 Rn. 2. 405 Gerade die Verabredung der Verbrechensbegehung stelle einen Vorbereitungsakt im Hinblick auf eine spätere Mittäterschaft dar, vgl. BGH NStZ 2009, 322; Dessecker, JA 2005, 549 (551); Fischer, § 30 Rn. 12; B. Heinrich, AT, Rn. 1371; Jescheck/Weigend, § 65 III 1; Kühl, § 20 Rn. 252; Satzger/Schmitt/Widmaier-Murmann, § 30 Rn. 23; Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 25. 406 Zur versuchten Anstiftung zu einem Verbrechen u. a. Dessecker, JA 2005, 549 (551); LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 13 ff.; MK-Joecks, § 30 Rn. 26 ff.; Rengier, AT, § 47 Rn. 6 ff.; Roxin, AT II, § 28 Rn. 9 ff.
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zugleich maßgeblich für die Abgrenzung zu § 26 StGB ist, dass es zum tatsächlichen unmittelbaren Ansetzen zur avisierten Haupttat eben gerade nicht gekommen und eine Rechtsgutsverletzung somit jedenfalls regelmäßig ausgeblieben ist. Die Erfolglosigkeit einer Bestimmungshandlung kann dabei im Wesentlichen in dreierlei Hinsicht zustande kommen407. Zunächst kann die Anstiftung zu einem Verbrechen daran scheitern, dass trotz einer an sich tauglichen Bestimmungshandlung ein entsprechender Tatentschluss bei dem Anzustiftenden nicht hervorgerufen wird, weil dieser beispielsweise die Begehung einer solchen Tat von vornherein ablehnt408. Weiterhin gilt die Anstiftung zu einem Verbrechen auch dann als gescheitert, wenn bei dem präsumtiven Haupttäter zwar ein entsprechender eigener Tatentschluss hinsichtlich der präsumtiven Haupttat generiert werden kann, der Betreffende dann aber – aus welchem Grund auch immer – selbst nicht in das Stadium des Versuchs eintritt, also anstatt unmittelbar anzusetzen, untätig bleibt409. Schließlich kann § 30 I StGB auch dann zur Anwendung kommen, wenn der präsumtive Haupttäter zu dem Verbrechen, zu dem er bestimmt werden soll, nicht bestimmt werden kann, da er bereits vorher zur Begehung der Tat entschlossen war (omnimodo facturus)410. Wie schon erwähnt, findet durch § 30 I StGB eine sehr weite Vorverlagerung der Strafbarkeit statt. Dies gilt umso mehr, wenn die Bestimmungshandlung nicht unmittelbar gegenüber dem präsumtiven Haupttäter, sondern gegenüber einem Dritten erfolgt, welcher wiederum zu dem eigenen Entschluss gebracht werden soll, den präsumtiven Haupttäter anzustiften ([versuchte] Anstiftung zur [versuchten] Anstiftung). Strafbar nach § 30 I StGB ist somit also auch der Fall der versuchten Kettenanstiftung411. Die erhebliche Strafbarkeitsvorverlagerung wird dadurch gerechtfertigt, dass bereits in dem bloßen Anstiftungsversuch – sowohl zur präsumtiven Haupttat selbst, als auch zu einer weiteren bzw. „zwischengeschalteten“ Anstiftung – eine erhebliche Gefahr für das betroffene Rechtsgut ge407
Kühl, § 20 Rn. 248; MK-Joecks, § 30 Rn. 27. Dieser Fall wird auch als „misslungene Anstiftung“ bezeichnet, so u. a. B. Heinrich, AT, Rn. 1365; Roxin, AT II, § 28 Rn. 9. Vgl. aber auch NK-Zaczyk, § 30 Rn. 12, der für den Anstiftungsversuch bereits einen Teilerfolg in Gestalt eines hervorgerufenen Tatentschlusses fordert und daher den Fall der „misslungenen Anstiftung“ nicht von § 30 I StGB erfasst sieht. 409 Dieser Fall wird auch als „erfolglose Anstiftung“ bezeichnet, vgl. u. a. Dessecker, JA 2005, 549 (551); Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 21. 410 Dieser Fall wird auch als „untaugliche Anstiftung“ bezeichnet, so u. a. LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 13; Satzger/Schmitt/Widmaier-Murmann, § 30 Rn. 13. Vgl. aber wiederum NK-Zaczyk, § 30 Rn. 12, nach dessen Ansicht auch dieser Fall nicht von § 30 I StGB erfasst wird, weil auch hier – wie bei der „misslungenen Anstiftung“ – der zu fordernde Teilerfolg des Hervorrufens eines Tatentschlusses nicht vorliege. 411 Vgl. auch Dessecker, JA 2005, 549 (551). Im Gegensatz zu § 26 StGB ist die Konstellation der Kettenanstiftung im ersten Satz des § 30 I StGB sogar ausdrücklich als zweite Handlungsalternative normiert. 408
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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sehen wird412, denn schon hierdurch werde ein gefährlicher Kausalverlauf in Gang gesetzt und ein Geschehen soweit der Kontrolle des Anstifters entzogen, dass eine weitere Einflussnahme zur Herbeiführung der Vollendung nicht mehr erforderlich ist413. Schließlich besteht Einigkeit über die grundsätzliche Subsidiarität des § 30 I StGB, wenn der Haupttäter hinsichtlich der avisierten Haupttat zumindest in das Versuchsstadium eintritt, da in diesem Fall die für § 26 StGB erforderliche rechtswidrige Haupttat (bereits) vorliegt und die Anstiftung insoweit erfolgreich war414. Dieser Fall stellt demnach eine vollendete Anstiftung zum Versuch dar. cc) Grundlegende Probleme der Anstiftung Die im Zusammenhang mit der originären Bestimmungshandlung stehenden Probleme der Anstiftung sind ebenso für die versuchte Anstiftung von Bedeutung, da sich die Tathandlungen beider Normen vollständig entsprechen415. Folglich sind die für die Anstiftung relevanten Streitstände bzw. die jeweiligen Ansichten und Begründungsansätze in der Regel uneingeschränkt auf die versuchte Anstiftung übertragbar416. Konkret gehören hierzu u. a. auch die vorliegend zu beachtenden Probleme des erforderlichen Konkretisierungsumfangs bezüglich Haupttat und Haupttäter sowie der Intensität der Einflussnahme des Anstifters. Auch bei der versuchten Anstiftung zu einem Verbrechen stellt sich somit die Frage, wie weit der Anstifter die Haupttat und den bzw. die potenziellen Haupttäter bereits konkretisiert haben muss417. Während nach der hier vertretenen Ansicht, die Konkretisierung von Haupttat und Haupttäter bei § 26 StGB eine Frage der objektiven Bestimmungshandlung ist418, ist dasselbe Problem bei der versuchten Anstiftung im Rahmen des Tatentschlusses zu behandeln, denn allein dies entspricht der anerkannten Prüfungssystematik des Versuchs einer Straftat, welche regelmäßig auch auf § 30 I StGB Anwendung findet419. Inhaltlich erge412 Vgl. BGHSt 44, 91 (95); BGHSt 44, 99 (102 f.) mit Anmerkung von Roxin, NStZ 1998, 616; B. Heinrich, AT, Rn. 1365; Wessels/Beulke, Rn. 563. 413 Vgl. BGHSt 44, 99 (102 f.); Kühl, § 20 Rn. 244; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 3; Rengier, AT, § 47 Rn. 8. 414 Vgl. Fischer, § 30 Rn. 17; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 53; MK-Joecks, § 30 Rn. 73; Rengier, AT, § 47 Rn. 41; Roxin, AT II, § 28 Rn. 37; Schönke/SchröderHeine, § 30 Rn. 37 f. 415 Krüger, JA 2008, 492 (497); LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 14; Roxin, AT II, § 28 Rn. 10; Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 18. 416 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 13, 24, 30, 33. 417 Zu diesem Problem im Rahmen von § 30 I StGB auch LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 24 ff.; MK-Joecks, § 30 Rn. 29 ff.; Roxin, AT II, § 28 Rn. 20; SKHoyer, § 30 Rn. 26 f. 418 Vgl. oben C.V.2.a)cc). 419 Rengier, AT, § 47 Rn. 9; Thalheimer, S. 32 f.
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
ben sich dabei jedoch keine Unterschiede420. Da der (hinreichenden) Konkretisierung von Haupttat und Haupttäter entscheidende Bedeutung für die Abgrenzung der §§ 26 und 30 I StGB von § 111 StGB zukommt, es sich also um tatbestandsübergreifende Fragen handelt, werden die hierzu bestehenden Streitstände für alle betreffenden Normen im Zusammenhang ausführlich dargestellt und diskutiert werden421. Weiterhin ist auch die Diskussion über die Intensität der Einflussnahme auf den Anstiftungsversuch übertragbar, da – wie schon gesagt – die Anforderungen an das Bestimmen bei § 30 I StGB denen bei § 26 StGB vollständig entsprechen422. Wie bereits in den diesbezüglichen Ausführungen zur Anstiftung423 dargelegt, kommt der Ansicht, nach der allein das bloße Schaffen einer zur Haupttat anreizenden Situation unter Verzicht auf jeglichen geistigen Kontakt für ein Bestimmen ausreichen soll, im Hinblick auf Internetsachverhalte kaum eine eigene Bedeutung zu, da bei diesen – nach der hier verwendeten Definition von interpersonaler Kommunikation424 – grundsätzlich von dem Vorliegen einer Kommunikationsbeziehung oder zumindest der Anbahnung einer solchen auszugehen ist425. Vielmehr ist in Anlehnung an die Erkenntnisse zum Bestimmen bei § 26 StGB die Schlussfolgerung zu ziehen, dass es auch im Rahmen der versuchten Verbrechensanstiftung nach § 30 I StGB einer Einwirkung des Anstifters auf den präsumtiven Haupttäter bedarf, welche – gemäß der Kollusionstheorie426 – in einer zielgerichteten Aufforderung zur Begehung der Haupttat besteht. dd) Die Ernstlichkeit des Anstiftungsversuchs Bereits im Zusammenhang mit dem Problem des agent provocateur bei § 26 StGB427 wurde darauf hingewiesen, dass durchaus Konstellationen denkbar und auch praxisrelevant sind, in denen der hinsichtlich der Vollendung der Haupttat erforderliche Anstiftervorsatz fraglich sein kann. Insbesondere im Rahmen der versuchten Anstiftung stellt sich die Frage, ob die Annahme eines hinreichenden 420 So auch LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 24; MK-Joecks, § 30 Rn. 30, die hier von einem „Problem der Anstiftung“ sprechen; zudem auch Roxin, AT II, § 28 Rn. 20. 421 Vgl. dazu ausführlich unten C.V.3.a) und C.V.3.b). 422 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 14; MK-Joecks, § 30 Rn. 28; kritisch jedoch NK-Zaczyk, § 30 Rn. 13, der für den Anstiftungsversuch nach § 30 I StGB stets und unabhängig von den Anforderungen an eine hinreichende Bestimmungshandlung bei § 26 StGB ein „Einwirken auf einen (noch) Unentschlossenen“ fordert, welchem das objektive Risiko der Herbeiführung eines Tatentschlusses innewohne. 423 Vgl. dazu bereits oben C.V.2.a)bb). 424 Vgl. dazu oben C.I. 425 Vgl. oben C.V.2.a)bb)(5). 426 Vgl. dazu oben C.V.2.a)bb)(3). 427 Vgl. oben C.V.2.a)dd).
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Anstiftervorsatzes verlangt, dass der Anstifter seine Äußerung – d.h. das Bestimmen des Haupttäters zu dessen eigener Tat – auch ernst meinen muss oder ob dementgegen auch dann eine (versuchte) Anstiftung vorliegen kann, wenn der Anstifter seine Aufforderung nicht ernst meint, weil er die Realisierung der von ihm initiierten fremden Haupttat in Wirklichkeit nicht will. So überrascht es nicht, dass gerade die vielgestaltigen Kommunikationsmittel des Internets – je nach ihren spezifischen Eigenschaften – u. a. auch dazu Gelegenheit geben, (die eigene und andere) Personen, Sachverhalte, Ereignisse, Handlungen usw. durch entsprechende Äußerungen in einem bestimmten Licht, welches durchaus von der Realität abweichen kann, darzustellen und andere Nutzer zu täuschen428. Begünstigt wird dies durch bestimmte Faktoren, welche der Kommunikation im Internet zwar nicht ausschließlich zu eigen sind oder originär durch sie hervorgebracht wurden, bei ihr aber besonders häufig und z. T. auch in Kombination auftreten können. Insbesondere spielen hierbei die – je nach Kommunikationsmittel variierenden – Merkmale der personalen Anonymität (z. B. durch Auftreten unter einem Nickname in einem Chat, einem Forum oder beim Versenden einer E-Mail)429 und des Fehlens einer zwischengeschalteten Kontrollinstanz (wie z. B. einer Redaktion in einer Zeitung) eine Rolle430. Je nach dem gewählten Kommunikationsmittel und der gewünschten Art der Informationsvermittlung kommen die Aspekte der äußerst hohen Kommunikationsgeschwindigkeit, der Ansprache eines enorm großen bzw. zahlenmäßig nach oben offenen Adressatenkreises und der (häufig) dauerhaften und für den Urheber zumeist irreversiblen Verfügbarkeit der Informationen hinzu431. Dies alles bewirkt eine gewisse Neuartigkeit der Kommunikation im Vergleich zu den Möglichkeiten vor dem Entstehen von Internet und WWW. Unter kommunikationssoziologischer Betrachtungsweise wird diesbezüglich auch von einem „Simulationspotenzial“ gesprochen, welches sämtlichen (Selbst)Darstellungsprozessen im Virtuellen inhärent sei432. Übertragen auf die hier vorzunehmende strafrechtliche Analyse könnte dem Kriterium der Ernstlichkeit, welches regelmäßig im Rahmen der §§ 30433 und 428 Hierzu ausführlich Misoch, S. 115 ff., mit zwei realen Beispielen zum Phänomen der sog. „virtuellen Identitäten“ und dem damit einhergehenden „Simulationspotenzial“. 429 Vgl. diesbezüglich auch die Kritik an der Anonymität im Internet von Reiter, Deutschlandradio Kultur vom 17.05.2011 unter http://www.dradio.de/dkultur/sendun gen/politischesfeuilleton/1459261/ (zuletzt abgerufen am 10.08.2012). 430 Vgl. in diesem Zusammenhang auch B. Heinrich, FS Heinz 2012, S. 728 (728 f.). 431 Hierzu auch Pörksen, Deutschlandradio Kultur vom 30.05.2012 unter http:// www.dradio.de/dkultur/sendungen/politischesfeuilleton/1769368/ (zuletzt abgerufen am 10.08.2012). 432 Vgl. Misoch, S. 115 f. 433 Vgl. BGHSt 44, 99 (101 ff.); LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 20 ff., 63, 87, 92, 99; MK-Joecks, § 30 Rn. 32, 46 f., 50, 64 f.; Roxin, AT II, § 28 Rn. 15 ff., 47 ff.,
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
111 StGB434 thematisiert wird, daher insoweit eine Bedeutung zukommen, als dass es nicht nur als (bloße) Vermutung nahe liegt, sondern durchaus der Realität entspricht, davon auszugehen, dass nicht alle in den entsprechenden Internetkommunikationsmitteln abgegebenen Bestimmungsäußerungen (in den Fällen des § 30 I StGB) bzw. öffentlichen Aufforderungen (in den Fällen des § 111 StGB) auch wirklich so gemeint sind, also letztlich auf eine tatsächliche Begehung der präsumtiven Haupttat abzielen. Da die Frage nach der hinreichenden Ernstlichkeit einer (Bestimmungs)Äußerung also gerade im Hinblick auf die Verwendung von Internetkommunikationsmitteln von besonderer Relevanz scheint, ist zu klären, ob und zu welchen (besonderen) Konsequenzen es führt, wenn die getätigte Äußerung des Anstifters tatsächlich nicht ernst gemeint war. Weitgehend anerkannt ist inzwischen, dass die Frage, wie ernst gemeint der Täter des § 30 I StGB die Anstiftungsäußerung haben muss, ausschließlich eine solche seines Vorsatzes im Hinblick auf die präsumtive Haupttat und den Erfolg des Bestimmens, d.h. das Hervorrufen eines Tatentschlusses bei dem präsumtiven Haupttäter, sein kann435. Die Feststellung einer etwaigen darüber hinausgehenden bzw. außerhalb des regulären (zweifachen) Anstiftervorsatzes vorliegenden Ernstlichkeit ist indes nicht zu verlangen. Dies überzeugt schon allein deshalb, weil ansonsten – d.h. durch ein zusätzliches eigenständiges Merkmal der Ernstlichkeit – bei § 30 I StGB im Vergleich zu § 26 StGB erhöhte Anforderungen an den subjektiven Tatbestand – welcher jedoch regelmäßig bei Versuch und Vollendung derselbe ist – gestellt würden. Entsprechend dem Strafgrund der versuchten Anstiftung436, welcher darin besteht, dass der Anstifter in der Vorstellung handelt, durch die Bestimmungshandlung bereits eine Gefahr für das anzugreifende Rechtsgut zu begründen und zugleich die Möglichkeit der weiteren Einflussnahme bzw. der Erfolgsabwendung aus der Hand zu geben, kann es für die Annahme eines entsprechenden Anstiftervorsatzes allein entscheidend sein, dass der Adressat – nach Vorstellung des Anstifters437 – die Bestimmungsäußerung ernst nehmen, daraufhin einen entsprechenden Tatentschluss fassen und die Tat ausführen könnte438. Auf eine darüber 76, 78, 85 f.; Satzger/Schmitt/Widmaier-Murmann, § 30 Rn. 14, 19, 22, 24; Schönke/ Schröder-Heine, § 30 Rn. 26 ff.; Thalheimer, S. 29 f., 78 f., 89 ff. 434 Vgl. BGHSt 32, 310 (312 f.); NK-Paeffgen, § 111 Rn. 19; Satzger/Schmitt/Widmaier-Fahl, § 111 Rn. 2; Schönke/Schröder-Eser, § 111 Rn. 6. 435 Vgl. BGHSt 44, 99 (101 f.); LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 20; MKJoecks, § 30 Rn. 32; NK-Zaczyk, § 30 Rn. 17; Roxin, NStZ 1998, 616; Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 26; Thalheimer, S. 29. 436 Hierzu u. a. BGHSt 44, 99 (102 f.); Rengier, AT, § 47 Rn. 8; Roxin, AT II, § 28 Rn. 5, 8, 12; sowie bereits oben C.V.2.b)aa) in der Einführung zu § 30 StGB. 437 Hierzu eingehend Thalheimer, S. 29 f. 438 Während es weit überwiegend als ausreichend erachtet wird, dass der Anstifter billigend in Kauf nimmt, dass seine Äußerung als ernst gemeint angesehen werden und es daraufhin zur Tatentschlussfassung und Tatausführung kommen könnte, fordert eine
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hinausgehende innere Ernstlichkeit des Anstifters i. S. e. Willens zur Vollendung der angesonnenen Haupttat kann es hingegen nicht ankommen439. Folgerichtig muss daher davon ausgegangen werden, dass auch bei solchen Verbrechensanregungen ein hinreichender Anstiftervorsatz (in Form des dolus eventualis) gegeben ist, mit denen der Täter des § 30 I StGB eigentlich nur provozieren, an die Grenzen gehen, sich selbst in ein bestimmtes Licht setzen oder sich einen Scherz erlauben will, gleichzeitig aber deren Ernstnahme seitens des einen oder der mehreren Adressaten für möglich hält. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn es dem Anstifter primär „nur“ darauf ankommt, die Reizschwelle seines Gegenübers auszuloten bzw. zu probieren, wie weit er in seinen Äußerungen gehen kann. Gibt er mit diesem Ansinnen besonders glaubwürdig vor, die Realisierung des betreffenden Verbrechens (z. B. die Tötung eines Menschen) wirklich zu wollen und nimmt er dabei in Kauf, dass die Reizschwelle zur Tatentschlussfassung bei dem/den Adressaten überschritten werden könnte, liegt eine strafbare versuchte Verbrechensanstiftung vor. Diese Situation entspricht praktisch der Regelung des § 116 Satz 1 BGB, welcher die (zivilrechtliche) Unbeachtlichkeit eines geheimen Vorbehalts bei der Abgabe einer Willenserklärung (sog. „Mentalreservation“) normiert. Anderenfalls, d.h. wenn der (vermeintliche) Anstifter lediglich scherzhaft die Tötung eines Menschen anregt und er sich dabei sicher ist, dass seine Scherzerklärung auch als solche vom Adressaten verstanden – und daher nicht ernst genommen – wird, liegt eine dem § 118 BGB entsprechende Situation vor. Diese Norm regelt die (zivilrechtliche) Nichtigkeit einer nicht ernstlich gemeinten Willenserklärung, die in der Erwartung abgegeben wird, dass der Erklärungsempfänger den Mangel der Ernstlichkeit erkennen kann und wird. Unter diesen Umständen ist auch eine strafbare versuchte Verbrechensanstiftung nicht anzunehmen, da es an einem tatsächlichen Anstiftervorsatz mangelt. Dies gilt auch dann, wenn der (vermeintliche) Anstifter die Wirkung seiner nicht ernst gemeinten Äußerung unterschätzt und nicht erkennt, dass diese – entgegen seiner Erwartung – zu einer entsprechenden Tatentschlussfassung bei der angesprochenen Person führt440. Gleichgültig ist es bei alledem auch, welches Kommunikationswegs bzw. -mittels sich der sich Äußernde bedient. Da es für die Strafbarkeit im Rahmen der versuchten Anstiftung zu einem Verbrechen nicht auf das gewählte Kommunikationsmittel ankommt, kann auch das Kriterium der Ernstlichkeit keine besonderen Konsequenzen begründen, wenn für die Äußerung Kommunikationsmittel des Internets verwendet werden. Vielmehr kann hier die Schlussfolgerung gezogen werden, dass eine aus Sicht des Anstifandere Ansicht hierfür Absicht oder Wissentlichkeit. Vgl. zur überwiegenden Ansicht u. a. B. Heinrich, AT, Rn. 1366; Kühl, § 20 Rn. 251; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 20; Rengier, AT, § 47 Rn. 10; Roxin, AT II, § 28 Rn. 15; Thalheimer, S. 29 f.; sowie zur Gegenansicht NK-Zaczyk, § 30 Rn. 17. 439 Thalheimer, S. 29 f. 440 Thalheimer, S. 29 f.
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ters ernstliche Verbrechensanregung, welche (bereits) unter Nutzung der „herkömmlichen“ bzw. „traditionellen“ Kommunikationswege (z. B. in einem persönlichen Gespräch) einen strafbaren Anstiftungsversuch darstellt, erst recht bzw. umso mehr als ein solcher zu bewerten ist, wenn dabei auf diejenigen Kommunikationsmittel des Internets zurückgegriffen wird, die es dem Täter des § 30 I StGB ermöglichen, anonym zu bleiben. Wie durch kommunikationssoziologische Untersuchungen belegt441, führt eine weitgehende personale Anonymität bzw. das Auftreten unter einer Scheinidentität häufig auch zu einer Steigerung der Bereitschaft zur Abgabe unwahrer Angaben oder eben nur scheinbar ernst gemeinter Äußerungen442. Es ist darüber hinaus sogar vorstellbar, dass das Auftreten unter einer Scheinidentität im Internet ein solches Verhalten geradezu erforderlich macht, um die selbst gewählte Legende aufrecht zu erhalten. Nahe liegend ist daher davon auszugehen, dass es in der Praxis in einer Vielzahl von Fällen mit Bezug zur Kommunikation im Internet entscheidend auf den Aspekt der Ernstlichkeit ankommen wird. Erweist sich eine entsprechende Äußerung als geeignet, um den Adressaten zur Begehung eines Verbrechens anzuregen und kann der sich Äußernde nicht zugleich umfänglich sicherstellen, dass es zu einer entsprechenden Realisierung der avisierten Haupttat nicht kommen wird, liegt ein strafwürdiges Verhalten vor, dem entgegenzuwirken ist. Demnach kann – entsprechend der mittlerweile umfassend etablierten Ansicht443 – in dem Kriterium der Ernstlichkeit keine Erweiterung des subjektiven Tatbestands bzw. ein besonderes Merkmal des § 30 I StGB gesehen werden, so dass es bei dem Ergebnis bleibt, dass der Anstifter es lediglich für möglich halten muss, dass seine Äußerung ernst genommen und ein anderer dadurch zur Tatbegehung motiviert werden könnte. ee) Der Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens zur Bestimmungshandlung Für die Realisierung einer versuchten Anstiftung zu einem Verbrechen ist es in jedem Fall erforderlich, dass der Anstifter zu deren Ausführung unmittelbar ansetzt444. Im Rahmen des § 30 I StGB bezieht sich das unmittelbare Ansetzen dabei auf die Vornahme der Bestimmung eines anderen zu dessen eigenem, vorsätzlich und rechtswidrig begangenen Verbrechen. Der Begriff des „Bestimmens“ entspricht dabei regelmäßig dem des § 26 StGB445. 441
Vgl. Misoch, S. 115 ff. Zur Begünstigung drastischer Äußerung im Internet durch anonymes Auftreten auch Reiter, Deutschlandradio Kultur vom 17.05.2011 unter http://www.dradio.de/dkul tur/sendungen/politischesfeuilleton/1459261/ (zuletzt abgerufen am 10.08.2012). 443 Vgl. u. a. BGHSt 44, 99 (102); Roxin, AT II, § 28 Rn. 17; Wessels/Beulke, Rn. 563. 444 Fischer, § 30 Rn. 9a. 445 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 14; MK-Joecks, § 30 Rn. 35; Schönke/ Schröder-Heine, § 30 Rn. 18. 442
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Konkret stellt sich die Frage, wann genau der Täter des § 30 I StGB zum Versuch der Anstiftung unmittelbar angesetzt hat446. Hierzu zeichnen sich zwei entgegengesetzte Ansichten ab. Während es einerseits für ausreichend gehalten wird, dass der Täter des § 30 I StGB die zur Hervorrufung eines fremden Tatentschlusses geeignete Äußerung abgibt und damit die eigene Einwirkungsmöglichkeit auf den weiteren Geschehensablauf aus der Hand gibt447, verlangen andere, dass die Äußerung dem Adressaten entweder tatsächlich zugegangen sein448, von diesem zudem verständig zur Kenntnis genommen worden449 oder sogar zu dessen Tatenschluss geführt haben muss450. Dieser Streit entfaltet also vor allem dann Bedeutung, wenn die Abgabe und der Zugang einer zur Bestimmung geeigneten Äußerung nicht zeitgleich stattfinden, sondern verschiedenen Zeitpunkten – beispielsweise dem der Aufgabe und dem der Zustellung bei der Versendung eines Briefs – zuzuschreiben sind. Grundsätzlich fallen auch bei der Kommunikation im und über das Internet Abgabe und Zugang einer Nachricht auseinander. Dies ergibt sich bereits aus der technischen Funktionsweise der Internetkommunikation, wonach die abgesendeten Informationen in einzelne Datenpakete aufgeteilt werden, auf dem Weg zum Empfänger verschiedene „Schaltstellen“ passieren und am Ende beim Empfänger wieder zu einer einheitlichen Nachricht zusammengesetzt werden451. Allerdings scheint diese rein technisch bedingte Trennung der Zeitpunkte zwischen Abgabe und Zugang vernachlässigbar, da hier in der Regel eine so extrem kurze Zeitspanne vergeht, dass unter lebensnaher Betrachtung kaum noch von einem (zeitlichen) Auseinanderfallen von Abgabe und tatsächlichem Zugang gesprochen werden kann. Wird z. B. eine E-Mail versendet, so erfolgt die Zustellung an den Mail-Account des Empfängers normalerweise binnen weniger Sekunden. Ebenso verhält es sich, wenn Beiträge ohne zwischengeschaltete Prüfung durch einen Moderator/Administrator in einem Chat, einem Blog, einem Forum etc. gepostet
446 Ausführlich zu diesem Problem u. a. Fischer, § 30 Rn. 9a; Hinderer, JuS 2011, 1072 (1073 f.); Kühl, § 20 Rn. 247; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 15 ff.; MKJoecks, § 30 Rn. 35 ff.; Roxin, AT II, § 28 Rn. 11 ff.; Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 19. 447 So BGHSt 8, 261 (262 – zu § 49a I StGB a. F.); BGHSt 31, 10 (11); Fischer, § 30 Rn. 9a; Hinderer, JuS 2011, 1072 (1074); Kühl, § 20 Rn. 249; Lackner/Kühl, § 30 Rn. 4; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 17 f.; MK-Joecks, § 30 Rn. 37 f.; Rengier, AT, § 47 Rn. 21 f.; Roxin, AT II, § 28 Rn. 12 f.; Satzger/Schmitt/Widmaier-Murmann, § 30 Rn. 17 f.; Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 19; SK-Hoyer, § 30 Rn. 31 f.; Thalheimer, S. 39 ff. 448 So Jescheck/Weigend, § 65 II 1; Schröder, JuS 1967, 289 (291 – zu § 49a I StGB a. F.). 449 So Jakobs, 27/4. 450 So NK-Zaczyk, § 30 Rn. 12. 451 Vgl. ausführlich zur Funktionsweise der Kommunikation bzw. Datenübermittlung im Internet bereits oben B.I.2.
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werden können und der Bereitsteller dabei nach dem Posten im Hinblick auf die Wahrnehmung seines Beitrags durch andere keinen Einfluss mehr nehmen kann (z. B. durch Beseitigung in Form der Löschung). Auch hier gelangt der Beitrag regelmäßig schon in Sekundenbruchteilen nach dem Absenden in den Bereich (z. B. in den Chatroom oder auf die WWW-Seite des Blogs) der möglichen Kenntnisnahme der (potenziellen) Adressaten, vorausgesetzt, dass die Möglichkeit des Zugangs nicht bereits an objektiven Ursachen scheitert (beispielsweise, wenn der Versender einer E-Mail sich vertippt und dadurch eine fehlerhafte Empfängeradresse eingibt). Bedeutung kann der Streit um das unmittelbare Ansetzen bei § 30 I StGB im Hinblick auf die Kommunikationsmöglichkeiten des Internets aber dennoch erlangen. Einerseits stellt sich auch bei der Annahme von quasi-zeitlichem Zusammenfallen von Abgabe und Zugang einer Äußerung im Internet die Frage, ob allein der tatsächliche Zugang (z. B. die E-Mail die zwar in den Mail-Account gelangt, aber vom Empfänger noch nicht abgerufen bzw. geöffnet worden ist) bereits zu einem unmittelbaren Ansetzen führt oder ob dies erst mit der Kenntnisnahme (also z. B. dem Öffnen bzw. Abrufen der E-Mail) durch den Empfänger der Fall ist. Die Differenzierung zwischen den Zeitpunkten des tatsächlichen Zugangs und der Kenntnisnahme einer Äußerung bleibt damit auch für internetbezogene Sachverhalte relevant. Zum anderen ist es aber ebenso denkbar, dass eine Äußerung auch noch nach ihrer Abgabe und vor der Kenntnisnahme durch andere der Kontrolle des Anstifters unterliegt. So kann man sich beispielsweise eine Situation vorstellen, in der eine entsprechende Anstiftungsäußerung auf der eigenen Profilseite in einem sozialen Netzwerk (zu der allein die überschaubare Anzahl von fünf weiteren Netzwerkmitgliedern Zugang hat) gepostet wird, dann aber noch vor der Wahrnehmung durch einen dieser (fünf) Zugangsberechtigten vom Inhaber der Profilseite wieder gelöscht wird bzw. gelöscht werden kann. Fraglich bzw. je nach Ansicht unterschiedlich zu bewerten ist hier also, ob bereits durch das Posten auf der eigenen Profilseite ein unmittelbares Ansetzen zur Anstiftung vorliegt und daneben lediglich noch eine Rücktrittsmöglichkeit nach § 31 I Nr. 1 StGB (in Form der Löschungsoption der betreffenden Äußerung) in Betracht kommt oder ob noch gar nicht zur Anstiftung angesetzt wurde (weil hierfür die eine bloße Abgabe der Äußerung darstellende Veröffentlichung auf der eigenen Profilseite als nicht ausreichend erachtet wird). Weiterhin kann es in entsprechenden Kommunikationsmitteln des Internets auch dann zu einem deutlich wahrnehmbaren Auseinanderfallen von Abgabe und Zugang i. S. e. zeitlichen Zäsur kommen, wenn die entsprechende Äußerung nicht direkt, sondern erst nach einer inhaltlichen Prüfung zur Veröffentlichung (z. B. auf einer Website) bzw. dem Zugang bei den Adressaten gelangen kann. Eine solche Praxis findet zuweilen in moderierten Foren statt, bei denen ein Diskussionsbeitrag nicht sofort nach dem Absenden für die anderen Teilnehmer sichtbar
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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erscheint, sondern eben erst nach inhaltlicher Prüfung durch einen Moderator/ Administrator freigegeben oder gegebenenfalls auch verworfen wird. Besteht in einem solchen Fall die Mitteilung aus einer geeigneten Bestimmung zur Begehung eines Verbrechens, kann sich durchaus die Frage stellen, ob bereits in dem Absenden derselben ein unmittelbares Ansetzen zur versuchten Anstiftung (z. B. der avisierten Forenteilnehmer) gesehen werden kann, wenn dem Versender der „Umweg“ über den zwischengeschalteten Moderator nicht bewusst ist, er also von einem direkten Zugang ausgeht. Weiterhin stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob der Versender dann jedenfalls zu einer versuchten Anstiftung des Moderators angesetzt hat, wenn ihm bewusst ist, dass ein solcher zwischengeschaltet ist und die betreffende Äußerung folglich zumindest von diesem inhaltlich wahrgenommen werden wird. Schließlich kann der Streit auch im Hinblick auf Konstellationen des untauglichen Versuchs bedeutsam werden. Wird beispielsweise eine E-Mail, welche die Anstiftungsäußerung zu einem Verbrechen enthält, vom Versender irrtümlich mit einer fehlerhaften E-Mail-Adresse versehen, so kann diese dem avisierten Empfänger objektiv nicht zugestellt werden. Ob in dem Absenden einer fehlerhaft adressierten E-Mail ohne objektive Zustellungsmöglichkeit bereits ein untauglicher Versuch der Verbrechensanstiftung zu sehen ist, ist wiederum davon abhängig, ob allein schon das Absenden oder erst der Zugang – gegebenenfalls sogar i.V. m. der Kenntnisnahme durch den Empfänger – den Versuchsbeginn darstellt. Die Frage, ab wann ein unmittelbares Ansetzen zu einer versuchten Verbrechensanstiftung vorliegt, erweist sich nach dem vorstehend Gesagten also durchaus auch für Internetsachverhalte von Bedeutung und bedarf daher der Klärung. Diejenigen, die (mindestens) den Zugang der Bestimmungsäußerung beim Adressaten verlangen, führen vor allem das Argument ins Feld, dass der für die Strafwürdigkeit erforderliche Gefährlichkeitsgrad jedenfalls dann nicht erreicht sei, wenn der Anzustiftende noch keine Möglichkeit der Kenntnisnahme hatte452. Die bloße Abgabe der Bestimmungsäußerung allein sei noch so weit von der eigentlichen Deliktsausführung entfernt, dass deren Bestrafung unangemessen wäre453. Da also nicht nur die Entäußerung, sondern auch der Zugang der Erklärung zu verlangen sei, dürfe der Begriff des „Versuchs“ hier – d.h. in § 30 I StGB – nicht genauso wie in § 22 StGB verstanden werden454. Vielmehr müsse im Rahmen der Anstiftung zu einem Verbrechen neben dem unmittelbaren Ansetzen i. S. v. § 22 StGB stets auch ein Teilerfolg eintreten455. Eine derart enge 452 453 454
So Jescheck/Weigend, § 65 II 1; NK-Zaczyk, § 30 Rn. 12. Vgl. Schröder, JuS 1967, 289 (291 – zu § 49a I StGB a. F.). Vgl. NK-Zaczyk, § 30 Rn. 12; Schröder, JuS 1967, 289 (290 f. – zu § 49a I StGB
a. F.). 455 Hinsichtlich dieses Teilerfolgs wird jedoch von verschiedenen Anforderungen ausgegangen, vgl. Jakobs, 27/4 (verständige Kenntnisnahme durch den Adressaten);
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
bzw. restriktive Interpretation der versuchten Anstiftung sei schließlich aus kriminalpolitischen Gründen geboten456. Das bloße auf den Weg Bringen der Bestimmungsäußerung kann nach dieser Ansicht also selbst dann noch keine Anstifterstrafbarkeit begründen, wenn der sich Äußernde damit sämtliche weiteren Einflussnahmemöglichkeiten aus der Hand gibt. So käme beispielsweise eine Anstifterstrafbarkeit des A, der an B eine hinreichend konkretisierte Aufforderung zum Mord per E-Mail versand hat, erst bzw. frühestens dann in Betracht, wenn die Nachricht auch in den Mail-Account des B gelangt ist. Geschieht dies aufgrund eines Serverausfalls z. B. erst drei Tage nach dem Absenden der E-Mail, so wäre A auch erst ab diesem Zeitpunkt wegen versuchter Anstiftung zum Mord zu belangen. Sogar straflos müsste A ausgehen, wenn seine Nachricht beispielsweise aufgrund verschiedener in ihr verwendeter Signalwörter von dem E-Mail-Anbieter des B mittels eines sog. „Spam-Filters“ herausgefiltert und gegebenenfalls an A zurückgesandt wird, noch bevor sie den Mail-Account des B erreichen konnte. Die gegenläufige Ansicht lässt es für die Bejahung eines Anstiftungsversuchs bereits ausreichen, dass der Anstifter eine hinreichend geeignete Aufforderung zur Verbrechensbegehung in Richtung des Adressaten entäußert hat457. Sobald der Anstifter sich der Einflussnahmemöglichkeiten auf den weiteren Geschehensverlauf begeben habe, liege der Strafgrund des § 30 I StGB vor458. Dies sei bei einer mündlichen Aufforderung anzunehmen, wenn der Anstifter das zu begehende Verbrechen so weit beschrieben hat, „[. . .] dass der andere es – und zwar ohne notwendige Hilfestellung des Anstifters – begehen könnte, wenn er es wollte [. . .]“ 459. Bei einer hinreichend konkretisierten schriftlichen Aufforderung sei dies der Moment, in dem selbige auf den Weg gebracht wird (z. B. das Versenden einer E-Mail, ohne dass diese bei dem Empfänger eingegangen sein muss460 oder das Einwerfen des Briefs in den Postbriefkasten461)462. Im Fall der schriftlichen Aufforderung liege mit der Entäußerungshandlung zudem stets sofort ein beendeter Versuch vor, da der Anstifter hier alles seiner Ansicht nach NK-Zaczyk, § 30 Rn. 12 (Tatentschlussfassung des Adressaten); Schröder, JuS 1967, 289 (291 – zu § 49a I StGB a. F., Zugang und Möglichkeit der Kenntnisnahme). 456 So Schröder, JuS 1967, 289 (291 – zu § 49a I StGB a. F.). 457 Vgl. BGHSt 8, 261 (262 – zu § 49a I StGB a. F.); BGHSt 31, 10 (11); Fischer, § 30 Rn. 9a; Kühl, § 20 Rn. 249; Lackner/Kühl, § 30 Rn. 4; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 17 f.; MK-Joecks, § 30 Rn. 37 f.; Rengier, AT, § 47 Rn. 21 f.; Roxin, AT II, § 28 Rn. 12 f.; Satzger/Schmitt/Widmaier-Murmann, § 30 Rn. 17 f.; Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 19; SK-Hoyer, § 30 Rn. 31 f.; Thalheimer, S. 39 ff. 458 So Satzger/Schmitt/Widmaier-Murmann, § 30 Rn. 17. 459 Kühl, § 20 Rn. 249; außerdem auch Fischer, § 30 Rn. 9a; Roxin, AT II, § 28 Rn. 13. 460 Thalheimer, S. 38. 461 Hinderer, JuS 2011, 1072 (1073 f.). 462 Vgl. Roxin, AT II, § 28 Rn. 12 f.; Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 19.
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Erforderliche getan hat, um den Adressaten zu einer entsprechenden Tatentschlussfindung zu veranlassen463. Der Forderung eines Zugangs der Äußerung als strafbarkeitsbegründendes Moment wird entgegengehalten, dass ein solcher Teilerfolg nicht mit der Versuchslehre nach § 22 StGB – welcher grundsätzlich auch die versuchte Anstiftung zum Verbrechen nach § 30 I StGB unterfalle – vereinbart werden könne und vielmehr an den allgemeinen Versuchsgrundsätzen festzuhalten sei464. Insbesondere vermöge es die strafbarkeitseinschränkende Gegenansicht weder unter Wortlautaspekten noch unter teleologischen oder historischen Gesichtspunkten hinreichend zu begründen, warum eine Abweichung von dem Verständnis des unmittelbaren Ansetzens i. S. v. § 22 StGB geboten sei465. Schließlich sprächen auch kriminalpolitische Gründe dagegen, es für den Beginn des Anstiftungsversuchs auf den Zugang der Erklärung beim Adressaten ankommen zu lassen, denn ansonsten wäre der Anstifter stets straflos, wenn dessen Aufforderung vor dem Zugang, also auf dem Weg zum Empfänger, abhanden kommt, beispielsweise weil sie beschlagnahmt wird466. Um den Anstifter überführen zu können, müsste man die entsprechende Bestimmungsäußerung also immer erst in den Machtbereich des Empfängers gelangen lassen, was jedoch mit einer unvertretbaren Erhöhung des Risikos der Begehung der Haupttat verbunden wäre467. Tatsächlich ist zunächst festzustellen, dass der Wortlaut des § 30 I 1 StGB keinerlei Anzeichen dafür bietet, neben dem unmittelbaren Ansetzen zum Bestimmen eines anderen zusätzlich auch einen Teilerfolg, der mindestens in dem Zugang der Erklärung bestehen müsste, zu fordern. Vielmehr spricht der letzte Halbsatz des § 30 I 1 StGB, welcher lautet: „[. . .] wird nach den Vorschriften über den Versuch des Verbrechens bestraft.“, eindeutig gegen eine Abweichung von den allgemeinen Versuchsgrundsätzen. Wenden die Vertreter der strafbarkeitsbeschränkenden Ansicht dennoch ein, dass eine abweichende Handhabung des Anstiftungsversuchs aufgrund der mit ihm verbundenen Strafbarkeitsvorverlagerung erforderlich sei, so kann entgegnet werden, dass diesem Umstand bereits durch die in § 30 I 2 StGB vorgesehene obligatorische Strafmilderung hinreichend Rechnung getragen wird468. Kommt es daher nach dem Wortlaut des § 30 I 1 StGB für den Beginn des Anstiftungsversuchs allein auf das unmittelbare Ansetzen i. S. v. § 22 StGB an, so muss eine Handlung vorliegen, die aufgrund des Täterplans objektiv geeignet erscheint, ohne weitere wesentliche Zwischenakte unmittelbar zur Tatbestandsver463 464 465 466 467 468
Vgl. LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 17; Roxin, AT II, § 28 Rn. 13. Vgl. Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 19. Vgl. Roxin, AT II, § 28 Rn. 12; Thalheimer, S. 39 f. So Thalheimer, S. 40. Vgl. LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 17; Roxin, AT II, § 28 Rn. 12. So auch LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 4.
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
wirklichung und damit zur Rechtsgutsbeeinträchtigung zu führen469. Dies ist wiederum dann der Fall, wenn der Anstifter eine hinreichend konkretisierte Bestimmungsäußerung in Richtung des Adressaten entäußert und sich damit zugleich weiterer Einflussnahmemöglichkeiten begibt. Hat der Anstifter diesen Entäußerungsakt – z. B. das Versenden einer E-Mail, das Posten eines Beitrags auf der nur wenigen, zahlenmäßig überschaubaren Netzwerkfreunden zugänglichen Profilseite eines anderen Netzwerkmitglieds oder auch das Abschicken eines Briefs – vorgenommen, so werden aus seiner Sicht keine weiteren, der Ausführung noch bedürftigen Zwischenschritte mehr bestehen470. Dies gilt beispielsweise auch dann, wenn die Anstiftung zum Verbrechen mittels einer E-Mail erfolgen soll, diese dann aber noch vor dem Erreichen des Mail-Accounts des Adressaten von dem E-Mail-Diensteanbieter herausgefiltert und an den Versender zurückgeschickt wird, denn nach der Vorstellung des Versenders sollte bereits in dem Absenden der E-Mail die finale Anstifterhandlung liegen, ohne dass seinerseits noch weitere wesentliche Zwischenakte hätten erfolgen müssen. Folglich handelt es sich in diesem Fall um einen fehlgeschlagenen Anstiftungsversuch. Als untauglicher Versuch ist dagegen der Fall zu bewerten, in dem eine E-Mail aufgrund einer fehlerhaften Empfängeradresse nicht zugestellt werden kann. Das bereits aus der Wortlautbetrachtung des § 30 I 1 StGB resultierende Ergebnis, nämlich dass es für den Beginn des Anstiftungsversuchs nicht auf einen Zugang der Aufforderung beim Adressaten, sondern allein auf deren Entäußerung ankommen kann, steht zudem auch im Einklang mit dem Sinn und Zweck der Norm. Ist die Strafwürdigkeit der versuchten Anstiftung zu einem Verbrechen nämlich darin zu sehen, dass eine Gefahr für die jeweils in Betracht kommenden Rechtsgüter dadurch geschaffen wird, dass der Anstifter den weiteren Geschehensablauf aus der Hand gibt und sich damit seiner Einflussnahmemöglichkeiten begibt471, so ist dies regelmäßig schon dann erfüllt, wenn er eine hinreichend konkretisierte Aufforderung aus dem eigenen Machtbereich entlassen und damit zugleich die Kontrolle über den weiteren Geschehensablauf aufgegeben hat472. Mit einer solchen Handlung wird der Anstifter regelmäßig alles aus seiner Sicht Erforderliche getan haben, um eine Tatentschlussfassung auf Seiten des Adressaten herbeizuführen. Daher überzeugt es, bereits in diesem Zeitpunkt mit der Strafbarkeit wegen versuchter Anstiftung anzusetzen und es nicht auf einen Zugang der Äußerung beim Adressaten ankommen zu lassen. Vielmehr erscheint es demgegenüber unbillig, die Strafbarkeit des Anstifters durch das Erfordernis des Zugangs der Erklärung von einem Ereignis abhängig zu machen, dessen Eintritt
469 Schönke/Schröder-Eser, § 22 Rn. 39; zu dieser und zu weiteren Definitionen des „unmittelbaren Ansetzens“ i. S. v. § 22 StGB auch B. Heinrich, AT, Rn. 728. 470 Ähnlich auch Thalheimer, S. 39. 471 Vgl. Roxin, AT II, § 28 Rn. 5. 472 Ebenso Kühl, § 20 Rn. 249.
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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oder Ausbleiben dem Zufall überlassen sein kann und nichts an dem verwirklichten Handlungsunrecht und an der Strafwürdigkeit des Anstifterverhaltens ändert, wie das bereits zuvor angesprochene Beispiel der herausgefilterten und an den Absender zurückgeschickten E-Mail zeigt. Schließlich käme es auch zu Ungereimtheiten im Hinblick auf die Versuchsdogmatik, wenn hinsichtlich des Versuchsbeginns bei § 30 I StGB ein über das unmittelbare Ansetzen hinausgehender Teilerfolg in Form des Zugangs der Erklärung verlangt würde. Vielmehr ist eine solche Abweichung von den allgemeinen Versuchsgrundsätzen aus den hier aufgezeigten Gründen nicht geboten. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass der Anstiftungsversuch regelmäßig dann beginnt, wenn der Anstifter alles aus seiner Sicht Erforderliche getan hat, um einen Tatentschlusses bei dem Adressaten hervorzurufen. Dies ist wiederum dann der Fall, wenn der Anstifter die Aufforderung derart gegenüber dem Adressaten entäußert hat, dass seinerseits keine Möglichkeit der weiteren Einflussnahme mehr besteht. Über das unmittelbare Ansetzen i. S. v. § 22 StGB hinausgehender Anforderungen bedarf es indes nicht. Zuletzt soll im Hinblick auf den Beginn des Bestimmungsversuchs nach § 30 I StGB noch darauf hingewiesen werden, dass ein solcher – unabhängig davon, ob man bereits die Abgabe der Äußerung seitens des Anstifters (weiteste Ansicht) oder erst deren Zugang in Verbindung mit einer Tatentschlussbildung auf Seiten des Adressaten genügen lässt (engste Ansicht) – fraglich sein kann, wenn der (vermeintliche) Anstifter den weiteren Geschehensablauf dadurch gerade noch nicht aus der Hand gibt, dass er die Ausführung der Haupttat durch den präsumtiven Haupttäter unter eine Bedingung oder einen Vorbehalt stellt und sich dadurch noch Steuerungs- bzw. Einflussnahmemöglichkeiten behält. So lag der Fall beispielsweise in der Entscheidung BGHSt 50, 142. Hier hatte der wegen versuchter Anstiftung zum Mord (§§ 212, 211, 30 I StGB) Angeklagte auf den präsumtiven Haupttäter eingewirkt, indem er ihn durch das Versprechen einer Geldzahlung sowie einer sofort geleisteten Anzahlung zur Tötung des neuen Lebensgefährten seiner Ehefrau zu motivieren versuchte. Zudem lieferte er diesem sukzessive auch entscheidende Informationen (z. B. über den aktuellen Wohnort und die seinerzeitigen Lebensumstände des Opfers) und machte Vorschläge für die Tatausführung (u. a. die Benutzung einer Schusswaffe mit Schalldämpfer). Allerdings behielt sich der Angeklagte vor, das finale Ob der Tatausführung selbst zu bestimmen, indem er dem präsumtiven Haupttäter ein Zeichen geben wollte, „wenn die Sache anstehe“ 473. Die von dem Angeklagten gegenüber dem präsumtiven Haupttäter gesetzte Bedingung der Freigabe der Tatausführung wurde im Hinblick auf das Bestimmen jedoch unterschiedlich bewertet. Der BGH ging hierbei von einem hinreichenden 473
Zum Sachverhalt BGHSt 50, 142 (143 f.).
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
Bestimmungsversuch gemäß § 30 I StGB aus, weil nach irriger Vorstellung des Angeklagten bereits ein entsprechender Tatentschluss auf Seiten des Angesprochenen hervorgerufen worden war474. In der Bedingung des Angeklagten, die Entscheidungsmacht über das Ob des avisierten Mordes bis zuletzt zu behalten, sah das Gericht lediglich eine vorläufige Zurückstellung der Tatausführung nach dem es von einem bereits erfolgten Bestimmen ausging475. Diese Auffassung stieß jedoch auf Kritik476. Konkret wurde der Ansicht des BGH entgegengehalten, dass der für ein Bestimmen erforderliche Einflussverlust im vorliegenden Fall bei dem Angeklagten noch nicht eingetreten wäre477. Vielmehr stünde die von ihm gesetzte Bedingung der Annahme eines hinreichenden Bestimmungsversuchs i. S. v. § 30 I StGB entgegen, denn hierdurch habe der Angeklagte einer eigenmächtigen Begehung durch den präsumtiven Haupttäter „einen Riegel vorgeschoben“, wobei er auch davon ausgehen konnte, dass jener nicht ohne das erforderliche „Startzeichen“ handeln würde478. Dass der Strafgrund des § 30 I StGB insbesondere darin liegt, derjenigen Gefahr zu begegnen, welche aus dem Ingangsetzen eines selbstständig und unbeherrschbar weiterwirkenden Kausalverlaufs resultiert479, wurde auch von der Rechtsprechung bestätigt480. Im vorliegenden Fall scheint der BGH dies allerdings verkannt zu haben. Zumindest erfolgte in der Urteilsbegründung keine hinreichende Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Angeklagte denn tatsächlich schon den weiteren Geschehensablauf soweit aus der Hand gegeben hatte, dass ihm eine weitere Einflussnahme auf die zukünftige Tat nicht mehr möglich war. Gleichwohl ergibt sich aus der Urteilsbegründung, dass auch das Gericht hier von einer weiteren Einflussnahmemöglichkeit des Angeklagten ausging, da es diesem jedenfalls zubilligte, die Ausführung der Tat „vorläufig zurückgestellt“ zu haben481. Insofern steht diese Entscheidung im Widerspruch zum Strafgrund des § 30 I StGB. Die Kritik an dem vorliegenden Urteil, wonach der Tatbestand des § 30 I StGB hier mangels eines hinreichenden Bestimmungsversuchs nicht erfüllt worden war482, ist somit überzeugend und berechtigt. Verallgemeinern lässt sich dieses Ergebnis dahingehend, dass ein für eine versuchte Anstiftung zum Verbrechen hinreichendes Bestimmen solange nicht bejaht werden kann, solange der (vermeintliche) Anstifter die Tatausführung noch selbst beeinflussen oder so474
BGHSt 50, 142 (145 f.). BGHSt 50, 142 (145). 476 Vgl. dazu Kühl, NStZ 2006, 94 (95). 477 Kühl, NStZ 2006, 94 (95). 478 Kühl, NStZ 2006, 94 (95). 479 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 3. 480 Vgl. BGH NStZ 1998, 347 (348) mit Anmerkung von Kretschmer, NStZ 1998, 401; BGHSt 44, 99 (102 f.). 481 BGHSt 50, 142 (145). 482 Vgl. Kühl, NStZ 2006, 94 (95). 475
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gar maßgeblich steuern kann. Hat dieser das weitere Tatgeschehen noch nicht vollständig aus der Hand gegeben bzw. sich weitere Einflussnahmemöglichkeiten vorbehalten, mangelt es an der für § 30 I StGB erforderlichen Gefahr483. c) Die Bereitschaftserklärung zur Begehung eines Verbrechens (§ 30 II Alt. 1 StGB) aa) Überblick über § 30 II Alt. 1 StGB Wie schon der erste, so setzt auch der zweite Absatz des § 30 StGB ein Verbrechen als präsumtive Tat hinsichtlich aller drei seiner Handlungsalternativen voraus. Auch deren Strafbarkeit erweist sich jeweils gegenüber dem Versuch oder der Vollendung des avisierten Verbrechens als subsidiär484. Die Erklärung der Bereitschaft zur Begehung des jeweiligen Verbrechens stellt dabei die erste der in § 30 II StGB benannten Alternativen dar485. Eine strafbare Bereitschaftserklärung nach § 30 II Alt. 1 StGB definiert sich als ernsthafte Kundgabe der Bereitschaft gegenüber einem anderen, ein Verbrechen zu begehen oder zu einem solchen anzustiften486. Dies kann grundsätzlich auf zwei unterschiedliche Weisen erfolgen. Zunächst kann der Täter des § 30 II Alt. 1 StGB seine Bereitschaft erklären und damit auf eine vorangegangene Aufforderung zur Begehung des eines Verbrechens reagieren487. Darüber hinaus kann der Erklärende jedoch auch seinerseits den ersten Schritt machen und von sich aus die Begehung eines Verbrechens anbieten488. In beiden Fällen kommt es dabei auf die innere Ernstlichkeit der Äußerung – d.h. den tatsächlichen (mindestens bedingten) Vorsatz des sich Bereiterklärenden zur Realisierung des avisierten Verbrechens – an489. Im Unterschied zur versuchten Anstiftung490 kann es hier für die Beurteilung der Ernstlichkeit allerdings 483
Vgl. diesbezüglich auch BGHR StGB § 30 Beteiligung 1. Roxin, AT II, § 28 Rn. 69 f., 81, 87. 485 Zur Bereitschaftserklärung zur Begehung eines Verbrechens u. a. Dessecker, JA 2005, 549 (552); LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 86 ff.; MK-Joecks, § 30 Rn. 43 ff.; NK-Zaczyk, § 30 Rn. 33 ff.; Rengier, AT, § 47 Rn. 30 ff.; Roxin, AT II, § 28 Rn. 74 ff. 486 BGHSt 6, 346 (zu § 49a StGB a. F.); BGHSt 53, 174 (177 f.); B. Heinrich, AT, Rn. 1369; Otto, AT, § 22 Rn. 87; Wessels/Beulke, Rn. 564. 487 Der Fall einer solchen reaktiven Bereitschaftserklärung wird auch als „Annahme einer Anstiftung“ bezeichnet, vgl. Dessecker, JA 2005, 549 (552); LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 86. 488 Der Fall einer solchen initiativen Bereitschaftserklärung wird auch als „Sich-Erbieten“ bezeichnet, vgl. Dessecker, JA 2005, 549 (552); LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 86. 489 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 87, 92; MK-Joecks, § 30 Rn. 46; Roxin, AT II, § 28 Rn. 76, 78; Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 27; Thalheimer, S. 78 f. 490 Vgl. zur Ernstlichkeit bei § 30 I StGB oben C.V.2.b)dd). 484
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
nicht allein von maßgeblicher Bedeutung sein, ob der jeweilige Empfänger der Äußerung diese – aus der Sicht des sich Bereiterklärenden – auch ernst nehmen bzw. als ernst gemeint verstehen könnte. Entscheidend muss es vielmehr darauf ankommen, ob der sich Bereiterklärende seine Erklärung auch tatsächlich ernst meint und die Realisierung des präsumtiven Verbrechens durch seine eigene Person zumindest für möglich hält bzw. „[. . .] in Kauf nimmt, dass er sich doch noch zur Tatverwirklichung umentscheidet [. . .]“ 491. Für die Beurteilung der Ernstlichkeit kann es hier schon deshalb nicht auf die Vorstellung des sich Bereiterklärenden vom Horizont des Erklärungsempfängers ankommen, weil der Erklärungsempfänger in einer Konstellation des § 30 II Alt. 1 StGB für die konkrete Realisierung der angedachten Haupttat allenfalls eine sehr untergeordnete Rolle spielt. Mit anderen Worten: Durch eine Bereitschaftserklärung kann es – anders als bei dem Bestimmen eines anderen zu dessen eigener Straftat – nicht zu einer faktischen Aufgabe der eigenen Steuerungsmöglichkeiten kommen, denn regelmäßig handelt es sich bei dem Urheber der Äußerung und dem präsumtiven Täter bei der Bereitschaftserklärung nach § 30 II Alt. 1 StGB um ein und dieselbe Person. Die Rechtsgutsgefährdung ergibt sich in diesen Konstellationen folglich gerade nicht daraus, dass der sich Bereiterklärende mittels seiner Äußerung die Kontrolle über den weiteren Verlauf aus der Hand gibt492, sondern vielmehr aus der dabei regelmäßig zu erwartenden psychischen Bindungswirkung bezüglich der Realisierung des avisierten Verbrechens493. Eine solche Bindungswirkung kann aber denklogisch nur dann eintreten, wenn tatsächlich auch subjektiv die Bereitschaft bzw. die innere Ernstlichkeit i. S. e. (mindestens bedingten) Vorsatzes zur Tatbegehung besteht494. Im Hinblick auf die Praxis der Kommunikation im Internet erscheint die Annahme eines entsprechenden Bindungswillens des sich Bereiterklärenden jedenfalls dann problematisch, wenn dieser seine Erklärung unter vollständiger Wahrung der Anonymität abgibt. Insbesondere können hierfür Kommunikationsplattformen (z. B. Chats und Foren) in Betracht kommen, wenn diese breitenwirksam – d.h. für eine Vielzahl von Nutzern und massenkommunikativ – angelegt sind und die Angabe zur persönlichen Identifikation geeigneter Merkmale nicht verlangen. Die Nutzung einer Kommunikationsplattform i. S. e. allgemeinen, nicht personengebundenen bzw. neutralen Kommunikationsraums ermöglicht es dem Einzelnen in der Regel eher, die Anonymität zu wahren, als es bei einem Individualkommunikationsmittel (z. B. der herkömmlichen E-Mail) der Fall ist, bei dem sich eine vollständige Anonymität aufgrund des persönlichen Bezugs bzw. der 491
Thalheimer, S. 79. Roxin, AT II, § 28 Rn. 76, 78; Thalheimer, S. 79. 493 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 3; Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 1; kritisch hierzu jedoch Thalheimer, S. 78 f. 494 Vgl. auch NK-Zaczyk, § 30 Rn. 37; Roxin, AT II, § 28 Rn. 76; Thalheimer, S. 78 f. 492
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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Zuordenbarkeit zu einer bestimmten Person zumeist nicht oder nur unter erhöhtem Aufwand herstellen lassen wird. Tritt der sich Bereiterklärende also beispielsweise in einem Forum unter einem Nickname auf und ist er dabei nicht dazu angehalten, sonstige zur Identifikation taugliche Merkmale oder einen direkten individuellen Kommunikationszugang (z. B. eine E-Mail-Adresse oder seine Kontaktdaten in einem sozialen Online-Netzwerk) anzugeben, so bleibt er für den Auftraggeber anonym und kann von diesem auch nur über das Forum erreicht werden. Mangels Kenntnis der wahren Identität bzw. zur Identifikation geeigneter Merkmale ist es dem Auftraggeber nicht möglich, die Erfüllung der Zusage bzw. des Angebots effektiv einzufordern, denn der anonym bleibende präsumtive Täter kann sich der Erfüllung des zugesagten bzw. angebotenen Verbrechens stets entziehen, ohne diesbezüglich mit Konsequenzen seitens des Auftraggebers rechnen zu müssen. Insofern spricht viel dafür, die Wahrung der vollständigen Anonymität seitens des sich Bereiterklärenden als Zeichen seines mangelnden Bindungswillens und damit als Mangel an Ernstlichkeit zu bewerten. Hinsichtlich der objektiven Tatseite steht zunächst fest, dass die Abgabe einer Bereitschaftserklärung grundsätzlich eines interpersonalen Kommunikationsakts bedarf495. Anders als bei der Tathandlung des Bestimmens in den §§ 26 und 30 I StGB ist dies schon dem Wortlaut der Norm zu entnehmen, welcher ausdrücklich von einem „Erklären“ spricht. Hiernach wäre es wohl kaum mit Art. 103 II GG vereinbar, auch nichtkommunikative Handlungen für eine Bereitschaftserklärung ausreichen zu lassen. Dies muss umso mehr gelten, wenn man berücksichtigt, dass die Handhabung des § 30 StGB, wegen der Ausdehnung der Strafbarkeit in das Vorfeld der Tatbegehung, grundsätzlich eine restriktive sein soll. Wie soeben schon erwähnt, kann also lediglich eine eindeutige Kundgabe der Bereitschaft den Anforderungen des § 30 II Alt. 1 StGB gerecht werden. Allerdings würde sich die Problematik der nichtkommunikativen Handlungen hier ohnehin nicht stellen, da bei der Nutzung von Internetkommunikationsmitteln stets vom Vorliegen interpersonaler Kommunikation auszugehen ist496. Darüber hinaus lässt die erforderliche Kundgabe der Bereitschaft bei Weitem nicht einen so großen Auslegungsspielraum wie die Tathandlung des Bestimmens im Rahmen der §§ 26 und 30 I StGB zu, so dass sich hier auch die weiterführende Frage nach der erforderlichen Kommunikations- bzw. Beeinflussungsintensität kaum stellen dürfte497. Nicht nur theoretisch kann sich der Täter des § 30 II Alt. 1 StGB derselben Kommunikationsmittel und -wege bedienen wie der Anstifter, mithin also auch derer des Internets. Es bedarf diesbezüglich keiner großen Fantasie, sich einen Sachverhalt vorzustellen, bei dem eine Äußerung über ein Internetkommunika495 496 497
B. Heinrich, AT, Rn. 1291; Krüger, JA 2008, 492 (497). Vgl. dazu bereits oben C.V.2.a)bb)(5). Vgl. zu dieser Frage im Rahmen von § 26 StGB oben C.V.2.a)bb).
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
tionsmittel (z. B. E-Mail, Mailingliste, Blog, Chat) getätigt wird, welche den Anforderungen an eine strafbare Bereitschaftserklärung gerecht werden kann. Denkbar ist beispielsweise der Fall, dass ein Mitglied einer gewerbsmäßig agierenden Autoschieberbande auf entsprechende Weise Angebote (Fall der initiativen Bereitschaftserklärung) zur Begehung eines Fahrzeugdiebstahls498 abgibt, um so an potenzielle Auftraggeber heranzutreten. Realistisch betrachtet, wird – um dem Risiko der Strafverfolgung zu begegnen – ein solches Angebot bzw. Sich-Erbieten zur Tatbegehung dabei aber wohl eher verklausuliert bzw. geschickt umformuliert werden und gegebenenfalls unter Verwendung einer Scheinidentität erfolgen, wenn das Forum, der Chatroom, die Mailingliste etc. frei zugänglich, also praktisch öffentlich ist. Ob die objektiven Voraussetzungen einer initiativen Bereitschaftserklärung i. S. v. § 30 II Alt. 1 StGB erfüllt sein können, wenn es an der ausdrücklichen Bezeichnung eines konkreten Verbrechens mangelt und zudem ein für den Täter unbestimmbarer Adressatenkreises vorliegt, scheint fraglich499. Wiederum sind jedoch gerade die in diversen Internetkommunikationsmitteln möglichen Modalitäten, vornehmlich die der personalen Anonymität und der mangelnden zwischengeschalteten Kontrolle, ganz besonders geeignet, begünstigend auf derartig problematisches Verhalten zu wirken500. Infolgedessen kommt grundsätzlich auch der Tathandlung des SichBereiterklärens, vor allem in Form der initiativen Bereitschaftserklärung, eine zu beachtende Relevanz für die hier zu untersuchende Problematik zu. bb) Die Bereitschaftserklärung als Annahme einer Aufforderung Den weniger problematischen Fall der Bereitschaftserklärung nach § 30 II Alt. 1 StGB stellt die Annahme einer Aufforderung dar. Aufgrund des Umstands, dass eine derartige Erklärung regelmäßig als bejahende Reaktion auf einen Anstiftungsversuch i. S. v. § 30 I StGB stattfindet, wird diese auch als dessen Pendant betrachtet501. Unter der Voraussetzung, dass die Annahmeerklärung des künftigen Täters entsprechend ernst gemeint ist, rechtfertigt sich – wie zuvor aufgezeigt – deren Subsumtion unter § 30 II Alt. 1 StGB. Denn für die zu einer er498 In Betracht kann in solch einem Fall das Verbrechen des schweren Bandendiebstahls kommen, wobei vorliegend die §§ 242 I, 243 I 2 Nr. 1, 2 und 3, 244 I Nr. 2, 244a I StGB verwirklicht worden sein können. 499 Vgl. ausführlich zum Problem der hinreichenden Konkretisierung der zu begehenden Straftat im Rahmen des Sich-Erbietens gemäß § 30 II Alt. 1 StGB unten C.V. 3.a)aa) sowie zum Problem der hinreichenden Konkretisierung des Adressaten der initiativen Bereitschaftserklärung unten C.V.3.b)dd). 500 Zum Problem der Anonymität im Internet Reiter, Deutschlandradio Kultur vom 17.05.2011 unter http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/politischesfeuilleton/1459 261/ (zuletzt abgerufen am 10.08.2012); vgl. hierzu ebenfalls B. Heinrich, FS Heinz 2012, S. 728 (728 f.). 501 Vgl. LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Fn. 96; NK-Zaczyk, § 30 Rn. 40.
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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höhten Rechtsgutsgefährdung führende psychische Bindungswirkung zwischen den Beteiligten (Strafgrund des § 30 II Alt. 1 StGB) ist regelmäßig nicht mehr erforderlich, als die ernst gemeinte Annahme einer Aufforderung. Des Weiteren folgt aus der reaktiven Natur einer Annahmeerklärung nach § 30 II Alt. 1 StGB, dass sich für diese die Frage nach der hinreichenden Konkretisierung bezüglich der präsumtiven Tat und des präsumtiven Täters nicht (mehr) stellt. Der präsumtive Täter ist der sich Bereiterklärende selbst und das zu begehende Verbrechen muss zuvor bereits – den diesbezüglich an das Bestimmen zu stellenden Konkretisierungsanforderungen entsprechend502 – hinreichend durch den Anstifter beschrieben bzw. in Aussicht gestellt worden sein, so dass sich die Annahmeerklärung gemäß § 30 II Alt. 1 StGB nunmehr nur noch darauf beziehen, der Annehmende sich also zur entsprechenden Begehung bekennen muss. Allenfalls dann könnten sich Fragen hinsichtlich der erforderlichen Konkretisierung der präsumtiven Tat ergeben, wenn der Annehmende sich mehr oder etwas anderes vorstellt, als es der Anstifter gefordert hat. Festzuhalten ist demnach, dass die reaktive Bereitschaftserklärung nach § 30 II Alt. 1 StGB von dem Vorliegen einer vorausgehenden, hinreichend konkretisierten Aufforderung zur Begehung eines Verbrechens abhängig ist. Ob die betreffende initiale Aufforderung das zu begehende Verbrechen hinreichend konkret bezeichnet, kann letzlich nur anhand des Einzelfalls entschieden werden. So wird auch dann noch von der Annahme einer Aufforderung auszugehen sein und nicht bereits eine initiative Bereitschaftserklärung503 vorliegen, wenn der Auffordernde zum Ausdruck bringt, dass von ihm die Tötung seiner Ehefrau gewünscht wird – er also allein das Tatopfer konkretisiert – und der Annehmende ihm daraufhin zusagt, die Tat am nächsten Tag zu einer bestimmten Uhrzeit an einem bestimmten Ort ausführen zu wollen. Zwar hat der Annehmende die präsumtive Tat hier ebenfalls wesentlich (mit)konkretisiert, gleichwohl ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Konkretisierung der Tat bei einem Tötungsdelikt vor allem auf der Individualisierung des Opfers beruht504, so dass bereits allein in der Benennung der Ehefrau als Tatopfer eine hinreichend konkrete Tötungsaufforderung gemäß § 30 I StGB gesehen werden kann505. Folglich muss in diesem Fall dann auch eine Annahme nach § 30 II Alt. 1 StGB möglich sein, selbst wenn eine weitere Konkretisierung der Tatzeit und des Tatorts erst noch durch den Annehmenden erfolgt. Für die auf eine Aufforderung folgende Annahmeerklärung nach § 30 II Alt. 1 StGB kommen nahezu sämtliche, für die vorliegende Untersuchung relevanten Internetkommunikationsmöglichkeiten in Betracht. So kann der präsumtive Täter 502
Vgl. dazu noch ausführlich unten C.V.3.a)aa). Vgl. dazu sogleich C.V.2.c)cc). 504 So Rengier, AT, § 45 Rn. 52. 505 Vgl. in diesem Zusammenhang auch das Urteil des BGH vom 11.10.2005 (1 StR 250/05 – juris, insoweit nicht in NStZ 2006, 96 veröffentlicht). 503
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
z. B. direkt auf eine vorangegangene Ansprache in einem nicht öffentlichen und zahlenmäßig überschaubaren (bezogen auf die Nutzer/Adressaten) Chatroom, Forum, Blog, Mikroblog etc. reagieren. Auch kann er sowohl auf eine individuelle E-Mail, als auch auf eine Mitteilung über eine Mailingliste antworten, sofern mit dieser ein zahlenmäßig noch überschaubarer oder individuell bestimmbarer, nicht aber ein (bereits) öffentlicher Personenkreis angesprochen wurde. Für die Abgabe der Annahmeerklärung ist es mithin nicht einmal erforderlich, dass diese über dasselbe Kommunikationsmittel erfolgt, wie die vorangegangene Bestimmungsäußerung. Auf einen Anstiftungsversuch in einem geschlossenen Forum kann beispielsweise per E-Mail, Telefon oder Brief reagiert werden. Insgesamt kommt dieser reaktiven Variante der Bereitschaftserklärung im Rahmen der vorliegenden Untersuchung damit eine eher ergänzende Bedeutung gegenüber den primär in Betracht zu nehmenden (initiativen) Handlungsweisen des Verabredens, Aufforderns und Anleitens zur Begehung von Straftaten zu. cc) Die Bereitschaftserklärung als Sich-Erbieten Die Bereitschaftserklärung nach § 30 II Alt. 1 StGB in der initiativen Form des Sich-Erbietens weist sich regelmäßig dadurch aus, dass ein zwar tatgeneigter, aber noch nicht fest entschlossener Täter einem anderen die Realisierung eines Verbrechens anbietet und selbige dabei unter den Vorbehalt von dessen Zustimmung stellt506, so dass er bis zur Annahme seines Angebots noch nicht über einen vollständigen Tatentschluss verfügt507. Wie schon angedeutet, kommt einer solchen Bereitschaftserklärung für die hiesige Arbeit eine durchaus beachtliche Relevanz zu508. Dem Sich-Erbieten geht, anders als der Annahme einer Aufforderung, kein anderer kommunikativer Akt voraus, weshalb diese Tathandlung insoweit auch mit dem Versuch der Verbrechensanstiftung nach § 30 I StGB vergleichbar ist. Der Ansatzpunkt für die Strafbarkeit ist demnach die zwar unter dem Vorbehalt der Zustimmung stehende, aber dennoch in Eigeninitiative erfolgende Bereitschaftserklärung des präsumtiven Täters. Gerade im Fall des Sich-Erbietens erfährt § 30 506 Ein solcher Fall bildet auch die historische Grundlage des § 30 StGB: Im Jahr 1873 bot der belgische Kesselschmied Duchesne dem Erzbischof von Paris an, den damaligen deutschen Reichskanzler Bismarck gegen Zahlung von 60.000 Franken zu ermorden. Weil der Erzbischof dieses Angebot jedoch ablehnte, kam es nicht zur Ausführung der Tat. Hierzu u. a. auch Dessecker, JA 2005, 549 (550, 552); LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 vor Rn. 1; MK-Joecks, § 30 Rn. 6; Rengier, AT, § 47 Rn. 33; Roxin, AT II, § 28 Rn. 75; Thalheimer, S. 5. 507 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 90, 95; NK-Zaczyk, § 30 Rn. 33; Rengier, AT, § 47 Rn. 32. Anders jedoch Jakobs, 27/10 und MK-Joecks, § 30 Rn. 44, die ein Sich-Erbieten nach § 30 II Alt. 1 StGB auch dann für möglich halten, wenn das Angebot von einem omnimodo facturus erklärt wird. 508 Vgl. schon zuvor C.V.2.c)aa).
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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StGB damit seine weiteste Strafbarkeitsausdehnung509 – unabhängig davon, ob dieses zugleich als eine konstruktive versuchte Kettenanstiftung zu einem Verbrechen verstanden wird510 oder nicht511. Denn während – auch im Fall einer versuchten Kettenanstiftung – der Anstifter regelmäßig eine erhöhte Rechtsgutsgefährdung bereits dadurch herbeiführt, dass er den weiteren Geschehensverlauf bzw. die Kontrolle über diesen aus der Hand gibt, ist dies aufgrund der Personenidentität des sich Erbietenden und des präsumtiven Täters bei einem Sich-Erbieten gerade nicht der Fall, so dass dies im Vergleich zur versuchten (Ketten)Anstiftung des § 30 I StGB ein weniger gefährliches Verhalten darstellt, dennoch aber gleichwertig bestraft wird. Gerade aber die hier gegebene extrem weite Vorverlagerung der Strafbarkeit bei einer zugleich (noch) äußerst geringen konkreten Rechtsgutsgefährdung sowie der Umstand, dass die Annahme einer konspirativen Bindung des sich Erbietenden bei alleinigem Vorliegen einer initiativen Bereitschaftserklärung hohen Begründungsaufwand erfordert512, geben Anlass, an der Strafwürdigkeit solchen Verhaltens zu zweifeln513. Daher wird das Sich-Erbieten in der Variante des § 30 II Alt. 1 StGB z. T. sogar für verfassungswidrig gehalten514 und deren vollständige Abschaffung515 oder zumindest eine deutliche Änderung des Wortlauts der Norm angeregt516. Da die für die vorliegende Analyse relevanten Tathandlungen des Verabredens, Aufforderns und Anleitens anhand der geltenden Rechtslage geprüft werden sollen, ist eine Vertiefung dieser Frage hier jedoch ebenso verzichtbar, wie eine eigene Positionierung. Zwar mögen die der initiativen Be509
Dessecker, JA 2005, 549 (554); Jescheck/Weigend, § 65 III 3. So LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 89; Roxin, AT II, § 28 Rn. 78, die davon ausgehen, dass der Tatentschluss des sich Erbietenden regelmäßig erst bzw. endgültig dadurch hervorgerufen wird, dass der Empfänger des Angebots dessen Annahme erklärt. Diese Annahmeerklärung wäre dann als versuchte Anstiftung zu werten, zu welcher der sich Erbietende den Annehmenden (d.h. den avisierten Auftraggeber) wiederum zuvor, nämlich durch sein Angebot, anstiften wollte. Im Ergebnis soll die initiative Bereitschaftserklärung folglich eine versuchte Anstiftung zur Anstiftung und damit zugleich den besonderen Fall einer versuchten Kettenanstiftung in einem Zwei-Personen-Verhältnis darstellen. Zustimmend Thalheimer, S. 72. 511 So NK-Zaczyk, § 30 Rn. 36, der hinsichtlich des Angebots des sich Erbietenden, als erster Stufe einer versuchten Kettenanstiftung, schon die für ein Bestimmen (des Annehmenden, d.h. des avisierten Auftraggebers) erforderliche Intensität geistiger Einflussnahme nicht erreicht sieht. 512 Vgl. diesbezüglich die Ausführungen bei Thalheimer, S. 73 ff. 513 Vgl. Dessecker, JA 2005, 549 (554); NK-Zaczyk, § 30 Rn. 34; Roxin, AT II, § 28 Rn. 8; ferner auch Kühl, § 20 Rn. 245; sowie umfassend zur Strafwürdigkeit des SichErbietens Thalheimer, S. 73 ff. 514 So NK-Zaczyk, § 30 Rn. 34. 515 So Dessecker, JA 2005, 549 (554). 516 So LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 12 und Roxin, AT II, § 28 Rn. 8, die sich für eine Ersetzung des Sich-Bereiterklärens durch ein „Kriterium der Übernahme einer Verpflichtung zur Verbrechensbegehung“ aussprechen. 510
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
reitschaftserklärung entgegengehaltenen Bedenken durchaus plausibel, berechtigt und nachvollziehbar sein, eine dieser Problematik gerecht werdende kriminalpolitische Diskussion kann aber dennoch im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht geführt werden. Demnach wird im Verlauf der weiteren Untersuchung von der geltenden Rechtslage und damit auch von einer entsprechenden Strafbarkeit des Sich-Erbietens ausgegangen, zumal sich dessen Strafwürdigkeit auch im Einklang mit der Fassung der Norm de lege lata begründen lässt517. Ausgangspunkt für die vorliegende Betrachtung problematischer Kommunikationshandlungen im Internet ist die geltende Rechtslage, weshalb es an dieser Stelle von wesentlich größerer Bedeutung ist, welche Strafbarkeitsvoraussetzungen ein Sich-Erbieten i. S. v. § 30 II Alt. 1 StGB de lege lata im Einzelnen erfüllen muss. Dass die Bereitschaftserklärung hinsichtlich der subjektiven Tatseite stets hinreichend ernst gemeint sein muss, i. S. e. wirklichen Willens zur Realisierung des präsumtiven Verbrechens, wurde bereits dargelegt518. Ebenso wurde schon erwähnt, dass die Abgabe einer Bereitschaftserklärung grundsätzlich nur durch einen Akt interpersonaler Kommunikation, nämlich die eindeutige Kundgabe der Bereitschaft, erfolgen kann519. Aus dem initiativ-aktiven Charakter folgt für das Sich-Erbieten jedoch eine Frage, welche für die reaktive Annahme einer Aufforderung nicht bedeutsam wird: Das Sich-Erbieten ist mit dem Bestimmen i. S. v. §§ 26 und 30 I StGB zumindest insoweit vergleichbar, als dass beide Handlungen jeweils am Anfang eines Kausalverlaufs stehen, welcher aus Sicht des Initiators in die Verwirklichung einer Straftat einmünden soll. Um einen entsprechenden Kausalverlauf jedoch in geeigneter Weise anzustoßen, bedarf es regelmäßig einer gewissen Konkretisierung hinsichtlich des in Aussicht genommenen (Haupt)Täters und der durch diesen zu begehenden (Haupt)Tat520. Für den sich Erbietenden stellt sich daher die Frage, wie weit dieser sich bereits auf einen oder mehrere bestimmte Adressaten, welche sein Angebot annehmen könnten, und das durch ihn selbst zu begehende Verbrechen festgelegt haben muss. Für das Sich-Erbieten gelten insoweit dieselben Grundsätze wie für die versuchte Anstiftung521. Da diese in der Frage der hinreichenden Konkretisierung wiederum dem gleichermaßen für die Anstiftung geführten Meinungsdiskurs folgt, ist letztlich auch für das Sich-Erbieten nach § 30 II Alt. 1 StGB auf die entsprechende tatbestandsübergreifende Problemdiskussion und Streitentscheidung, welche an späterer Stelle erfolgen soll522, zu verweisen.
517 518 519 520
Dazu Thalheimer, S. 73 ff. Vgl. zuvor C.V.2.c)aa). Vgl. ebenfalls C.V.2.c)aa). Vgl. hierzu bereits oben C.V.2.a)cc) zu § 26 StGB und C.V.2.b)cc) zu § 30 I
StGB. 521 522
LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 92; Roxin, AT II, § 28 Rn. 80. Vgl. unten C.V.3.a) und C.V.3.b).
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Der Vollständigkeit halber soll noch darauf hingewiesen werden, dass hinsichtlich des Sich-Erbietens der Fall umstritten ist, in dem der sich Erbietende seine Bereitschaft lediglich noch deklaratorisch bekundet, da er den Tatentschluss zur Begehung des benannten Verbrechens bereits selbst gefasst hat, diesen also gerade nicht mehr von der Zustimmung des Erklärungsempfängers abhängig macht523. Während die überwiegende Ansicht diesen Fall für nicht unter § 30 II Alt. 1 StGB subsumierbar und somit im Ergebnis für straflos hält524, befürwortet die Gegenansicht eine diesbezügliche Strafbarkeit525. Dieser Streit stellt sich im Kern als eine Diskussion um die Möglichkeit der Einflussnahme auf einen omnimodo facturus dar. Da die Konstellation des omnimodo facturus für das hier zu bearbeitende Thema aber keine beachtliche Relevanz entfaltet, ist auch die Problematik des unechten Sich-Erbietens für die vorliegende Untersuchung kaum von Bedeutung526. Gleichwohl ist festzuhalten, dass gegen die Einbeziehung der initiativen Bereitschaftserklärung eines omnimodo facturus der gewichtige Umstand spricht, dass sich die Annahme eines solchen Erbietens (§ 30 II Alt. 2 StGB) dann konsequenterweise als versuchte psychische Beihilfe darstellen würde, welche vom Geltungsbereich des § 30 StGB jedoch gerade nicht erfasst sein soll527. Zudem dürfte es auch dem Gebot der restriktiven Auslegung der Norm entsprechen, § 30 II Alt. 1 StGB nicht (auch noch) auf die Bereitschaftserklärung eines omnimodo facturus auszudehnen. dd) Das Problem des erforderlichen Zugangs bei der Bereitschaftserklärung Wie bei der versuchten Anstiftung nach § 30 I StGB – dort unter der Frage des unmittelbaren Ansetzens528 – wird auch für die Bereitschaftserklärung nach § 30 II Alt. 1 StGB diskutiert, ob bereits deren bloße Abgabe ausreicht, um den
523 Dieser Fall wird auch als sog. „unechtes Sich-Erbieten“ bezeichnet, vgl. LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 90; Roxin, AT II, § 28 Rn. 79; Thalheimer, S. 73. 524 Vgl. Dessecker, JA 2005, 549 (552); LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 90 f.; NK-Zaczyk, § 30 Rn. 33; Roxin, AT II, § 28 Rn. 79; Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 23; Thalheimer, S. 77 f.; ferner auch Schröder, JuS 1967, 289 (291 – zu § 49a II StGB a. F.). 525 Vgl. Hinderer, JuS 2011, 1072 (1075); Jakobs, 27/10; MK-Joecks, § 30 Rn. 44. 526 Unabhängig von der nur marginalen Bedeutung, sind entsprechende Beispiele natürlich auch für Sachverhalte mit Internetbezug denkbar und nicht hundertprozentig auszuschließen. So kann z. B. derjenige, der zur Tötung eines Menschen bereits fest entschlossen ist und diese in jedem Fall realisieren will, die Begehung der Tat zugleich auch einem anderen gegen eine Entgeltzahlung anbieten und dafür auf ein entsprechendes Internetkommunikationsmittel zurückgreifen. 527 So LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 95; Thalheimer, S. 79 f.; Leipold/Tsambikakis/Zöller-Waßmer, § 30 Rn. 33. 528 Vgl. dazu oben C.V.2.b)ee).
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objektiven Tatbestand zu erfüllen oder ob es darüber hinaus auch des Zugangs bei dem einen bzw. den mehreren Adressaten bedarf 529. Zugegangen ist eine schriftliche Bereitschaftserklärung regelmäßig dann, wenn sie in den Machtbereich des Adressaten gelangt ist530. Wie schon in den diesbezüglichen Ausführungen zur versuchten Anstiftung dargelegt, lassen sich Abgabe und Zugang einer Gedankenerklärung bei den vorliegend relevanten Kommunikationsmitteln des Internets grundsätzlich voneinander trennen, wenn ein solcher Vorgang vom Verständnis der technischen Funktionsweise des Internets, insbesondere der Datenübertragung531, her betrachtet wird. Unter (straf)rechtlicher Perspektive dürfte es die technisch bedingte, minimale Verzögerung von allenfalls nur wenigen Sekunden allerdings kaum rechtfertigen, hier ein eindeutiges Auseinanderfallen i. S. e. zeitlichen Zäsur, wie sie z. B. zwischen Absendung und Zustellung eines Briefs per Post vorliegt, anzunehmen. Folglich ist in den für die vorliegende Untersuchung relevanten Internetkommunikationsmöglichkeiten meist schon nahezu in demselben Moment von einem Zugang der Gedankenerklärung auszugehen, in dem der Versender diese mittels entsprechend willensgesteuerter Handlung (z. B. Mausklick, Drücken der Eingabetaste) abschickt (z. B. an den Listen-Server einer Mailingliste). Unbeschadet dessen sind aber auch bei einer über das Internet übermittelten Äußerung Sachverhalte denkbar, in denen Abgabe und Zugang deutlich voneinander getrennt werden können. So kann dies der Fall sein, wenn der Zugang bereits aus objektiven Gründen von Anfang an nicht möglich bzw. dessen Scheitern sicher ist und daher lediglich eine Abgabe der Äußerung vorliegen kann. Beispielsweise kann man sich hier den Fall vorstellen, dass beim Versand einer E-Mail eine – z. B. aufgrund eines Tippfehlers – nicht funktionierende oder eine nicht mehr existierende Empfängeradresse verwendet wird532. Ein deutliches Auseinanderfallen von Abgabe und Zugang kommt darüber hinaus auch für diejenigen Kommunikationsmittel in Betracht, bei denen die Gedankenerklärung nicht sofort den eigentlichen Adressaten zugeht, sondern zuvor von einem Administrator oder Moderator inhaltlich geprüft wird. In diesem Fall kann es nicht nur zu einer regelmäßigen Verzögerung der Zustellung kommen. Vielmehr ist die Zustellung an die avisierten Empfänger als solche bereits unsicher, wenn z. B. der an ein Webforum oder eine Newsgroup im Usenet gerichtete Beitrag aufgrund seines brisanten Inhalts möglicherweise zensiert oder sogar
529 Zu dieser Frage u. a. Dessecker, JA 2005, 549 (552); Jescheck/Weigend, § 65 III 3; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 88, 92; MK-Joecks, § 30 Rn. 48; NK-Zaczyk, § 30 Rn. 38, 40; Roxin, AT II, § 28 Rn. 77, 80; Satzger/Schmitt/Widmaier-Murmann, § 30 Rn. 20; Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 23; Thalheimer, S. 79 ff. 530 MK-Joecks, § 30 Rn. 48; Otto, AT, § 22 Rn. 88; SK-Hoyer, § 30 Rn. 40. 531 Vgl. hierzu ausführlich oben B.I.2. 532 Vgl. zu diesem Beispiel auch schon oben C.V.2.b)ee).
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gänzlich zurückgewiesen wird und damit mangels Veröffentlichung folglich auch nicht zur möglichen Kenntnisnahme durch andere Teilnehmer gelangen kann. Hiernach kann sich die Frage nach dem Zugangserfordernis für Bereitschaftserklärungen gemäß § 30 II Alt. 1 StGB im Hinblick auf die Kommunikation im Internet u. a. also dann stellen, wenn die Zustellung der betreffenden Äußerung entweder aus unvorhersehrbaren objektiven Gründen fehlschlägt (z. B. wegen Verwendung einer nicht mehr gültigen E-Mail-Adresse oder Ausfall eines Servers) oder weil das gewählte Kommunikationsmittel über eine bewusst zwischengeschaltete, die direkte Übertragung unterbrechende Inhaltsprüfung verfügt und es unsicher ist, ob und wann die Bereitschaftserklärung – zumindest in ihrer ursprünglichen Form – Zugang bei dem einen oder den mehreren in den Blick genommenen Empfängern findet. Zudem stellt sich in letzterem Fall die Frage, ob jedenfalls von einer Bereitschaftserklärung gegenüber dem Moderator auszugehen ist, wenn der sich Bereiterklärende weiß, dass seine Erklärung auf jeden Fall geprüft, also von dem Moderator zur Kenntnis genommen wird. Der hierzu geführte Meinungsdiskurs gleicht vom dogmatischen Ansatz her dem zu § 30 I StGB bestehenden Streit533. Die Unterschiede der Handlungsmodalitäten der versuchten Verbrechensanstiftung und der Bereitschaftserklärung machen aber dennoch eine gesonderte Behandlung dieser Frage für § 30 II Alt. 1 StGB erforderlich. Während sich der Streit im Rahmen von § 30 I StGB im Wesentlichen in zwei Ansichten teilt, von denen eine den Zugang – z. T. verbunden mit entsprechenden Reaktionen auf Seiten des Empfängers – voraussetzt und die andere selbigen für verzichtbar hält, sind zu § 30 II Alt. 1 StGB drei relevante Meinungen auszumachen. Zwar stellen auch bei § 30 II Alt. 1 StGB die beiden Ansichten, von denen eine grundsätzlich den Zugang fordert, so dass der Empfänger von der Bereitschaftserklärung Kenntnis nehmen kann534, und die andere ebenso grundsätzlich auf einen solchen verzichten will535, den größten Gegensatz dar. Darüber hinaus wird jedoch im Unterschied zu § 30 I StGB noch eine vermittelnde Ansicht vertreten, welche zwischen der Bereitschaftserklärung in Form der Annahme einer Aufforderung und der des Sich-Erbietens differenziert und nur für letztere den Zugang beim Empfänger verlangt536. Eine stimmige Antwort auf die Frage des Zugangserfordernisses hinsichtlich der Bereitschaftserklärung gemäß § 30 II Alt. 1 StGB lässt sich finden, wenn diesbezüglich wiederum auf den Strafgrund der Norm abgestellt wird. Wie be533
Vgl. dazu oben C.V.2.b)ee). Vgl. MK-Joecks, § 30 Rn. 48; NK-Zaczyk, § 30 Rn. 38, 40; Satzger/Schmitt/ Widmaier-Murmann, § 30 Rn. 20; SK-Hoyer, § 30 Rn. 40. 535 Vgl. Fischer, § 30 Rn. 10; Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 23. 536 Vgl. Dessecker, JA 2005, 549 (552); Jescheck/Weigend, § 65 III 3; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 88, 92; Roxin, AT II, § 28 Rn. 77, 80; Schröder, JuS 1967, 289 (291 – zu § 49a II StGB a. F.); Thalheimer, S. 81. 534
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reits erwähnt, kann die durch § 30 StGB sanktionierte Rechtsgütergefährdung auf unterschiedlichen Ursachen beruhen537. Während bei der versuchten Anstiftung (§ 30 I StGB) und der Annahme eines Sich-Erbietens (§ 30 II Alt. 2 StGB) vor allem der Aspekt des aus der Hand Gebens des weiteren Geschehensverlaufs, also der Aufgabe der Kontrolle seitens des Anstifters im Vordergrund steht, soll dies bei der Bereitschaftserklärung (§ 30 II Alt. 1 StGB) und der Verabredung zur gemeinschaftlichen Verbrechensbegehung (§ 30 II Alt. 3 StGB) derjenige der Willensbindung im Hinblick auf die Realisierung eines Unrechts sein538. Kommt es hiernach für die Verwirklichung einer Bereitschaftserklärung darauf an, dass der sich Bereiterklärende mit seinem Angebot (im Fall des Sich-Erbietens) bzw. seiner Zusage (im Fall der Annahme einer Aufforderung), eine Verbindlichkeit gegenüber dem/den Angesprochenen hinsichtlich der Tatbegehung verknüpft, so ist zunächst festzustellen, dass der diesbezügliche Bindungswille nicht zwingend davon abhängt, dass die Erklärung dem Adressaten auch tatsächlich zugegangen ist. Vielmehr wird der sich ernstlich Bereiterklärende sich regelmäßig bereits zum Zeitpunkt der Entäußerung des Angebots bzw. der Zusage gegenüber dem Adressaten binden wollen. Das Handlungsunrecht des sich ernstlich Bereiterklärenden wird somit also bereits durch die Abgabe seiner Erklärung verwirklicht. Wie zuvor für die versuchte Anstiftung zum Verbrechen festgestellt, ist dies beispielsweise der Fall, wenn eine E-Mail versendet wird, den Adressaten jedoch nicht erreicht, wobei der Grund des Fehlschlagens der Zustellung unerheblich ist. Gleichwohl unterliegt es einigen Bedenken, die beiden Varianten der Bereitschaftserklärung – d.h. die initiative und die reaktive Form – in dieser Frage ausnahmslos gleich zu behandeln. Entscheidend für die Bejahung einer Strafbarkeit nach § 30 II Alt. 1 StGB muss schließlich in beiden Varianten die Schaffung einer hinreichend intensiven Gefahr für schutzbedürftige Rechtsgüter sein. Hingegen kann es kaum gerechtfertigt werden, allein den mit der Bereitschaftserklärung zum Ausdruck gebrachten Bindungswillen eine Strafbarkeit begründen zu lassen, wenn mit diesem noch keine hinreichende Gefahr für Rechtsgüter verbunden ist. So erscheint es im Fall des Sich-Erbietens sehr zweifelhaft, ob die erforderliche Gefahr hier bereits im Zeitpunkt der Entäußerung des Angebots einen solchen Intensitätsgrad erreicht hat, dass eine Sanktionsandrohung gerechtfertigt ist. Jedenfalls ist das Äußern eines Angebots zur Verbrechensbegehung (initiative Bereitschaftserklärung) der Annahme einer Aufforderung (reaktive Bereitschaftserklärung) zeitlich deutlich vorgelagert. Wird eine Aufforderung gemäß § 30 II Alt. 1 StGB angenommen, so besteht ein weiterer erforderlicher Schritt für den
537 538
Vgl. dazu bereits oben C.V.2.b)aa). Roxin, AT II, § 28 Rn. 5.
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sich reaktiv Bereiterklärenden nur noch darin, zur Ausführung der Haupttat unmittelbar anzusetzen. Schon mit der Entäußerung der verbindlichen Annahmeerklärung liegt damit eine gewisse Gefährdung für die Rechtsgüter des avisierten Angriffsobjekts/-subjekts vor. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn die Erklärung dem Anstifter nicht zugeht. Anders gesagt: Im Fall der Annahme einer Aufforderung ist der sich reaktiv Bereiterklärende – infolge der vorangegangenen Anstiftung – bereits so weit zur Tatbegehung entschlossen, dass eine hinreichend intensive Gefahr vorliegt und es ausreichen muss, dass der Bindungswille mittels einer entsprechenden Äußerung erkennbar zum Ausdruck gebracht wird. Dem Zugang dieser Erklärung beim Anstifter kann in dieser Situation hingegen keine entscheidende Bedeutung mehr zukommen539. Als ungleich geringer ist die Gefährdung der Rechtsgüter des in Aussicht genommenen Angriffsobjekts/-subjekts jedoch zu dem Zeitpunkt einzuschätzen, zu dem „lediglich“ das Angebot zur Begehung eines Verbrechens entäußert wird. Zwar wird der sich ernstlich Bereiterklärende auch in diesem Fall einen Bindungswillen mit seinem Angebot verknüpfen, jedoch ist dieser – im Gegensatz zur Annahme einer Aufforderung – wiederum noch nicht mit einer hinreichend intensiven Rechtsgütergefährdung verbunden, denn während der eine Aufforderung Annehmende den Entschluss zur Begehung der Haupttat bereits – infolge des vorangegangenen Kommunikationsvorgangs – gefasst hat, steht dieser wesentliche Schritt bei dem sich Erbietenden erst noch bevor und setzt stets zunächst die Annahme des Angebots voraus. Aus diesem Grund und in Anbetracht der weiten Strafbarkeitsvorverlagerung, welche durch § 30 II Alt. 1 StGB erfolgt, scheint es geboten, hier also nicht nur die Entäußerung, sondern auch den Zugang der Angebotserklärung zu verlangen540. Dem könnte man zwar wiederum entgegengehalten, dass in der initiativen Bereitschaftserklärung eine strukturelle versuchte Kettenanstiftung gesehen werden, diese damit keinen anderen Voraussetzungen als die versuchte Anstiftung nach § 30 I StGB unterliegen und es folglich nicht auf einen Zugang der Erklärung ankommen kann. Jedoch würde dies dem Umstand nicht gerecht, dass der sich Erbietende – anders als der Anstifter – trotz bzw. auch nach Abgabe seiner Äußerung die Kontrolle über den weiteren Geschehensablauf behält, da er die Rolle des Erstanstifters und des präsumtiven Haupttäters in seiner Person vereint. Allein durch die schlichte Äußerung der Bereitschaft wird hierbei also weder der weitere Geschehensablauf aus der Hand gegeben, noch kommt es in diesem Zeitpunkt bereits zur Gefährdung von Rechtsgütern, denn erst nachdem das Angebot potenziellen Auftraggebern zugegangen ist, kann es zu dessen Annahme – d.h. der zwingend erforderlichen Bestimmung des sich Erbietenden – kommen und 539
So auch LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 88; Roxin, AT II, § 28 Rn. 77. Ebenso LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 92; Roxin, AT II, § 28 Rn. 77; Thalheimer, S. 81. 540
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eine hinreichend intensive Gefahr neben den Bindungswillen treten. Ist es bei § 30 I StGB zudem der dezidierte Verweis auf die Vorschriften des Versuchs, der der Voraussetzung eines Teilerfolgs in Gestalt eines Zugangserfordernisses entgegen steht, so ist ein solcher Teilerfolg für die initiative Bereitschaftserklärung mangels eines entsprechenden Verweises auf die Versuchsregeln nicht ausgeschlossen541. Zugleich wird man den mit dem Zugang eintretenden Teilerfolg für die Verwirklichung der initiativen Bereitschaftserklärung ausreichen lassen müssen542. Zwar ist nach dem Zugang des Angebots auch die verständige Wahrnehmung durch den Empfänger erforderlich, um eine Annahmeerklärung i. S. v. § 30 II Alt. 2 StGB abgeben und den sich Erbietenden dadurch zur angesonnenen Tat bestimmen zu können. Jedoch ist es nach erfolgtem Zugang aus Sicht des sich Erbietenden lediglich noch vom Zufall abhängig, ob und wann das Angebot vom Empfänger zur Kenntnis genommen wird. Ist die Erklärung nämlich erst einmal in den fremden Machtbereich gelangt, wird es dem sich Erbietenden kaum mehr möglich sein, über deren Wahrnehmung durch den Empfänger eine entsprechende Kontrolle auszuüben. Da dieser Umstand dem sich Erbietenden regelmäßig auch bekannt sein wird, wäre es unbillig, hinsichtlich dessen Strafbarkeit erst auf den weiteren Teilerfolg der Wahrnehmung des Angebots durch den Empfänger abzustellen. Festzuhalten ist hiernach, dass die Ansicht, nach der hinsichtlich des Zugangs der Bereitschaftserklärung zwischen der Annahme einer Aufforderung einerseits und dem Sich-Erbieten andererseits zu differenzieren und nur für letzteres ein Zugang zu verlangen ist, Zustimmung verdient. Diese Ansicht überzeugt deshalb, weil allein sie es vermag, den unterschiedlichen Gefährdungsgraden der beiden Varianten der Bereitschaftserklärung hinreichend Rechnung zu tragen und zu angemessenen Ergebnissen zu kommen. Während es im Hinblick auf das Sich-Erbieten aus den aufgezeigten Gründen zu weit geht, eine Strafbarkeit auch ohne Zugang des Angebots in Betracht kommen zu lassen, scheint es ebenso wenig überzeugend, ein Zugangserfordernis für die Annahme einer Aufforderung aufzustellen. Da der Zugang der reaktiven Bereitschaftserklärung beim Anstifter in diesem Fall keinen Einfluss mehr auf die Rechtsgütergefährdung hat, weil diese allein schon durch den Tatentschluss des sich Bereiterklärenden vorliegt, wäre es unbillig, dessen Strafbarkeit von diesem (für ihn nicht mehr maßgeblichen) Umstand abhängig zu machen. Die diesbezüglich vertretene Ansicht543 verkennt daher, dass hier der bloße Bindungswille des sich reaktiv Bereiterklä541
LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 92. Anders hingegen Jakobs, 27/10, der über den Zugang hinaus auch die verständige Würdigung der Bereitschaftserklärung durch den Empfänger verlangt. 543 Vgl. MK-Joecks, § 30 Rn. 48; NK-Zaczyk, § 30 Rn. 38, 40; Satzger/Schmitt/ Widmaier-Murmann, § 30 Rn. 20; SK-Hoyer, § 30 Rn. 40. 542
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renden bereits mit der gleichen Gefährdungsintensität für die zu verletzenden Rechtsgüter verbunden ist, wie die Bindungswirkung, die durch die Wahrnehmung der Äußerung seitens des Anstifters eintreten würde. Das hier gefundene Ergebnis, nach dem es im Fall des Sich-Erbietens für eine Strafbarkeit gemäß § 30 II Alt. 1 StGB i.V. m. dem jeweiligen Verbrechenstatbestand erforderlich ist, dass die Erklärung dem einen oder den mehreren Adressaten zugeht, kann auch für internetbezogene Sachverhalte relevant werden. Wie eingangs erwähnt, kommt das zeitliche Auseinanderfallen von Abgabe und Zugang der Äußerung beispielsweise dann in Betracht, wenn eine Überprüfung durch einen zwischen dem Absender und dem Empfänger eingesetzten Moderator erfolgt. Hierdurch kann es nicht nur zu einer zeitlich verzögerten Zustellung, sondern gegebenenfalls sogar zu einer Nichtzustellung der Nachricht kommen, was in der Regel dann der Fall sein wird, wenn mit dieser gegen die vom Kommunikationsdiensteanbieter aufgestellten Verhaltensregeln verstoßen wird. Kommt es zu einer solchen Zurückweisung der Nachricht, so hat die damit verbundene unterbliebene Zustellung keine Auswirkungen auf die Strafbarkeit, wenn es sich dabei um die Annahme einer Aufforderung handelt, da für diese – nach den vorangehenden Erörterungen – ein Zugangserfordernis nicht zu verlangen ist. Verdeutlichen soll dies folgendes Beispiel: B ist nach der Trennung von seiner Ehefrau insbesondere davon frustriert, dass diese bereits einen neuen Mann gefunden hat. Um die Sache nicht einfach auf sich beruhen zu lassen, bietet er seinem Freund A, der dringend Geld benötigt, bei einem gemeinsamen Treffen 1.000 A für die Vornahme einer Vergewaltigung seiner Ex-Frau. Nach einer Bedenkzeit von einer Nacht will A dem B am nächsten Tag die Begehung der Tat zusagen, was – nach vorheriger Absprache – über ein öffentliches Webforum erfolgen soll, da sich A dort aufgrund der Verwendung eines Nicknames relativ sicher fühlt. Um die entsprechende Nachricht auf der Website zu posten gibt A diese ein und sendet sie von seinem Computer ab. Zur Veröffentlichung in dem Forum kommt es allerdings nicht. Da A sich einer besonders anstößigen Wortwahl bedient hat, gerät seine Nachricht sofort in das Raster eines Moderators, der den betreffenden Beitrag noch vor dem Erscheinen in dem Forum herausfiltert und an A zurücksendet. Gleichwohl hat A sich hier bereits mit dem Absenden der Annahmeerklärung einer (reaktiven) Bereitschaftserklärung zur Begehung des Verbrechens der Vergewaltigung gemäß §§ 177 II 2 Nr. 1, 30 II Alt. 1 StGB strafbar gemacht. Wandelt man den Beispielsfall dahingehend ab, dass es nicht um die Annahme einer Anstiftung, sondern um ein von sich aus erklärtes ernstliches Angebot zur Begehung eines Verbrechens geht (beispielsweise also wenn A dem B die Vornahme der Vergewaltigung als „Freundschaftsdienst“ vorschlagen will), welches vor dem Zugang an den Adressaten zurückgewiesen wird (da die Äußerung des A wiederum nicht den Verhaltensvorgaben des Anbieters entspricht), so muss A
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
straflos ausgehen, da für den Fall der (hier in Form des Angebots der Begehung einer Vergewaltigung vorliegenden) initiativen Bereitschaftserklärung der Zugang der Äußerung beim Adressaten (also dem B) erforderlich ist. Nicht vertretbar erscheint es in diesem Zusammenhang auch, das Zugangserfordernis darin erfüllt zu sehen, dass das Angebot zwar nicht dem Adressaten B zugegangen ist, jedoch von einem Dritten, nämlich dem Moderator, wahrgenommen wurde. Entscheidend muss in diesem Zusammenhang nämlich sein, dass allein der B von A als Auftraggeber ausgewählt und angesprochen wurde. Sofern dem A die Existenz des Moderators überhaupt bewusst war, wollte er diesen jedenfalls nicht dazu veranlassen, die angesonnene Vergewaltigung in Auftrag zu geben, denn schließlich wollte er ja gerade (und nur) dem B einen „Freundschaftsdienst“ erweisen, so dass die Abgabe der Bereitschaftserklärung gegenüber einer anderen Person nicht von seinem Vorsatz umfasst war. Anders wäre der Fall aber möglicherweise dann zu beurteilen, wenn A das Angebot zur Begehung eines Verbrechens nicht konkret an B gerichtet, sondern damit die Öffentlichkeit bzw. einen noch nicht individualisierten potenziellen Auftraggeber (z. B. über ein frei zugängliches Webforum) angesprochen hätte. In diesem Fall müsste nämlich auch der Moderator als Teil der angesprochenen Öffentlichkeit und damit auch als potenzieller Auftraggeber in Betracht kommen. Sofern also die Öffentlichkeit angesprochen wird, kann es auch nicht darauf ankommen, ob der sich Erbietende sich die Existenz eines solchen Moderators vorstellt oder nicht, denn regelmäßig wird es bei einer öffentlichen Ansprache für selbigen gerade nicht entscheidend sein, wer ihn letztlich zur Begehung der Verbrechenstat bestimmen wird. Grundlegende Voraussetzung hierfür wäre aber wiederum, dass das Sich-Erbieten nicht nur gegenüber einem konkreten Einzelnen oder einer zahlenmäßig überschaubaren bzw. individuell bestimmten Gruppe, sondern auch gegenüber der Öffentlichkeit – d.h. einem unüberschaubar großen und individuell unbestimmten Personenkreis – überhaupt erfolgen kann544. d) Die Annahme eines Sich-Erbietens zur Begehung eines Verbrechens (§ 30 II Alt. 2 StGB) aa) Überblick über § 30 II Alt. 2 StGB Die Erklärung, mit der das Sich-Erbieten eines anderen zur Begehung eines präsumtiven Verbrechens angenommen wird, ist die zweite der in § 30 II StGB normierten Beteiligungsmöglichkeiten545. Unter der Annahme des Sich-Erbie-
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Vgl. zu dieser Frage noch ausführlich unten C.V.3.b)dd). Zur Annahme des Sich-Erbietens zur Begehung eines Verbrechens u. a. Dessecker, JA 2005, 549 (552 f.); LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 94 ff.; MK-Joecks, § 30 Rn. 49 ff.; NK-Zaczyk, § 30 Rn. 43 ff.; Roxin, AT II, § 28 Rn. 82 ff.; Thalheimer, S. 85 ff. 545
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tens ist das eindeutig oder schlüssig zum Ausdruck gebrachte Einverständnis mit der Bereitschaftserklärung eines anderen zur Begehung eines Verbrechens zu verstehen546. Da es sich bei dieser Alternative des § 30 II StGB um die Reaktion auf eine vorangegangene initiative Bereitschaftserklärung handelt, wird selbige auch regelmäßig als deren Gegenstück verstanden547. Daraus folgt wiederum, dass sich die Frage nach der hinreichenden Konkretisierung für die Annahmeerklärung nicht stellt, denn eine entsprechende Konkretisierung muss sich bereits aus dem vorangegangenen Sich-Erbieten ergeben548. Diskutiert wird die dogmatische Frage, ob § 30 II Alt. 2 StGB konstruktiv entweder als (lediglich deklaratorisch normierter) Spezialfall der versuchten Anstiftung bzw. Kettenanstiftung549, als (ausnahmsweise strafbare) versuchte psychische Beihilfe550 oder als beide Fälle umfassende Norm551 zu sehen ist. Zwar kommt dem hierzu geführten Meinungsstreit im Hinblick auf die in der vorliegenden Arbeit zu behandelnde Problematik keine neue bzw. eigene Bedeutung 546 Fischer, § 30 Rn. 11; Jescheck/Weigend, § 65 III 2; MK-Joecks, § 30 Rn. 49; NK-Zaczyk, § 30 Rn. 43, 47; Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 24. 547 Vgl. B. Heinrich, AT, Rn. 1370; Rengier, AT, § 47 Rn. 34; Wessels/Beulke, Rn. 564. 548 Thalheimer, S. 89. 549 So Dessecker, JA 2005, 549 (552 f.); Leipold/Tsambikakis/Zöller-Waßmer, § 30 Rn. 33; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 94 f.; NK-Zaczyk, § 30 Rn. 43; Rengier, AT, § 47 Rn. 34; Roxin, AT II, § 28 Rn. 82 ff.; Satzger/Schmitt/Widmaier-Murmann, § 30 Rn. 21; Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 22. Diese Ansicht legt zugrunde, dass der Tatentschluss des sich Erbietenden erst durch die Annahmeerklärung hervorgerufen wird. Daraus folge, dass die Annahme einer initiativen Bereitschaftserklärung (§ 30 II Alt. 2 StGB) praktisch die zweite Stufe einer versuchten Kettenanstiftung darstelle, deren erste Stufe in der Bereitschaftserklärung des sich Erbietenden (§ 30 II Alt. 1 StGB) zu sehen sei. Betrachte man die Annahmeerklärung nach § 30 II Alt. 2 StGB isoliert, so stelle diese prinzipiell also nichts anderes als eine versuchte Anstiftung i. S. v. § 30 I StGB dar. Die (zusätzliche) Regelung einer solchen versuchten Anstiftung in § 30 II Alt. 2 StGB sei gerechtfertigt, weil dadurch verdeutlicht werden solle, dass das Hervorrufen oder Verfestigen eines Tatentschlusses auch dann strafbar sei, wenn der (durch die Annahmeerklärung) Anzustiftende selbst (durch sein Sich-Erbieten) die Initiative zu der auf ihn zielenden versuchten Anstiftung ergriffen habe. 550 So Jescheck/Weigend, § 65 III 2. Diese Ansicht geht von der Möglichkeit aus, dass auch ein bereits unbedingt zur präsumtiven Tat entschlossener Täter (omnimodo facturus) sich gemäß § 30 II Alt. 1 StGB erbieten kann und will daher nur den Fall unter § 30 II Alt. 2 StGB fassen, in dem sich die Annahmeerklärung (lediglich noch deklaratorisch) auf ein solches Angebot beziehe. Eine solche Annahmeerklärung könne nur noch eine psychische Beihilfe darstellen. Hingegen seien Fälle, in denen die Annahmeerklärung tatsächlich zum Tatentschluss des sich Erbietenden führe, dem § 30 I StGB zuzuordnen. Dagegen jedoch u. a. Leipold/Tsambikakis/Zöller-Waßmer, § 30 Rn. 33; MK-Joecks, § 30 Rn. 51; Satzger/Schmitt/Widmaier-Murmann, § 30 Rn. 21; mit eindeutiger Kritik auch Dessecker, JA 2005, 549 (553), der die Annahme der ausnahmsweisen Erfassung der versuchten psychischen Beihilfe als Missverständnis betrachtet und sich wegen der sprachlichen Unklarheit im Ergebnis auch gegen eine Beibehaltung des § 30 II Alt. 2 StGB ausspricht. 551 So Fischer, § 30 Rn. 11.
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zu, gleichwohl ist es auch für die Kommunikationsmittel des Internets nicht auszuschließen, dass dort das „Angebot“ eines bereits Tatentschlossenen angenommen wird. Festzustellen ist diesbezüglich jedoch, dass allein die erstgenannte Ansicht zutreffend sein kann. Die Ansichten, die nur bzw. auch die versuchte psychische Beihilfe von § 30 II Alt. 2 StGB erfasst sehen, führen zu einem eklatanten Einschnitt in strafrechtliche Grundsätze und stellen eine Nichtbeachtung des gesetzgeberischen Willens dar, die versuchte Beihilfe – im Unterschied zur versuchten Anstiftung – gerade nicht zu kriminalisieren552. Zudem stünde es auch im Widerspruch zu dem allgemeinhin anerkannten Anspruch einer restriktiven Auslegung und Anwendung des § 30 StGB, denn zweifellos würde der Anwendungsbereich des § 30 StGB erweitert, wenn von der zweiten Alternative des zweiten Absatzes auch die Konstellation erfasst wäre, bei der in voller Kenntnis vom bereits vorhandenen Tatentschluss des sich Erbietenden dessen „Angebot“ angenommen und damit der schon vorhandene Tatentschluss lediglich noch bestärkt wird. Schließlich kann auch nur dann Einklang mit der Handlungsalternative des Sich-Erbietens bestehen, wenn die Annahmeerklärung nach § 30 II Alt. 2 StGB allein als Spezialfall der versuchten Anstiftung zu sehen ist. Wird für das Sich-Erbieten nämlich zutreffend gefordert, dass dieses praktisch eine Einladung zur Hervorrufung des Tatentschlusses bei dem sich Erbietenden beinhalte (sog. „echtes Sich-Erbieten“)553, so kann es für die Strafbarkeit einer Annahmeerklärung nach § 30 II Alt. 2 StGB konsequenterweise nicht ausreichen, wenn diese einen bereits vorhandenen Tatentschluss auf Seiten des sich (unecht) Erbietenden lediglich noch bestätigt. Zu folgen ist damit der Einordnung des § 30 II Alt. 2 StGB als Regelung eines Spezialfalls der versuchten Anstiftung bzw. Kettenanstiftung. Da, wie soeben festgestellt, die Annahmeerklärung einen Spezialfall der versuchten Verbrechensanstiftung darstellt, folgt diese insoweit auch den für § 30 I StGB geltenden Grundsätzen554. Hinsichtlich der Ernstlichkeit einer Annahmeerklärung i. S. v. § 30 II Alt. 2 StGB555 gilt daher (in Anlehnung an das bereits zu § 30 I StGB Festgestellte556), dass eine solche regelmäßig vorliegt, wenn nach Ansicht des Annehmenden zumindest die Möglichkeit besteht, dass seine Annahmeerklärung vom Empfänger – d.h. dem sich Erbietenden – ernst genommen werden und jenen hinreichend zur seinerseits angebotenen Begehung des präsumtiven Verbrechens bestimmen könnte557. 552
Wessels/Beulke, Rn. 565. Vgl. dazu bereits oben C.V.2.c)cc). 554 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 96; Thalheimer, S. 90. 555 Hierzu eingehend auch Thalheimer, S. 89 f. 556 Vgl. dazu oben C.V.2.b)dd). 557 BGHSt 10, 388 (389 f. – zu § 49a II StGB a. F.); Fischer, § 30 Rn. 11; Jescheck/ Weigend, § 65 III 2; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 99; Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 28; Thalheimer, S. 90. 553
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bb) Die Annahme eines für ernst gehaltenen Scheinangebots Während hinsichtlich der Frage der Ernstlichkeit bei § 30 II Alt. 2 StGB für die Annahmeerklärung als solche – unumstritten – verlangt wird, dass der Annehmende damit rechnet, dass der sich Erbietende als präsumtiver Täter die Annahmeerklärung ernst nehmen und ihr entsprechend handeln wird558, steht hingegen die Konstellation, in der eine ernst gemeinte Annahmeerklärung auf ein nicht ernst gemeintes, sondern lediglich nach außen hin so erscheinendes Sich-Erbieten folgt, in der Diskussion559. Für den Annehmenden stellt sich in einem solchen Fall die Frage, ob dieser sich gemäß § 30 II Alt. 2 StGB strafbar macht, wenn er nicht erkennt, dass ihm bloß ein Scheinangebot gemacht wurde und er infolge des Nichterkennens meint, mit seiner Annahmeerklärung den sich Erbietenden zur Begehung des von diesem selbst in Aussicht gestellten Verbrechens tatsächlich bestimmen zu können. Hinsichtlich des Scheinangebots ist also eine Äußerung erforderlich, welche zwar die äußeren Kriterien einer Bereitschaftserklärung gemäß § 30 II Alt. 1 StGB erfüllt (d.h. insbesondere eine hinreichend konkrete Beschreibung der angedachten Tat i.V. m. der ernst gemeint erscheinenden Bekundung der Begehungsbereitschaft), dabei aber nicht von einem tatsächlichen Bindungswillen des sich Bereiterklärenden – denn an diesem mangelt es in dem vorliegend diskutierten Fall ja gerade – getragen wird. Die hier zutage tretende Konstellation erweist sich praktisch wiederum gerade (auch) für solche Sachverhalte als relevant, bei denen die Kommunikation zwischen dem sich Erbietenden und dem Annehmenden über Kommunikationsmittel des Internets erfolgt. Wie schon im Rahmen der versuchten Verbrechensanstiftung dargelegt560, bergen gerade die in verschiedenen Internetkommunikationsmitteln (meist sogar kumulativ) gegebenen Bedingungen bzw. Möglichkeiten, insbesondere die der personalen Anonymität und der (häufig) unkontrollierten bzw. unzensierten Kundgabe561, z. T. gegenüber einer unüberschaubaren Anzahl potenzieller Empfänger, auch die Gefahr manipulativer, täuschender oder eben auch nur scheinbar ernst gemeinter bzw. vollständig unernster Äußerungen562. Ein solcher Fall liegt beispielsweise vor, wenn zum Zweck bloßer Provokation täuschend echt – jedoch unter Verwendung einer Scheinidentität und ohne tatsächlichen Begehungsvorsatz – per E-Mail die Erschießung eines bestimmten Politikers auf einer öffentlichen Großveranstaltung am nächsten Tag angeboten wird. Ebenso könnte das bereits im Rahmen der Ausführungen zu § 30 II Alt. 1 StGB benannte Beispiel des Angebots eines schweren bandenmäßigen Fahrzeugdieb558
Vgl. Thalheimer, S. 89 f. Hierzu ausführlich wiederum Thalheimer, S. 90 ff. 560 Vgl. oben C.V.2.b)dd). 561 Hierzu auch B. Heinrich, FS Heinz 2012, S. 728 (728 f.). 562 Zum diesbezüglichen Simulationspotenzial in Internetkommunikationsmitteln vgl. ebenfalls bereits oben C.V.2.b)dd). 559
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stahls563 nicht ernst gemeint, sondern bloß zum Schein abgegeben worden sein. Der sich lediglich unernstlich Erbietende bleibt in einem solchen Fall regelmäßig straflos, weil es ihm an einem hinreichenden Vorsatz zur Verwirklichung des angebotenen Verbrechens fehlt und er auch dann, wenn der Annehmende keinerlei Zweifel an der Ernstlichkeit des Scheinangebots hegt, nicht die Kontrolle über das weitere Geschehen aus der Hand gibt564. Der Klärung bedarf es hingegen, ob trotz der mangelnden Ernstlichkeit des Sich-Erbietens eine Strafbarkeit nach § 30 II Alt. 2 StGB für denjenigen gegeben sein kann, der das Scheinangebot für ernst gemeint hält und selbiges annimmt. Eine Ansicht geht in der hier dargestellten Konstellation zwar grundsätzlich von einer Strafbarkeit des Annehmenden aus, ist sich dabei aber uneinig darüber, ob § 30 II Alt. 2 StGB oder aber § 30 I StGB zur Anwendung kommen soll565. Demgegenüber lehnt eine andere Ansicht die Strafbarkeit des Annehmenden bei fehlender Ernstlichkeit des der Annahme vorausgehenden Angebots von vornherein ab566. Die Ablehnung einer Strafbarkeit des Annehmenden wird dabei damit begründet, dass es seiner Handlung in dieser speziellen Konstellation an jeglicher Gefährlichkeit fehle567, weil sich eine solche Annahmeerklärung als wirkungslos erweise, wenn der sich Erbietende mangels tatsächlich vorhandenem Willen von vornherein nicht zur Realisierung seines Angebots bereit ist568. Dem wird jedoch zu Recht entgegengehalten, dass es sich bei der Annahmeerklärung nach § 30 II Alt. 2 StGB praktisch um einen Unterfall der versuchten Anstiftung handele und eine solche wiederum auch dann – als sog. „misslungene Anstiftung“ – strafbar sei, wenn der präsumtive Haupttäter grundsätzlich keinen eigenen Tatentschluss fassen will569. Weiterhin wird – ebenfalls nicht unbegründet – in Frage gestellt, ob die Annahmeerklärung eines Scheinangebots sich tatsächlich als vollkommen ungefährlich erweist, denn immerhin könne eine solche Annahmeerklärung auch bei einem sich zunächst nur zum Schein Erbietenden noch zu einem entsprechenden Tatentschluss führen570. Zudem erweise sich eine auf ein nicht ernstliches 563
Vgl. oben C.V.2.c)aa). Vgl. zu den Anforderungen an die Ernstlichkeit bei Bereitschaftserklärungen nach § 30 II Alt. 1 StGB oben C.V.2.c)aa). 565 Für § 30 II Alt. 2 StGB BGHSt 10, 388 (zu § 49a II StGB a. F.); Fischer, § 30 Rn. 11; Hinderer, JuS 2011, 1072 (1075); Lackner/Kühl, § 30 Rn. 6; Schönke/SchröderHeine, § 30 Rn. 24; Thalheimer, S. 91 f. Für § 30 I StGB LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 98; MK-Joecks, § 30 Rn. 50; Roxin, AT II, § 28 Rn. 86; Satzger/Schmitt/ Widmaier-Murmann, § 30 Rn. 22; SK-Hoyer, § 30 Rn. 41. 566 Vgl. Jescheck/Weigend, § 65 III 2; NK-Zaczyk, § 30 Rn. 44. 567 So NK-Zaczyk, § 30 Rn. 44. 568 Jescheck/Weigend, § 65 III 2. 569 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 98; Roxin, AT II, § 28 Rn. 86; Thalheimer, S. 90. 570 BGHSt 10, 388 (389 – zu § 49a II StGB a. F.). 564
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Sich-Erbieten folgende Annahmeerklärung auch deshalb als strafwürdig, weil auch in diesem Fall eine „[. . .] den Rechtsfrieden gefährdende Vorbereitungshandlung nach außen erkennbar gemacht [. . .]“ werde571. Nachdem einer völligen Straffreiheit des Annehmenden in der vorliegenden Konstellation also tatsächlich einige nicht von der Hand zu weisende Argumente entgegenhalten werden können, ist nunmehr noch fraglich, ob in diesem Fall § 30 II Alt. 2 StGB anzuwenden ist. Dies ist – wie bereits eingangs angedeutet – umstritten, da hier z. T. auch § 30 I StGB als die einschlägige Norm angesehen wird572. Zunächst könnte man sich also die Frage stellen, warum für die Erklärung der Annahme bei einem – nicht als solchen erkannten – Scheinangebot überhaupt eine Strafbarkeit nach § 30 I StGB in Betracht kommen soll. Eingewandt wird hierfür das Argument, dass eine Annahmeerklärung nach § 30 II Alt. 2 StGB zwingend das Vorliegen eines ernstlichen Sich-Erbietens voraussetze, weil beim Fehlen der Ernstlichkeit – und damit auch der Gefährlichkeit – des Angebots schon grundsätzlich keine strafwürdige Annahme möglich sei573. Dies überzeugt, denn tatsächlich erfordert eine dogmatisch korrekte Anwendung des § 30 II Alt. 2 StGB ein vorausgehendes ernst gemeintes Angebot zur Verbrechensbegehung, da anderenfalls das von § 30 II Alt. 2 StGB zwischen den Beteiligten vorausgesetzte „Gefährdungskonstrukt“ wohl kaum zur Entstehung gelangen dürfte. Gleichwohl kann sich die (vermeintliche) Annahmeerklärung als solche aber auch dann als strafwürdig erweisen, wenn diese auf ein bloßes Scheinangebot folgt. Hierzu hat der BGH bereits überzeugend festgestellt, dass auch in diesem Fall durch die Annahmeerklärung letztlich noch ein entsprechender Tatentschluss des sich nur zum Schein Erbietenden hervorgerufen werden könne574. Betrachtet man die hier regelmäßig vorliegende Situation, so fällt zudem auf, dass der die Annahme Erklärende einem negativen Tatbestandsirrtum unterliegt, wenn er fälschlich von der Ernstlichkeit des sich Erbietenden ausgeht575. Daher wird hier auch zutreffend, ein untauglicher – aber strafbarer – Anstiftungsversuch nach § 30 I StGB angenommen576. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass dogmatische Gründe gegen eine Anwendung von § 30 II Alt. 2 StGB sprechen. Da die Annahmeerklärung aber auch 571
BGHSt 10, 388 (389 f. – zu § 49a II StGB a. F.). So jedenfalls LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 98; MK-Joecks, § 30 Rn. 50; Roxin, AT II, § 28 Rn. 86; Satzger/Schmitt/Widmaier-Murmann, § 30 Rn. 22; SKHoyer, § 30 Rn. 41. Für § 30 II Alt. 2 StGB hingegen BGHSt 10, 388 (zu § 49a II StGB a. F.); Fischer, § 30 Rn. 11; Lackner/Kühl, § 30 Rn. 6; Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 24; Thalheimer, S. 91 f. 573 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 98; Roxin, AT II, § 28 Rn. 86; Satzger/ Schmitt/Widmaier-Murmann, § 30 Rn. 22. 574 BGHSt 10, 388 (389 – zu § 49a II StGB a. F.). 575 Vgl. auch BGHSt 10, 388 (390 – zu § 49a II StGB a. F.). 576 Vgl. LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 98; Roxin, AT II, § 28 Rn. 86. 572
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als ein Unterfall der versuchten Verbrechensanstiftung bezeichnet werden kann und sich zudem regelmäßig als untauglicher Versuch darstellt, wenn sie sich auf ein lediglich für ernst gemeint gehaltenes Angebot bezieht, ist eine Strafbarkeit des Annehmenden nach § 30 I StGB zu bejahen. cc) Das Problem des erforderlichen Zugangs bei der Annahmeerklärung Wie schon bei der versuchten Anstiftung nach § 30 I StGB577 und der Bereitschaftserklärung nach § 30 II Alt. 1 StGB578 lässt sich auch für die Annahme eines Angebots zur Verbrechensbegehung die Frage stellen, ob diese Erklärung dem sich Erbietenden zugehen muss oder ob bereits deren bloße Kundgabe für die Verwirklichung von § 30 II Alt. 2 StGB ausreichen kann. Wird ein Zugangserfordernis befürwortet, so kann im Weiteren diskutiert werden, ob allein der Zugang in den Machtbereich des Empfängers (z. B. die Zustellung einer E-Mail in den Mail-Account des Adressaten) ausreichen soll oder ob eine darüber hinausgehende Kenntnisnahme durch den Empfänger (z. B. das Abrufen bzw. Öffnen der betreffenden E-Mail) erfolgen muss. Für den Bereich der Internetkommunikation kann die (strafrechtliche) Zugangsfrage beispielsweise dann relevant werden, wenn die Datenübertragung – welche als rein technischer Vorgang allenfalls wenige Sekunden benötigt und somit kaum eine hinreichende zeitliche Zäsur bewirken kann – künstlich unterbrochen wird, wie es u. a. der Fall ist, wenn ein Moderator oder ein Administrator eingehende E-Mails, Chat- und Forenbeiträge usw. erst nach einer inhaltlichen Prüfung an den oder die bestimmten Adressaten weiterleitet bzw. für den jeweiligen Publikationsbereich (z. B. Chatroom, Forum) freigibt579. Ebenso ist es aber auch möglich, dass die Unterbrechung des Kommunikationsvorgangs bzw. das Auseinanderfallen von Abgabe und Zugang einer Äußerung auf einem technischen Problem beruht und damit ungewollt erfolgt. Eine solche technische Ursache kann beispielsweise in einem Serverausfall gesehen werden. Aufgrund der praktischen Relevanz für die Internetkommunikation ist es auch für die vorliegende Arbeit von Interesse, ob es für eine Strafbarkeit nach § 30 II Alt. 2 StGB i.V. m. dem jeweiligen Verbrechenstatbestand lediglich der Abgabe bzw. Entäußerung der Annahmeerklärung oder auch deren Zugangs bei dem sich Erbietenden bedarf. Da in der Annahmeerklärung nach § 30 II Alt. 2 StGB zutreffenderweise ein Spezialfall der versuchten Anstiftung gesehen wird, überrascht es nicht, dass sich auch die jeweils zur Zugangsfrage vertretenen Ansichten einander entsprechen. 577
Vgl. dazu bereits oben C.V.2.b)ee). Vgl. dazu bereits oben C.V.2.c)dd). 579 Vgl. dazu ebenfalls oben C.V.2.b)ee) zu § 30 I StGB und C.V.2.c)dd) zu § 30 II Alt. 1 StGB. 578
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So wird es auch für die Annahme eines Sich-Erbietens von der überwiegenden Ansicht für ausreichend erachtet, dass diese lediglich entäußert und damit aus dem Macht- und Einflussbereich entlassen wird580, während es andererseits, nach vereinzelter Ansicht, auch deren Zugangs und Kenntnisnahme durch den sich Erbietenden bedarf581. Demnach ist hier eine erneute Auseinandersetzung mit der Zugangsfrage nicht erforderlich. Vielmehr kann im Anschluss an die diesbezüglich zur versuchten Anstiftung geführte Diskussion darauf verwiesen werden, dass auch bei der Annahme eines Sich-Erbietens die Strafwürdigkeit im Wesentlichen darin besteht, dass regelmäßig bereits mit der Abgabe der Äußerung die Kontroll- und Einflussmöglichkeiten bezüglich des weiteren Geschehensverlaufs aus der Hand gegeben werden582. Ist es Sinn und Zweck der Annahmeerklärung, bei dem sich initiativ Bereiterklärenden den endgültigen Tatentschluss hervorzurufen, so schafft der Annehmende bereits mit der Entäußerung der Erklärung eine für ihn nicht mehr steuerbare Gefährdungslage für die durch die präsumtive Tat zu verletzenden Rechtsgüter. Folglich muss es (auch) für die Strafbarkeit des Annehmenden nach § 30 II Alt. 2 StGB ausreichen, dass dessen Erklärung entäußert wird, während es diesbezüglich auf einen Zugang bei dem sich Erbietenden nicht ankommen kann. So ist im Ergebnis auch hier beispielsweise schon das bloße Absenden einer E-Mail entsprechenden Inhalts strafbar, selbst dann, wenn die verwendete Adresse fehlerhaft ist oder nicht mehr existiert und ein Zugang beim Adressaten aus objektiven Gründen von vornherein ausscheidet. e) Die Verabredung zur Begehung eines Verbrechens (§ 30 II Alt. 3 StGB) aa) Überblick über § 30 II Alt. 3 StGB Die letzte und zugleich wohl bedeutsamste Alternative des § 30 II StGB ist die der Verbrechensverabredung583. Eine Verabredung nach § 30 II Alt. 3 StGB liegt regelmäßig dann vor, wenn sich mindestens zwei Personen zur mittäterschaftlichen Begehung eines Verbrechens bzw. zur Anstiftung zu einem solchen durch eine entsprechende Willensübereinkunft entschließen584. Demnach kann die Ver580 Vgl. MK-Joecks, § 30 Rn. 52; Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 24; SK-Hoyer, § 30 Rn. 45; Thalheimer, S. 88 f. 581 Vgl. NK-Zaczyk, § 30 Rn. 45. 582 Roxin, AT II, § 28 Rn. 5. 583 Zur Verabredung einer Verbrechensbegehung u. a. Dessecker, JA 2005, 549 (551 f.); Kühl, § 20 Rn. 252 f.; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 60 ff.; MKJoecks, § 30 Rn. 53 ff.; NK-Zaczyk, § 30 Rn. 48 ff.; Rengier, AT, § 47 Rn. 24 ff.; Roxin, AT II, § 28 Rn. 43 ff.; eine Dissertation eigens zu § 30 II Alt. 3 StGB liegt vor von Fieber, Die Verbrechensverabredung, § 30 Abs. 2, 3. Alt. StGB, 2001. 584 BGHSt 53, 174 (176); Dessecker, JA 2005, 549 (551); Fischer, § 30 Rn. 12; Jescheck/Weigend, § 65 III 1; Lackner/Kühl, § 30 Rn. 6; NK-Zaczyk, § 30 Rn. 49;
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brechensverabredung auch als „Vorstufe der Mittäterschaft“ bezeichnet werden585 bzw. insoweit auch mit der nach § 25 II StGB erforderlichen gemeinsamen Tatentschlussfindung gleichgesetzt werden586. Wie schon angesprochen587, wird der Strafgrund bei der Verabredung zur Begehung eines Verbrechens im Wesentlichen in der sich aus einer solchen Absprache ergebenden Bindungswirkung gesehen, welche die Wahrscheinlichkeit der tatsächlichen (späteren) Verbrechensrealisierung regelmäßig erhöhen dürfte588. So soll aus der Tatzusage nämlich folgen, dass der sich Verabredende und die anderen präsumtiven Mittäter einander gegenüber jeweils „im Worte stehen“ und sich deshalb nur schwer wieder von dem Vereinbarten lösen können589. Denkt man diese Aussage – insbesondere die Floskel „im Worte stehen“ – weiter, wird klar, dass die besagte Bindungswirkung praktisch auf einer Art „Rechtfertigungsdruck“ beruhen muss, in welchen ein Verabredungsbeteiligter gegenüber den anderen Mittätern geraten würde, wenn er vom Vereinbarten Abstand nähme. Nicht zuletzt, weil bei einem Abweichen von der Verabredung auch persönliche Konsequenzen drohen können590, werden die Verabredungsbeteiligten sich daher in besonderem Maß einer Loyalitätspflicht unterworfen fühlen. Zu beachten ist allerdings, dass ein entsprechender Rechtfertigungsdruck erst entstehen bzw. eine Willensbindung erst zur Geltung kommen kann, wenn es ernst wird, d.h. wenn eine Abstandnahme in der Situation der gemeinsamen Tatausführung erfolgt und dies gegenüber den anderen Mittätern (aufgrund deren Anwesenheit) erklärungsbedürftig wird. Auf diese Fälle können die vorangehenden Ausführungen uneingeschränkt übertragen werden. Aufgrund der ganz überwiegend anerkannten Möglichkeit einer funktionalen Tatherrschaft ist jedoch die gleichzeitige Anwesenheit der Mittäter bei der Tatbegehung nicht zwingend erforderlich, sofern eine entsprechende Abwesenheit durch einen Überschuss an Planung ausgeglichen werden kann591. Hiernach sind also durchaus auch Konstellationen denkbar, in denen verabredet wird, dass nur einer der präsumtiven Mittäter die
Rengier, AT, § 47 Rn. 24; Roxin, AT II, § 28 Rn. 43; Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 25. 585 Vgl. B. Heinrich, AT, Rn. 1371; Kühl, § 20 Rn. 252; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 72; Roxin, AT II, § 28 Rn. 60 f.; Wessels/Beulke, Rn. 564; sowie Fischer, § 30 Rn. 12 der von „vorbereiteter Mittäterschaft“ spricht. 586 Vgl. Jescheck/Weigend, § 65 III 1. 587 Vgl. die Einführung zu § 30 StGB oben C.V.2.b)aa). 588 MK-Joecks, § 30 Rn. 53; NK-Zaczyk, § 30 Rn. 49; Roxin, AT II, § 28 Rn. 43; kritisch jedoch Fieber, S. 167 ff. 589 So LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 3, 11; Roxin, AT II, § 28 Rn. 5, 43 ff. 590 Roxin, AT II, § 28 Rn. 45. 591 Vgl. u. a. Fischer, § 25 Rn. 15; B. Heinrich, AT, Rn. 1228; Jescheck/Weigend, § 63 III 1; Kühl, § 20 Rn. 110 f.; Lackner/Kühl, § 25 Rn. 11; Schönke/Schröder-Heine, § 25 Rn. 66 f.; kritisch hingegen LK-Schünemann, 12. Aufl., § 25 Rn. 184 ff.; Roxin, AT II, § 25 Rn. 204 ff.
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Ausführung der Verbrechenstat übernehmen soll, während die Zuständigkeit für die Planung bei dem/den anderen liegt. Eine Bindungswirkung kann hier für den präsumtiven Ausführenden jedoch kaum entstehen. Weil den anderen Mittätern – gemäß der Vereinbarung – mangels Anwesenheit bei der Tatausführung keinerlei Kontrolle über den Ausführenden möglich ist, kann jener von der Tatausführung Abstand nehmen, ohne dabei Repressalien befürchten zu müssen. Besteht aber auch auf Seiten des für die Ausführung vorgesehenen Mittäters nach der Verabredung eine vollständige Entschlossenheit zur Realisierung der Verbrechenstat, ist gleichwohl eine hinreichende Gefahrschaffung hinsichtlich der zu verletzenden Rechtsgüter zu verzeichnen. Als Schlussfolgerung hieraus ist festzuhalten, dass es letztlich die allein auf der Verabredung beruhende Gefahrschaffung ist, die den Strafgrund des § 30 II Alt. 3 StGB ausmacht. Obwohl die so geschaffene Gefahr in vielen Fällen infolge verabredeter gemeinsamer Tatausführung durch eine Bindungswirkung bzw. einen Rechtfertigungsdruck verstärkt werden wird, kann das Vorliegen einer solchen Bindungswirkung nicht per se als obligatorische Voraussetzung für eine Strafbarkeit nach § 30 II Alt. 3 StGB betrachtet werden. Handelt es sich beispielsweise um einen Fall funktionaler Tatherrschaft dergestalt, dass eine gemeinsame Anwesenheit der präsumtiven Mittäter bei der Ausführung des Verbrechens (gerade) nicht erforderlich ist, kann – wie aufgezeigt – gleichwohl schon eine für § 30 II Alt. 3 StGB hinreichende Gefahr geschaffen worden sein, ohne dass es noch einer zusätzlichen Bindungswirkung bedarf. Allein mit der Herbeiführung einer Bindungswirkung an das Verabredete bzw. einem Rechtfertigungsdruck gegenüber den anderen kann daher der Strafgrund des § 30 II Alt. 3 StGB nicht hinreichend beschrieben werden. Hiermit im Einklang steht es auch, wenn geltend gemacht wird, dass (erst) durch die Zusage eines Verabredungsbeteiligten bei dem/den anderen präsumtiven Mittätern der Entschluss zur Tatbegehung hervorgerufen wird und dies zu einer entsprechenden Gefahrschaffung führt592. Schließlich wird die Möglichkeit einer Gefahrerhöhung auch darin gesehen, dass es bei einer Verabredung von ohnehin zur Tatbegehung Entschlossenen zu einer Bündelung der bereits vorhandenen kriminellen Energie kommen kann593. Da die Täter des § 30 II Alt. 3 StGB sich also im Wege der Verabredung eines gemeinsamen Tatplans darüber einigen (müssen), die präsumtive Verbrechenstat bewusst und gewollt durch gemeinsames bzw. arbeitsteiliges Handeln zu begehen, entfallen hier einige der Probleme, welche sich bei den anderen Beteiligungsformen des § 30 StGB – gerade im Hinblick auf eine Begehung über Internetkommunikationsmittel – gegebenenfalls stellen können. So erübrigt sich wei592 MK-Joecks, § 30 Rn. 53; SK-Hoyer, § 30 Rn. 46; Thalheimer, S. 92 ff.; kritisch wiederum Fieber, S. 166, der die eigenständige Bedeutung des § 30 II Alt. 3 StGB allein in einem Zusammenschluss bereits zur Tatbegehung Entschlossener, also Nebentäter, sieht. 593 So Fieber, S. 166; zustimmend Thalheimer, S. 95.
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testgehend zunächst die Frage nach einem Zugangserfordernis, denn regelmäßig ist eine Verabredung ohne Zugang der jeweiligen Erklärungen kaum denkbar. Bereits bei § 25 II StGB wird für die Fassung des gemeinsamen Tatplans im Mindestmaß gefordert, dass der eine Mittäter die von dem anderen ausgesandten Signale als solche erkennt und akzeptiert, wenngleich auch hier eine bestätigende Rückmeldung bzw. Reaktion darauf nicht zwingend erforderlich ist (nämlich dann nicht, wenn der andere seinen Tatbeitrag in Erwartung der Akzeptanz leistet)594. Zudem legt bereits die Formulierung der tatbestandsmäßigen Handlung – SichVerabreden – nahe, dass es im Fall des § 30 II Alt. 3 StGB einer Aktion des einen präsumtiven Mittäters A und einer (annähernd gleichwertigen) Reaktion des anderen präsumtiven Mittäters B bedarf. Dies entspricht auch der gängigen Definition des Sich-Verabredens, nach der regelmäßig eine Willenseinigung erforderlich ist595. Das Zustandekommen einer solchen Willenseinigung verlangt jedoch mehr als nur eine einseitige Erklärung (durch A) und deren stillschweigende – wenn auch zur Akzeptanz führende – Kenntnisnahme (durch B)596. Erforderlich ist also auch eine Reaktion (des B), welche mindestens in Form einer (für A erkennbaren) konkludenten Erklärungshandlung erfolgen muss597. Wird aber grundsätzlich eine zumindest konkludente Erklärungshandlung (von B) verlangt, um die Übereinstimmung mit dem Tatplan zu signalisieren, ist dies nur dann sinnvoll, wenn zugleich auch deren Wahrnehmung durch den anderen präsumtiven Mittäter (den A) gefordert wird. Anderenfalls würde die bei § 30 II Alt. 3 StGB vorausgesetzte Bindungswirkung wohl kaum entstehen können. Zudem läge bei einem Verzicht auf die Wahrnehmung (durch A) der annehmenden Reaktion (des B) im Ergebnis lediglich eine stillschweigende „Einpassung“ (des B) in den Tatentschluss (des A) vor598. Zwingende Voraussetzung für die Wahrnehmung der annehmenden Reaktion (durch A) ist dabei stets der Zugang derselben (bei A). Ferner ist zu berücksichtigen, dass lediglich einseitige Kommunikationsakte bereits von den anderen Handlungsmöglichkeiten des § 30 StGB erfasst werden, 594
Vgl. LK-Schünemann, 12. Aufl., § 25 Rn. 173. LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 60; MK-Joecks, § 30 Rn. 53; NK-Zaczyk, § 30 Rn. 50. 596 So fordert NK-Zaczyk, § 30 Rn. 50 Zugang der Erklärungen und „ihre Umsetzung in die Einigung“. 597 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 60; NK-Zaczyk, § 30 Rn. 50. 598 Dem bloßen stillschweigenden sog. „Einpassungsentschluss“ einer zum Tatgeschehen hinzutretenden Person, welcher sich zwar durch eine mitwirkende Handlung manifestiert, von dem „Ursprungstäter“ jedoch nicht bemerkt wird, wird bereits im Rahmen von § 25 II StGB ganz überwiegend die Eignung zur Begründung einer Mittäterschaft abgesprochen; vgl. Kühl, § 20 Rn. 106; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 25 Rn. 175; NK-Schild, § 25 Rn. 137; Rengier, AT, § 44 Rn. 12; Roxin, AT II, § 25 Rn. 191; befürwortend jedoch Jakobs, 21/43. 595
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so dass die dritte Alternative des zweiten Absatzes lediglich dann eine eigenständige Bedeutung erhält, wenn die gegenseitigen Erklärungen jeweils auch dem einen oder den mehreren vorgesehenen Empfängern zugegangen sind und miteinander korrespondieren. Letztlich stützt auch die Prämisse, § 30 StGB grundsätzlich restriktiv auszulegen, das Erfordernis des Vorliegens und des Zugangs bzw. der Kenntnisnahme der (zumindest konkludenten) Erklärungen der präsumtiven Mittäter. Diese Vielzahl von Gründen spricht im Ergebnis dafür, für eine Verabredung i. S. v. § 30 II Alt. 3 StGB jedenfalls den wechselseitigen Zugang der Erklärungen der präsumtiven Mittäter vorauszusetzen. Des Weiteren entfällt für die Konstellation des § 30 II Alt. 3 StGB auch das Problem der hinreichenden Konkretisierung des einen bzw. der mehreren Erklärungsempfänger. Regelmäßig bringt es nämlich bereits die gegenseitige Absprache mit sich, dass sich die präsumtiven Mittäter durch ihren jeweiligen Beitrag zu bzw. die Beteiligung an der Verabredung praktisch von selbst konkretisiert haben. Da der Zeitpunkt, ab dem überhaupt erstmals von einer Verabredung i. S. v. § 30 II Alt. 3 StGB gesprochen werden kann, bereits das Vorliegen mehrerer – mindestens jedoch zweier – aufeinander bezogener Kundgaben voraussetzt, kann es hier nicht mehr darauf ankommen, ob derjenige, der als Initiator der Verabredung die erste Äußerung abgegeben hat, dabei bereits einen oder mehrere hinreichend bestimmbare Adressaten oder lediglich eine unüberschaubare Vielzahl potenzieller Empfänger im Blick hatte. Bedeutung könnte dieser Umstand allerdings dann (wieder) erlangen, wenn ein Kommunikationsvorgang nicht die tatbestandsmäßige Qualität des § 30 II Alt. 3 StGB erreicht und eine Verbrechensverabredung daher abzulehnen wäre. Für den Initiator käme dann möglicherweise nämlich – je nach den Umständen des konkreten Sachverhalts – eine Strafbarkeit nach § 30 I StGB oder § 30 II Alt. 1 StGB in Betracht, für die dann wiederum auch das Konkretisierungserfordernis im Hinblick auf den Adressaten der Äußerung599 eine Bedeutung entfalten könnte. Wiederum bedarf es keiner all zu großen Fantasie, um sich vorzustellen, dass auch die Kommunikationsmittel des Internets für Verbrechensverabredungen nach § 30 II Alt. 3 StGB genutzt werden können. Da es sich bei der Verbrechensverabredung um die gemeinsame aktive Ausgestaltung der präsumtiven Tat und ihrer Begehung durch eine wechselseitige kommunikative Beeinflussung handelt, scheinen einige der bereits zur versuchten Anstiftung, zur Bereitschaftserklärung und zur Annahme eines Sich-Erbietens herausgearbeiteten Problemkonstellationen hierauf übertragbar, zumal gerade diese Begehungsformen des § 30 StGB in Betracht kommen können, wenn die Voraussetzungen einer Verabredung nach § 30 II Alt. 3 StGB nicht vollständig erfüllt sind. Hiernach ist es beispielsweise auch für die Verbrechensverabredung denkbar, dass die Täter des § 30 II Alt. 3 StGB in einem frei zugänglichen, mithin öffent599
Vgl. zu diesem Problem noch ausführlich unten C.V.3.b).
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lichen Chatroom lediglich verklausulierte bzw. bewusst unkonkrete Formulierungen verwenden, um sich vor der Entdeckung bzw. der Strafverfolgung zu schützen600. Dies könnte möglicherweise Probleme im Hinblick auf die erforderliche Konkretisierung der Verabredung aufwerfen601. Ebenso ist es denkbar, dass einer der Komplottanten lediglich zum Schein erklärt, Mittäter sein zu wollen, es ihm also in Wirklichkeit an der (hinreichenden) Ernstlichkeit bezüglich der Realisierung des zukünftigen Verbrechens mangelt602. Problematisch für die Annahme einer Verbrechensverabredung könnte dies jedenfalls dann sein, wenn es lediglich noch einen weiteren Beteiligten gibt603. Des Weiteren ist fraglich, wie sich die Unkenntnis von der wirklichen Identität der anderen Komplottanten auswirken kann. Wie schon mehrfach erwähnt, finden Auftritte in diversen Internetkommunikationsmitteln häufig anonymisiert durch Verwendung von Nicknames oder sonstigen Pseudonymen statt. Selbst bei einem Auftreten unter einem als normal erscheinenden Vor- und Zunamen kann im Zweifelsfall nicht gutgläubig davon ausgegangen werden, dass dieser der tatsächlichen Identität des Verwenders entspricht. Dennoch kann allein die Verwendung von Nicknames noch nicht dafür ausreichen, das Vorliegen einer Verabredung i. S. v. § 30 II Alt. 3 StGB abzulehnen604. Werden diese nämlich von den sich Verabredenden bei bestehender Kenntnis von der Identität des/der jeweils anderen lediglich aus Gründen der Tarnung verwendet, also um sich vor einer möglichen Identifikation durch Dritte zu schützen, so kann dies der Annahme einer Verbrechensverabredung wohl kaum entgegen gehalten werden. Davon zu unterscheiden ist jedoch der Fall, in dem die Verwendung von falschen Namen bzw. Nicknames mit einer vollständigen und für den Einzelnen allein nicht auflösbaren Anonymität der anderen Verabredungsbeteiligten verbunden ist. Gilt für die Findung eines gemeinsamen Tatentschlusses im Rahmen der Mittäterschaft nach § 25 II StGB, dass es keineswegs zwingend stets einer gegenseitigen Kenntnis – d.h. sämtlicher Identitätsmerkmale – der anderen Mittäter bedarf605, so wird dieser Umstand generell auch für eine Verabredung i. S. v. § 30 II Alt. 3 StGB zu berücksichtigen sein. Jedoch setzt die Mittäterschaft einander Unbekannter wenigstens voraus, dass jeweils ein Bewusstsein darüber besteht, dass der andere bzw. die anderen mitwirken und bei ihm bzw. ihnen ein
600
Vgl. in diesem Zusammenhang zu § 30 II Alt. 1 StGB bereits oben C.V.2.c)aa). Vgl. hierzu sogleich noch C.V.2.e)bb). 602 Vgl. zum Problem von Scheinerklärungen und Scheinidentitäten in Internetkommunikationsmitteln bereits oben zu § 30 I StGB C.V.2.b)dd) sowie auch zu § 30 II Alt. 2 StGB C.V.2.d)bb). 603 Vgl. hierzu sogleich noch C.V.2.e)cc). 604 BGH NStZ 2011, 570 (571 f.); vgl. aber auch B. Heinrich, FS Heinz 2012, S. 728 (734). 605 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 25 Rn. 173. 601
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gleiches Bewusstsein vorliegt606. Zum Tragen kommt hier also der Gedanke, dass eine gegenseitige Identitätskenntnis im Stadium der Erbringung der jeweiligen Tatbeiträge für die Annahme einer Mittäterschaft keine zwingende Voraussetzung (mehr) sein kann. Insbesondere muss dies für den Fall gelten, dass die Mittäter – gemäß dem Tatplan – unter gleichzeitiger Anwesenheit an der Begehung der Straftat mitwirken, denn hierbei kann deren Mittäterschaft nicht etwa von der (Un)Kenntnis einzelner Identitätsmerkmale des/der anderen abhängen, sondern entscheidend ist vielmehr, dass sich die Beteiligten hierbei real in persona begegnen und dadurch einen Zugang zueinander haben, der es ihnen jeweils ermöglicht, die Erbringung der wechselseitigen Tatbeiträge von dem/den anderen einzufordern. Hingegen ist die Verabredung gemäß § 30 II Alt. 3 StGB der Erbringung der mittäterschaftlichen Tatbeiträge naturgemäß zeitlich vorgelagert. Findet die Verabredung zudem – wie es in den Kommunikationsmitteln des Internets der Fall ist – unter Abwesenden bzw. über eine räumliche Distanz statt, so ist ihr Zustandekommen jedenfalls dann zu bezweifeln, wenn selbige auf eine Haupttat abzielt, deren Begehung zwingend die gleichzeitige Anwesenheit der präsumtiven Mittäter erfordert, die sich Verabredenden dabei aber zugleich unter vollständiger, nicht ohne den jeweils anderen auflösbarer Anonymität agieren und die Auflösung der Anonymität auch nicht für einen späteren Zeitpunkt angedacht ist bzw. der weitere Schritt der Anonymitätsauflösung nicht mehr realisiert wird607. So hat der BGH in einer jüngeren Entscheidung608 die Strafbarkeit des Angeklagten (A) wegen Verabredung zum Mord und verschiedenen Sexualverbrechen abgelehnt, weil hierbei die Kommunikation über einen Internetchat erfolgte, die beiden Beteiligten (A und B) einander dabei in vollständiger gegenseitiger Anonymität gegenüber traten und in selbiger auch in der Folgezeit verblieben. Dem Tatvorwurf konnte allein ein einziger Kommunikationsvorgang zugrunde gelegt werden, weil es zu nachfolgenden Kontakten zwischen A und B nicht mehr gekommen ist. In diesem einen Chatgespräch verabredeten sich A und B zur gemeinschaftlichen Realisierung eines Kindesmissbrauchs, welcher von extremen sexuellen und sadistischen Begleitumständen geprägt war, sowie zur anschließenden gemeinschaftlichen Tötung des Opfers. Dabei enthielt der gefasste Plan im Hinblick auf die Tatzeit, den Tatort und die gegenüber dem zukünftigen Opfer vorzunehmenden Handlungen schon sehr konkrete Vorstellungen. Gleichwohl traten sich A und B, die einander persönlich nicht kannten, nur unter ihren selbstgewählten Nicknames gegenüber. Eine Ermittlung der wirklichen Identität war ohne die Mitwirkung des jeweils anderen nicht möglich, zumal A seine Nicknames auch häufig wechselte. Weiterhin verfügten A und B auch nicht über eine
606
LK-Schünemann, 12. Aufl., § 25 Rn. 173. Zu einem solchen Fall BGH NStZ 2011, 570. 608 Vgl. BGH NStZ 2011, 570 mit Anmerkungen von Reinbacher, NStZ-RR 2012, 41 und Weigend, NStZ 2011, 572. Ausführlich zu diesem Fall auch unten D.IV. 607
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
direkte bzw. konkret personenbezogene Kommunikationsverbindung (z. B. eine Postadresse, Telefonnummer, E-Mail-Adresse) zu dem jeweils anderen. Das Chatgespräch fand daher unter vollständiger Anonymität der beiden Beteiligten statt. Aufgrund dieser Umstände hielt der BGH eine Verurteilung des A wegen Verabredung zur gemeinschaftlichen Verbrechensbegehung im Ergebnis für nicht haltbar609. Insbesondere weil dem betreffenden Kommunikationsvorgang keine Fortsetzung folgte, B allein keine Möglichkeit hatte, den A als seinen präsumtiven Mittäter auf irgendeine Art und Weise wiederzufinden und auf Erfüllung des Verabredeten in Anspruch zu nehmen und außerdem die Auflösung der Anonymität auch nicht Gegenstand der gemeinsamen Absprache geworden ist, sei der erforderliche Bindungswille nicht zu erkennen gewesen, so dass es vorliegend an der für eine Verbrechensverabredung nach § 30 II Alt. 3 StGB erforderlichen Ernstlichkeit fehlte610. Dem ist zuzustimmen, denn es überzeugt, jedenfalls dann an der Ernstlichkeit bzw. dem Willen zur Bindung an das Verabredete und damit letztlich an der Gefährlichkeit der Verabredung zu zweifeln, wenn Gegenstand der Absprache ein unter zwingender gleichzeitiger Präsenz zu begehendes Verbrechen ist, den Beteiligten aber zur Zeit der Verabredung Identitätsmerkmale des/der anderen weder bekannt, noch ohne dessen/deren Mitwirkung ermittelbar sind und es auch keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Beseitigung der Anonymität (z. B. durch weitere Kommunikation oder ein Treffen) zukünftig stattfinden soll. Im Unterschied zum Ausführungsstadium eines solchen Verbrechens verlangt die vorgelagerte Verabredung hingegen keine gleichzeitige räumliche Anwesenheit. Es ist daher möglich, sich zu verabreden, ohne dabei den/die anderen als identifizierbare Person(en) wahrnehmen zu müssen. Insbesondere in den Internetkommunikationsmitteln kann an die Stelle der physischen Präsenz der Beteiligten eine virtuelle treten. Zielt die Verabredung jedoch gerade auf eine Tatbegehung ab, welche die gleichzeitige Anwesenheit bzw. Mitwirkung der Beteiligten bei der Begehung unbedingt voraussetzt, gibt es zugleich aber keinerlei Hinweise darauf, dass es zukünftig zu einer Aufhebung der vollständigen Anonymität kommen soll und ist diese auch nur bei gegenseitiger Mitwirkung möglich, so kann für den Zeitraum des Bestehens dieser Anonymität noch nicht von einem Gefährdungsstadium ausgegangen werden, welches eine Strafbarkeit wegen der Verabredung zu einem Verbrechen rechtfertigen würde. Weder ist in dieser Situation nämlich zu befürchten, dass einer der Verabredungsbeteiligten die Tat auch allein realisieren würde, denn geplant ist gerade die unbedingte gemeinsame Begehung, noch ist es selbigen mangels Kenntnis von zur Identifikation geeigenten Merkmalen möglich, den/die jeweils anderen wiederzufinden und von ihm/ihnen die Tatbegehung einzufordern. Die Wahrung der vollständigen Anonymität lässt in 609 610
BGH NStZ 2011, 570 (571 f.). So BGH NStZ 2011, 570 (572).
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diesem Fall vielmehr darauf schließen, dass die Beteiligten sich nicht wirklich an das Verabredete halten, also gegenseitig binden und erforderlichenfalls künftig auf gemeinschaftliche Tatbegehung in Anspruch nehmen wollen. Festzustellen ist daher, dass die Verabredung zu einer mittäterschaftlichen und unter zwingender gleichzeitiger Anwesenheit erfolgenden Verbrechensbegehung – wenn sie über ein Kommunikationsmittel des Internets erfolgt, welches es dem Nutzer erlaubt, seine wahre Identität vollständig vor den anderen Nutzern zu verbergen – nur dann bzw. erst ab dem Zeitpunkt angenommen werden kann, in dem die Verabredungsbeteiligten sich gegenseitig auch die Möglichkeit der Identifikation geben (z. B. durch die Angabe bzw. den Austausch eines direkten bzw. konkret personenbezogenen Kommunikationszugangs) oder eine solche zumindest für die Zukunft festlegen und dann gegebenenfalls bei einem weiteren Kontakt realisieren. Da auch die dritte Handlungsalternative des § 30 II StGB nicht bereits von Gesetzes wegen definiert ist und daher der Auslegung bedarf – wobei diese nach ganz überwiegender Ansicht611, wie bei § 30 StGB insgesamt, eine restriktive sein müsse – bestehen diverse Streitstände, von denen einige wiederum auch bedeutsam werden können, wenn ein Kommunikationsvorgang über die Möglichkeiten bzw. Angebote des Internets erfolgt. Wie zuvor aufgezeigt, betrifft dies insbesondere Fragen der inhaltlichen Qualität der Absprache (erforderliche Konkretisierung der Verabredung)612 sowie der subjektiven Tatseite (Problem der nur scheinbaren Bereitschaft)613. bb) Die erforderliche Konkretisierung der Verabredung Im Hinblick auf das äußere Erscheinungsbild der Verabredung kann kein Zweifel daran bestehen, dass es hierfür mindestens zweier Beteiligter bedarf. Die Anforderungen an den Inhalt der Verabredung sind jedoch umstritten. Zwar besteht zunächst noch weitgehende Einigkeit in dem Punkt, dass die Verabredung grundsätzlich die Anforderungen an einen gemeinsamen Tatentschluss i. S. v. § 25 II StGB erfüllen muss614. Jener bezieht sich allerdings regelmäßig (schon) auf das Stadium der Tatausführung und betrifft daher primär den Aspekt der Tatbegehung, nämlich in Form bewussten und gewollten arbeitsteiligen Zusammenwirkens. 611 Vgl. u. a. MK-Joecks, § 30 Rn. 3, 60; Satzger/Schmitt/Widmaier-Murmann, § 30 Rn. 1; Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 1. 612 Hierzu sogleich C.V.2.e)bb). 613 Vgl. dazu unten C.V.2.e)cc). 614 Vgl. Fieber, S. 69; B. Heinrich, AT, Rn. 1371; Jescheck/Weigend, § 65 III 1; MKJoecks, § 30 Rn. 57; Roxin, AT II, § 28 Rn. 56; Satzger/Schmitt/Widmaier-Murmann, § 30 Rn. 9; Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 25; SK-Hoyer, § 30 Rn. 54; Thalheimer, S. 106 f.
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
Die Verbrechensverabredung hingegen ist naturgemäß noch wesentlich weiter von der Ausführung der eigentlichen (präsumtiven) Tat entfernt. Im Stadium der Tatvorbereitung muss daher neben bzw. vor der Vereinbarung der mittäterschaftlichen Begehung regelmäßig überhaupt erst einmal festgelegt werden, welches zukünftige Verbrechen denn (arbeitsteilig) begangen werden soll. Zumindest kommt einer solchen Festlegung hier eine weitaus größere Bedeutung zu als im Rahmen der Tatentschlussfindung bei § 25 II StGB. Konkret umstritten ist diesbezüglich die Frage, inwieweit das avisierte, mittäterschaftlich zu begehende Verbrechen sowie auch die Person des Opfers (bereits) durch die Verabredung bestimmt werden müssen615. Wie bereits bei der Anstiftung, der versuchten Verbrechensanstiftung und der initiativen Bereitschaftserklärung (Sich-Erbieten) tritt also auch bei der Verbrechensverabredung nach § 30 II Alt. 3 StGB das Problem der hinreichenden Konkretisierung der geplanten Tat in Erscheinung616. So stellen einige auf die für die Annahme eines gemeinsames Tatplans bei der Mittäterschaft maßgeblichen Gesichtspunkte ab und verlangen hinsichtlich der avisierten Tat zumindest das Vorliegen „rechtlich relevanter Konturen“ bzw. „wesentlicher Grundzüge“ 617, während andere darüber hinausgehende618 oder aber geringere Anforderungen619 zu stellen scheinen. Hiernach wird also auch die Verbrechensverabredung nach § 30 II Alt. 3 StGB in die Diskussion und Entscheidung dieses tatbestandsübergreifenden und abgrenzungsrelevanten Streits, welcher der Darstellung der relevanten Normen nachfolgt620, einzubeziehen sein. cc) Das Problem der nur scheinbaren Bereitschaft Schon bei der Annahme eines Sich-Erbietens nach § 30 II Alt. 2 StGB stellte sich die Frage der Strafbarkeit für denjenigen, der ein lediglich zum Schein erklärtes Angebot annimmt. Die dazu bereits (gerade auch im Hinblick auf die Nutzung von Internetkommunikationsmitteln) aufgezeigte Problematik621 lässt sich von der Angebot-Annahme-Situation des § 30 II Alt. 2 StGB auf die Verabredungssituation des § 30 II Alt. 3 StGB übertragen. Auch hier ist es denkbar, 615 Hierzu auch Fieber, S. 69 ff.; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 67 f.; MKJoecks, § 30 Rn. 55 ff.; NK-Zaczyk, § 30 Rn. 52; Roxin, AT II, § 28 Rn. 56 f.; Thalheimer, S. 106 ff. 616 Diesbezüglich spricht MK-Joecks, § 30 Rn. 55 auch von „Planungsintensität“. 617 Vgl. BGH NStZ 2007, 697; Fieber, S. 69; B. Heinrich, AT, Rn. 1371; Hinderer, JuS 2011, 1072 (1076); Kühl, § 20 Rn. 253; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 67; NK-Zaczyk, § 30 Rn. 52; Rengier, AT, § 47 Rn. 25; Roxin, AT II, § 28 Rn. 56; Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 25. 618 Vgl. Jakobs, 27/11; MK-Joecks, § 30 Rn. 62. 619 Vgl. Jescheck/Weigend, § 65 III 1; SK-Hoyer, § 30 Rn. 54. 620 Vgl. zu diesem Streit ausführlich unten C.V.3.a) sowie speziell zu § 30 II Alt. 3 StGB unter C.V.3.a)bb). 621 Vgl. dazu oben C.V.2.d)bb).
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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dass einer oder mehrere Komplottanten an der Verabredung eines gemeinschaftlich zu begehenden Verbrechens teilnehmen, dabei aber hinsichtlich der ihrerseits angebotenen bzw. zugesagten Mitwirkung nicht wirklich über einen entsprechenden Realisierungswillen verfügen622. Hierzu folgendes kleines Beispiel: A postet auf seiner persönlichen Profilseite in einem sozialen Online-Netzwerk, zu der bisher zehn Netzwerkfreunde von ihm selbst zugelassen worden sind, die Frage: „Wer von Euch hilft mir dabei, morgen um 18:00 Uhr meinem Ex-Chef, wenn er auf dem Heimweg ist, mal so richtig eins auf die Mütze zu geben und ihn krankenhausreif zu prügeln, um ihm dann sein prall gefülltes Portemonnaie abzuzocken? Das Geld können wir dann gern teilen!“ Dies tut er jedoch nur, um seinen Netzwerkfreunden zu imponieren und sich als „starker Mann“ aufzuspielen. Zur Begehung der Tat will er es aber nicht kommen lassen, da ihm dafür der Mut fehlt. Zwar verspricht sich A dadurch die besondere Anerkennung seiner zehn Netzwerkfreunde, zugleich hofft er jedoch auch darauf, nicht in die brisante Situation zu geraten, die Ernsthaftigkeit seiner Worte unter Beweis stellen zu müssen. Entgegen dem Hoffen des A erklärt sich B, einer der zehn zugelassenen Netzwerkfreunde, dann tatsächlich zur Begehung der Tat bereit, indem er auf der Profilseite folgende Antwort postet: „Hallo A, kein Problem! Morgen habe ich Zeit und helfe Dir gern dabei, den Typen mal so richtig zu vermöbeln. Ich werde mit dem Auto kommen, damit wir uns danach schnell aus dem Staub machen können. Ein bisschen frisches Geld kann ich gerade auch ganz gut gebrauchen. Also bis morgen!“ Noch am selben Tag liest A die Antwort des B. Fraglich ist also, ob sich A und B hier, trotz der bei A fehlenden Ernstlichkeit, über dessen Profilseite zur Begehung eines Verbrechens – nämlich eines schweren Raubes in Mittäterschaft gemäß §§ 249 I, 250 II Nr. 3a, 25 II StGB – i. S. v. § 30 II Alt. 3 StGB verabredet haben. Verfügen bei der Verabredung mindestens zwei der Beteiligten über den tatsächlichen Willen zur mittäterschaftlichen Begehung des avisierten Verbrechens, so ist deren Bestrafung nach § 30 II Alt. 3 StGB i.V. m. dem jeweils verabredeten Verbrechenstatbestand unproblematisch623. Für diejenigen, die sich lediglich scheinbar zu Mittätern der künftigen Tat erklären, kommt in diesem Stadium – in dem ein unmittelbares Ansetzen zu dem präsumtiven Verbrechen regelmäßig noch nicht erfolgt ist – eine Strafbarkeit wegen versuchter Anstiftung nach § 30 I StGB in Betracht, wenn deren Mitwirkung ebenfalls kausal zum Tatentschluss der oder zumindest eines anderen Beteiligten beigetragen hat624. Eine Strafbar622 Hierzu auch LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 63; MK-Joecks, § 30 Rn. 64 f.; NK-Zaczyk, § 30 Rn. 50; Roxin, AT II, § 28 Rn. 47 ff.; Satzger/Schmitt/ Widmaier-Murmann, § 30 Rn. 24; Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 29; Thalheimer, S. 98 ff. 623 Fieber, S. 63; MK-Joecks, § 30 Rn. 64; Roxin, AT II, § 28 Rn. 48. 624 Fieber, S. 63; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 63; Roxin, AT II, § 28 Rn. 48.
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
keit des Scheinbeteiligten gemäß § 30 I StGB kommt (in Form der sog. „untauglichen Anstiftung“ 625) selbst dann in Betracht, wenn selbiger zwar davon ausgeht, dass seine Äußerung zur Tatentschlussfindung der anderen beiträgt, diese tatsächlich aber schon hinreichend entschlossen sind. Problematisch bzw. umstritten ist die Annahme einer Verbrechensverabredung allerdings dann, wenn es lediglich einen Verabredungsbeteiligten mit tatsächlichem Begehungsvorsatz gibt. Dies ist beispielsweise bei einer Zwei-PersonenVerabredung, die nur von einem der beiden Beteiligten ernst genommen wird, der Fall626. Das zuvor dargestellte Beispiel entspricht genau dieser Situation, denn hier verabredete sich allein der B ernstlich zur mittäterschaftlichen Begehung eines schweren Raubes, während A nur als Scheinbeteiligter auftrat. Eine der hierzu vertretenen Ansichten sieht in dieser Konstellation die für eine Verabredung erforderliche Qualität nicht erreicht und will den sich ernstlich Verabredenden (im Beispielsfall also B) wegen eines Sich-Bereiterklärens bzw. gegebenenfalls einer versuchten Anstiftung zu dem verabredeten Verbrechen bestrafen, während für den sich nur scheinbar Beteiligenden (im Beispielsfall also A) eine Strafbarkeit wegen versuchter Anstiftung zu dem verabredeten Verbrechen in Betracht kommen soll, sofern dieser zumindest billigend in Kauf nimmt, dass der andere aufgrund der (vermeintlichen) Verabredung einen so starken Tatenschluss entwickelt hat, dass er die angesonnene Tat auch allein begehen würde627. Die Gegenansicht will jedoch auch dann von einer verwirklichten Verabredung ausgehen, wenn lediglich einer der Beteiligten den Vorsatz zur gemeinschaftlichen Begehung des vereinbarten Verbrechens besitzt628. Dies erscheint jedoch sehr fraglich. Beachtet man den Umstand, dass es sich bei der Verabredung nach § 30 II Alt. 3 StGB praktisch um eine Vorstufe der Mittäterschaft handelt, bei der gerade durch die gegenseitige Bindung an den verabredeten Tatplan die Gefahr erhöht werden kann, dass es wirklich zur Verbrechensbegehung kommt629, wird von einer solchen Gefahrerhöhung kaum auszugehen sein, wenn der Wille zur Bindung an das Verabredete tatsächlich nur einseitig, nämlich bei dem sich ernstlich Verabredenden, vorliegt. Darüber hinaus wird es zudem schon an einer für die Verbrechensverabredung typischen Gefahrschaffung als solcher mangeln, weil der sich nur zum Schein Verabredende in 625
Vgl. B. Heinrich, AT, Rn. 1365; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 96. Hierzu auch Fieber, S. 63 f.; Thalheimer, S. 98 ff. 627 Vgl. Fieber, S. 64; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 63; NK-Zaczyk, § 30 Rn. 50; Roxin, AT II, § 28 Rn. 49; Thalheimer, S. 99 f. 628 Vgl. Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 29; zustimmend für den Fall, dass der sich ernstlich Beteiligende den verabredeten Plan auch alleine realisieren kann MKJoecks, § 30 Rn. 65. 629 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 11 spricht hier auch von einer „quasi-vertraglichen Verpflichtung“ der Beteiligten. 626
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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Wirklichkeit eben keinen mittäterschaftlichen Tatbeitrag leisten will. Da es in der vorliegenden Konstellation also gerade an der spezifischen Gefahr fehlt, dass es zu einer mittäterschaftlichen Realisierung des präsumtiven Verbrechens kommen kann, überzeugt es nicht, wenn § 30 II Alt. 3 StGB diesbezüglich zur Anwendung gebracht werden soll. Für den oben dargestellten Beispielsfall bedeutet dies, dass eine Strafbarkeit sowohl für A als auch für B wegen Verabredung zur mittäterschaftlichen Begehung eines schweren Raubes nicht in Betracht kommt. Da A sich, entgegen seiner objektiven Bekundung, in Wirklichkeit nicht an das Verabredete – d.h. die mittäterschaftliche Realisierung der geplanten Tat – halten will, kann von einer Verabredung i. S. v. § 30 II Alt. 3 StGB keine Rede sein. Demnach stellen sich nunmehr aber die Fragen, ob und wie sich die beiden an der einseitigen Scheinverabredung Beteiligten strafbar gemacht haben können. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der spezielle Charakter der Verabredung zu einer Tat darin besteht, dass sich die Beteiligten – d.h. die zukünftigen Mittäter – jeweils selbst zur Begehung der Tat bereit erklären und häufig auch den/die anderen zur Leistung eines eigenen Tatbeitrags motivieren wollen. Es können daher also sowohl Elemente der Bereitschaftserklärung als auch solche der versuchten Anstiftung vorliegen630. Für den sich ernstlich Verabredenden kommt somit jedenfalls je nach Fallkonstellation eine reaktive oder initiative Bereitschaftserklärung gemäß § 30 II Alt. 1 StGB in Betracht, sofern er nicht schon selbst über einen vollständig ausgeprägten Tatentschluss verfügt, also ein omnimodo facturus ist631. Des Weiteren kann auch an eine versuchte Anstiftung nach § 30 I StGB zu denken sein, wenn der sich ernstlich Verabredende den anderen noch nicht für vollständig tatentschlossen hält und daher meint, ihn noch zur (gemeinschaftlichen) Tatbegehung motivieren bzw. bestimmen können. In dieser Konstellation würde es sich somit – mangels tatsächlicher Bereitschaft des Scheinbeteiligten – stets um eine sog. „misslungene“ versuchte Anstiftung632 handeln. Da der sich ernstlich Verabredende das zukünftige Verbrechen aber tatsächlich auch selbst begehen – und dieses damit als eigenes – will, hebt er sich von einem bloßen Anstifter ab, so dass die Anwendung von § 30 II Alt. 1 StGB in diesem Fall näher liegt. Ist der sich ernstlich Verabredende hingegen bereits ein omnimodo facturus muss § 30 II Alt. 1 StGB aufgrund des bereits vorhandenen Tatentschlusses ausscheiden633, so 630
LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 79; Roxin, AT II, § 28 Rn. 71. Fieber, S. 64; Thalheimer, S. 100. 632 Vgl. zu den verschiedenen Formen der versuchten Anstiftung auch Dessecker, JA 2005, 549 (551); B. Heinrich, AT, Rn. 1365; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 13; Roxin, AT II, § 28 Rn. 9; Thalheimer, S. 23 ff. 633 Zur Straflosigkeit des sog. „unechten Sich-Erbietens“ vgl. auch Dessecker, JA 2005, 549 (552); LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 90 f.; NK-Zaczyk, § 30 Rn. 33; Roxin, AT II, § 28 Rn. 79; Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 23; Thalheimer, S. 77 f.; a. A. jedoch Jakobs, 27/10; MK-Joecks, § 30 Rn. 44. 631
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dass es dann allein bei einer misslungenen versuchten Anstiftung an dem sich nur zum Schein Verabredenden gemäß § 30 I StGB bleibt, sofern dieser – wie erwähnt – nicht ohnehin schon für tatentschlossen gehalten wird. Im obigen Beispielsfall ist der sich ernstlich zur Begehung eines schweren Raubes in Mittäterschaft verabredende B also strafbar gemäß §§ 249 I, 250 II Nr. 3a, 25 II, 30 II Alt. 1 StGB. Für den sich lediglich zum Schein Verabredenden hingegen kann eine Bereitschaftserklärung nach § 30 II Alt. 1 StGB nicht in Betracht kommen, da diese stets – um die erforderliche Rechtsgutsgefährdung herbeizuführen – die Ernstlichkeit des Erklärenden voraussetzt. Wird die Verabredung von dem Scheinbeteiligten initiiert, bleibt hier also nur die Möglichkeit einer Strafbarkeit nach § 30 I StGB (i.V. m. dem vermeintlich gemeinschaftlich zu begehenden Verbrechen), wenn selbiger damit rechnet und billigt, dass der andere aufgrund der Verabredung derart motiviert ist, dass er die Tat gegebenenfalls auch alleine ausführen würde. Diesbezüglich ist es auch unerheblich, wenn der andere – d.h. der sich ernstlich Verabredende – bereits über einen hinreichenden eigenen Tatentschluss verfügt, denn auch dieser Fall ist unter § 30 I StGB (sog. „untaugliche Anstiftung“ 634) zu subsumieren, sofern nur eben der Scheinbeteiligte davon ausgeht, bei diesem noch einen entsprechenden Tatentschluss hervorrufen zu können. Straflos ist der sich nur zum Schein Verabredende allerdings dann, wenn er es nicht für möglich hält, dass der andere auch ohne seine Mitwirkung zur Tatbegehung schreiten könnte635. Geht die Verbrechensverabredung hingegen initiativ von dem tatsächlich gewillten Komplottanten aus, so ergibt sich die Konstellation des § 30 II Alt. 2 StGB, also die Annahme eines Sich-Erbietens, für den sich nur zum Schein Verabredenden. Diese Unterscheidung ist allerdings nur dogmatischer Art, weil die Annahme eines Sich-Erbietens nach § 30 II Alt. 2 StGB einen Spezialfall der versuchen Anstiftung gemäß § 30 I StGB darstellt636 und ebenso bestraft wird. Für den oben beschriebenen Beispielsfall bedeutet dies wiederum, dass der sich nur zum Schein verabredende A wegen versuchter Anstiftung des B zur Begehung eines schweren Raubes gemäß §§ 249 I, 250 II Nr. 3a, 30 I StGB strafbar sein könnte. Da jedoch allein A weiß, wie das in Aussicht genommene Opfer, nämlich sein ehemaliger Chef, aussieht und ihm daher bewusst ist, dass eine Verwirklichung der Tat ohne seine Mitwirkung – d.h. allein durch B – folglich nicht möglich ist, geht A hier letztlich straflos aus. Schließlich lässt sich auch noch die besondere Konstellation der beiderseitigen Scheinverabredung vorstellen. In dieser treffen zwei sich nur zum Schein Verabredende aufeinander, ohne dabei jedoch um die mangelnde Bereitschaft zur Tat-
634 635 636
Vgl. B. Heinrich, AT, Rn. 1365; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 96. Fieber, S. 64; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 63; Thalheimer, S. 100. Vgl. dazu oben C.V.2.d)aa).
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begehung des jeweils anderen zu wissen. Eine andere Bewertung des Handelns als in dem Fall, in dem der Scheinbeteiligte einem sich ernstlich Verabredenden gegenüber tritt, ist hier jedoch nicht geboten. Vielmehr haben die beiden Scheinbeteiligten hier – indem sie jeweils in der Annahme handeln, den anderen derart zur vermeintlich gemeinschaftlichen Begehung des besagten Verbrechens bestimmen zu können, dass dieser die Tat notfalls auch alleine ausführen würde – gleichermaßen eine versuchte Verbrechensanstiftung nach § 30 I StGB in Form der misslungenen Anstiftung (bei initiativem Tätigwerden) bzw. eine Annahme nach § 30 II Alt. 2 StGB (bei reaktivem Tätigwerden) verwirklicht. Wird es hingegen nicht für möglich gehalten, dass der jeweils andere die Tat notfalls auch ohne die eigene Mitwirkung begehen wird, kommt eine Strafbarkeit nicht in Betracht. f) Die öffentliche Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB) Wie bereits zuvor dargelegt637, enthält der BT des StGB mit den Äußerungsund den Verbreitungsdelikten einen insgesamt relativ umfangreichen Katalog an Straftatbeständen, deren primärer Sinn und Zweck darin liegt, Verhaltensweisen zu pönalisieren, bei denen schutzwürdige Rechtsgüter entweder durch die originäre Kundgabe eigener oder die Weitergabe bereits vorhandener, bestimmter Informationen bzw. geistiger Inhalte verletzt oder zumindest gefährdet werden. Die jeweils vorgesehenen Sanktionierungsmöglichkeiten sollen letztlich besonders gefährlichen Kommunikationsakten vorbeugen und entgegenwirken. Im Hinblick auf den Gegenstand der vorliegenden Arbeit, der vor allem in der Untersuchung der Tathandlungen des Verabredens, Aufforderns und Anleitens zur Begehung von Straftaten unter besonderer Berücksichtigung der Kommunikationsmittel des Internets besteht, erweist sich zunächst § 111 StGB von gewichtiger Bedeutung, wie im Folgenden aufgezeigt werden soll. aa) Überblick über § 111 StGB § 111 StGB kriminalisiert das öffentliche Auffordern zur Begehung von Straftaten638. Erfasst werden sollen damit besonders gefährliche Formen der Anstiftung oder der versuchten Anstiftung, welche wegen ihrer Unbestimmtheit im Hinblick auf die Haupttat und/oder den Adressatenkreis nicht die Voraussetzungen der §§ 26 bzw. 30 I StGB erfüllen639. Dennoch gilt die öffentliche Aufforde637
Vgl. oben C.III. und C.IV. Zu § 111 StGB im Rahmen einer Dissertation Kissel, Aufrufe zum Ungehorsam und § 111 StGB: grundrechtlicher Einfluss bei der Feststellung strafbaren Unrechts, 1996. 639 Satzger/Schmitt/Widmaier-Fahl, § 111 Rn. 1; Schönke/Schröder-Eser, § 111 Rn. 1. 638
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rung nicht als Auffangtatbestand zu den §§ 26 und 30 I StGB640. Vielmehr wird § 111 StGB weitgehend als eigenständiger Straftatbestand, nämlich als Äußerungsdelikt641 mit dem Charakter eines abstrakten Gefährdungsdelikts642, eingeordnet643. Der spezielle Strafgrund der Norm sei dabei in der Gefährlichkeit, welche in der Aufforderung an einen unbestimmt großen Personenkreis, auf den der Täter nach seiner Äußerung keinen Einfluss mehr nehmen könne, zu sehen644. Damit kommt der Norm praktisch eine Brückenfunktion zwischen dem AT und dem BT des StGB zu645. Aufgrund dieser – nicht unumstrittenen – Doppelnatur wird § 111 StGB auch ein zweifacher Rechtsgüterschutz, nämlich einerseits der Schutz des Gemeinschaftsfriedens646 und andererseits der Schutz der durch die Haupt- bzw. Bezugstat konkret anzugreifenden Rechtsgüter, zugeschrieben647. Da sich die um § 111 StGB vielfach bestehenden dogmatischen Unklarheiten bzw. Meinungsverschiedenheiten jedoch nicht auf den Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit auswirken, sollen diese hier auch nicht weiter vertieft werden, zumal letztlich auch die Strafwürdigkeit der von § 111 StGB benannten Handlungen dem Grunde nach unstreitig ist648. Vielmehr ist das öffentliche Auffordern zu Straftaten nach § 111 StGB als de lege lata gültiger Tatbestand schon allein wegen seiner Nähe zu den §§ 26 und 30 I StGB und der von ihm ausdrücklich benannten Handlungsform des Aufforderns in den Blick zu nehmen.
640 LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 4, 14; NK-Paeffgen, § 111 Rn. 13; Rogall, GA 1979, 11 (15, 18); anders jedoch Lackner/Kühl, § 111 Rn. 1. 641 Vgl. Fischer, § 111 Rn. 2; LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 14; sowie bereits oben C.III. 642 Vgl. BGHSt 29, 258 (267); Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, § 44 Rn. 37 f.; Dreher, FS Gallas 1973, S. 307 (312); Fischer, § 111 Rn. 1; Lackner/Kühl, § 111 Rn. 1; MK-Bosch, § 111 Rn. 3; Satzger/Schmitt/Widmaier-Fahl, § 111 Rn. 1; kritisch hingegen NK-Paeffgen, § 111 Rn. 3 ff. 643 Vgl. aber auch Kissel, S. 145, der sich für eine Verschiebung des von § 111 StGB umschriebenen Verhaltens in den AT ausspricht. 644 So Satzger/Schmitt/Widmaier-Fahl, § 111 Rn. 1. 645 Zur Charakteristik des § 111 StGB sowie mit einem vergleichenden Blick in andere Rechtsordnungen Dreher, FS Gallas 1973, S. 307 (307 ff.). 646 Dieses Rechtsgut nach ausführlicher kritischer Würdigung im Ergebnis ablehnend Kissel, S. 131 ff. 647 Vgl. Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, § 44 Rn. 38; Dreher, FS Gallas 1973, S. 307 (312, 324); Fischer, § 111 Rn. 1; LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 4; MKJoecks, § 26 Rn. 59; Rogall, GA 1979, 11 (16 ff.); Roxin, AT II, § 26 Rn. 148; Rudolphi, RdA 1987, 160 (162); Schönke/Schröder-Eser, § 111 Rn. 1; anders allerdings Kissel, S. 144; Lackner/Kühl, § 111 Rn. 1; SK-Wolters, § 111 Rn. 2 (nur Schutz der durch die Bezugstat anzugreifenden Rechtsgüter), in diese Richtung auch MK-Bosch, § 111 Rn. 2 und NK-Paeffgen, § 111 Rn. 3 ff.; wiederum anders hingegen Otto, BT, § 63 Rn. 64 (nur Schutz des Gemeinschaftsfriedens). 648 MK-Bosch, § 111 Rn. 5; NK-Paeffgen, § 111 Rn. 2.
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Die im Vergleich der Normen erkennbare Strafbarkeitsausdehnung besteht also im Wesentlichen darin, dass – aufgrund der deutlich herabgesetzten Konkretisierungsanforderungen – weitaus mehr Äußerungshandlungen von ihrem Inhalt her geeignet sind, die Anforderungen an ein Auffordern i. S. v. § 111 StGB zu erfüllen, als die an ein Bestimmen i. S. d. §§ 26 und 30 I StGB. Zudem ergibt die Gegenüberstellung der erfolglosen Aufforderung gemäß § 111 II StGB mit der versuchten – und somit grundsätzlich erfolglosen – Anstiftung gemäß § 30 I StGB, dass das erfolglose Auffordern bereits im Hinblick auf ein Vergehen als Bezugstat strafbar ist649, während die versuchte Anstiftung grundsätzlich ein Verbrechen als Haupttat fordert. Gerechtfertigt wird diese Strafbarkeitsausdehnung wiederum regelmäßig mit dem Argument bzw. dem eigenen Strafgrund der besonderen Gefährlichkeit, welche aus einer nach § 111 StGB tatbestandsmäßigen Handlung resultieren und (u. a.) darin bestehen soll, dass der Auffordernde nach der Abgabe seiner Äußerung keinen Einfluss mehr auf das weitere Geschehen nehmen könne650. Nicht zuletzt wegen der regelmäßig erforderlichen Ansprache einer Vielzahl von Adressaten erweist sich § 111 StGB gerade auch dann von besonderer Bedeutung, wenn entsprechende Äußerungen über Kommunikationsmittel des Internets abgegeben werden. Schon mehrfach wurde darauf hingewiesen, dass ein spezielles Merkmal bzw. eine Besonderheit der Kommunikation im Internet darin besteht, dass es vielfach möglich ist, geistige Inhalte jeglicher Art zeitgleich an eine unbegrenzte Anzahl von anderen Nutzern zu adressieren und in kürzester Zeit zu übermitteln oder auch allgemein zur Verfügung zu stellen651. Diesbezüglich kommen vor allem solche Angebote in Betracht, die praktisch jedem Internetnutzer freien Zugang gewähren, wie beispielsweise Websites, Foren, Chats und Mailinglisten für deren Nutzung keine Registrierung verlangt wird oder aber eine solche von jedermann ohne Weiteres erworben werden kann (wovon regelmäßig auszugehen ist, wenn für die Registrierung entweder gar keine persönlichen Daten angegeben werden müssen oder die angegebenen Daten vom Anbieter nicht entsprechend verifiziert werden). Dies erkennend, gesteht Paeffgen – trotz seiner weitreichenden Kritik an § 111 StGB – der Norm „[. . .] gerade in Zeiten einer zunehmenden stärker medial beeinflussten (vor allem internetbasierten) Welt [. . .]“ eine legitime Funktion zu652, Vassilaki stellt fest, dass § 111 649
Kissel, S. 150. Wobei insgesamt jedoch Uneinigkeit darüber besteht, wie die „besondere Gefährlichkeit“ genau zu begründen sein soll, vgl. hierzu Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, § 44 Rn. 38; Fischer, § 111 Rn. 1, 8; Lackner/Kühl, § 111 Rn. 1; LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 5 f., 9; Rogall, GA 1979, 11 (16); Satzger/Schmitt/Widmaier-Fahl, § 111 Rn. 1; Schönke/Schröder-Eser, § 111 Rn. 2. 651 In diesem Zusammenhang auch Pörksen, Deutschlandradio Kultur vom 30.05. 2012 unter http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/politischesfeuilleton/1769368/ (zuletzt abgerufen am 10.08.2012). 652 NK-Paeffgen, § 111 Rn. 10. 650
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StGB häufig durch „Internetaufrufe“ verwirklicht wird653 und auch Gercke bezeichnet das Internet als „[. . .] in technischer Hinsicht ein besonders geeignetes Medium zur öffentlichen Aufforderung [. . .]“ 654. Rosenau schreibt der Norm schließlich eine grundsätzliche Bedeutung für Medien, also auch den Kommunikationsmitteln des Internets, zu655. Die Bedeutung des § 111 StGB für internetbezogene Sachverhalte zeigt sich nicht zuletzt auch daran, dass dieser bereits mehrfach in entsprechenden Konstellationen zum Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen geworden ist656. bb) Die tatbestandsmäßige Handlung Zentrale tatbestandsmäßige Handlung des § 111 StGB ist das Auffordern zur Begehung rechtswidriger Taten657. Als Aufforderung i. S. d. Norm gilt dabei eine ausdrückliche oder konkludente Erklärung, welche an die Motivation Dritter gerichtet ist und von diesen als Adressaten ein bestimmt bezeichnetes Tun oder Unterlassen, nämlich die Begehung rechtswidriger Taten, verlangt658. Wird die verlangte rechtswidrige Tat begangen bzw. zumindest versucht, so ist § 111 I StGB einschlägig. Kommt es hinsichtlich der verlangten Tat jedoch nicht einmal zum Versuch, gelangt – bei Vorliegen aller sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen – § 111 II StGB zur Anwendung. Gleiches gilt, wenn die besagte Tat zwar begangen wird, die betreffende Aufforderung dafür aber nicht kausal geworden ist659. Das Auffordern nach § 111 StGB geht in seiner Ausdrucksintensität regelmäßig über andere Äußerungsformen wie z. B. das Befürworten von und das Anreizen zu Straftaten oder das schlichte Äußern einer Meinung hinaus660, was im Ergebnis zu einer Beschränkung der Begehungsmöglichkeiten führt. Auch stehen 653
Vassilaki, MMR 2007, 436. Gercke/Brunst, Rn. 396. 655 LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 32. 656 Vgl. z. B. BGH MMR 1999, 29; OLG Hamm NJW-RR 2010, 189; OLG Hamm NStZ 2010, 452; OLG Oldenburg NStZ 2007, 99; OLG Stuttgart MMR 2007, 434. Zu einem aktuellen Fall aus dem Jahr 2012 auch Schulte/Kanz, ZJS 2013, 24. 657 Ausführlich zum Tatbestandsmerkmal der Aufforderung auch Kissel, S. 150 ff. 658 BGHSt 32, 310; Fischer, § 111 Rn. 2a; LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 17; MK-Bosch, § 111 Rn. 6; Satzger/Schmitt/Widmaier-Fahl, § 111 Rn. 2; Schönke/Schröder-Eser, § 111 Rn. 3. 659 Fischer, § 111 Rn. 8; Kindhäuser, LPK, § 111 Rn. 14; LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 64; Satzger/Schmitt/Widmaier-Fahl, § 111 Rn. 8; Schönke/Schröder-Eser, § 111 Rn. 21; abweichend allerdings NK-Paeffgen, § 111 Rn. 29 und MK-Bosch, § 111 Rn. 26, die mangels empirischer Nachweisbarkeit anstatt der Kausalität auf einen „motivationalen Beitrag“ bzw. ein „Plausibilitätsurteil“ abstellen. 660 BGHSt 32, 310 (311); Fischer, § 111 Rn. 2a; LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 19, 25, 46; MK-Bosch, § 111 Rn. 6, 8, 10; NK-Paeffgen, § 111 Rn. 12 f.; Rogall, GA 1979, 11 (16); Satzger/Schmitt/Widmaier-Fahl, § 111 Rn. 2; Schönke/SchröderEser, § 111 Rn. 3. 654
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für das Auffordern nicht sämtliche der für eine Anstiftung denkbaren Einwirkungsmittel zur Verfügung661. Zur Klassifizierung einer Äußerung als Aufforderung wird im Wesentlichen auf das Erfordernis des appellativen Charakters abgestellt, durch welchen der Wunsch des Auffordernden nach Realisierung der Tat durch die Aufgeforderten zum Ausdruck gebracht werden muss662. Daher können bloße Sachinformationen (z. B. die objektiv gehaltene Beschreibung einer strafbaren Handlung), Hinweise oder Empfehlungen kaum die Voraussetzungen einer Aufforderung i. S. v. § 111 StGB erfüllen663, was auch für den Fall gilt, dass der Wunsch nach Tatbegehung (durch die Angesprochenen) bewusst in neutraler Berichtsform dargestellt bzw. „verpackt“ wird664. Eine Strafbarkeit liegt auch dann nicht vor, wenn die Äußerung zwar appellativen Charakters ist, gleichzeitig aber (noch) als freie Meinungsäußerung dem Schutz des Art. 5 I GG unterfällt, was regelmäßig anhand einer Einzelfallbetrachtung unter Berücksichtigung der Gesamtumstände festgestellt werden muss665. Hingegen ist es für die Annahme einer Aufforderung unschädlich, wenn diese lediglich verschleiert wird oder nur bestimmten Menschengruppen verständlich ist666. Das Erfordernis des appellativen Charakters steht praktisch in zwingend notwendiger Verbindung mit dem – bei einem Durchschnittsbeobachter des angesprochenen Personenkreises667 – zu erzeugenden Eindruck der Ernstlichkeit der Aufforderung. Jedenfalls kann eine appellierende Formulierung allein nicht zur Erfüllung des Tatbestands des § 111 StGB ausreichen, wenn die mangelnde Ernstlichkeit der Äußerung evident ist668. Entscheidend ist also, dass die Aufforderung mindestens über den objektiven – d.h. äußeren – Anschein von Ernstlichkeit verfügt669. Der geforderte objektive Eindruck der Ernstlichkeit wird dem-
661
Zu den Unterschieden LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 46. LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 17 f.; MK-Bosch, § 111 Rn. 7; NK-Paeffgen, § 111 Rn. 12; Schönke/Schröder-Eser, § 111 Rn. 3. 663 LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 18; Satzger/Schmitt/Widmaier-Fahl, § 111 Rn. 2. 664 NK-Paeffgen, § 111 Rn. 12; kritisch allerdings MK-Bosch, § 111 Rn. 7. 665 Hierzu insbesondere KG NJW 2001, 2896; kritisch MK-Bosch, § 111 Rn. 6. Vgl. zum Verhältnis zwischen § 111 StGB und Art. 5 GG umfassend auch Kissel, S. 81 ff., 179 ff. 666 OLG Oldenburg NStZ 2007, 99; Fischer, § 111 Rn. 3; NK-Paeffgen, § 111 Rn. 12, 14. 667 MK-Bosch, § 111 Rn. 9. 668 KG NJW 2001, 2896. 669 BGHSt 32, 310; OLG Frankfurt a. M. NStZ-RR, 2003, 327; Arzt/Weber/Heinrich/ Hilgendorf, § 44 Rn. 41; LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 22; MK-Bosch, § 111 Rn. 9; NK-Paeffgen, § 111 Rn. 19; Satzger/Schmitt/Widmaier-Fahl, § 111 Rn. 2; Schönke/Schröder-Eser, § 111 Rn. 6. Zu unterscheiden von dem objektiven bzw. äußeren Anschein der Ernstlichkeit ist allerdings die Frage nach der inneren Ernstlichkeit des Auffordernden, also dessen Vorsatzgrad im Hinblick auf die Realisierung der von ihm angesonnenen Straftat, vgl. dazu auch noch unten C.V.3.c)ee). 662
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
nach regelmäßig als weiteres Abgrenzungskriterium bzw. Definitionsmerkmal herangezogen, durch das sog. (bloße) „Unmutsäußerungen“ bzw. ironisch-provokative Darstellungen ausgeschlossen werden sollen670. Ist jedoch der Eindruck der Ernstlichkeit objektiv gegeben, so muss dieser wiederum auch vom Vorsatz des Auffordernden umfasst sein671. Neben der Frage nach der Erscheinungsform bzw. dem Charakter, stellt sich weiterhin auch diejenige nach der zu fordernden inhaltlichen Ausgestaltung der Aufforderung. Namentlich geht es auch hier wieder um das Problem der hinreichenden Konkretisierung der in Aussicht genommenen Straftat, wie es sich zuvor bereits bei der Anstiftung nach § 26 StGB, der versuchten Verbrechensanstiftung nach § 30 I StGB, der initiativen Bereitschaftserklärung nach § 30 II Alt. 1 StGB und der Verbrechensverabredung nach § 30 II Alt. 3 StGB gestellt hat672. Umstritten ist zunächst, ob die Aufforderung hierbei denselben Voraussetzungen wie das Bestimmen i. S. d. §§ 26 und 30 I StGB unterliegen673 oder ob diesbezüglich von geringeren Anforderungen ausgegangen werden soll674. Unter den Vertretern, die es – ausgehend von geringeren Konkretisierungsanforderungen – grundsätzlich ausreichen lassen, dass es den Aufforderungsempfängern möglich ist, die Tat ihrer Art und ihrem rechtlichen Wesen nach zu erkennen (während Angaben zum Tatort, zur Tatzeit und sonstigen Umständen verzichtbar sein sollen) ist wiederum umstritten, ob auch eine Konkretisierung des Tatobjekts bzw. des Tatopfers durch die Aufforderung erfolgen muss oder ob bereits eine allgemeine Kennzeichnung der Opfergruppe bzw. des Handlungsobjekts genügt675. Die Frage der Konkretisierung bzw. Bestimmtheit spielt jedoch nicht nur im Hinblick auf die in Aussicht genommene Tat, sondern auch bezüglich der in Aussicht genommenen Täter eine Rolle. Gerade bei dieser Ausprägung des Konkretisierungserfordernisses besteht die besondere Bedeutung bzw. Funktion darin, als Abgrenzungskriterium zu den §§ 26 und 30 I StGB zu dienen. Klar ist zunächst, dass die Ansprache einer oder mehrerer im Einzelnen individualisierter Personen 670 BGHSt 32, 310 (312 f.); OLG Frankfurt a. M. NStZ-RR, 2003, 327 (328); LKRosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 23 f.; MK-Bosch, § 111 Rn. 9. 671 Fischer, § 111 Rn. 6; Lackner/Kühl, § 111 Rn. 6; LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 66; Satzger/Schmitt/Widmaier-Fahl, § 111 Rn. 9. Sogar Vorsatz i. S. e. Absicht verlangt MK-Bosch, § 111 Rn. 9, 27. 672 Vgl. bereits oben C.V.2.a)cc) zu § 26 StGB, C.V.2.b)cc) zu § 30 I StGB, C.V.2.c)cc) zu § 30 II Alt. 1 StGB und C.V.2.e)bb) zu § 30 II Alt. 3 StGB. 673 So Rogall, GA 1979, 11 (17 f.). 674 So Dreher, FS Gallas 1973, S. 307 (317 f.); Fischer, § 111 Rn. 4a; Lackner/Kühl, § 111 Rn. 5; LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 21, 56; MK-Bosch, § 111 Rn. 13; Otto, BT, § 63 Rn. 63; Satzger/Schmitt/Widmaier-Fahl, § 111 Rn. 3; Schönke/Schröder-Eser, § 111 Rn. 3, 13; zustimmend wohl auch NK-Paeffgen, § 111 Rn. 15 f. 675 Für eine solche Konkretisierung BGHSt 32, 310 (312); dagegen Lackner/Kühl, § 111 Rn. 5; LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 56; MK-Bosch, § 111 Rn. 13; NK-Paeffgen, § 111 Rn. 15; Otto, BT, § 63 Rn. 63.
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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die Voraussetzungen des Bestimmens erfüllt und daher regelmäßig eine vollendete bzw. versuchte Anstiftung in Betracht kommt676. Für eine Anstiftung wird es aber auch für ausreichend gehalten, dass der Anstifter die Bestimmungshandlung (lediglich) gegenüber einer zahlenmäßig überschaubaren und individuell bestimmten Personengruppe vornimmt, den konkreten Haupttäter aber unbestimmt lässt677. Des Weiteren soll selbst dann (noch) von einer Anstiftung auszugehen sein, wenn das Bestimmen in den Handlungsformen des § 111 StGB stattfindet678. Dies ist dann der Fall, wenn eine Öffentlichkeitssituation vorliegt – d.h. der Anstifter sich einem für ihn zahlenmäßig unüberschaubaren sowie individuell unbestimmten Adressatenkreis gegenüber sieht – und in dieser ein oder mehrere bestimmte(r) Einzelne(r) zur Begehung von Straftaten aufgefordert werden, gleichwohl aber die Aufforderung von jeder Person der unbestimmten Menschenmenge wahrgenommen werden kann. Umstritten ist bei dieser Konstellation allerdings das Verhältnis zum öffentlichen Auffordern nach § 111 StGB679. Eine Ansicht schließt hier – wegen der direkten Ansprache konkreter Einzelpersonen und dem damit angenommenen Fehlen einer Verletzung des Gemeinschaftsfriedens – augenscheinlich bereits den objektiven Tatbestand des § 111 StGB aus680. Demgegenüber hält eine andere Ansicht in diesem Fall parallel zur Anstiftung auch eine Tatbestandsverwirklichung des § 111 StGB prinzipiell für möglich681. Aus den unterschiedlichen Ansichten lässt sich also die Frage herauskristallisieren, ob die konkrete Aufforderung bestimmter Einzelpersonen auch dann (noch) den objektiven Tatbestand des § 111 StGB ausschließen kann, wenn diese derart stattfindet, dass deren Inhalt zugleich auch von einem (für den Anstifter) nicht überschaubaren Personenkreis wahrgenommen werden kann (so z. B. wenn ein Redner auf einer Großkundgebung vor sämtlichen – für ihn unüberschaubar vielen – Anwesenden lediglich bestimmte, namentlich benannte Einzelne zur Begehung von Straftaten auffordert).
676 Dreher, FS Gallas 1973, S. 307 (319); Fischer, § 111 Rn. 5; LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 29 f.; MK-Bosch, § 111 Rn. 11; Satzger/Schmitt/Widmaier-Fahl, § 111 Rn. 2. 677 Fischer, § 26 Rn. 9; Lackner/Kühl, § 26 Rn. 5; Rogall, GA 1979, 11 (12); Roxin, AT II, § 26 Rn. 148; Satzger/Schmitt/Widmaier-Murmann, § 26 Rn. 9. 678 Dazu B. Heinrich, FS Heinz 2012, S. 728 (738); MK-Bosch, § 111 Rn. 11; Rogall, GA 1979, 11 (18). 679 Ausführlich zu dieser Problemfrage auch Dreher, FS Gallas 1973, S. 307 (311 ff.) 680 Vgl. Dreher, FS Gallas 1973, S. 307 (312 ff.); Fischer, § 111 Rn. 3; LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 9, 29; Rogall, GA 1979, 11 (18). 681 Ein Teil der hier benannten Ansicht geht dabei von Idealkonkurrenz zwischen §§ 26, 30 I StGB und § 111 StGB aus, vgl. Schönke/Schröder-Eser, § 111 Rn. 23. Ein anderer Teil dieser Ansicht nimmt hingegen eine Subsidiarität von § 111 StGB gegenüber §§ 26, 30 I StGB an, vgl. MK-Bosch, § 111 Rn. 11; NK-Paeffgen, § 111 Rn. 14; SK-Wolters, § 111 Rn. 10.
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
Die Entscheidung der vorliegend aufgeworfenen Frage ist zunächst insofern auch von praktischer Relevanz, als dass regelmäßig dann eine Strafbarkeit nach § 111 II StGB in Betracht käme, wenn erfolglos zu einem Vergehen aufgefordert wurde. Eine Strafbarkeit wegen versuchter Anstiftung zu der bezeichneten Tat kommt dabei nicht in Betracht, weil § 30 I StGB nur die versuchte Anstiftung zu Verbrechen unter Strafe stellt682. § 111 II StGB könnte diesen Fall hingegen erfassen, da dieser nicht auf Aufforderungen zu Verbrechen beschränkt ist. Ebenso wäre die Entscheidung der vorbenannten Frage von Bedeutung, wenn eine Anstiftung bzw. versuchte Verbrechensanstiftung mangels hinreichender Haupttatkonkretisierung ausscheidet. Bezeichnet der Anstifter die Haupttat nämlich nicht hinreichend konkret, bleibt der Anwendungsbereich der §§ 26 und 30 I StGB grundsätzlich verschlossen. Während die Ansicht, welche in dieser Konstellation bereits die Anwendbarkeit des § 111 StGB verneint, hier – wie auch bei einer erfolglosen Aufforderung zu einem Vergehen – im Ergebnis zu einer Straflosigkeit kommen muss, ist nach der Gegenauffassung vielmehr von einem Eingreifen des § 111 I StGB – und damit einer Strafbarkeit wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten – auszugehen, sofern an diesen Tatbestand geringere Konkretisierungsanforderungen hinsichtlich der Bezugstat gestellt werden als im Hinblick auf die Haupttat bei der Anstiftung683. Der zuletzt genannten Ansicht ist jedenfalls zuzugeben, dass es auch im Fall der vor einem zahlenmäßig unüberschaubaren und individuell unbestimmten Personenkreis stattfindenden Ansprache einer individuellen Einzelperson als nicht unwahrscheinlich erscheint, dass der – nach überwiegender Meinung – von § 111 StGB geschützte Gemeinschaftsfrieden empfindlich gestört werden kann. Ebenso ist es auch nicht vollständig von der Hand zu weisen, dass bei einer Anstiftung in den Handlungsformen des § 111 StGB, aufgrund der vorhandenen Öffentlichkeit, der für § 111 StGB typische Verlust der Steuerungsfähigkeit des Auffordernden möglich ist684. Denn in dieser Situation kann auch bei der konkreten Ansprache eines individuellen Einzelnen durchaus die reale Gefahr bestehen, dass sich das Geschehen nach Abgabe der Aufforderung dadurch verselbstständigt, dass sich eine der nicht direkt aufgeforderten Personen aus der unüberschaubar großen Menschenmenge entsprechend zur Begehung der angesonnenen Tat motiviert fühlt. Zu klären ist daher, ob neben der (versuchten) Anstiftung auch eine öffentliche Aufforderung tatbestandlich verwirklicht werden kann, wenn die Ansprache individueller Einzelner – deren Aufforderungscharakter vorausgesetzt – in den Handlungsformen des § 111 StGB erfolgt. Die Diskussion dieser Frage soll aufgrund des thematischen Zusammenhangs im Rahmen der Analyse des Problems der hinreichenden Konkretisierung des Täters der in Aussicht genommenen Tat erfolgen685. 682 683 684 685
LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 9, 29 ff.; Rogall, GA 1979, 11 (18). Vgl. zu diesem Problem auch noch ausführlich unten C.V.3.a). Vgl. auch MK-Bosch, § 111 Rn. 11. Vgl. dazu unten C.V.3.b)cc)(3).
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Schließlich ist weitgehend anerkannt, dass eine Anstiftung ausscheiden muss und nur ein öffentliches Auffordern in Betracht kommen kann, wenn der Täter lediglich einen vollkommen unbestimmten Personenkreis, also eine zahlenmäßig unüberschaubare und individuell unbestimmte „Personen-Vielheit“ 686, anspricht687. Dies ist auch dann (noch) der Fall, wenn der Täter letztlich nur eine Person aus dem von ihm angesprochenen unbestimmten Personenkreis zur Tatbegehung motivieren will, dabei jedoch keine Konkretisierung auf einen bestimmten Einzeladressaten vornimmt688. Problematisch in der Beurteilung scheinen dagegen die Fälle, in denen unklar ist, ob die Grenze zur Unbestimmtheit der angesprochenen Personen bereits überschritten ist oder nicht689. Konkret bestehen beispielsweise Schwierigkeiten bei der Annahme einer öffentlichen Aufforderung, wenn zwar ein größerer Adressatenkreis angesprochen wird, dieser sich aber aufgrund eines gemeinsamen bzw. verbindenden Merkmals zu einem gewissen Grad als (individuell) bestimmbar erweist. Während es z. T. für möglich gehalten wird, dass bereits in diesem Fall ein hinreichend bestimmbarer Adressatenkreis vorliegt690 (und § 111 StGB damit abzulehnen ist), wird dem entgegengehalten, dass eine solch enge Auslegung des Unbestimmtheitserfordernisses zu einer Inkonsequenz, gerade im Hinblick auf den Strafgrund des Verlusts der Steuerungsfähigkeit und den Schutz des Rechtsguts des Gemeinschaftsfriedens, führe691. Tatsächlich erscheint es zumindest bedenklich, schon geringste Gemeinsamkeiten bzw. verbindende Merkmale als Individualisierungsmöglichkeiten genügen zu lassen, um damit die für § 111 StGB (erforderliche) Unbestimmtheit des Adressatenkreises abzulehnen. Zu beachten ist nämlich, dass gerade bei § 111 StGB die Unbestimmtheit des Personenkreises das kumulative Vorliegen der beiden Bedingungen der numerischen und der individuellen Unbestimmtheit voraussetzt692. Entfällt eine der beiden Komponenten, führt dies also zu einem bestimmbaren Personenkreis693. Denklogisch wird sich
686
So NK-Paeffgen, § 111 Rn. 14. Vgl. B. Heinrich, AT, Rn. 1288; Kühl, § 20 Rn. 188; Lackner/Kühl, § 26 Rn. 5. Anders jedoch Dreher, FS Gallas 1973, S. 307 (321 ff.), der eine Anstiftung auch dann noch für möglich hält, wenn ein vollkommen unbestimmter Personenkreis angesprochen wird. Vgl. außerdem auch MK-Joecks, § 26 Rn. 60, der in einigen speziellen Fällen der öffentlichen Aufforderung zunächst zwar den Anwendungsbereich von § 111 StGB bejaht, die Anwendung von § 26 StGB aber aus kriminalpolitischen Gründen dennoch für angemessener hält. 688 MK-Bosch, § 111 Rn. 11; NK-Paeffgen, § 111 Rn. 14; Satzger/Schmitt/WidmaierFahl, § 111 Rn. 2; Schönke/Schröder-Eser, § 111 Rn. 4. 689 In diesem Zusammenhang auch Roxin, AT II, § 26 Rn. 149. 690 Vgl. LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 29; Rudolphi, RdA 1987, 160 (163); Satzger/Schmitt/Widmaier-Fahl, § 111 Rn. 2. 691 Vgl. MK-Bosch, § 111 Rn. 11. 692 Kissel, S. 160 ff.; sowie bereits oben C.IV.3. 693 Kissel, S. 161. 687
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die numerische Bestimmbarkeit für den Auffordernden als umso schwieriger erweisen, je größer die Zahl der Angesprochenen ist. Handelt es sich nunmehr aber um einen zahlenmäßig so großen Personenkreis, dass eine diesbezügliche numerische Bestimmung praktisch unmöglich ist, so wird jedenfalls ein einziges zur Individualisierung geeignetes gemeinsames bzw. verbindendes Merkmal (z. B. die die unüberschaubar vielen Teilnehmer einer Großdemonstration verbindenden Motivationen, Ansichten, Ziele) wohl kaum ausreichen können, um die für § 111 StGB erforderliche Unbestimmtheit entfallen zu lassen sowie im Ergebnis die Gefahr eines Kontrollverlusts seitens des Auffordernden zu beseitigen694. Zudem scheint sich auch ein Widerspruch zu offenbaren, wenn man einen vergleichenden Blick auf § 111 I Alt. 2 StGB695 wirft. Wird dort für eine Versammlung einerseits ein nicht überschaubarer Personenkreis696, zugleich aber auch eine gemeinsame Zwecksetzung der Versammlungsteilnehmer 697 – und damit jedenfalls auch ein verbindendes Merkmal – gefordert, so lässt sich nur schwer begründen, wieso das Vorliegen eines solchen Merkmals im Fall des § 111 I Alt. 1 StGB gerade nicht mit der Unbestimmtheit des Adressatenkreises vereinbar sein soll. Insofern erscheint es jedenfalls problematisch, wenn schon beim Vorliegen geringster Individualisierungsmöglichkeiten pauschal von einem individuell bestimmbaren Adressatenkreis ausgegangen würde. Demgegenüber scheint es eher geboten, stets anhand des konkreten Einzelfalls zu entscheiden, ob aufgrund der gegebenen adressatenbezogenen Merkmale bereits eine hinreichende individuelle Bestimmung der Angesprochenen möglich ist und der Tatbestand des § 111 StGB nicht zur Anwendung kommen kann. Genauer zu klären ist daher, ab wann im Rahmen von § 111 StGB nicht mehr von einem unbestimmten Personenkreis und damit dem Fehlen des Öffentlichkeitsmerkmals auszugehen ist. Aufgrund des thematischen Bezugs soll diese Diskussion jedoch erst an späterer Stelle im Zusammenhang mit der Erörterung des Problems der hinreichenden Konkretisierung des Täters der in Aussicht genommenen Tat erfolgen698. Festgehalten werden kann demnach zunächst Folgendes: Für die Abgrenzung zwischen Anstiftung bzw. versuchter Verbrechensanstiftung und öffentlicher Aufforderung ist die Frage der Konkretisierung der Adressaten, also der potenziellen Täter der in Aussicht genommenen Straftat, von grundlegender Bedeutung. Hierbei kommt es entscheidend darauf an, ob die Angesprochenen einen zahlenmäßig unüberschaubaren und individuell unbestimmbaren (dann § 111 StGB) oder einen hinreichend bestimmbaren Personenkreis (dann §§ 26, 30 I StGB) darstellen. Da 694
So auch MK-Bosch, § 111 Rn. 11. Vgl. dazu sogleich ausführlich unten C.V.2.f)ff). 696 Vgl. MK-Bosch, § 111 Rn. 21; NK-Paeffgen, § 111 Rn. 24; Schönke/SchröderEser, § 111 Rn. 7–10. 697 Vgl. Kindhäuser, LPK, § 111 Rn. 9; LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 38; Satzger/Schmitt/Widmaier-Fahl, § 111 Rn. 5. 698 Vgl. dazu unten C.V.3.b)cc)(1). 695
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aber letztlich keine vollständige Einigkeit darüber besteht, wo genau die Grenze zwischen dem (noch) bestimmten und dem (schon) unbestimmbaren Personenkreis zu ziehen ist, soll auch zu dieser zentralen Frage im Anschluss an die Darstellung der relevanten Normen ausführlich Stellung genommen werden699. cc) Die subjektive Einstellung des Auffordernden zur Bezugstat Bereits festgestellt wurde, dass die Aufforderung des objektiven Eindrucks der Ernstlichkeit bedarf und dass dies auch von dem mindestens bedingten Vorsatz des Auffordernden umfasst sein muss700. Der Auffordernde muss folglich billigend in Kauf nehmen, dass seine Äußerung von den Adressaten für ernst gemeint gehalten wird. Was die subjektive Einstellung des Auffordernden im Hinblick auf die Bezugstat betrifft, ist zunächst festzuhalten, dass es ihm jedenfalls regelmäßig dann am erforderlichen Vorsatz mangelt, wenn er es unter keinen Umständen für möglich hält, dass es tatsächlich zur Begehung der angesonnenen Straftat kommen kann. Eine Strafbarkeit wegen öffentlicher Aufforderung kann dann, mangels eines Fahrlässigkeitstatbestands des § 111 StGB, nicht erfüllt sein. Dass der Auffordernde die Begehung der Bezugstat für vollkommen ausgeschlossen hält, ist praktisch allerdings nur dann denkbar, wenn er sich sicher sein kann, dass seine Äußerung nicht im Geringsten geeignet ist, bei den Empfängern den objektiven Anschein der Ernstlichkeit zu erwecken und dadurch eine entsprechende Tatbegehungsmotivation zu begründen. Dies wird beispielsweise der Fall sein, wenn der schlichte Provokations- oder Satirecharakter der Äußerung ganz offensichtlich – d.h. für jedermann – zu erkennen ist. Anders verhält es sich jedoch, wenn die öffentliche Aufforderung nach außen hin als ernst gemeint erscheint. In der Regel wird der Auffordernde in diesem Fall von der Geeignetheit seiner Äußerung, bei einem oder mehreren Empfängern einen hinreichenden Tatentschluss zu verursachen, ausgehen und damit auch mit der Möglichkeit der Tatbegehung rechnen müssen. Etwaige innere Vorbehalte des Auffordernden gegen die Verwirklichung der von ihm angesonnenen Tat können seiner Strafbarkeit in diesem Fall nicht entgegenstehen. Uneinigkeit besteht jedoch darüber, welchen Grad der Vorsatz des Auffordernden hinsichtlich der Realisierung der von ihm angesonnenen Straftat haben muss. Gegenüber stehen einander hier im Wesentlichen zwei Positionen, wobei es nach einer Ansicht ausreichen soll, dass der Auffordernde die Begehung der Bezugstat lediglich billigend in Kauf nimmt701. Dementgegen verlangt die andere Ansicht 699
Vgl. unten C.V.3.b)bb). Vgl. direkt zuvor C.V.2.f)bb). 701 Vgl. Fischer, § 111 Rn. 6; Lackner/Kühl, § 111 Rn. 6; LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 66; MK-Bosch, § 111 Rn. 27; Satzger/Schmitt/Widmaier-Fahl, § 111 Rn. 2. 700
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einen Vorsatz in Form einer Absicht des Auffordernden hinsichtlich der Vollendung der von ihm benannten Straftat702. Die zuletzt genannte Ansicht führt im Ergebnis zu einer Einschränkung der Strafbarkeit. Hiernach soll jedenfalls derjenige nicht strafbar sein, der zwar objektiv ernstlich zur Begehung einer Straftat auffordert, dem es tatsächlich aber nicht auf deren Verwirklichung ankommt. Beispielsweise kann man sich hier einen Internetnutzer vorstellen, der in einem frei zugänglichen Webforum den Aufruf postet, am nächsten Tag den bei einem öffentlichen Staatsakt auftretenden deutschen Bundespräsidenten zu töten und er dabei eigentlich „nur mal sehen“ möchte was passiert bzw. ob seine Aufforderung tatsächlich Gehör findet. Fraglich ist allerdings, ob es angemessen ist bzw. dem Strafzweck des § 111 StGB gerecht wird, wenn sämtliche Aufforderungen aus dessen Anwendungsbereich ausgeklammert werden, bei deren Kundgabe der Auffordernde eine Begehung der bezeichneten Tat zwar für möglich hält, es ihm darauf aber nicht unbedingt ankommt. Zu berücksichtigen ist hierbei insbesondere der von § 111 StGB intendierte Rechtsgüterschutz. Dieser bezieht sich – jedenfalls nach der auch hier vertretenen Meinung – sowohl auf die durch die Bezugstat anzugreifenden individuellen Rechtsgüter als auch auf das Rechtsgut des inneren Gemeinschaftsfriedens. Für die Gefährdung des Gemeinschaftsfriedens kann es jedoch kaum darauf ankommen, von welcher Intensität der Vorsatz des Auffordernden hinsichtlich der von ihm angesonnenen Tat ist, sofern die betreffende Äußerung den objektiven Anschein der Ernstlichkeit erweckt. Vielmehr wird das Vertrauen der Gesellschaft in die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung auch dann schon erschüttert sein, wenn eine objektiv ernstlich erscheinende Aufforderung zur Begehung von Straftaten öffentlich geäußert wird und der Täter dabei die Begehung der benannten Tat lediglich billigend in Kauf nimmt. Zudem lässt sich das Erfordernis einer Absicht des Auffordernden hinsichtlich der Vollendung der Bezugstat nur durch die Vornahme einer teleologischen Reduktion erreichen, denn aus dem Wortlaut des § 111 StGB ergibt sich eine solche Einschränkung des subjektiven Tatbestands nicht. Eine entsprechende teleologische Reduktion ist aber wiederum nur dann möglich, wenn auf den inneren Gemeinschaftsfrieden als geschütztes Rechtsgut des § 111 StGB verzichtet wird. Insofern erweist es sich als nachvollziehbar, dass Paeffgen, der dem Schutzgut des inneren Gemeinschaftsfriedens kritisch gegenübersteht703, eine Absicht des Auffordernden bezüglich der Vollendung der angesonnenen Tat verlangt704. Als widersprüchlich bzw. inkonsequent erscheinen hingegen die Ausführungen Esers, der noch vehementer als Paeffgen für eine Absicht des Auffordernden hinsicht702 703 704
Vgl. NK-Paeffgen, § 111 Rn. 32; Schönke/Schröder-Eser, § 111 Rn. 17. Vgl. NK-Paeffgen, § 111 Rn. 3. Vgl. NK-Paeffgen, § 111 Rn. 32.
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lich der Bezugstat plädiert705, gleichzeitig aber auch den inneren Gemeinschaftsfrieden als geschütztes Rechtsgut des § 111 StGB anerkennt706. Der Schutz des inneren Gemeinschaftsfriedens dürfte allerdings kaum zu gewährleisten sein, wenn man denjenigen, der öffentlich zur Begehung einer Straftat auffordert nur deshalb straflos ausgehen lässt, weil es ihm auf die Vollendung der bezeichneten Tat in Wahrheit nicht ankommt. Infolge des hier vorliegenden Verständnisses vom Schutzzweck des § 111 StGB als einem solchen, der auch das allgemeine Rechtsgut des inneren Gemeinschaftsfriedens erfasst, ist es als zutreffend zu bezeichnen, bereits einen bedingten Vorsatz auf Seiten des Auffordernden hinsichtlich der Begehung der Bezugstat ausreichen zu lassen. dd) Die Vollendung der Tat bei § 111 II StGB Schließlich besteht im Hinblick auf die Tatvollendung keine Einstimmigkeit darüber, wann genau selbige vorliegen soll. In diesem Kontext lässt sich auch für die Aufforderung nach § 111 StGB der Aspekt des Zugangserfordernisses problematisieren707. Eine praktische Relevanz dieser Frage ergibt sich jedoch nur im Hinblick auf § 111 II StGB, welcher den Fall der Nichtbegehung der Bezugstat (trotz vorangegangener vollendeter Aufforderung708) regelt. Allein in der von § 111 II StGB normierten Konstellation – d.h. der Nichtausführung der angesonnenen Tat – lässt sich fragen, ob es über die bloße Entäußerung hinaus auch zum Zugang der Aufforderung bzw. sogar zur Kenntnisnahme von deren Inhalt gekommen ist. Hingegen kann dies im Fall von § 111 I StGB grundsätzlich keinen Zweifeln unterliegen. Weil die Verwirklichung des § 111 I StGB zwingend voraussetzt, dass die Bezugstat gerade infolge der hierfür kausalen Aufforderung zumindest versucht worden ist, steht fest, dass die Äußerung den Adressaten zugegangen und von diesen auch zur Kenntnis genommen worden sein muss. Die im Folgenden zu erörternde Problematik des erforderlichen Zugangs der Aufforderung kann daher auf § 111 II StGB beschränkt werden. Im Wesentlichen existieren zur Frage des Zugangserfordernisses bei der öffentlichen Aufforderung zwei verschiedene Auffassungen. Ein weites Verständnis von der Verwirklichung des Tatbestands liegt dabei derjenigen Ansicht zugrunde, welche es nicht für erforderlich hält, dass die Aufforderung einen tauglichen Täter (der Bezugstat) wirklich erreicht hat, sondern es für die Vollendung der Tat ausreichen lässt, dass die Aufforderung in den Einflussbereich irgendwelcher
705
Vgl. Schönke/Schröder-Eser, § 111 Rn. 17. Vgl. Schönke/Schröder-Eser, § 111 Rn. 1. 707 Vgl. zur Frage des Zugangserfordernisses bereits C.V.2.b)ee) zu § 30 I StGB, C.V.2.c)dd) zu § 30 II Alt. 1 StGB, C.V.2.d)cc) zu § 30 II Alt. 2 StGB und C.V.2.e)aa) zu § 30 II Alt. 3 StGB. 708 Leipold/Tsambikakis/Zöller-Barton, § 111 Rn. 11; MK-Bosch, § 111 Rn. 26. 706
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Adressaten bzw. Täter gelangt ist709. Die auf einem restriktiveren Normverständnis beruhende Gegenauffassung verlangt für die Tatvollendung indes nicht nur den tatsächlichen Zugang, sondern darüber hinaus auch die inhaltliche Kenntnisnahme von der Aufforderung durch die Empfänger710. Bereits mehrfach wurde darauf hingewiesen, dass das Auseinanderfallen von Abgabe und Zugang einer Äußerung durchaus auch für Fälle der Nutzung von Internetkommunikationsmitteln relevant sein kann711. Folglich ist die Frage des Zugangserfordernisses im Kontext der vorliegenden Arbeit auch für die erfolglose öffentliche Aufforderung zu klären. Anders als bei der versuchten Anstiftung zu einem Verbrechen (§ 30 I StGB), der Bereitschaftserklärung zur Begehung eines Verbrechens (§ 30 II Alt. 1 StGB) sowie der geäußerten Annahme einer solchen Bereitschaftserklärung (§ 30 II Alt. 2 StGB) wird bezüglich der Vollendung der öffentlichen Aufforderung nicht in Erwägung gezogen, bereits deren bloße Entäußerung ausreichen zu lassen712. Die Richtigkeit dieser Annahme wird insbesondere durch einen vergleichenden Blick auf die versuchte Anstiftung gemäß § 30 I StGB bestätigt. Zwar ist es sowohl bei der versuchten Anstiftung als auch bei der öffentlichen Aufforderung der Fall, dass mit der Abgabe der jeweiligen Äußerung zugleich auch eine Aufgabe der Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten im Hinblick auf den weiteren Geschehensverlauf erfolgt. Jedoch ist es bei § 30 I StGB gerade die Einordnung als Versuchstatbestand, welche es rechtfertigt, die Strafbarkeit bereits mit der Abgabe der betreffenden Äußerung – d.h. dem bloßen Handlungsversuch – und damit ohne das Erreichen eines Teilerfolgs in Form des Zugangs bei dem Adressaten eintreten zu lassen. Wird also in der schlichten Entäußerung der betreffenden Erklärung zutreffenderweise „nur“ das unmittelbare Ansetzen zur Herbeiführung einer Rechtsgüterverletzung gesehen, so muss für § 111 II StGB folgerichtig festgestellt werden, dass eine Strafbarkeit allein aufgrund der schlichten Entäußerung der Aufforderung nicht eintreten kann, weil dieser den bloßen Handlungsversuch gerade nicht erfasst713. Ein feststellbarer Teilerfolg, welcher für die Strafbarkeit des Auffordernden konstitutiv ist, kann daher erst mit dem Zugang der Aufforderung bei den Adressaten vorliegen. Hiernach kann also allein das bloße Absenden einer Aufforderung (beispielsweise um diese in einem öffent709 Vgl. BayObLG NJW 1994, 396 (397); Dreher, FS Gallas 1973, S. 307 (313); Fischer, § 111 Rn. 3; Lackner/Kühl, § 111 Rn. 3; LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 18; Satzger/Schmitt/Widmaier-Fahl, § 111 Rn. 2; Schönke/Schröder-Eser, § 111 Rn. 6. 710 Vgl. Franke, GA 1984, 452 (465 f., 471); Kissel, S. 154 f., 165; NK-Paeffgen, § 111 Rn. 28. 711 Vgl. bereits oben C.V.2.b)ee) zu § 30 I StGB, C.V.2.c)dd) zu § 30 II Alt. 1 StGB und C.V.2.d)cc) zu § 30 II Alt. 2 StGB. 712 Vgl. Dreher, FS Gallas 1973, S. 307 (313); Franke, GA 1984, 452 (465 f.); Lackner/Kühl, § 111 Rn. 3; LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 18; NK-Paeffgen, § 111 Rn. 28. 713 MK-Bosch, § 111 Rn. 26; NK-Paeffgen, § 111 Rn. 28.
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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lichen Webforum oder Blog zu posten), welche im Ergebnis jedoch erfolglos bleibt, für sich allein noch keine Strafbarkeit gemäß § 111 II StGB zur Folge haben. Ebenso wird es an dem erforderlichen Zugang fehlen, wenn das Posten der Aufforderung daran scheitert, dass die betreffende Äußerung vor der Bereitstellung von einem Moderator herausgefiltert und – gegebenenfalls – an den Auffordernden zurückgesendet wird. Zwar wird man in diesem Fall hinsichtlich des Moderators nicht nur den faktischen Zugang, sondern auch die Kenntnisnahme vom Inhalt der Aufforderung bejahen müssen, denn dies sind ja gerade die notwendigen Voraussetzungen für dessen Entscheidung über die Zurückweisung der Äußerung. Jedoch wird es hierbei stets an der für § 111 StGB obligatorischen Öffentlichkeit fehlen, da allein durch den Moderator als Einzelperson diese Tatbestandsvoraussetzung nicht erfüllt wird. Nur wenn § 111 II StGB auch durch Individualansprachen verwirklicht werden könnte, käme möglicherweise – bei entsprechendem Bewusstsein des Auffordernden hinsichtlich der (Mit)Ansprache des Moderators – eine Strafbarkeit in Betracht, wenn die Aufforderung nicht das Publikum des öffentlichen Forums, sondern lediglich den Moderator erreicht, von diesem dann jedoch nicht in die Tat umgesetzt wird. Da es jedoch gerade die aus der Öffentlichkeit der Ansprache resultierende Gefährlichkeit ist, welche den Sanktionszweck des § 111 StGB insgesamt darstellt714, verbleibt der vorangehend geäußerte Gedanke im Bereich des Hypothetischen. Vielmehr wird in einem solchen Fall von einer versuchten Anstiftung auszugehen sein, sofern der Auffordernde, für den Fall des Nichtzugangs der Äußerung an den unbestimmten Adressatenkreis, über den alternativen Vorsatz verfügt, auch den Moderator als (individualisierten) Täter der zu begehenden Straftat anzusprechen, wobei die Aufforderung dann aber auch den für ein Bestimmen i. S. d. Anstiftung erforderlichen Konkretisierungsvoraussetzungen entsprechen muss. Bedarf es also jedenfalls des Zugangs der Aufforderung in den Einfluss- bzw. Wahrnehmungsbereich einiger Adressaten der angesprochenen Öffentlichkeit, so ist – wie eingangs erwähnt – umstritten, ob darüber hinaus auch noch die weitere Kenntnisnahme vom Inhalt der betreffenden Äußerung zu fordern ist. Einerseits wird diesbezüglich für die restriktive Ansicht ins Feld geführt, dass die erforderliche abstrakte Gefährdung von Rechtsgütern erst durch die Herstellung eines geistigen Kontakts erfolgen könne, weil die Aufforderung i. S. v. § 111 StGB nicht als einseitiger Vorgang zu verstehen sei, sondern die Wahrnehmung der Äußerung durch Dritte notwendig impliziere bzw. bereits von ihrem Wortlaut her voraussetze715. Abweichend bzw. alternativ dazu wird zwar anerkannt, dass der Begriff der „Aufforderung“ an sich zunächst auch einseitige – d.h. ohne zu einem geistigen Kontakt führende – Vorgänge erfassen könne, solange diese we714 Kindhäuser, LPK, § 111 Rn. 1; Rogall, GA 1979, 11 (16); Satzger/Schmitt/Widmaier-Fahl, § 111 Rn. 2; Schönke/Schröder-Eser, § 111 Rn. 2. 715 Vgl. Franke, GA 1984, 452 (465 f.); Kissel, S. 154.
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
nigstens mit der Tendenz der Kenntnisnahme durch Dritte verbunden sind716. Jedoch wird im Weiteren unterstellt, dass sowohl die Aufforderungs- (§ 111 I Alt. 1 StGB) als auch die Versammlungsmodalität (§ 111 I Alt. 2 StGB) des § 111 StGB jeweils zwingend eine kommunikative Situation verlangen und eine solche aus systematischen Gründen dann auch für die Verbreitungsmodalität (§ 111 I Alt. 3 StGB) und damit für § 111 StGB insgesamt – d.h. auch für § 111 II StGB – gelten müsse717. Jedoch kann letztlich dahingestellt bleiben, ob von dem Vorgang des Aufforderns zwingend das Herbeiführen eines geistigen Kontakts zu verlangen ist oder ob eine kommunikative Situation bereits Voraussetzung für eine Aufforderung sein muss. Entscheidend gegen die restriktive Ansicht ist nämlich insgesamt einzuwenden, dass diese im Ergebnis zu einer zu weitgehenden Einschränkung der Strafbarkeit führt. Es trägt dem von dem Auffordernden verwirklichten Handlungsunrecht nicht in ausreichendem Maß Rechnung, wenn dessen Strafbarkeit erst mit der inhaltlichen Wahrnehmung der Aufforderung durch Dritte eintreten soll. Vielmehr überzeugt es, dies bereits mit dem Moment des Zugangs bei den möglichen Adressaten geschehen zu lassen. Kaum zu bestreiten ist nämlich, dass in dem Zugang jedenfalls ein notwendiger erster Teilerfolg einer öffentlichen Aufforderung zur Begehung von Straftaten zu sehen ist. Ist die Aufforderung erst einmal in den Einfluss- und Wahrnehmungsbereich der Adressaten (z. B. der in einem offenen Webforum gepostete Beitrag) hinein- und aus dem Einflussbereich des Auffordernden herausgelangt, wird selbiger in der Regel keinen Einfluss mehr auf das weitere Geschehen nehmen können. Hiernach obliegt es aus der Perspektive des Auffordernden also lediglich noch dem Zufall, ob bzw. wann es zu einer Kenntnisnahme seiner Aufforderung durch Dritte und damit gleichzeitig auch zu einer Beeinträchtigung des Allgemeinrechtsguts des inneren Gemeinschaftsfriedens kommen wird. Des Weiteren erscheint es auch angesichts des Umstands, dass es sich bei der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten insgesamt um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt718, als unrichtig und im Ergebnis überzogen, bezüglich der Verwirklichung des § 111 II StGB auf die Wahrnehmung der Aufforderung durch die Adressaten abzustellen. Ist eine solche erfolgt, so hängt die Verletzung der durch die Bezugstat anzugreifenden Individualrechtsgüter lediglich noch davon ab, dass sich einer oder mehrere der Empfänger tatsächlich zur Begehung der angesonnenen Tat entschließen. Da der Auffordernde auf die autonome Entscheidung der Erklärungsempfänger regelmäßig aber keinen hinreichenden Einfluss 716
So NK-Paeffgen, § 111 Rn. 28. Wiederum NK-Paeffgen, § 111 Rn. 28. 718 BGHSt 29, 258 (267); Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, § 44 Rn. 37 f.; Dreher, FS Gallas 1973, S. 307 (312); Fischer, § 111 Rn. 1; Lackner/Kühl, § 111 Rn. 1; MKBosch, § 111 Rn. 3; Satzger/Schmitt/Widmaier-Fahl, § 111 Rn. 1. 717
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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mehr nehmen kann, stellt es für ihn einen bloßen Zufall dar, ob es infolge der Wahrnehmung seiner Aufforderung zu einer Tatentschlussbildung und einer daraus folgenden Verletzung der betreffenden individuellen Rechtsgüter kommt oder nicht. Damit aber entsteht – aus der Perspektive des Auffordernden – im Zeitpunkt der Wahrnehmung durch die Erklärungsempfänger bereits eine konkrete Gefahrenlage. Für eine Strafbarkeit nach § 111 II StGB vielmehr ausreichend ist hingegen aber die Schaffung einer abstrakten Gefahrenlage, welche jedenfalls schon mit dem Zugang der Aufforderung gegeben ist. Da der Normzweck des § 111 StGB darin besteht, bereits der gefährlichen Handlung des öffentlichen Aufforderns zur Begehung von Straftaten als solcher entgegenzuwirken719, sind höhere Anforderungen – d.h. eine inhaltliche Kenntnisnahme – bei § 111 II StGB nicht zu verlangen. Vor diesem Hintergrund erscheint es folglich als unbillig, denjenigen straflos ausgehen zu lassen, der in vollem Bewusstsein der durch seine öffentliche Aufforderung verursachten Gefahr dennoch eine entsprechende Äußerung abgegeben hat, welche zwar in den Wahrnehmungsbereich der Adressaten gelangt ist, dann aber aufgrund von Umständen nicht wahrgenommen wurde, die regelmäßig außerhalb seines Macht- und Einflussbereichs liegen. Um die Strafbarkeit des Auffordernden gemäß § 111 II StGB in solch einem Fall also nicht von Zufälligkeiten abhängig zu machen, ist es geboten, die Vollendung der Aufforderung bereits mit dem Zeitpunkt des Zugangs bei den Adressaten eintreten zu lassen. So ist beispielsweise eine Strafbarkeit nach § 111 II StGB regelmäßig bereits dann verwirklicht, wenn eine tatbestandsmäßige Aufforderung zur Begehung von Straftaten auf einer frei zugänglichen Website zur Ansicht bereitgestellt oder als Plakat im öffentlichen Raum an eine Wand geschlagen und damit zur Wahrnehmung durch einen zahlenmäßig unüberschaubaren und individuell unbestimmten Personenkreis freigegeben ist. Da es ab diesem Moment nicht mehr dem Einfluss des Auffordernden unterliegt, ob, wann und wer (aus der zahlenmäßig unüberschaubaren und individuell unbestimmten Personengruppe) Kenntnis vom Inhalt der Äußerung erlangt, hat sich der Strafgrund des § 111 StGB bereits regelmäßig realisiert. Kommt es darüber hinaus dann tatsächlich zur Kenntnisnahme der Aufforderung durch andere Internetnutzer (Aufforderung auf der Website) bzw. Passanten (Aufforderung im öffentlichen Raum) und infolgedessen schließlich auch zur Begehung der angesonnenen Tat, so ist der Auffordernde nicht mehr nach § 111 II StGB, sondern bereits nach § 111 I Alt. 1 StGB zu bestrafen. ee) Die Modalität des öffentlichen Aufforderns (§ 111 I Alt. 1 StGB) § 111 I StGB normiert insgesamt drei Modalitäten des strafbaren Aufforderns, namentlich das öffentliche Auffordern (Alt. 1), das Auffordern in einer Ver719
LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 1; Satzger/Schmitt/Widmaier-Fahl, § 111 Rn. 1.
210
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sammlung (Alt. 2) und das Auffordern durch Verbreiten von Schriften (Alt. 3). Wie bereits an früherer Stelle dargestellt720, erfüllen im Internet bereitgestellte Inhalte in fast allen Fällen den Schriftenbegriff des § 11 III StGB, so dass zunächst der Gedanke naheliegen könnte, dass allein § 111 I Alt. 3 StGB im Hinblick auf Internetsachverhalte Relevanz entwickeln kann. Da aber auch die Modalitäten des öffentlichen Aufforderns (Alt. 1) oder des Aufforderns in einer Versammlung (Alt. 2) durch den Einsatz von Schriften realisiert werden können721 und folglich nicht zwingend eine lediglich temporäre mündliche Äußerung verlangen, erweisen sich auch diese beiden Tatbestandsalternativen im Hinblick auf Internetsachverhalte von Bedeutung, so dass deren Betrachtung im Rahmen der vorliegenden Arbeit ebenso geboten ist. Im Folgenden ist daher zunächst auf § 111 I Alt. 1 StGB einzugehen. Die Tatmodalität des öffentlichen Aufforderns verlangt grundsätzlich, dass die Äußerung von einer tatsächlich vorhandenen, größeren, zahlenmäßig unbestimmten Anzahl individuell nicht bestimmter Personen unmittelbar wahrgenommen werden kann722. Dies ist bereits den vorangehenden Ausführungen zur tatbestandsmäßigen Handlung des § 111 StGB zu entnehmen723. Maßstab für die Beurteilung einer Situation als öffentlich ist hierbei regelmäßig der Empfängerkreis724, d.h. Öffentlichkeit i. S. v. § 111 StGB liegt in jedem Fall dann vor, wenn praktisch jedermann in der Lage ist, die Aufforderung ohne Weiteres wahrzunehmen und der Täter dadurch die Auswirkungen seines Handelns nicht mehr absehen kann, da es ihm weder möglich ist, die Adressaten ihrer Anzahl nach zu überschauen, noch jene anhand bestimmter Merkmale zu individualisieren. Der Öffentlichkeit einer Aufforderung steht es demnach entgegen, wenn es (objektiv) der Täter ist, der entscheiden kann, wem die Äußerung letztlich zur Wahrnehmung gelangen soll bzw. wem nicht und er zumindest (subjektiv) den Willen hat, den Kreis der Adressaten auf eine bestimmte Gruppe zu beschränken725. Das Merkmal der Öffentlichkeit wäre beispielsweise dann nicht erfüllt, wenn der Täter eine entsprechende Aufforderung in einem von ihm selbst verwalteten Diskussionsforum (z. B. auf seiner eigenen Profilseite in einem sozialen Online-Netzwerk) veröffentlicht, er die Zugangsberechtigung an die betreffenden Nutzer selbst und jeweils individuell vergeben hat (z. B. durch Bestätigung einer entsprechende Anfrage eines anderen Netzwerkmitglieds) und dabei
720
Vgl. oben C.IV.2. LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 41. 722 BGHSt 11, 282 (284 ff. – ausführlich zum Öffentlichkeitsbegriff im Rahmen von § 183 StGB a. F.); Kindhäuser, LPK, § 111 Rn. 8; Kissel, S. 160 ff.; LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 33; MK-Bosch, § 111 Rn. 17; NK-Paeffgen, § 111 Rn. 21. 723 Vgl. direkt zuvor C.V.2.f)bb). 724 MK-Bosch, § 111 Rn. 17; Satzger/Schmitt/Widmaier-Fahl, § 111 Rn. 4. 725 LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 34; MK-Bosch, § 111 Rn. 17. 721
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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bzw. dadurch auch noch einen zahlenmäßigen Überblick über den Kreis der Empfänger behalten konnte726. Nicht zuletzt, weil jeweils (auch) „nach den Erfahrungen des täglichen Lebens“ 727 zu beurteilen ist, ob die Möglichkeit der öffentlichen Wahrnehmung besteht, drängt es sich nahezu auf, bezüglich § 111 I Alt. 1 StGB auch die entsprechenden Kommunikationsmöglichkeiten des Internets in den Blick zu nehmen728. So dürfte eine Öffentlichkeit i. S. d. Norm jedenfalls dann zu bejahen sein, wenn die tatbestandsmäßige Äußerung praktisch allen Nutzern zur unmittelbaren Wahrnehmung bereitgestellt wird, so dass sich ein zahlenmäßig unüberschaubarer Empfängerkreis ergibt. In Betracht kommen hierfür beispielsweise frei zugängliche Websites, offene Foren und Blogs. Hingegen dürfte selbst in einem frei zugänglichen Internetkommunikationsmittel dann keine Öffentlichkeitssituation vorliegen, wenn die dort getätigte Äußerung nicht permanent erhalten bleibt bzw. gespeichert wird, also nur für kurze Zeit von den anderen Nutzern wahrgenommen werden kann, und – für den sich Äußernden erkennbar – die Anzahl dieser anderen Nutzer eine nur äußerst geringe ist, so dass damit ein (zahlenmäßig noch) überschaubarer Personenkreis (welchem die Wahrnehmung der Äußerung möglich ist) vorliegt. Unter diesen Voraussetzungen kann der sich Äußernde nämlich davon ausgehen, dass seine Äußerung nur von dem für ihn in diesem (begrenzten) Zeitraum zahlenmäßig überschaubaren Personenkreis wahrgenommen werden kann729. Als weithin anerkannt gilt außerdem, dass allein der für die Überwindung einer bestehenden Zugangsperre zwingend erforderliche Erwerb einer Zugangsberechtigung nicht notwendigerweise die Annahme der Öffentlichkeit ausschließt730. Wenn eine solche Berechtigung nämlich ohne Weiteres von praktisch jedem Nutzer erlangt werden kann, sei es, weil lediglich ein Nickname und eine EMail-Adresse angegeben werden müssen oder anzugebende persönliche Daten ohne Verifizierung vom Anbieter akzeptiert werden, so steht dem Zustandekommen eines zahlenmäßig unüberschaubaren und individuell unbestimmten Kreises von Nutzern praktisch nichts entgegen. Darüber hinaus muss auch dann von einer 726 Vgl. in diesem Zusammenhang aber auch Schulte/Kanz, ZJS 2013, 24 (29) zu den im sozialen Netzwerk Facebook aus der Like-Funktion resultierenden Konsequenzen. 727 LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 34. 728 Vgl. auch Kindhäuser, LPK, § 111 Rn. 8 und NK-Paeffgen, § 111 Rn. 21, die das Internet (bereits) in seiner Gesamtheit im Zusammenhang mit dem Öffentlichkeitsbegriff des § 111 StGB benennen. 729 Dies ist beispielsweise bei einem frei zugänglichen Chat der Fall, wenn dort die zuverlässige aktuelle zahlenmäßige Angabe aller anderen Nutzer/Betrachter erfolgt und sich deren Anzahl zudem auch für den sich Äußernden als (noch) überschaubar erweist. 730 Vgl. B. Heinrich, FS Heinz 2012, S. 728 (738); LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 37; MK-Bosch, § 111 Rn. 18; Satzger/Schmitt/Widmaier-Fahl, § 111 Rn. 4; Sieber, JZ 1996, 494 (495 f.).
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
Öffentlichkeit ausgegangen werden, wenn sich die Zugangsbeschränkung zu einem Diskussionsforum oder Chat o. ä. lediglich auf die aktive Teilnahme, also das Posten von Beiträgen bezieht, die passive Teilnahme, also das bloße Ansehen bzw. Mitverfolgen des Kommunikationsvorgangs, aber praktisch allen Internetnutzern unbeschränkt möglich ist und diese Personen dabei auch keiner zahlenmäßigen Erfassung bzw. Erfassbarkeit unterliegen. Anders kann der Fall wiederum liegen, wenn in einem Internetkommunikationsmittel eine wirkliche Zugangskontrolle stattfindet (z. B. mittels einer Verifizierung der persönlichen Nutzerdaten und individueller Zulassung durch einen Administrator). In Betracht kommen beispielsweise solche Websites, Foren, Chatrooms o. ä., deren Nutzer tatsächlich erst nach einer individuellen Zulassung oder – noch weitgehender – einer konkreten Einladung durch einen Administrator an der dortigen Kommunikation aktiv und/oder passiv partizipieren können. Ein Beispiel hierfür sind die sog. „Gruppen“ in sozialen Netzwerken im WWW, in denen die Nutzer, nachdem sie mittels Einzelzulassung durch einen Initiator/ Administrator Gruppenmitglieder geworden sind, in speziellen themenbezogenen Diskussionsforen ihre Wortbeiträge hinterlassen, per Mailingliste an alle Gruppenmitglieder direkt versenden oder auch in einem Chat miteinander kommunizieren können. So gibt es beispielsweise öffentliche Gruppen, denen jedes Netzwerkmitglied beitreten kann und deren Diskussionsinhalte von allen Netzwerkmitgliedern – also auch denjenigen, die der Gruppe nicht beigetreten sind – verfolgt werden können731. Daneben existieren aber auch solche Gruppen, deren Kommunikationsinhalte nur von Gruppenmitgliedern wahrgenommen werden können732 und auch solche, bei denen die Teilnahme nicht beantragt werden kann, sondern hierfür eine Einladung von einem bestehenden Gruppenmitglied erforderlich ist733. Eine vollumfängliche Wahrnehmung der in geschlossenen bzw. geheimen Gruppen diskutierten Inhalte ist somit zumindest nicht jedem Netzwerkmitglied ohne Weiteres möglich, so dass das Merkmal der Öffentlichkeit hier gerade nicht pauschal und ohne Betrachtung der konkreten Umstände des Einzelfalls angenommen werden kann. Andererseits können aber auch die einer echten Zugangsbeschränkung – d.h. Prüfung und Zulassung oder sogar konkrete Einladung durch den Administrator – unterliegenden Kommunikationsangebote eine Mitgliederzahl erreichen, die für den einzelnen (zugelassenen) Teilnehmer selbst nicht mehr überschaubar ist, wie z. B. bei einer Gruppe in einem sozialen Online-Netzwerk oder einem geschlossenen Chatroom zu dem/der mehrere tausend Nutzer zugelassen bzw. eingeladen 731 Bei dem Online-Netzwerkanbieter Facebook sind dies beispielsweise die sog. „offenen Gruppen“. 732 Bei dem Online-Netzwerkanbieter Facebook sind dies beispielsweise die sog. „geschlossenen Gruppen“. 733 Bei dem Online-Netzwerkanbieter Facebook sind dies beispielsweise die sog. „geheimen Gruppen“.
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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worden sind. An der zahlenmäßigen Überschaubarkeit des Personenkreises dürfte es in solch einem Fall selbst dann fehlen, wenn die Möglichkeit besteht, sich die Nutzernamen der anderen (mehreren tausend) Gruppenmitglieder und deren konkrete Gesamtzahl anzeigen zu lassen734. Für solche nicht ohne individuelle Zulassung zugänglichen, aber (dennoch) eine unüberschaubare Vielzahl von zugelassenen, nicht näher individuell bestimmbaren Nutzern umfassenden – und damit „quasi-öffentlichen“ – Kommunikationsmittel des Internets könnte zudem möglicherweise auch die zweite Alternative des § 111 I StGB in Betracht kommen. Im Folgenden soll daher untersucht werden, ob § 111 I Alt. 2 StGB überhaupt auf Internetsachverhalte zur Anwendung gebracht werden kann und – sofern eine internetbezogene Anwendbarkeit zu bejahen ist – welche Fälle hiervon konkret erfasst sein können. ff) Die Modalität des Aufforderns in einer Versammlung (§ 111 I Alt. 2 StGB) Die zweite Tatmodalität des § 111 I StGB ist die des Aufforderns in einer Versammlung. Weithin anerkannt ist diesbezüglich, dass es im Rahmen des § 111 StGB aufgrund dessen eigenen Schutzzwecks einer von anderen Straftatbeständen, dem VersammlG und auch dem GG735 losgelösten Interpretation des Versammlungsbegriffs bedarf736. Demnach ist eine Versammlung i. S. d. Norm ein räumliches Beisammensein einer größeren Anzahl von Personen von gewisser Dauer und zu einem bestimmten gemeinsamen Zweck737. Da sich die Versammlungsalternative und die der öffentlichen Begehung (§ 111 I Alt. 1 StGB) überschneiden, wird teilweise eingewandt, dass § 111 I Alt. 2 StGB nur dann eine eigenständige Bedeutung zukommen könne, wenn hiervon gerade solche Fälle erfasst werden, bei denen die öffentliche Begehung aufgrund des geschlossenen Charakters der Veranstaltung zweifelhaft sein kann738. Zu berücksichtigen ist diesbezüglich allerdings, dass es auch bei § 111 I Alt. 2 StGB, um dem Strafgrund des § 111 StGB gerecht zu werden, letztlich 734 Anders kann der Fall wiederum liegen, wenn nicht sämtliche zugelassenen Gruppenmitglieder zahlenmäßig bekannt gegeben werden, sondern nur diejenigen, die tatsächlich im Zeitpunkt der Abgabe einer nicht permanenten Äußerung ebenfalls in der Diskussionsgruppe anwesend sind, sofern sich deren Anzahl als (noch) überschaubar erweist. 735 Zum Versammlungsbegriff des Art. 8 GG vgl. u. a. BVerfG NJW 2002, 1031. 736 Vgl. LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 38; MK-Bosch, § 111 Rn. 20; NK-Paeffgen, § 111 Rn. 24; Schönke/Schröder-Eser, § 111 Rn. 7–10. 737 Kindhäuser, LPK, § 111 Rn. 9; LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 38; Satzger/ Schmitt/Widmaier-Fahl, § 111 Rn. 5. 738 Vgl. LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 39; sowie auch Kissel, S. 163, wonach gerade in den geschlossenen Versammlungen der „[. . .] eigenständige Sinn dieses Tatbestandsmerkmals [. . .]“ liege.
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
immer entscheidend auf das Kriterium der Unbestimmtheit des angesprochenen Personenkreises ankommen muss739. Hier kann man sich beispielsweise den Bundesparteitag einer großen politischen Partei vorstellen, zu dem nur Parteimitglieder eingeladen sind. Dabei handelt es sich zwar zunächst um eine geschlossene, nicht jedermann frei zugängliche Veranstaltung. Findet diese jedoch in der Stadthalle vor mehreren tausend gleichzeitig anwesenden Parteimitgliedern statt, so wird sich der Redner auf dem Podium einer für ihn unüberschaubaren Vielzahl von Adressaten seiner Ansprache gegenübersehen. Ist es dem Redner zudem auch nicht möglich, die Angesprochenen anhand sonstiger Merkmale zu individualisieren, liegen die Voraussetzungen eines unbestimmten Personenkreises vor740, so dass im Fall der Äußerung einer entsprechenden Aufforderung eine Anwendung von § 111 StGB grundsätzlich in Betracht kommt. Hiernach wird deutlich, dass auch der geschlossene Charakter einer Veranstaltung bzw. Versammlung mit dem Unbestimmbarkeitserfordernis des § 111 StGB hinsichtlich der angesprochenen Personen vereinbar ist. Gleichzeitig sind mit dem Vorliegen eines unüberschaubar großen und individuell unbestimmten Adressatenkreises stets aber auch die Voraussetzungen von § 111 I Alt. 1 StGB erfüllt. Wird also angemerkt, dass § 111 I Alt. 2 StGB insbesondere dann zur Anwendung kommen können soll, wenn mangels freier bzw. allgemeiner Zugänglichkeit der Versammlung „[. . .] die öffentliche Tatbegehung zweifelhaft sein kann [. . .]“ 741, so ist dem hinzuzufügen, dass der Umstand der freien Zugänglichkeit einer Veranstaltung oder eines Kommunikationsmediums zwar regelmäßig ein gewichtiges Indiz für das Vorliegen einer Öffentlichkeit, jedoch keine zwingende Voraussetzung für deren Annahme ist. Unter Bezugnahme auf den bereits an früherer Stelle erörterten Begriff der „Öffentlichkeit“ 742 soll daher nochmals festgehalten werden, dass das Wesensmerkmal der Öffentlichkeit in einem zahlenmäßig unüberschaubaren und individuell unbestimmten Personenkreis zu sehen ist. Da ein solcher Personenkreis – wie soeben aufgezeigt – aber ohne Weiteres auch in geschlossenen Veranstaltungen bzw. Räumen gegeben sein kann und damit dann gleichzeitig auch die Voraussetzungen von § 111 I Alt. 1 StGB vorliegen, erweist es sich als überzeugend, § 111 I Alt. 2 StGB dahingehend zu verstehen, dass durch diesen (lediglich) klargestellt werden soll, dass der geschlossene Charakter einer Versammlung einer öffentlichen Tatbegehung nicht per se entgegensteht743. Neben einer Strafbarkeit wegen Aufforderung zu Straftaten in einer Versammlung gemäß § 111 I Alt. 2 StGB liegt demnach also regelmäßig auch eine solche gemäß § 111 I Alt. 1 StGB vor. Zustimmung verdient es daher, § 111 I Alt. 2 739
So auch MK-Bosch, § 111 Rn. 21; Schönke/Schröder-Eser, § 111 Rn. 7–10. So spricht LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 39, in diesem Fall auch von „quasiöffentlicher“ Begehung. 741 So LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 39. 742 Vgl. zum Begriff der „Öffentlichkeit“ bereits oben C.IV.3. 743 Vgl. auch MK-Bosch, § 111 Rn. 21. 740
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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StGB gerade dann zur Anwendung zu bringen, wenn zwar eine Öffentlichkeitssituation gegeben ist, der Zugang zu selbiger – d.h. beispielsweise der Veranstaltung oder dem Internetkommunikationsmittel – aber nicht jedem unbeschränkt möglich ist (geschlossene Veranstaltung), so dass das Vorliegen eines zahlenmäßig unüberschaubaren und individuell unbestimmten Adressatenkreises hier nicht offensichtlich wird. Problematisch muss es demnach aber erscheinen, wenn die Größe des jeweiligen Personenkreises im Hinblick auf den Versammlungsbegriff des § 111 I Alt. 2 StGB für irrelevant gehalten wird744. Der Verzicht auf das Größenkriterium hätte nämlich zur Folge, dass eine entsprechende Aufforderung bereits gegenüber einer geschlossenen kleineren bzw. zahlenmäßig überschaubaren Personengruppe den Tatbestand des § 111 StGB erfüllen müsste745. Gegen eine solche Konsequenz spricht jedoch zunächst, dass dabei die Grenzen zur Anstiftung zu undeutlich würden, denn als allgemein anerkannt gilt, dass ein Bestimmen i. S. v. § 26 StGB (auch dann) anzunehmen ist, wenn die Äußerung des Anstifters gegenüber einer zahlenmäßig überschaubaren Gruppe erfolgt746. Darüber hinaus ergibt sich auch ein Widerspruch im Hinblick auf den Sinn und Zweck des § 111 StGB, wenn bereits die Ansprache eines zahlenmäßig überschaubaren Personenkreises den objektiven Tatbestand erfüllen würde, denn § 111 StGB soll ja gerade solchen Aufforderungen entgegentreten, die ihre besondere Gefährlichkeit aus der öffentlichen Begehungsweise bzw. dem numerisch unbestimmten Kreis möglicher Täter der angesonnenen Tat erlangen. Dies muss dann aber auch für das Auffordern in Versammlungen, als eine dem öffentlichen Auffordern gleichwertige Alternative, gelten. Angesichts des mit einer Versammlung typischerweise einhergehenden äußeren Erscheinungsbilds stellt sich allerdings auch die – im vorliegenden Zusammenhang grundsätzlich erscheinende – Frage, ob diese Modalität überhaupt auf die Kommunikationsmöglichkeiten des Internets Anwendung finden und damit auch Bedeutung für die in der vorliegenden Arbeit zu untersuchende Problematik erlangen kann. Fraglich kann dies allein im Hinblick auf das Definitionsmerkmal des räumlichen Beisammenseins sein. Eine nähere Betrachtung ergibt jedoch, dass hierin tatsächlich kein Hindernis für eine Anwendung des Versammlungsbegriffs auf Internetsachverhalte bestehen kann, denn dies wäre nur dann der Fall, wenn das räumliche Beisammensein zwingend bzw. ausschließlich als physisch-räumliches Beisammensein verstanden werden müsste. Wie soeben dargelegt, bestehen kaum Zweifel daran, dass auch über die Kommunikationsmittel des Internets ein öffentliches Auffordern stattfinden kann, wenn es sich jedenfalls um vollkommen frei 744 745 746
So Fischer, § 111 Rn. 5; Lackner/Kühl, § 111 Rn. 2. Dies befürwortend Lackner/Kühl, § 111 Rn. 2. Vgl. dazu bereits zuvor C.V.2.f)bb).
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
zugängliche Kommunikationsangebote handelt747. Wird in § 111 I Alt. 2 StGB nun aber eine eigenständige und gleichwertige Alternative zu § 111 I Alt. 1 StGB gesehen, nämlich für die Fälle in denen eine entsprechende Aufforderung gegenüber einem zwar nicht ohne Weiteres frei zugänglichen aber dennoch unüberschaubar großen Kreis versammelter Personen erfolgt748, so kann auch das Räumlichkeitskriterium des Versammlungsbegriffs nicht ausschließlich auf real existierende Räume beschränkt werden, sondern muss vielmehr ebenso die virtuellen Kommunikationsräume des Internets erfassen. Die virtuellen Kommunikationsräume des Internets sind mit real existierenden Räumen jedenfalls dann vergleichbar, wenn diese den zentralen Punkt für die Kommunikation mehrerer Personen miteinander darstellen, d.h. zwingend von den Nutzern „betreten“ werden müssen, um sich an der dort stattfindenden Kommunikation beteiligen zu können. Regelmäßig wird die Kommunikation im WWW (z. B. in Webchats, Webforen oder Diskussionsgruppen in sozialen Online-Netzwerken) derart zentralisiert, dass eine bestimmte Website – gegebenenfalls dann auch weitere Unterseiten – als Plattform dient und von den Nutzern besucht bzw. aufgerufen werden muss. Aber auch bei Internetkommunikationsdiensten außerhalb des WWW kann es erforderlich sein, bestimmte virtuelle Orte aufzusuchen. So ist es beispielsweise auch beim IRC nicht möglich, ohne das Aufsuchen eines bestimmten Channels bzw. Chatrooms mit einer größeren Anzahl von Nutzern zu kommunizieren. Findet also eine Zentralisierung der Kommunikation statt, bringt dies (auch im Internet) regelmäßig mit sich, dass es fest definierte Orte bzw. abgrenzbare Räume geben muss, an denen die Nutzer miteinander in Kontakt treten können. Wie real existierende Räume, stellen auch die virtuellen Räume zentralisierter Kommunikation im Internet fest definierte Orte dar. Es wäre daher sinnwidrig, eine Anwendbarkeit der Versammlungsalternative auf Kommunikationshandlungen im Internet von vornherein an einem zu engen Verständnis des räumlichen Beisammenseins als physisch-räumliche gemeinsame Anwesenheit an einem real existierenden Ort scheitern zu lassen. Vielmehr kann es dem Sinn und Zweck der Norm nur gerecht werden, in das räumliche Beisammensein auch ein solches in den virtuellen Räumen der Internetkommunikationsmittel einzubeziehen, wie es z. B. in Chatrooms, in denen die Teilnehmer regelmäßig zur gleichen Zeit aktiv – i. S. e. virtuellen Anwesenheit – sind, der Fall ist. Demnach kann nicht nur die tatsächliche körperliche Präsenz der Anwesenden in einem real existierenden Raum zu einer Versammlung führen. Selbiges muss auch dann möglich sein, wenn die Beteiligten lediglich unkörperlich in einem virtuellen Raum zur selben Zeit anwesend, also „beisammen“ sind.
747
Vgl. direkt zuvor C.V.2.f)ee). Vgl. LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 39 f.; NK-Paeffgen, § 111 Rn. 24; mit abweichender Begründung, aber im Ergebnis gleich auch MK-Bosch, § 111 Rn. 21. 748
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
217
Anders zu beurteilen ist nach dem zuvor Gesagten folglich der Fall, in dem die unmittelbare Ansprache der (für den Täter) unüberschaubar vielen, nicht individualisierbaren Adressaten nicht über eine von den Nutzern gemeinsam genutzte zentrale Plattform erfolgt. Dies betrifft beispielsweise das Versenden einer Mitteilung über eine Mailingliste. Da hierbei jeweils eine Zustellung an den individuellen Mail-Account des registrierten Listenmitglieds stattfindet, fehlt es an einem zentralen Ort der Kommunikation. In diesem Fall wäre also ein Beisammensein der Teilnehmer schon von Anfang an mangels eines zentralen Kommunikationsraums und der gleichzeitigen Anwesenheit in selbigem nicht möglich. Nachdem die Modalität des Aufforderns in einer Versammlung grundsätzlich auch für Internetsachverhalte in Betracht kommen kann, gilt es nunmehr noch zu klären, wann genau von einem solchen Fall auszugehen ist. Zunächst ist eine zeitgleiche Anwesenheit in dem virtuellen Kommunikationsraum erforderlich, denn anderenfalls kann man kaum von einem Beisammensein der Teilnehmer sprechen. Hiernach müssen also solche Kommunikationsangebote des Internets aus dem Versammlungsbegriff ausscheiden, die eine zeitgleiche bzw. synchrone Kommunikation der Teilnehmer – und damit eine Zusammenkunft i. S. e. Versammlung – nicht zwingend erfordern. Dies ist z. B. in Foren und Blogs der Fall, bei denen Beiträge zu beliebigen Zeiten gepostet und anschließend meist jederzeit und ebenso beliebig oft abgerufen und gegebenenfalls beantwortet werden können. Insofern wird die Versammlungsalternative in der Regel jedenfalls auch nicht auf Diskussionsgruppen in sozialen Online-Netzwerken anwendbar sein, wenn diese nach dem Prinzip eines Forums bzw. Blogs funktionieren. Ein Beisammensein ist hingegen bei einem Chatroom des Webchat oder des IRC oder auch einer Webkonferenz (gegebenenfalls mit Chatfunktion) auszugehen, da die dort stattfindende Kommunikation aufgrund ihrer Synchronizität zwingend die zeitgleiche (virtuelle) Anwesenheit der Teilnehmer voraussetzt. Weiterhin müssen diejenigen Internetkommunikationsmittel aus dem Versammlungsbegriff ausscheiden, welche jedem Nutzer unbeschränkt zugänglich sind und bei denen das Vorliegen einer Öffentlichkeitssituation i. S. v. § 111 I Alt. 1 StGB deshalb offensichtlich ist. Hierzu gehören auch solche Kommunikationsangebote des Internets, welche lediglich für die Kundgabe von Äußerungen (z. B. das Schreiben von Beiträgen in einem Forum oder Chatroom) eine Zugangssperre vorsehen, die Wahrnehmung der dort veröffentlichten Inhalte (z. B. das Mitlesen der Äußerungen in einem Forum oder Chatroom) aber allen Nutzern uneingeschränkt ermöglichen. Für die Bejahung der Geschlossenheit einer Veranstaltung i. S. v. § 111 I Alt. 2 StGB bedarf es hiernach also grundsätzlich einer wirklichen Zugangsbeschränkung, sowohl hinsichtlich der Veröffentlichung von Inhalten, als auch hinsichtlich deren Wahrnehmung. Weiterhin darf die existierende Zugangsbeschränkung nicht dadurch wirkungslos werden, dass es praktisch jedem Nutzer möglich ist, ohne Weiteres – d.h. ohne Verifizierung der angegebenen Daten und konkrete Zulassung durch einen Diensteanbieter, Admi-
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
nistrator oder sonstigen Berechtigten – die erforderliche Zugangs- bzw. Nutzungsberechtigung zu erlangen749. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so ist von einem geschlossenen bzw. nicht frei zugänglichen Kommunikationsangebot des Internets auszugehen. Um nunmehr allerdings noch dem Charakter einer Versammlung i. S. v. § 111 I Alt. 2 StGB gerecht zu werden, muss der tatsächlich registrierte und nach hinreichender Überprüfung zugelassene Personenkreis einen solchen Umfang erreichen, dass es dem einzelnen Nutzer nicht mehr750 oder nur schwer751 möglich ist, zu überschauen, wie viele weitere Personen außer ihm selbst noch zur Nutzung des betreffenden Kommunikationsangebots berechtigt bzw. zugelassen sind. Insbesondere im Hinblick auf die Kommunikationssituationen im Internet bzw. im WWW ist diesbezüglich noch zu erwähnen, dass eine zahlenmäßige Überschaubarkeit (i. S. e. numerischen Bestimmtheit) nicht allein dadurch erreicht werden bzw. die zahlenmäßige Unbestimmtheit nicht allein dadurch entfallen kann, dass dem Einzelnen lediglich die konkrete Anzahl der weiteren zugangsberechtigten Nutzer zur Kenntnis gelangt bzw. gelangen kann, sofern es sich auch dann noch um einen Personenkreis handelt, welcher für ihn von unüberschaubarer Größe ist752. Gerade die bei den Internetkommunikationsmitteln zum Einsatz kommende Technik vereinfacht die zahlenmäßige Erfassung und Kenntlichmachung der Nutzer eines Kommunikationsmittels erheblich. Allein die bloße exakte zahlenmäßige Erfassung und Kenntlichmachung der aktiven Kommunikationsteilnehmer (häufig durch den Anbieter des Kommunikationsmittels), kann aber nicht ausreichen, um eine hinreichende Überschaubarkeit – als Grundlage einer § 111 StGB ausschließenden Einflussnahme- bzw. Steuerungsmöglichkeit – für den einzelnen Nutzer zu begründen. Wird beispielsweise in einem geschlossenen Chatroom die genaue Anzahl der gerade aktiven zugelassenen Nutzer angegeben, so führt dies nicht zwingend zu einer hinreichenden Überschaubarkeit für den Einzelnen, denn aus dessen Sicht liegt auch dann noch ein unüberschaubar großer Adressatenkreis vor, wenn er weiß, dass neben ihm derzeit noch mehrere hundert andere Nutzer in dem Chatroom aktiv sind. Regelmäßig wird es daher von der Gestalt des konkreten Einzelfalls abhängen, ob ein Personenkreis vorliegt, der für den betreffenden Kommunikationsteilnehmer derart unüberschaubar groß ist, dass ihm nach Abgabe einer Aufforderung zu einer Straftat eine Einflussnahme auf das weitere Geschehen nicht mehr möglich erscheint753. Auf die 749 Auch in der realen Welt wird wohl kaum eine geschlossene Veranstaltung anzunehmen sein, wenn sich praktisch jedermann ohne Weiteres die zum Zugang berechtigende Einladungskarte selbst verschaffen kann. 750 So Kindhäuser, LPK, § 111 Rn. 9; MK-Bosch, § 111 Rn. 21; NK-Paeffgen, § 111 Rn. 24; Satzger/Schmitt/Widmaier-Fahl, § 111 Rn. 5. 751 So LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 40. 752 Vgl. dazu bereits oben C.IV.3. 753 Kissel, S. 162.
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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bloße zahlenmäßige Kenntnis des Auffordernden hinsichtlich der weiteren aktiven Nutzer des nicht frei zugänglichen Kommunikationsmittels kann es daher allein nicht ankommen. Schließlich wird teilweise noch eine gemeinsame Zwecksetzung seitens der Versammlungsteilnehmer gefordert754. Hierfür sei ein politischer Zweck zwar nicht unbedingt erforderlich, in rein privaten bzw. persönlichen Angelegenheiten (z. B. Geburtstage, Hochzeiten, Beerdigungen etc.) dürfe sich die Zusammenkunft allerdings ebenso wenig erschöpfen755. Jedoch erscheint es fraglich, ob rein private/persönliche Zusammenkünfte tatsächlich (von vornherein) ausgegrenzt werden sollten bzw. ob diese dem Zweckerfordernis im Rahmen von § 111 I Alt. 2 StGB nicht ebenso gerecht werden können. Wie schon eingangs festgestellt, ist die Interpretation des Versammlungsbegriffs bei § 111 I Alt. 2 StGB nicht vollumfänglich an den Versammlungsbegriff des VersammlG und den des GG gebunden, weil der Norm ein eigenständiger Schutzzweck zugrunde liegt. Hiernach muss es also zulässig sein, auch das Zweckerfordernis einer kritischen Würdigung zu unterziehen und diese wiederum insbesondere am Sinn der Regelung des § 111 StGB zu orientieren. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass jedenfalls der Wortlaut der Norm eine bestimmte gemeinsame, über persönliche Belange hinausgehende Zwecksetzung der beteiligten Personen nicht verlangt. Maßgeblich für die Beantwortung der Frage, ob rein privat/persönlich motivierte Zusammenkünfte von dem hier interessierenden Versammlungsbegriff auszunehmen sind, wird daher also eine Betrachtung des Regelungssinns des § 111 StGB sein. Legt man den für § 111 StGB weitest möglichen Schutzbereich zugrunde, so besteht dieser einerseits hinsichtlich der konkreten, von der avisierten (späteren) Tat betroffenen Rechtsgüter und andererseits hinsichtlich des inneren Gemeinschaftsfriedens756. Fraglich ist nun also, ob die entsprechenden Rechtsgüter dann nicht berührt werden (und es damit einer Anwendung des § 111 I Alt. 2 StGB nicht bedarf), wenn es sich um eine abgegrenzte räumliche Zusammenkunft einer für den Auffordernden unüberschaubar großen Anzahl von individuell unbestimmten Personen (Versammlung) handelt, selbige aber ausschließlich private Angelegenheiten verfolgt. Es erscheint jedoch nicht überzeugend, § 111 I Alt. 2 StGB in einer Versammlungssituation nur deshalb (von vornherein) nicht zur Anwendung bringen zu wollen, weil diese von einer privaten/persönlichen Motiva754 Vgl. Kindhäuser, LPK, § 111 Rn. 9; Kissel, S. 163; LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 38; Satzger/Schmitt/Widmaier-Fahl, § 111 Rn. 5. 755 Kindhäuser, LPK, § 111 Rn. 9; Satzger/Schmitt/Widmaier-Fahl, § 111 Rn. 5; anders jedoch Kissel, S. 163. 756 Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, § 44 Rn. 38; Fischer, § 111 Rn. 1; LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 4; MK-Joecks, § 26 Rn. 59; Rogall, GA 1979, 11 (16 f.); Roxin, AT II, § 26 Rn. 148; Schönke/Schröder-Eser, § 111 Rn. 1.
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
tion geprägt ist. Beispielhaft kann man sich hier eine Hochzeitsgesellschaft vorstellen, eine Zusammenkunft also, deren rein privater Zweck und Anlass offensichtlich sind. Da es sich hierbei zumeist um geschlossene bzw. nicht öffentliche Veranstaltungen handelt, haben in der Regel auch nur geladene Gäste Zugang. Gleichwohl kann deren Anzahl aber einen solchen Umfang (z. B. weit über 100 Personen) annehmen, dass diese für den einzelnen Hochzeitsgast bereits nicht mehr zahlenmäßig überschaubar sein oder anhand bestimmter Merkmale individualisiert werden können, denn im Unterschied zu dem Hochzeitspaar, das die Gäste ausgesucht und eingeladen hat, wird unter den Gästen selbst eine solche Verbundenheit und damit auch eine individuelle Kenntnis häufig gerade nicht bestehen. Unter den Voraussetzungen, dass die Hochzeitsgesellschaft für den einzelnen Gast zahlenmäßig unüberschaubar ist und er (in der Regel mangels hinreichender Kenntnis) andere Gäste auch nicht individuell bestimmen und ansprechen kann, liegt für ihn eine Öffentlichkeitssituation vor. Nutzt dieser Gast nun diese Gelegenheit, um die anwesende Hochzeitsgesellschaft in ihrer Gesamtheit dazu aufzufordern, den Festsaal „zu zerlegen“, so erfüllt dies auch hier den Tatbestand des § 111 I Alt. 2 StGB (sofern der Aufforderung Folge geleistet wird). Unzweifelhaft ist hierdurch zunächst das von § 303 StGB geschützte individuelle Rechtsgut der Erhaltung und Unversehrtheit des Eigentums – desjenigen, dem Festsaal, Mobiliar und sonstige Einrichtungsgegenstände gehören – betroffen. Darüber hinaus ist ebenso auch das weitere von § 111 StGB geschützte Rechtsgut des inneren Gemeinschaftsfriedens tangiert. Zu diesem Ergebnis muss man jedenfalls kommen, wenn sich eine Gefährdung des Gemeinschaftsfriedens bereits „[. . .] zwangsläufig aus einer öffentlichen oder quasi-öffentlichen, an einen unbestimmten Personenkreis gerichteten Aufforderung zu Straftaten [. . .]“ 757 ergeben soll. Anhand dieses Beispiels wird deutlich, dass es für die von § 111 StGB vorausgesetzte bzw. zu verhindernde Rechtsgütergefährdung nicht darauf ankommen kann, ob der Versammlung nun ein rein privater/persönlicher oder ein sonstiger Anlass zugrunde liegt. Im Ergebnis kann es daher nicht richtig sein, Zusammenkünfte mit Versammlungscharakter allein aufgrund einer rein privaten/persönlichen Motivation von vornherein von § 111 I Alt. 2 StGB auszunehmen. Auch ausschließlich private bzw. persönliche Motive genügen daher dem Erfordernis eines gemeinsamen Versammlungszwecks758. Für dieses Ergebnis spricht auch ein Blick auf andernorts im StGB geregelte Versammlungstatbestände. Während sich ein in gewisser Weise inhaltlich qualifiziertes Zweckerfordernis hinsichtlich der Versammlungstatbestände759 des im ersten und zweiten Abschnitt des BT des StGB verankerten sog. „Staatsschutz-
757 758 759
OLG Karlsruhe NStZ 1993, 389 (390); LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 5. So im Ergebnis auch Kissel, S. 163. Vgl. §§ 80a, 86a I Nr. 1, 90 I, 90a I, 90b I StGB.
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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strafrecht“ 760, aufgrund der dort erforderlichen staats-, verfassungs- und/oder demokratiegefährdenden Intention noch eher begründen ließe761, kann dies für § 111 StGB, mangels einer entsprechenden inhaltlichen Ausrichtung und der bloßen pauschalen Bezugnahme auf die Begehung von „Straftaten“, hingegen kaum der Fall sein. Im Rahmen von § 111 I Alt. 2 StGB eine gemeinsame Meinungsbildung oder -äußerung als Versammlungszweck zu fordern, was bei ausschließlich privaten/persönlichen Zusammenkünften wohl nur höchst selten einmal vorkommen wird, erscheint folglich als eine zu starke, gleichwohl aber nicht notwendige Anlehnung an den Versammlungsbegriff des GG bzw. den des VersammlG762. Das gefundene Ergebnis lässt sich auch in sinnvoller Art und Weise auf die vorliegend interessierende Kommunikation im Internet übertragen. Geht man wiederum vom Beispiel einer Hochzeitsgesellschaft aus, also einer Gruppe, die durch einen gemeinsamen Zweck von ausschließlich privater Art verbunden ist, so lässt sich folgender Fall illustrieren: Im Anschluss an eine gelungene große Hochzeitsfeier, zu der insgesamt ca. 300 Gäste eingeladen waren, entschließt sich das Brautpaar dazu, sich bei seinen Gästen mit einem kollektiven Chat zu bedanken und sich mit selbigen nochmals über das Ereignis auszutauschen. Dazu wird eigens bei einem Diensteanbieter für Webchats ein geschlossener Chatroom eingerichtet. Zu diesem ist der Zugang nur über einen speziellen Hyperlink möglich. Erst nach erfolgter Anmeldung können eigene Beiträge in dem Chatroom abgegeben und die der anderen Teilnehmer gelesen werden. Der als Zugangsschlüssel funktionierende Hyperlink wird ausschließlich per individueller E-Mail an die Hochzeitsgäste verschickt, verbunden mit dem Hinweis, dass nur über diesen Link – d.h. nach dessen Aktivierung – die Teilnahme am Chat möglich ist. Ebenso wird in dieser E-Mail der genaue Zeitpunkt des Chats mitgeteilt. Als der Chat dann stattfindet, folgt tatsächlich ca. die Hälfte der angesprochenen Personen der Einladung und nimmt, z. T. unter Verwendung von Nicknames, teil. Hierin sieht einer der eingeladenen Chatteilnehmer eine günstige Gelegenheit, um die in dem Chatroom bestehende Äußerungs760 Vgl. §§ 80 f. StGB (Friedensverrat), §§ 81 ff. StGB (Hochverrat), §§ 84 ff. StGB (Gefährdung des demokratischen Rechtstaates) und §§ 93 ff. StGB (Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit). 761 So zumindest Lackner/Kühl, § 80a Rn. 2, die bei den §§ 80a, 86a I Nr. 1, 90 I, 90a I und 90b I StGB einen entsprechenden inhaltlichen Bezug zwischen der Schutzrichtung und dem Zweck der Zusammenkunft fordern und daher „rein persönliche Zusammenkünfte“ kategorisch ausscheiden lassen. Dagegen – und im Ergebnis wie hier zu § 111 StGB – jedoch NK-Paeffgen, § 90 Rn. 8, der ausdrücklich auch „[. . .] private Feste oder sonstige Zusammenkünfte privater Art [. . .]“ einbezieht. 762 Vgl. diesbezüglich LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 38, der das Erfordernis der gemeinsamen Meinungsbildung oder -äußerung ausschließlich mit Quellen belegt (vgl. dort Fn. 35 zu § 111), die direkt oder indirekt auf den Versammlungsbegriff des GG oder des VersammlG rekurrieren.
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
plattform zugunsten eigener Zwecke zu instrumentalisieren. Folglich fordert er die anderen Chatteilnehmer in ihrer Gesamtheit dazu auf, sich am nächsten Tag an einer Demonstration zu beteiligen und gegen die zu erwartenden Maßnahmen der Polizei Widerstand, notfalls auch mit Gewalt, zu leisten. Dabei ist es ihm (objektiv) nicht möglich zu erkennen, wie viele der eingeladenen Gäste insgesamt tatsächlich eingeloggt sind, so dass er (subjektiv) zumindest billigend in Kauf nimmt, seine Aufforderung gegenüber einer für ihn unüberschaubaren Vielzahl von Personen zu entäußern. Ebenso ist eine individuelle Bestimmung der Chatteilnehmer nicht möglich, da es dem Auffordernden – für den der größte Teil der Hochzeitsgäste ihm vollkommen unbekannte Personen sind – diesbezüglich an hinreichenden Bestimmungskriterien (d.h. personenbezogenen Merkmalen) fehlt. Entsprechend dem soeben dargestellten Beispiel ließen sich zahlreiche weitere internetrelevante Konstellationen bilden. Die Vielfalt der Angebote im Internet bringt es mit sich, dass es für nahezu jeden Lebensbereich, jedes Interesse, jedes Problem, jede Neigung etc. eine Möglichkeit gibt, mit anderen bzw. Gleichgesinnten in virtuellen Räumen – für die § 111 I Alt. 2 StGB relevant werden kann, sofern es sich um geschlossene Angebote handelt – in Kontakt zu treten. Wie hier dargelegt, kann es aber, was die Realisierung der Rechtsgütergefährdung betrifft, nicht entscheidend auf die Zweckbestimmung einer Versammlung ankommen. Vielmehr sind aus der Versammlungsalternative des § 111 I StGB nur solche Angebote auszuscheiden und § 111 I Alt. 1 StGB zuzuordnen, die überhaupt keiner themengebundenen Ausrichtung unterliegen (z. B. ein Chatroom ohne jegliche inhaltlich-thematische Vorgaben). Dabei wird es aufgrund der Vielfältigkeit der Kommunikationsangebote im Internet erforderlich sein, jeweils im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob ein die Nutzer verbindender Zweck besteht und woraus dieser sich ergibt763. Abschließend lässt sich zur Modalität des Aufforderns in Versammlungen zusammenfassen, dass diese für solche Internetsachverhalte Relevanz entfaltet, bei denen die Tathandlung in geschlossenen virtuellen Räumen gegenüber einem zahlenmäßig nicht überschaubaren und auch nicht durch hinreichende individuelle Merkmale bestimmten Kreis von – jeweils individuell zugelassenen oder eingeladenen – zeitgleich anwesenden Nutzern stattfindet, welche mit der Nutzung 763 So sind beispielsweise Chats, Foren, Blogs, Websites etc. oftmals schon von ihrem Grundanliegen her thematisch orientiert. Hingegen fehlt es großen Angeboten, wie z. B. den sozialen Netzwerken im WWW, als solchen mitunter an einer gemeinsamen Zwecksetzung, zumindest dann, wenn diese eher auf „Allgemeinheit“ bzw. „Globalität“ angelegt sind und dabei über einen praktisch unüberschaubar großen Mitglieder-/Nutzerbestand verfügen. Im Gegensatz dazu dürfte für die in diesen Netzwerken häufig gebildeten Gruppen ein gemeinsamer thematischer Bezug indes wiederum den Normalfall darstellen, da deren Funktion gerade darin besteht, Netzwerkmitglieder aufgrund bestimmter gemeinsamer Interessen zusammenzuführen.
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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des betreffenden Kommunikationsangebots zudem einen gemeinsamen Zweck verfolgen. Dieser Zweck muss dabei nicht zwingend in einer gemeinsamen Meinungsbildung und -äußerung bestehen, sondern kann auch rein privater oder persönlicher Natur sein. gg) Die Modalität des Aufforderns durch Verbreiten von Schriften (§ 111 I Alt. 3 StGB) Die dritte Alternative des § 111 I StGB betrifft schließlich das Auffordern zur Begehung von Straftaten durch das Verbreiten von Schriften. Erfasst wird hiervon ein Verhalten, durch das eine Schrift ihrem Inhalt und ihrer (physischen) Existenz nach einem größeren, individuell nicht feststehenden Personenkreis zugänglich gemacht wird764. Diese Anforderungen an den Adressatenkreis, die denen der ersten und zweiten Tatbestandsalternative entsprechen, ergeben sich einerseits aus dem Sinn und Zweck der Norm, nämlich die der Straftatenanregung gegenüber einer für den Auffordernden unkontrollierbaren Personenmenge innewohnende besondere Gefährlichkeit zu sanktionieren. Andererseits impliziert bereits der Begriff der Verbreitung das Erfordernis eines derart beschaffenen Adressatenkreises765. Praktische Bedeutung soll diese Begehungsmodalität des § 111 StGB jedoch erst dann gewinnen, wenn nicht bereits ein öffentliches Auffordern (§ 111 I Alt. 1 StGB) oder ein Auffordern in einer Versammlung (§ 111 I Alt. 2 StGB) vorliegt766. Im Hinblick auf die Kommunikation im Internet stellen sich zunächst wiederum die Fragen, wann und ob ein Auffordern durch Verbreiten von Schriften überhaupt in Betracht kommen kann. Sowohl zum Schriftenbegriff des § 11 III StGB, als auch zur Begehungsform des Verbreitens wurde bereits – unter konkreter Bezugnahme auf die Kommunikation im Internet – ausführlich Stellung genommen, so dass weitgehend auf diese Ausführungen verwiesen werden kann767. Fest steht nach dem dort Gesagten jedenfalls, dass Inhalte im Internet – d.h. die entsprechenden Daten – grundsätzlich über die Variante des Datenspeichers in den Schriftenbegriff des § 11 III StGB einbezogen werden können, soweit diese tatsächlich eine hinreichend andauernde Speicherung erfahren haben. Weitergehend wurde bereits festgestellt, dass es – bei realistischer Betrachtung des technischen Ablaufs der Kommunikationsvorgänge im Internet – eher selten einmal einen Fall geben wird, in dem die Inhalte (in Datenform) nicht an irgendeiner Stelle des Übertragungsvorgangs 764 BGHSt 13, 257 (258); BGHSt 36, 51 (56); Kindhäuser, LPK, § 111 Rn. 10; LKRosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 43; MK-Bosch, § 111 Rn. 23; NK-Paeffgen, § 111 Rn. 26. 765 Vgl. hierzu bereits oben C.IV.3. 766 Franke, GA 1984, 452 (460); LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 43. 767 Vgl. zum Schriftenbegriff oben C.IV.2. sowie zur Tathandlung des Verbreitens oben C.IV.3.
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
mindestens temporär gespeichert werden (z. B. auf einem Server eines Diensteanbieters) bzw. gespeichert werden können (z. B. auf den jeweiligen Rechnern der Adressaten), so dass bei der Übermittlung von Inhalten über das Internet nahezu regelmäßig – zumindest bei den in der vorliegenden Arbeit interessierenden Kommunikationsmitteln – vom Vorliegen einer Schrift i. S. v. § 11 III StGB ausgegangen werden kann. Es stellt sich nunmehr die Frage, welche praktischen Fälle für § 111 I Alt. 3 StGB in Betracht kommen können und dabei nicht bereits § 111 I Alt. 1 oder Alt. 2 StGB unterfallen. Wie dargestellt, ist realistischerweise davon auszugehen, dass Inhalte im Internet nahezu ausnahmslos den Schriftenbegriff des § 11 III StGB erfüllen. Da Schriften aber auch für die Modalitäten des öffentlichen Aufforderns oder des Aufforderns in einer Versammlung eingesetzt werden können768, bedarf es im Hinblick auf die Verbreitungsmodalität des § 111 I StGB zunächst eines Abgrenzungskriteriums, um dieser eine eigenständige Bedeutung zu verleihen und deren Existenz zu rechtfertigen. Als ein solches Abgrenzungskriterium kann die Unmittelbarkeit der inhaltlichen Wahrnehmung dienen769. Während für das öffentliche Auffordern regelmäßig verlangt wird, dass der Inhalt der Äußerung von den Adressaten unmittelbar wahrgenommen werden können muss770, besteht ein solches Erfordernis für das Verbreiten einer Aufforderung durch Schriften nicht. Dieses Differenzierungskriterium lässt sich auch auf die Kommunikationsmöglichkeiten des Internets anwenden. Konkret erscheint es sinnvoll, auf den „Akt der Wahrnehmbarmachung“ abzustellen. Wird die tatbestandsmäßige Äußerung bereits vom Täter in einer Form bereitgestellt, in der sie für andere Nutzer unmittelbar wahrnehmbar ist, ist von einem Auffordern i. S. d. § 111 I Alt. 1 oder Alt. 2 StGB auszugehen771. Bedarf es hingegen noch eines Zwischenschritts in Form einer oder mehrerer Handlungen des Adressaten, um den Inhalt der Äußerung wahrnehmbar zu machen, könnte ein Fall des § 111 I Alt. 3 StGB in Betracht kommen. Der unmittelbaren Wahrnehmung unterliegen hiernach solche Äußerungen, welche direkt bei der Nutzung des Internets inhaltlich – durch das Ansehen oder Anhören – erfasst werden können und nicht erst von dem jeweiligen Nutzer auf den eigenen Rechner heruntergeladen werden müssen, um dort dann (lokal) – gegebenenfalls unter Verwendung weiterer Software – geöffnet zu werden. Kann eine öffentliche Aufforderung beispielsweise durch einen Plakatanschlag erfolgen772, so kann § 111 I Alt. 1 StGB ebenso we-
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LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 41. MK-Bosch, § 111 Rn. 19. 770 Vgl. KG JR 1984, 249; MK-Bosch, § 111 Rn. 19; NK-Paeffgen, § 111 Rn. 21; Satzger/Schmitt/Widmaier-Fahl, § 111 Rn. 4. 771 Vgl. auch NK-Paeffgen, § 111 Rn. 26, der eine bloße optische oder akustische Vermittlung entsprechender Inhalte von § 111 I Alt. 1 StGB erfasst sieht. 772 Hierzu KG JR 1984, 249. 769
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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nig verneint werden, wenn die Aufforderung – sei es als sofort sichtbarer Text, sei es als automatisch beginnende Bild/-Tonübertragung (Video-/Audiostream) – auf einer jedermann frei zugänglichen Website eingestellt wird773. Nicht unmittelbar wahrzunehmen ist hingegen der Inhalt einer Text-, Videooder Audiodatei, welche vor dem Lesen/Ansehen/Anhören zunächst von einem Server heruntergeladen und gegebenenfalls auch als Kopie auf dem Rechner des jeweiligen Nutzers gespeichert werden muss. § 111 I Alt. 3 StGB könnte folglich also gerade für solche Fälle relevant werden, bei denen der Nutzer die frei abrufbare oder aber an eine unüberschaubare Vielzahl von Empfängern übermittelte Datei (Schrift i. S. v. § 11 III StGB) zunächst mittels seines Computers öffnen muss (fehlende Unmittelbarkeit), um die in ihr „verpackte“ Aufforderung wahrnehmen zu können. Dies ist beispielsweise bei der Dateiübertragung im Wege des FTP, bei der eine entsprechende Datei zum Download bereitgestellt wird774, oder aber auch beim Versand einer Anhangdatei (sog. „Attachment“), also der direkten Übermittlung über eine offene Mailingliste mit einer für den Versender unüberschaubaren Vielzahl von Empfängern, der Fall. Darüber hinaus wird es in den meisten Fällen auch der E-Mail als solcher bzw. dem eigenen Textbestandteil (sog. „Body“ 775) an der erforderlichen Unmittelbarkeit fehlen. Da sich bei dem Empfang von E-Mails regelmäßig zunächst eine Übersichtsseite öffnet, welche die empfangenen Nachrichten – dem Einband eines Buchs vergleichbar – nur mit der Absenderadresse, dem Empfangsdatum, der Betreffzeile und der Information über ein eventuell vorhandenes Attachment ausweist, ist der Inhalt der jeweiligen Nachricht noch nicht einsehbar. Vielmehr bedarf es in der Regel noch eines Akts der Wahrnehmbarmachung durch den Empfänger (z. B. Mausklick oder sonstiger Eingabebefehl). Wird der im Body einer E-Mail enthaltene Text also nicht schon dadurch wahrnehmbar, dass das E-Mail-Programm die empfangene E-Mail automatisch und ohne weiteres Zutun des Empfängers öffnet, sondern selbige lediglich mit der Betreffzeile anzeigt, so ist – jedenfalls im Zeitpunkt des Zugangs – nicht von einer unmittelbaren Wahrnehmbarkeit auszugehen. Dieser Fall ist prinzipiell vergleichbar mit dem der offenen Auslage eines Buchs, bei dem die Seite, auf der die Aufforderung abgedruckt ist, erst noch von dem Interessenten aufgeschlagen werden muss776. Eine öffentliche Aufforderung gemäß § 111 I Alt. 1
773 Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen bei Schulte/Kanz, ZJS 2013, 24 (29 ff.) zum speziellen Fall der sog. „Statusmeldung/-mitteilung“ auf einer Profilseite im sozialen Netzwerk Facebook. 774 NK-Paeffgen, § 111 Rn. 26. 775 Zu den technischen Bestandteilen der E-Mail vgl. oben B.II.1.a). 776 Insofern widerspricht sich Bosch, wenn er die Unmittelbarkeit der Aufforderung bei einem lediglich zur Einsichtnahme oder zum Verkauf angebotenen ungeöffneten Buch verneint, hingegen bei der Versendung von Daten mittels Mailinglisten und Newslettern pauschal und undifferenziert von einer unmittelbaren Wahrnehmbarkeit des Inhalts ausgeht, vgl. MK-Bosch, § 111 Rn. 19, 23.
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
StGB durch das massenhafte Versenden von E-Mails kann daher praktisch nur dann in Betracht kommen, wenn die tatbestandsmäßige Aufforderung bereits in der Betreffzeile enthalten und damit sofort sichtbar ist. Ein solcher, das Merkmal der Öffentlichkeit erfüllender, massenhafter Versand kann beispielsweise bei der Nutzung einer Mailingliste vorliegen, sofern der Versender nicht weiß bzw. überschauen kann, wie viele Mitglieder die Mailingliste umfasst, selbige auch nicht anhand bestimmter Merkmale abgrenzbar (d.h. individualisierbar) sind und er infolgedessen letztlich keinerlei Kontrolle über die weitere Wahrnehmung seiner Nachricht durch andere und deren Auswirkungen hat777. Nachdem sich zunächst also konkrete Fälle bzw. internetbezogene Anwendungsmöglichkeiten für § 111 I Alt. 3 StGB bezeichnen lassen, erweist sich jedoch das Kernelement dieser Alternative, nämlich die Handlungsmodalität des Verbreitens, in diesem Kontext als problematisch. Konkret ist zu klären, ob ein definitionsgemäßes Verbreiten von Inhalten im Internet überhaupt möglich ist778. Das diesbezüglich in Frage zu stellende Merkmal ist das der körperlichen Übergabe, welches zumindest laut vorab genannter Definition erforderlich ist. Da eine körperliche Übergabe aber für körperlose Daten als solche regelmäßig nicht – sondern allenfalls für deren physische Speicher – in Betracht kommen kann, wird teilweise ein Verbreiten durch bloße Datenübertragung im Internet nicht für möglich gehalten779. Dementgegen hat der BGH den sog. „internetspezifischen Verbreitungsbegriff “ 780 geprägt, wonach es grundsätzlich keiner körperlichen Übergabe bedürfe, sondern es vielmehr ausreiche, dass die Datei auf den jeweiligen Rechnern der anderen Nutzer angekommen ist. Für das Ergebnis mache es dabei auch keinen Unterschied, ob die Datei mit dem inkriminierten Inhalt direkt vom Täter an die Empfänger übertragen worden ist oder ob die Empfänger erst durch eigenständiges Herunterladen an die entsprechende Datei gelangen konnten, nachdem der Täter selbige zuvor lediglich zum Download bereitgestellt hat781. Wie ebenfalls an benannter Stelle782 aufgezeigt, erweist sich der Streit um den internetspezifischen Verbreitungsbegriff jedenfalls dann als nicht entscheidungserheblich, wenn der jeweilige Straftatbestand neben der Modalität des Verbreitens 777 Im Hinblick auf Mailinglisten kann dies der Fall sein, wenn der Versender diese Liste nicht selbst verwaltet oder zusammengestellt hat. So ist es z. B. möglich, eine Nachricht über eine fremdgenerierte Liste zu verbreiten, indem diese zunächst an einen Listen-Server gesendet und erst von diesem aus dann (automatisch) an die registrierten Mail-Accounts weiterverteilt wird. 778 Vgl. dazu ebenfalls bereits oben C.IV.3. 779 Vgl. Gercke/Brunst, Rn. 312; Hilgendorf/Valerius, Rn. 303 ff.; Kudlich, JZ 2002, 310 ff.; Lindemann/Wachsmut, JR 2002, 206 (207 ff.); Schönke/Schröder-Perron/Eisele, § 184b Rn. 5. 780 Vgl. dazu wiederum bereits oben C.IV.3. 781 Vgl. BGHSt 47, 55 (59 f.); zustimmend Busse-Muskala, S. 56; Hörnle, NJW 2002, 1008 (1010); MK-Bosch, § 111 Rn. 23; NK-Paeffgen, § 111 Rn. 26 f. 782 Vgl. oben C.IV.3.
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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auch die des Zugänglichmachens normiert, da diese – als Grundform des Verbreitens – jedenfalls (auch) auf die problematischen Internetkonstellationen anwendbar ist. Da der Tatbestand des § 111 StGB die Variante des Zugänglichmachens jedoch gerade nicht beinhaltet und es daher – bei Ablehnung des internetspezifischen Verbreitungsbegriffs – zu Strafbarkeitslücken kommen kann783, ist zu dem vorliegend erwähnten Streit Stellung zu nehmen. Die eine internetspezifische Auslegung ablehnende Ansicht bezieht sich im Wesentlichen auf das Argument, dass eine solche Interpretation des Verbreitungsbegriffs dem Unterschied zwischen körperlosen Daten einerseits und deren physischen Trägern andererseits nicht gerecht werde und diesen verwische bzw. verwechsele784. Tatsächlich stellt es ein Novum dar, auch körperlose Inhalte bereits als solche (und nicht erst deren physische Speicher) in den Verbreitungsbegriff einzubeziehen. Zunächst spricht für eine solche spezifische Erweiterung des Verbreitungsbegriffs, dass darin eine durchaus angemessene und vor allem zeitgemäße Weiterentwicklung zu sehen wäre. Gerade die vielfältigen neuen Möglichkeiten der Weitergabe bzw. Verteilung von Inhalten/Informationen, die das Internet zur Verfügung stellt, basieren sämtlich auf der Übertragung digitalisierter – und damit unkörperlicher – Daten. Die Weitergabe von Daten ist bei einem Festhalten am Körperlichkeitskriterium aber grundsätzlich dem Anwendungsbereich des Verbreitens nach § 111 I Alt. 3 StGB entzogen, was angesichts der enormen Bedeutung des Internets für die heutige moderne Kommunikation zu nachvollziehbaren Bedenken führt. Dies gilt umso mehr, wenn an Stelle der Verbreitungsmodalität nicht ersatzweise auf die Tatbestandsalternative des öffentlichen Zugänglichmachens zurückgegriffen werden kann. Genau das ist aber wiederum bei § 111 StGB der Fall, dessen Tatbestand die Handlungsalternative des öffentlichen Zugänglichmachens gerade nicht enthält, so dass im Ergebnis nicht unmittelbar wahrnehmbare Aufforderungen zu Straftaten im Internet (z. B. abrufbare Dateien mit entsprechenden Inhalten auf einem FTP-Server) nicht vom Tatbestand der Norm erfasst werden können. Insofern erscheint auch die Aussage, der BGH habe durch seine Rechtsprechung den (bis dahin) dogmatisch gefestigten Verbreitungsbegriff „ohne Not“ aufgegeben785, zu absolut, denn tatsächlich sind Strafbarkeitslücken – wie aufgezeigt – denkbar786. Dennoch unterliegt die vom BGH vorgenommene internetspezifische Auslegung einigen grundsätzlichen Einwänden, nach denen sich eine solche Lesart des Verbreitungsbegriffs kaum wird halten lassen können. Tatsächlich erfolgt mit der 783
So bereits Sieber, JZ 1996, 494 (495). Vgl. Gercke/Brunst, Rn. 312; Hilgendorf/Valerius, Rn. 303; Lindemann/Wachsmut, JR 2002, 206 (207). 785 So Hilgendorf/Valerius, Rn. 305; Lindemann/Wachsmut, JR 2002, 206 (209). 786 Sieber, JZ 1996, 494 (495). 784
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
Aufgabe des Köperlichkeitskriteriums – wenn auch aus pragmatischen Erwägungen – eine Durchbrechung der grundsätzlichen Dogmatik des Verbreitens787. Der Rechtfertigung eines solchen Eingriffs in die gefestigte Dogmatik stehen jedoch beachtliche Gründe entgegen. Dies ergibt sich insbesondere aus einer Betrachtung der Handlungsalternative des öffentlichen Zugänglichmachens. Wie bereits an anderer Stelle788 dargelegt, wurde durch das IuKDG das Tatbestandsmerkmal des öffentlichen Zugänglichmachens in das StGB aufgenommen. Dies erfolgte (zunächst für § 86 I StGB) gerade deshalb, um solche Handlungen erfassen zu können, durch die entsprechende Inhalte (z. B. Propagandatexte und -abbildungen, vgl. § 86 I StGB) einem nach Art und Zahl unbestimmten Personenkreis in unkörperlicher Form zur Wahrnehmung gebracht bzw. angeboten werden und daher nicht die Voraussetzungen des Verbreitens erfüllen789. Anstatt also den Begriff des „Verbreitens“ neu zu definieren, hat sich der Gesetzgeber entschlossen, der unkörperlichen Weitergabe rechtswidriger Inhalte mit der (neuen) Handlungsalternative des öffentlichen Zugänglichmachens zu begegnen und etwaige Strafbarkeitslücken auf diesem Weg zu schließen790. Hiernach muss in der erweiternden Auslegung des Verbreitens durch den BGH eine Nichtbeachtung des gesetzgeberischen Willens gesehen werden. Folgerichtig muss es zudem als Wille der Legislative verstanden werden, wenn bei bestimmten Normen (wie z. B. bei § 111 StGB) dem Verbreiten das öffentliche Zugänglichmachen gerade nicht (ergänzend) zur Seite gestellt worden ist. Unabhängig davon erscheint es gleichwohl legitim, die Frage zu stellen, ob eine solche gesetzgeberische Entscheidung – jedenfalls bezüglich § 111 I Alt. 3 StGB – auch heute noch zeitgemäß ist und den aktuellen Umständen entspricht oder ob hier nicht vielmehr eine Neubewertung angebracht wäre. Obwohl Strafbarkeitslücken tatsächlich nicht nur theoretisch denkbar sind, sondern auch praktisch real auftreten können, wie beispielsweise im Fall von § 111 StGB, erweist sich die weite Auslegung des Verbreitungsbegriffs, in Anbetracht der vom Gesetzgeber geschaffenen Alternative des öffentlichen Zugänglichmachens als verfassungsrechtlich problematisch, da damit jedenfalls die (bisherige) Bestimmtheit des Verbreitens ein Stück weit aufgegeben wird. Gleichzeitig könnte – wie soeben schon angedeutet – in diesem Zusammenhang ein gesetzgeberischer Reformbedarf erkannt werden, dem nachzukommen aber jedenfalls Aufgabe der Legislative wäre. Schließlich spricht auch ein Vergleich mit dem Urheberrecht für die hier geäußerten Bedenken gegen eine internetspezifische Auslegung des Verbreitungsbegriffs und damit die Einbeziehung der Weitergabe unkörperlicher Daten. Im Ur787 788 789 790
Dazu eingehend BGHSt 18, 63. Vgl. oben C.IV.3. Vgl. BT-Drs. 13/7385, S. 36; Gercke/Brunst, Rn. 310. So auch Gercke/Brunst, Rn. 312.
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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heberrecht erfolgt eine eindeutige Trennung zwischen der körperlichen (§ 15 I UrhG) und der unkörperlichen Verwertung eines Werks (§ 15 II UrhG). Hierbei wird das Verbreitungsrecht nach §§ 15 I Nr. 2, 17 UrhG eindeutig der körperlichen Verwertung zugeordnet, während das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung nach §§ 15 II 2 Nr. 2, 19a UrhG ebenso eindeutig als unkörperliche Verwertungsart definiert wird. Der Gesetzgeber hat damit im UrhG eine explizite und grundsätzliche Beschränkung des Verbreitungsbegriffs auf die Weitergabe des körperlichen Trägermediums vorgesehen. Eine relative Abweichung des vorliegend interessierenden Verbreitungsbegriffs791 (i. S. d. internetspezifischen Auslegung des BGH) von dem des UrhG ließe sich allenfalls dann begründen, wenn allein dadurch dessen Anwendbarkeit erreicht werden könnte – d.h. konkret: Der Verzicht auf das Körperlichkeitskriterium wäre nur dann zulässig, wenn es anderenfalls keinerlei Anwendungsmöglichkeiten für die strafrechtliche Handlungsmodalität des Verbreitens gäbe. Da inkriminierte Inhalte beherbergende Schriften, Datenspeicher, Abbildungen etc. jedoch (nach wie vor) in strafbarer Art und Weise körperlich weitergegeben werden können, liegt die entscheidende Voraussetzung für eine gerechtfertigte Abweichung vom urheberrechtlichen Verbreitungsbegriff nicht vor. Insofern bringt eine internetspezifische Auslegung des Verbreitungsbegriffs nicht nur eine teilweise Aufgabe der Bestimmtheit dieses Tatbestandmerkmals bzw. dieser Tathandlung, sondern zudem auch eine nicht gerechtfertigte Abkehr von der Einheit der Rechtsordnung mit sich. Die zugunsten der Ansicht des BGH vorgetragenen pragmatischen Erwägungen – so z. B., dass ein ausnahmsloses Festhalten am Körperlichkeitskriterium formalistisch sei, weil es mit den heutzutage zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten kaum mehr ein Problem ist, die übermittelten bzw. erlangten Daten ohne bemerkenswerten Aufwand selbst einer Perpetuierung zuzuführen (z. B. durch Ausdrucken oder Speichern einer Textdatei)792 – können gegenüber den hier formulierten Bedenken grundsätzlicher bzw. rechtsdogmatischer Art nicht überwiegen. Im Ergebnis kann daher der Ansicht des BGH nicht zugestimmt werden. Gleichwohl verdient der Gedanke, das öffentliche Zugänglichmachen in die Normen des StGB aufzunehmen, bei denen ein entsprechender Regelungsbedarf erkennbar ist (z. B. § 111 StGB), Beachtung. Nach dem zuvor Dargelegten erweist sich § 111 StGB von grundsätzlicher Bedeutung für im Internet stattfindende Sachverhalte. Dabei können jedoch nur die Modalität des öffentlichen Aufforderns (§ 111 I Alt. 1 StGB) und die des Aufforderns in einer Versammlung (§ 111 I Alt. 2 StGB) eine Bedeutung erlangen und auf die Internetkommunikation und ihre Besonderheiten übertragen werden. Die
791 Dieser wird auch als sog. „presserechtlicher Verbreitungsbegriff“ bezeichnet, vgl. u. a. Busse-Muskala, S. 54 f. 792 Vgl. MK-Bosch, § 111 Rn. 23.
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
Modalität des Aufforderns durch Verbreiten von Schriften (§ 111 I Alt. 3 StGB) hingegen kann – zumindest in ihrer Fassung de lege lata – mangels der Handlungsalternative des öffentlichen Zugänglichmachens nicht auf Internetsachverhalte zur Anwendung gebracht werden. Dies hat wiederum zur Folge, dass öffentliche Aufforderungen im Internet, die nicht unmittelbar wahrnehmbar sind und daher bereits § 111 I Alt. 1 StGB unterfallen, nicht nach § 111 StGB strafbar sind. Betroffen hiervon ist beispielsweise das Bereitstellen und Übertragen von Text-, Video- oder Audiodateien, welche von den Rezipienten zunächst eigenständig (z. B. durch Download) wahrnehmbar gemacht werden müssen. Vollständig straflos bleibt es hiernach beispielsweise, wenn in einem frei zugänglichen Webforum eine Audiodatei zum Download bereitgestellt wird, deren Inhalt in einer aufgezeichneten mündlichen Aufforderung zur Begehung von Ladendiebstählen bei einer bestimmten Supermarktkette besteht, um einer bereits laufenden Boykottaktion besonderen Nachdruck zu verleihen. Da die Datei zunächst erst einmal von den Nutzern auf den eigenen Computer heruntergeladen werden muss, um dann mit einer entsprechenden Software geöffnet und angehört werden zu können, ist § 111 I Alt. 1 StGB mangels unmittelbarer Wahrnehmungsmöglichkeit der Aufforderung nicht erfüllt. Da die Bezugstat, nämlich der Ladendiebstahl, kein Verbrechen darstellt, kommt auch eine versuchte Anstiftung nach § 30 I StGB nicht in Betracht. Zudem ist diese bereits aufgrund der öffentlichen Bereitstellung der Audiodatei (frei zugängliches Webforum) – d.h. mangels Ansprache konkretisierter möglicher Haupttäter – abzulehnen. Die öffentliche Bereitstellung der Audiodatei führt vorliegend sogar dazu, dass im Fall der tatsächlichen, durch die Aufforderung verursachten Begehung eines Ladendiebstahls eine Anstifterstrafbarkeit nach § 26 StGB zu verneinen wäre. Wäre hingegen von § 111 I Alt. 3 StGB auch das bloße Zugänglichmachen der Aufforderung erfasst, bestünde die hier aufgezeigte Strafbarkeitslücke nicht. g) Die Anleitung zu Straftaten (§ 130a StGB) aa) Überblick über § 130a StGB Durch § 130a I und II Nr. 1 StGB erfolgt die Pönalisierung des Verbreitens und des öffentlichen Zugänglichmachens793 einer Anleitung zur Begehung einer Katalogtat des § 126 I StGB, während § 130a II Nr. 2 StGB das Äußern einer solchen Anleitung zum Gegenstand hat. Demnach werden in § 130a I und II Nr. 1 StGB auch Verbreitungsdelikte und in § 130a II Nr. 2 StGB ein mündliches Äußerungsdelikt gesehen794. Eine Gemeinsamkeit mit § 111 StGB besteht darin,
793
Vgl. zu diesen beiden Tathandlungen bereits oben C.IV.3. Vgl. BT-Drs. 10/6286, S. 9; LK-Krauß, 12. Aufl., § 130a Rn. 4; Malek, Rn. 357; MK-Schäfer, § 130a Rn. 6; Satzger/Schmitt/Widmaier-Lohse, § 130a Rn. 4. 794
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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dass beide Normen von ihrem Schutzzweck her Friedensschutzdelikte darstellen, denn so wie § 111 StGB (u. a. auch) den Gemeinschaftsfrieden schützt, schützt § 130a StGB den öffentlichen Frieden795. Ein deutlicher Unterschied zu dem zuvor dargestellten § 111 StGB, besteht jedoch in der Bedeutung der Tatmodalität des Verbreitens von Schriften. Während dieser Modalität (Alt. 3) bei § 111 StGB eine eher untergeordnete Rolle im Vergleich zum öffentlichen Auffordern (Alt. 1) oder dem Auffordern in einer Versammlung (Alt. 2) zukommt, ist das Verhältnis der Handlungsalternativen in § 130a StGB genau umgekehrt, denn dort kommt es – was bereits der Systematik der Norm zu entnehmen ist – in erster Linie auf das Verbreiten von Schriften (§ 130a I und II Nr. 1 StGB) an. Allein bei § 130a II Nr. 2 StGB fehlt ein Verweis auf § 11 III StGB. Wird also eine Schrift verwendet, so kommen diesbezüglich die Handlungsmodalitäten des Verbreitens oder öffentlichen Zugänglichmachens in Betracht. Für § 130a II Nr. 2 StGB verbleiben hingegen nur die Fälle mündlicher Kundgaben von Anleitungen796. Ein öffentliches Anleiten i. S. v. § 130a II Nr. 2 StGB ist demnach – anders als das öffentliche Auffordern i. S. v. § 111 I Alt. 1 StGB – nicht durch Verwendung einer Schrift möglich. Da Inhalte im Internet aber – zumindest was die vorliegend interessierenden Kommunikationsmöglichkeiten betrifft – nahezu regelmäßig über den Spezialfall des Datenspeichers in den Schriftenbegriff von § 11 III StGB einzubeziehen sind797, kommt § 130a II Nr. 2 StGB somit für die hier relevanten Internetsachverhalte eine eher geringe Bedeutung zu798. Sobald es jedenfalls an irgendeiner Stelle – sei es beim Bereitsteller oder dem Empfänger der Daten oder auch einem Diensteanbieter – zu einer wesentlichen, d.h. nicht allein technisch notwendigen (Zwischen)Speicherung kommt, kann § 130a II Nr. 2 StGB schon nicht mehr einschlägig sein. Dies ergibt sich nicht zuletzt auch aus einem vergleichenden Blick auf die Medien außerhalb des Internets. So wird beispielsweise eine Äußerung in einer Live-Sendung im Rundfunk oder Fernsehen unter § 130a II Nr. 2 StGB subsumiert, während es sich um einen Fall von § 130a I StGB handeln soll, wenn
795 Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, § 44 Rn. 35, 43; Gercke/Brunst, Rn. 383; LKKrauß, 12. Aufl., § 130a Rn. 1; MK-Schäfer, § 130a Rn. 1; NK-Ostendorf, § 130a Rn. 4; Schönke/Schröder-Lenckner/Sternberg-Lieben, § 130a Rn. 1; während Fischer, § 130a Rn. 2; Kindhäuser, LPK, § 130a Rn. 1; Rogall, GA 1979, 11 (20); Satzger/Schmitt/Widmaier-Lohse, § 130a Rn. 3 f. darüber hinaus auch die von den Katalogtaten des § 126 I StGB geschützten Individualrechtsgüter einbeziehen. 796 Kindhäuser, LPK, § 130a Rn. 10; LK-Krauß, 12. Aufl., § 130a Rn. 37; MK-Schäfer, § 130a Rn. 40; Satzger/Schmitt/Widmaier-Lohse, § 130a Rn. 22. 797 Vgl. dazu oben C.IV.2. 798 Bedeutung könnte § 130a II Nr. 2 StGB im Hinblick auf die Kommunikation im Internet allenfalls für solche Anleitungen entfalten, die im Wege des Live-StreamingVerfahrens übertragen werden und an keiner Stelle eine wesentliche Speicherung erfahren bzw. erfahren können. Vgl. dazu ebenfalls oben C.IV.2.
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
dieselbe Äußerung zunächst aufgezeichnet und erst zu einem späteren Zeitpunkt ausgestrahlt wird799. Da sich eine Anleitung im Vergleich zur Anstiftung (§§ 26, 30 I StGB) und zur Aufforderung zu einer Straftat (§ 111 StGB) regelmäßig als die weniger intensive Art der kommunikativen Einflussnahme darstellt und häufig noch in deren Vorfeld liegt800, bringt § 130a StGB folglich eine weitreichendere Strafbarkeitsausdehnung mit sich. Dies steht einerseits im Einklang mit dem Sinn und Zweck der Norm, noch weiter in den Vorfeldbereich einer Straftat einzugreifen, als es bei § 111 StGB der Fall ist801, führt andererseits – gerade im Hinblick auf die Art. 5 und 103 II GG – aber auch zu der Notwendigkeit einer restriktiven Auslegung802. Eine grundsätzliche Beschränkung des Anwendungsbereichs der Norm erfolgt zudem durch die Bezugnahme auf den Straftatenkatalog des § 126 I StGB – nur Anleitungen zu den dort benannten schweren Gewalt- bzw. gemeingefährlichen Delikten werden von § 130a StGB erfasst803. Für die Bejahung einer objektiven Tathandlung i. S. v. § 130a StGB reicht es weiterhin aus, allein das Verbreiten bzw. Äußern einer abstrakten Anleitung zu bestimmten deliktischen Verhaltensweisen bzw. Tätigkeiten festzustellen, während es – anders als bei allen anderen bisher dargestellten Tatbeständen – auf den Bezug zu einer bestimmten (zumindest in ihren Grundzügen) konkret-individualisierbaren Straftat bzw. deren Ausführung nicht ankommt804. Als praktisches Beispiel für § 130a StGB werden häufig die sog. „Kochbücher“ genannt805. Unter diesen werden solche Schriften verstanden, die Kenntnisse vermitteln, welche zur Realisierung schwerer Straftaten erforderlich sind, wie z. B. Anweisungen zur Herstellung und zum Einsatz von Brand- und Sprengsätzen, dem Umgang mit Waffen oder auch Angriffsstrategien und Hinweise für die Begehung von Anschlägen. Zwar gab es entsprechende Anleitungsschriften schon lange vor der Existenz des Internets, jedoch besteht das Neuartige im Hinblick auf dessen Kommunikationsmöglichkeiten gerade in der erheblichen Erleichterung der Verfügbarmachung und Verfügbarkeit, d.h. der Bereitstellung und Beschaffung entsprechender Informationen. Diese können nunmehr orts- und 799 Vgl. LK-Krauß, 12. Aufl., § 130a Rn. 31; MK-Schäfer, § 130a Rn. 33; Satzger/ Schmitt/Widmaier-Lohse, § 130a Rn. 22. 800 LK-Krauß, 12. Aufl., § 130a Rn. 2, 11; MK-Schäfer, § 130a Rn. 15. 801 LK-Krauß, 12. Aufl., § 130a Rn. 2, 11; MK-Schäfer, § 130a Rn. 2. 802 LK-Krauß, 12. Aufl., § 130a Rn. 7; MK-Schäfer, § 130a Rn. 17; Römer, S. 55 f. 803 NK-Ostendorf, § 130a Rn. 1, bezeichnet § 130a StGB in diesem Zusammenhang auch als „Vorfeldtatbestand zur Eindämmung von politischer Gewalt“. 804 LK-Krauß, 12. Aufl., § 130a Rn. 2; MK-Schäfer, § 130a Rn. 2; Rogall, GA 1979, 11 (20); Satzger/Schmitt/Widmaier-Lohse, § 130a Rn. 10. 805 Vgl. BT-Drs. 10/6286, S. 8; Kindhäuser, LPK, § 130a Rn. 4; LK-Krauß, 12. Aufl., § 130a Rn. 7, 12; MK-Schäfer, § 130a Rn. 19; Römer, S. 53; Satzger/Schmitt/ Widmaier-Lohse, § 130a Rn. 13; Schönke/Schröder-Lenckner/Sternberg-Lieben, § 130a Rn. 3.
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zeitunabhängig angeboten und bezogen werden. Gerade dem WWW eigentümliche Instrumente wie z. B. Suchmaschinen und Hyperlinks können die Auffindbarkeit (auch) solcher Informationen wiederum erheblich erleichtern. Weiterhin führt die Digitalisierung der Informationen im Internet dazu, dass selbige ohne nennenswerten Aufwand langfristig gespeichert, unbegrenzt vervielfältigt und großflächig – praktisch weltweit – gestreut werden können. Begünstigend hinzukommen dürfte schließlich auch die in vielen Internetkommunikationsangeboten gegebene Möglichkeit des anonymen Auftretens806, hier also des anonymen Bereitstellens und Beziehens der inkriminierten Informationen. Gerade in terroristischen bzw. politisch-extremistischen Zusammenhängen erfolgt die Verbreitung entsprechender Anleitungen heutzutage oftmals über das Internet807. Tatsächlich gab es bereits im Jahr 1997 eine Entscheidung des BayObLG zu einem Fall, in dem eine Anleitung zum Herstellen von sog. „Molotow-Cocktails“ 808 zum freien Download im Internet angeboten wurde809. Es ist davon auszugehen, dass derartige Informationen heute in großer Zahl im Internet verfügbar sind810. Die Relevanz des § 130a StGB für entsprechende Internetsachverhalte kann nach alledem also kaum in Frage gestellt werden. bb) Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 130a StGB § 130a StGB enthält mit dem Verbreiten bzw. dem öffentlichen Zugänglichmachen von Schriften (§ 130a I und II Nr. 1 StGB) und der Kundgabe entsprechender mündlicher Äußerungen – öffentlich oder in einer Versammlung – (§ 130a II Nr. 2 StGB) zwei relevante Handlungsalternativen. Wie bereits zuvor aufgezeigt, kann § 130a II Nr. 2 StGB dabei jedoch im Rahmen der hier zu untersuchenden Internetsachverhalte allenfalls eine marginale Bedeutung zukommen811, so dass es sachgerecht erscheint, den Blick im Folgenden schwerpunktmäßig auf das Verbreiten und Zugänglichmachen entsprechender Anleitungsschriften nach § 130a I und II Nr. 1 StGB zu richten. 806
Hierzu auch Marberth-Kubicki, Rn. 234. Gercke, CR 2007, 62 (64); Gercke/Brunst, Rn. 382; Holznagel/Kussel, MMR 2001, 347 (348); LK-Krauß, 12. Aufl., § 130a Rn. 7. 808 Zur Begriffsbestimmung und weiteren Einzelheiten vgl. auch Gade/Stoppa, Anlage 1 Rn. 117; Steindorf/Heinrich/Papsthart-B. Heinrich, § 1 WaffG Rn. 23 f. 809 BayObLG NJW 1998, 1087 mit Anmerkungen von Derksen, NJW 1998, 3760; Gänßle, NStZ 1999, 90; Hütig, MMR 1999, 297; im Rahmen einer Dissertation auch Römer, S. 56 ff.; außerdem auch B. Heinrich, FS Heinz 2012, S. 728 (730). Mit dieser Entscheidung hatte das BayObLG in der Sache zwar über eine Strafbarkeit nach § 53 I 1 Nr. 5 WaffG a. F. [diesem entspricht heute § 52 I Nr. 4 WaffG, vgl. dazu noch unten C.V.2.i)] zu befinden, der Fall belegt aber dennoch die grundsätzliche Relevanz des Internets für die Verbreitung und/oder Äußerung verbotener Inhalte. 810 Vgl. Rötzer, Heise Online vom 06.12.2006 unter http://www.heise.de/-124281. html (zuletzt abgerufen am 10.08.2012). 811 Vgl. auch Malek, Rn. 357, der eine Bedeutung des § 130a II Nr. 2 StGB für Internetsachverhalte völlig ausschließt. 807
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Zu den Tathandlungen des Verbreitens und des Zugänglichmachens wurde bereits ausführlich Stellung genommen, ebenso zum Öffentlichkeitserfordernis. Da diese Tatbestandsmerkmale bei § 130a I und II Nr. 1 StGB keiner Abwandelung oder anderen Auslegung unterliegen, kann diesbezüglich auf die Ausführungen an entsprechender Stelle verwiesen werden812. Weiterhin wurde bereits dargelegt, dass eine internetspezifische Auslegung des Verbreitungsbegriffs, wonach eine körperliche Übergabe des Datenspeichers nicht erforderlich sein und allein die unkörperliche Übermittlung von Daten ausreichen soll, aufgrund dogmatischer Bedenken abzulehnen ist813. Da § 130a I und II Nr. 1 StGB aber jeweils auch die Handlungsalternative des öffentlichen Zugänglichmachens enthalten, ist der Streit um den internetspezifischen Verbreitungsbegriff an dieser Stelle ohnehin nicht von erheblicher Relevanz. Schließlich ist auch hinsichtlich der Anwendbarkeit des Schriftenbegriffs des § 11 III StGB auf Internetsachverhalte auf die bereits zuvor erfolgten Ausführungen Bezug zu nehmen814. Festzuhalten ist hiernach, dass als Anleitungsschriften i. S. v. § 130a I und II Nr. 1 StGB sämtliche gespeicherten Daten (Datenspeicher i. S. v. § 11 III StGB) in Betracht kommen. Für Internetsachverhalte bedeutet dies, dass eine entsprechende Anleitung nicht nur in Form einer auf einem Server gespeicherten und zum Download bereitgestellten Datei wie beim FTP, sondern z. B. auch mittels einer einfachen – letztlich ebenso auf einem Server gespeicherten und aus Dateien bestehenden – Website und den auf ihr enthaltenen Informationen realisiert werden kann. Unter einer Anleitung wird regelmäßig eine unterweisende Darlegung verstanden, welche konkrete Kenntnisse, häufig technischer Art, darüber vermittelt, wie eine bestimmte Straftat – hier eine solche des Katalogs des § 126 I StGB – vorbereitet oder ausgeführt werden kann815. Regelmäßig erforderlich ist also nicht nur die bloße Beschreibung einzelner Handlungen, Vorgänge oder Zustände (z. B. Informationen über das Herstellen einer Bombe, das Zusammenbauen einer Schusswaffe oder die chemische Zusammensetzung eines Sprengstoffs), vielmehr muss die entsprechende Schrift gerade auch über die Eignung verfügen, als Anleitung zur Begehung einer Katalogtat des § 126 I StGB zu dienen, wofür zwar nicht schon eine konkrete Straftatindividualisierung, jedoch ein erkennbarer Katalogtatbezug gefordert wird816. Nicht einheitlich geklärt ist dabei allerdings, wie weit dieser Tatbezug gehen muss. Insbesondere wird diskutiert, ob sachlich-ob812
Vgl. oben C.IV.3. Vgl. zuvor C.V.2.f)gg). 814 Vgl. oben C.IV.2. 815 Fischer, § 130a Rn. 7; Kindhäuser, LPK, § 130a Rn. 4; LK-Krauß, 12. Aufl., § 130a Rn. 10; MK-Schäfer, § 130a Rn. 14, 31; NK-Ostendorf, § 130a Rn. 8; Satzger/ Schmitt/Widmaier-Lohse, § 130a Rn. 9. 816 Vgl. MK-Schäfer, § 130a Rn. 21; NK-Ostendorf, § 130a Rn. 8; Satzger/Schmitt/ Widmaier-Lohse, § 130a Rn. 11; Schönke/Schröder-Lenckner/Sternberg-Lieben, § 130a Rn. 4. 813
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jektive Informationsquellen – häufig rein wissenschaftliche Darstellungen und Lehrbücher – bereits von vornherein als Anleitungen i. S. v. § 130a StGB ausscheiden sollen, da diese allein jedenfalls noch nicht das typische Bild einer Katalogtat des § 126 I StGB wiedergeben. Während dies vielfach befürwortet wird817, wird vereinzelt ein derart dezidierter Tatbezug nicht für erforderlich gehalten, was zur Konsequenz hat, dass lediglich Werke zur Grundlagenforschung und technische Bau- oder Gebrauchsbeschreibungen neutraler Gegenstände vom objektiven Tatbestand ausgenommen werden können818. Das Problem, welche Anforderungen an die Eignung einer Schrift, als Anleitung zu dienen, zu stellen sind, soll daher im Folgenden näher betrachtet werden. cc) Das Problem der geeigneten Anleitungsschrift Die überwiegend vertretene einschränkende Ansicht819 fordert einen Bezug zu einer Katalogtat des § 126 I StGB i. S. e. „Anwendungskomponente“ 820. Ein derartiger Bezug ist beispielsweise dann gegeben, wenn nicht nur erläutert wird, wie ein Brandsatz herzustellen ist, sondern darüber hinaus auch, wie dieser effektiv auf ein Zielobjekt zu werfen ist, um dieses auch tatsächlich in Brand zu setzen. Die anleitende Beschreibung müsse also derart detailliert sein, dass die Begehung einer Katalogtat des § 126 I StGB deutlich erleichtert wird821. Einen solchen Tatbezug können dabei grundsätzlich auch sog. „(sozial)neutrale Schriften“ – d.h. Schriften, die zu einer Handlung anleiten, welche an sich zwar rechtmäßig ist, die in ihrem objektiven Erscheinungsbild jedoch auch der Begehung einer Katalogtat des § 126 I StGB entsprechen kann822 – haben. Für das Eignungsmerkmal wird im Zusammenhang mit einer solch weitgehenden Ausgestaltung des erforderlichen Katalogtatbezugs zudem bzw. insbesondere auch eine „Ten817 Vgl. BT-Drs. 10/6286, S. 8; BT-Drs. 10/6635, S. 13; Gercke/Brunst, Rn. 385; Lackner/Kühl, § 130a Rn. 4; LK-Krauß, 12. Aufl., § 130a Rn. 12; NK-Ostendorf, § 130a Rn. 8. 818 Vgl. Fischer, § 130a Rn. 8 ff., der nicht neutrale Werke als solche, sondern lediglich Werke zur Grundlagenforschung und technische Bau- oder Gebrauchsbeschreibungen neutraler Gegenstände vom objektiven Tatbestand ausnimmt; in diesem Zusammenhang ferner auch Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 93 Rn. 15. 819 Vgl. BT-Drs. 10/6286, S. 8; BT-Drs. 10/6635, S. 13; Gercke/Brunst, Rn. 385; LK-Krauß, 12. Aufl., § 130a Rn. 12, 26; NK-Ostendorf, § 130a Rn. 8; Schönke/Schröder-Lenckner/Sternberg-Lieben, § 130a Rn. 4. 820 Hierzu auch Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 93 Rn. 15, die zwischen der Beschreibung/Darstellung von „Herstellungs-“ und „Anwendungsverfahren“ differenzieren. 821 LK-Krauß, 12. Aufl., § 130a Rn. 12; Satzger/Schmitt/Widmaier-Lohse, § 130a Rn. 11, 13. 822 Der Gesetzgeber selbst benennt hier als Beispiel Anleitungen in Dienstvorschriften der Bundeswehr zur Sprengung von Brücken im Verteidigungsfall, vgl. BT-Drs. 10/ 6286, S. 8; außerdem MK-Schäfer, § 130a Rn. 27; Satzger/Schmitt/Widmaier-Lohse, § 130a Rn. 13.
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
denz zur Verwirklichung des Dargestellten“ gefordert823, welche sich grundsätzlich bereits aus der Schrift selbst ergeben müsse824. Wie bereits erwähnt, ist die vorstehend beschriebene Auslegung bzw. Einschränkung des Eignungsmerkmals aber nicht unumstritten. Konkret besteht Streit über die Frage, ob auch Schriften ohne entsprechende Tendenz zur Förderung einer Katalogtat des § 126 I StGB dem objektiven Tatbestand des § 130a I und II Nr. 1 StGB unterfallen sollen825. Eine Ansicht lehnt dies ab und verlangt hier – wie soeben dargestellt – neben einem (deutlich) erkennbaren Bezug zu einer Katalogtat insbesondere auch eine der betreffenden Schrift immanente Tendenz zur Verwirklichung des Dargestellten826. Diese Einschränkung sei als verfassungsrechtlich gebotenes Korrektiv im Hinblick auf die denkbar mögliche Weite, mit der das Eignungsmerkmal ansonsten ausgelegt werden könnte, erforderlich. Demzufolge könne § 130a StGB z. B. bei Lehrbüchern, Patentschriften, wissenschaftlichen Abhandlungen etc., aber auch bei Kriminalspielfilmen und Tatsachenberichten über Katalogtaten von vornherein, d.h. schon auf objektiv-tatbestandlicher Ebene, nicht zur Anwendung kommen. Die Gegenmeinung lehnt indes das Erfordernis einer Tendenz zur Verwirklichung des Dargestellten ab827. Am weitesten geht hierbei Fischer, der sogar wissenschaftliche Erläuterungen und Patentschriften einbezieht, soweit diese eine Beschreibung davon geben, wie bestimmte Geräte, sonstige Gegenstände oder Mittel, welche auch zur Begehung von Katalogstraftaten verwendet werden können, zu benutzen sind (z. B. Gebrauchsanleitung für ein Nachtsichtgerät)828. Lediglich Werke der Grundlagenforschung und technische Bau- oder Gebrauchsbeschreibungen für neutrale Gegenstände sollen demnach dem objektiven Tatbestand von § 130a I und II Nr. 1 StGB vorenthalten bleiben829. Problematisch hieran erscheint jedoch bereits die 823 Vgl. Hütig, MMR 1999, 297 (298); Lackner/Kühl, § 130a Rn. 4; LK-Krauß, 12. Aufl., § 130a Rn. 13, 27; MK-Schäfer, § 130a Rn. 18, 28; Römer, S. 55 f.; Rogall, GA 1979, 11 (19 f.); Satzger/Schmitt/Widmaier-Lohse, § 130a Rn. 12 f.; Schönke/ Schröder-Lenckner/Sternberg-Lieben, § 130a Rn. 4. 824 So BGHSt 28, 312 (315) mit vergleichbarer Argumentation zur Auslegung des § 88a I StGB a. F.; LK-Krauß, 12. Aufl., § 130a Rn. 13; MK-Schäfer, § 130a Rn. 18, 38; Rogall, GA 1979, 11 (19 f.); Satzger/Schmitt/Widmaier-Lohse, § 130a Rn. 13, 20; Schönke/Schröder-Lenckner/Sternberg-Lieben, § 130a Rn. 4, 7. 825 Zu diesem Streit Kindhäuser, LPK, § 130a Rn. 5; LK-Krauß, 12. Aufl., § 130a Rn. 13; MK-Schäfer, § 130a Rn. 18; NK-Ostendorf, § 130a Rn. 9; Römer, S. 55 f.; Rogall, GA 1979, 11 (19 f.); Schönke/Schröder-Lenckner/Sternberg-Lieben, § 130a Rn. 4. 826 Vgl. Lackner/Kühl, § 130a Rn. 4; LK-Krauß, 12. Aufl., § 130a Rn. 13; MK-Schäfer, § 130a Rn. 18; Römer, S. 55 f.; Rogall, GA 1979, 11 (19 f.); Satzger/Schmitt/Widmaier-Lohse, § 130a Rn. 12 f.; Schönke/Schröder-Lenckner/Sternberg-Lieben, § 130a Rn. 4. 827 Vgl. Fischer, § 130a Rn. 9 f.; Kindhäuser, LPK, § 130a Rn. 5; NK-Ostendorf, § 130a Rn. 9 (zumindest für Schriften nach § 130a II Nr. 1 StGB); SK-Rudolphi/Stein, § 130a Rn. 6. 828 Fischer, § 130a Rn. 9. 829 Fischer, § 130a Rn. 9.
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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Bestimmung „neutraler Gegenstände“. Während Gebrauchsanleitungen z. B. für Kühlschränke oder Fernsehapparate wohl noch relativ eindeutig als nicht geeignete Anleitungsschriften i. S. v. § 130a I und II Nr. 1 StGB gelten dürften, wäre die Frage hinsichtlich eines (internetfähigen) Computers oder eines Mobiltelefons wohl schon um einiges schwieriger zu beurteilen. Da einer tatbestandsmäßigen Schrift i. S. v. § 130a I StGB aufgrund ihrer besonderen objektiven Bestimmung, die Bereitschaft zur Begehung einer Katalogtat zu wecken oder zu fördern830, regelmäßig auch ein entsprechender Bezug zu einer Katalogtat des § 126 I StGB sowie eine Tendenz zu deren Verwirklichung innewohnt, besitzt der Streit im Wesentlichen (nur) hinsichtlich des Verbreitens bzw. öffentlichen Zugänglichmachens nach § 130a II Nr. 1 StGB praktische Bedeutung, denn dieses bezieht sich gerade auf solche (neutralen) Schriften, welche bloß geeignet sein müssen, als Anleitung zu einer Tat nach § 126 I Nr. 1 bis 7 StGB zu dienen, jedoch – im Gegensatz zu § 130a I StGB – die besondere Bestimmung, die Bereitschaft anderer zur Begehung einer solchen Katalogtat zu wecken oder zu fördern, nicht aufweisen. Hier ist also allein die Einordnung der jeweiligen Schrift als geeignet oder ungeeignet von entscheidender Bedeutung. Die Frage lautet also: Über welche inhaltliche Qualität muss eine Schrift (bzw. ein Datenspeicher) verfügen, um eine objektiv-tatbestandsmäßige Anleitung i. S. v. § 130a II Nr. 1 StGB darzustellen? Bzw.: Kann – das Vorliegen einer Förderungsabsicht unterstellt – bereits durch die für jedermann frei zugängliche Bereitstellung allgemeiner Informationsquellen, also Schriften wie z. B. Lehrbücher, Patentschriften, wissenschaftliche Abhandlungen, Kriminalspielfilme etc. § 130a II Nr. 1 StGB verwirklicht werden? Der Frage kommt nicht zuletzt auch hinsichtlich der Kommunikation im Internet beachtliche Bedeutung zu. Dass die Norm des § 130a StGB grundsätzlich eine Relevanz im Hinblick auf das Internet, welches vielfache Möglichkeiten zur öffentlichen Begehung bietet, entfaltet, wurde bereits aufgezeigt831. Ein daher sehr nahe liegendes Beispiel mit Internetbezug ist das Veröffentlichen einer Anleitung über eine frei abrufbare Website. Wird auf dieser ein als Anleitung geeigneter und bestimmter Text oder auch eine entsprechende Bilderfolge wiedergegeben, wird es sich regelmäßig und unproblematisch um einen Fall von § 130a I StGB handeln. Weniger eindeutig erweist sich jedoch schon die Beurteilung des folgenden Beispielsfalls: Nach einer weiteren schweren tätlichen Auseinandersetzung zwischen den gewaltbereiten Jugendgangs X und Y, bei der auch Waffen zum Einsatz kamen und es Verletzte zu beklagen gab, will der A (Mitglied der X-Gang) nun zu härteren Mitteln gegen die verfeindete Y-Gang greifen. Dazu postet er – sich als Mitglied 830 Zu dieser Bestimmungsklausel u. a. Kindhäuser, LPK, § 130a Rn. 6; LK-Krauß, 12. Aufl., § 130a Rn. 16 ff.; Satzger/Schmitt/Widmaier-Lohse, § 130a Rn. 14 f. 831 Vgl. direkt zuvor C.V.2.g)aa).
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
der X-Gang zu erkennen gebend – in einem frei zugänglichen und, wie er weiß, vielfach auch von den Mitgliedern seiner Gang genutzten Webforum eine Videodatei, welche durch einfaches Anklicken geöffnet werden kann, so dass hiernach die enthaltene Videosequenz sofort über den Browser auf dem Computermonitor des jeweiligen Nutzers sichtbar wird. Die betreffende Videosequenz besteht aus einem objektiven, aber gleichwohl detailreich dokumentierenden Tatsachenbericht über Bandenkämpfe in den Großstädten der USA an dessen Ende auch dargestellt wird, wie der Chef einer solchen Gang von Mitgliedern einer verfeindeten Gang durch einen Sprengsatzanschlag getötet wurde. Seinem Eintrag in dem Forum gibt er die Überschrift „Hey X-Leute und Unterstützer, seht Euch das hier mal an . . .“. A kommt es dabei primär darauf an, ein Mitglied seiner Gang zu einem entsprechenden Sprengstoffanschlag auf B, den Chef der gegnerischen YGang, zu motivieren (Förderungsabsicht i. S. v. § 130a II StGB). Ferner wäre es ihm aber auch recht, wenn ein anderer Nutzer des Webforums einen entsprechenden Anschlag auf den Chef der Y-Gang verüben würde, was A, angesichts der Tatsache, dass B eine Vielzahl von Feinden hat, auch nicht für unwahrscheinlich hält. Das Posten der Videodatei – und damit eines für sich unverfänglichen Tatsachenberichts – erfolgte seitens A bewusst, um sich bei der ganzen Sache von Anfang an selbst so weit wie möglich unverdächtig zu halten. Weiterhin war ihm auch bewusst, dass die Videodatei von jedem Nutzer des offenen Webforums abgerufen und geöffnet, d.h. der Tatsachenbericht angesehen werden kann. Mangels entsprechender Bestimmung des Tatsachenberichts i. S. v. § 130a I StGB, ist in der bereitgestellten Videodatei (Datenspeicher i. S. v. § 11 III StGB) unstreitig eine neutrale Schrift zu sehen. Zwar verfügt der objektive Tatsachenbericht (notwendigerweise) über einen erkennbaren Tatbezug832. Jedoch ist eine Tendenz zur Verwirklichung der dargestellten Tat, nämlich das Sprengstoffattentat, nicht gegeben, da der objektive gehaltene Bericht rein beschreibender Art ist. Weil der objektive Tatsachenbericht über das Sprengstoffattentat als solcher bzw. aus sich heraus nicht dazu bestimmt ist, die Bereitschaft anderer zur Begehung einer solchen Tat zu wecken oder zu fördern, kommt eine Strafbarkeit des Bereitstellers der Videodatei – im Beispielsfall also A – jedenfalls nach § 130a I StGB nicht in Betracht. Dennoch erscheint die beschriebene Konstellation in einer Gesamtbetrachtung nicht unproblematisch, wenn man sich – wie im Beispielsfall – einen planmäßig handelnden Bereitsteller, d.h. einen Täter mit der besonderen Förderungsabsicht i. S. v. § 130a II StGB, vorstellt. Nach der Ansicht, die eine tatbestandliche Einschränkung in Form eines erkennbaren Tatbezugs und einer ebenso erkennbaren Tendenz zur Verwirklichung 832 Für das vorliegende Beispiel kommen insbesondere Totschlag bzw. Mord (§§ 212, 211 StGB) gemäß § 126 I Nr. 2 StGB, schwere Körperverletzung (§ 226 StGB) gemäß § 126 I Nr. 3 StGB und das Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion (§ 308 StGB) gemäß § 126 I Nr. 6 StGB in Betracht.
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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der betreffenden Schrift fordert, müsste im vorliegenden Beispiel eine Strafbarkeit nach § 130a II Nr. 1 StGB im Ergebnis verneint werden, weil – selbst bei entsprechender Absicht des Täters, die Bereitschaft anderer zu fördern oder zu wecken, ein Sprengstoffattentat herbeizuführen – der Tatbestand des § 130a II Nr. 1 StGB mangels hinreichender Verwirklichungstendenz des in der Videodatei gespeicherten Tatsachenberichts nicht erfüllt wäre833. Die Gegenauffassung käme indes – die i. S. v. § 130a II StGB erforderliche Absicht des Täters unterstellt – zu dem Ergebnis einer Strafbarkeit nach § 130a II Nr. 1 StGB, da nach dieser Ansicht auch neutrale Schriften ohne entsprechende Verwirklichungstendenz objektiv geeignet seien, zur Verwirklichung der jeweils in Betracht kommenden Straftaten anzuleiten834. Der vorliegende Streit kann damit insbesondere auch für entsprechende Internetsachverhalte relevant werden. Nicht zuletzt dürften zudem Fälle, die dem vorangehend dargestellten Beispiel entsprechen bzw. vergleichbar sind, durchaus in der Realität vorkommen. Für eine entsprechende Entscheidung des hier gegenständlichen Streits scheint es u. a. sinnvoll, die gesetzgeberische Begründung zu § 130a StGB genauer zu betrachten. Dabei ist zunächst festzustellen, dass der Einbezug nahezu jeglicher Schriften835 bzw. Datenspeicher eindeutig dem gesetzgeberischen Willen entgegensteht. Nach dessen Ansicht sollen Werke, wie z. B. wissenschaftliche Abhandlungen oder Patentschriften, mit lediglich beschreibendem Charakter von vornherein vom objektiven Tatbestand ausgenommen sein836. Aber nicht nur aufgrund des entgegenstehenden gesetzgeberischen Willens, sondern auch im Hinblick auf die verfassungsrechtlich gebotene restriktive Auslegung des § 130a StGB837 und den Grundsatz eines fragmentarischen Strafrechts, ist der Auffassung entgegenzutreten, nach der allenfalls Werken der Grundlagenforschung und technischen Bau- oder Gebrauchsbeschreibungen für neutrale Gegenstände die Eignung als Anleitung von vornherein abgesprochen werden kann. Zutreffenderweise ist folglich immer und mindestens eine so detaillierte Beschreibung zu fordern, dass dadurch die Begehung einer Katalogtat des § 126 I StGB deutlich erleichtert wird (Tatbezug). Weiterhin ergibt die gesetzgeberische Begründung, dass eine Schrift, um als Anleitung i. S. v. § 130a I und II Nr. 1 StGB geeignet zu sein, in ihrer originären Intention auch über das bloße objektive Darstellen bzw. Beschreiben bestimmter Handlungsabläufe, Verfahren, Funktionsweisen etc. hinausgehen muss. Ist an entsprechenden Stellen von einem „Propagieren“ im Hin833 Vgl. LK-Krauß, 12. Aufl., § 130a Rn. 27; Schönke/Schröder-Lenckner/Sternberg-Lieben, § 130a Rn. 7. 834 Vgl. Fischer, § 130a Rn. 9 f.; Kindhäuser, LPK, § 130a Rn. 5; NK-Ostendorf, § 130a Rn. 9; SK-Rudolphi/Stein, § 130a Rn. 6. 835 So jedenfalls Fischer, § 130a Rn. 9. 836 Vgl. BT-Drs. 10/6286, S. 8; BT-Drs. 10/6635, S. 13. 837 LK-Krauß, 12. Aufl., § 130a Rn. 7; MK-Schäfer, § 130a Rn. 17; Römer, S. 55 f.
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
blick auf „einfach nachzuahmende Gewaltanwendungsrezepte“ 838 oder den „anzuwendenden Methoden“ 839 die Rede, kann eine bloße objektive Beschreibung entsprechender Handlungen/Vorgänge jedenfalls nicht ausreichen, um zu deren Vornahme anzuleiten. Dies hat zur Folge, dass vielfach als weitere Einschränkung sowohl für Schriften mit einer Bestimmung i. S. v. § 130a I StGB als auch für neutrale Schriften i. S. v. § 130a II Nr. 1 StGB eine erkennbare Tendenz zur Verwirklichung des Dargestellten gefordert wird840. Das Gegenargument, welches besagt, dass bei einer solchen Einschränkung des Anleitungsbegriffs das Bestimmungserfordernis in § 130a I StGB bedeutungslos würde841, scheint zwar zunächst überzeugend. Jedoch wird bei einem Vergleich von § 130a I StGB mit § 130a II Nr. 1 StGB klar, dass dem Bestimmungserfordernis in § 130a I StGB gerade auch die Funktion zukommt, als maßgebliches Unterscheidungs- und Abgrenzungskriterium zwischen § 130a I StGB (Verwenden einer Anleitung zu rechtswidrigen Handlungen) und § 130a II Nr. 1 StGB (Verwenden einer Anleitung, die üblicherweise zu rechtmäßigen Handlungen verwendet wird) zu wirken. Allein aus diesem Grund – d.h. der Klarstellungsfunktion des Bestimmungserfordernisses in § 130a I StGB – ist eine Existenzberechtigung dieses Merkmals anzuerkennen, auch wenn (zuvor) bereits eine Einschränkung der Anleitungseignung durch einen zu fordernden objektiven Tatbezug und eine erkennbare Verwirklichungstendenz erfolgt. Hiernach erweist es sich als zutreffend, nur solchen Schriften bzw. Datenspeichern die Eignung als Anleitung i. S. v. § 130a I und II Nr. 1 StGB zuzusprechen, die über einen erkennbaren Bezug zu einer Handlung i. S. e. Katalogtat des § 126 I StGB und eine entsprechende Tendenz zur Verwirklichung des Dargestellten verfügen. Für den vorliegend geschilderten Beispielsfall der in einem frei zugänglichen Webforum geposteten Videodatei bedeutet dies, dass sich der Bereitsteller der Datei, welche einen objektiven Tatsachenbericht über ein Sprengstoffattentat auf einen Menschen enthält, nicht gemäß § 130a II Nr. 1 StGB strafbar gemacht hat. Dem objektiven Tatsachenbericht kann bereits von vornherein mangels entsprechender Verwirklichungstendenz nicht der Charakter einer Anleitung i. S. v. § 130a I und II Nr. 1 StGB zukommen. An der Straflosigkeit des Bereitstellers ändert es daher auch nichts, wenn dieser – wie von § 130a II Nr. 1 StGB verlangt – mit der besonderen Förderungsabsicht handelte. Dieses Ergebnis lässt sich dahingehend verallgemeinern, dass das Bereitstellen frei zugänglicher Texte und Bilder sowie frei abrufbarer Schrift-, Video- und Audiodateien im Internet selbst bei vorliegender Absicht, die Bereitschaft anderer zur Begehung einer Katalogtat nach § 126 I StGB zu fördern oder zu wecken, nicht unter den 838
BT-Drs. 10/6635, S. 12. BT-Drs. 10/6635, S. 13. 840 Vgl. LK-Krauß, 12. Aufl., § 130a Rn. 13, 27; MK-Schäfer, § 130a Rn. 18, 28; Schönke/Schröder-Lenckner/Sternberg-Lieben, § 130a Rn. 4, 7. 841 Vgl. Kindhäuser, LPK, § 130a Rn. 5. 839
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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Straftatbestand des § 130a II Nr. 1 StGB fällt, wenn die jeweiligen Inhalte zwar über einen Bezug zu einer Katalogtat des § 126 I StGB verfügen, nicht aber gleichzeitig auch eine entsprechende Tendenz zur Verwirklichung des Dargestellten aufweisen. Dies trifft regelmäßig z. B. auf bloße Gebrauchsanleitungen, Funktionsbeschreibungen, theoretische Abhandlungen, Lehrbücher, Kriminalfilme und -romane oder eben auch auf Tatsachenberichte zu, da es solchen im Normalfall an der erforderlichen Verwirklichungstendenz fehlen wird. Handelt es sich hingegen um einen (an sich zwar) neutralen Inhalt mit erkennbarem Tatbezug und entsprechender Verwirklichungstendenz, wie z. B. einer Sprenganleitung zur Beseitigung alter Häuserruinen bzw. sonstiger Konstruktionen, ist vom Vorliegen einer tatbestandsrelevanten Anleitung auszugehen. In diesem Fall wäre die unbeschränkte Bereitstellung in den dafür in Betracht kommenden Kommunikationsmitteln des Internets vom Tatbestand des § 130a II Nr. 1 StGB als öffentliches Zugänglichmachen erfasst, sofern dies mit der erforderlichen Förderungsabsicht – welche sich in dem objektiv feststellbaren Verhalten des Täters manifestieren muss842 – erfolgt. Handelt es sich sogar um eine Anleitung zu rechtswidrigem Verhalten, was regelmäßig der Fall ist, wenn der veröffentlichte Inhalt konkret dazu bestimmt ist, gezielt zu einer Katalogtat des § 126 I StGB anzuleiten, ist bereits § 130a I StGB verwirklicht. Grundlegende Voraussetzung für eine Strafbarkeit nach § 130a StGB durch Veröffentlichung entsprechender, als Anleitung tauglicher Inhalte im Internet ist jedoch immer, dass diese öffentlich zugänglich gemacht werden. Eine Strafbarkeit nach § 130a StGB kommt daher bei der Verwendung geschlossener, nicht frei zugänglicher Internetangebote und -kommunikationsmittel grundsätzlich nicht in Betracht. Das gefundene Ergebnis erscheint zwar nicht vollkommen unproblematisch, jedoch stellt dies die vorzugswürdigere, weil verfassungskonformere Lösung dar. Ließe man auch objektive bzw. tendenzlose Schriften als tatbestandsmäßige Anleitungen in Betracht kommen, so wäre § 130a II Nr. 1 StGB bereits dann in objektiver Hinsicht erfüllt, wenn z. B. wissenschaftliche Abhandlungen oder Kriminalromane verbreitet bzw. – wie für internetbezogene Sachverhalte relevant – öffentlich zugänglich gemacht werden843. Allein das Bereitstellen eines solchen neutralen Inhalts über ein ebenso neutrales Internetangebot (z. B. auf einer einfachen Website oder einem FTP-Server) würde daher den objektiven Tatbestand des § 130a II Nr. 1 StGB verwirklichen. Dies jedoch erscheint als ein sehr tiefgreifendes Handlungsverbot, weil erstens der Bereich der diesbezüglich als Anleitung in Betracht kommenden Schriften enorm weitreichend wäre und zweitens diese mangels entsprechender Verwirklichungstendenz regelmäßig noch sehr weit entfernt davon sind, einen Anreiz zur Begehung einer Katalogtat nach § 126 I 842 BT-Drs. 10/6286, S. 9; Kindhäuser, LPK, § 130a Rn. 5, 8; LK-Krauß, 12. Aufl., § 130a Rn. 35; MK-Schäfer, § 130a Rn. 38 f.; Satzger/Schmitt/Widmaier-Lohse, § 130a Rn. 21; Schönke/Schröder-Lenckner/Sternberg-Lieben, § 130a Rn. 7. 843 Dieses Ergebnis befürwortend Kindhäuser, LPK, § 130a Rn. 8.
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
StGB zu geben bzw. eine solche – wie vom Gesetzgeber gefordert – zu propagieren. Sollte ein solches Verhalten aber dennoch als strafwürdig erachtet und somit das Bestehen einer Strafbarkeitslücke angenommen werden, wäre es jedenfalls Aufgabe des Gesetzgebers, für Abhilfe zu sorgen und gegebenenfalls eine klarstellende Formulierung oder eine eindeutige Legaldefinition des Begriffs der „Anleitung“ aufzustellen. Das vorangehend diskutierte Problem stellt sich jedoch dann nicht, wenn sich die inhaltliche Bestimmung einer Schrift i. S. v. § 130a I StGB, als Anleitung zu einer Straftat zu dienen, erst aus der Verbindung mit anderen Schriften ergibt. Ist dies der Fall, ist regelmäßig auch vom Vorliegen der erforderlichen Verwirklichungstendenz auszugehen. Eine Abwandlung des oben dargestellten Falls soll dies deutlich machen: A (Mitglied der X-Gang) postet nicht nur den besagten neutralen Tatsachenbericht über die Bandenkämpfe in den USA, sondern zusätzlich auch eine Textdatei, die eine ebenso neutrale Anleitung zur Herstellung eines Sprengstoffs, welche A aus einem Chemielehrbuch abgeschrieben hat, enthält. Zudem erfolgt das Posten der beiden Dateien in dem eigenen, aber für jedermann frei zugänglichen Blog des A, welches unter dem Thema „Kampfauftrag Y“ geführt wird und überwiegend von der X-Gang dazu genutzt wird, um ihre Abneigung gegen die verfeindete Y-Gang kundzutun. Ziel des A ist es dabei wiederum, Mitglieder seiner Gang zu einem entsprechenden Anschlag auf B zu motivieren, wobei er sich allerdings auch der Öffentlichkeit seiner Website bewusst ist und zumindest billigend in Kauf nimmt, dass sich auch andere Betrachter des Blogs zu der angedachten Tat berufen fühlen könnten. Im Unterschied zum Ausgangsfall gab es hier nicht nur zwei Schriften/Datenspeicher i. S. v. § 11 III StGB (gespeicherte Videodatei auf dem Server des Forumbetreibers sowie die Website auf der das Forum angelegt ist), sondern es lagen insgesamt drei Schriften/Datenspeicher, nämlich die Website (Blog) als solche sowie die Text- und die Videodatei, vor. Die Website auf der das Blog angelegt war, war mit ihren originären Inhalten auf einem WWW-Server gespeichert. Durch das Posten der beiden Dateien wurden diese ebenfalls auf dem WWW-Server gespeichert. Spätestens hiernach lagen also insgesamt drei Schriften in der Form von Datenspeichern i. S. v. § 11 III StGB vor. Die Anzahl der vorliegenden Schriften machte hierbei allerdings noch nicht den wesentlichen Unterschied aus. Entscheidend ist vielmehr die Verbindung bzw. der Gesamtzusammenhang in dem diese drei Schriften standen. Diese Verbindung führt hier dazu, dass im Ergebnis nicht nur von einer als Anleitung geeigneten, sondern sogar von einer i. S. v. § 130a I StGB bestimmten Schrift auszugehen ist. Das Blog des A mit dem Titel „Kampfauftrag Y“ (Website) zeigte für sich allein, mangels hinreichend konkreten Tatbezugs, keine Eignung auf, als Anleitung zur Begehung einer Katalogtat des § 126 I StGB zu dienen. Der Tatsachen-
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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bericht über die Bandenkämpfe und das Sprengstoffattentat (Videodatei) enthielt zwar einen hinreichenden Bezug zu Katalogtaten des § 126 I StGB844, verfügte wegen seiner erkennbar neutralen Darstellungsweise aber nicht über die ebenso erforderliche Verwirklichungstendenz hinsichtlich der dargestellten Straftaten. Der Anleitung zur Herstellung eines Sprengstoffs (Textdatei) mangelte es wiederum – wie dem Blog – bereits an der Eignung, als Anleitung zu einer Katalogtat nach § 126 I StGB zu dienen, da hierdurch (noch) nicht zu einem Verhalten angeleitet wurde, welches der Begehung einer Katalogtat des § 126 I StGB entspricht845. Aus der Verbindung der beiden Dateien mit der Website – herbeigeführt durch das Posten seitens A – ergab sich jedoch eine geeignete und auch i. S. v. § 130a I StGB bestimmte Anleitungsschrift. Die grundlegende Eignung, als Handlungsanleitung zu einem Sprengstoffattentat auf einen Menschen zu dienen, entstammte dabei dem neutralen Tatsachenbericht (Videodatei), der eine entsprechende Tat hinreichend konkret darstellte. Die inhaltliche Bestimmung, andere zur Begehung einer solchen rechtswidrigen Tat (Sprengstoffattentat) gegen B zu motivieren, hingegen leitete sich aus der originären Gestaltung und den Inhalten des Blogs ab, da in diesem die Realisierung schwerer Gewalttaten gegen die Y-Gang – und insbesondere deren Anführer B – bereits in Form zahlreicher Beiträge propagiert wurde und selbiges unter dem Thema „Kampfauftrag Y“ geführt wurde. Die Anleitung zur Herstellung eines entsprechenden Sprengstoffs (Textdatei) trat schließlich ergänzend hinzu und erwies sich als ein (wenn auch nicht zwingender, so doch) nützlicher Bestandteil der „Gesamtanleitung“, da selbige durchaus die Realisierung eines Anschlags auf das in Aussicht genommene Opfer hätte erleichtern können. Um der Ratio des § 130a StGB gerecht zu werden, ist es erforderlich, in einer Verbindung bzw. einem Zusammenspiel mehrerer Schriften, bei dem die einzelne entweder defizitär im Hinblick auf die objektive Eignung als Anleitung oder die Bestimmung i. S. v. § 130a I StGB ist, eine einheitliche Schrift zu sehen846 bzw. eine „inhaltliche Gesamtschau“ 847 vorzunehmen, bei der sowohl ausdrückliche als auch konkludente Sinninhalte (z. B. Zusammenstellungen und Verknüpfungen innerhalb der Schrift, die Gestaltung oder auch die Zielgruppe der Schrift) zu 844 In Betracht kommen, wie schon im Ausgangsfall, insbesondere Totschlag bzw. Mord (§§ 212, 211 StGB) gemäß § 126 I Nr. 2 StGB, schwere Körperverletzung (§ 226 StGB) gemäß § 126 I Nr. 3 StGB und das Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion (§ 308 StGB) gemäß § 126 I Nr. 6 StGB. 845 Schönke/Schröder-Lenckner/Sternberg-Lieben, § 130a Rn. 4. Ferner bezieht sich diese Anleitung auch nicht auf einen „notwendigen Teilbereich der Durchführung“ (vgl. LK-Krauß, 12. Aufl., § 130a Rn. 12) eines entsprechenden Attentats, da der Sprengstoff auch anderweitig besorgt werden könnte und nicht zwingendermaßen selbst hergestellt werden muss. 846 So auch Fischer, § 130a Rn. 12 f.; Lackner/Kühl, § 130a Rn. 5; Schönke/Schröder-Lenckner/Sternberg-Lieben, § 130a Rn. 5. 847 Vgl. LK-Krauß, 12. Aufl., § 130a Rn. 18; MK-Schäfer, § 130a Rn. 22.
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
berücksichtigen sind848. Demnach sind im vorliegenden Beispielsfall die Textdatei, die Videodatei und das Blog nicht jeweils als einzelne Schriften separat, sondern im Gesamtzusammenhang zu betrachten, so dass im Ergebnis folglich vom Vorliegen einer einheitlichen, geeigneten und bestimmten – und damit auch tendenziösen – Schrift auszugehen ist. Die diesbezüglich geforderte „Verbindung mit anderen Schriften, auf die verwiesen wird“ 849, war dabei jedenfalls gegeben. Anderenfalls würde das Aufteilen eines gemäß § 130a StGB strafbaren Anleitungsinhalts auf einzelne, für sich gesehen entweder nicht geeignete, untendenziöse oder nicht bestimmte (Teil)Schriften im Ergebnis zu einer unvertretbaren Privilegierung mit Straflosigkeit führen. Bilden einzelne (Teil)Schriften erst zusammen eine strafbare Anleitung und werden diese – wie im vorliegenden Beispielsfall – in einem entsprechenden Kontext dargestellt, entspricht das verwirklichte Handlungsunrecht dem Fall, in dem von vornherein eine einheitliche Anleitungsschrift zum Einsatz kommt850. Bezogen auf die Abwandlung des vorliegend verwendeten Beispielsfalls bedeutet dies: Es kann zutreffenderweise keinen Unterschied für die Strafbarkeit des A nach § 130a I StGB machen, ob die Inhalte der Video- und der Textdatei direkt zur sofortigen/unmittelbaren Wahrnehmung in die Website integriert oder ob diese als sog. „Icons“, d.h. Symbole bzw. Piktogramme, in die sichtbare Oberfläche der Website eingebunden werden und mittels eines einfachen – und von A nicht beeinflussbaren – Anklickens jederzeit und beliebig oft angesehen werden können. Würde in solchen Fällen hingegen nur eine jeweils separate Einzelbetrachtung der verwendeten (Teil)Schriften erfolgen, hätte dies weitreichende Umgehungsmöglichkeiten sowie Strafbarkeitslücken zur Folge. Auch ist das Abstellen auf den Gesamtzusammenhang keine unübliche Methode, wenn es darum geht, geistige Inhalte einer angemessenen strafrechtlichen Prüfung zu unterziehen. So kann beispielsweise die Rechtsfigur der zusammengesetzten Urkunde851 im Bereich des Urkundenstrafrechts in den Blick genommen werden. Auch dort gilt es, den Aussagegehalt gerade aus der sog. „Beweiseinheit“, also dem (Gesamt)Zusammenhang der Urkunde mit dem mit ihr verbundenen Gegenstand, dem sog. „Bezugs-“ bzw. „Augenscheinsobjekt“, zu ermitteln852.
848
Fischer, § 130a Rn. 13. Vgl. Lackner/Kühl, § 130a Rn. 5; Schönke/Schröder-Lenckner/Sternberg-Lieben, § 130a Rn. 5. 850 Vgl. auch Gazeas/Grosse-Wilde/Kießling, NStZ 2009, 593 (602) sowie NK-Paeffgen, § 91 Rn. 9, wonach die auf einer Internetseite zur Verfügung gestellten Informationen als sog. „Mosaik-Anleitung“ behandelt werden sollen, wenn diese erst in einer „Zusammenschau“ den relevanten Anleitungsinhalt ergeben. 851 Hierzu u. a. Lackner/Kühl, § 267 Rn. 8 f.; Satzger/Schmitt/Widmaier-Wittig, § 267 Rn. 44 ff.; Schönke/Schröder-Cramer/Heine, § 267 Rn. 36a. 852 Lackner/Kühl, § 267 Rn. 8 f.; Satzger/Schmitt/Widmaier-Wittig, § 267 Rn. 44; Schönke/Schröder-Cramer/Heine, § 267 Rn. 36a. 849
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
245
h) Die Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 91 StGB) Aufgrund seiner enormen Bedeutung für die Zugänglichmachung und Recherche von Inhalten und Informationen jeglicher Art, der individuellen sowie der massenhaften Kommunikation, der Herstellung von Kontakten usw. ist das Internet in zunehmendem Maße auch zum Handlungsraum für terroristische Organisationen geworden853. Durch das „Gesetz zur Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten“ vom 30.07.2009854 wurde mit § 91 n. F. (in Kraft getreten zum 04.08.2009) in der jüngeren Vergangenheit ein neuer Tatbestand in das StGB aufgenommen und dadurch der Bereich strafbarer Informationsweitergaben ausgedehnt855. Mit entsprechenden Sanktionsmöglichkeiten belegt sind hiernach nunmehr einerseits das Anpreisen und Zugänglichmachen (§ 91 I Nr. 1 StGB) und andererseits das Sich-Verschaffen (§ 91 I Nr. 2 StGB) solcher Schriften, die inhaltlich geeignet sind, als Anleitungen zu schweren staatsgefährdenden Gewalttaten zu dienen (sog. „1. Eignungsklausel“ 856). Durch das abstrakte Gefährdungsdelikt857 des § 91 StGB sollten nach Ansicht des Gesetzgebers die Strafbarkeitslücken geschlossen werden, die trotz der §§ 111858, 130a StGB859 und § 52 I Nr. 4 WaffG860 entstehen können, wenn „[. . .] eine inhaltlich neutrale Schrift unter Umständen verbreitet wird, aus deren Zusammenspiel sich erst die Eignung ergibt, die Bereitschaft anderer zu fördern oder zu wecken, eine Katalogtat zu begehen [. . .]“ 861. Dem Gesetzentwurf zu § 91 StGB ist weiterhin zu entnehmen, dass der Gesetzgeber dabei vor allem auch das Internet als Tatort in den Blick genommen hat. Dieses werde u. a. auch als Verbreitungs- und Bezugsraum für terroristische Anleitungen (z. B. zur Herstellung von Sprengstoffen, dem Bau von Sprengvorrichtungen oder der Ausbildung in
853
Zum Phänomen des sog. „Cyberterrorismus“ ausführlich Gercke, CR 2007, 62. BGBl. I 2009, S. 2437. 855 Ausführlich hierzu Fischer, § 91 Rn. 1 ff.; Gazeas/Grosse-Wilde/Kießling, NStZ 2009, 593 (601 ff.); Gercke/Brunst, Rn. 376a ff.; von Heintschel-Heinegg-von Heintschel-Heinegg, § 91 Rn. 1 ff.; Leipold/Tsambikakis/Zöller-Gazeas, § 91 Rn. 1 ff.; MKSchäfer, § 91 Rn. 1 ff.; NK-Paeffgen, § 91 Rn. 1 ff.; Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben, § 91 Rn. 1 ff. 856 Vgl. Gazeas/Grosse-Wilde/Kießling, NStZ 2009, 593 (602); Leipold/Tsambikakis/Zöller-Gazeas, § 91 Rn. 9; NK-Paeffgen, § 91 Rn. 10. 857 Fischer, § 91 Rn. 3; Gazeas/Grosse-Wilde/Kießling, NStZ 2009, 593 (602); Gercke/Brunst, Rn. 376a; Kindhäuser, LPK, § 91 Rn. 1; Lackner/Kühl, § 91 Rn. 1; Leipold/Tsambikakis/Zöller-Gazeas, § 91 Rn. 4; MK-Schäfer, § 91 Rn. 5; NK-Paeffgen, § 91 Rn. 1. 858 Vgl. dazu bereits oben C.V.2.f). 859 Vgl. dazu bereits oben C.V.2.g). 860 Vgl. dazu sogleich noch unten C.V.2.i). 861 Vgl. BT-Drs. 16/11735, S. 15; BT-Drs. 16/12428, S. 17; kritisch zur gesetzgeberischen Begründung jedoch Fischer, § 91 Rn. 11; ferner auch NK-Paeffgen, § 91 Fn. 7. 854
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
terroristischen Trainingslagern) genutzt, wobei auch solche Schriften verwendet würden, die über keinerlei konkreten Bezug zu einer Straftat verfügen862. Diese Schriften werden, mangels ihrer inhaltlichen Bestimmung oder Tendenz hinsichtlich der Förderung der Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (Katalogtat des § 89a I 2 StGB), auch als „(inhaltlich) neutral“ bezeichnet863. Wesentliche Unterschiede zu § 130a StGB bestehen also darin, dass einerseits als Tatmittel bei § 91 StGB auch sog. „neutrale“ Schriften verwendet werden können864 (vgl. dagegen § 130a I StGB) und andererseits auch eine besondere Förderungsabsicht des Täters nicht erforderlich ist (vgl. dagegen § 130a II Nr. 1 StGB). Vielmehr soll es zur Tatbestandsverwirklichung ausreichen, dass die betreffende Schrift unter Umständen verbreitet wird, aus deren Zusammenwirken sich (erst) die Eignung ergibt, andere zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat zu motivieren865 (sog. „2. Eignungsklausel“ 866). Hinsichtlich dieser Umstände der Verbreitung spricht der Gesetzentwurf beispielhaft von einer „[. . .] Homepage, die radikal islamistische Inhalte aufweist [. . .]“ oder auch von einem „[. . .] rechtsextremistischen Internetforum [. . .]“ 867. Auf der Grundlage der vorangehenden Ausführungen lässt sich für den subjektiven Tatbestand feststellen, dass ein bedingter Vorsatz hinsichtlich aller objektiven Merkmale des § 91 I Nr. 1 StGB – d.h. der Schrift mit entsprechendem In-
862 BT-Drs. 16/11735, S. 10 f.; BT-Drs. 16/12428, S. 12 f.; ferner auch von Heintschel-Heinegg-von Heintschel-Heinegg, § 91 Rn. 1; Leipold/Tsambikakis/Zöller-Gazeas, § 91 Rn. 2. 863 Vgl. BT-Drs. 16/11735, S. 15; BT-Drs. 16/12428, S. 17; Fischer, § 91 Rn. 7; Gazeas/Grosse-Wilde/Kießling, NStZ 2009, 593 (602); Leipold/Tsambikakis/Zöller-Gazeas, § 91 Rn. 10; MK-Schäfer, § 91 Rn. 11; NK-Paeffgen, § 91 Fn. 12. 864 Fischer, § 91 Rn. 7 mit diversen Beispielen; Gazeas/Grosse-Wilde/Kießling, NStZ 2009, 593 (602); NK-Paeffgen, § 91 Rn. 12. Anders jedoch Gercke/Brunst, Rn. 376b, wonach die Anleitung auch den besonderen staatsgefährdenden Charakter umfassen müsse. Ebenfalls abweichend Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben, § 91 Rn. 3, der – allerdings unter regelmäßigem Verweis auf § 130a StGB – einen erkennbaren Bezug zu einer schweren Gewalttat und eine auf Begehung dieser Gewalttat gerichtete Tendenz voraussetzt und daher wissenschaftliche Abhandlungen und Kriminalromane grundsätzlich aus dem Anwendungsbereich des § 91 StGB ausschließen will. Kritisch wohl auch Sieber, NStZ 2009, 353 (363), der darauf hinweist, dass dem Bereitsteller einer schlichten Anleitung das Risiko der Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nur dann zugerechnet werden könne, „[. . .] wenn sich aus Tatobjekt oder Tathandlung ein Deliktsbezug ergibt.“ 865 BT-Drs. 16/11735, S. 11, 16; BT-Drs. 16/12428, S. 13, 17 f. 866 Vgl. Gazeas/Grosse-Wilde/Kießling, NStZ 2009, 593 (603); Leipold/Tsambikakis/Zöller-Gazeas, § 91 Rn. 16; MK-Schäfer, § 91 Rn. 16; NK-Paeffgen, § 91 Rn. 17a. 867 BT-Drs. 16/11735, S. 16; BT-Drs. 16/12428, S. 18; kritisch zu dieser Kategorisierung Gercke/Brunst, Rn. 376b, die es vielmehr für erforderlich halten, auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere den Grad der Radikalisierung der Nutzer des Internetangebots, abzustellen; vgl. in diesem Zusammenhang auch Gazeas/Grosse-Wilde/ Kießling, NStZ 2009, 593 (603).
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
247
halt (Tatmittel), deren Eignung als Anleitung (1. Eignungsklausel), dem Anpreisen bzw. Zugänglichmachen (Tathandlung) sowie der Eignung der Verbreitungsumstände, die Bereitschaft anderer zu fördern oder zu wecken, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat zu begehen (2. Eignungsklausel) – erforderlich ist868. Bezüglich der 2. Eignungsklausel ergibt sich im Vergleich zu § 130a II Nr. 1 StGB insofern eine Vorsatz(nachweis)erleichterung, als dass hierfür auf der subjektiven Tatbestandsseite lediglich dolus eventualis erforderlich ist, während das „Förderungselement“ in § 130a II Nr. 1 StGB als Absicht verankert ist und dementsprechend dolus directus 1. Grades vorliegen muss. Jedoch wird vereinzelt hinsichtlich der Eignung der Verbreitungsumstände bei § 91 I Nr. 1 StGB mindestens dolus directus 2. Grades verlangt869. Vor dem Hintergrund, dass die 2. Eignungsklausel praktisch eine in den objektiven Tatbestand verlagerte Förderungsabsicht darstellt870, ist dies zwar nachvollziehbar. Jedoch liefe eine solche Vorsatzverschärfung dem eindeutig deklarierten gesetzgeberischen Willen zuwider, eine Beweisführungserleichterung dadurch herbeizuführen, dass eine Förderungsabsicht gerade nicht mehr wie bei § 130a II Nr. 1 StGB in Form des dolus directus 1. Grades nachgewiesen werden muss871. Obwohl es also eines konkreten Bezugs der Anleitung zu einer möglichen späteren Tat nicht bedarf, stellt der Wortlaut des § 91 I Nr. 1 StGB dennoch auf deren Eignung hinsichtlich einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat i. S. v. § 89a I 2 StGB ab. Insofern ist der Begriff der „schweren staatsgefährdenden Gewalttat“ auch im Rahmen von § 91 I Nr. 1 StGB von Interesse. § 89a I 2 StGB verweist diesbezüglich konkret auf die §§ 211, 212, 239a und 239b StGB und beschränkt dadurch zugleich die Palette der für eine staatsgefährdende Gewalttat in Betracht kommenden Delikte. Dabei soll den benannten Straftaten gemäß § 89a I 2 StGB dann ein staatsgefährdender Charakter zukommen, wenn diese „[. . .] nach den Umständen bestimmt und geeignet ist, den Bestand oder die Sicherheit eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beeinträchtigen oder Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben.“ (sog. „Staatsschutzklausel“ 872). Vom Schutzgut der Sicherheit eines Staates sollen sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit erfasst sein, wobei die innere Sicherheit wiederum dann betroffen sein soll, wenn es sich um „gewaltsame Aktionen innerstaatlicher Kräfte“ handelt, durch die „[. . .] das Vertrauen der Bevölkerung erschüttert wird, vor ge-
868 Fischer, § 91 Rn. 15; Leipold/Tsambikakis/Zöller-Gazeas, § 91 Rn. 23; MKSchäfer, § 91 Rn. 22; Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben, § 91 Rn. 6. 869 Vgl. NK-Paeffgen, § 91 Rn. 19. 870 Gazeas/Grosse-Wilde/Kießling, NStZ 2009, 593 (603); Leipold/Tsambikakis/Zöller-Gazeas, § 91 Rn. 18; NK-Paeffgen, § 91 Rn. 17a. 871 Vgl. BT-Drs. 16/11735, S. 15 f.; BT-Drs. 16/12428, S. 17 f. 872 Vgl. BT-Drs. 16/11735, S. 12; BT-Drs. 16/12428, S. 14.
248
C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
waltsamen Einwirkungen in ihrem Staat geschützt zu sein [. . .]“ 873. Zwar ist die Staatsschutzklausel des § 89a I 2 StGB aufgrund der Weite ihrer Schutzgüter im Schrifttum z. T. auf deutliche Kritik gestoßen874. Jedoch wird zumindest für den Begriff der „inneren Sicherheit“ eine solche restriktive Auslegung für möglich gehalten, wonach Großanschläge, durch die die Tötung einer Vielzahl von Menschen mit gemeingefährlichen Mitteln aus politischen Beweggründen erfolgen soll, die Voraussetzungen dieser Klausel erfüllen können875. Diese einschränkende Betrachtung führt wiederum dazu, dass von dem Katalog des § 89a I 2 StGB praktisch nur noch § 211 StGB als relevanter Tatbestand übrig bleibt876. Neben dem Verzicht auf eine besondere Förderungsabsicht hinsichtlich der Verwendung einer inhaltlich neutralen Anleitung und dem Einbezug vollkommen tatbezugs- bzw. tendenzloser Anleitungen besteht ein weiterer augenscheinlicher Unterschied zum Anleitungsdelikt des § 130a StGB – und darüber hinaus auch zum Aufforderungsdelikt des § 111 StGB – darin, dass der Wortlaut des § 91 I Nr. 1 StGB offenbar nicht voraussetzt, dass die tatbestandsmäßige Handlung gegenüber der Öffentlichkeit erfolgen muss („[. . .] einer anderen Person zugänglich macht [. . .]“). Hiernach müsste der Täter also nicht einer unüberschaubaren Vielzahl von Adressaten die Möglichkeit der inhaltlichen Wahrnehmung eröffnen. Vielmehr müsste es zur Verwirklichung des Tatbestands (bereits) ausreichen, dass das Zugänglichmachen gegenüber nur einer einzigen Person erfolgt877. Zugleich stellt § 91 I Nr. 1 StGB aber, wie zuvor erwähnt, auch auf die Umstände der Verbreitung ab878. Hiernach lässt sich die Norm dann allerdings auch so interpretieren, dass jedenfalls ebenso das öffentliche Zugänglichmachen als tatbestandsmäßige Handlung erfasst sein muss, denn anderenfalls wäre es nicht sinnvoll, hinsichtlich der Anleitungsschrift darauf abzustellen, dass „[. . .] die Umstände ihrer Verbreitung geeignet sind, die Bereitschaft anderer zu fördern oder zu wecken [. . .]“. Höchst fraglich erscheint es allerdings, eine Strafbarkeit nach § 91 I Nr. 1 StGB schon dann anzunehmen, wenn die betreffende Anleitung lediglich einer einzigen Person (z. B. mittels individueller E-Mail) zugänglich gemacht wird. So lässt sich die Kritik, § 91 I Nr. 1 StGB sei nur dann als abstraktes Gefährdungs873 Vgl. BT-Drs. 16/11735, S. 12; BT-Drs. 16/12428, S. 14; Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben, § 89a Rn. 5. 874 Vgl. die Kritik von Gazeas/Grosse-Wilde/Kießling, NStZ 2009, 593 (594 f.); Leipold/Tsambikakis/Zöller-Gazeas, § 89a Rn. 14 f.; NK-Paeffgen, § 89a Rn. 13 ff. 875 Vgl. Gazeas/Grosse-Wilde/Kießling, NStZ 2009, 593 (595); Leipold/Tsambikakis/Zöller-Gazeas, § 89a Rn. 16; weiterhin kritisch allerdings NK-Paeffgen, § 89a Rn. 17. Eine derart restriktive Auslegung ablehnend hingegen MK-Schäfer, § 91 Rn. 21. 876 Gazeas/Grosse-Wilde/Kießling, NStZ 2009, 593 (595); Leipold/Tsambikakis/Zöller-Gazeas, § 89a Rn. 16. Kritisch gegenüber dieser Einschränkung wiederum MKSchäfer, § 91 Rn. 21. 877 So MK-Schäfer, § 91 Rn. 15. 878 Hierzu u. a. Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben, § 91 Rn. 4.
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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delikt zu legitimieren, wenn der Tatbestand dahingehend reduziert werde, dass die Tathandlung gegenüber einem „[. . .] (un-)bestimmbaren Kreis einer Vielzahl von Personen [. . .]“ erfolgen muss879, nicht ohne Weiteres von der Hand weisen. Da § 91 I Nr. 1 StGB nicht das Vorhandensein einer Tatneigung bei den Adressaten der Anleitung voraussetzt, wäre die Annahme einer abstrakten Gefahr beim Zugänglichmachen gegenüber lediglich einer nicht tatgeneigten Einzelperson wohl kaum zu begründen. Vielmehr kann die abstrakte Gefahr der Realisierung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat infolge des Zugänglichmachens einer inhaltlich neutralen Anleitung nur dadurch begründet werden, dass gerade aufgrund einer Mehrzahl von Adressaten die Möglichkeit besteht, dass jedenfalls einer von diesen die betreffende Anleitung wahrnimmt, einen entsprechenden Tatentschluss fasst und der Bereitsteller der Anleitung zugleich auf den weiteren Geschehensverlauf keine Kontrolle mehr ausüben kann. Aus alledem ist zu schlussfolgern, dass § 91 I Nr. 1 StGB (nur) als Verbreitungsdelikt880 zu betrachten ist und folglich das Zugänglichmachen der betreffenden Informationen gegenüber nur einer einzigen Person nicht ausreichen kann, sondern mindestens die „Weitergabe an einen größeren Personenkreis“ erforderlich ist881. Schließlich benennt auch die gesetzgeberische Begründung zu § 91 StGB genau diesen Fall, indem sie ausdrücklich auf das Beispiel professionell gestalteter Websites, welche „[. . .] in das Internet eingestellt und in großer Zahl aufgerufen bzw. heruntergeladen [. . .]“ werden, verweist882. Folglich ist die vom Gesetzgeber gewählte Formulierung „[. . .] einer anderen Person zugänglich macht [. . .]“ als unnötig bzw. überflüssig zu bezeichnen. Wenn es nämlich gerade die Umstände der Verbreitung einer Anleitung sein sollen, welche geeignet sein müssen, die Tatbereitschaft anderer zu fördern bzw. zu wecken, kann sich das Zugänglichmachen nur auf eine Mehrzahl von Adressaten, nicht aber eine Einzelperson beziehen. Im Ergebnis ist hiernach festzuhalten, dass es auch bei § 91 I Nr. 1 StGB für die Tatbestandsverwirklichung entscheidend darauf ankommt, dass die Anleitung mindestens einem größeren Personenkreis zugänglich gemacht wird, so dass daraus die abstrakte Gefahr resultiert, dass tatsächlich eine der angesprochenen Personen einen Entschluss zur Begehung der entsprechenden Gewalttat fasst. Demnach muss der objektive Tatbestand aber auch dann bzw. erst recht als verwirklicht gelten, wenn es zur Ansprache eines nicht nur „größeren“ Personenkreises, sondern der Öffentlichkeit schlechthin – d.h. eines zahlenmäßig vollkommen unüberschaubaren und individuell absolut unbestimmten Personenkreises – kommt. Diese Lesart des § 91 I Nr. 1 StGB befindet sich jedenfalls in Übereinstimmung mit Art. 5 des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung 879 So Gazeas/Grosse-Wilde/Kießling, NStZ 2009, 593 (602); Leipold/Tsambikakis/ Zöller-Gazeas, § 91 Rn. 15; NK-Paeffgen, § 91 Rn. 6. 880 Vgl. diesbezüglich auch Sieber, NStZ 2009, 353 (363). 881 Gazeas/Grosse-Wilde/Kießling, NStZ 2009, 593 (602); NK-Paeffgen, § 91 Rn. 6. 882 Vgl. BT-Drs. 16/11735, S. 10; BT-Drs. 16/12428, S. 12.
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
des Terrorismus883 und Art. 3 I a) des Rahmenbeschlusses 2008/919/JI des Rates der Europäischen Union884, da diese jeweils ausdrücklich ein öffentliches Zugänglichmachen verlangen. Werden die betreffenden Informationen hingegen nur einer Person zugänglich gemacht, so ist dies straflos, sofern damit nicht zugleich auch eine Aufforderung zur Begehung einer Katalogtat nach § 89a I 2 StGB geäußert und eine entsprechende Anstifterstrafbarkeit (§§ 26, 30 I StGB) begründet wird. Der weiteren Klärung bedarf nun jedoch noch die Frage, ob (wie z. B. bei § 130a StGB) ausschließlich ein öffentliches Zugänglichmachen zur Tatbestandsverwirklichung führen oder ob es für die Verwirklichung von § 91 I Nr. 1 StGB auch ausreichen kann, wenn die Anleitung gegenüber einem größeren, gleichwohl aber bestimmbaren – d.h. nicht öffentlichen – Personenkreis zugänglich gemacht wird. Zwar impliziert ein Verbreiten regelmäßig das Adressieren einer zahlenmäßig unüberschaubaren und individuell unbestimmten Personenmehrheit, also der Öffentlichkeit. Dafür, dass das Zugänglichmachen in § 91 I Nr. 1 StGB aber nicht zwingend gegenüber einem vollkommen unüberschaubaren bzw. unbestimmten Personenkreis erfolgen muss, spricht jedoch der Umstand, dass dieses, wenn es als gleichwertige Handlungsalternative zum Verbreiten (im technischen Sinne) hätte gelten sollen, dementsprechend auch als öffentliches Zugänglichmachen normiert worden sein müsste, wie es z. B. in § 130a I und II Nr. 1 StGB der Fall ist. Der Verweis auf die öffentliche Begehungsweise kann beim Zugänglichmachen auch nicht entbehrlich sein, da diese Handlung – anders als das Verbreiten im technischen Sinne – eben nicht schon naturgemäß eine Mehrheit von Empfängern voraussetzt, sondern bereits gegenüber einer Einzelperson erfolgen kann. Gleichwohl hat der Gesetzgeber hingegen bei der Umsetzung des Art. 5 des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung des Terrorismus und des Art. 3 I a) des Rahmenbeschlusses 2008/919/JI des Rates der Europäischen Union davon abgesehen, das dort jeweils ausdrücklich statuierte Öffentlichkeitserfordernis in den Wortlaut des § 91 I Nr. 1 StGB einfließen zu lassen. Weiterhin verdient der Aspekt, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung des neuen § 91 StGB insbesondere (auch) das Internet als Raum für die Realisierung der tatbestandsmäßigen Handlungen im Blick hatte885, Beachtung. Würde man gerade in Fällen wie denen, die der Gesetzgeber als Beispiele hinreichender Verbreitungsumstände benennt – nämlich die Website mit radikal islamistischen Inhalten oder das rechtsextremistische Internetforum886 – starr bzw. uneinge883 Übereinkommen des Europarats zur Verhütung des Terrorismus vom 16.05.2005 (SEV-Nr.: 196) (von Deutschland unterzeichnet am 24.10.2006, ratifiziert am 10.06. 2011 und in Kraft getreten zum 01.10.2011). 884 Rahmenbeschluss 2008/919/JI des Rates vom 28.11.2008 zur Änderung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI zur Terrorismusbekämpfung, Abl. L 330/21. 885 BT-Drs. 16/11735, S. 1, 2 f., 10 f., 15 f.; BT-Drs. 16/12428, S. 1, 2 f., 12 f., 17 f. 886 Vgl. BT-Drs. 16/11735, S. 11, 15 f.; BT-Drs. 16/12428, S. 13, 17 f.
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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schränkt auf den herkömmlichen Öffentlichkeitsbegriff abstellen bzw. den Verbreitungsbegriff in § 91 I Nr. 1 StGB ausschließlich technisch interpretieren, wäre ein weitgehendes Leerlaufen der Norm zu befürchten. Diese wäre nämlich immer dann nicht mehr anwendbar, sobald ein Kommunikationsmittel nicht einer unüberschaubar großen Anzahl von Nutzern, sondern nur einem Kreis von zugelassenen bzw. zugangsberechtigten Mitgliedern, dessen Umfang durchaus noch überschaubar sein kann, zur Verfügung steht. Wiederum ist jedoch gerade in Fällen wie den vom Gesetzgeber beispielhaft benannten zu vermuten, dass – nicht zuletzt, um eine Entdeckung und eventuelle strafrechtliche Verfolgung aufgrund der dort ausgetauschten brisanten Inhalte zu vermeiden – eher konspirativ agiert werden und es demnach an einer freien Zugänglichkeit fehlen wird. Die Entstehung einer von § 91 StGB zu verhindernden abstrakten Gefahrenlage, nämlich dass andere durch die zugänglich gemachte Anleitung aufgrund bestimmter Verbreitungsumstände zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat motiviert werden könnten, ist vor allem aber auch bei (nicht jedermann frei zugänglichen) extremistisch ausgerichteten Kommunikationsplattformen zu vermuten, da diese in den meisten Fällen schon über einen hinreichenden Bestand von bereits radikalisierten Mitgliedern – d.h. hinreichende Umstände der Verbreitung – verfügen werden. Tatsächlich wird die Gefährdungsintensität durch das Zugänglichmachen einer Anleitung innerhalb eines aus bereits indoktrinierten Adressaten bestehenden konspirativen Kreises sogar vielmals höher sein, als ein vollständig öffentliches Zugänglichmachen, da bei einer absolut indefiniten Öffentlichkeit eine gefahrerhöhende bzw. begehungsbegünstigende subjektive Einstellung der Adressaten kaum (ohne Weiteres) angenommen werden kann. Insofern scheint es folgerichtig, den – derzeit mangels hinreichender Rechtsprechung für die Praxis nur zu vermutenden – Anwendungsschwerpunkt des § 91 I Nr. 1 StGB gerade solchen Sachverhalten zuzuordnen, bei denen eine für sich vollkommen neutrale Anleitung einem größeren, bereits radikalisierten, konspirativen Personenkreis zur Verfügung gestellt wird. Während sich bei der Ansprache der Öffentlichkeit der Kontrollverlust aus der zahlenmäßigen Unüberschaubarkeit bzw. der individuellen Unbestimmtheit des Publikums ergibt, kann ein Kontrollverlust bei der Ansprache einer zwar überschaubaren, gleichwohl aber radikalisierten, aus mehreren Personen bestehenden Gruppe deshalb denkbar sein, weil eine solche Anleitung hier bei jedem Gruppenmitglied, aufgrund dessen besonderer subjektiver Voreinstellung, höchstwahrscheinlich einen erhöhten Wirkungsgrad erzielen bzw. eine höhere Eigendynamik entwickeln wird, als es bei einem Durchschnittsadressaten der Allgemeinheit/Öffentlichkeit der Fall ist. Um die Tathandlung des Zugänglichmachens mit dem Tatbestandsmerkmal der (hinreichenden) Verbreitungsumstände sinnvoll in Einklang zu bringen und um dem Zweck des § 91 I Nr. 1 StGB gerecht zu werden, muss ein tatbestandsmäßiges Zugänglichmachen also bereits dann angenommen werden können, wenn der Umfang der adressierten Personengruppe (noch) bestimmbar ist und damit unter-
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
halb der absoluten zahlenmäßigen Unüberschaubarkeit liegt. Gestützt wird diese Annahme schließlich auch durch den Umstand, dass für die benannte strafwürdige Konstellation jedenfalls keine andere Norm zur Verfügung steht, die hier anstelle von § 91 I Nr. 1 StGB zur Anwendung kommen könnte. Während beispielsweise das Nichtvorliegen von § 111 StGB infolge fehlender Öffentlichkeit gegebenenfalls von den §§ 26, 30 I StGB aufgefangen werden kann, ist dies bei § 91 I Nr. 1 StGB nicht der Fall, sofern eine entsprechende Aufforderung nicht zusätzlich geäußert wird. Wann genau eine für § 91 I Nr. 1 StGB hinreichende Adressatenzahl vorliegt, wird dabei allerdings kaum abstrakt festgelegt werden können, sondern vielmehr anhand der konkreten Einzelfallumstände der „Verbreitung“ (z. B. Stellung/Position und Einfluss des Täters auf die Adressatengruppe, Grad der Radikalisierung der Angesprochenen) bemessen werden müssen. Als Ergebnis ist somit festzuhalten, dass das Zugänglichmachen einer entsprechenden Anleitung jedenfalls gegenüber einer größeren887, gleichwohl aber nicht zwingend unüberschaubar großen bzw. unbestimmbaren Personengruppe erfolgen können muss. Der in § 91 I Nr. 1 StGB verwendete Verbreitungsbegriff ist folglich nicht nur technisch – d.h. ausschließlich als Ansprache gegenüber einer unüberschaubaren Vielzahl individuell unbestimmter Personen – zu interpretieren. Auf die Kommunikationsmittel des Internets übertragen bedeutet dies, dass ein gemäß § 91 I Nr. 1 StGB strafbares Zugänglichmachen einer Anleitung nicht nur in vollkommen frei zugänglichen Angeboten, sondern auch in geschlossenen Kommunikationsmitteln (z. B. geschlossene Webforen), bei denen der Kreis der Adressaten möglicherweise (noch) überschaubar bzw. bestimmbar ist, stattfinden kann, soweit dies bereits mit einem Kontrollverlust über das weitere Geschehen einhergeht. So wird der Tatbestand – das Vorliegen hinreichend geeigneter Verbreitungsumstände vorausgesetzt – auch durch das Versenden der Anleitung an eine größere, individuell zusammengestellte Adressatengruppe mittels einer E-Mail (Rundmail) verwirklicht werden können. Ebenso ist der Fall zu bewerten, wenn die Anleitung nicht durch einen einheitlichen Sendevorgang (eine natürliche Handlung) gleichzeitig an eine hinreichende Anzahl von Empfängern, sondern mittels entsprechend individuell adressierter Einzel-E-Mails identischen Inhalts verschickt wird (mehrere natürliche Handlungen) und dabei die Voraussetzungen einer sog. „natürlichen Handlungseinheit“ 888 vorliegen. Eine Strafbarkeit nach § 91 I Nr. 1 StGB kommt demnach also in Betracht, wenn der Inhalt einer E-Mail (Body), der nicht nur aus der Anleitung zur Herstellung von Sprengstoff, sondern auch aus dem einleitenden Satz „Bundesregierung in die Luft jagen!“ besteht und unter der Betreffzeile (Header) „Ein Dienst im Namen des Nationalen Widerstands“ innerhalb einer Stunde (enger zeitlicher Zusam887 Ähnlich auch Gazeas/Grosse-Wilde/Kießling, NStZ 2009, 593 (602); NK-Paeffgen, § 91 Rn. 6. 888 Ausführlich zur Rechtsfigur der „natürlichen Handlungseinheit“ B. Heinrich, AT, Rn. 1413 ff.
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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menhang) 50 Mal in Form identischer E-Mails jeweils an Mitglieder der gewaltbereiten rechtsextremen Szene versendet wird (gleichartige Tathandlung). Mangelt es hingegen an einer natürlichen Handlungseinheit, z. B. wenn im vorliegenden Beispielsfall die 50 identischen E-Mails nicht innerhalb einer Stunde, sondern im Zeitraum von 50 Tagen – d.h. eine E-Mail pro Tag – versendet werden (fehlender enger zeitlicher Zusammenhang), wird dies jeweils als eine eigenständige Handlung und somit als Ansprache einer Einzelperson, nicht aber einer hinreichend großen Adressatengruppe zu bewerten sein. Aus den zuvor aufgezeigten Gründen kann die Ansprache einer Einzelperson den Tatbestand des § 91 I Nr. 1 StGB jedoch nicht verwirklichen. Der als abstraktes Gefährdungsdelikt889 konzipierte neue Tatbestand hat wegen der mit ihm einhergehenden erheblichen Vorfeldkriminalisierung von Beginn an vielfach Anstoß zur Kritik gegeben890. Darüber hinaus stellt sich für § 91 I Nr. 1 StGB in besonderer Weise auch die Frage nach der Anwendbarkeit der Norm, wenn ein ausländischer Täter in einem anderen Staat handelt, eine tatbestandsmäßige Anleitung also von dort aus zugänglich macht oder anpreist. Da mit der neuen Gesetzgebung gerade dem international agierenden Terrorismus begegnet werden sollte891 und § 91 StGB zudem vornehmlich mit Blick auf die Kommunikationsmöglichkeiten des Internets geschaffen wurde892, dürfte ein Sachverhalt, bei dem eine entsprechende Anleitung in Deutschland zwar über das Internet verfügbar ist (z. B. durch schlichtes Abrufen einer Website), jedoch von einem anderen Staat aus bereitgestellt wird, nicht außergewöhnlich sein893. In solch einem Fall kann die Anwendung des § 91 I Nr. 1 StGB jedenfalls nicht an den Handlungsort i. S. v. § 9 I Alt. 1 StGB anknüpfen, da dieser außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des StGB liegt. Aufgrund der Tatsache, dass § 91 StGB den abstrakten Gefährdungsdelikten zuzuordnen ist, bei denen es nach überwiegender Ansicht keinen Erfolgsort gibt894, dürfte eine Begründung der deutschen Strafgewalt auch über § 9 I Alt. 3 und Alt. 4 StGB (tatsächlicher bzw. vorgestellter Er889
Fischer, § 91 Rn. 3; MK-Schäfer, § 91 Rn. 5; NK-Paeffgen, § 91 Rn. 1. Zur Kritik u. a. Fischer, § 91 Rn. 19; Gazeas/Grosse-Wilde/Kießling, NStZ 2009, 593 (601 f.); Gierhake, ZIS 2008, 397 (403); MK-Schäfer, § 91 Rn. 3; NK-Paeffgen, § 91 Rn. 4 ff.; Radtke/Steinsiek, JR 2010, 107 (107 f.); Schönke/Schröder-SternbergLieben, § 91 Rn. 1. 891 BT-Drs. 16/11735, S. 1 f.; BT-Drs. 16/12428, S. 1 f. 892 BT-Drs. 16/11735, S. 1, 2 f., 10 f., 15 f.; BT-Drs. 16/12428, S. 1, 2 f., 12 f., 17 f.; ferner auch Leipold/Tsambikakis/Zöller-Gazeas, § 91 Rn. 27. 893 Zu diesem Fall auch Leipold/Tsambikakis/Zöller-Gazeas, § 91 Rn. 28 ff.; NKPaeffgen, § 91 Rn. 29 f. 894 Vgl. u. a. Kindhäuser, LPK, § 9 Rn. 10; Lackner/Kühl, § 9 Rn. 2; NK-Böse, § 9 Rn. 11 f.; Satzger/Schmitt/Widmaier-Satzger, § 9 Rn. 7; Schönke/Schröder-Eser, § 9 Rn. 6. Anders jedoch B. Heinrich, GA 1999, 72 (77 ff.); Leipold/Tsambikakis/ZöllerZöller, § 9 Rn. 10, 22; LK-Werle/Jeßberger, 12. Aufl., § 9 Rn. 32 ff., 89, die bei abstrakten Gefährdungsdelikten dort einen Erfolgsort annehmen, wo die abstrakte Gefahr in eine konkrete umschlagen kann. 890
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
folgsort als „Ort der Tat“) problematisch sein. Da – wie bereits in der Einleitung dargelegt895 – eine vertiefende Auseinandersetzung mit dem Strafanwendungsrecht im Rahmen der vorliegenden Arbeit jedoch nicht geleistet werden kann, soll es an dieser Stelle bei dem Hinweis auf das Problem verbleiben896. i) Die Anleitung oder Aufforderung zur Herstellung verbotener Waffen (§ 52 I Nr. 4 WaffG) Nach § 52 I Nr. 4 WaffG macht sich strafbar, wer entgegen dem von § 40 I WaffG normierten Verbot dazu anleitet oder auffordert, Waffen i. S. v. Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.4 WaffG herzustellen. Bei den in Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.4 WaffG benannten Waffen handelt es sich um „Gegenstände, bei denen leicht entflammbare Stoffe so verteilt und entzündet werden, dass schlagartig ein Brand entstehen kann; oder in denen unter Verwendung explosionsgefährlicher oder explosionsfähiger Stoffe eine Explosion ausgelöst werden kann“. Aufgrund der normierten Handlungsalternativen des Aufforderns und des Anleitens zeigt § 52 I Nr. 4 WaffG erkennbare Ähnlichkeiten bzw. Parallelen zu den §§ 111 und 130a StGB auf. Auch die Begriffsdefinitionen von Aufforderung und Anleitung bei § 52 I Nr. 4 WaffG sind gleichlautend mit denen der entsprechenden Normen des StGB. Folglich gilt auch im Fall von § 52 I Nr. 4 WaffG als Aufforderung eine solche Erklärung, welche an die Motivation Dritter gerichtet ist und von diesen als Adressaten ein bestimmt bezeichnetes Tun oder Unterlassen verlangt897; während als Anleitung unterweisende Darlegungen, die konkrete Kenntnisse darüber vermitteln, wie eine bestimmte Tat begangen werden kann898, verstanden werden. Der eindeutige Kommunikationsbezug beider tatbestandsmäßiger Handlungen des § 52 I Nr. 4 WaffG lässt kaum Zweifel an dessen Relevanz für internetbezogene Sachverhalte aufkommen. Aufgrund der sachlichen Einschränkung auf Anleitungen bzw. Aufforderungen zum Herstellen von Molotow-Cocktails und sonstigen unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen ist jedoch eine solche Fülle diverser Sachverhaltskonstellationen – zumindest was den Inhalt des Kommunikationsvorgangs betrifft – wie sie bei anderen, für die vorliegende Arbeit
895
Vgl. oben A.II. Weiterführend zur Frage der Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf im Internet begangene Straftaten u. a. Fischer, § 9 Rn. 5 ff.; Leipold/Tsambikakis/ZöllerZöller, § 9 Rn. 15 ff.; LK-Werle/Jeßberger, 12. Aufl., § 9 Rn. 73 ff.; MK-Ambos, § 9 Rn. 25 ff.; Satzger/Schmitt/Widmaier-Satzger, § 9 Rn. 14 ff. 897 Vgl. Gade/Stoppa, § 52 Rn. 34; MK-B. Heinrich, § 52 WaffG Rn. 47; Steindorf/ Heinrich/Papsthart-B. Heinrich, § 52 WaffG Rn. 26. 898 Vgl. Gade/Stoppa, § 52 Rn. 33; MK-B. Heinrich, § 52 WaffG Rn. 47; Steindorf/ Heinrich/Papsthart-B. Heinrich, § 52 WaffG Rn. 26. 896
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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relevanten Normen (z. B. §§ 111, 130a StGB) denkbar ist, nicht gegeben. Abgesehen davon werden die Handlungsmodalitäten des § 52 I Nr. 4 WaffG jedoch in keiner Weise eingeschränkt. Man kann sich demnach praktisch jeden Fall vorstellen, in dem eine dem § 52 I Nr. 4 WaffG entsprechende Anleitung oder Aufforderung im Internet veröffentlicht wird. Konkret äußert sich dies wie folgt: Da für keine der beiden Handlungsalternativen des § 52 I Nr. 4 WaffG eine öffentliche Begehung gefordert wird, reicht es regelmäßig aus, wenn der Täter auch nur einen einzigen Adressaten in den Blick nimmt. Folglich kommen sämtliche Internetkommunikationsmittel für die Realisierung des Tatbestands des § 52 I Nr. 4 WaffG in Betracht, d.h. sowohl geschlossene (mit individualisiertem oder zumindest zahlenmäßig bestimmbarem Adressatenkreis) als auch frei zugängliche (mit zahlenmäßig unbestimmbarem Adressaten-/Empfängerkreis). Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung führt dies dazu, dass hier nicht nach der Öffentlichkeit bzw. Nichtöffentlichkeit von Internetkommunikationsangeboten differenziert werden muss. Ebenso muss nicht danach differenziert werden, ob die Anleitung oder die Aufforderung direkt (z. B. durch bloßes Ansehen einer Website) oder lediglich indirekt (z. B. Download einer Datei) wahrnehmbar ist; erfasst sind – mangels entsprechender Tatbestandseinschränkung der Norm – auch hier sämtliche Fälle. In § 52 I Nr. 4 WaffG wird ein Äußerungsdelikt gesehen, was – im Unterschied zu § 130a I und II Nr. 1 StGB – allerdings auch für die Anleitungsalternative gelten soll899. Jedoch ist es nicht unumstritten, ob die Norm tatsächlich insgesamt, also auch in der Alternative des Anleitens, ein Äußerungsdelikt darstellt. Konkret wird diskutiert, ob unter dem Anleiten i. S. v. § 52 I Nr. 4 Alt. 1 WaffG ausschließlich das Kundgeben einer eigenen oder einer sich zu eigen gemachten Anleitung zum Herstellen von Molotow-Cocktails, inklusive der damit verbundenen tendenziellen Hinwirkung auf die tatsächliche Umsetzung, oder bereits das schlichte Weitergeben, d.h. das Verbreiten oder Zugänglichmachen, einer fremden Anleitung an Dritte zu verstehen ist900. Diese Frage besitzt auch für die vorliegende Untersuchung hinreichende Relevanz, denn sowohl das Äußern einer eigenen, als auch das Zugänglichmachen einer fremden, sich nicht zu eigen gemachten Anleitung ist jeweils mittels der Kommunikationsmöglichkeiten des Internets begehbar. Konkret ist also zu entscheiden, ob sich lediglich derjenige gemäß § 52 I Nr. 4 WaffG strafbar macht, der andere mittels einer selbst erstellten oder aber einer mindestens zu eigen gemachten Unterweisung zum Herstellen 899 Vgl. BayObLG NJW 1998, 1087 (1087 f.); Derksen, NJW 1998, 3760 (3760 f.) (jeweils zu § 53 I 1 Nr. 5 WaffG a. F.); Steindorf/Heinrich/Papsthart-B. Heinrich, § 1 WaffG Rn. 23 f.; a. A. Gänßle, NStZ 1999, 90 (90 f.); Hütig, MMR 1999, 297 (298 f.) (jeweils zu § 53 I 1 Nr. 5 WaffG a. F.). 900 Zu diesem Problem BayObLG NJW 1998, 1087 (1087 f.); Derksen, NJW 1998, 3760 (3760 f.); Gänßle, NStZ 1999, 90 (90 f.); Hütig, MMR 1999, 297 (298 f.) (jeweils zu § 53 I 1 Nr. 5 WaffG a. F.).
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
von Molotow-Cocktails bzw. sonstiger unkonventioneller Spreng- und Brandvorrichtungen anleitet – z. B. indem eine solche Anleitung mit einem entsprechenden Kommentar versehen auf der eigenen Profilseite in einem sozialen Netzwerk gepostet wird – oder ob bereits derjenige den objektiven Tatbestand verwirklicht, der eine entsprechende Anleitung, welche nicht von ihm selbst stammt und mit der er sich auch nicht inhaltlich identifiziert, lediglich – z. B. durch das bloße unkommentierte Weiterleiten einer E-Mail mit entsprechendem Inhalt – anderen zur Kenntnisnahme bereitstellt. Thematisiert wurde diese Frage im Hinblick auf einen Sachverhalt mit Internetbezug bereits in einer früheren Entscheidung des BayObLG901. Hier hatte der Angeklagte im April 1993 eine Datei, welche eine Anleitung zur Herstellung von Molotow-Cocktails enthielt, in einer Mailbox902 zum Abruf bereitgestellt. Nach seinen eigenen Angaben habe er die Datei zufällig beim Surfen im Internet gefunden und, nachdem er Kenntnis von deren Inhalt erlangt hatte, seinen Freunden zugänglich machen wollen. Tatsächlich hatten zu diesem Zeitpunkt über 800 Personen Zugang zu der Mailbox und damit auch zu der betreffenden Datei. Abgerufen wurde diese dann bis Mitte 1995 genau 73 Mal. Die Verurteilung wegen Anleitung zur Herstellung verbotener Waffen wurde vom BayObLG dann jedoch mit der Begründung aufgehoben, dass das LG in seinem vorangehenden Urteil keine Feststellungen dazu getroffen habe, ob der Angeklagte sich den ursprünglich fremden Inhalt der Datei – d.h. die Anleitung – hier auch zu eigen gemacht hatte903. Eine diesbezügliche Feststellung wäre jedoch für eine Verurteilung erforderlich gewesen, da Täter eines strafbaren Anleitens zur Herstellung verbotener Waffen nur sein könne, wer selbst anleitet oder auffordert, weil es sich um ein Äußerungs- und nicht um ein Verbreitungsdelikt handele904. Dies wiederum folge aus dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang, in dem die Norm stehe905. Betrachtet man zunächst den Wortlaut der Norm, so ist dort allein das Anleiten, nicht aber das Verbreiten oder Zugänglichmachen einer Anleitung erfasst. Wird dagegen angeführt, die Norm stelle – wenn auch nicht wortwörtlich – den-
901 BayObLG NJW 1998, 1087 mit Anmerkungen von Derksen, NJW 1998, 3760; Gänßle, NStZ 1999, 90; Hütig, MMR 1999, 297; ferner auch B. Heinrich, FS Heinz 2012, S. 728 (730). 902 Vor allem in der ersten Hälfte der 1990er Jahre kam derartigen Mailboxen eine beachtliche Bedeutung zu. In der Regel handelte es sich hierbei um ein privat betriebenes Rechnersystem, bei dem den Nutzern bestimmte öffentliche Kommunikations- und Downloadbereiche sowie persönliche Postfächer zur Verfügung gestellt wurden. Die Mailboxsysteme erfüllten damit praktisch eine den späteren Foren und Mail-Servern vergleichbare Funktion. 903 BayObLG NJW 1998, 1087 (1088). 904 BayObLG NJW 1998, 1087. 905 BayObLG NJW 1998, 1087 (1088).
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noch allein auf das Verbreiten einer Anleitung ab906, kann dies nicht überzeugen. Eine solche Gleichstellung von originärem Anleiten und dem Verbreiten einer Anleitung negiert den qualitativen Unterschied beider Handlungen. Das Erteilen einer Anleitung – d.h. das Anleiten als solches – stellt eine eigene aktive Einwirkung des Täters auf den Adressaten dar, denn diesem werden die Informationen so vermittelt, dass er sie nur noch empfangen (und in die Tat umsetzen) muss, während das bloße Verbreiten und Zugänglichmachen von Informationen es hingegen dem Empfänger abverlangen, sich den Inhalt sinngemäß selbst zu erschließen907. Somit bleiben diese Handlungen folglich unterhalb der Einwirkungsintensität eines Anleitens, für das auch gefordert wird, dass es sich dabei praktisch um ein anstiftungsähnliches Hinwirken auf die fremde Herstellung eines verbotenen Gegenstands handeln müsse908. Für das schlichte Verbreiten bzw. Zugänglichmachen einer Anleitung ist weder erforderlich, dass der Täter deren Urheber ist, noch muss er sich mit deren Inhalt identifizieren (sofern er nicht schon selbst Urheber ist). Anderes muss hingegen – nach logischer Betrachtung – für das Anleiten gelten, denn dieses ist, als eine Art aktiver geistiger Einflussnahme, ohne die eigene Urheberschaft am, zumindest aber die persönliche Identifikation mit dem betreffenden Inhalt kaum denkbar. Zu einem anderen Ergebnis gelangt man nur dann, wenn man die einer Anleitung grundsätzlich immanente Förderungstendenz verneint bzw. jene nicht für erforderlich hält909. Dies stünde jedoch im eindeutigen Widerspruch zum Charakter der Anleitung und würde zu einer unzulässigen Gleichsetzung von Anleiten und Verbreiten/Zugänglichmachen einer Anleitung führen, welche bereits aus dem zuvor dargelegten Grund der unterschiedlichen Qualität und Einwirkungsintensität beider Handlungen abzulehnen ist. Weiterhin legt auch ein systematischer Vergleich der beiden Handlungsalternativen des § 52 I Nr. 4 WaffG nahe, nicht nur den Aufforderungs-, sondern auch den Anleitungstatbestand als Äußerungsdelikt zu definieren. Die für beide Handlungsalternativen identische Strafandrohung kann nämlich nur dann gerechtfertigt sein, wenn auch der jeweilige Unrechtsgehalt des Aufforderns und des Anleitens gleichwertig ist. Wie beim Auffordern, muss es sich also auch beim Anleiten um die Äußerung eines eigenen oder eines zu eigen gemachten Inhalts handeln. Ließe man hingegen bereits das Verbreiten bzw. Zugänglichmachen einer frem906
Vgl. Gänßle, NStZ 1999, 90. So auch Derksen, NJW 1998, 3760. 908 Vgl. Derksen, NJW 1998, 3760 (3761). 909 So bei Hütig, MMR 1999, 297 (298 f.), der den Begriff der Anleitung anhand von § 130a StGB erläutert, dabei allerdings die Bedeutung des Merkmals der „Förderungstendenz“ verkennt bzw. dieses Merkmal mit dem der „Bestimmtheit“ verwechselt und im Ergebnis u. a. zu der unzutreffenden Ansicht kommt, § 130a I StGB erfasse die von sich aus tendenziellen Schriften, während sich in den unter § 130a II StGB zu fassenden Fällen die Tendenz erst aus der besonderen Absicht des Täters ergebe. 907
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
den Anleitung ausreichen, ergäbe sich ein eklatantes Missverhältnis zwischen den beiden Handlungsmodalitäten im Hinblick auf das von der Norm vorgesehene Strafmaß. Nicht nur der Vergleich der beiden Handlungsmodalitäten des § 52 I Nr. 4 WaffG miteinander spricht dafür, nur das Erteilen einer eigenen oder das Weitergeben einer sich zu eigen gemachten Anleitung zu erfassen. Auch ein Vergleich mit der verwandten Norm des § 130a StGB führt zu diesem Ergebnis. Geht man von einer nach § 52 I Nr. 4 Alt. 1 WaffG tatbestandsrelevanten Anleitung zur Herstellung von Molotow-Cocktails aus, so wird Folgendes deutlich: Eine solche Anleitung kann im Hinblick auf § 130a StGB nur einen Bestandteil bzw. eine Komponente der dort tatbestandsmäßigen Anleitung darstellen, denn zu der bloßen Unterweisung hinsichtlich der Herstellung eines Brand- oder Sprengsatzes muss regelmäßig noch der Bezug zu einer Katalogtat des § 126 I StGB erkennbar hinzukommen – beispielsweise das Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion gemäß § 308 StGB (vgl. § 126 I Nr. 6 StGB). Eine Anleitung i. S. v. § 130a StGB geht also in ihrer inhaltlichen Beschreibung regelmäßig über eine solche i. S. v. § 52 I Nr. 4 WaffG hinaus. Gleichwohl sieht § 130a StGB ein geringeres Strafmaß als § 52 I Nr. 4 WaffG vor. Dies lässt sich nur damit erklären, dass § 130a I und II Nr. 1 StGB (als Verbreitungstatbestände) bereits das bloße Verbreiten und Zugänglichmachen von Anleitungen sanktionieren, während § 52 I Nr. 4 Alt. 1 WaffG (als Äußerungsdelikt) das von höherem Handlungsunwert geprägte – weil einwirkungsintensivere – Verhalten des Erteilens einer eigenen oder sich zu eigen gemachten Anleitung verlangt. Schließlich steht auch die inhaltliche Ausgestaltung des Tatbestands des § 52 I Nr. 4 WaffG einer Einordnung als Verbreitungsdelikt entgegen. Betrachtet man die Schriftenverbreitungstatbestände des StGB so wird zunächst deutlich, dass diese einer nahezu einheitlichen Konzeption unterliegen. Stets stellen diese Tatbestände nämlich das Verbreiten und/oder Zugänglichmachen einer an sich bereits rechtswidrigen Schrift unter Strafe, wobei hinsichtlich dieser Schrift ausdrücklich auf § 11 III StGB Bezug genommen wird910. Des Weiteren ergibt ein Vergleich mit § 52 I Nr. 4 WaffG, dass dieser der Konzeption bzw. Ausgestaltung eines typischen Schriftenverbreitungstatbestands nicht entspricht. Hätte der Gesetzgeber bereits das Verbreiten und Zugänglichmachen einer Anleitung zur Herstellung von Molotow-Cocktails unter Strafe stellen wollen, so hätte es zumindest nahe gelegen, § 52 I Nr. 4 WaffG ebenfalls nach dem Konzept eines Schriftenverbreitungstatbestands zu gestalten. So hätte der Wortlaut des § 52 I
910 Vgl. z. B. §§ 86 I i.V. m. II, 86a I Nr. 1, 130 II Nr. 1a und Nr. 1b, 130a I, 131 I Nr. 1 und Nr. 2, 184a Nr. 1 und Nr. 2, 184b I Nr. 1 und Nr. 2, 184c I Nr. 1 und Nr. 2 StGB. Bei § 130a II Nr. 1 StGB verfügt die entsprechende Anleitungsschrift zwar selbst nicht über einen an sich schon rechtswidrigen Inhalt, jedoch wird dies durch die besondere Förderungsabsicht des Täters kompensiert; vgl. hierzu auch oben C.V.2.g)cc).
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Nr. 4 WaffG in diesem Fall beispielsweise lauten können: „Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer entgegen § 40 Abs. 1 zur Herstellung eines dort genannten Gegenstandes anleitet oder auffordert oder eine Schrift (§ 11 Abs. 3), die entweder geeignet ist, zur Herstellung eines solchen Gegenstandes anzuleiten oder eine Aufforderung zur Herstellung enthält, verbreitet oder öffentlich zugänglich macht.“ § 52 I Nr. 4 Alt. 1 WaffG erscheint insofern als (schärfer sanktionierter) Spezialfall des § 130a StGB, als dass nach diesem durchaus bereits neutrale Schriften wie z. B. Lehrbücher, wissenschaftliche Abhandlungen oder Patentschriften taugliche Tatmittel sein können, sofern diese notwendige Informationen zur Herstellung von Brand- oder Sprengsätzen gemäß Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.4 WaffG enthalten. Dies ergibt sich daraus, dass es für eine Anleitung i. S. v. § 52 I Nr. 4 Alt. 1 WaffG eines Bezugs zu einer weiteren Straftat – wie im Fall des § 130a StGB einer Katalogtat gemäß § 126 I StGB – nicht bedarf, so dass als alleiniges Verhalten das Herstellen von Brand- oder Sprengsätzen in Betracht kommt. Beachtet man nunmehr, dass es für eine entsprechende Eignung als Anleitung regelmäßig ausreicht, dass die Beschreibung/Darstellung einen „wesentliche[n] Teil der [. . .] Informationen“ liefert bzw. „[. . .] sich auf einen notwendigen Teilbereich der Durchführung bezieht [. . .]“ 911, ist es nur konsequent, bezüglich § 52 I Nr. 4 Alt. 1 WaffG auch solche Schriften in den Blick zu nehmen, die der Gesetzgeber bei § 130a StGB mangels Katalogtatbezug von vornherein vom objektiven Tatbestand ausnehmen wollte912. Schließlich kann bereits einem Lehrbuch für Sprengmeister zu entnehmen sein, wie ein explosionsfähiges- oder brandbeschleunigendes Stoffgemisch herzustellen ist, was wiederum im Hinblick auf die Herstellung eines Molotow-Cocktails bzw. eines unkonventionellen Sprengsatzes einen, wenn nicht sogar den wesentlichen Teil der erforderlichen Informationen ausmachen dürfte. Hingegen wird der Information, wie das brandbzw. explosionsfähige Stoffgemisch im letzten Schritt des Herstellungsvorgangs noch in ein entsprechendes Behältnis abzufüllen ist, bei einer Gesamtbetrachtung kaum ein überragendes Gewicht zukommen können. Die sich daraus ergebende erhebliche Strafbarkeitsausdehnung einerseits sowie das ungleich höhere Strafmaß des § 52 I Nr. 4 WaffG andererseits können daher nur gerechtfertigt sein, wenn es sich auch bei der Anleitung um eine eigene oder – wenn eine fremde Quelle (z. B. Lehrbuch) verwendet wird – eine zu eigen gemachte Äußerung des Täters handelt, welche zudem über einen anstiftungs- oder beihilfeähnlichen Charakter i. S. e. Hinwirkens auf die fremde Herstellung eines nach § 40 I WaffG i.V. m. Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.4 WaffG verbotenen Gegenstands verfügt913. 911 LK-Krauß, 12. Aufl., § 130a Rn. 12 zur Anleitungseignung im Rahmen von § 130a StGB. 912 Vgl. die gesetzgeberischen Begründungen zu § 130a StGB in BT-Drs. 10/6286, S. 8 und BT-Drs. 10/6635, S. 13. 913 Ähnlich auch Derksen, NJW 1998, 3760 (3761).
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
Durch das Erfordernis eines solchen anstiftungs- oder beihilfeähnlichen Charakters der Anleitungsäußerung kann sichergestellt werden, dass nicht bereits derjenige nach § 52 I Nr. 4 WaffG belangt wird, der eine neutrale Anleitung – z. B. die Angabe der erforderlichen Bestandteile eines Sprengstoffs in einem Lehrbuch für Sprengmeister oder die Anleitung zur Herstellung eines Brandsatzes in Dienstanweisungen der Bundeswehr – gibt, welche zwar naturgemäß tauglich ist, (auch) die Herstellung einer verbotenen Waffe nach § 40 I WaffG zu ermöglichen, jedoch dazu nicht bestimmt ist. So ist der Verfasser einer eigenen, jedoch vollständig neutralen Anleitung mangels deren Anstiftungs- oder Beihilfecharakters nicht gemäß § 52 I Nr. 4 WaffG strafbar. Derjenige, der eine solche Anleitung an andere weitergibt, muss sich diese wiederum derart zu eigen gemacht haben, dass mit der Weitergabe zugleich das Hinwirken auf die fremde Herstellung einer verbotenen Waffe erkennbar wird. Zu berücksichtigen ist zudem die zum 25.07.2009 in Kraft getretene Änderung des § 40 III 2, 3 WaffG914, wonach ausdrücklich diejenigen vom Verbot des § 40 I WaffG ausgenommen werden, die entweder Inhaber sprengstoffrechtlicher Erlaubnisse gemäß §§ 7, 27 SprengG oder Befähigungsscheine gemäß § 20 SprengG oder aber Teilnehmer eines staatlichen oder staatlich anerkannten Lehrgangs sind. Mithin wird nunmehr auch durch diese Ausnahmeregelung gewährleistet, dass derjenige, der aufgrund seiner entsprechenden gesetzmäßigen Befugnisse – d.h. rechtmäßig – zur Herstellung von Molotow-Cocktails und sonstigen unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen anleitet, nicht gegen das Verbot des § 40 I WaffG verstößt und sich damit im Ergebnis auch nicht gemäß § 52 I Nr. 4 StGB strafbar macht. Ob bei der Übernahme einer fremden Anleitung ein Zueigenmachen vorliegt, wird mit hinreichender Bestimmtheit letztlich nur für den jeweiligen Einzelfall anhand der konkreten Umstände bzw. des Gesamtkontextes der Wiedergabe beurteilt werden können. So wird ein Instrumentalisieren bzw. Zueigenmachen einer vollkommen neutralen Beschreibung zur Herstellung eines explosionsfähigen Stoffs beispielsweise dann anzunehmen sein, wenn ein als politischer Extremist bekannter Liedermacher eine entsprechende Herstellungsbeschreibung aus einem Fachbuch direkt – d.h. ohne eigene inhaltliche Zusätze – übernimmt und in Form eines Liedtextes umsetzt. Dieses Lied wird anschließend unter dem Titel „Wenn nur noch Terror hilft“ nicht nur auf Konzerten gespielt, sondern auch auf der Website des Liedermachers zum freien Download angeboten und vielfach von anderen heruntergeladen. Hier sprechen der Kontext in dem die Anleitung präsentiert wird und vor allem auch die Betitelung des Liedes deutlich dafür, dass selbige zu einem gewissen eigenen Nutzen bzw. aus einer gewissen eigenen Motivation (Verleitung anderer zur Herstellung von Brand- oder Sprengsätzen um
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BGBl. I 2009, S. 2062.
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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diese dann möglicherweise zu entsprechenden Anschlägen gegen staatliche bzw. politische Einrichtungen und Amtsträger einzusetzen) heraus wiedergegeben wird. Nicht strafbar dürfte es hingegen sein, wenn eine entsprechende Anleitung aus einer rein technisch-wissenschaftlichen Publikation übernommen und – zunächst harmlos – als Kochrezept dargestellt wird. Wird diese Anleitung jedoch wiederum in einem politisch-extremistischen Webforum gepostet, in dem gerade eine Diskussion darüber stattfindet, wie man staatliche Einrichtungen mit leicht verfügbaren, gleichwohl aber gewaltsamen Mitteln effektiv angreifen kann, wird eine Strafbarkeit nach § 52 I Nr. 4 WaffG zu bejahen sein. Hingegen würde die Einbeziehung der schlichten Weitergabe fremder, nicht zu eigen gemachter Anleitungen zu weit gehen und zumindest den höheren Strafrahmen nicht tragen. Dies wird besonders deutlich, wenn man sich einen Fall abseits des Internets vorstellt: So wäre derjenige bereits nach § 52 I Nr. 4 WaffG strafbar, der eine zuvor gelesene Anleitung zur Herstellung von Molotow-Cocktails einem anderen gegenüber völlig objektiv und neutral – d.h. ohne sich mit dieser zu identifizieren – wiedergibt oder sich im Zuge dessen sogar inhaltlich von selbiger distanziert. Ein solches Verhalten unter Strafe zu stellen, käme praktisch einem allgemeinen – d.h. nicht auf bestimmte Personen oder Personengruppen beschränkten – Schweigegebot gleich, so dass verfassungsrechtliche Bedenken wohl kaum vermeidbar wären. Abschließend ist daher festzuhalten, dass eine kaum zu rechtfertigende (noch weitere) Strafbarkeitsausdehnung durch § 52 I Nr. 4 Alt. 1 WaffG entstünde, wenn schon das bloße Verbreiten/Zugänglichmachen entsprechender Anleitungen sanktioniert würde. Da es bereits einen Ausnahmefall darstellt, eine einfache Herstellungsanleitung zum Tatmittel zu machen, ginge es zu weit, auch noch deren bloße Verfügbarmachung unter Strafe zu stellen, sofern der Täter sich den Anleitungsinhalt nicht entsprechend zu eigen gemacht hat. Eine Strafbarkeit nach § 52 I Nr. 4 Alt. 1 WaffG erfordert daher grundsätzlich das Äußern einer eigenen – d.h. mit Förderungstendenz versehenen – oder zumindest das Weitergeben einer sich erkennbar zu eigen gemachten Anleitung zur Herstellung von Brandoder Sprengsätzen. Dabei wird ein entsprechendes Zueigenmachen dann anzunehmen sein, wenn die fremde Anleitung derart weitervermittelt wird, dass bei dem Empfänger erkennbar die Bereitschaft zur Herstellung eines verbotenen Brand- oder Sprengsatzes hervorgerufen oder – soweit die Bereitschaft bereits vorhanden ist – gefördert werden soll. 3. Tatbestandsübergreifende Probleme Die vorangehende Analyse der für das Untersuchungsthema relevanten Tatbestände hat u. a. deutlich gemacht, dass zu jedem dieser Tatbestände verschiedene Probleme bzw. Rechtsfragen existieren. Dabei wirken sich einige dieser Probleme und Rechtsfragen lediglich im Rahmen des betreffenden Tatbestands
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
aus915, so dass deren Beantwortung ausschließlich eine Bedeutung für das Vorliegen oder Nichtvorliegen genau dieses Tatbestands entfaltet. Demgegenüber existieren allerdings auch solche Probleme, bei denen die Beantwortung der streitigen Rechtsfrage nicht allein Konsequenzen für die Bejahung oder Verneinung des einzelnen Tatbestands hat, sondern zugleich auch darüber entscheidet, ob bzw. ab wann der Anwendungsbereich anderer Normen eröffnet oder verschlossen sein kann. Dies ist häufig dann der Fall, wenn der Streit solche Aspekte bzw. Tatbestandsmerkmale betrifft, die für die Abgrenzung zu anderen Normen bedeutsam sind. In dieser Hinsicht erweisen sich für die vorliegende Untersuchung insbesondere das Problem der (hinreichenden) Konkretisierung der intendierten bzw. zukünftigen Straftat und das der (hinreichenden) Konkretisierung des einen bzw. der mehreren in Aussicht genommenen Täter von großer Bedeutung916. Im Folgenden soll daher ausführlich erörtert werden, inwiefern an die verschiedenen Formen der Anstiftung (§§ 26, 30 I StGB) andere Konkretisierungsanforderungen zu stellen sind, als an die öffentliche Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB). Weitgehend unstreitig ist diesbezüglich, dass § 111 StGB jedenfalls hinsichtlich der Konkretisierung der Aufforderungsadressaten geringeren Anforderungen unterliegt als die Anstiftung (§ 26 StGB) oder die versuchte Anstiftung zum Verbrechen (§ 30 I StGB) im Hinblick auf den avisierten Haupttäter917. Die Gesamtheit der Internetkommunikationsmittel stellt ihren Nutzern sämtliche Möglichkeiten – von der individuellen Kommunikation bis hin zur Massenansprache, von der Darstellung einfacher schriftlicher Texte über Bilder bis hin zu Video- und Audiodokumenten etc. – zur Verfügung. Für eine zutreffende strafrechtliche Beurteilung entsprechender Kommunikationshandlungen und -vorgänge ist es daher unverzichtbar, genau bestimmte Kriterien zu verwenden. Da jedoch bereits im Grundsatz umstritten ist, inwieweit der eine bzw. die mehreren in Aussicht genommenen Täter sowie die künftig zu begehende Straftat im Einzelnen konkretisiert sein müssen und diese Fragen zugleich mehrere Tatbestände betreffen, soll diesbezüglich ebenso grundsätzlich – und somit vor der Darstellung und Analyse einiger ausgewählter konkreter Fälle918 – Stellung genommen werden. Hiernach wird es dann auch möglich sein, konkrete Sachverhalte von vornherein dem entsprechenden „Grundtatbestand“ der Anstiftung oder der öffentlichen Aufforderung zuzuordnen.
915 So z. B. der Streit um das Erfordernis einer Förderungstendenz bei Anleitungsschriften im Rahmen von § 130a StGB, vgl. oben C.V.2.g)cc), oder aber der Streit um die Intensität oder Art der Einflussnahme des Anstifters auf den anzustiftenden Haupttäter, vgl. oben C.V.2.a)bb). 916 Vgl. dazu im Einzelnen bereits oben C.V.2.a)cc) zu § 26 StGB, C.V.2.b)cc) zu § 30 I StGB, C.V.2.c)cc) zu § 30 II Alt. 1 StGB, C.V.2.e)bb) zu § 30 II Alt. 3 StGB und C.V.2.f)bb) zu § 111 StGB. 917 Vgl. dazu auch schon oben C.V.2.f)bb). 918 Vgl. dazu unten D.
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a) Das Problem der hinreichenden Konkretisierung der zu begehenden Straftat aa) Problemdiskussion für die Formen der Anstiftung (§§ 26, 30 I StGB) und die Bereitschaftserklärung in Form des Sich-Erbietens (§ 30 II Alt. 1 StGB) Die für die Anstiftung maßgebliche Norm des § 26 StGB fordert bzw. sanktioniert ihrem Wortlaut nach das Bestimmen eines anderen zu dessen eigener vorsätzlicher und rechtswidriger Tat (Haupttat), wobei diese zumindest in das Versuchsstadium gelangt sein muss919. Für dieselbe Handlung normiert auch § 30 I StGB eine Strafbarkeit, wobei die Haupttat hier in einem Verbrechen bestehen muss und zudem noch nicht einmal das Versuchsstadium erreicht haben darf 920. Da an die versuchte Anstiftung hinsichtlich der Bestimmungshandlung und des Anstiftervorsatzes im Wesentlichen die gleichen (Konkretisierungs)Anforderungen zu stellen sind wie an die vollendete Anstiftung921, kann hier eine einheitliche Problemdiskussion erfolgen. Ebenso scheint es möglich, die Bereitschaftserklärung gemäß § 30 II Alt. 1 StGB922 in ihrer initiativen Variante (Sich-Erbieten)923 in die Diskussion und Entscheidung in dieser Frage einzubeziehen, da auch diese – jedenfalls im vorliegend interessierenden Zusammenhang der hinreichenden Konkretisierung der präsumtiven Tat – nach den Regeln der versuchten Anstiftung behandelt werden kann924. Sieht man in der initiativen Bereitschaftserklärung konstruktiv einen besonderen Fall der versuchten Kettenanstiftung925, so ist es unschwer nachzuvoll919
Vgl. zur Anstiftung (§ 26 StGB) insgesamt bereits oben C.V.2.a). Vgl. zur versuchten Anstiftung (§ 30 I StGB) insgesamt bereits oben C.V.2.b). 921 von Heintschel-Heinegg-Beckemper, § 30 Rn. 7; Kretschmer, NStZ 1998, 401 (401 f.); LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 14, 19, 24, 26; Roxin, AT II, § 28 Rn. 10, 14, 20; Satzger/Schmitt/Widmaier-Murmann, § 30 Rn. 9, 14; Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 5 f., 18. Vgl. auch aus der Rechtsprechung BGH NStZ 1998, 347 (348), wonach sich Bestimmungshandlung und Vorsatz bei § 30 I StGB auf eine hinreichend konkretisierte Tat richten müssten. Dies sei gegeben, wenn der Anstifter die Tat so konkret bestimmt, „[. . .] daß der andere sie begehen könnte, wenn er wollte.“ Dabei ergeben die Urteilsgründe dieser Entscheidung, dass es – wie von der Rechtsprechung auch zu § 26 StGB vertreten – wesentlich auf das Vorliegen hinreichender konkret-individualisierender Tatmerkmale (vorliegend Tatopfer, Tatort und Tatausführung) ankommen soll. Auch bei BGHSt 50, 142 (145), wurde ein hinreichender Grad an Konkretisierung angenommen, nachdem das Opfer eines präsumtiven Mordes individualisiert und die Modalitäten der Tatausführung besprochen worden waren. 922 Vgl. zur Bereitschaftserklärung (§ 30 II Alt. 1 StGB) insgesamt bereits oben C.V.2.c). 923 Vgl. zur Bereitschaftserklärung als Sich-Erbieten bereits oben C.V.2.c)cc). 924 B. Heinrich, FS Heinz 2012, S. 728 (734 f.); LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 92; Roxin, AT II, § 28 Rn. 80. 925 So LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 89; Roxin, AT II, § 28 Rn. 78; vgl. außerdem bereits oben C.V.2.c)cc). 920
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
ziehen, wenn diesbezüglich auch von gleichlautenden Konkretisierungsanforderungen hinsichtlich der avisierten Tat ausgegangen wird. Aber auch die Ansicht, welche in dem Sich-Erbieten nach § 30 II Alt. 1 StGB keine dem Bestimmen bei §§ 26 und 30 I StGB vergleichbare Handlung sieht926, steht dem nicht entgegen. Der Unterschied zwischen beiden Handlungsformen liege dieser Ansicht nach darin, dass sich die initiative Bereitschaftserklärung gegenüber dem Bestimmen als die weitaus weniger intensive bzw. zielgerichtete kommunikative Einwirkung darstelle927. Während das Bestimmen beispielsweise durch Kommunikationsakte wie „Lohnversprechen“ oder „Drohungen unterhalb der Schwelle des § 35“ verwirklicht werde928, könne eine vergleichbare Einwirkungsintensität durch eine initiative Bereitschaftserklärung schon deshalb nicht erreicht werden, weil diese dem Angesprochenen – im Unterschied zum Bestimmen – hinsichtlich der Annahme des Angebots „völlig freie Hand lässt“ 929. Allerdings spricht auch eine solche Differenzierung nach dem Grad der Einwirkungsintensität bzw. der erzielbaren Bindungswirkung nicht dagegen, hinsichtlich der zukünftig zu begehenden Tat von identischen Konkretisierungsanforderungen auszugehen. Würde man hingegen aufgrund der Annahme einer im Vergleich zum Bestimmen minder intensiven kommunikativen Einwirkung des Sich-Bereiterklärens darauf schließen, dass hierfür dann auch geringere Anforderungen an die Konkretisierung der avisierten Tat zu stellen sind, würde dies im Ergebnis zu einer Ausweitung der Strafbarkeit bei § 30 II Alt. 1 StGB führen, was angesichts dessen, dass es sich bei der Konstellation der initiativen Bereitschaftserklärung ohnehin schon um den Fall der weitesten Strafbarkeitsvorverlagerung des § 30 StGB handelt, kaum tragbar und jedenfalls mit dem Gebot der restriktiven Normauslegung nicht vereinbar wäre. Bereits aus diesem Grund dürfen die Anforderungen an die Konkretisierung der zu begehenden Tat im Fall des Sich-Erbietens nicht unter denen der Anstiftung bzw. versuchten Anstiftung liegen. Demzufolge kann auch das SichErbieten gemäß § 30 II Alt. 1 StGB in die vorliegende Problemdiskussion einbezogen werden. Infolge der grundsätzlichen Akzessorietät der Teilnahmehandlungen930 bildet die begangene bzw. avisierte Haupttat auch den Ausgangspunkt für die Beurteilung der Anstiftung bzw. versuchten Anstiftung. Es bedarf also zwingend eines Bezugs nicht nur zwischen Anstifter und Haupttäter, sondern auch zwischen Anstifter und Haupttat. Diesbezüglich besteht zumindest insofern Einigkeit, dass jedenfalls eine Aufforderung zur Begehung irgendwelcher unbestimmter, nicht
926 927 928 929 930
Vgl. NK-Zaczyk, § 30 Rn. 36. NK-Zaczyk, § 30 Rn. 36. NK-Zaczyk, § 30 Rn. 13 zur versuchten Anstiftung nach § 30 I StGB. NK-Zaczyk, § 30 Rn. 36. Hierzu ausführlich B. Heinrich, AT, Rn. 1278 ff.; Wessels/Beulke, Rn. 551 ff.
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näher gekennzeichneter Straftaten keine hinreichende Anstiftungshandlung darstellen kann931. Vielmehr muss grundsätzlich ein bestimmter Tatbestand erkennbar sein932. Demgegenüber wird aber ebenso wenig verlangt, dass in der Anstiftervorstellung bzw. nach der Anstiftungshandlung bereits sämtliche konkreten, die Haupttat betreffenden Einzelheiten (z. B. Tatzeit, Tatort, Tatobjekt und Tatausführung) feststehen müssen933. Hiernach lässt sich also zunächst zusammenfassen, dass – nicht zuletzt wegen der von § 26 StGB vorgesehenen Rechtsfolge der tätergleichen Bestrafung des Anstifters934 – für das Veranlassen einer fremden Tat in jedem Fall eine hinreichende Bestimmtheit oder Konkretisierung derselben zu verlangen ist. Ob eine solche Konkretisierung allerdings schon durch die Benennung allgemeiner Artmerkmale der Haupttat (generell-abstrakt) erreicht werden kann oder durch die Angabe individualisierender Tatmerkmale (konkret-individuell) erfolgen muss, ist hingegen umstritten935. Eingehend wurde dieses Problem anhand der Entscheidung BGHSt 34, 63 diskutiert936. Kern dieser Entscheidung war nämlich die Frage, ob sich der Angeklagte einer Anstiftung zu einem schweren Raub bzw. zu einer schweren räuberischen Erpressung strafbar gemacht hatte, indem er, um die Geldprobleme des Haupttäters wissend, diesem den Tipp gab: „Dann müßtest Du eine Bank oder Tankstelle machen.“ 937 (1) Das Erfordernis konkret-individualisierender Tatmerkmale Die wohl überwiegende Ansicht verfolgt einen individualisierenden Ansatz und verlangt für eine hinreichende Bestimmtheit neben der grundsätzlich erforderlichen Bezeichnung des in Betracht kommenden Tatbestands zumindest einige weitere, wenn auch nicht lückenlos alle, individualisierende Merkmale hinsicht931 BGHSt 34, 63 (64); Baumann/Weber/Mitsch, § 30 Rn. 57; Fischer, § 26 Rn. 8; B. Heinrich, AT, Rn. 1305; Kindhäuser, LPK, § 26 Rn. 24; Kretschmer, NStZ 1998, 401 (402); Lackner/Kühl, § 26 Rn. 5; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26 Rn. 45; Rengier, AT, § 45 Rn. 50; Roxin, AT II, § 26 Rn. 133; Satzger/Schmitt/Widmaier-Murmann, § 26 Rn. 9; Schönke/Schröder-Heine, § 26 Rn. 17; Wessels/Beulke, Rn. 572. 932 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26 Rn. 45; Roxin, AT II, § 26 Rn. 133. 933 BGHSt 34, 63 (66) mit Anmerkung von Roxin, JZ 1986, 908; Baumann/Weber/ Mitsch, § 30 Rn. 61; Fischer, § 26 Rn. 8; B. Heinrich, AT, Rn. 1288; Jescheck/Weigend, § 64 II 2.b); Kühl, § 20 Rn. 191; Lackner/Kühl, § 26 Rn. 5; Rengier, AT, § 45 Rn. 49; Schönke/Schröder-Heine, § 26 Rn. 17. 934 B. Heinrich, AT, Rn. 1288; Schönke/Schröder-Heine, § 26 Rn. 17. 935 Vgl. diesbezüglich auch schon oben C.V.2.a)cc). 936 Hierzu u. a. LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26 Rn. 39 ff.; Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 51 Rn. 8; Puppe, § 25 Rn. 1 ff.; Roxin, AT II, § 26 Rn. 134 ff.; ders., JZ 1986, 908. 937 Vgl. BGHSt 34, 63.
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lich der konkret auszuführenden Haupttat938. Aus der Bestimmungsäußerung des Anstifters müsse demnach ein konkret-individualisierbares (Tat)Geschehen erkennbar sein939. In Betracht kommen diesbezüglich – jedoch nicht zwingend oder ausschließlich – die oftmals nahe liegenden Modalitäten der Tatzeit, des Tatorts oder der Tatausführung. Durch welche Merkmale die jeweilige Individualisierung einer konkreten Haupttat aber tatsächlich erfolge, lasse sich letztlich nicht generell-abstrakt festlegen und sei daher grundsätzlich auf den jeweiligen Einzelfall bezogen festzustellen940. Beispielsweise könne bei einem Tötungsdelikt allein die Individualisierung des Opfers als konkret-individualisierendes Tatmerkmal ausreichen941. Als zentrales Argument dieser Ansicht wird vorgetragen, dass die tätergleiche Bestrafung des Anstifters nur dann gerechtfertigt werden könne, wenn dieser – ebenso wie der Haupttäter – auch eine entsprechende Vorstellung von den wesentlichen Umständen der konkret zu begehenden Tat habe942. Eine Beschreibung der Haupttat, welche lediglich die einfache Benennung des gesetzlichen Tatbestands beinhalte oder die in Betracht kommenden Tatobjekte nur abstrakt und gattungsmäßig (generell-abstrakt) bestimme, würde die Beziehung zwischen Anstifter und Haupttat zu sehr lockern943. Zudem spreche auch der Umstand, dass der Vorsatz des Anstifters sich auf die Vollendung der Haupttat beziehen müsse, für die Erforderlichkeit konkret-individualisierender Tatmerkmale, denn nur wer bereits wesentliche Einzelheiten des Tatplans kenne, rechne auch ernstlich mit der Begehung der Haupttat944. Aus diesen Erwägungen heraus, bestätigte der BGH in der vorstehend benannten Entscheidung den Freispruch des Angeklagten, denn dessen Aussage, man müsse „[. . .] eine ,Bank oder Tankstelle machen‘ [. . .] bezog sich nicht auf eine konkrete Tat, sondern auf eine gattungsmäßig beschriebene Mehrzahl gleichartiger Tatmöglichkeiten. Die Beschränkung der Tatobjekte auf Banken oder Tankstellen reichte nicht aus, um die Haupttat als individualisierbares Geschehen her938 Vgl. BGHSt 34, 63 (66 ff.); Baumann/Weber/Mitsch, § 30 Rn. 57; Jescheck/Weigend, § 64 II 2.b); Maurach/Gössel/Zipf, AT 2, § 51 Rn. 8, 20; Rengier, AT, § 45 Rn. 53; Schönke/Schröder-Heine, § 26 Rn. 17; Wessels/Beulke, Rn. 572; ähnlich auch Rogall, GA 1979, 11 (15), der eine in den wesentlichen Zügen konkretisierte rechtswidrige (Haupt)Tat für erforderlich hält. 939 BGHSt 34, 63 (67 f.); B. Heinrich, AT, Rn. 1288; ders., FS Heinz 2012, S. 728 (735). 940 BGHSt 34, 63 (67); Satzger/Schmitt/Widmaier-Murmann, § 26 Rn. 9. 941 Rengier, AT, § 45 Rn. 52, unter Zustimmung zum Urteil des BGH vom 11.10.2005 (1 StR 250/05 – juris, insoweit nicht in NStZ 2006, 96 veröffentlicht). 942 BGHSt 34, 63 (66); B. Heinrich, AT, Rn. 1288; Schönke/Schröder-Heine, § 26 Rn. 17. 943 BGHSt 34, 63 (65 f.); Baumann/Weber/Mitsch, § 30 Rn. 58 f.; Schönke/Schröder-Heine, § 26 Rn. 17. 944 BGHSt 42, 135 (138).
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vortreten zu lassen. Das Tatbild, wie es in der Vorstellung des Angeklagten vorhanden war, blieb in Ermangelung individualisierender Merkmale (Objekt, Ort, Zeit und sonstige Umstände der Tatausführung) unbestimmt. [. . .]“ 945. (2) Das Erfordernis der wesentlichen Unrechtsdimensionen Nach anderer Ansicht bedarf es lediglich eines generell-abstrakten Bezugs des Anstifters zu der zu begehenden Haupttat946. Hiernach sei erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Anstifter neben einem hinreichend bestimmten Tatbestand Art und Ausmaß des zu verwirklichenden Unrechts, namentlich die sog. „wesentlichen Unrechtsdimensionen“, erfasst und dem Haupttäter gegenüber in auffordernder Weise zum Ausdruck bringt947. Die wesentlichen Unrechtsdimensionen sollen dabei vor allem in der Angriffsrichtung und dem ungefähr zu erwartenden Schadensausmaß zu sehen sein948. Das durch die Haupttat zu verwirklichende Unrecht müsse also (lediglich) durch die „allgemeinen Artmerkmale umrissen“ sein949. Eine über die gattungsmäßige Beschreibung der Angriffsobjekte hinausgehende Bestimmung der Haupttat, etwa durch die Vorgabe individualisierender Modalitäten wie beispielsweise Tatort, Tatzeit, Ausführungsweise oder konkretes Angriffsobjekt, wird indes nicht verlangt950. Lege ein Tatbestand bereits selbst die Angriffsrichtung sowie das (ungefähre) Schadensausmaß fest, wie es beispielsweise bei Tötungs- und Sexualdelikten der Fall sei, bedürfe es einer zusätzlichen Vorstellung des Anstifters von den wesentlichen Unrechtsdimensionen jedoch nicht951. In diesen Fällen reiche es demnach aus, wenn lediglich zur Verwirklichung des betreffenden Tatbestands, z. B. der Tötung eines Menschen oder der Vergewaltigung einer Frau, aufgefordert wird952. Als Hauptargument für diese Ansicht wird vorgebracht, dass es auf das durch den Anstifter verwirklichte Unrecht – und damit dessen Strafbarkeit – keinen Einfluss haben könne, wenn dieser dem Haupttäter die Entscheidung über einzelne das konkrete (spätere) Tatgeschehen individualisierende Modalitäten, speziell „das Wann, Wo und Wie“, überlasse953. Der h. M. wird entgegengehalten, 945
BGHSt 34, 63 (66). Vgl. LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26 Rn. 39 ff.; Roxin, AT II, § 26 Rn. 134 ff.; ders., JZ 1986, 908 (908 f.); ebenso, mit direkter Bezugnahme auf Roxin auch Kretschmer, NStZ 1998, 401 (402 f.); zustimmend auch SK-Hoyer, Vor § 26 Rn. 47 f. 947 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26 Rn. 45 f.; Roxin, AT II, § 26 Rn. 136; ders., JZ 1986, 908 (908). 948 Roxin, AT II, § 26 Rn. 136; ders., JZ 1986, 908 (908); SK-Hoyer, Vor § 26 Rn. 47. 949 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26 Rn. 46. 950 Vgl. Roxin, JZ 1986, 908 (908 f.). 951 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26 Rn. 46. 952 Roxin, AT II, § 26 Rn. 138. 953 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26 Rn. 40 f.; Roxin, AT II, § 26 Rn. 140. 946
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dass diese aufgrund ihrer zu strengen Anforderungen an die Bestimmtheit des Anstiftervorsatzes zu „kriminalpolitisch unerträglichen Ergebnissen“ komme954. Folge dieser Ansicht ist es, dass in dem mit BGHSt 34, 63 vorliegenden Fall ein hinreichend bestimmter Anstiftervorsatz im Hinblick auf die Haupttat bejaht werden muss955. (3) Eigene Stellungnahme Wie zuvor dargelegt, verlangt auch die h. M. für eine hinreichende Konkretisierung nicht, dass der Anstifter bereits restlos sämtliche aller in Betracht kommenden, die Haupttat individualisierenden Merkmale vorgibt. Vielmehr soll es durchaus möglich sein, dem Haupttäter die Entscheidung über gewisse Tatmodalitäten zu überlassen, wenn nur die für den konkreten Einzelfall unverzichtbaren individualisierenden Tatmerkmale durch den Anstifter vorgegeben werden. Insoweit können die von Roxin und Schünemann vorgetragenen Beispiele der h. M. also nicht wirklich entgegengehalten werden, denn auch nach dieser führen Alternativen in der Vorstellung des Anstifters dergestalt, ob „[. . .] die Filiale X oder Y überfallen [. . .]“ oder „[. . .] die Tat heute oder morgen begangen wird [. . .]“ 956, nicht grundsätzlich zum Ausschluss von dessen Strafbarkeit. Weiterhin ist der Vorwurf der Rechtsunsicherheit957 bzw. einer bedenklichen Unbestimmtheit958 nicht überzeugend. Dieser Vorwurf bezieht sich konkret darauf, dass es nach h. M. nur für den jeweiligen Einzelfall möglich ist, die erforderlichen individualisierenden Tatmerkmale festzulegen. Tatsächlich scheint eine schematische Festlegung dieser Merkmale aufgrund der Vielgestaltigkeit der verschiedenen Tatbestände und Deliktstypen indes kaum möglich und sinnvoll zu sein. Ebenso wenig verlangen jedenfalls auch Roxin und Schünemann für die von ihnen vorgeschlagene Lösung eine schematische Herangehensweise. Vielmehr tragen auch sie der Diversität der verschiedenen Tatbestände bzw. Deliktstypen Rechnung, indem sie angeben, dass es auf die (zusätzliche) Vorstellung von den wesentlichen Unrechtsdimensionen nicht ankomme, sofern sich jene bereits aus der Formulierung des einschlägigen Tatbestands ergeben959. Hiernach dürfte es 954
Roxin, AT II, § 26 Rn. 140, 147. So will Roxin, AT II, § 26 Rn. 85, 136; ders., JZ 1986, 908 (908 f.), die Strafbarkeit des Angeklagten in diesem Fall lediglich aufgrund des fehlenden Aufforderungscharakters seiner Äußerung entfallen lassen. Nach LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26 Rn. 44 scheitert die Strafbarkeit ebenfalls nicht an der mangelnden Bestimmtheit des Anstiftervorsatzes, sondern an dem fehlenden Rechtsgutsangriff. 956 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26 Rn. 41; Roxin, AT II, § 26 Rn. 139; ders., JZ 1986, 908 (908). 957 Vgl. Roxin, AT II, § 26 Rn. 141; ders., JZ 1986, 908 (909). 958 Vgl. LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26 Rn. 43. 959 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26 Rn. 46; Roxin, AT II, § 26 Rn. 138. 955
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letztlich nicht minder einer notwendigen Einzelfallbetrachtung unterliegen, wann eine Konkretisierung der Haupttat – wenn auch nur nach ihrem rechtlichen Wesen und den wesentlichen Unrechtsdimensionen – gegeben ist960. Weiterhin könnte es sich außerdem als problematisch erweisen, eine genaue Grenze für den Täterexzess festzulegen, wenn dem Haupttäter die Angriffsobjekte lediglich gattungsmäßig und das Schadens- bzw. Verletzungsausmaß nur ungefähr vorgegeben werden. Der Vorwurf der Unbestimmtheit lässt sich insofern also auch gegenüber der Ansicht vom Erfordernis der wesentlichen Unrechtsdimensionen in Ansatz bringen. Schließlich ist allgemein anerkannt, dass hinsichtlich der Haupttatkonkretisierung an die Vorstellung des Gehilfen wesentlich geringere Anforderungen zu stellen sind, als an die des Anstifters961. Demnach verlangt die h. M. für den Gehilfen das, was Roxin und Schünemann für den Anstifter fordern, nämlich die Vorstellung vom wesentlichen Unrechtsgehalt und der Angriffsrichtung der Haupttat962. Da auch Roxin und Schünemann eine graduelle Abstufung der Gehilfenvorstellung gegenüber der Anstiftervorstellung befürworten963, kommen sie – i. S. ihrer Ansicht folgerichtig – zu dem Ergebnis, dass es für die Bestimmtheit des Gehilfenvorsatzes ausreiche, dass dieser lediglich Kenntnis von dem durch die Haupttat verwirklichten Tatbestand habe964. Zugleich soll dies aber auch für den Anstiftervorsatz gelten, wenn sich die wesentlichen Unrechtsdimensionen bereits aus dem gesetzlichen Tatbestand ergeben965. Hiernach muss es also bei sämtlichen Tatbeständen, die bereits einen gewissen Schadensumfang bzw. ein gewisses Verletzungsausmaß implizieren und lediglich eine einzige mögliche Angriffsrichtung vorweisen (z. B. §§ 211, 212, 213, 216 StGB) zu identischen Voraussetzungen – nämlich dem einfachen Erfordernis schlichter Tatbestandskenntnis – für die Bestimmtheit des Anstifter- und des Gehilfenvorsatzes kommen. Ein solcher faktischer Gleichlauf von Anstifter- und Gehilfenvorsatz steht jedoch nicht im Einklang mit dem graduellen Unterschied zwischen den beiden Teilnahmeformen und dürfte daher auch kaum mit der von § 27 II 2 StGB für die Gehilfenstrafbarkeit obligatorisch vorgeschriebenen Strafmilderung zu vereinbaren sein. Regelmäßig liegt die objektive Unrechtsqualität des Bestimmens nämlich über der des Hilfeleistens, weil hierdurch ein anderer überhaupt erst zur Begehung einer (eigenen) Straftat veranlasst wird966. Dieser Unterschied muss aber 960
So auch Rogall, GA 1979, 11 (14). Vgl. BGHSt 42, 135 (138); B. Heinrich, AT, Rn. 1337; Kühl, § 20 Rn. 242; Schönke/Schröder-Heine, § 27 Rn. 19. 962 Vgl. BGHSt 42, 135 (138 f.); B. Heinrich, AT, Rn. 1337; Schönke/SchröderHeine, § 27 Rn. 19; Wessels/Beulke, Rn. 584. 963 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 27 Rn. 56; Roxin, AT II, § 26 Rn. 272 f. 964 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 27 Rn. 56; Roxin, AT II, § 26 Rn. 273; sowie nunmehr auch die Rechtsprechung BGH NJW 2007, 384 (389). 965 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26 Rn. 46; Roxin, AT II, § 26 Rn. 138. 966 Schönke/Schröder-Heine, Vorbem. §§ 25 ff. Rn. 14. 961
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auch auf der subjektiven Seite, d.h. in dem für den Teilnehmer zu fordernden Vorsatz, Berücksichtigung finden. Während es im Fall der Anstiftung der Anstifter ist, der sich zuerst Gedanken über die Haupttat macht und diese praktisch initiiert, indem er den Haupttäter zu deren Begehung veranlasst, liegt der Fall bei der Beihilfe anders. Hier ist in der Regel der Haupttäter derjenige, auf den die Veranlassung der Haupttat in erster Linie zurückfällt, während ihm der Gehilfe dazu eben „nur“ einen Beitrag unterhalb der Qualität eines Bestimmens bzw. einer Initiierung der Tat leistet. Der unterschiedliche geistige Bezug zur Haupttat des Anstifters einerseits und des Gehilfen andererseits, muss sich auch in den jeweils diesbezüglich zu stellenden subjektiven Anforderungen wiederspiegeln. Folglich kann ein Gleichlauf von Anstifter- und Gehilfenvorsatz nicht sachgerecht sein. Im Ergebnis sprechen daher die besseren Gründe dafür, für die Anstifterstrafbarkeit mehr zu fordern, als lediglich die Kenntnis des zu verwirklichenden Tatbestands und der wesentlichen Unrechtsdimensionen. Soll der Anstifter im Grundsatz so bestraft werden wie der Haupttäter, so muss auch für ihn eine der des Haupttäters annähernd identische Vorstellung von einer konkret-individualisierten Haupttat gefordert werden. Im Wesentlichen zu überzeugen vermag daher die zuerst dargestellte Ansicht mit dem von ihr vorgebrachten Argument der tätergleichen Strafbarkeit des Anstifters. Dieses Ergebnis muss ebenso für die versuchte Anstiftung (§ 30 I StGB) und die initiative Bereitschaftserklärung (§ 30 II Alt. 1 StGB) gelten. Dem kann jedenfalls nicht entgegengehalten werden, dass § 30 I 2 StGB eine obligatorische Strafmilderung enthält und damit – im Unterschied zu § 26 StGB – nicht zu einer, der des späteren (Haupt)Täters gleichenden Bestrafung führt. Anders als bei der vollendeten Anstiftung treten bei den Handlungen nach § 30 StGB neben Merkmalen der Beteiligung auch solche des Versuchs zutage967. Folglich sind hier Elemente der Versuchsstrafbarkeit zu berücksichtigen, was u. a. darin Ausdruck findet, dass sich die Strafe in allen Fällen des § 30 StGB – also auch bei der versuchten Verbrechensanstiftung und dem Sich-Erbieten – nach § 23 StGB bestimmt968. Demnach korrespondiert die Strafmilderungsvorschrift des § 30 I 2 StGB mit der des § 23 II StGB, mit dem einzigen Unterschied, dass § 23 II StGB eine fakultative und § 30 I 2 StGB eine obligatorische Strafmilderung enthält. Jedoch kann auch dieser Unterschied wiederum auf die erforderliche Beschränkung der Vorfeldstrafbarkeit zurückgeführt werden, denn während der Versuch gemäß § 22 StGB regelmäßig eine Handlung verlangt, an welche sich der Tatbestandserfolg unmittelbar anschließen soll969, sind die Formen der Vorbereitung eines Verbrechens von der Tatbestandsverwirklichung noch weiter entfernt und
967 968 969
Satzger/Schmitt/Widmaier-Murmann, § 30 Rn. 2. MK-Joecks, § 30 Rn. 70; Satzger/Schmitt/Widmaier-Murmann, § 30 Rn. 32. B. Heinrich, AT, Rn. 729.
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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daher grundsätzlich restriktiver zu beurteilen970. Dass die Vorfeldhandlungen nach § 30 StGB gemäß § 30 I 2 i.V. m. § 49 I StGB obligatorisch milder bestraft werden als es für den Versuch des jeweiligen präsumtiven Verbrechens an sich vorgesehen ist, trägt also dem Umstand der geringeren Strafwürdigkeit Rechnung971. Demnach kann aus der Existenz des § 30 I 2 StGB jedenfalls nicht per se darauf geschlossen werden, dass – mangels tätergleicher Bestrafung – für die versuchte Verbrechensanstiftung oder das Sich-Erbieten geringere Anforderungen an die Konkretisierung der Haupttat zu stellen sind als bei der vollendeten Anstiftung nach § 26 StGB. Ebenso erfordert es auch das Gebot der umfassend restriktiven Auslegung des § 30 StGB, hier Anforderungen zu stellen, welche jedenfalls nicht unterhalb derer liegen, die für die vollendete Anstiftung nach § 26 StGB verlangt werden. Ließe man hingegen im Vergleich von versuchter und vollendeter Anstiftung für erstere geringere Konkretisierungsanforderungen hinsichtlich der präsumtiven Tat ausreichen, könnte es zu wertungswidersprüchlichen Ergebnissen kommen, bei denen die nur versuchte Verbrechensanstiftung schwerer bestraft würde als eine vollendete. Deutlich wird dies, wenn man exemplarisch auf die bereits oben dargestellte Entscheidung BGHSt 34, 63 abstellt, in der es um die Äußerung „Dann müßtest Du eine Bank oder Tankstelle machen.“ als mögliches Bestimmen zu einem schweren Raub bzw. einer schweren räuberischen Erpressung ging972. Für ein Bestimmen nach § 26 StGB war die Äußerung des dort Angeklagten nach der (auch) hier vertretenen Ansicht hinsichtlich der späteren Haupttat nicht konkret genug, so dass eine Anstiftung ausscheiden musste. Ließe man dieselbe unkonkrete Äußerung jedoch für eine versuchte Verbrechensanstiftung ausreichen, so wäre im Fall der Nichtbegehung des Banküberfalls eine Anstifterstrafbarkeit zu bejahen gewesen. Die Widersprüchlichkeit dieses Ergebnisses ist dabei jedoch offensichtlich, denn allein im Fall der geringeren Rechtsgutsverletzung bzw. -gefährdung, nämlich dem noch nicht einmal versuchten Banküberfall, käme eine Strafbarkeit des Angeklagten in Betracht. Verallgemeinert man dies, müsste man im Ergebnis stets davon ausgehen, dass der unkonkret auffordernde Anstifter bei einer vollendeten Anstiftung trotz der intensiveren Rechtsgutsverletzung (durch Versuch oder Vollendung der Haupttat durch den Angestifteten) straflos bliebe, während dieselbe unkonkrete Äußerung eine Strafbarkeit nach § 30 I StGB begründen würde, wenn das betroffene Rechtsgut (infolge der noch nicht einmal versuchten Haupttat) nur gefährdet, aber noch nicht verletzt wäre. Ein derart widersprüchliches Ergebnis lässt sich folglich nur dadurch vermeiden, dass an die versuchte Anstiftung nach § 30 I StGB keine geringeren Tatkonkreti-
970
Satzger/Schmitt/Widmaier-Murmann, § 30 Rn. 1; Schönke/Schröder-Heine, § 30
Rn. 1. 971 972
Vgl. auch Thalheimer, S. 45. Vgl. bereits zuvor C.V.3.a)aa).
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
sierungsanforderungen gestellt werden, als an die vollendete Anstiftung nach § 26 StGB. Da die initiative Bereitschaftserklärung nach § 30 II Alt. 1 StGB auch als ein besonderer Fall der versuchten Kettenanstiftung gesehen werden kann, diese noch weiter in das Vorfeld der Tatbegehung hineinreicht als die versuchte Verbrechensanstiftung und sich zudem ebenfalls dadurch auszeichnet, dass es – wie bei sämtlichen Modalitäten des § 30 StGB – gerade nicht zur Ausführung der angedachten Verbrechenstat gekommen ist, erscheint es nur folgerichtig, das hier gefundene Ergebnis erst recht auch für diese Handlung gelten zu lassen. So wäre es im Hinblick auf die Verneinung der Anstifterstrafbarkeit wegen mangelnder Tatkonkretisierung wiederum wertungswidersprüchlich, eine Strafbarkeit nach § 30 II Alt. 1 StGB bereits zu bejahen, wenn ein ebenso unkonkretes Angebot – welches in dem zuvor aufgegriffenen Fall beispielsweise lauten könnte: „Ich kann eine Bank oder Tankstelle machen, wenn Du es willst.“ – unterbreitet wird. Ebenso sind – in umgekehrter Richtung – für die versuchte Anstiftung und die initiative Bereitschaftserklärung keine höheren Konkretisierungsanforderungen zu verlangen als bei der vollendeten Anstiftung. Zwar ist das Erfordernis einer grundsätzlich restriktiven Auslegung des § 30 StGB anzuerkennen. Jedoch würde ein Maß an Tatkonkretisierung welches über dem der Anstiftung nach § 26 StGB liegt, zu einer zu weitgehenden Restriktion bei den Handlungsformen des § 30 StGB führen. Dies wird insbesondere dann klar, wenn man berücksichtigt, was bereits in der Überschrift der Norm zum Ausdruck kommt, nämlich dass § 30 StGB auch Elemente des Versuchs enthält. Nach der allgemeinen Regelung des Versuchs (§ 22 StGB) ist wiederum für den Versuchstäter eine Vorstellung von der Tat zu fordern, welche dem Vorsatz des Vollendungstäters entspricht973, d.h. der Versuchstäter darf sich im Vergleich zum Vollendungstäter weder eine weniger, noch muss er sich eine deutlich stärker konkretisierte Tat vorstellen. Folgerichtig muss dies dann auch für die Konkretisierungsanforderungen bei der Anstiftung gemäß § 26 StGB einerseits und die der versuchten Anstiftung gemäß § 30 I StGB und der initiativen Bereitschaftserklärung gemäß § 30 II Alt. 1 StGB andererseits gelten, da auch diese Handlungsformen im Verhältnis von Vollendung und Versuch zueinander stehen. Darüber hinaus erweist es sich aber auch deshalb als nicht notwendig, die im Rahmen von § 30 StGB gebotene Restriktion auf dem Weg überhöhter Konkretisierungsanforderungen zu erreichen, weil diesem Gebot bereits durch die obligatorische Strafmilderung (§ 30 I 2 StGB) Rechnung getragen wird. Festzuhalten ist damit, dass schließlich nur ein Gleichlauf der Konkretisierungsanforderungen bei Anstiftung und versuchter Anstiftung bzw. initiativer Bereitschaftserklärung zu normativ richtigen Ergebnissen führen kann. 973 B. Heinrich, AT, Rn. 658; LK-Hillenkamp, 12. Aufl., § 22 Rn. 31; MK-Herzberg/ Hoffmann-Holland, § 22 Rn. 36 f.
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Der von der h. M. gewählten Lösung ist im Ergebnis der Vorzug zu geben, so dass die – auf einer entsprechenden Anstiftervorstellung beruhende – Bestimmungsäußerung ein durch konkret-individualisierende Tatmerkmale gekennzeichnetes Tatgeschehen darstellen muss. Dabei sind an die Konkretisierung die gleichen Anforderungen sowohl bei der Anstiftung als auch bei der versuchten Anstiftung zu einem Verbrechen sowie der initiativen Bereitschaftserklärung zu stellen. bb) Problemdiskussion für die Verbrechensverabredung (§ 30 II Alt. 3 StGB) Wie schon zuvor aufgezeigt974, stellt sich das Problem der hinreichenden Tatkonkretisierung auch bei der dritten Alternative des § 30 II StGB, der Verabredung zur gemeinschaftlichen Begehung eines Verbrechens oder der gemeinschaftlichen Anstiftung zu einem solchen975. Im Gegensatz zu den anderen Handlungsformen des § 30 StGB bezieht sich die Verabredungsalternative also auf eine zukünftige Mittäterschaft. Vor diesem Hintergrund wird überwiegend darauf abgestellt, dass eine solche Verabredung grundsätzlich den gleichen Anforderungen wie der gemeinsame Tatplan i. S. v. § 25 II StGB unterliege976. Daraus folgt zunächst, dass die Verabredung jedenfalls das Versprechen mittäterschaftlicher Tatbeiträge i. S. v. § 25 II StGB – d.h. die gemeinschaftliche Begehung einer Straftat durch mindestens zwei Personen im Wege des bewussten und gewollten Zusammenwirkens auf der Grundlage eines gemeinsamen Tatplans977 – enthalten muss978. Weiterführend lässt sich dann jedoch die Frage nach den inhaltlichen Anforderungen, denen eine solche Verbrechensverabredung genügen muss, stellen – d.h.: Liegt der gemeinsame Entschluss von mindestens zwei Personen vor, jeweils als Mittäter ein bestimmtes Verbrechen zu begehen, so ist zu klären, wie intensiv die inhaltliche Bestimmung der Tat erfolgen muss. Insoweit bedarf es keiner gesonderten Klarstellung, dass eine grundlegende Bezeichnung des geplanten Verbrechens in jedem Fall unerlässlich ist979. Weitere Einzelheiten werden hingegen unterschied974
Vgl. oben C.V.2.e)bb). Vgl. zur Verbrechensverabredung (§ 30 II Alt. 3 StGB) insgesamt bereits oben C.V.2.e). 976 Vgl. Fieber, S. 69; B. Heinrich, AT, Rn. 1371; Jescheck/Weigend, § 65 III 1; MKJoecks, § 30 Rn. 57; Roxin, AT II, § 28 Rn. 56; Satzger/Schmitt/Widmaier-Murmann, § 30 Rn. 9; Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 25; SK-Hoyer, § 30 Rn. 54; Thalheimer, S. 106 f. 977 B. Heinrich, AT, Rn. 1218. 978 Roxin, AT II, § 28 Rn. 43, 60; Satzger/Schmitt/Widmaier-Murmann, § 30 Rn. 23; SK-Hoyer, § 30 Rn. 50. 979 Während einige diesbezüglich verlangen, dass die geplante Tat tatbestandlich feststehen bzw. zuordenbar sein müsse, vgl. LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 67; MK-Joecks, § 30 Rn. 56; SK-Hoyer, § 30 Rn. 53; lassen andere es ausreichen, dass ein 975
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lich beurteilt. Umstritten ist dabei insbesondere, wie weitgehend das präsumtive Verbrechen in seinen individuellen Modalitäten (z. B. Tatort, Tatzeit, Art der Durchführung, vor allem aber die Person des Opfers) konkretisiert sein bzw. welche „Planungsintensität“ 980 vorliegen muss. (1) Das Erfordernis der Konkretisierung in wesentlichen Grundzügen Die wohl überwiegende Meinung verlangt eine Konkretisierung des präsumtiven Verbrechens dergestalt, dass dessen individualisierende Modalitäten zumindest in den wesentlichen Grundzügen feststehen müssen981. Nicht erforderlich sei allerdings, dass bereits sämtliche dieser Modalitäten vollständig geklärt sind. Vielmehr stehe es einer Verbrechensverabredung nicht entgegen, wenn z. B. die Tatzeit, der Tatort oder Details der Ausführung (nur) im Einzelnen noch offen bleiben982. Diese Ansicht entspricht damit der h. M. zu der zuvor diskutierten Frage der hinreichenden Bestimmtheit der Anstiftervorstellung von der Haupttat983. Auch dort wurden individualisierende Tatmerkmale gefordert, jedoch ebenfalls nicht verlangt, dass diese zugleich auch lückenlos vorliegen müssen. Insofern erweist es sich im Hinblick auf Roxin und Schünemann als gewisse Inkonsequenz, wenn diese ihre zur Bestimmtheit des Anstiftervorsatzes vertretene Ansicht984 – der auf die Haupttat gerichtete Anstiftervorsatz müsse lediglich die wesentlichen Unrechtsdimensionen umfassen, welche sich zudem oftmals bereits aus der bloßen Fassung des Tatbestands ergäben – einerseits auf die Verbrechensverabredung ohne Weiteres übertragen wollen, andererseits aber ebenso anerkennen, dass wesentliche Modalitäten der geplanten Tat bei der Verabredung grundsätzlich vorliegen müssen und nur im Einzelnen noch offen bleiben dürfen985. Mit besonderem Nachdruck wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der Konkretisierung des zu verabredenden Verbrechens auch die Individualisierung eines Tatopfers verzichtbar sein kann, wenn dessen Individualität bzw. Identität für die geplante Tat keine Rolle spiele986. Nur wenn solcher Grad an Konkretisierung erreicht wird, dass die rechtlichen Grundstrukturen der geplanten Tat erkennbar sind, vgl. Fieber, S. 69; Thalheimer, S. 110; bzw. die geplante Tat gattungsmäßig umrissen wird, vgl. B. Heinrich, AT, Rn. 1371. 980 So MK-Joecks, § 30 Rn. 55. 981 Vgl. BGH NStZ 2007, 697; Dessecker, JA 2005, 549 (551 f.); Fieber, S. 69; Fischer, § 30 Rn. 12; B. Heinrich, AT, Rn. 1371; Kindhäuser, LPK, § 30 Rn. 20. 982 BGH NStZ 2007, 697; Kindhäuser, LPK, § 30 Rn. 20; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 67; Roxin, AT II, § 28 Rn. 56; Satzger/Schmitt/Widmaier-Murmann, § 30 Rn. 9. 983 Vgl. dazu oben C.V.3.a)aa)(1). 984 Vgl. dazu oben C.V.3.a)aa)(2). 985 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 67; Roxin, AT II, § 28 Rn. 56. 986 Vgl. Dessecker, JA 2005, 549 (552); Jakobs, 27/11; Kühl, § 20 Rn. 253; LKSchünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 68; NK-Zaczyk, § 30 Rn. 52; Roxin, AT II, § 28 Rn. 57.
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es also nach dem gemeinsamen Tatplan gerade auf die Individualität bzw. Identität des Opfers ankomme, müsse eine entsprechend konkrete Bezeichnung bereits mit der Verabredung zu der später zu begehenden Tat erfolgen987. Dies gelte grundsätzlich auch für Angriffe gegen höchstpersönliche Rechtsgüter (z. B. Leben, körperliche Unversehrtheit, sexuelle Selbstbestimmung), welche „[. . .] bei § 30 II wegen des Verbrechenserfordernisses ohnehin im Vordergrund stehen [. . .]“ 988. So sei beispielsweise von einer Verabredung zum Mord auszugehen, wenn vereinbart wird, zur Ermöglichung eines Raubüberfalls auf eine Bank den zum geplanten Tatzeitpunkt gerade am Kassenschalter eingesetzten Mitarbeiter, dessen Identität für die Tat keinerlei Rolle spielt, zu erschießen989. (2) Das Erfordernis „generell relativ konkreter Anforderungen“ Über die soeben dargestellte Ansicht hinaus geht die Forderung, „[. . .] generell an die Verbrechensverabredung relativ konkrete Anforderungen zu stellen [. . .]“ 990. Zwar wird anerkannt und der zuvor dargestellten Ansicht zugegeben, dass deren Anforderungen an eine Verbrechensverabredung im Grundsatz richtig seien991. Dennoch sei eine angemessene Begrenzung der Strafbarkeitsvorverlagerung des § 30 StGB im Bereich der Verbrechensverabredung nur durch das Verlangen eines hohen Grades an Planung zu erreichen992. Bezüglich dieses hohen Planungsgrades wird insbesondere auf das potenzielle Tatopfer abgestellt. Dessen Konkretisierung i. S. e. Individualisierung wird scheinbar immer dann für unabdingbar gehalten, wenn der auf Tötung oder Verletzung gerichtete Tatentschluss der künftigen Mittäter auf einer bewusst unsicheren Tatsachengrundlage993 beruht994. In solch einem Fall könne es nicht darauf ankommen, ob die Individualität des potenziellen Opfers nach dem Tatplan eine entscheidende Rolle spielt oder nicht. Sind die sich beispielsweise zu einem gemeinschaftlichen Wohnungseinbruchsdiebstahl unter Mitnahme von Waffen Verabredenden ebenso fest dazu entschlossen, einen etwaigen und noch nicht näher bestimmbaren Verfolger zu 987 Fieber, S. 71 f.; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 68; Roxin, AT II, § 28 Rn. 57; Thalheimer, S. 112 f. 988 Roxin, AT II, § 28 Rn. 57; strenger wohl aber Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 6, der nicht nach dem Inhalt des Tatplans, sondern nach Deliktskategorien bzw. Schutzgütern differenziert und daher beispielsweise bei Vermögensdelikten die Konkretisierung des Opfers grundsätzlich für verzichtbar hält. 989 Mit diesem Beispiel Fieber, S. 71; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 68; Roxin, AT II, § 28 Rn. 57; Thalheimer, S. 112. 990 MK-Joecks, § 30 Rn. 62. 991 MK-Joecks, § 30 Rn. 59. 992 MK-Joecks, § 30 Rn. 62. 993 Zum Tatentschluss auf bewusst unsicherer Tatsachengrundlage u. a. Kühl, § 15 Rn. 31; LK-Hillenkamp, 12. Aufl., § 22 Rn. 44 ff. 994 Vgl. MK-Joecks, § 30 Rn. 62.
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töten, machen sie die Realisierung dieses Entschlusses jedoch von der Bedingung abhängig, dass nach dem Diebstahl auch tatsächlich eine Verfolgung stattfindet, seien die Voraussetzungen für eine Verabredung zur Begehung eines Mordes mangels Individualisierung des potenziellen Opfers nicht gegeben995. Vielmehr sei eine Verabredung zur Tötung oder sonstigen Schädigung einer Person bei gleichzeitigem Realisierungsvorbehalt nur dann erfüllt, wenn auch eine entsprechende Opferindividualisierung (z. B. durch namentliche Kennzeichnung desselben) erfolgt996. Dieses Konkretisierungserfordernis müsse auch dann gelten, wenn es nach dem Tatplan nicht entscheidend auf die Identität des potenziellen Opfers ankommt, was sich daraus rechtfertige, dass „[. . .] über § 30 Abs. 2 ohnehin eine erhebliche Vorverlagerung der Strafbarkeit bewirkt wird [. . .]“ 997. (3) Das Erfordernis bloßer tatbestandlicher Zuordenbarkeit Im Gegensatz zu dem vorab dargestellten deutlich restriktiven Ansatz, nach dem in einer Vielzahl von Fällen die Konkretisierung des Tatopfers unentbehrlich sein wird, wird vereinzelt auch eine sehr weitgehende Ansicht vertreten, nach der es für eine Verabredung i. S. v. § 30 II Alt. 3 StGB bereits ausreichen soll, dass die künftigen Mittäter lediglich vereinbaren, „[. . .] gemeinsam ein tatbestandlich zuordenbares Verbrechen zu begehen [. . .]“ 998. Nicht erforderlich sei hingegen, dass bereits im Zeitpunkt der gegenseitigen Zusage eine Konkretisierung durch Benennung eines Tatorts, einer Tatzeit, einzelner Tatbegehungsmodalitäten oder aber einer Individualisierung des Tatopfers stattfindet999. Zur Begründung derart geringer Anforderungen an eine Verbrechensverabredung wird angeführt, dass bereits mit der gegenseitigen Zusage der gemeinschaftlichen Begehung eines nur tatbestandlich benannten Verbrechens eine abstrakte Gefahr in Form einer Bindungswirkung bei den Beteiligten entstehe, denn diese könnten sich einer anschließenden Konkretisierung und Verwirklichung der Verabredung nicht entziehen, ohne wortbrüchig zu erscheinen1000. Damit wird einem weitreichenden Rechtsgüterschutz eindeutig der Vorrang vor dem Gebot der restriktiven Auslegung des § 30 StGB gegeben. Das Problem, auf der Grundlage eines vollständig unkonkretisierten Verbrechensplans eine angemessene Strafe zuzumessen, soll dabei durch die Fiktion, dass die Verabredung lediglich auf die Verwirklichung des geringstmöglichen Unrechts innerhalb des jeweiligen Tatbestands abzielen sollte, gelöst werden1001. 995
MK-Joecks, § 30 Rn. 62. MK-Joecks, § 30 Rn. 62. 997 MK-Joecks, § 30 Rn. 62. 998 SK-Hoyer, § 30 Rn. 54. 999 SK-Hoyer, § 30 Rn. 54. 1000 SK-Hoyer, § 30 Rn. 54. 1001 SK-Hoyer, § 30 Rn. 54. 996
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(4) Eigene Stellungnahme Aufgrund der Vorverlagerung der Strafbarkeit, welche sich aus § 30 StGB ergibt, und der damit im Zusammenhang stehenden gebotenen restriktiven Auslegung und Anwendung der Norm, stellt die Konkretisierung der verabredeten Tat ein bedeutendes Instrument zur Durchsetzung einer solchen Restriktion dar. Zugleich ist jedoch zu beachten, dass an die Konkretisierung der in Aussicht genommenen Tat nicht derart hohe Anforderungen gestellt werden dürfen, dass dadurch der Anwendungsbereich der Norm praktisch leerläuft. Es fragt sich daher, welcher Grad an Konkretisierung ein angemessenes Maß an Restriktion gewährleisten und gleichzeitig die Gefahr, den Anwendungsbereich der Norm zu sehr einzuengen, vermeiden kann. Nach der von Hoyer vertretenen Ansicht1002 soll die Strafbarkeit gemäß § 30 II Alt. 3 StGB bereits damit beginnen, dass sich mindestens zwei Personen zur mittäterschaftlichen Begehung eines Verbrechens verabreden, selbiges dabei aber nur namentlich benennen und (noch) keinerlei inhaltliche Ausgestaltungen bzw. Konkretisierungen vornehmen. Beispielsweise kann man sich diesbezüglich vorstellen, dass A und B sich zusagen, gemeinsam einen Raub begehen zu wollen, zugleich aber keinerlei Aussage darüber treffen, wann, wo, gegen wen und mit welchen Mitteln die Tat realisiert werden soll. Als strafbar müsste also schon folgender Dialog bewertet werden: A: „Hast Du Lust, mit mir zusammen einen Raub zu begehen?“ B: „Ja.“ Unklar bleibt dabei jedoch, wie derart geringe Anforderungen an eine Verabredung eine zumindest ansatzweise restriktive Handhabung der Norm gewährleisten sollen. Zwar spricht auch Hoyer von einer Konkretisierung der Verabredung, sieht darin aber kein strafbegründendes Moment, sondern lediglich eine Art späteren Zwischenakt1003. Dass aber allein schon die bloße Vereinbarung einer mittäterschaftlichen Verwirklichung abstrakter Tatbestandsmerkmale – denn nur solche liegen bei mangelnder inhaltlicher Ausgestaltung einer Strafnorm vor – eine so große abstrakte Gefahr bewirken soll, welche eine Sanktionsandrohung rechtfertigt, überzeugt nicht. Das Fehlen einer sanktionsrechtfertigenden Gefahr wird besonders deutlich, wenn man den Strafgrund des § 30 StGB in den Blick nimmt. Auch Hoyer erkennt diesbezüglich an, dass bereits § 30 StGB (in sämtlichen Alternativen) dem Schutz des durch das präsumtive Verbrechen anzugreifenden Rechtsguts dienen soll1004. Werden jedoch weder ein Rechtsgutsträger, noch die genaueren Umstände der geplanten Rechtsgutsverletzung konkretisiert, bleibt auch das betreffende Rechtsgut an sich abstrakt und diffus. Sagen – wie im vorangehend dargestellten Beispiel – zwei Personen einander pauschal die gemeinschaftliche Begehung eines Raubes zu, so
1002 1003 1004
Vgl. zuvor unter C.V.3.a)bb)(3). Vgl. SK-Hoyer, § 30 Rn. 54. Vgl. SK-Hoyer, § 30 Rn. 12.
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sind dadurch noch in keiner Weise das Eigentum und die Willensfreiheit irgendeiner anderen Person gefährdet, geschweige denn verletzt. Den äußerst frühzeitigen Eintritt in eine strafbare Verbrechensverabredung vermag diese Ansicht auch nicht sinnvoll dadurch zu kompensieren, dass bei der Strafzumessung von dem geringstmöglichen Unrecht ausgegangen werden soll. Zumindest scheint dieser Ansatz realitätsfern, denn praktisch bedeutet dies, dass das Gericht beispielsweise bei der bei vollkommen unkonkreten Verabredung eines Raubes grundsätzlich davon ausgehen müsste, dass es den sich Verabredenden allenfalls auf die Erbeutung minimalster fremder Vermögenswerte durch den Einsatz von Drohungen mit geringfügigsten körperlichen Beeinträchtigungen ankam. Konsequenterweise müsste sogar dort, wo es das Gesetz vorsieht, pauschal von einem minder schweren Fall (vgl. z. B. § 249 II StGB beim einfachen Raub) ausgegangen werden. Ein solcher Ansatz ist jedoch willkürlich und wird der Realität in vielen Fällen nicht gerecht werden können. Im Ergebnis ist die Ansicht von Hoyer damit abzulehnen, denn diese führt zu einer zu weitgehenden Strafbarkeitsausdehnung und erweist sich daher als untauglich im Hinblick auf die erforderliche restriktive Auslegung des § 30 StGB. Einen sehr hohen Grad an Normenrestriktion hingegen erreicht Joecks, indem er „generell relativ konkrete Anforderungen“ für die Annahme einer Verbrechensverabredung verlangt1005. Der Ansatz, der Strafbarkeitsausdehnung des § 30 StGB durch generell besonders hohe Konkretisierungsanforderungen zu begegnen, ist nachvollziehbar. Andererseits ist jedoch zu bedenken, dass die Verabredung nach § 30 II Alt. 3 StGB, so wie die gesamte Norm des § 30 StGB, im zeitlichen Vorfeld der eigentlichen Deliktsverwirklichung, also auch noch vor dem Eintritt in das Versuchsstadium, stattfindet. Fraglich ist daher, ob es dem Sinn und Zweck dieser Norm noch gerecht wird, wenn bereits sehr konkrete Vorstellungen im Hinblick auf die verabredete Tat verlangt werden oder ob solch ein Erfordernis nicht vielmehr ein Leerlaufen der Regelung befürchten lässt. Häufig wird es im Stadium vor Versuchsbeginn nämlich der Fall sein, dass die präsumtiven Mittäter noch gar nicht in der Lage sind, sämtliche Einzelheiten aller Tatmodalitäten zu erfassen und somit besonders konkrete Vorstellungen von der Tat zu entwickeln. Realistischer scheint es demnach, eher davon auszugehen, dass schon allein aufgrund des meist deutlichen zeitlichen Abstands zum Beginn der Tatausführung naturgemäß noch einige Eventualitäten in der Verabredung offen bleiben bzw. offen gelassen werden müssen1006. Dies erkennt zwar auch Joecks an, verlangt gleichwohl aber – quasi als Kompensation für andere Eventualitäten und Unwägbarkeiten in der Tatplanung – zumindest im Hinblick auf das Opfer eine Individualisierung1007. Jedoch führt diese Ansicht mitunter zu unbilligen Er1005 1006 1007
Vgl. MK-Joecks, § 30 Rn. 62; sowie zuvor unter C.V.3.a)bb)(2). Vgl. beispielsweise den Sachverhalt von BGH NStZ 2007, 697. Vgl. MK-Joecks, § 30 Rn. 62.
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gebnissen und wirft auch im Hinblick auf Opferschutzaspekte Bedenken auf. So soll beispielsweise keine Verabredung zum Mord vorliegen, wenn die präsumtiven Mittäter sich zwar einig und entschlossen sind, einen Menschen, dessen Identität ihnen egal ist und auf die es für das konkrete Handlungsvorhaben auch nicht ankommt, zu töten, sie dieses Vorhaben jedoch noch unter einen Vorbehalt i. S. e. sog. „Tatentschlusses auf unsicherer Tatsachengrundlage“ stellen (z. B. das Erschießen eines noch unbestimmten anderen im Fall der Verfolgung nach einem Bankraub)1008. Nicht strafbar wäre es demnach auch, wenn A und B verabreden, am kommenden Freitag ab drei Uhr morgens vor der Disco X zu warten und die erste Frau, die diese ohne Begleitung verlässt, gemeinsam zu vergewaltigen und anschließend zu töten. Hiernach wird deutlich, dass die von Joecks vertretene Ansicht im Ergebnis zu einer Schlechterstellung desjenigen Opfers führt, dessen Individualisierung für den gefassten Tatplan nicht von Bedeutung ist. Eine solche Schlechterstellung muss jedoch als ungerechtfertigt bezeichnet werden, denn das nicht individualisierte Opfer ist wohl kaum weniger schutzwürdig als das den sich Verabredenden bereits genau bekannte Opfer. Es ist daher sachgerechter, eine Opferkonkretisierung nur dann zu fordern, wenn es nach dem Tatplan entscheidend auf die Identität der betroffenen Person ankommt. Nur dann ist diese jedenfalls so wesentlich, dass sie als Restriktionsparameter der Verbrechensverabredung unverzichtbar ist. Bleiben individualisierende Merkmale eines potenziellen Opfers hingegen notgedrungen unbestimmt, kann es kaum richtig sein, diesbezüglich dennoch eine konkrete Vorstellung der präsumtiven Mittäter zu fordern. Die von Joecks vertretene Ansicht ist daher zumindest in diesem Punkt zu generalisierend und führt infolgedessen zu einer zu weitgehenden Einschränkung des § 30 II Alt. 3 StGB. Deutlich wird dies, wenn man sich beispielsweise einen Sachverhalt wie den folgenden vorstellt: In einem Chatroom, den politische Extremisten aus dem rechtsradikalen Bereich regelmäßig nutzen, um miteinander in Kontakt zu treten bzw. zu bleiben, äußert A gegenüber den anderen zur gleichen Zeit aktiven Teilnehmern, dass er vorhabe, am nächsten Wochenende in seiner Stadt auf „Ausländerjagd“ zu gehen. Zugleich bittet er die anderen Teilnehmer des Chats um „tatkräftige Beteiligung“, wobei sich B und C auch umgehend motivieren lassen und A zusagen „nach allen Kräften“ mitwirken zu wollen, da sie dessen nationalistische und rassistische Beweggründe vollständig teilen. Weiterhin äußert A nun, dass im Fall der Gegenwehr seitens der Verfolgten jeder betreffende – d.h. sich zur Wehr setzende – „Ausländer brennen“ solle, worin B und C ohne Weiteres zutreffend eine Aufforderung zum gemeinschaftlichen Mord erkennen und sich auch damit einverstanden erklären. A, B und C haben vorliegend noch kein potenzielles Tötungsopfer individualisiert bzw. namentlich benannt, gleichwohl kann dies einer hinreichend konkreten 1008
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Verabredung zur gemeinschaftlichen Tötung eines Menschen aber nicht entgegenstehen, auch wenn diese (zusätzlich) noch unter der Bedingung geleisteter Gegenwehr seitens der Verfolgten stand. Entscheidend zu berücksichtigen ist dabei nämlich, dass es den Beteiligten im Zeitpunkt der Verabredung noch gar nicht möglich war, ein Tötungsopfer genauer zu individualisieren, denn zunächst blieb noch völlig unklar, auf welche konkreten ausländischen Mitbürger man am folgenden Wochenende treffen würde. Ebenso wenig war absehbar, ob es auch tatsächlich zu einer Gegenwehr seitens der Verfolgten (und damit zum Eintritt der Bedingung, unter der die Realisierung des Tötungsentschlusses stand) kommen würde. Gleichwohl waren A, B und C aber fest entschlossen, ihr Vorhaben (zunächst Verfolgung und im Fall der Gegenwehr Tötung der betreffenden Person) in die Tat umzusetzen. Dafür kam es aber wiederum gar nicht darauf an bzw. war es auch gar nicht gewollt, ein oder mehrere mögliche Opfer individuell zu benennen, denn vielmehr sollte gerade jeder sich zur Wehr setzende ausländische Mitbürger „brennen“. Dies aber muss ausreichen, um eine Verabredung zur gefährlichen, gegebenenfalls auch schweren Körperverletzung sowie zum Mord zu bejahen, denn die gegenseitigen Zusagen waren durchaus dazu geeignet, zwischen A, B und C eine Verbindlichkeit im Hinblick auf die Realisierung des Tatplans zu begründen und entsprechende Tatentschlüsse hervorzurufen (bei B und C) bzw. zu bestärken (bei A). Folglich kam es durch die Verabredung im Chat bereits zu einer Gefährdung für die Rechtsgüter (Leben und körperliche Unversehrtheit) möglicher Tatopfer, welcher bereits durch entsprechende Sanktionierung im Vorfeld der eigentlichen Rechtsgutsverletzung begegnet werden muss. Hier eine Verabredung zur Körperverletzung und zum Mord zu verneinen, weil noch offen blieb, welche konkreten Personen zu Opfern der Tat werden würden, kann im Ergebnis nicht richtig sein. Festzustellen ist daher, dass vor allem die zuerst dargestellte Ansicht1009 zu überzeugen vermag. Allein diese gelangt zu einer ausgewogenen Handhabung des § 30 StGB bei der Verbrechensverabredung, indem sie eine Konkretisierung des präsumtiven Verbrechens in wesentlichen Grundzügen verlangt. Nicht ausreichend ist es daher, sich zu einem nur tatbestandlich gekennzeichneten Verbrechen zu verabreden. Auf der anderen Seite steht es einer Verabredung nach § 30 II Alt. 3 StGB allerdings nicht entgegen, wenn z. B. die Tatzeit, der Tatort oder Details der Ausführung im Einzelnen noch offen bleiben. Im Ergebnis sind daher an die Verbrechensverabredung die gleichen Konkretisierungsanforderungen zu stellen, wie an die Anstiftung, so dass es auch hier des Vorliegens hinreichender, das zu begehende Verbrechen individualisierender Tatmerkmale bedarf.
1009
Vgl. zuvor unter C.V.3.a)bb)(1).
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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cc) Problemdiskussion für die öffentliche Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB) Wie bei den bisher diskutierten Normen (§§ 26, 30 I, 30 II Alt. 1 und Alt. 3 StGB) geht es auch bei § 111 StGB um den Kommunikationsprozess, der der Begehung der eigentlichen Straftat vorgelagert ist. Zentrale Tathandlung des § 111 StGB ist das Abgeben einer Aufforderung zur Begehung von Straftaten gegenüber einer unbestimmbaren Vielzahl von (möglichen) Empfängern. Bezüglich der beiden Absätze des § 111 StGB wurde bereits dargelegt, dass sich die Differenzierung hier nicht nach der Handlung, sondern nach dem Erfolg bemisst1010. Während § 111 I StGB vorliegt, sobald die Tat, zu der aufgefordert wurde, von einem Mitglied des angesprochenen Personenkreises zumindest versucht wird, greift § 111 II StGB ein, wenn dieselbe Äußerung entweder nicht einmal den Versuch der Bezugstat zur Folge hat oder aber diese nicht kausal für die Realisierung der Bezugstat geworden ist. Demzufolge unterliegt das Auffordern als solches in beiden Absätzen des § 111 StGB identischen Anforderungen, so dass es in der hier zu führenden Diskussion um die erforderliche Konkretisierung der Bezugstat keiner differenzierten Betrachtung bedarf. Des Weiteren wurde bereits aufgezeigt, dass einerseits gewisse Ähnlichkeiten zum Bestimmen i. S. d. §§ 26, 30 I StGB, andererseits jedoch auch keine hundertprozentige Gleichheit besteht1011. Rogall bezeichnet § 111 StGB auch als den „zweite[n] Grundtatbestand der Veranlassung fremder Straftaten“ 1012 neben der Anstiftung. Da der Auffordernde jedenfalls gegenüber (unbestimmbar vielen) anderen die Begehung einer Straftat anregt, lässt sich auch hier die Frage stellen, wie detailliert diese zukünftige Tat dargestellt werden muss1013. Dabei ist im Einzelnen umstritten, ob – wie nach h. M. zur Anstiftung – für ein strafbares Auffordern in bzw. gegenüber der Öffentlichkeit die betreffende Tat bereits in ihren wesentlichen Grundzügen konkretisiert sein muss oder ob es – von geringeren Anforderungen im Vergleich zu §§ 26, 30 I StGB ausgehend – ausreicht, wenn eine Kennzeichnung der Tat lediglich ihrer Art und ihrem rechtlichen Wesen nach erfolgt. (1) Das Erfordernis der Straftatkennzeichnung nach Art und rechtlichem Wesen Anders als bei der Anstiftung soll es nach der wohl überwiegenden Meinung bei einer öffentlichen Aufforderung ausreichen, wenn die angesonnene Tat lediglich ihrer Art und ihrem rechtlichen Wesen nach gekennzeichnet wird, während Details wie z. B. die Tatzeit, der Tatort oder das konkrete Angriffsobjekt bzw. 1010 1011 1012 1013
Vgl. oben C.V.2.f)bb). Vgl. dazu oben C.V.2.f)aa). Rogall, GA 1979, 11 (15). Hierzu ausführlich Dreher, FS Gallas 1973, S. 307 (315 ff.).
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
Tatopfer noch nicht festgelegt werden müssen1014. Vielmehr würde ein solches Konkretisierungserfordernis dazu führen, dass die Norm ihres Anwendungsbereichs „beraubt“ würde1015. Diese Ansicht beruht auf dem Verständnis von § 111 StGB als abstraktem Gefährdungsdelikt1016. Die besondere Gefährlichkeit einer Aufforderung nach § 111 StGB bestehe dabei jedenfalls darin, dass der Täter – aufgrund der Öffentlichkeitssituation – nach der Äußerung kaum noch einen Einfluss auf das weitere Geschehen nehmen und es damit zu unkontrollierbaren kriminellen Aktionen kommen könne1017. Gerade die besagte Öffentlichkeitssituation unterscheide eine Aufforderung i. S. v. § 111 StGB wesentlich von der Anstiftung1018. Bei der Ansprache unbestimmt vieler Personen fehle dem Auffordernden nämlich regelmäßig die Kenntnis von der Person des Tatausführenden1019. Die Strafbarkeit nach § 111 StGB müsse daher bereits ab dem Punkt einsetzen, in dem der Täter ohne nähere Vorgabe von Zeit, Ort und speziellen Umständen der Tatausführung lediglich den Deliktstypus und ebenso eine Opfergruppe bzw. ein Handlungsobjekt nur allgemein kennzeichnet1020. Grundsätzlich ausreichend seien daher appellierende Aufforderungen, z. B. Kaufhäuser in Brand zu setzen, Schaufenster einzuschlagen, Politiker oder sonstige prominente Personen des öffentlichen Lebens zu töten oder zu entführen, Asylanten zu misshandeln1021 oder Faschisten zu schlagen1022. Zudem wird darauf hingewiesen, dass auch derart unkonkrete Aufrufe zur Straftatbegehung in der Regel schon eine hinreichend gesteigerte Gefährlichkeit für den Rechtsfrieden mit sich brächten1023. Die Forderung konkretisierter Tatumstände laufe daher einerseits dem Strafgrund der Norm zuwider1024. Anderer1014 Vgl. Dreher, FS Gallas 1973, S. 307 (317 f.); Kindhäuser, BT I, § 40 Rn. 3; Lackner/Kühl, § 111 Rn. 5; LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 21, 56; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26 Rn. 50; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 93 Rn. 5; MK-Bosch, § 111 Rn. 13; Otto, BT, § 63 Rn. 63; Roxin, AT II, § 26 Rn. 148; zustimmend wohl auch NK-Paeffgen, § 111 Rn. 15 f., der Art und rechtliches Wesen der besagten Tat jedenfalls als Mindestmaß anerkennt und ebenfalls keine konkrete Benennung von Tatort, Tatzeit, Ausführungsmodalitäten, Tatobjekt oder Tatopfer verlangt. 1015 MK-Bosch, § 111 Rn. 13. 1016 Zur Deliktsnatur des § 111 StGB BGHSt 29, 258 (267); Kindhäuser, LPK, § 111 Rn. 1; Lackner/Kühl, § 111 Rn. 1; LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 12; MK-Bosch, § 111 Rn. 3; Otto, BT, § 63 Rn. 65. 1017 Kindhäuser, LPK, § 111 Rn. 1; MK-Bosch, § 111 Rn. 3. 1018 Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 93 Rn. 2; MK-Bosch, § 111 Rn. 3. 1019 MK-Bosch, § 111 Rn. 13. 1020 RGSt 65, 200 (202); Dreher, FS Gallas 1973, S. 307 (317 f.); LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 56; MK-Bosch, § 111 Rn. 13. 1021 Vgl. Kindhäuser, BT I, § 40 Rn. 3; LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 57. 1022 Vgl. RGSt 65, 200. 1023 Vgl. Dreher, FS Gallas 1973, S. 307 (317); LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 5, 9. 1024 Dreher, FS Gallas 1973, S. 307 (317); LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 56.
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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seits würde durch ein solches Erfordernis auch der Anwendungsbereich von § 111 StGB (als abstraktem Gefährdungsdelikt) zu weitgehend beschränkt bzw. sogar aufgehoben1025. § 111 StGB erfasse nämlich gerade solche Aufforderungen, bei denen der sich Äußernde aufgrund der Unbestimmtheit des Adressatenkreises nur einen verminderten Einfluss auf das (weitere) deliktische Geschehen habe1026 und daher (schon) durch sein (vorgelagertes) Handeln unkontrollierbare Gefahren schaffe1027. Da es dem Auffordernden bei der Ansprache eines für ihn unüberschaubar großen Adressatenkreises also regelmäßig an der Kenntnis von der Person des (späteren) Tatausführenden mangele, müsse für die erforderliche Gefahrschaffung bereits die grobe Kennzeichnung eines Deliktstypus reichen, während die Forderung nach einer näheren Vorgabe von Zeit, Ort und speziellen Umständen der Tatausführung nicht mit dem Strafzweck des § 111 StGB zu vereinbaren sei1028. Die vorangehend wiedergegebenen Argumente führen zu der Erkenntnis, dass diese Ansicht den Gefährdungsschwerpunkt bereits in der Handlung des öffentlichen Aufforderns sieht, während auf eine tatsächliche bzw. konkrete Gefährdung der durch die angesonnene Tat bedrohten Rechtsgüter potenzieller Opfer bzw. Tatobjekte kaum abgestellt wird. Beispielsweise kann das Argument, der Auffordernde könne bei der Ansprache einer unbestimmbaren Vielzahl von Adressaten keine Kenntnis von der konkreten Person des (späteren) Tatausführenden haben1029, nur zu der logischen Konsequenz führen, dass es dem Auffordernden kaum möglich ist, einzuschätzen und zu beeinflussen, wie die Empfänger der Aufforderung im Einzelnen auf selbige reagieren werden. Daraus folgt wiederum, dass der Auffordernde auch nicht ausschließen kann, dass sich nicht (wenigstens) ein einziger der unbestimmt vielen Empfänger bereits allein aufgrund einer noch nicht konkretisierten Aufforderung zur Begehung der (tatbestandlich) benannten Tat – in welcher konkreten Form bzw. unter welchen konkreten Umständen auch immer – motiviert fühlen könnte. Folgerichtig kommt diese Ansicht daher zu dem Ergebnis, dass eine Strafbarkeit nach § 111 StGB regelmäßig bereits dann vorliegt, wenn der Täter ohne nähere Vorgabe von Zeit, Ort und speziellen Umständen der Tatausführung lediglich grob den Deliktstypus und ebenso eine Opfergruppe bzw. ein Handlungsobjekt nur allgemein kennzeichnet, denn bereits dadurch werde die bei § 111 StGB erforderliche abstrakte Gefahr, dass die vom Auffordernden angesonnene Tat auch tatsächlich von einem anderen begangen wird und die betreffenden Rechtsgüter verletzt werden, geschaffen.
1025 1026 1027 1028 1029
MK-Bosch, § 111 Rn. 13. MK-Bosch, § 111 Rn. 3. MK-Bosch, § 111 Rn. 1. MK-Bosch, § 111 Rn. 13. So MK-Bosch, § 111 Rn. 13.
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
(2) Das Erfordernis der konkreteren Angabe von Tatopfer bzw. Tatobjekt Der zuvor dargestellten Ansicht weitgehend entsprechend, lehnt es auch die höchstrichterliche Rechtsprechung ab, eine umfängliche Konkretisierung der angesonnenen Tat zu verlangen1030. Im Unterschied zur Anstiftung sei nicht erforderlich, dass der Ort oder die Zeit der Tatbegehung bereits bestimmt seien1031. Lediglich müsse die Aufforderung die Tat ihrer Art nach und das Tatopfer „in allgemeinen Wendungen“ kennzeichnen1032. Bezüglich der Kennzeichnung eines potenziellen Opfers wurde in einem konkreten Fall die Formulierung „Tod dem Klerus“ jedenfalls nicht für ausreichend gehalten, denn eine derart allgemeine Bezeichnung umschließe zahllose Personen in aller Welt1033. Gefordert wurde demnach eine zumindest derartig gestaltete Konkretisierung, als dass eine etwaige Tatbegehung beispielsweise auf Mitglieder des katholischen Klerus hätte beschränkt werden müssen1034. Dies führt zu der Schlussfolgerung, dass es – entgegen der zuvor dargestellten Ansicht – nicht ausreichen soll, eine Opfergruppe bloß ganz allgemein und ohne weitere Konkretisierung bzw. Individualisierung zu benennen. In einer anderen Entscheidung des BGH wurden die Bezeichnungen „das Militär“, „die Polizei“ und „die Konzerne“ jedenfalls für nicht konkret genug im Hinblick auf die Kennzeichnung möglicher Tatopfer – auch hier wurden allgemeine Wendungen verlangt – erachtet1035. (3) Das Erfordernis der Konkretisierung in wesentlichen Grundzügen Eine als Einzelmeinung zu bezeichnende Ansicht im Schrifttum geht hingegen davon aus, dass das Auffordern (§ 111 StGB) und das Bestimmen (§§ 26, 30 I StGB) hinsichtlich der Konkretisierung der angedachten (Haupt)Tat identischen Anforderungen unterliegen müssen1036. Der wesentliche Unterschied zwischen Anstiftung und öffentlicher Aufforderung sei in der Bestimmbarkeit der als potenzielle (Haupt)Täter in Aussicht genommenen Personen zu sehen1037. Der Schutz der durch die avisierte Tat anzugreifenden Rechtsgüter potenzieller Opfer bzw. Tatobjekte stelle eine partielle Übereinstimmung mit der Anstiftung dar und 1030
Vgl. BGHSt 32, 310 (312); BGH MMR 1999, 29 (30). BGHSt 32, 310 (312). 1032 BGHSt 31, 16 (22); BGHSt 32, 310 (312); ebenso Schönke/Schröder-Eser, § 111 Rn. 13. Vgl. ferner aber auch Kissel, S. 172 ff., der speziell für den Fall von Aufrufen zum Ungehorsam im politischen Meinungskampf weitergehend fordert, dass Art und Weise der angesonnenen Tat sowie das tatsächliche Angriffsziel erkennbar sein müssen. 1033 Vgl. BGHSt 32, 310 (312). 1034 Vgl. BGHSt 32, 310 (312). 1035 Vgl. BGHSt 31, 16 (22). 1036 Vgl. Rogall, GA 1979, 11 (17 f.). 1037 Rogall, GA 1979, 11 (18). 1031
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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rechtfertige es somit, eine gleichermaßen intensive Konkretisierung der angesonnenen Tat zu verlangen1038. Ohne eine solche Konkretisierung sei jedenfalls der erforderliche Gefährdungsgrad hinsichtlich der spezifischen Rechtsgüter potenzieller Opfer bzw. Tatobjekte auch bei einer öffentlichen Aufforderung nicht gegeben1039. Da diese Ansicht für ein Bestimmen i. S. v. §§ 26, 30 I StGB – dort zutreffend – die Beschreibung einer „[. . .] in den wesentlichen Zügen konkretisierten rechtswidrigen Tat [. . .]“ fordert1040, ist folgerichtig davon auszugehen, dass auch für eine öffentliche Aufforderung nach § 111 StGB eine derart genaue Beschreibung der zu begehenden Straftat verlangt wird1041. (4) Eigene Stellungnahme § 111 StGB sanktioniert die Schaffung der besonderen Gefahr, welche darin besteht, dass der Täter eine für ihn unüberschaubare Vielzahl von Personen zur Begehung einer oder mehrerer Straftaten auffordert1042. Tatsächlich lässt sich ein Hinweis auf die unterschiedliche Gefährdungsintensität von Aufforderung und Anstiftung bereits aus einem Vergleich der jeweiligen Regelungsweite der Normen erkennen. Liegt der Fall in einer Anstiftungssituation so, dass sich die angesprochenen Personen nicht zur Begehung der Haupttat bestimmen lassen oder den in ihnen hervorgerufenen Tatentschluss jedenfalls nicht umsetzen, so gilt die Anstiftung in diesem Fall als fehlgeschlagen und ist lediglich dann als (misslungene bzw. erfolglose1043) versuchte Anstiftung nach § 30 I StGB strafbar, wenn die Haupttat ein Verbrechen darstellt. Bei der öffentlichen Aufforderung ist der Fall des Fehlschlagens hingegen stets gemäß § 111 II StGB strafbar, also auch dann, wenn die Bezugstat allein in einem Vergehen besteht. Bei einer Massenansprache in Form einer Aufforderung nach § 111 StGB erscheint es durchaus nachvollziehbar, dass das Risiko der Erfolglosigkeit dadurch reduziert wird, dass sich die Ansprache an eine unbestimmte Vielzahl von Empfängern richtet. Selbst wenn sich der größte Teil der Angesprochenen tatsächlich nicht zur Tatbegehung motivieren lässt, besteht dennoch immer die grundsätz1038
Rogall, GA 1979, 11 (18). Rogall, GA 1979, 11 (17 f.), der im Fall einer allgemeinen Aufforderung zur Begehung von Straftaten unbestimmter Art noch keine unmittelbare Gefährdung für bestimmte Rechtsgüter potenzieller Opfer bzw. Tatobjekte sieht. 1040 Vgl. Rogall, GA 1979, 11 (15) sowie bereits oben C.V.3.a)aa)(1). 1041 Diesbezüglich stellt Rogall, GA 1979, 11 (18) fest, dass sowohl beim Bestimmen i. S. v. §§ 26, 30 I StGB als auch bei der öffentlichen Aufforderung gemäß § 111 StGB „[. . .] die jeweils an die Konkretisierung der Haupttat zu stellenden Anforderungen [. . .] identisch sind [. . .]“. 1042 Schönke/Schröder-Eser, § 111 Rn. 2. 1043 B. Heinrich, AT, Rn. 1365. 1039
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
liche Möglichkeit, dass sich jedenfalls wenigstens einer der unbestimmt vielen Empfänger von der Aufforderung in hinreichendem Maße angesprochen fühlt und diese in die Tat umzusetzen bereit ist. Unter diesem Aspekt lässt sich jedenfalls begründen, dass bereits auf der Tathandlung des öffentlichen Aufforderns der maßgebliche Gefährdungsschwerpunkt liegt. Um den Anwendungsbereich des § 111 StGB demnach nicht zu stark einzuschränken und auch um dem Zweck der Norm hinreichend gerecht zu werden, dürfen dann aber keine all zu hohen Anforderungen hinsichtlich eines Taterfolgs i. S. e. Gefährdung der durch die avisierte Tat anzugreifenden Rechtsgüter gelten. Auch wenn bereits durch § 111 StGB die durch die spätere Straftat anzugreifenden Rechtsgüter (mit)geschützt werden sollen, so kann der Norm, aufgrund der sich voneinander unterscheidenden Tathandlungen (Bestimmen bzw. Auffordern) und Begehungsmodalitäten (individualisierbarer Adressatenkreis bzw. Öffentlichkeit), diesbezüglich dennoch nicht ein der Anstiftung entsprechender Rechtsgüterschutz abverlangt werden. Ein solches Verlangen liegt aber offenbar der Ansicht von Rogall zugrunde1044. Dessen, im Hinblick auf die Anstiftung einerseits und die öffentliche Aufforderung andererseits, undifferenzierte Forderung eines Schutzes der durch die Haupttat anzugreifenden Rechtsgüter1045 erscheint daher zu weitgehend bzw. würde zu einer zu starken Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 111 StGB (als abstraktem Gefährdungsdelikt) führen. Wie soeben aufgezeigt, ist es – um dem Normzweck und der Deliktsnatur des § 111 StGB gerecht zu werden – richtig, den Gefährdungsschwerpunkt bereits auf die Tathandlung, nämlich das Äußern der Aufforderung, zu legen und für die in Betracht kommenden Rechtsgüter potenzieller Opfer oder Tatobjekte der Bezugstat eine nur mittelbare Gefährdung ausreichen zu lassen. Eindeutig dafür, in der Norm des § 111 StGB ein abstraktes Gefährdungsdelikt zu sehen, spricht jedenfalls auch die Regelung des § 111 II StGB, nach der eine vollendete öffentliche Aufforderung auch bzw. schon dann vorliegt, wenn diese ohne Erfolg bleibt, also nicht einen einzigen Empfänger zur entsprechenden Tatbegehung motivieren kann. Da Rogall ohne weitere Differenzierung von der öffentlichen Aufforderung einen der Anstiftung gleichartigen Schutz der durch die Haupttat anzugreifenden Rechtsgüter verlangt, lässt sich konsequenterweise auch für § 111 StGB – gleichlaufend zum Bestimmen – die Angabe einer in ihren wesentlichen Grundzügen konkretisierten rechtswidrigen Tat fordern1046. Eine solche Forderung ist jedoch sowohl im Hinblick auf die erfolgreiche (§ 111 I StGB) als auch die erfolglose öffentliche Aufforderung (§ 111 II StGB) als verfehlt zu bezeichnen, weil sie schon mit der grundlegenden Deliktsnatur des § 111 StGB (abstraktes Gefährdungsdelikt) nicht in Einklang zu bringen ist. 1044 1045 1046
Vgl. Rogall, GA 1979, 11 (18). Rogall, GA 1979, 11 (18). So Rogall, GA 1979, 11 (17 f.).
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Für die Schaffung einer abstrakten Gefahr durch eine Aufforderung i. S. v. § 111 StGB kann es weiterhin auch keine Rolle spielen, inwieweit bzw. dass die Tatmodalitäten überhaupt konkretisiert werden. Zutreffend ist das Argument, dass der Auffordernde bei der nach § 111 StGB erforderlichen Unbestimmtheit des Adressatenkreises keine Kenntnis von der Person des Tatausführenden haben kann1047. Da sich der Vorsatz auch auf die Öffentlichkeitssituation beziehen muss, nimmt der Täter des § 111 StGB seine Unkenntnis von der Person des Ausführenden bewusst in Kauf und kann demnach zumindest auch nicht die Möglichkeit ausschließen, dass sich wenigstens einer der ihm unbekannten Adressaten allein schon durch eine grobe Kennzeichnung des Deliktstypus i.V. m. der allgemeinen Benennung einer Opfergruppe oder eines Tatobjekts zur Begehung der betreffenden Straftat motiviert fühlen könnte. Auch dies spricht dagegen, ein strafbares Verhalten nach § 111 StGB erst dann anzunehmen, wenn die angesonnene Tat auch in ihren wesentlichen Grundzügen konkretisiert worden ist. Zudem scheint Rogall sich mit dieser Forderung auch selbst in einen Widerspruch zu setzen, denn einerseits konstatiert er im Hinblick auf die Anleitung zu Straftaten (§ 130a StGB), dass es keinen Unterschied macht, „[. . .] ob der Täter zu einer konkreten Tat oder nur generell zu Katalogtaten anleitet [. . .]“ 1048. Andererseits meint er, dass die Konkretisierungsanforderungen hinsichtlich der Haupttat bei § 130a StGB und § 111 StGB einander entsprechen1049. Die als Mindermeinung im Schrifttum vertretene Ansicht erscheint damit nicht nur widersprüchlich, sondern führt im Ergebnis auch zu einer zu weitgehenden Einengung des Anwendungsbereichs des § 111 StGB und wird dadurch dem Sinn und Zweck der Norm nicht hinreichend gerecht. Vielmehr ist die Aufgabe von § 111 StGB gerade darin zu sehen, schon derjenigen (noch abstrakten) Rechtsgütergefährdung vorzubeugen, die bereits durch das öffentliche Äußern einer Aufforderung zur Begehung einer tatbestandlich zuordenbaren Straftat entstehen kann. Innerhalb der ganz überwiegenden Ansicht wird wiederum streitig diskutiert, ob neben der tatbestandlichen Kennzeichnung der zu begehenden Straftat, die bloße Angabe einer nur allgemein bezeichneten Opfergruppe bzw. eines nur allgemein bezeichneten Tatobjekts ausreicht1050 oder ob die geforderte Tatbegehung auf ein zumindest „in allgemeinen Wendungen“ gekennzeichnetes Opfer zu beziehen ist1051.
1047
Vgl. MK-Bosch, § 111 Rn. 13. Rogall, GA 1979, 11 (20). 1049 Vgl. Rogall, GA 1979, 11 (20). 1050 So Kindhäuser, BT I, § 40 Rn. 3; Lackner/Kühl, § 111 Rn. 5; LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 21, 56; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 93 Rn. 5; MKBosch, § 111 Rn. 13; Otto, BT, § 63 Rn. 63. 1051 So BGHSt 31, 16 (22); BGHSt 32, 310 (312); Schönke/Schröder-Eser, § 111 Rn. 13. 1048
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In dem der Entscheidung BGHSt 32, 310 zugrunde liegenden Fall hatte sich das Gericht u. a. auch mit der Äußerung „Tod dem Klerus“ auseinanderzusetzen1052. Dabei lag die Besonderheit des Falls darin, dass die besagte Äußerung sowohl für Vertreter des Klerus als einzelne natürliche Personen stehen oder aber auch den Klerus als Institution bezeichnen konnte. Vorliegend hat der BGH die Bezeichnung „Klerus“ ganz offensichtlich auf die Institution bezogen und ist daraufhin zur Annahme einer bloßen Unmutsäußerung gekommen1053. Dies ist im Ergebnis nachvollziehbar, denn eine Institution als solche verfügt naturgemäß nicht über das Rechtsgut Leben und kann folglich auch nicht in selbigem beeinträchtigt werden. Zudem verfügte die betreffende Äußerung auch nicht über den erforderlichen Aufforderungscharakter, denn es blieb offen, ob der „Tod“ tatsächlich durch eine strafbare Handlung herbeigeführt werden sollte1054. Obwohl bereits hiernach feststand, dass es sich bei der besagten Äußerung nicht um eine nach § 111 StGB tatbestandsmäßige Aufforderung handeln konnte, sah sich das Gericht dennoch veranlasst, auch zur Frage der Tatkonkretisierung Stellung zu nehmen1055. Diesbezüglich führte es aus, dass erst dann von einer tauglichen Aufforderung hätte ausgegangen werden können, wenn die angesonnene Tötung auf „[. . .] jedes Mitglied des katholischen Klerus oder wahllos irgendeines der Mitglieder [. . .]“ bezogen worden wäre, was jedoch bei der vorliegenden allgemeinen Benennung des Klerus gerade nicht der Fall gewesen sei1056. In der Entscheidung BGHSt 31, 16 ging es um die Bewertung diverser Prozesserklärungen von angeklagten Mitgliedern der Rote Armee Fraktion (RAF). Dabei stellten die meisten dieser Äußerungen schon ganz offensichtlich keine § 111 StGB genügenden Aufforderungen dar, denn durch sie wurden eher Billigungen terroristischer Aktionen oder auch Drohungen der Angeklagten zum Ausdruck gebracht, während nicht erkennbar war, dass andere auch unmittelbar zur Begehung entsprechender Taten motiviert werden sollten1057. Dennoch setzte sich das Gericht auch hier mit der Frage der Tatkonkretisierung auseinander, wozu wohl u. a. auch eine Erklärung, in der es hieß: „Die Guerilla droht nicht, sondern handelt“, welche sich auf das Militär, die Polizei und die Konzerne als Angriffsziele bezog1058, Anlass bot. Im Kern kam das Gericht dabei zu dem Ergebnis, dass nahezu jede der fraglichen Äußerungen keine Aufforderung i. S. v. § 111 StGB darstellte1059, weil sie 1052
Vgl. dazu auch schon zuvor C.V.3.a)cc)(2). Vgl. BGHSt 32, 310 (312). 1054 BGHSt 32, 310 (311). 1055 Vgl. BGHSt 32, 310 (312). 1056 Vgl. BGHSt 32, 310 (312). 1057 Vgl. zu diesen Äußerungen im Einzelnen BGHSt 31, 16 (20). 1058 BGHSt 31, 16 (20). 1059 Lediglich in der Äußerung „Die Rote Armee aufbauen! Heute noch!“ sah das Gericht sämtliche objektive Voraussetzungen einer Aufforderung nach § 111 StGB, nämlich zu einem Vergehen gemäß § 129 StGB, gegeben, BGHSt 31, 16 (22). 1053
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nicht auf wenigstens in allgemeinen Wendungen bezeichnete einzelne Mitglieder der Rechtsgemeinschaft bezogen waren1060. Anzuerkennen ist zunächst, dass der BGH in den vorliegend dargestellten Entscheidungen im Ergebnis zu Recht das Vorliegen öffentlicher Aufforderungen i. S. v. § 111 StGB verneint hat. Wie aufgezeigt, war bei diesen Äußerungen jedenfalls nicht die immanente Intention erkennbar, andere dadurch unmittelbar zur Begehung von Straftaten zu motivieren. Regelmäßig ist bei der Beurteilung der jeweiligen fraglichen Äußerung – schon wegen der von Art. 5 I GG garantierten Meinungsäußerungsfreiheit – auch der Gesamtkontext und die Umstände, unter denen selbige erfolgte, zu berücksichtigen1061. Dies fand auch in den vorliegenden beiden Entscheidungen Beachtung1062. So wurde in der Äußerung „Tod dem Klerus“ eine (bloße) Unmutsäußerung gesehen1063, während die Prozessäußerungen der angeklagten RAF-Mitglieder als zulässiges Verteidigungsverhalten bewertet wurden1064. Der Auseinandersetzung mit der Konkretisierungsfrage hätte es damit in beiden Fällen jedenfalls nicht mehr zwingend bedurft. Gleichwohl wurde den Äußerungen jeweils auch deshalb die Eignung als Aufforderung abgesprochen, weil selbige nicht einmal einzelne Mitglieder der Rechtsgemeinschaft – zumindest in allgemeinen Wendungen – als Opfer bzw. Angriffsziele auswiesen. Im Unklaren bleibt dabei jedoch, was sich das Gericht konkret unter „allgemeinen Wendungen“ vorstellte. Vielmehr wurde dieses Erfordernis postuliert, ohne dabei wenigstens einen Bezug zum Strafzweck des § 111 StGB herzustellen. Dies wäre allerdings angebracht gewesen, da sich eine Konkretisierung des potenziellen Opfers nach allgemeinen Wendungen nicht aus dem Gesetzeswortlaut ergibt. Jedenfalls lässt sich den Urteilsbegründungen jeweils entnehmen, dass eine bloß allgemeine Bezeichnung einer Opfergruppe nicht ausreichen soll. Diese Auffassung wird indes dem Strafzweck der Norm nicht gerecht. Wie schon zuvor dargelegt, soll § 111 StGB im Wesentlichen die Gefahrschaffung sanktionieren, welche durch die Ansprache einer für den Täter unüberschaubaren Vielzahl von Empfängern realisiert wird. Zum einen besteht dabei eine gegenüber individuellen Ansprachen grundsätzlich höhere Wahrscheinlichkeit, dass sich tatsächlich eine zur Ausführung der avisierten Straftat bereite Person unter den Adressaten findet. Hinzu kommt, dass der Auffordernde zudem auch regelmäßig keine Kenntnis von der Person des späteren Tatausführenden haben kann und folglich die Begehung der angesonnenen Tat schon dann für möglich halten muss, wenn eine 1060
BGHSt 31, 16 (22). Hierzu exemplarisch OLG Hamm NJW-RR 2010, 189 (190 ff.); OLG Hamm NStZ 2010, 452 (453). 1062 Vgl. BGHSt 31, 16 (17 ff.); BGHSt 32, 310 (311 ff.). 1063 BGHSt 32, 310 (312). 1064 BGHSt 31, 16 (22). 1061
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Opfergruppe nur ganz allgemein bezeichnet wird oder sich sogar nur vage bzw. „konkludent“ aus dem Kontext einer Aufforderung ergibt. Erfolgt beispielsweise die öffentliche Aufforderung, einen Selbstmordanschlag in einem Café oder Restaurant zu begehen, so wird dadurch eine Opfergruppe weder ausdrücklich, noch in allgemeinen Wendungen gekennzeichnet. Vielmehr steht hiernach lediglich fest, dass durch einen solchen Anschlag die Unversehrtheit von Leib und Leben anderer Menschen sowie ferner auch der Bestand fremden Eigentums bedroht werden. Die hier nur mittelbar erkennbare Opfergruppe „andere Menschen“ wäre nach dem Kriterium des BGH (Opferkennzeichnung in allgemeinen Wendungen) allerdings zu unkonkret für die Annahme einer öffentlichen Aufforderung gemäß § 111 StGB. Darüber hinaus wird sich auch aus dem Kontext der Aufforderung eine nähere bzw. eindeutigere Eingrenzung kaum ohne erhebliche Zweifel ermitteln lassen, selbst wenn die Motive des Auffordernden (z. B. politische oder religiöse Gründe) leicht zu erkennen sind. So können im hiesigen Beispiel vielfältige Aspekte hinsichtlich der avisierten Opfer in Betracht kommen. Der angedachte Anschlag könnte sich möglicherweise nur gegen politisch anders denkende oder religiös anders motivierte Menschen richten. Denkbar wäre es aber genauso, dass wahllos Menschen getötet und verletzt werden sollen, also alle Gäste des Cafés/Restaurants die sich rein zufällig zum Zeitpunkt des Anschlags dort befinden, unabhängig davon welcher politischen oder religiösen Ausrichtung sie anhängen. Obwohl sich hier also mehr als eine nur ganz allgemein gekennzeichnete Opfergruppe (andere Menschen) nicht ausmachen lässt, wird auch die höchstrichterliche Rechtsprechung kaum bestreiten können, dass einer solchen Aufforderung – deren hinreichende Ernstlichkeit vorausgesetzt – bereits eine objektive Gefährlichkeit innewohnt, welche die Bejahung des Tatbestands des § 111 StGB rechtfertigt. Betrachtet man weiterhin auch das von § 111 StGB ebenfalls geschützte Rechtsgut des inneren Gemeinschaftsfriedens so ist auch nicht ersichtlich, warum dieses nicht bereits im Fall einer Aufforderung zur Begehung einer Straftat gegen eine nur allgemein bezeichnete Opfergruppe beeinträchtigt sein kann. Schließlich besteht – was auch die beiden Entscheidungen des BGH zeigen – ebenso keine Notwendigkeit, die Strafbarkeit nach § 111 StGB bereits durch ein solches Konkretisierungserfordernis einzuschränken. Da es im jeweiligen Einzelfall ohnehin einer richterlichen Würdigung der Gesamtumstände1065, unter denen die Aufforderung getätigt wurde, bedarf, ist ein Ausschluss der Strafbarkeit wegen einer (isoliert betrachtet) tauglichen Aufforderung gegebenenfalls auch noch auf der Wertungsebene möglich. Im Ergebnis ist damit das Erfordernis einer Kennzeichnung des einen oder der mehreren avisierten Opfer in allgemeinen Wendungen abzulehnen.
1065
Rn. 6.
Hierzu insbesondere KG NJW 2001, 2896 (2896 f.); kritisch MK-Bosch, § 111
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
291
Nachdem vorliegend herausgearbeitet wurde, dass es mit dem Normzweck des § 111 StGB kaum zu vereinbaren ist, der öffentlichen Aufforderung eine Tatkonkretisierung wie bei der Anstiftung abzuverlangen oder zumindest eine Kennzeichnung des Opfers bzw. Angriffsobjekts in allgemeinen Wendungen zu fordern, erweist sich einzig und allein die h. M. als zutreffend. Demnach muss die Aufforderungsäußerung lediglich das vom Auffordernden gewünschte, durch (mindestens) einen Erklärungsempfänger zu begehende Delikt in einer Weise darstellen, dass dieses einem Straftatbestand zugeordnet werden kann. Darüber hinaus sind dann eine etwaige Opfergruppe oder sonstige Tatobjekte nur noch ganz allgemein zu bezeichnen. (5) Der Beschluss des OLG Stuttgart vom 26.02.2007 (4 Ss 42/2007) Im vorliegenden Zusammenhang von Interesse ist auch eine jüngere Entscheidung des OLG Stuttgart zu § 111 StGB, welche die öffentliche Aufforderung zur Begehung von Sachbeschädigungen – namentlich einer sog. „Feldbefreiung“ – über eine frei zugängliche Website zum Gegenstand hatte1066. Entgegen der h. M. im Schrifttum und der sonstigen Rechtsprechung zu § 111 StGB wurde dort im Hinblick auf die Konkretisierung der avisierten Straftat sogar die Mitteilung eines bestimmten Tatorts und einer bestimmten Tatzeit gefordert1067. Da im vorliegenden Fall zunächst jedoch nur die Begehung einer Sachbeschädigung im Rahmen einer Demonstration bzw. Kundgebung avisiert wurde, der genaue Ort und Termin dieser Veranstaltung hingegen erst noch zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben werden sollten, verneinte das Gericht das Vorliegen einer öffentlichen Aufforderung gemäß § 111 StGB und hob die diesbezügliche erstinstanzliche Verurteilung des Angeklagten auf 1068. Die alleinstehend gebliebene Entscheidung beruhte dabei jedoch auf einer deutlichen Fehlinterpretation der Voraussetzungen für ein i. S. v. § 111 StGB tatbestandsmäßiges Auffordern1069. So sei nach Ansicht des Gerichts für die obligatorische Unmittelbarkeit einer Aufforderung eine an die Adressaten gerichtete realisierbare Handlungsanweisung zur Begehung rechtswidriger Taten zu verlangen, welche jedenfalls ohne Angabe eines bestimmten Tatorts und einer bestimmten Tatzeit nicht denkbar sei1070. Einerseits blieb die Begründung der Entscheidung in diesem Punkt jedoch einen Beleg dieser Aussage schuldig. Andererseits verkannte das Gericht dabei 1066 OLG Stuttgart MMR 2007, 434 mit Anmerkung von Vassilaki, MMR 2007, 436; hierzu auch B. Heinrich, FS Heinz 2012, S. 728 (730 f.). 1067 Vgl. OLG Stuttgart MMR 2007, 434 (435 f.). 1068 Vgl. OLG Stuttgart MMR 2007, 434 (435 f.). 1069 Mit ausführlicher Kritik auch Vassilaki, MMR 2007, 436. 1070 Vgl. OLG Stuttgart MMR 2007, 434 (435 f.).
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
auch, dass sich das Unmittelbarkeitserfordernis als Merkmal des Aufforderungscharakters lediglich auf die Intensität der Willensbeeinflussung, nicht aber den Inhalt der Ansprache bezieht und regelmäßig schon durch eine appellative und ernstlich erscheinende Äußerung erfüllt wird1071. Anders gesagt: Für eine Aufforderung i. S. v. § 111 StGB reicht eine nur mittelbare bzw. indirekte Einwirkung auf die Entschlussfindung des/der Angesprochenen nicht aus1072. Vielmehr muss der Wunsch nach Tatausführung durch die Adressaten in Form einer appellativen Äußerung unmittelbar zum Ausdruck gebracht werden1073. Die Vorgabe einer realisierbaren Handlungsanleitung, welche – wie vom OLG Stuttgart gefordert1074 – auch eine bestimmte Tatzeit und einen bestimmten Tatort beinhaltet, ist dafür allerdings nicht erforderlich. Wie zuvor festgestellt1075, reicht es für die Verwirklichung einer öffentlichen Aufforderung zu Straftaten vielmehr schon aus, dass die avisierte Straftat in einer Weise dargestellt wird, wonach sie einer Strafnorm tatbestandlich zugeordnet werden kann und zudem eine Opfergruppe oder sonstige Tatobjekte nur ganz allgemein bezeichnet werden. Denn regelmäßig folgt bereits aus dem Umstand, dass bei einer Aufforderung zur Begehung von Straftaten gegenüber unüberschaubar vielen, nicht näher bestimmbaren Personen einerseits die Möglichkeit der Einflussnahme auf den weiteren Geschehensverlauf aus der Hand gegeben wird und andererseits eine höhere Wahrscheinlichkeit besteht, dass sich wenigstens einer der (für den Auffordernden nicht zu kontrollierenden) Adressaten allein schon durch eine grobe Kennzeichnung des Deliktstypus sowie der nur allgemeinen Benennung einer Opfergruppe oder eines Tatobjekts zur Begehung einer entsprechenden Straftat motiviert fühlen könnte, die Schaffung einer hinreichenden abstrakten Gefahr. Eine solche Gefahr hatte sich auch im hier diskutierten Fall bereits realisiert, denn solange die besagte Äußerung auf der frei zugänglichen Website von praktisch jedem Nutzer wahrgenommen werden konnte, war es dem Angeklagten mangels hinreichender Kenntnis und Überschaubarkeit der Rezipienten nicht möglich, hier noch einen Einfluss auf den weiteren Geschehensverlauf zu nehmen bzw. einen infolge der Aufforderung zur Tat Entschlossenen doch noch von der Durchführung einer Feldbefreiung abzubringen. Folgerichtig konnte es daher auch keine Rolle spielen, dass weitere Tatmodalitäten, welche eine Feldbefreiung i. S. d. Vorstellung des Auffordenden noch konkretisiert hätten, zunächst nicht bekanntgegeben wurden. Dass es trotz des Hinweises, dass ein bestimmter Tatort und eine bestimmte Tatzeit erst noch zu einem späteren Zeitpunkt mitgeteilt werden sollen, zur Bege1071 LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 17 f.; MK-Bosch, § 111 Rn. 6 f.; Schönke/ Schröder-Eser, § 111 Rn. 3. 1072 LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 17. 1073 LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 17 f.; MK-Bosch, § 111 Rn. 7; NK-Paeffgen, § 111 Rn. 12; Schönke/Schröder-Eser, § 111 Rn. 3; sowie bereits oben C.V.2.f)bb). 1074 Vgl. OLG Stuttgart MMR 2007, 434 (435 f.). 1075 Vgl. direkt zuvor C.V.3.a)cc)(4).
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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hung irgendeiner Feldbefreiung hätte kommen können, etwa weil einer der Rezipienten sofort handeln und nicht länger abwarten wollte, konnte der Angeklagte jedenfalls nicht mit Sicherheit ausschließen. Folglich nahm er zumindest billigend in Kauf, dass es bereits aufgrund der noch nicht näher konkretisierten Aufforderung zu entsprechenden Sachbeschädigungen hätte kommen können. Im Ergebnis verfügte der Angeklagte damit auch über einen hinreichenden bedingten Vorsatz, als er seine Aufforderung bewusst über die frei zugängliche Website publik machte. Infolge seiner Fehlinterpretation verkannte das OLG Stuttgart dies jedoch und verlangte vorliegend für eine öffentliche Aufforderung einen Grad an Konkretisierung hinsichtlich der Bezugstat, welcher mit dem Normzweck des § 111 StGB nicht vereinbar ist. Folglich ist auch diese Einzelmeinung abzulehnen. Fraglich bleibt allerdings, ob die Entscheidung des OLG Stuttgart, d.h. die Aufhebung der erstinstanzlichen Verurteilung des Angeklagten wegen § 111 StGB, auch im Ergebnis abzulehnen ist. Der Entscheidung wäre jedenfalls im Ergebnis zuzustimmen, wenn der Tatbestand der öffentlichen Aufforderung hier aus anderen Gründen (als der vermeintlich mangelnden Konkretisierung der zu begehenden Tat) nicht vorlag. Unter Berücksichtigung der gesamten Umstände kam das Gericht vorliegend zu der Ansicht, dass die relevante – Mitte August 2005 über eine Website veröffentlichte – Äußerung des Angeklagten (u. a. auch) deshalb keine unmittelbare Aufforderung i. S. v. § 111 StGB darstellte, weil durch diese zunächst nur ein allgemeiner Aufruf zu weiteren sowie eine Billigung vorangegangener Feldbefreiungen erfolgt sei1076. Die Abgabe einer i. S. v. § 111 StGB erforderlichen unmittelbaren Erklärung an die Motivation potenzieller Adressaten stand hingegen unter der Bedingung, dass sich zunächst eine ausreichende Anzahl von Personen zur Teilnahme an einer weiteren Feldbefreiung bereiterklären sollte, denn erst dann wollte der Angeklagte einen „Startschuss“ durch die Bekanntgabe eines genauen Orts und eines genauen Termins geben1077. Nach Ansicht des OLG Stuttgart lag in der zu bewertenden Äußerung praktisch also nur eine straflose Ankündigung hinsichtlich weiterer Aktionen der Gentechnikgegner vor. Tatsächlich behielt sich der Angeklagte einen weiteren Zwischenschritt vor, indem er den genauen Ort und Termin für die Feldbefreiung erst noch benennen wollte, so dass in seiner Äußerung eine noch straflose Vorbereitungshandlung zu einer Aufforderung i. S. v. § 111 StGB zu sehen sein könnte. Auch bei der versuchten Anstiftung zum Verbrechen nach § 30 I StGB stellt sich die Frage, ob ein hinreichendes Bestimmen schon dann vorliegt, wenn der Anstifter den Haupttäter hinsichtlich der präsumtiven Haupttat zwar instruiert, sich zugleich aber noch Möglichkeiten zur Steuerung des weiteren Gesche1076 1077
Vgl. OLG Stuttgart MMR 2007, 434 (435). So OLG Stuttgart MMR 2007, 434 (435).
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
hens offen hält1078. Wie bereits aufgezeigt, steht ein solcher Vorbehalt einem gemäß § 30 I StGB hinreichenden Bestimmen regelmäßig entgegen, weil der Anstifter den weiteren Geschehensablauf hierdurch noch nicht vollständig aus der Hand bzw. an den Haupttäter weitergibt1079. Anders als bei den diversen Formen der Anstiftung ist es für die Verwirklichung einer öffentlichen Aufforderung jedoch grundsätzlich erforderlich, dass die Veranlassung zur zukünftigen Begehung einer Straftat gegenüber einem unüberschaubar großen Adressatenkreis vorgenommen wird. Aus dieser Unbestimmtheit des Adressatenkreises folgt wiederum, dass der Auffordernde regelmäßig keine Kenntnis von der Person desjenigen haben kann, der anschließend eine entsprechende Straftat begeht. Wie zuvor dargelegt, ist aber gerade darin der maßgebliche Grund dafür zu sehen, dass es bei § 111 StGB auf eine Konkretisierung der zu begehenden Tat (durch die Vorgabe von Tatort, Tatzeit sowie den Umständen der Tatbegehung) nicht ankommen kann und die benannte Bezugstat allein einem Deliktstypus bzw. Tatbestand zuordenbar sein muss1080. Reicht es aber regelmäßig aus, dass der Auffordernde eine tatbestandlich zuordenbare Straftat darstellt, kann es der Tatbestandsverwirklichung auch nicht entgegenstehen, wenn selbiger sich die Abgabe eines finalen Startschusses (z. B. durch sukzessive Angabe weiterer Details zur avisierten Tat) noch vorbehält, denn auch hiernach bleibt es für ihn nämlich vollkommen ungewiss, ob sich tatsächlich alle Angesprochenen an einen solchen Vorbehalt gebunden fühlen. Infolge der Unkontrollierbarkeit des Adressatenkreises muss der Auffordernde vielmehr stets damit rechnen, dass die von ihm benannte Bezugstat unter anderen Modalitäten, als den von ihm angenommenen, ausgeführt wird und dass auch der Vorbehalt eines Startschusses keineswegs stringente Beachtung unter den Angesprochenen finden muss. Zusammenfassend festhalten lässt sich nach alledem, dass in dem vorliegenden Fall eine derartige Kennzeichnung der präsumtiven Tat erfolgte, dass diese von den Adressaten als Sachbeschädigung (§ 303 StGB) an gentechnisch veränderten Maispflanzen eingeordnet werden konnte. Zudem war objektiv erkennbar, dass von dem Angeklagten die Begehung dieser Straftaten durchaus erwünscht wurde. Auch wenn der Angeklagte sich hier vorbehielt, weitere Details für die nächste von ihm geplante Aktion noch folgen zu lassen, so konnte er mangels konkreter Kenntnis der Angesprochenen doch kaum das wirkliche Reaktionsverhalten eines jeden Einzelnen von ihnen einschätzen. Demnach konnte er es wiederum aber auch nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen, dass sich nicht möglicherweise bereits einer oder mehrere Adressaten infolge seiner schon getätigten 1078 Vgl. dazu bereits oben C.V.2.b)ee) mit besonderer Berücksichtigung von BGHSt 50, 142. 1079 Vgl. wiederum oben C.V.2.b)ee). 1080 Vgl. direkt zuvor C.V.3.a)cc)(4).
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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Ankündungsäußerung hinreichend zur Begehung weiterer Feldbefreiungen motiviert fühlen könnten und entsprechende Taten eigenmächtig – d.h. ohne weitere Detailangaben hinsichtlich Zeit und Ort abzuwarten – begehen würden. Genau dies ist jedoch die (abstrakte) Gefahrenlage, welcher § 111 StGB entgegenwirken soll und zugleich der situative Unterschied zur Anstiftung, bei der dem Anstifter eine solche Verhaltensprognose aufgrund der individuellen Kenntnis bzw. Bestimmbarkeit der Person des Haupttäters durchaus möglich sein kann1081. Vorliegend bedeutet dies, dass der Entscheidung des OLG Stuttgart insgesamt nicht zugestimmt werden kann. Eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen öffentlicher Aufforderung zur Sachbeschädigung wäre unbeschadet dessen, dass er konkretisierende Angaben zu Tatzeit und Tatort erst zu einem späteren Zeitpunkt machen wollte, zu bejahen gewesen, denn bereits durch seine getätigte Äußerung wurde die Gefahr geschaffen, dass es zur Begehung weiterer Feldbefreiungsaktionen kommt. Ferner kann in der hier relevanten Äußerung auch keine bloße tatbestandslose Unmutsäußerung gesehen werden1082, weil der Angeklagte wusste bzw. wissen musste, dass die Realisierung der von ihm angesonnenen Sachbeschädigungen keineswegs unwahrscheinlich war, nachdem es bereits kurz zuvor auf nahezu identische Art und Weise zu einer solchen Aktion kam1083. Schließlich dürfte auch das weitere von § 111 StGB geschützte Rechtsgut des inneren Gemeinschaftsfriedens bereits hinreichend beeinträchtigt worden sein, da auch ein zeitlich und örtlich noch unkonkreter bzw. unter Vorbehalt stehender öffentlicher Aufruf zum Herausreißen von gentechnisch veränderten Maispflanzen geeignet ist, Unruhe in der Bevölkerung zu stiften und das Vertrauen der Gesellschaft in die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung zu erschüttern. Hiernach ist festzuhalten, dass es widersprüchlich erscheint, eine Strafbarkeit nach § 111 StGB zu verneinen bzw. von einer (noch straflosen) Vorbereitungshandlung auszugehen, wenn sich der Auffordernde hinsichtlich der von ihm benannten zukünftigen Tat noch diverse Optionen offen hält, eine hinreichende Beschreibung dieser Tat in entsprechend appellativer Art und Weise aber schon 1081 Vgl. in diesem Zusammenhang Kühl, NStZ 2006, 94 (95), der in seiner Anmerkung zu BGHSt 50, 142 auch deshalb davon ausgeht, dass sich der dort Angeklagte nicht wegen versuchter Anstiftung zum Mord strafbar gemacht hat, weil dieser dem vermeintlichen Haupttäter, einem verdeckt ermittelnden Polizeibeamten, noch ein finales Startzeichen geben wollte und dabei keine Anzeichen dafür vorlagen, dass der vermeintlich Angestiftete auch ohne ein solches Zeichen zur Tatbegehung schreiten würde. 1082 So aber LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 23. 1083 Anders lag der Fall beispielsweise in einer Entscheidung des KG vom 29.06. 2001, in der das Gericht Aufrufe zur Befehlsverweigerung und zur Fahnenflucht in einer Tageszeitung im Wesentlichen deshalb nicht für tatbestandsmäßig hinsichtlich § 111 StGB hielt, weil es den Unterzeichnenden ersichtlich nicht darauf ankam, „[. . .] in einer militärischen Auseinandersetzung einer Seite zum Nachteil der gegnerischen durch massenhafte Befehlsverweigerungen oder Fahnenflucht zum Sieg zu verhelfen [. . .]“, KG NJW 2001, 2896 (2897).
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
abgegeben hat, denn bereits dann ist die abstrakte Gefahr entstanden, dass ein nicht individualisierter zukünftiger Täter zur Realisierung einer dem Deliktstypus entsprechenden Tat motiviert worden ist. Da es bei § 111 StGB für die Konkretisierung der zukünftigen Tat nicht auf die Angabe eines genauen Zeitpunkts, eines genauen Tatorts und näherer Begehungsmodalitäten ankommt, kann insbesondere der Vorbehalt, diese Informationen noch zu einem späteren Zeitpunkt mitzuteilen, der Verwirklichung einer öffentlichen Aufforderung nicht per se entgegenstehen. Das diesbezüglich zu § 30 I StGB gefundene Ergebnis1084 kann damit nicht auf die öffentliche Aufforderung nach § 111 StGB übertragen werden. Vielmehr sind von dem Auffordernden hinsichtlich der Begehung der avisierten Tat gesetzte „aufschiebende Bedingungen“ wirkungslos, wenn eine an sich taugliche – d.h. hinreichend konkretisierte und intensive bzw. appellative – Aufforderung bereits vorliegt. dd) Zusammenfassung Die Untersuchung zum Problem der Konkretisierung der in Aussicht genommenen Straftat im Hinblick auf die Anstiftung (§§ 26, 30 I StGB) und die initiative Bereitschaftserklärung (§ 30 II Alt. 1 StGB)1085, die Verbrechensverabredung (§ 30 II Alt. 3 StGB)1086 und die öffentliche Aufforderung (§ 111 StGB)1087 hat zunächst ergeben, dass insbesondere die voneinander abweichenden Umstände und die der jeweiligen Kommunikationshandlung eigene Einwirkungsintensität sich auch entsprechend auf das Konkretisierungserfordernis hinsichtlich der zu begehenden Straftat auswirken. Dabei ergeben sich die höheren Anforderungen grundsätzlich für die Formen der individuellen Kommunikation, d.h. die Formen der Anstiftung, die initiative Bereitschaftserklärung und die Verbrechensverabredung. So ist es bei der Bestimmungsäußerung im Rahmen von §§ 26, 30 I StGB und der initiativen Bereitschaftserklärung nach § 30 II Alt. 1 StGB erforderlich, die zu begehende Straftat in Form eines durch eine hinreichende Anzahl konkretindividualisierender Tatmerkmale gekennzeichneten Tatgeschehens darzustellen, wobei es Frage des jeweiligen Einzelfalls ist, welche Tatmerkmale diesbezüglich von Bedeutung sind1088. Ebenso hohen Anforderungen unterliegt die Verbrechensverabredung nach § 30 II Alt. 3 StGB. Auch hier ist eine Konkretisierung der (mittäterschaftlich) zu begehenden Tat – d.h. des präsumtiven Verbrechens – in deren wesentlichen Grundzügen erforderlich, was bedeutet, dass es zwar nicht ausreichen kann, sich nur zur Begehung eines allein tatbestandlich gekennzeich1084 1085 1086 1087 1088
Vgl. dazu oben C.V.2.b)ee). Vgl. oben C.V.3.a)aa). Vgl. oben C.V.3.a)bb). Vgl. oben C.V.3.a)cc). Vgl. auch oben C.V.3.a)aa)(3).
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neten Verbrechens zu verabreden, es aber einer hinreichend konkretisierten Verabredung wiederum nicht entgegensteht, wenn z. B. die Tatzeit, der Tatort oder Details der Ausführung bloß im Einzelnen noch offen bleiben1089. Demgegenüber bestehen geringere Anforderungen an die Tatkonkretisierung bei der öffentlichen – nicht individuellen – Aufforderung nach § 111 StGB. Ausreichend ist es hier bereits, dass der Auffordernde das von ihm gewollte Delikt derart beschreibt, dass dieses einem Straftatbestand zugeordnet werden kann und sich dessen Begehung auf eine lediglich allgemein bezeichnete Opfergruppe oder sonstige Tatobjekte bezieht1090. Als unproblematisch erweist sich die Frage nach der hinreichenden Konkretisierung der zu begehenden Straftat schließlich für die §§ 130a und 91 StGB sowie für § 52 I Nr. 4 WaffG. Bereits aus den hierzu jeweils erfolgten Ausführungen1091 ergibt sich, dass es für die Verwirklichung dieser Tatbestände nicht erforderlich ist, eine bestimmte zukünftige Straftat z. B. nach ihrem Tatort, ihrer Tatzeit, ihrem Tatopfer und ihren Begehungsmodalitäten zu konkretisieren1092. Vielmehr reicht es hier regelmäßig schon aus, dass eine vollständig abstrakt gehaltene Anleitung bzw. Aufforderung zur Realisierung einer Katalogtat des § 126 I StGB (bei § 130a StGB)1093, einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemäß § 89a I 2 StGB (bei § 91 I Nr. 1 StGB) oder zur Herstellung eines in § 40 I i.V. m. Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.4 WaffG genannten Gegenstands (bei § 52 I Nr. 4 WaffG) verbreitet bzw. geäußert wird. b) Das Problem der hinreichenden Konkretisierung des Täters der in Aussicht genommenen Tat Die Frage nach der hinreichenden Konkretisierung lässt sich nicht nur bezüglich der avisierten Straftat, sondern auch hinsichtlich derjenigen Person stellen, welche die in Aussicht genommene Tat begehen soll. Der Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit des einen oder der mehreren zukünftigen Täter kann dabei die Funktion eines wesentlichen Abgrenzungskriteriums zwischen einigen der für die vorliegende Arbeit relevanten Tatbeständen zukommen. So gilt die Bestimmbarkeit des Adressatenkreises insbesondere als bedeutsames Merkmal, um zwischen den Formen der Anstiftung (§§ 26, 30 I StGB) einerseits und der öffentlichen Aufforderung (§ 111 StGB) andererseits zu unterscheiden1094. Dabei steht dem 1089
Vgl. auch oben C.V.3.a)bb)(4). Vgl. auch oben C.V.3.a)cc)(4). 1091 Vgl. bereits oben C.V.2.g)aa) zu § 130a StGB, C.V.2.h) zu § 91 StGB und C.V.2.i) zu § 52 I Nr. 4 WaffG. 1092 Diesbezüglich zu § 130a StGB auch LK-Krauß, 12. Aufl., § 130a Rn. 2; MKSchäfer, § 130a Rn. 2. 1093 Rogall, GA 1979, 11 (20). 1094 LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 30; MK-Bosch, § 111 Rn. 11; Roxin, AT II, § 26 Rn. 148 f.; Thalheimer, S. 34; sowie auch oben C.V.2.f)aa) und C.V.2.f)bb). 1090
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
Begriff des „zahlenmäßig überschaubaren und individuell bestimmten Adressatenkreises“ jener der „Öffentlichkeit“ praktisch komplementär gegenüber. Bei Fallkonstellationen in denen jedoch nicht eindeutig ist, ob entweder mehrere (noch) überschau- und individualisierbare Personen oder aber (schon) ein unüberschaubar großer Kreis nicht individualisierbarer Adressaten – also die Öffentlichkeit – angesprochen wird (um zumindest irgendeinen der Erklärungsempfänger zur Begehung der angesonnenen Tat zu motivieren)1095, kann eine entsprechende tatbestandliche Zuordnung der zu bewertenden Kommunikationshandlung mitunter problematisch sein. Um in einem solchen Fall eine trennscharfe Abgrenzung der in Betracht kommenden Normen – insbesondere der Anstiftung und der öffentlichen Aufforderung – und eine stimmige tatbestandliche Zuordnung des zu bewertenden Kommunikationsverhaltens vornehmen zu können, wird es regelmäßig auf eine exakte Anwendung der Begriffe der „Bestimmtheit bzw. der Bestimmbarkeit des Adressatenkreises“ und der „Öffentlichkeit“ ankommen. So kann beispielsweise die Situation einer großen öffentlichen Kundgebung mit mehreren tausenden Teilnehmern von politischen Extremisten dazu genutzt werden, Flugblätter, welche die eindeutige und unmissverständliche Aufforderung zur Begehung von Attentaten auf bestimmte namentlich benannte Politiker am nächsten Wahlsonntag enthalten, unter das Volk zu bringen. Werden diese Flugblätter dabei gezielt an nach objektiven Kriterien ausgewählte Teilnehmer der Kundgebung (z. B. nur Männer welche von ihrer körperlichen Verfassung her zur eigenhändigen Begehung eines Attentats geeignet erscheinen) verteilt und dies sogar noch mit einem klärenden individuellen „Beratungsgespräch“ verbunden, um sicherzustellen, dass die Aufforderung auch gerade durch den jeweils konkret Angesprochenen realisiert wird, wird es sich wohl regelmäßig um eine Anstiftung bzw. eine versuchte Verbrechensanstiftung handeln. Weniger eindeutig erweist sich der Fall aber schon dann, wenn z. B. zehn „Aktivisten“ jeweils 100 Exemplare der besagten Flugblätter mehr oder weniger wahllos an andere Besucher der Kundgebung verteilen. Zwar ist im zweiten Fall die Anzahl der Flugblätter (insgesamt 1000 Stück) und damit auch der zahlenmäßige Umfang der direkt angesprochenen Personen bekannt, sofern alle Flugblätter tatsächlich verteilt wurden. Dennoch scheint fraglich, ob hier – mangels einer wirklichen Auswahl der willkürlich angesprochenen 1000 Kundgebungsteilnehmer – (noch) von einem zahlenmäßig überschaubaren sowie individuell bestimmten Personenkreis gesprochen und folglich eine (versuchte) Anstiftung angenommen werden kann oder ob es sich nicht vielmehr (schon) bzw. auch um einen Fall der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten handelt. Hinzu kommt hier, dass – ebenfalls anders als in einer „klassischen“ Anstiftungssituation – die mittels der Flugblätter erfolgte Ansprache auch nicht mit Sicherheit auf die zunächst in den Blick ge1095
Vgl. zu derartigen Fallkonstellationen ebenfalls bereits oben C.V.2.f)bb).
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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nommenen Empfänger, also diejenigen denen ein solches Flugblatt von den „Aktivisten“ unmittelbar ausgehändigt wurde, begrenzbar ist. Diese können in der vorliegend beschriebenen Situation nämlich genauso gut bloße Erstempfänger darstellen und als solche das jeweils erhaltene Flugblatt entweder weitergeben oder einfach wegwerfen und dadurch der Kenntnisnahme weiterer Personen preisgeben. Kommt es zu einer solchen Kenntnisnahme durch weitere Personen, werden jene dann ebenfalls durch die auf dem Flugblatt schriftlich fixierte allgemeine Aufforderung zur Begehung von Attentaten angesprochen1096. Das vorangehend skizzierte Beispiel macht deutlich, dass die Problematik der jeweils hinreichenden personenmäßigen Bestimmtheit letztlich auf eine Abgrenzungsfrage hinausläuft1097. Konkret ist zu untersuchen, wann – im Hinblick auf die angesprochenen Personen – noch von einer (versuchten) Anstiftung oder aber schon von einer öffentlichen Aufforderung auszugehen ist. Da bei § 111 StGB bereits der Wortlaut des Absatzes 1 die öffentliche Begehung verlangt, steht fest, dass sich die Ansprache des Auffordernden regelmäßig an einen zahlenmäßig unüberschaubaren und individuell unbestimmten Personenkreis richten muss. Zur Beantwortung der Abgrenzungsfrage zwischen Anstiftung und öffentlicher Aufforderung wird es also entscheidend darauf ankommen, welche Anforderungen an die Konkretisierung des Haupttäters bei den Formen der Anstiftung (§§ 26, 30 I StGB) zu stellen sind. Nachdem diese Frage geklärt worden ist, wird eine konsequente Aussage über das Zusammenspiel bzw. das Verhältnis von Anstiftung und öffentlicher Aufforderung getroffen werden können1098. Zwar ist das Problem der Abgrenzung zwischen (versuchter) Anstiftung und öffentlicher Aufforderung anhand der angesprochenen, als mögliche Täter der Haupt- bzw. Bezugstat vom Anstifter bzw. Auffordernden in Betracht gezogenen Personen keineswegs erst im Zuge der Internetkommunikation aufgekommen. Gleichwohl gewinnt die tatbestandliche Differenzierung zwischen individuellen (einem mindestens zahlenmäßig überschaubaren oder individuell bestimmten Adressatenkreis) und allgemeinen Ansprachen (weder zahlenmäßig überschaubarer noch individuell bestimmbarer Adressatenkreis) angesichts der Bandbreite vielfältigster Internetkommunikationsmittel an neuer Bedeutung1099. Schon mehrfach wurde hier aufgezeigt, dass das Internet und insbesondere auch das WWW die interpersonale Kommunikation revolutioniert haben. Die individuelle wie auch die massenhafte bzw. allgemeine direkte Kommunikation zwischen Menschen, ebenso wie sonstige Formen der Zugänglichmachung von Inhalten/Informationen lassen sich im virtuellen Raum des Internets zumeist binnen kürzester Zeit weltumspannend und ohne Rücksicht auf real existierende Grenzen ver1096 1097 1098 1099
Zum Verteilen von Flugblättern auch Kissel, S. 163 ff. Vgl. diesbezüglich auch schon oben C.V.2.a)cc). Vgl. unten C.V.3.b)bb)(4). Vgl. dazu auch oben C.V.2.a)cc)
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
wirklichen. Dies wiederum lässt auch den Bereich strafbaren Kommunikationsverhaltens nicht unberührt1100. Wie die bereits angesprochene Entscheidung des OLG Stuttgart vom 26.02.20071101 zeigt, kann gerade der Umstand einer leicht und schnell, praktisch „von zu Hause aus“ generierbaren Öffentlichkeit (z. B. durch Nutzung frei zugänglicher, gegebenenfalls sogar unmoderierter Foren oder Chatrooms oder Erstellung eigener, frei abrufbarer Websites) durchaus auch dazu genutzt werden, um andere beispielsweise zur Begehung eigener Straftaten aufzufordern oder anzuleiten1102. Genauso wie für Massenansprachen mit unbestimmbar vielen Adressaten bieten das Internet und das WWW auch diverse Möglichkeiten, individuell bestimmte Adressaten zur Begehung von Straftaten zu veranlassen (z. B. durch Versenden einer individuellen E-Mail oder Nutzung eines nicht öffentlichen Chatrooms mit einer überschaubaren Anzahl von Nutzern). Hiernach steht fest, dass der Grad der Konkretisierung bzw. die Bestimmbarkeit des einen oder der mehreren in Aussicht genommenen möglichen Täter einer zukünftigen Straftat auch und gerade für die strafrechtliche Beurteilung von Kommunikationshandlungen im Internet von großer Bedeutung sein kann. Insofern kann es der aktuellen Situation auch nicht in ausreichendem Maße gerecht werden, wenn sämtliches Kommunikationsverhalten im Internet ohne Differenzierung nach dem jeweils konkret verwendeten Kommunikationsmittel als öffentlich bzw. als Massenkommunikation mit individuell unbestimmbaren Teilnehmern deklariert würde1103. aa) Erforderlichkeit und Umfang der Problemdiskussion Bevor mit der konkreten Problemanalyse begonnen werden kann, ist zunächst allerdings noch zu klären, für welche Tatbestände die Frage nach der hinreichenden Bestimmbarkeit des Täters der in Aussicht genommenen Tat bzw. dem Komplementärmerkmal der Öffentlichkeit überhaupt relevant wird. 1100
Wandtke-B. Heinrich, Band 5 Kapitel 5 Rn. 283. OLG Stuttgart MMR 2007, 434; sowie ausführlich bereits oben C.V.3.a)cc)(5). 1102 Vgl. diesbezüglich auch den Sachverhalt, welcher der Entscheidung des BayObLG NJW 1998, 1087 zugrunde lag; dazu auch oben C.V.2.i). In diesem Zusammenhang auch Pörksen, Deutschlandradio Kultur vom 30.05.2012 unter http:// www.dradio.de/dkultur/sendungen/politischesfeuilleton/1769368/ (zuletzt abgerufen am 10.08.2012). 1103 So aber z. B. noch MK-Joecks, § 30 Rn. 29 und SK-Hoyer, Vor § 26 Rn. 55, § 30 Rn. 27, die unter einem „Anstiftungsversuch per Internet“ offenbar pauschal bzw. ausschließlich die Ansprache nicht individualisierter Personen verstehen. Ähnlich zur Anstiftung Rengier, AT, § 45 Rn. 51. Auch Kraft/Meister, MMR 2003, 366 (372) gehen ohne weitere Differenzierung davon aus, dass das Internet einem mehr oder weniger unbestimmten und unbestimmbaren Personenkreis zugänglich ist und daher eine dort geäußerte Aufforderung das Merkmal der Öffentlichkeit verwirklicht. Differenzierend nach der jeweiligen Bestimmbarkeit der angesprochenen Personen hingegen u. a. schon LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 37; MK-Bosch, § 111 Rn. 18; Satzger/Schmitt/Widmaier-Fahl, § 111 Rn. 4; Sieber, JZ 1996, 494 (495 f.). 1101
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
301
Die vorangehenden Ausführungen haben bereits deutlich gemacht, dass die sich gegenüberstehenden Begriffe der „Bestimmbarkeit des Adressatenkreises“ und der „Öffentlichkeit“ als ganz wesentliche Merkmale dienen, um zwischen den Formen der Anstiftung einerseits und der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten andererseits abzugrenzen. Daher erweist sich die hier zu diskutierende Frage also in jedem Fall für die §§ 26, 30 I StGB als relevant1104. Da die Entscheidung der Frage nach der erforderlichen Bestimmbarkeit für die §§ 26, 30 I StGB auch direkte Auswirkungen auf die Abgrenzung zu § 111 StGB hat, ist auch der Tatbestand der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten hiervon tangiert1105. Neben § 111 StGB ist zudem auch § 130a StGB betroffen. Dies folgt für § 130a I und II Nr. 1 StGB bereits daraus, dass es sich um Verbreitungsdelikte handelt, für deren Verwirklichung regelmäßig die Begehung – d.h. das Verbreiten bzw. das öffentliche Zugänglichmachen1106 einer entsprechenden Anleitungsschrift – gegenüber einem zahlenmäßig unüberschaubaren und individuell unbestimmten Adressatenkreis erforderlich ist. Das mündliche Äußerungsdelikt des § 130a II Nr. 2 StGB hingegen weist von seiner Tatbestandsfassung her deutliche Parallelen zu § 111 I StGB auf und verlangt ebenso wie dieser eine Begehung explizit „[. . .] öffentlich oder in einer Versammlung [. . .]“. Da die Anforderungen an das Merkmal der Öffentlichkeit bei § 130a StGB aber nicht von denen bei § 111 StGB abweichen bzw. es sich um eine identische Situation handelt1107, können die diesbezüglichen Feststellungen zu § 111 StGB auf § 130a StGB übertragen werden, so dass es hier einer gesonderten Problemdiskussion nicht bedarf. § 91 I Nr. 1 StGB verfügt im Hinblick auf die Adressaten hingegen über einen eher missverständlichen bzw. widersprüchlichen Wortlaut, denn einerseits spricht dieser von einem Zugänglichmachen der Anleitungsschrift gegenüber „einer anderen Person“, stellt zugleich aber auch auf die „Umstände der Verbreitung“ ab. Dass die hier vom Gesetzgeber gewählte Formulierung „[. . .] einer anderen Person zugänglich macht [. . .]“ als unnötig bzw. überflüssig zu betrachten und § 91 I Nr. 1 StGB nur dann als abstraktes Gefährdungsdelikt zu legitimieren ist, wenn das Zugänglichmachen einer inhaltlich neutralen Anleitung gegenüber einem „[. . .] (un-)bestimmbaren Kreis einer Vielzahl von Personen [. . .]“ 1108 erfolgt, wurde bereits an anderer Stelle dargelegt1109. Daraus folgt, dass das Anpreisen bzw. Zugänglichmachen der betreffenden Informationen gegenüber nur einer einzigen Person nicht ausreichen kann, so dass hier mindestens die Weitergabe an
1104 1105 1106 1107 1108 1109
Vgl. dazu auch sogleich unten C.V.3.b)bb). Vgl. zu spezifischen Einzelfragen im Hinblick auf § 111 StGB unten C.V.3.b)cc). Vgl. zu diesen Handlungsvarianten bereits oben C.IV.3. Rogall, GA 1979, 11 (20). Gazeas/Grosse-Wilde/Kießling, NStZ 2009, 593 (602). Vgl. dazu sowie zu § 91 StGB insgesamt auch ausführlich oben C.V.2.h).
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
einen größeren Personenkreis erforderlich ist. Folglich muss der objektive Tatbestand dann aber erst recht als verwirklicht gelten, wenn das Zugänglichmachen gegenüber einer vollkommen unbeschränkten Öffentlichkeit – d.h. einem zahlenmäßig unüberschaubaren und individuell unbestimmten Personenkreis – stattfindet, da die abstrakte Gefahr, dass eine andere Person einen Tatentschluss zur Realisierung einer schweren Gewalttat fasst, in diesem Fall am größten ist. Dies lässt wiederum die Schlussfolgerung zu, dass bei § 91 I Nr. 1 StGB eine weitergehende Bestimmbarkeit des einen oder der mehreren möglichen späteren Täter nicht verlangt werden kann. Nicht relevant wird die Frage hingegen für § 30 II Alt. 1 StGB in Form der Annahme einer Aufforderung (reaktive Bereitschaftserklärung)1110 sowie für die Annahme eines Sich-Erbietens gemäß § 30 II Alt. 2 StGB und die Verabredung zur gemeinschaftlichen Begehung eines Verbrechens gemäß § 30 II Alt. 3 StGB. Im Fall der Annahme einer Aufforderung gemäß § 30 II Alt. 1 StGB erklärt sich eine Person gegenüber dem Initiator zur Ausführung des von ihm angedachten Verbrechens bereit1111. Regelmäßig bringt es diese Konstellation mit sich, dass spätestens mit der Entäußerung der reaktiven Bereitschaftserklärung der sich Bereiterklärende als Täter der präsumtiven Tat feststeht und damit eine vollständige konkret-individuelle Bestimmtheit vorliegt. Auch in der Konstellation des § 30 II Alt. 2 StGB, bei der die Annahme eines Sich-Erbietens (initiative Bereitschaftserklärung) erfolgt, erübrigt sich das Erfordernis der Konkretisierung des Täters der präsumtiven Tat, denn sowohl für den sich Erbietenden als auch für den Annehmenden steht fest, dass der sich Erbietende das angesonnene Verbrechen begehen soll1112. Da die Annahmeerklärung das Angebot, durch welches sich der sich Erbietende bereits selbst als Täter des präsumtiven Verbrechens zu erkennen gibt, nur noch bestätigen muss, bedarf es hierbei einer personalen Konkretisierung regelmäßig nicht mehr. Die Bestimmtheit des Täters der zukünftigen Tat ist dieser Fallgestaltung also immanent. Ebenso verhält es sich schließlich auch mit der dritten Alternative des § 30 II StGB, der Verabredung zur gemeinschaftlichen Begehung eines Verbrechens. Wie bereits aufgezeigt, ist es hierfür erforderlich, dass mindestens zwei Personen miteinander verabreden, in der Zukunft als Mittäter ein Verbrechen zu begehen und diesbezüglich einen entsprechenden gemeinsamen Tatplan aufstellen1113. Dies hat aber zwingend zur Folge, dass für die Strafbarkeit der an der Absprache Beteiligten eine weitere Täterkonkretisierung im Hinblick auf die präsumtive Tat nicht erforderlich und praktisch auch nicht möglich ist, denn nach einer solchen Vereinbarung kann regelmäßig keine Un1110 Eigens zur Bereitschaftserklärung nach § 30 II Alt. 1 StGB in Form des Sich-Erbietens hingegen unten C.V.3.b)dd). 1111 Vgl. zu § 30 II Alt. 1 StGB in Form der Annahme einer Aufforderung auch oben C.V.2.c)bb). 1112 Vgl. diesbezüglich zu § 30 II Alt. 2 StGB auch oben C.V.2.d)aa). 1113 Vgl. diesbezüglich zu § 30 II Alt. 3 StGB auch oben C.V.2.e)aa).
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
303
klarheit mehr darüber bestehen, dass die sich Verabredenden auch individuell als Täter des geplanten Verbrechens feststehen. Schließlich ist für § 52 I Nr. 4 WaffG festzuhalten, dass es für dessen tatbestandliche Verwirklichung nicht darauf ankommt, ob die Anleitung oder Aufforderung zur Herstellung eines entsprechenden Brand- bzw. Sprengsatzes1114 gegenüber einem hinreichend bestimmten Adressatenkreis oder gegenüber der Öffentlichkeit erfolgt. Da es sich bei § 52 I Nr. 4 WaffG, wie bereits aufgezeigt1115, insgesamt um ein Äußerungsdelikt handelt, wäre es hier – wie im Fall von § 111 StGB – erforderlich gewesen, die Möglichkeit einer ausschließlich öffentlichen Begehung explizit tatbestandlich zu normieren. Da dies jedoch nicht der Fall ist, muss eine Verwirklichung des Tatbestands bereits dann vorliegen, wenn der Täter lediglich eine oder mehrere andere hinreichend bestimmte Personen zur Herstellung entsprechender Waffen anleitet oder auffordert. Dies schließt allerdings eine öffentliche Begehung – d.h. gegenüber einem zahlenmäßig unüberschaubaren und individuell unbestimmten Personenkreis – nicht aus1116. Vielmehr kann in einem solchen Fall eine Idealkonkurrenz zu § 111 StGB bestehen1117. Da § 52 I Nr. 4 WaffG sowohl gegenüber einem hinreichend bestimmten Adressaten als auch in einer Öffentlichkeitssituation verwirklicht werden kann, erweist sich die vorliegend zu diskutierende (Abgrenzungs)Frage für diesen Tatbestand nicht von weiterer Relevanz. bb) Die Abgrenzung zwischen Anstiftung (§§ 26, 30 I StGB) und öffentlicher Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB) anhand der angesprochenen Adressaten Im Rahmen der Anstiftung besteht über die hier zu diskutierende Frage zunächst in dem Punkt Einigkeit, dass jedenfalls nicht eine bestimmte Einzelperson als in Aussicht genommener Haupttäter angesprochen werden muss, sondern es vielmehr ausreicht, wenn sich eine beliebige Person aus einem individuell bestimmten Personenkreis motivieren lässt bzw. – im Fall der versuchten Verbrechensanstiftung – motiviert werden soll1118. Ob eine Anstiftung jedoch auch dann noch verwirklicht werden kann, wenn sich die zum Bestimmen des Haupttäters eingesetzte Äußerung an einen für den Initiator vollkommen unüberschaubaren und nicht zu individualisierenden Personenkreis richtet, ist hingegen umstritten. In diesem Zusammenhang ist der Blick außerdem auch auf die öffentli1114 Für eine detaillierte Begriffsbestimmung Gade/Stoppa, Anlage 1 Rn. 117; Steindorf/Heinrich/Papsthart-B. Heinrich, § 1 WaffG Rn. 23 f. 1115 Vgl. zu § 52 I Nr. 4 WaffG auch oben C.V.2.i). 1116 MK-B. Heinrich, § 52 WaffG Rn. 47. 1117 MK-B. Heinrich, § 52 WaffG Rn. 47; Steindorf/Heinrich/Papsthart-B. Heinrich, § 52 WaffG Rn. 26. 1118 Roxin, AT II, § 26 Rn. 148.
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
che Aufforderung zu Straftaten zu richten, bei der bereits die Normenüberschrift erkennen lässt, dass sich die Ansprache hier an einen zahlenmäßig unüberschaubaren und individuell unbestimmten Adressatenkreis richten muss. Zunächst zu klären ist daher, welche Anforderungen hinsichtlich der Adressaten einer Anstiftung zu stellen sind1119. Darauf aufbauend wird dann festgestellt werden können, in welchem Verhältnis Anstiftung und öffentliche Aufforderung hinsichtlich der Äußerungsadressaten stehen und wie – gegebenenfalls – eine Abgrenzung der Tatbestände voneinander möglich ist1120. (1) Die Erforderlichkeit eines zumindest zahlenmäßig überschaubaren bzw. individuell bestimmten Adressatenkreises bei der Anstiftung Eine vielfach vertretene Ansicht hält es für erforderlich, dass der Anstifter mit seiner zum Bestimmen eines anderen eingesetzten Äußerung einen aus seiner Sicht zumindest zahlenmäßig überschaubaren bzw. individuell bestimmten Adressatenkreis, aus dem sich dann jedenfalls ein Haupttäter konkretisieren können soll, ansprechen muss1121. Diese Ansicht gründet auf der Annahme, dass der von dem Anstifter zu verwirklichende eigene Rechtsgutsangriff – dem Wesen der Anstiftung entsprechend – ein finaler sein müsse1122. Das strafwürdige Unrecht des Anstifters bestehe demnach darin, dass selbiger die Rechtsgutsgefährdung bzw. -verletzung zweckbewusst verursache, indem er die Tat durch einen anderen zur Ausführung bringe1123. Dies aber erfordere grundsätzlich „[. . .] eine gezielte Beeinflussungsmöglichkeit [. . .] an der es bei völliger Unklarheit über die etwaige Person eines Täters fehlt [. . .]“ 1124. Dass dem Anstifter der Erfolg der Haupttat so zugerechnet wird, wie dem Haupttäter selbst, könne nämlich nur dann gerechtfertigt sein, wenn der Anstifter „[. . .] den Kausalverlauf mehr oder weniger steuern und beherrschen kann [. . .]“ 1125. Dies aber setze wiederum eine individuelle Bestimmbarkeit des Adressatenkreises voraus1126.
1119
Vgl. dazu sogleich C.V.3.b)bb)(1) bis (3). Vgl. dazu unten C.V.3.b)bb)(4). 1121 Vgl. B. Heinrich, AT, Rn. 1288; Kühl, § 20 Rn. 188 f.; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26 Rn. 48, § 30 Rn. 25; MK-Joecks, § 26 Rn. 58 f., § 30 Rn. 30; Rengier, AT, § 45 Rn. 51; Rogall, GA 1979, 11 (12 ff.); Roxin, AT II, § 26 Rn. 148 f.; Satzger/ Schmitt/Widmaier-Murmann, § 26 Rn. 9; Schönke/Schröder-Heine, § 26 Rn. 18, § 30 Rn. 20; Thalheimer, S. 34. 1122 Rogall, GA 1979, 11 (12). 1123 Rogall, GA 1979, 11 (12 f.), der zugleich darauf hinweist, dass mit der Formulierung „durch einen anderen“ nicht etwa die Fälle der mittelbaren Täterschaft gemäß § 25 I Alt. 2 StGB gemeint sind. 1124 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26 Rn. 48. 1125 Rogall, GA 1979, 11 (13). 1126 Rogall, GA 1979, 11 (13). 1120
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
305
Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Unterschiede zu § 111 StGB zu undeutlich würden, wenn man auch im Rahmen der Anstiftung die Ansprache eines vollkommen unbestimmbaren Adressatenkreises genügen ließe1127. Vielmehr sei gerade aus dem in § 111 StGB explizit geregelten Öffentlichkeitserfordernis zu schlussfolgern, dass Äußerungen zur Veranlassung fremder Straftaten jedenfalls dann nicht von den §§ 26 und 30 I StGB erfasst werden sollen, wenn diese gegenüber einem völlig unbestimmbaren Adressatenkreis abgegeben werden1128. Zusammenfassend lässt sich hiernach festhalten, dass es nach der soeben vorgestellten Ansicht für eine Anstiftung grundsätzlich eines individuell bestimmten bzw. für den Anstifter zahlenmäßig überschaubaren Personenkreises bedarf. (2) Die Entbehrlichkeit einer Vorstellung vom Haupttäter bei der Anstiftung Als vereinzelte Mindermeinung wird jedoch auch vertreten, dass es nicht erforderlich sei, dass die Äußerung zur Bestimmung eines anderen (zu dessen eigener rechtswidriger Haupttat) gegenüber einem aus Sicht des Anstifters zumindest überschaubaren Personenkreis erfolgt1129. Dieser Ansicht liegt die Auffassung zugrunde, dass sich das seitens des Anstifters verwirklichte Unrecht maßgeblich darin erschöpfen soll, dass dieser „[. . .] ein Motiv zur Begehung von Haupttatunrecht liefert [. . .]“, nicht aber darin, „[. . .] dass er die konkrete Gestalt der Haupttat irgendwie beeinflusst [. . .]“ 1130. Folglich sei eine Kenntnis des Anstifters von der Person des Haupttäters entbehrlich und die von ihm zu leistende Einwirkung vielmehr auch bei einem „[. . .] gänzlich unbestimmten Personenkreis nicht ausgeschlossen [. . .]“ 1131. Eine Anstiftung komme daher auch bei „[. . .] völliger Unklarheit über die etwaige Person des Täters [. . .]“ in Betracht, beispielsweise „[. . .] wenn der Täter aus einer großen und dem Anstifter unbekannten Menschenmenge ausgelost wird [. . .]“ 1132. Demnach sei das Erfordernis einer im Hin1127
Rogall, GA 1979, 11 (12); Thalheimer, S. 34. Thalheimer, S. 34. 1129 Vgl. SK-Hoyer, Vor § 26 Rn. 55; ähnlich auch im Hinblick auf spezielle Sachverhalte MK-Joecks, § 26 Rn. 60. Vgl. außerdem auch Dreher, FS Gallas 1973, S. 307 (321 ff.), der bereits im Hinblick auf § 48 StGB a. F. – die Vorgängernorm des § 26 StGB – geltend machte, dass (auch) die an unbestimmt viele Adressaten gerichtete Aufforderung zur Begehung einer konkretisierten Tat eine (versuchte) Anstiftung darstelle. 1130 SK-Hoyer, § 30 Rn. 27, der sich gerade in dem Element der Einflussnahme des Anstifters von Joecks unterscheidet, denn jener verlangt hinsichtlich der Einwirkung des Anstifters auf den Haupttäter zwar ebenfalls eine Herrschaft über die Motivation, die allerdings stets i.V. m. konkreten Vorgaben für die Tatbegehung stehen müsse, vgl. MK-Joecks, § 26 Rn. 20. Vgl. in diesem Zusammenhang außerdem auch SK-Hoyer, Vor § 26 Rn. 47 f., § 26 Rn. 29 zur Frage der Konkretisierung der Haupttat durch den Anstifter. 1131 SK-Hoyer, Vor § 26 Rn. 55. 1132 SK-Hoyer, Vor § 26 Rn. 55. 1128
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blick auf die Person des Haupttäters (bei § 26 StGB) bzw. des präsumtiven Täters (bei § 30 I StGB) individualisierten Anstiftervorstellung abzulehnen1133. Da also auch das Bestimmen gegenüber einem unüberschaubar großen Adressatenkreis vorgenommen werden könne, bestehe der Unterschied zu § 111 StGB hinsichtlich der Tathandlung einzig und allein darin, dass das Bestimmen im Vergleich zum Auffordern von deutlich höherer Einwirkungsintensität sei1134. Im Gegensatz zu dem öffentlich Auffordernden müsse der Anstifter nämlich eine sog. „Motivherrschaft“ über den Haupttäter ausüben1135. Ein weiterer Unterschied bestehe schließlich noch im Hinblick auf die beeinträchtigten Rechtsgüter, da sich mit der öffentlichen Äußerung einer Aufforderung i. S. v. § 111 StGB zusätzlich regelmäßig noch eine Gefährdung des Gemeinschaftsfriedens verbindet1136. Zusammenfassend lässt sich für die vorliegend dargestellte Ansicht also festhalten, dass das Unrecht des Anstifters – d.h. dessen eigener Rechtsgutsangriff als Teilnehmer – darin gesehen wird, dass dieser ein Motiv für die Begehung einer Haupttat liefert. Hierfür aber sei es wiederum nicht erforderlich, dass seinerseits eine individualisierte Vorstellung von der Person des präsumtiven Täters/ Haupttäters vorliegt1137. Folglich soll eine Anstiftung auch dann noch möglich sein, wenn die Ansprache gegenüber einem unüberschaubar großen Personenkreis erfolgt. Zudem wird hinsichtlich der vom Anstifter ausgehenden Einwirkungsintensität das Vorliegen bzw. der Abschluss einer Unrechtsvereinbarung – welche praktisch einen gemeinsamen Tatentschluss enthalten soll – und eine damit verbundene Motivherrschaft des Anstifters über den Haupttäter gefordert1138. (3) Eigene Stellungnahme Der zuletzt dargestellten Ansicht ist entgegenzuhalten, dass es – unabhängig davon, ob man Hoyer in der (an anderer Stelle diskutierten1139) Forderung einer Unrechtsvereinbarung zwischen Anstifter und Haupttäter zustimmt oder nicht – kaum überzeugt, für die Anstiftung zwar die Qualität der Einflussnahme, nicht aber die Quantität der zu beeinflussenden Personen als entscheidend anzuse1133
SK-Hoyer, Vor § 26 Rn. 55, § 30 Rn. 27. SK-Hoyer, Vor § 26 Rn. 55. 1135 SK-Hoyer, § 26 Rn. 12 ff.; ähnlich fordert auch MK-Joecks, § 26 Rn. 20 eine Motivherrschaft auf Seiten des Anstifters. 1136 SK-Hoyer, Vor § 26 Rn. 55. 1137 SK-Hoyer, § 30 Rn. 27. 1138 Vgl. SK-Hoyer, § 26 Rn. 12 ff.; ähnlich MK-Joecks, § 26 Rn. 20. 1139 Hierbei handelt es sich um das Problem, welcher Grad an Einflussnahmeintensität hinsichtlich des Bestimmens durch den Anstifter zu fordern ist. Vgl. dazu bereits oben C.V.2.a)bb) sowie ausführlich und konkret zu der diesbezüglichen Ansicht von Hoyer C.V.2.a)bb)(4). 1134
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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hen1140. Es ist praktisch kaum vorstellbar, wie eine derart intensive Einflussnahme gegenüber einem unüberschaubar großen und individuell völlig unbestimmten Adressatenkreis erfolgen soll. Auch Hoyer selbst gibt hierzu kein konkretes Beispiel an, sondern verweist lediglich pauschal auf die „Kommunikation über das Internet“ 1141 und den „Anstiftungsversuch per Internet“ 1142. Vielmehr scheint es richtig, davon auszugehen, dass eine derart weitgehende Einflussnahme wie Hoyer sie für den Anstifter fordert, gerade aufgrund ihrer hohen Intensität nur gegenüber bzw. innerhalb eines zahlenmäßig überschaubaren oder individuell bestimmten Personenkreises effektiv zu realisieren ist1143. Regelmäßig kann auch die Vereinbarung und die Abstimmung eines gemeinsamen Tatplans unter Mittätern – und einen solchen verlangt Hoyer praktisch in Form der Unrechtsvereinbarung1144 – nicht zwischen unendlich vielen, für einander nicht individuell bestimmbaren Personen erfolgen. Zudem stellt sich auch die Frage, ob bei der Annahme identischer Anforderungen bezüglich des Adressatenkreises, sowohl für die Anstiftung als auch für die öffentliche Aufforderung, die Unterschiede zwischen beiden Handlungsformen nicht zu sehr eingeebnet werden1145. Da nach Ansicht Hoyers eine Anstiftung auch dann verwirklicht werden kann, wenn ein vollkommen unüberschaubar großer und individuell unbestimmter Adressatenkreis angesprochen wird, ist es zunächst folgerichtig, zwischen der öffentlichen Aufforderung (§ 111 StGB) und den Formen der Anstiftung (§§ 26, 30 I StGB) nicht von einem quantitativen Unterschied im Hinblick auf die Adressaten, sondern (lediglich) von einem qualitativen Unterschied bezüglich der Einflussnahmeintensität auszugehen1146. Nimmt man also mit Hoyer an, dass der einzige Unterschied zwischen Anstiftung und öffentlicher Aufforderung in der bei der Anstiftung ungleich höheren Einfluss-
1140
Vgl. jedoch SK-Hoyer, Vor § 26 Rn. 55. SK-Hoyer, Vor § 26 Rn. 55. 1142 SK-Hoyer, § 30 Rn. 27. 1143 Zwar erfährt Hoyer von Joecks insoweit Zustimmung, als dass dieser ebenfalls eine Motivherrschaft des Anstifters über den Anzustiftenden, verbunden mit konkreten Vorgaben für die Tatbegehung, für erforderlich hält, vgl. MK-Joecks, § 26 Rn. 20. Jedoch kommt Joecks dann konsequenterweise zu dem Schluss, dass bereits das – nach dieser Ansicht – einwirkungsintensivere Bestimmen den Unterschied hinsichtlich der individuellen Bestimmbarkeit des angesprochenen Personenkreises im Vergleich zur öffentlichen Aufforderung „kompensiere“, vgl. MK-Joecks, § 26 Rn. 59. Die hier von Joecks gewählte Formulierung soll wohl zum Ausdruck bringen, dass sowohl das Bestimmen als auch das öffentliche Auffordern von ähnlicher bzw. vergleichbarer Gefährlichkeit sind, wobei diese bei der öffentlichen Aufforderung aus der Ansprache eines unüberschaubar großen und individuell unbestimmten Personenkreises und bei der Anstiftung aus der besonders intensiven Einflussnahme auf einen zahlenmäßig überschaubaren bzw. individuell bestimmbaren Personenkreis resultiert. 1144 Vgl. SK-Hoyer, § 26 Rn. 12. 1145 So auch Rogall, GA 1979, 11 (12); Thalheimer, S. 34. 1146 Vgl. SK-Hoyer, Vor § 26 Rn. 55. 1141
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nahmeintensität besteht, führt dies allerdings zu der Notwendigkeit einer Begründung bzw. Rechtfertigung dafür, dass für die (weniger intensive) Handlung der öffentlichen Aufforderung gleichwohl ein der Anstiftung identischer Strafrahmen – gemäß § 111 I StGB „wie ein Anstifter“ – normiert wird. Hierzu führt Hoyer wiederum aus, dass die tätergleiche Bestrafung auch für den öffentlich Auffordernden gerechtfertigt sei, weil bei dessen Tat im Unterschied zur Anstiftung zusätzlich noch das Rechtsgut des Gemeinschaftsfriedens berührt werde1147. Jedoch stellt sich im Weiteren dann die – von Hoyer allerdings nicht mehr aufgeworfene – Frage, warum der Gemeinschaftsfrieden nicht auch bzw. erst recht gerade dann berührt sein soll, wenn ein wesentlich intensiveres Bestimmen gegenüber einer unüberschaubaren Adressatengruppe, mithin öffentlich erfolgt. Offenbar verkennt Hoyer hier, dass das Rechtsgut des inneren Gemeinschaftsfriedens regelmäßig nicht nur durch den Inhalt der Äußerung, sondern insbesondere auch durch die öffentliche Kundgabe derselben beeinträchtigt wird1148. Demzufolge müsste der Gemeinschaftsfrieden dann aber auch durch ein öffentlich erfolgtes Bestimmen zur Begehung einer Straftat, also eine Anstiftung, gefährdet bzw. verletzt werden können. Schließlich lässt Hoyers Ansicht auch gänzlich unberücksichtigt, dass sich die besondere Gefährlichkeit einer Aufforderung nach § 111 StGB gegenüber einer Anstiftung insbesondere aus deren öffentlicher Begehung ergibt1149. Gerade das in § 111 I StGB ausdrücklich normierte Öffentlichkeitserfordernis lässt die Schlussfolgerung zu, dass mit diesem Tatbestand des BT eine spezielle Regelung geschaffen wurde, welche die Initiierung bzw. Anregung zur Begehung von Straftaten gegenüber unüberschaubar vielen, nicht individuell bestimmten Personen unter Strafe stellen soll, weshalb die Konkretisierung des Haupttäters bei der Anstiftung dann über einen höheren Grad verfügen muss1150. Folglich führt die Ansicht Hoyers auch zu einer unsachgemäßen Vermengung der jeweiligen gesetzlichen Anforderungen und steht damit einer trennscharfen Abgrenzung von öffentlicher Aufforderung und Anstiftung entgegen. Die Bedenken, dass die Annahme identischer Anforderungen an den Adressatenkreis die Unterschiede zwischen der Anstiftung einerseits und der öffentlichen Aufforderung andererseits „[. . .] zu sehr verwischen [. . .]“ 1151 bzw. „[. . .] die Grenze zu § 111 StGB einreißen [. . .]“ 1152 würde, erweisen sich hiernach als berechtigt. Im Ergebnis ist es daher abzulehnen, bei der Anstiftung die Ansprache eines für den Anstifter individuell
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Vgl. SK-Hoyer, Vor § 26 Rn. 55. LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 5; Rogall, GA 1979, 11 (16). 1149 LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 1; Rogall, GA 1979, 11 (17); Schönke/Schröder-Eser, § 111 Rn. 2. 1150 So auch LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26 Rn. 50; Thalheimer, S. 34. 1151 Rogall, GA 1979, 11 (12). 1152 Thalheimer, S. 34. 1148
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unbestimmten und unüberschaubar großen Adressatenkreises in Betracht kommen zu lassen. (4) Das Verhältnis von Anstiftung (§§ 26, 30 I StGB) und öffentlicher Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB) und deren Abgrenzung voneinander Aufgrund der vorangegangenen Erkenntnisse kann die Aussage getroffen werden, dass die Grenze zwischen den Formen der Anstiftung und der öffentlichen Aufforderung genau an der Schnittstelle zwischen dem noch zahlenmäßig überschaubaren oder individuell bestimmten (d.h. nicht öffentlichen) und dem bereits unüberschaubar großen und nicht individuell bestimmten (d.h. öffentlichen) Adressatenkreis verläuft. Dies wiederum lässt die weitere Schlussfolgerung zu, dass die Tatbestände in einem Exklusivitätsverhältnis zueinander stehen, d.h. das Vorliegen des Adressatenmerkmals der einen Norm automatisch zum Ausschluss der anderen führt. Dass der öffentlichen Aufforderung nicht lediglich die Funktion eines Auffangtatbestands, sondern eine vollständig eigene Bedeutung zukommt, ergibt sich praktisch schon aus der Überschrift der Norm, in der das Wort „Öffentliche“ verwendet und dadurch der zwingende Charakter dieser Tatbestandsvoraussetzung unterstrichen wird. Ist es für die Verwirklichung einer öffentlichen Aufforderung demnach unumgänglich, einen zahlenmäßig unüberschaubaren und individuell unbestimmten Adressatenkreis anzusprechen, so führt dies dazu, dass durch eine Anstiftungssituation, also die Ansprache eines einzelnen Adressaten oder einer zumindest überschaubaren Gruppe von Adressaten, der Tatbestand der öffentlichen Aufforderung grundsätzlich nicht realisiert werden kann. Nicht auszuschließen ist zwar, dass ein und dieselbe Handlung gegebenenfalls sowohl zur Verwirklichung einer Anstiftung als auch einer öffentlichen Aufforderung führen kann. Jedoch wird dies nur dann der Fall sein, wenn das Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen unabhängig voneinander bejaht werden kann1153. Scheitert eine Anstifterstrafbarkeit beispielsweise daran, dass die zu begehende Haupttat nicht hinreichend konkretisiert wird, kann nicht automatisch eine Strafbarkeit wegen öffentlicher Aufforderung in Betracht kommen. Vielmehr stehen die Anstiftung und die öffentliche Aufforderung als sich ergänzende Tatbestände nebeneinander, ohne dass dabei jedoch einer vollständig die Merkmale des jeweils anderen enthält. Da – wie vorliegend festgestellt – mangels sich überschneidender Adressatenanforderungen sowie einem unterschiedlichen Rechtsgüterschutz ein Exklusivitätsverhältnis zwischen der Anstiftung und der öffentlichen Aufforderung besteht, stellt sich das Adressatenmerkmal zugleich auch als wesentliches Abgrenzungskriterium zwischen diesen beiden Formen der Veranlassung fremder Straftaten dar. Diesbezüglich stellt sich nunmehr also die Folgefrage, wie zu ermitteln ist, ob es sich bei dem angesprochenen Personen1153
Vgl. dazu auch noch unten C.V.3.b)cc)(3).
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
kreis um einen (noch) hinreichend zahlenmäßig überschaubaren und/oder individuell bestimmten handelt oder nicht1154. Die diesbezüglich früher noch vertretenen Auffassungen, dass von einem individuell bestimmbaren Adressatenkreis auszugehen sei, wenn der Einzelne sich „als angesprochen erlebt“ 1155 oder wenn sich die Person des Anzustiftenden für den Anstifter erkennbar „[. . .] vor dem Hintergrund der Anderen als konkrete Gestalt abhebt [. . .]“ und nicht „[. . .] als bloßer Teil eines unbestimmten Personenkreises ohne individuelle Züge erscheint [. . .]“ 1156, fanden keine weitere Gefolgschaft. So wird gegen die zuerst benannte, von Schmidhäuser vertretene Auffassung zutreffend eingewandt, dass es für die Annahme einer personalen Bestimmtheit i. S. d. Anstiftung nicht ausreichen könne, dass sich eine Person als angesprochen erlebt, denn dies sei ohne Weiteres auch bei einer öffentlichen Ansprache möglich1157. Zudem handele es sich hierbei auch um ein ungeeignetes Kriterium, da von dem Tatveranlasser keine Kenntnis davon erwartet werden könne, ob sich einer der Adressaten als angesprochen erlebt oder nicht1158. Schließlich sei das Abstellen auf das Vorstellungsbild des Adressaten nicht zuletzt deshalb problematisch, weil selbiges auch bei vergleichbaren Ansprachen erheblichen Abweichungen unterliegen könne1159. Der von Samson vertretenen Ansicht wird entgegengehalten, dass sie zuviel an Bestimmtheit verlange, denn hiernach käme für eine Anstiftung lediglich die Ansprache einer konkreten Einzelperson, von der dem Anstifter allenfalls der Name bzw. die individuellen Persönlichkeitsmerkmale unbekannt bleiben dürften, in Betracht1160. Zudem würde das primäre Abstellen darauf, welche Wahrnehmung der Tatveranlasser bezüglich der Adressaten seiner Äußerung hat, zu einer Vernachlässigung der regelmäßig vorrangig zu beachtenden objektiven Umstände führen1161. Bis heute erhalten hat sich indes die Zustimmung1162 für das von Rogall entwickelte Kriterium zur Beschreibung des überschaubaren bzw. individuell bestimmbaren Adressatenkreises bei der Anstiftung1163. Hiernach komme die Annahme eines solchen Adressatenkreises in Betracht, wenn „[. . .] der Anstifter das
1154
Hierzu auch B. Heinrich, FS Heinz 2012, S. 728 (737). Schmidhäuser, Studienbuch AT, 10. Kapitel Rn. 112. 1156 Samson, JZ 1969, 258 (260). 1157 Vgl. LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26 Rn. 49; Rogall, GA 1979, 11 (13); Roxin, AT II, § 26 Rn. 149. 1158 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26 Rn. 49; Roxin, AT II, § 26 Rn. 149. 1159 Rogall, GA 1979, 11 (13). 1160 Vgl. LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26 Rn. 49; Roxin, AT II, § 26 Rn. 149. 1161 Rogall, GA 1979, 11 (13 f.). 1162 Vgl. LK-Schünemann, 12. Aufl., § 26 Rn. 49; Roxin, AT II, § 26 Rn. 149; Schulte/Kanz, ZJS 2013, 24 (27 f.). 1163 Vgl. hierzu Rogall, GA 1979, 11 (13 f.). 1155
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
311
Tatgeschehen in dem erforderlichen Umfang beherrschen und steuern konnte [. . .]“, was dann der Fall sei, „[. . .] wenn er den oder die Haupttäter – falls er sie nicht kennt – ohne größere Schwierigkeiten ermitteln und möglicherweise von der Tat abhalten könnte [. . .]“ 1164. Wird also eine nicht näher benannte Person aus einer überschaubaren Gruppe aufgefordert, sei dies ein Fall der Anstiftung1165. Hingegen sei der Anwendungsbereich von § 111 StGB erst dann eröffnet, „[. . .] wenn der Anstifter jeden Überblick über den angesprochenen Personenkreis verliert, weil er zu groß geworden ist [. . .]“ und damit auch jede Steuerungsmöglichkeit seinerseits entfalle1166. Gegen das von Rogall entwickelte Abgrenzungskriterium wendet Joecks zwar ein, dass die Möglichkeit, den Haupttäter von der Tat abhalten zu können keine Voraussetzung der Anstiftung sei1167. Gleichwohl betrifft dieser Einwand aber nur einen Teil des Rogallschen Kriteriums und kann nicht zu einer grundsätzlichen und vollständigen Negierung desselben führen. Von überragendem Gewicht erweist sich nämlich die andere Komponente dieses Kriteriums, die Ermittelbarkeit des bzw. der Haupttäter. Auch von Joecks wird nicht ausdrücklich bestritten, dass eine solche Ermittelbarkeit jedenfalls zwingende Voraussetzung für ein dem Bestimmen nachfolgendes mögliches Abhalten des Haupttäters von der Tatbegehung oder sonstige Einflussnahmen des Anstifters sein muss. Unstreitig dürfte daher wohl sein, dass die Ermittelbarkeit des bzw. der Haupttäter jedenfalls das Kernelement des von Rogall entwickelten Kriteriums darstellt. Indes scheint Joecks der in Rede stehenden Formulierung eine überhöhte Bedeutung zuzumessen, wenn er die dort erwähnte Möglichkeit, den Haupttäter von der Tat abzuhalten, als zwingende Voraussetzung der Anstiftung nach dem Rogallschen Abgrenzungskriterium versteht. Dass der Anstifter aber stets die Möglichkeit haben muss, den Haupttäter von der Begehung der Tat abhalten zu können, lässt sich der Aussage von Rogall so weder entnehmen noch unterstellen. Vielmehr kann die von Rogall verwendete Äußerung „[. . .] und möglicherweise von der Tat abhalten könnte [. . .]“ 1168 als Formulierung einer Eventualität bzw. beispielhafte Nennung einer von mehreren dem Anstifter obliegenden Einflussnahmeoptionen hinsichtlich des weiteren Geschehens verstanden werden. Vor diesem Hintergrund relativiert sich jedoch die kritische Anmerkung von Joecks, so dass diese es im Ergebnis auch nicht vermag, dem von Rogall angeführten Abgrenzungskriterium entgegenzustehen. Zudem ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass Joecks selbst eine sehr weitgehende Einflussnahmemöglichkeit des Anstifters verlangt, wenn 1164 1165 1166 1167 1168
Rogall, GA 1979, 11 (14). Roxin, AT II, § 26 Rn. 149. Rogall, GA 1979, 11 (14); ebenso B. Heinrich, FS Heinz 2012, S. 728 (737). MK-Joecks, § 26 Rn. 59. Rogall, GA 1979, 11 (14).
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
er für diesen eine sog. „Planungsherrschaft“ fordert1169. Hiernach sei die Herrschaft des Anstifters über die Motivation des Haupttäters, verbunden mit konkreten Vorgaben für die Tatbegehung, erforderlich1170, während Rogall es für eine entsprechende Einflussnahmemöglichkeit bereits ausreichen lässt, dass der Anstifter „[. . .] den Kausalverlauf mehr oder weniger steuern und beherrschen kann [. . .]“ 1171, was auch ein mögliches Abhalten des Haupttäters von der Realisierung der Tat umfasse. Zwar ist zuzugeben, dass die von Joecks geforderte Einflussnahmemöglichkeit an sich nicht einmal zwingend die individuelle Ermittelbarkeit des Haupttäters voraussetzt. Jedoch erweist sich ein solcher Ansatz als höchst theoretisch und vermag jedenfalls dann kaum mehr zu überzeugen, wenn realitätsnahe bzw. lebenspraktische Erwägungen einbezogen werden. So lässt es sich jedenfalls unter lebenspraktischen Aspekten nur sehr schwer bzw. nur für spezielle Ausnahmefälle vorstellen, dass eine hochgradig intensive Motivbeherrschung1172 gegenüber einer – aus Sicht des Anstifters – nicht einmal ermittelbaren Person ausgeübt werden kann. Zutreffenderweise ist demnach festzuhalten, dass der angesprochene Personenkreis grundsätzlich dann als überschaubar bzw. individuell bestimmbar gesehen werden kann, wenn es dem Anstifter möglich ist, den einen oder die mehreren Haupttäter aus dem angesprochenen Personenkreis ohne Schwierigkeiten zu ermitteln und diesen möglicherweise doch noch von der Begehung der Haupttat abzuhalten. Die Feststellung hinsichtlich der Bestimmtheit bzw. Unbestimmtheit der Adressaten wird dabei allerdings kaum mittels abstrakter Kriterien erfolgen können und daher stets anhand des konkret zu untersuchenden Einzelfalls vorzunehmen sein. Dennoch soll hier der Versuch unternommen werden, für Kommunikationshandlungen im Internet allgemeine Kriterien für die Annahme der Bestimmtheit bzw. Unbestimmtheit des Adressatenkreises aufzustellen. So wird von einer Anstiftung regelmäßig dann auszugehen sein, wenn eine hinreichend konkrete Äußerung mit Aufforderungscharakter gegenüber einem anderen oder einer überschaubaren Anzahl anderer Nutzer oder einer hinreichend individuell bestimmten Nutzergruppe abgegeben wird. Ist dies jedoch nicht der Fall, wird dieselbe Handlung aufgrund der dann in der Regel vorliegenden Öffentlichkeit als eine Aufforderung i. S. v. § 111 StGB zu bewerten sein. Beispielsweise ist demnach in der Äußerung des Verlangens, innerhalb der nächsten Woche mindestens fünf in einem bestimmten Stadtteil geparkte Luxusautos des nachts in Brand zu setzen, regelmäßig eine (zumindest versuchte) Anstiftung zur 1169
Vgl. MK-Joecks, § 26 Rn. 18 ff., 59. MK-Joecks, § 26 Rn. 20; vgl. in diesem Zusammenhang auch SK-Hoyer, § 26 Rn. 13 ff., der ausdrücklich eine Motivherrschaft über den Täter verlangt. 1171 Rogall, GA 1979, 11 (13). 1172 Für eine solche Motivbeherrschung wird der Fall der Belohnung des Haupttäters durch den Anstifter benannt, vgl. MK-Joecks, § 26 Rn. 20; ähnlich auch SK-Hoyer, § 26 Rn. 14. 1170
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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Brandstiftung (hier gemäß § 306 I Nr. 4 StGB) zu sehen, wenn dies über solche Kommunikationsmittel erfolgt, bei denen der Initiator einen gesicherten Überblick über die Empfänger hat und diese dabei eine für ihn noch überschaubare Gruppe darstellen. In Betracht kommen hierfür z. B. individuelle E-Mails, Mailinglisten, welche der Verwaltung bzw. Kontrolle des Initiators unterliegen und einen überschaubaren Umfang an Adressaten haben, geschlossene Chatrooms und Foren oder auch zugangsbeschränkte FTP-Angebote, soweit dem Initiator dabei jeweils die möglichen Empfänger – d.h. die anderen Nutzer dieser Angebote – nicht nur ihrer Anzahl nach bekannt sind, sondern diese Anzahl sich für ihn auch als (noch) überschaubar erweist. Infolgedessen kann nach vorliegender Ansicht mithin dann nicht mehr von einer Anstiftung ausgegangen werden, wenn der Initiator seine Aufforderung über Internetkommunikationsmittel, welche frei zugänglich sind und damit einer unbegrenzten Anzahl von Nutzern zur Verfügung stehen, zum Ausdruck bringt. Erfolgt die zuvor benannte Aufforderung zum Anzünden von Luxusautos – um besonders viele potenzielle Brandstifter zu erreichen oder um jedenfalls die „Trefferquote“ im Hinblick auf einen entsprechenden Haupttäter zu erhöhen – z. B. in dem öffentlichen Diskussionsforum auf einer frei zugänglichen Website eines Nachrichtendienstleisters im WWW, in dem es regelmäßig zur Beteiligung vieler Nutzer kommt, kann nach dieser Ansicht eine Anstiftung nicht mehr in Betracht kommen1173. Hingegen wäre an eine Strafbarkeit nach § 111 StGB zu denken. Infolge der heutzutage hohen praktischen Relevanz für die Kommunikation im Internet sowie auch wegen der Vielzahl verschiedener Kommunikationsmöglichkeiten, die soziale Online-Netzwerke in sich vereinen, scheint es insbesondere interessant, diese als Grundlage zu nehmen, um einige vertiefende Überlegungen zum Merkmal der Öffentlichkeit bzw. zum unbestimmten Adressatenkreis anzustellen. Legt man das WWW in seiner Gesamtheit als Bezugsgröße zugrunde, so ist festzustellen, dass die Veröffentlichung innerhalb eines Netzwerks auf Netzwerkmitglieder beschränkt und daher nicht in gleichem Maße öffentlich ist, wie es bei einer jedem Nutzer frei zugänglichen Website der Fall ist. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn das Netzwerk selbst wiederum mehrere Millionen Nutzer weltweit umfasst und damit praktisch ein „Netz im Netz“ darstellt. Zu berücksichtigen ist allerdings auch, dass der Zugang zu einem solchen Netzwerk in der Praxis häufig jedermann ohne Schwierigkeiten möglich ist, denn um den Status des Mitglieds – und damit eine Zugangsberechtigung – zu erhalten, bedarf es oftmals nur einer einfachen einmaligen Registrierung unter Angabe des Namens, des Geburtsdatums, des Geschlechts und einer E-Mailadresse. Ist ein solcher Erwerb der Zugangsberechtigung aber der Regelfall, so handelt es sich faktisch um einen freien Zugang zu dem sozialen Online-Netzwerk. Dies wie1173 Zur entgegenstehenden Ansicht von SK-Hoyer, Vor § 26 Rn. 55, der auch in diesem Fall von einer Anstiftung ausgeht, vgl. oben C.V.3.b)bb)(2).
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
derum muss zur Folge haben, dass unbeschränkt – d.h. für jedes Mitglied – einsehbare Veröffentlichungen innerhalb dieses Netzwerks dem Fall einer frei zugänglichen Website gleichzusetzen und daher als öffentlich zu betrachten sind1174. Wird eine entsprechende Äußerung also in einem Bereich des Netzwerks gepostet der von jedem Mitglied in vollem Umfang eingesehen werden kann (z. B. eine nicht nur für bestimmte Mitglieder zugängliche persönliche Profilseite), so führt dies regelmäßig zur Verwirklichung des Merkmals der Öffentlichkeit i. S. v. § 111 I Alt. 1 StGB. Wie bereits an anderer Stelle dargelegt1175, steht also das bloße Vorhandensein einer Zugangssperre der Annahme der Öffentlichkeit nicht entgegen, wenn diese von jedem Nutzer ohne Schwierigkeiten überwunden werden kann. Darüber hinaus kann aber auch dann ein zahlenmäßig unüberschaubarer und individuell unbestimmter Adressatenkreis zustandekommen, wenn die verwendete Kommunikationsmöglichkeit über eine wirksame Zugangssperre verfügt und die dort geäußerten Kommunikationsinhalte nur von den zugelassenen Nutzern wahrgenommen werden können. Denkbar ist hier beispielsweise der Fall der Veröffentlichung innerhalb einer sog. „geschlossenen Gruppe“ 1176. Die Teilnahme an einer solchen geschlossenen Gruppe – d.h. das Äußern eigener Beiträge sowie das Wahrnehmen der Beiträge anderer Gruppenmitglieder – ist nicht jedem Mitglied des Netzwerks per se, sondern nur denjenigen möglich, die zu einer Teilnahme an der Kommunikation innerhalb der Gruppe auch entsprechend berechtigt sind. Anders als beim Beitritt zu einem Netzwerk, welcher meist durch eine bloße Registrierung erfolgt, die in fast allen Fällen erfolgreich ist, kommt es für den Beitritt zu einer geschlossenen Gruppe darauf an, zu dieser tatsächlich als Einzelperson zugelassen zu werden. Die Zulassung erfolgt dabei oftmals durch einen Administrator, welcher häufig zugleich auch der Gründer dieser Gruppe ist. Da es Sinn und Zweck dieser Gruppen ist, in Abgrenzung zur Gesamtheit aller Netzwerkmitglieder kleinere Kommunikationskreise zu bilden, ist es nachvollziehbar, dass eine entsprechende Zugangsberechtigung hier nicht von selbst herbeigeführt werden kann, sondern es der jeweiligen Erteilung einer solchen bedarf. Gleichwohl können sich die einzelnen Zulassungen dabei aber derart summieren, dass auch eine geschlossene Gruppe im Ergebnis eine Mitgliederzahl erreicht, die derart hoch ist, dass praktisch ein unüberschaubar großer Adressatenkreis vorliegt. So ist es also durchaus vorstellbar, dass der Administrator über einen gewissen Zeitraum hinweg sukzessive so viele Personen individuell zur Teilnahme an der Gruppe berechtigt, dass im Ergebnis ein so großer Teilnehmerkreis vorliegt, der für das einzelne Gruppenmitglied nicht mehr hinreichend überschaubar ist. Es stellt sich demnach die Frage, welche Alternative des § 111 StGB 1174 1175 1176
So auch B. Heinrich, FS Heinz 2012, S. 728 (738). Vgl. oben C.V.2.f)ee) und C.V.2.f)ff). Vgl. dazu bereits oben C.V.2.f)ee).
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
315
einschlägig sein kann, wenn ein unüberschaubar großer und individuell unbestimmter Adressatenkreis einerseits und das Bestehen einer wirksamen Zugangssperre andererseits, aufeinander treffen. Wie bereits im Rahmen der Auseinandersetzung mit den Tatbestandsmerkmalen und Handlungsalternativen des § 111 StGB festgestellt, überschneiden sich die Anwendungsbereiche der Alt. 1 und Alt. 2 des § 111 I StGB. Jedoch kommt § 111 I Alt. 2 StGB vor allem dann in Betracht, wenn die öffentliche Tatbegehung aufgrund der Geschlossenheit – d.h. der fehlenden freien Zugänglichkeit – der Veranstaltung fraglich sein kann1177. Das Vorliegen der Ansprache eines zahlenmäßig unüberschaubaren und mangels hinreichender individualisierender Merkmale unbestimmten Adressatenkreises ist aber auch bei § 111 I Alt. 2 StGB grundsätzlich erforderlich. Weiterhin wurde dargelegt, dass die Versammlungsalternative des § 111 I StGB in bestimmten Fällen auch auf Internetsachverhalte übertragen bzw. angewendet werden kann. Da der Versammlungsbegriff praktisch ein zeitweiliges räumliches Beisammensein der Teilnehmer voraussetzt, ist selbiger vor allem auf solche Formen anwendbar, bei denen in zugangsbeschränkten virtuellen Räumen eine zeitgleiche bzw. synchrone Kommunikation erfolgt. In Betracht kommen daher in erster Linie Chats und Webkonferenzen. Findet die Diskussion in der geschlossenen Gruppe hingegen in einem Forum oder Blog statt, kann § 111 I Alt. 2 StGB nicht zur Anwendung gebracht werden. Da diese Formen eine synchrone Kommunikation – d.h. eine zeitgleiche Anwesenheit der Beteiligten in dem virtuellen Raum – nicht voraussetzen, ist eine Subsumtion unter den Versammlungsbegriff nicht möglich1178. Abschließend kann festgehalten werden, dass sich im Hinblick auf die Kommunikation im Internet durchaus auch abstrakte Kriterien finden lassen, mit deren Hilfe ermittelbar ist, ob ein bestimmter Adressatenkreis vorliegt oder eher eine Öffentlichkeitssituation gegeben ist. Gleichwohl wird deren alleinige Betrachtung in der Regel kaum ausreichen können, um im Einzelfall zu einer adäquaten Bewertung zu gelangen, denn nicht zuletzt auch wegen der meist vielfältigen Optionen und Parameter mittels derer die Kommunikationsmöglichkeiten des Internets individuell beeinflusst bzw. angepasst werden können, dürfen die konkreten Umstände nicht unberücksichtigt bleiben. cc) Einzelfragen bezüglich der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB) Nachdem als Ergebnis der vorangehend diskutierten Frage festgehalten werden konnte, dass die Trennlinie bei der Abgrenzung von Anstiftung und öffentlicher Aufforderung (anhand der Konkretisierung der Erklärungsadressaten) zwischen 1177 1178
Vgl. auch oben C.V.2.f)ff). Vgl. umfassend hierzu wiederum oben C.V.2.f)ff).
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
der Ansprache eines zahlenmäßig überschaubaren oder individuell bestimmten und eines zahlenmäßig unüberschaubaren und individuell unbestimmten Personenkreises verläuft1179 und aufgezeigt wurde, unter welchen Voraussetzungen im Allgemeinen hinsichtlich Kommunikationshandlungen im Internet einerseits von einem (noch) überschaubaren bzw. individuell bestimmten Personenkreis und andererseits von einer Öffentlichkeitssituation auszugehen ist1180, ist an dieser Stelle noch auf diejenigen Aspekte einzugehen, welche in den vorliegenden Problemzusammenhang einzuordnen sind, dabei aber speziell bei der Betrachtung bzw. „aus der Perspektive“ von § 111 StGB zutage treten. (1) Die Anforderungen an den unbestimmten Personenkreis Bereits im Rahmen der allgemeinen Tatbestandsdarstellung wurde erörtert, dass es für die Verwirklichung des § 111 StGB grundsätzlich erforderlich ist, eine unüberschaubare Vielzahl nicht individualisierbarer Personen anzusprechen1181. Dies ergibt sich aus dem tatbestandlich normierten Öffentlichkeitserfordernis. Zugleich besteht darin ein ganz wesentliches Abgrenzungskriterium zur Anstiftung, denn liegt entweder ein zahlenmäßig überschaubarer oder ein individuell bestimmter Personenkreis (oder beides) vor, scheidet eine Strafbarkeit wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten regelmäßig aus. Wie bereits festgestellt, wird jedenfalls dann von einer der Anstiftung entsprechenden Situation auszugehen sein, wenn es dem Initiator möglich ist, den Haupttäter ohne größere Schwierigkeiten zu ermitteln und auf diesen – und damit auch auf den weiteren Kausalverlauf – noch einen gewissen Einfluss zu nehmen, z. B. ihn doch noch von der Begehung der Haupttat abzuhalten. Weiterhin wurde festgestellt, dass für die diesbezügliche Beurteilung jedoch eine Betrachtung des konkreten Einzelfalls unverzichtbar ist1182. Ebenso lässt sich die Betrachtung und Beurteilung des angesprochenen Personenkreises nun aber auch aus der Warte des § 111 StGB vornehmen. Die folgenden Ausführungen betreffen somit also kein anderes, sondern das bereits bekannte und zuvor ausführlich diskutierte1183 Problem der Abgrenzung zwischen Anstiftung und öffentlicher Aufforderung anhand der Bestimmtheit bzw. Unbestimmtheit der angesprochenen Personen. Daher bedarf es nun an dieser Stelle zwar keiner erneuten Betrachtung der Abgrenzungsfrage in ihrer Grundsätzlichkeit, jedoch kann die zuvor geführte (Grundsatz)Diskussion um einen Aspekt er-
1179 1180 1181 1182 1183
Vgl. oben C.V.3.b)bb)(4). Vgl. wiederum C.V.3.b)bb)(4). Vgl. bereits oben C.V.2.f)bb). Vgl. oben C.V.3.b)bb)(4). Vgl. direkt zuvor C.V.3.b)bb)(3).
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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gänzt werden, der gerade im Hinblick auf die Tatbestandsvoraussetzungen des § 111 StGB zum Vorschein kommt. Konkret lässt sich hier die Frage stellen, unter welchen Voraussetzungen das bei § 111 StGB erforderliche Tatbestandsmerkmal der Öffentlichkeit – d.h. ein unüberschaubar großer und nicht individuell bestimmter Personenkreis – anzunehmen bzw. abzulehnen ist. Allein um deutlich zu machen, dass die Beurteilung des angesprochenen Adressatenkreises häufig gerade dann am Tatbestandsmerkmal der Öffentlichkeit festzumachen sein wird, wenn es nahe liegt, den betreffenden Sachverhalt zunächst auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 111 StGB zu untersuchen, soll auf diesen Aspekt hier gesondert eingegangen werden. Insbesondere fällt in diesem Zusammenhang die umstrittene Aussage auf, dass es auch bei einem größeren Adressatenkreis an der für § 111 StGB erforderlichen Unbestimmtheit fehlen kann, wenn der angesprochene Personenkreis z. B. aufgrund seiner Funktion bestimmbar wird1184. Anders lässt sich die Frage auch so stellen, ob bereits das Vorliegen eines einzigen gemeinsamen bzw. verbindenden Merkmals (z. B. die Funktion als Gewerkschaftsfunktionäre1185) zum Entfallen der bei § 111 StGB vorausgesetzten individuellen Unbestimmtheit führen kann. Bei der Auseinandersetzung mit der entsprechenden Literatur fällt zunächst auf, dass sich diejenigen, welche hier die für § 111 StGB erforderliche Unbestimmtheit ablehnen, allein auf eine einzige Quelle, namentlich einen Aufsatz von Rudolphi aus dem Jahr 19871186, beziehen1187. In dem dort behandelten Fall ging es darum, dass gewerkschaftliche Beschlüsse abgefasst wurden, welche gegenüber den betreffenden Funktionsträgern zum Ausdruck brachten, dass es zulässig bzw. zu befürworten sei, Arbeitnehmer im Arbeitskampf zu rechtswidrigen – den Tatbestand des Hausfriedensbruchs (§ 123 I StGB) erfüllenden – Betriebsbesetzungen aufzufordern (§ 111 StGB) bzw. anzustiften (§§ 123 I, 26 StGB). Für die vorliegenden gewerkschaftlichen Beschlüsse wurde demnach geprüft, ob diese selbst bereits eine öffentliche Aufforderung gemäß § 111 StGB zu der durch die angesprochenen Funktionsträger zu verübenden (weiteren) öffentlichen Aufforderung bzw. Anstiftung zum Hausfriedensbruch darstellen konnten. Da als Adressat der gewerkschaftlichen Beschlüsse lediglich die Gruppe der gewerkschaftlichen Funktionsträger benannt war, wurde dementsprechend diskutiert, ob darin ein für § 111 StGB erforderlicher unbestimmter Adressatenkreis gesehen werden konnte1188. Dies wurde im Ergebnis allein deshalb abgelehnt, weil in der benannten 1184 Hierzu LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 29; MK-Bosch, § 111 Rn. 11; Rudolphi, RdA 1987, 160 (163); Satzger/Schmitt/Widmaier-Fahl, § 111 Rn. 2; sowie bereits oben C.V.2.f)bb). 1185 Speziell zu diesem konkreten Fall Rudolphi, RdA 1987, 160. 1186 Vgl. Rudolphi, RdA 1987, 160. 1187 Vgl. LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 29; Satzger/Schmitt/Widmaier-Fahl, § 111 Rn. 2. 1188 Vgl. Rudolphi, RdA 1987, 160 (163).
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
Funktion des Gewerkschaftsfunktionärs, welche die betreffenden Personen jeweils ausfüllten, bereits eine – § 111 StGB ausschließende – hinreichende Bestimmtheit und Überschaubarkeit des angesprochenen Adressatenkreises gesehen wurde1189. Hingegen wurde eine Anstiftung zur öffentlichen Aufforderung bzw. zur Anstiftung zum Hausfriedensbruch (§§ 111, 26 bzw. §§ 123 I, 26 StGB) für möglich gehalten1190. Da sich dem Aufsatz von Rudolphi nichts Gegenteiliges, insbesondere keine weitere Konkretisierung bzw. Einschränkung im Hinblick auf die betreffenden Gewerkschaftsfunktionäre (z. B. eine Beschränkung nur auf bestimmte Gewerkschaften oder Gewerkschaften nur bestimmter Berufsfelder etc.) entnehmen lässt, muss konsequenterweise davon ausgegangen werden, dass damit alle zur damaligen Zeit aktiven Gewerkschaftsfunktionäre sämtlicher Gewerkschaften in Deutschland gemeint und als Adressaten der gewerkschaftlichen Beschlüsse angesprochen wurden. Lediglich im Hinblick auf die aktive „[. . .] Verbreitung und Propagierung der gewerkschaftlichen Beschlüsse [. . .]“ war von „Funktionären einzelner Gewerkschaften“ die Rede1191, nicht aber hinsichtlich der passiven Wahrnehmung durch den angesprochenen Adressatenkreis1192. Die Ansicht, welche ein Fehlen der für § 111 StGB erforderlichen Unbestimmtheit in Betracht kommen lässt, wenn der angesprochene Personenkreis allein aufgrund eines einzigen Merkmals (z. B. seiner Funktion) bestimmbar wird, ist jedoch der Kritik ausgesetzt1193. So wird ihr entgegengehalten, dass es auch dann zur Beeinträchtigung des Rechtsguts des inneren Gemeinschaftsfriedens kommen kann, wenn ein zahlenmäßig unüberschaubarer Personenkreis aufgrund eines gemeinsamen Merkmals (wie z. B. einer gemeinsamen Funktion oder Aufgabe) bestimmbar wird1194. Dies überzeugt, denn tatsächlich ist kein Grund ersichtlich, weshalb das Vertrauen der Allgemeinheit in die Unverbrüchlichkeit elementarer Werte des Gemeinschaftslebens nicht beeinträchtigt werden können soll, wenn beispielsweise der Redner auf einer Massendemonstration mit mehreren tausend Teilnehmern (zahlenmäßig unüberschaubarer Personenkreis), welche sich gegen den Weiterbetrieb deutscher Kernkraftreaktoren wendet (alleiniges individualisierendes Merkmal), allgemein dazu auffordert, als besonderes Zeichen des Protests heute noch die Fensterscheiben des Bundesumweltministeriums einzuwerfen. Ebenso dürfte es ein einziges individualisierendes Merkmal (im vorangehenden Beispiel der Anlass der Massendemonstration) dem Auffordernden – bei einem ansonsten zahlenmäßig absolut unüberschaubaren Personenkreis –
1189 1190 1191 1192 1193 1194
Vgl. Rudolphi, RdA 1987, 160 (163). Vgl. Rudolphi, RdA 1987, 160 (163 f.). Vgl. Rudolphi, RdA 1987, 160. Vgl. Rudolphi, RdA 1987, 160 (163). Vgl. MK-Bosch, § 111 Rn. 11. Vgl. MK-Bosch, § 111 Rn. 11.
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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kaum ermöglichen, die zur Tat bereite Person zu ermitteln und über diese noch einen gewissen Einfluss auf das weitere Geschehen zu nehmen. Wie zuvor dargelegt, ist aber gerade dies für die Annahme eines hinreichend bestimmten Personenkreises regelmäßig erforderlich1195. So ist hiernach festzuhalten, dass die Anforderungen an einen der Anstiftung entsprechend bestimmten Adressatenkreis jedenfalls nicht schon per se durch das Vorliegen eines einzigen gemeinsamen Individualisierungsmerkmals erfüllt werden können, insbesondere dann nicht, wenn dieser Adressatenkreis für den Auffordernden eine Gruppe mit zahlenmäßig unüberschaubar vielen Mitgliedern darstellt. Es erscheint weiterhin sachgerecht, die beiden Parameter der (Un)Bestimmtheitsfrage, nämlich die Anzahl der Personen und der Grad der individuellen Bestimmtheit, nicht als unabhängig nebeneinander stehend, sondern vielmehr in einer wechselseitigen Beziehung zueinander zu sehen. Konkret bedeutet dies, dass es dann umso weniger individualisierender Merkmale bedarf (um die für eine Anstiftung hinreichende Bestimmtheit zu erreichen), je kleiner der zahlenmäßig unüberschaubare bzw. unzählbare Personenkreis ist. Unter diese Prämisse lässt sich selbst die von der hier kritisierten Ansicht gewählte Formulierung stellen, welche zurückhaltend von einem „größeren“, nicht aber einem „unüberschaubar großen Personenkreis“ spricht, bei dem bereits ein einziges gemeinsames Merkmal zur § 111 StGB ausschließenden Bestimmtheit führen soll1196. Ist der angesprochene Personenkreis zunächst zwar nicht zahlenmäßig überschaubar bzw. zählbar, erweist dieser sich aber gleichzeitig auch nicht von so enormer Größe, dass eine Eingrenzung anhand bestimmter individualisierender Merkmale nur unter ganz erheblichem Aufwand möglich oder sogar unmöglich scheint, können an die individuelle Bestimmbarkeit geringere Anforderungen – d.h. eine geringere Anzahl entsprechender Merkmale – gestellt werden. Ist der Umfang des zahlenmäßig unüberschaubaren Personenkreises hingegen so groß, dass es nur unter erheblichem Aufwand möglich scheint, jemals einen Überblick über die angesprochenen Personen gewinnen zu können, so kann es kaum gerechtfertigt sein, in solch einem Fall mitunter ein einziges individualisierendes Merkmal ausreichen zu lassen, um die für § 111 StGB erforderliche Unbestimmtheit abzulehnen. Des Weiteren ergibt sich auch ein Widerspruch zu der § 111 I Alt. 1 StGB grundsätzlich gleichwertigen Alternative des § 111 I Alt. 2 StGB, denn dort wird für die Versammlungsteilnehmer grundsätzlich ein gemeinsamer bzw. verbindender Zweck gefordert. Regelmäßig dürfte in einem solchen Zweck zugleich aber auch ein zur Individualisierung des Adressatenkreises geeignetes Merkmal zu
1195
Vgl. dazu bereits oben C.V.3.b)bb)(4). Vgl. LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 29; Satzger/Schmitt/Widmaier-Fahl, § 111 Rn. 2. 1196
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sehen sein, so dass bei § 111 I Alt. 2 StGB die erforderliche Unbestimmtheit schon per se entfiele, wenn man diesbezüglich bereits das Vorliegen nur eines einzigen Individualisierungsmerkmals – hier den gemeinsamen Zweck der Versammlung – für ausreichend hielte. Im Ergebnis wäre es also zumindest verfehlt, wenn man bereits pauschal das Vorliegen eines einzigen gemeinsamen Merkmals (z. B. eine bestimmte Funktion oder Aufgabe) ohne Beachtung dessen, ob dies realistischerweise schon für sich genügen kann, um eine unüberschaubare Personenzahl hinreichend individuell bestimmbar zu machen, zum Entfallen der für § 111 StGB erforderlichen Unbestimmtheit ausreichen ließe. Vielmehr muss diesbezüglich berücksichtigt werden, wie groß oder klein der zahlenmäßig unüberschaubare Personenkreis erscheint bzw. für wie intensiv der zu einer hinreichenden individuellen Bestimmtheit führende Aufwand einzuschätzen ist. Folglich wird stets eine konkrete Einzelfallbetrachtung vorgenommen werden müssen, um zu einer zutreffenden und dem jeweiligen Sachverhalt gerecht werdenden Bewertung zu gelangen. Verdeutlicht werden sollen die vorangehenden Erkenntnisse nunmehr noch anhand des folgenden Beispiels: In einem Online-Netzwerk existiert eine geschlossene Gruppe unter dem Namen „Autonomer Widerstand“, welche eindeutig erkennbar dem linksradikalen Feld zuzuordnen ist. Allein die aus Deutschland stammenden Mitglieder belaufen sich auf eine Anzahl von 2.534. In dem Forum dieser Gruppe wird nun von einem Gruppenmitglied die an die anderen Mitglieder gerichtete Aufforderung gepostet, bei der nächstbesten Gelegenheit die Scheiben der Filialen der Deutschen Bank mit Steinen einzuwerfen. An der zahlenmäßigen Unüberschaubarkeit des Adressatenkreises dürften hier keine Zweifel bestehen. Zwar liegt aufgrund der eindeutigen politischen Ausrichtung der Gruppe ein Merkmal vor, welches eine gewisse individuelle Kennzeichnung der Adressaten und eine Abgrenzung zu anderen Mitgliedern des Online-Netzwerks ermöglicht. Jedoch dürfte dies allein kaum ausreichen, um die Angesprochenen für den Auffordernden zu einem solch überschaubaren Personenkreis werden zu lassen, bei dem ihm eine Steuerung des weiteren Geschehensverlaufs bzw. eine individuelle Einflussnahme noch irgendwie möglich wäre. Anders wäre der Fall allerdings dann zu bewerten, wenn die Gruppe unter dem Namen „Autonomer Widerstand – Berlin“ geführt wird und aufgrund der erforderlichen Ortsansässigkeit nur über 228 Mitglieder aus dem Berliner Raum verfügt. Wird die Aufforderung zum Einwerfen der Fensterscheiben dann zudem auf diejenigen beschränkt, die am vergangenen Wochenende zusammen mit dem Auffordernden ein Polizeifahrzeug angezündet haben, so wird dieser, obwohl auch die Anzahl von 228 Personen für ihn zahlenmäßig unüberschaubar ist, genug Individualisierungsmerkmale (Ortsansässigkeit i.V. m. der Teilnahme an der vorangegangenen Aktion) in den Blick genommen haben, um einen hinreichend bestimmten Adressatenkreis, der von der Gesamtheit der Gruppenmitglieder abgrenzbar ist, anzusprechen.
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(2) Das sukzessive Herbeiführen der Öffentlichkeit Als Ergebnis der Diskussion um die Abgrenzung von Anstiftung und öffentlicher Aufforderung konnte bereits festgestellt werden, dass der angesprochene Personenkreis zutreffenderweise dann als überschaubar bzw. individuell bestimmbar bezeichnet werden kann, wenn es dem Anstifter möglich ist, den einen oder die mehreren Haupttäter aus dem angesprochenen Personenkreis ohne Schwierigkeiten zu ermitteln und diesen möglicherweise doch noch von der Begehung der Haupttat abzuhalten1197. Wird in diesem Zusammenhang eingewendet, dass die Grenze zwischen der Anstiftung und der öffentlichen Aufforderung „fließend“ sei und die für die Anstiftung erforderliche Steuerungsmöglichkeit erst dann entfalle, wenn der Anstifter „[. . .] jeden Überblick [. . .] verliert [. . .]“ 1198, bedarf dies noch einer genaueren Betrachtung, denn diese Aussage impliziert praktisch die Möglichkeit, die zahlenmäßige Unüberschaubarkeit des angesprochenen Personenkreises i. S. v. § 111 StGB auch „nach und nach“ zu erreichen. Konkret ist also die Frage zu beantworten, ob auch das sukzessive Auffordern einzelner Personen den Tatbestand des § 111 StGB erfüllen kann, wenn die Anzahl der Angesprochenen dabei einen Umfang erreicht, welcher es dem Auffordernden unmöglich macht, noch zu überschauen bzw. zu ermitteln, wen er direkt angesprochen hat und einen Einfluss auf das weitere Geschehen nehmen zu können. Zwar ist es gerade ein Merkmal der Anstiftung, dass hinreichend bestimmte Personen angesprochen werden, jedoch sind durchaus auch Situationen vorstellbar, in denen es dem Initiator nicht darauf ankommt, genau die von ihm aufgeforderten – und insoweit auch bestimmten – Einzelpersonen als die individuellen Haupttäter zu konkretisieren, sondern es ihm bereits ausreicht, dass irgendeine dieser vielen Einzelpersonen, welche er jeweils als anonymen Teil eines insgesamt zahlenmäßig unüberschaubaren und individuell unbestimmten Personenkreises nacheinander anspricht, letztlich die angesonnene Tat begeht. So kann man sich beispielsweise die Situation einer politischen Massenkundgebung vorstellen, deren Öffentlichkeit sich der Teilnehmer A zunutze machen will, um jemanden zu finden, der einen Anschlag auf einen Regierungspolitiker begeht. Hierzu spricht er innerhalb weniger Minuten ca. 100 umstehende Teilnehmer mit der immergleichen Forderung an, welche lautet: „Lass Dir dieses Spiel nicht länger gefallen und schlag zurück, indem Du einen dieser Politiker kalt machst!“ Bezieht sich der Vorsatz des Täters demnach also darauf, nacheinander möglichst viele Einzelne zur Begehung der von ihm angesonnenen Straftat aufzufordern und erfolgen die Einzelansprachen dann auch derart gehäuft, dass die Summe der Angesprochenen zu einem für den Auffordernden unüberschaubaren Personenkreis führt, erscheint es sachgerecht, eine Strafbarkeit nach § 111 StGB in Betracht kommen zu lassen, vor allem dann, wenn – wie im vorliegend verwende1197 1198
Vgl. oben C.V.3.b)bb)(4). Rogall, GA 1979, 11 (14).
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
ten Beispiel – die Beschreibung der zu begehenden Tat für ein Bestimmen i. S. d. Anstiftung zu unkonkret ist. Um dabei dennoch die Möglichkeit der Abgrenzung zur Anstiftung zu gewährleisten, ist einschränkend zu fordern, dass die sukzessive Herbeiführung der Öffentlichkeitssituation die Voraussetzungen einer natürlichen Handlungseinheit1199 erfüllen muss1200. Der Vorsatz des Auffordernden muss es also umfassen, durch die aufeinander folgenden Einzelansprachen insgesamt eine unbestimmte Vielzahl von Personen aufzufordern, wobei die Ansprachen jeweils den gleichen Inhalt – d.h. die identische Tataufforderung – aufweisen sowie aufgrund eines räumlich-zeitlichen Zusammenhangs eng miteinander verbunden sein müssen. Ist dies der Fall, erscheint es im Ergebnis gerechtfertigt, die vielfachen Einzelansprachen zu einer Handlung im Rechtssinne, also einer (einheitlichen) öffentlichen Aufforderung nach § 111 StGB, zusammenzufassen. Ist der Täter also bereit, im Rahmen einer natürlichen Handlungseinheit so viele Personen einzeln anzusprechen, dass dies letztlich auf einen für ihn unüberschaubaren Personenkreis hinausläuft, erweist es sich nach den vorangehenden Ausführungen als logische Konsequenz, dass der Tatbestand des § 111 StGB bereits ab der ersten ausgesprochenen Einzelaufforderung als verwirklicht gelten muss. Daran ändert es auch nichts, wenn bereits der erste Angesprochene die Tatbegehung zusagt und der Auffordernde infolgedessen – und damit zugleich entgegen seiner ursprünglichen Vorstellung – noch vor dem faktischen Zustandekommen einer Öffentlichkeitssituation von weiteren Ansprachen absieht. Da es § 111 StGB an einer Versuchsstrafbarkeit und damit auch an einer Rücktrittsregelung mangelt, kann das Aufgeben der weiteren Handlung, mithin das Absehen von weiteren Einzelansprachen, nicht zu einem Wegfall der bereits durch die erste Ansprache verwirklichten Strafbarkeit bzw. zu einer Rückkehr in die Legalität führen. Ist der Vorsatz des Auffordernden darauf gerichtet, die für § 111 StGB erforderliche Öffentlichkeit durch eine Vielzahl, i. S. e. natürlichen Handlungseinheit aufeinander folgender und inhaltlich identischer Einzelansprachen zu generieren, so entspräche es diesem weiterhin auch nicht, die erste und vereinzelt bleibende Aufforderung entweder als Anstiftung bzw. versuchte Anstiftung oder aber, sofern es der Aufforderung an der für eine Anstiftung erforderlichen Haupttatkonkretisierung fehlt, sogar als straflos zu bewerten. Zudem besteht auch keine Notwendigkeit für die Anwendung des § 26 StGB wenn bereits der Erstangesprochene die Bezugstat ausführt, denn in diesem Fall führt § 111 I StGB zu einem gleichartigen Strafmaß. Kommt es hingegen lediglich zur Zusage des Erstangesprochenen, nicht aber zur anschließenden Ausführung, muss § 111 II StGB zur 1199
Hierzu ausführlich B. Heinrich, AT, Rn. 1413 ff. So lässt auch MK-Bosch, § 111 Rn. 17 die sukzessive Ansprache gegenüber unterschiedlichen Personen ausreichen, wenn diese einer natürlichen Handlungseinheit vergleichbar erfolgt. 1200
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Anwendung kommen. Hielte man diesen Fall hingegen für eine versuchte Anstiftung nach § 30 I StGB, läge eine Strafbarkeit des Auffordernden nur dann vor, wenn sich die Aufforderung auf die Begehung eines Verbrechens bezieht. Ist dies jedoch der Fall, führt die Einordnung der Handlung als öffentliche Aufforderung oder versuchte Anstiftung – anders als in dem Fall, in dem es zur Realisierung der angedachten Tat kommt – zu einem deutlichen Unterschied im Strafmaß. Während bei § 111 II StGB gemäß dessen Satz 1 die absolute Obergrenze bei fünf Jahren Freiheitsstrafe liegt, orientiert sich das Strafmaß der versuchten Anstiftung gemäß § 30 I 1 StGB grundsätzlich an der Versuchsstrafbarkeit, also an § 23 II StGB, mit dem Unterschied, dass die Strafmilderung nach § 49 I StGB hier eine obligatorische ist (vgl. § 30 I 2 StGB). Handelt es sich also beispielsweise bei der vereinzelt bleibenden Erstansprache um eine (den Anforderungen der Anstiftung genügende) unerfüllt bleibende Aufforderung zum Mord, so stünde bei Annahme einer versuchten Anstiftung gemäß § 49 I Nr. 1 StGB eine Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren in Aussicht, während die Annahme einer erfolglosen öffentlichen Aufforderung zu einer Maximalstrafe von fünf Jahren Freiheitsentzug führen würde. Dennoch spricht dies nicht gegen die Annahme einer öffentlichen Aufforderung, denn das in diesem Fall aus § 111 II 1 StGB folgende, gegenüber § 30 I i.V. m. § 49 I Nr. 1 StGB geringere Strafmaß wird dem Umstand gerecht, dass derjenige der öffentlich auffordern will, grundsätzlich weniger intensiv auf die Angesprochenen, die für ihn „lediglich“ anonyme Teile der Öffentlichkeit darstellen, einwirken muss, als es bei einer Anstiftung der Fall ist. Erfolgen die vielfachen Einzelansprachen aber nicht im Rahmen einer natürlichen Handlungseinheit, kann hinsichtlich derselben jeweils eine Anstiftung bzw. eine versuchte Anstiftung realisiert worden sein. So ist im vorangehend geschilderten Beispiel, in dem der A innerhalb weniger Minuten ca. 100 Teilnehmer der Massenkundgebung jeweils einzeln mit der stets gleichlautenden Aufforderung zur Begehung eines Tötungsverbrechens konfrontiert und er dabei die Wahrscheinlichkeit der Tatbegehung gerade durch die Vielzahl der einzeln angesprochenen Personen erhöhen will, von einer (einheitlichen) öffentlichen Aufforderung auszugehen. Hingegen wäre eine öffentliche Aufforderung nicht mehr anzunehmen, wenn A die ihm unbekannten ca. 100 Personen anspricht, indem er in einer über mehrere Stunden andauernden Aktion in einer Straße in einem Wohngebiet von Haus zu Haus zieht und sich dabei von Wohnung zu Wohnung „durchklingelt“. Mangels eines engen räumlich-zeitlichen Zusammenhangs der Einzelansprachen kommt eine natürliche Handlungseinheit nicht in Betracht. Jedoch kann dann in jeder Einzelaufforderung eine (selbstständige) Anstiftung bzw. versuchte Anstiftung liegen, wenn A den angedachten Anschlag auf einen Politiker mit der erforderlichen Konkretheit – d.h. unter Angabe konkret-individualisierender Tatmerkmale (z. B. eindeutig gekennzeichnetes Opfer, Tatzeit, Tatort etc.) – beschreibt.
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
(3) Die Anstiftung in den Handlungsformen des § 111 StGB Die Frage, in welchem Verhältnis Anstiftung und öffentliche Aufforderung zueinander stehen bzw. wie diese anhand des Merkmals der Bestimmtheit/Unbestimmtheit der angesprochenen Personen voneinander abzugrenzen sind, wurde zuvor bereits im Grundsatz dargestellt und diskutiert1201. Folgt man dabei – wie hier – der Ansicht, welche die Grenze zwischen der Bestimmtheit des Adressatenkreises einerseits (dann §§ 26, 30 I StGB) und der Unbestimmtheit andererseits (dann § 111 StGB) zieht, ist zunächst von jeweils eigenen, sich nicht überschneidenden Anwendungsbereichen der Anstiftung und der öffentlichen Aufforderung auszugehen. Gleichwohl kann es aber dennoch zu Konstellationen kommen, in denen eine ausschließliche Verwirklichung entweder der Anstiftung oder der öffentlichen Aufforderung fraglich erscheint. Zwar besteht heute weitgehende Einigkeit darüber, dass eine Idealkonkurrenz zwischen öffentlicher Aufforderung und (versuchter) Anstiftung möglich ist, wenn sich der Initiator gegenüber einer für ihn unbestimmten Personengruppe äußert und seine Aufforderung dabei gleichzeitig sowohl an die gesamte unbestimmte Gruppe, als auch an ausgewählte Einzelne richtet1202. So ist dies beispielsweise der Fall, wenn der Nutzer A in einem öffentlichen Chatroom auf einer frei zugänglichen Website, in dem gerade das Thema „Kapitalanlageschwindel“ diskutiert wird, gegenüber dem Nutzer B, nachdem er mit diesem bereits einige Minuten im Gespräch ist, formuliert: „B, ich weiß nicht wie Du darüber denkst, aber ich finde, Du solltest nicht nur reden, sondern Deinem Unmut auch mal durch Taten freien Lauf lassen und die Hauptfiliale der Deutschen Bank im Stadtzentrum in die Luft jagen, am Besten heute noch. Im Übrigen kann ich auch alle anderen, die das hier gerade lesen, nur dringend dazu ermutigen, diese Erfahrung einmal selbst zu machen und eine verdammte Bank zu sprengen.“ Stellt der erste Satz eine (zunächst nur versuchte) Anstiftung des B zur Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion (§ 308 I StGB)1203 dar, so ist in dem zweiten Satz eine an die dem A unbekannt vielen Teilnehmer des Chats bzw. Betrachter der Website gerichtete öffentliche Aufforderung nach § 111 StGB zu demselben Verbrechen zu sehen. Da die versuchte Anstiftung und die öffentliche Aufforderung hierbei durch ein und dieselbe Äußerungshandlung realisiert worden sind, liegt diesbezüglich Tateinheit (§ 52 StGB) vor. Fraglich ist aber, ob darüber hinaus 1201
Vgl. oben C.V.3.b)bb)(4). Vgl. Fischer, § 111 Rn. 9; LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 31, 75; MK-Bosch, § 111 Rn. 36; Rogall, GA 1979, 11 (18); Satzger/Schmitt/Widmaier-Fahl, § 111 Rn. 14; Schönke/Schröder-Eser, § 111 Rn. 23; SK-Wolters, § 111 Rn. 10; abweichend allerdings noch Lackner/Kühl, § 111 Rn. 10; NK-Paeffgen, § 111 Rn. 47, die hier eine Subsidiarität von § 111 StGB annehmen. 1203 Zudem kommt eine versuchte Anstiftung zur tateinheitlichen Verwirklichung einer Zerstörung von Bauwerken (§ 305 I StGB) in Betracht, welche jedoch mangels Verbrechensqualität des § 305 StGB nicht strafbar wäre. 1202
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selbst dann noch von einer tateinheitlichen Verwirklichung der (versuchten) Anstiftung und der öffentlichen Aufforderung auszugehen ist, wenn der A im vorliegenden Beispielsfall lediglich den ersten Satz (versuchte Anstiftung des B) geäußert, dabei aber zugleich auch mit einer Tatrealisierung durch einen anderen – infolge dieser Aufforderung entsprechend motivierten – Teilnehmer des öffentlichen Chats gerechnet hätte1204. Die soeben aufgeworfene Frage läuft darauf hinaus, ob das zwischen den §§ 26, 30 I StGB und § 111 StGB grundsätzlich bestehende Exklusivitätsverhältnis eine Anwendbarkeit des § 111 StGB von vornherein ausschließt, wenn zwar allein bestimmte Adressaten gezielt angesprochen werden, der Inhalt der Ansprache – d.h. die auf Begehung einer künftigen Straftat gerichtete Aufforderung – aber praktisch zugleich auch von einem zahlenmäßig unüberschaubaren und individuell unbestimmten Personenkreis wahrgenommen werden kann bzw. diesem zugänglich ist1205. Dies kann – wie schon mit dem vorangehenden Beispiel aufgezeigt – im Internet dann der Fall sein, wenn eine entsprechend individualisierte Aufforderung zur Begehung einer hinreichend konkretisieren Straftat in einem frei zugänglichen Kommunikationsangebot erfolgt und daher von praktisch jedem Nutzer wahrgenommen werden kann1206. Exemplarisch dazu auch der folgende kleine Fall: In einem zwar überwiegend von Schülern genutzten, aber dennoch jedermann frei zugänglichen Webforum hat sich der dort regelmäßig unter dem Nickname „Peter Genius“ auftretende 18jährige Abiturient B schon häufiger frustriert über die Probleme mit seinen Lehrern geäußert. Daraufhin postet Nutzer A, der die Beiträge des B schon seit längerer Zeit verfolgt, in diesem Forum eine direkt an Peter Genius gerichtete Aufforderung des Inhalts: „Verhalte Dich nicht länger wie ein Feigling, sondern setzte endlich mal ein Zeichen. Innerhalb der nächsten Woche solltest Du Deinem Deutschlehrer, am besten vor den Augen der Mitschüler, mit einer ordentlichen Wumme den Kopf wegblasen.“ Zwar richtet sich die Aufforderung zum Mord hier direkt an eine konkrete Person bzw. einen individuell bestimmten Adressaten (daher jedenfalls §§ 212, 211, 30 I StGB), gleichwohl kann der Beitrag aber von jedem Nutzer – unabhängig davon, ob eine aktive Nutzung (z. B. durch das Posten eigener Beiträge) oder eine nur passive Nutzung (z. B. durch das bloße Lesen/Ansehen der geposteten Beiträge) erfolgt – wahrgenommen werden, weil es an einer entsprechenden Zugangssperre mangelt. Dieser Umstand ist dem Auffordernden auch bekannt, weshalb er fest davon ausgeht, dass eine für ihn nicht abzuschätzende Anzahl weiterer Personen die Aufforderung ebenfalls wahrnehmen wird, was sich aufgrund der großen Beliebtheit 1204 So scheint jedenfalls SK-Wolters, § 111 Rn. 16 diesbezüglich auf den Vorsatz des Täters abzustellen. 1205 Vgl. zu dieser Konstellation bereits Dreher, FS Gallas 1973, S. 307 (311 ff.). 1206 Hierzu ebenfalls mit einem Beispiel B. Heinrich, FS Heinz 2012, S. 728 (738 f.).
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dieses Webangebots zudem auch als eine durchaus realistische Annahme erweist. Weiterhin ist dem Auffordernden klar, dass er nach dem Posten des Beitrags keinerlei Einfluss mehr auf die Wahrnehmung seiner Äußerung durch andere Nutzer nehmen kann und sich möglicherweise auch andere, nicht direkt angesprochene Personen zur Begehung eines Anschlags auf missliebige Lehrer motiviert fühlen könnten. Es stellt sich in einem solchen Fall also konkret die Frage, ob § 111 StGB im Zuge der (versuchten) Anstiftung „mitverwirklicht“ sein kann. Das hier beschriebene Problem wurde bereits im Zusammenhang mit den Tatbestandsvoraussetzungen des § 111 StGB angesprochen1207 und kann auch als „Anstiftung in den Handlungsformen des § 111 StGB“ umschrieben werden1208. Da sich – wie ebenfalls bereits an der zuvor benannten Stelle aufgezeigt – bei Annahme einer entsprechenden Nichtanwendbarkeit des § 111 StGB Strafbarkeitslücken ergeben können, wenn die hinreichend bestimmte(n) Person(en) erfolglos zur Begehung eines Vergehens aufgefordert wird (werden) oder aber der Auffordernde die zu begehende Tat nicht mit der für eine Anstiftung erforderlichen Konkretheit beschreibt (in beiden Fällen würde § 30 I StGB nämlich nicht greifen), erweist sich die vorliegende Fragestellung keinesfalls als eine lediglich theoretische, so dass deren Diskussion und Beantwortung geboten ist. Die Ansicht, die in der vorliegenden Konstellation von einer Unanwendbarkeit des § 111 StGB ausgeht1209, stützt sich im Wesentlichen auf das Argument, dass die zur Bejahung von § 111 StGB erforderliche Beeinträchtigung des Gemeinschaftsfriedens fehle, wenn lediglich Einzelne zur Begehung von Strafttaten aufgefordert werden1210. Genau dies wird jedoch von anderer Seite in Frage gestellt1211. So wird eingewandt, dass der innere Gemeinschaftsfrieden sehr wohl auch dann beeinträchtigt werden könne, wenn der Auffordernde lediglich bestimmte Einzelne anspricht1212. Dies überzeugt, denn tatsächlich lässt sich plausibel darlegen, dass das „[. . .] Vertrauen der Gesellschaft in die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung [. . .]“ 1213 auch durch solche Aufforderungen verletzt werden kann, welche sich zwar nur an bestimmte Einzelne richten, gleichwohl aber auch von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden können. Für eine solche Annahme spricht jedenfalls ein vergleichender Blick auf § 126 StGB, welcher die 1207
Vgl. oben C.V.2.f)bb). So B. Heinrich, FS Heinz 2012, S. 728 (738); MK-Bosch, § 111 Rn. 11; Rogall, GA 1979, 11 (18). 1209 Vgl. Dreher, FS Gallas 1973, S. 307 (312 ff.); Fischer, § 111 Rn. 3; LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 29; Rogall, GA 1979, 11 (18). 1210 Vgl. Dreher, FS Gallas 1973, S. 307 (312 f.); LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 29; ähnlich auch Rogall, GA 1979, 11 (18). 1211 Vgl. B. Heinrich, FS Heinz 2012, S. 728 (739); MK-Bosch, § 111 Rn. 11. 1212 Vgl. B. Heinrich, FS Heinz 2012, S. 728 (739); MK-Bosch, § 111 Rn. 11. 1213 LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 6. 1208
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Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten sanktioniert. Bei diesem Tatbestand ergibt sich der öffentliche Frieden als geschütztes Rechtsgut bereits aus der Überschrift. Zu sehen sein soll darin der von der Rechtsordnung zu gewährleistende Zustand des Zusammenlebens frei von Angst bzw. Furcht, dass es zur Begehung von Straftaten kommt (objektive Seite) sowie das Vertrauen der Bevölkerung in die Fortdauer dieses Zustands, mithin also deren Sicherheitsgefühl (subjektive Seite)1214. Kaum eine andere Bedeutung kann letztlich aber auch dem von § 111 StGB geschützten Vertrauen der Gesellschaft in die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung beigemessen werden1215, denn beiden Tatbeständen ist gemeinsam, dass sie jeweils der Herbeiführung eines psychischen Klimas entgegenwirken sollen, in dem Straftaten gedeihen können1216. Das jeweils geschützte Vertrauen der Gesellschaft bzw. der Bevölkerung dürfte also in beiden Normen ein und dasselbe sein. Nachdem es sich bei den §§ 111 und 126 StGB folglich also um Straftatbestände handelt, welche beide dem Friedensschutz dienen, ist eine vergleichende Betrachtung im Hinblick auf die jeweilige Ausgestaltung des tatbestandlichen, mithin strafwürdigen Handelns zulässig. Beachtlich ist dabei, dass es für die Störung des öffentlichen Friedens bei § 126 StGB für ausreichend gehalten wird, dass die Androhung gegenüber einer einzigen Person erfolgt, wenn nach den Umständen mit dem Bekanntwerden der Äußerung in der Bevölkerung zu rechnen ist1217. Dieser Fall ist aber wiederum vergleichbar mit der Konstellation, in der bestimmte Einzelne in den Handlungsformen des § 111 StGB zur Begehung von Straftaten verleitet werden sollen, denn auch hierbei nimmt der Auffordernde – trotz seiner auf bestimmte Adressaten abzielenden Ansprache – stets mindestens billigend in Kauf, dass seine Äußerung auch von dem nicht direkt angesprochenen, unüberschaubar großen und individuell unbestimmten Personenkreis wahrgenommen werden wird und es dadurch zur Verletzung des Vertrauens der Gesellschaft in die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung kommen kann, weil nunmehr die (abstrakte) Gefahr geschaffen wurde, dass Dritte, welche keinerlei Kontrolle des Auffordernden unterliegen, die bezeichnete Tat wirklich begehen 1214 Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, § 44 Rn. 36; Lackner/Kühl, § 126 Rn. 1; LKKrauß, 12. Aufl., § 126 Rn. 1; Schönke/Schröder-Lenckner/Sternberg-Lieben, § 126 Rn. 1. 1215 Dies ergibt sich insbesondere aus einem Vergleich der jeweiligen ausführlichen Rechtsgutsbeschreibungen. Diesbezüglich zu § 111 StGB LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 6 sowie zu § 126 StGB LK-Krauß, 12. Aufl., § 126 Rn. 1 f.; Schönke/SchröderLenckner/Sternberg-Lieben, § 126 Rn. 1. 1216 Zu § 126 StGB BGHSt 34, 329 (331) sowie zu § 111 StGB LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 19, wonach das Auffordern von der Intensität her über das bloße Befürworten von Straftaten hinausgehen muss und bereits durch ein solches, weniger intensives Befürworten „[. . .] ein für Tatentschlüsse anderer gedeihliches psychisches Klima [. . .]“ geschaffen werde. 1217 Vgl. BGHSt 34, 329 (332); Lackner/Kühl, § 126 Rn. 4.
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könnten. Festzuhalten ist daher, dass eine Verletzung des von § 111 StGB geschützten Gemeinschaftsfriedens auch dann möglich ist, wenn lediglich bestimmte Einzelne in den Handlungsformen des § 111 StGB zur Begehung von Straftaten aufgefordert werden. Zur Verdeutlichung dieses Ergebnisses lässt sich wiederum das Bild einer Großkundgebung oder -versammlung mit einer zahlenmäßig unüberschaubaren Vielzahl nicht individuell bestimmbarer Teilnehmer zeichnen1218. Werden auf einer solchen Veranstaltung – d.h. öffentlich – lediglich bestimmte Einzelpersonen mündlich (z. B. durch namentliche Benennung als Individualisierungsakt in einer gesprochenen Rede) oder schriftlich (z. B. durch persönliche Aushändigung als Individualisierungsakt bei massenhaft verteilten Flugblättern) beispielsweise dazu aufgefordert, am nächsten Tag ein Attentat auf den deutschen Bundespräsidenten zu begehen, so kann kaum bezweifelt werden, dass es aufgrund der öffentlichen Wahrnehmungsmöglichkeit (nämlich in Form der Hörbarkeit der Aufforderung in der gesprochenen Rede bzw. in Form der Dauerhaftigkeit und Umlauffähigkeit der durch die Flugblätter verkörperten Aufforderung) zu einer Erschütterung des Vertrauens der Gesellschaft – in diesem Fall repräsentiert durch die anderen, nicht direkt angesprochenen Kundgebungs-/Versammlungsteilnehmer – kommen kann. Vor allem aber kann in einem solchen Fall das der öffentlichen Aufforderung typische Risiko des Verlusts der Steuerungsfähigkeit auf Seiten des Auffordernden nicht ausgeschlossen werden, denn auch wenn nur bestimmte Einzelne zur Begehung der angesonnenen Straftat(en) motiviert werden sollen, wird der Auffordernde dennoch nicht mit Sicherheit ausschließen können, dass nicht auch einer der nicht angesprochenen Teilnehmer der Großkundgebung oder -versammlung einen entsprechenden Tatentschluss entwickelt (z. B. nachdem dieser die an andere gerichtete mündliche Aufforderung akustisch oder die auf einem zuvor an eine individuell bestimmte Person ausgehändigten, dann aber weggeworfenen Flugblatt befindliche Aufforderung visuell wahrgenommen hat). Anders wäre dies nur dann, wenn der Auffordernde den einen oder die mehreren bestimmten Einzelnen zu einer ganz bestimmten Straftat auffordert, deren notwendige Details auch nur die direkt Angesprochenen kennen können, so dass allein diesen die Ausführung möglich ist. In diesem Fall wäre nämlich nicht zu befürchten, dass auch irgendein für den Auffordernden nicht zu kontrollierender Dritter aus der nicht direkt angesprochenen Öffentlichkeit die Tat begehen könnte. Abstrahieren lässt sich diese Erkenntnis also wie folgt: Ist dem Auffordernden bewusst, dass seine an konkrete Einzelne gerichtete Äußerung auch von der unbestimmt großen Menge der anderen Rezipienten (Öffentlichkeit) wahrgenommen werden wird und sich daraufhin möglicherweise auch eine oder mehrere der nicht direkt 1218 Vgl. diesbezüglich auch schon die unter C.V.2.f)bb) und C.V.3.b) angeführten Beispiele.
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angesprochenen Personen zur Tatrealisierung subjektiv motiviert fühlen könnten und auch objektiv in der Lage wären, liegt nicht nur Vorsatz hinsichtlich einer Anstiftung, sondern auch ein solcher hinsichtlich § 111 StGB vor. Schließlich spricht für eine Anwendbarkeit des § 111 StGB auch das Argument der Vermeidung von Strafbarkeitslücken. Sind in der hier diskutierten Fallkonstellation die §§ 26, 30 I StGB nicht erfüllt, weil die seitens der Öffentlichkeit wahrnehmbare Ansprache bestimmter Einzelner entweder hinsichtlich der Beschreibung der Haupttat zu unkonkret ausfällt oder erfolglos zu einem Vergehen aufgefordert wird, so wäre Straflosigkeit die Folge, sofern man die Anwendbarkeit von § 111 StGB hier verneinen würde. Da es aber – wie aufgezeigt – auch dann zur Realisierung der für § 111 StGB typischen Gefahr kommen kann, wenn zwar nur bestimmte Einzelpersonen aufgefordert werden, diese Aufforderungen aber von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden können, erweist es sich als geboten, etwaige Strafbarkeitslücken zu vermeiden. Dies aber gelingt nur, wenn § 111 StGB hier zur Anwendung gebracht wird, weil dieser es bereits aufgrund seiner tatbestandlichen Formulierung vermag, die erfolglose Aufforderung zu einem Vergehen zu erfassen (vgl. § 111 II StGB). Darüber hinaus ist es so auch möglich, diejenigen Äußerungen zu sanktionieren, welche lediglich über eine im Hinblick auf die Konkretisierungsanforderungen der Anstiftung ungenügende Beschreibung der Haupttat verfügen, denn im Gegensatz zum Bestimmen i. S. d. Anstiftung muss die Aufforderung nach § 111 StGB etwaige Opfer bzw. sonstige Tatobjekte nur ganz allgemein bezeichnen und das zu begehende Delikt lediglich derart beschreiben, dass dieses einem Straftatbestand zugeordnet werden kann1219. Verneint werden muss eine Strafbarkeit wegen öffentlicher Aufforderung allerdings dann, wenn der Auffordernde mit Sicherheit ausschließen kann, dass die von ihm dargestellt Tat auch von einem zu der von ihm nicht direkt angesprochen Öffentlichkeit gehörenden Dritten, realisiert werden könnte, was beispielsweise der Fall ist, wenn A und B in einem frei zugänglichen Webforum dazu aufgefordert werden, die nur als „C“ bezeichnete Person, an dem zuvor individuell festgelegten Tatort und Zeitpunkt umzubringen. Im Hinblick auf die Kommunikation im Internet ist damit festzustellen, dass derjenige, der versucht, andere Nutzer als ihm klar erkennbare Einzelpersonen mittels einer gezielten Aufforderung (individuelle Ansprache) zur Begehung eigener Straftaten zu motivieren, zugleich auch § 111 StGB (mit)verwirklicht, wenn er hierfür auf solche Kommunikationsdienste zurückgreift, bei denen ihm einerseits bewusst ist, dass er den Kreis der potenziellen „Mitleser“ bzw. Zugangsberechtigten zahlenmäßig oder individuell nicht überschauen bzw. den Zu-
1219 Zur Feststellung, dass an die Beschreibung der zu begehenden Tat bei der öffentlichen Aufforderung geringere Konkretisierungsanforderungen zu stellen sind als bei der Anstiftung, vgl. die ausführliche Problemdiskussion oben C.V.3.a)cc)(4).
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gang zu den relevanten Informationen nicht beschränken kann und er andererseits billigend in Kauf nimmt, dass auch nicht individualisierte Personen aus diesem unbestimmten Kreis durch die Aufforderung motiviert werden könnten. In Betracht kommen diesbezüglich z. B. frei zugängliche Websites, Foren, Blogs, Chatrooms etc. Neben den vollkommen frei bzw. jedermann ohne Weiteres zugänglichen Kommunikationsangeboten kommen aber auch Kommunikationsmittel mit geschlossenen Benutzergruppen in Betracht, sofern deren jeweilige Mitgliederzahl für den Initiator wiederum bereits einen i. S. v. § 111 StGB unbestimmten Adressatenkreis darstellt. Handelt es sich hingegen um eine Form der individuellen Kommunikation im Internet (z. B. individuelle E-Mail oder Chatroom mit von vornherein streng begrenzter kleiner und/oder im Zeitpunkt der nicht permanenten Äußerung zahlenmäßig überschaubarer Teilnehmerzahl) kann eine Anstiftung in den Handlungsformen des § 111 StGB schon von vornherein nicht vorliegen. Hiernach ist – um auf den zuvor geschilderten Beispielsfall zurückzukommen – festzustellen, dass der A den unter dem Nickname Peter Genius in dem Forum auftretenden Abiturienten B versucht hat, zu einem Mord anzustiften (§§ 212, 211, 30 I StGB). Da die Äußerung in einem frei zugänglichen Webforum erfolgte, konnte diese zugleich auch von der Öffentlichkeit, nämlich allen Nutzern des Webforums, wahrgenommen werden. Daher hat A vorliegend zugleich auch eine öffentliche Aufforderung (§ 111 StGB) verwirklicht, die zu der versuchten Anstiftung des B in Tateinheit (§ 52 StGB) steht. Eine Strafbarkeit des A allein nach § 111 StGB käme demnach in Betracht, wenn dieser mit seinem Beitrag in dem Webforum den B dazu aufgefordert hätte, „ein Zeichen zu setzen“ und nun endlich mal dem nächstbesten Lehrer „den Garaus zu machen“. Eine versuchte Anstiftung wäre darin jedenfalls noch nicht zu sehen, weil dafür die zu begehende Tat nicht hinreichend konkret bezeichnet wurde. War dem A jedoch bewusst, dass seine Äußerung von den unbestimmt vielen anderen Nutzern des Webforums ebenfalls wahrgenommen werden kann und nahm er dabei zudem billigend in Kauf, dass möglicherweise auch einer oder mehrere der anderen Nutzer sich zu einer entsprechenden Straftat motivieren lassen könnten, scheint eine Strafbarkeit gemäß § 111 I StGB sachgerecht, sofern tatsächlich einer der anderen Nutzer eine entsprechende Tötung realisiert hätte. Anderenfalls käme eine Strafbarkeit nach § 111 II StGB in Betracht. An eine Strafbarkeit des A allein nach § 111 II StGB wäre aber auch dann zu denken, wenn er den B lediglich dazu aufgefordert hätte, seinem Deutschlehrer am nächsten Tag eine kräftige Ohrfeige (Vergehen der tätlichen Beleidigung gemäß § 185 StGB) zu erteilen, es aber weder bei B zu einem entsprechenden Tatentschluss (z. B. weil er die gepostete Aufforderung zu spät wahrnimmt oder er sich schlicht nicht eines solchen Delikts strafbar machen will), noch auf anderem Wege zur Ausführung dieser Tat kam. § 30 I StGB wäre hier jedenfalls von vornherein nicht anwendbar, da es sich bei der avisierten Haupttat nicht um ein Verbrechen, sondern lediglich ein Vergehen handelte.
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(4) Zur Wahlfeststellung bei Anstiftung und öffentlicher Aufforderung zu Straftaten Aufgrund der Verwandtschaft bzw. der grundlegenden Ähnlichkeit, welche das Bestimmen nach § 26 StGB und das öffentliche Auffordern nach § 111 StGB als Handlungen zur Veranlassung fremder Straftaten miteinander teilen, kann es durchaus zu Fällen kommen, in denen zwar die Begehung der Haupttat zweifelsfrei feststeht, jedoch unklar ist, ob selbige durch eine Anstiftung oder eine öffentliche Aufforderung initiiert worden ist. Dies soll an folgendem Beispiel kurz skizziert werden: A ist Inhaber einer eigenen persönlichen Profilseite bei einem großen sozialen Netzwerk im WWW, welches mehrere Millionen Mitglieder weltweit hat. Auf dieser Profilseite postet A regelmäßig Beiträge. Diese Beiträge können dann, wie in einem Forum oder Blog, ohne Weiteres – d.h. unmittelbar – von den Betrachtern dieser Seite gelesen werden. Eines Abends ist A derart frustriert darüber, dass der Fußballverein seiner Stadt schon wieder ein Spiel verloren hat, dass er folgenden Beitrag postet: „So geht es nicht weiter! Trainer T ist eine Oberpfeife und gehört abgesetzt. Kündigungsverhandlungen würden allerdings viel zu lange dauern. Es muss sofort gehandelt werden, um unseren Verein vor dem Abstieg zu bewahren! Deshalb sollte endlich jemand den Mut haben, dem T morgen nach dem öffentlichen Training im Vereinsstadion eine Kugel zwischen die Rippen zu setzen!“ Tatsächlich kommt es dazu, dass T am nächsten Tag von B, einem Freund des A, der hin und wieder mal dessen Profilseite anschaut, nach dem Training im Vereinsstadion erschossen wird. Nachdem es der Polizei gelungen ist, B festzunehmen und dieser angibt, sich durch den Aufruf auf der Profilseite des A zur Tötung des T entschlossen zu haben, konnte auch A ermittelt und festgenommen werden. Da A jedoch noch am Tag der Tat seine Profilseite restlos gelöscht hat, nunmehr vollständig von seinem Schweigerecht Gebrauch macht und auch von dem Betreiber des sozialen Online-Netzwerks keine relevanten Informationen eingeholt werden können, kann nicht mehr aufgeklärt werden, ob die Profilseite des A nur für einen überschaubaren Kreis von zugelassenen Netzwerkfreunden zugänglich war oder selbige von jedem Mitglied des Netzwerks eingesehen werden konnte. Zweifelsfrei ist in der Äußerung des A eine Aufforderung zum Mord an T zu sehen. Fraglich ist allerdings, ob es sich hierbei um eine Anstiftung gemäß §§ 212, 211, 26 StGB oder eine öffentliche Aufforderung gemäß § 111 I StGB handelte. Für die Beantwortung dieser Frage kommt es entscheidend auf das Abgrenzungskriterium der Bestimmtheit (Anstiftung) bzw. Unbestimmtheit (öffentliche Aufforderung) des angesprochenen Adressatenkreises an. War die Profilseite des A nur wenigen, von ihm selbst ausgewählten Netzwerkfreunden zugänglich, so wäre die Aufforderung an einen – für A – zahlenmäßig überschaubaren und individuell bestimmten Adressatenkreis gerichtet gewesen, was zu einer An-
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stifterstrafbarkeit (§§ 212, 211, 26 StGB) führen würde. War die Profilseite hingegen für jedes Mitglied des Online-Netzwerks einsehbar, so wäre von einem – für A – zahlenmäßig unüberschaubaren und individuell unbestimmten Adressatenkreis auszugehen, was eine Strafbarkeit wegen öffentlicher Aufforderung (§ 111 I StGB) nach sich zöge. Als problematisch erweist es sich demzufolge, dass es im Nachhinein nicht mehr gelungen ist, zu ermitteln, ob es sich bei der Profilseite um ein geschlossenes oder ein frei zugängliches Angebot handelte. Auf der anderen Seite steht jedoch mit Sicherheit fest, dass A sich jedenfalls nach einer der beiden Möglichkeiten strafbar gemacht hat. Es stellt sich mithin also die Frage, ob hier ein Urteil im Wege der sog. „echten Wahlfeststellung“ 1220 gefunden werden kann. Eine echte Wahlfeststellung kommt in Betracht, wenn mit Sicherheit feststeht, dass der Täter durch seine Handlung einen von zwei sich gegenseitig ausschließenden Tatbeständen verwirklicht hat, jedoch nicht geklärt werden kann, welcher dieser beiden Tatbestände der tatsächlich realisierte ist1221. Dies entspricht der Situation in dem vorangehend geschilderten Beispielsfall, denn dort ist infolge der mangelnden Kenntnis vom Umfang der Zugänglichkeit bzw. Freigabe der Profilseite unklar, ob die dem Mordanschlag zugrunde liegende, von A getätigte Aufforderung als Anstiftung (§§ 212, 211, 26 StGB) oder als öffentliche Aufforderung (§ 111 I StGB) zu bewerten ist. Zu prüfen ist im Folgenden also, ob die Voraussetzungen für eine echte Wahlfeststellung vorliegen. Zu den Voraussetzungen der echten Wahlfeststellung zählen: 1. die Nichterforschbarkeit des Sachverhalts, 2. das ausschließliche Vorliegen strafbarer Tatbestandsalternativen, 3. eine gleiche Schwere der alternativ in Betracht kommenden Straftaten sowie 4. eine Vergleichbarkeit dieser Straftaten1222. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass diese Voraussetzungen, vor allem aber die letztgenannte1223, nicht unumstritten sind. Als unproblematisch erfüllt erweist sich im vorliegenden Zusammenhang in jedem Fall die erste Voraussetzung. Dass grundsätzlich Fälle – insbesondere auch im Hinblick auf Kommunikationshandlungen im Internet – denkbar sind, bei denen sich der tatsächliche Geschehenshergang nicht mit hinreichender Vollständigkeit aufklären lässt, wurde bereits anhand des hier verwendeten Beispielsfalls deutlich gemacht. Fraglich ist indes, ob es sich bei den §§ 26 und 111 I StGB um Tatbestandsalternativen im hier erforderlichen Sinne – d.h. gemäß der unter 2. 1220 Hierzu ausführlich B. Heinrich, AT, Rn. 1463 ff.; sowie zur Wahlfeststellung insgesamt u. a. B. Heinrich, AT, Rn. 1445 ff.; LK-Dannecker, 12. Aufl., Anhang zu § 1; NK-Frister, Nach § 2 Rn. 1 ff.; Satzger/Schmitt/Widmaier-Satzger, § 1 Rn. 62 ff.; Schönke/Schröder-Eser/Hecker, § 1 Rn. 57 ff. 1221 B. Heinrich, AT, Rn. 1463; Kühl, § 21 Rn. 68d. 1222 Zu den Voraussetzungen der echten Wahlfeststellung auch B. Heinrich, AT, Rn. 1466 ff. 1223 Auch hierzu B. Heinrich, AT, Rn. 1473.
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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benannten Voraussetzung – oder lediglich um solche Tatbestände handelt, die in einem Stufenverhältnis stehen. Wie zuvor bereits ausführlich aufgezeigt, ist das Verhältnis bzw. die Abgrenzung der Anwendungsbereiche von Anstiftung und öffentlicher Aufforderung in wesentlichen Punkten umstritten1224. Nicht ersichtlich ist jedoch die etwaige Forderung, dass einer der beiden Tatbestände zunächst die Verwirklichung des jeweils anderen voraussetzen müsse, um (anschließend) selbst realisiert werden zu können (sog. „logisches Stufenverhältnis“ 1225). Dies entspricht auch dem vorliegenden Verständnis vom Verhältnis der Tatbestände zueinander. Sieht man §§ 26 und 111 StGB als nebeneinander stehende und sich ergänzende Tatbestände mit jeweils eigenen Anwendungsbereichen (§ 26 StGB: Tatveranlassung gegenüber zahlenmäßig überschaubaren oder individuell bestimmten Personen durch Aufforderung zu einer in den wesentlichen Tatmerkmalen konkretisierten Haupttat; § 111 StGB: Tatveranlassung gegenüber einem unüberschaubar großen und nicht individuell bestimmten Personenkreis durch Aufforderung zu einer nur ihrer Art und ihrem rechtlichen Wesen nach gekennzeichneten Straftat), lässt sich jedenfalls ein solches logisches Stufenverhältnis – wie es z. B. zwischen Grund- und Qualifikationstatbestand vorliegt – nicht, hingegen aber eine echte Tatbestandsalternativität zwischen Anstiftung einerseits und öffentlicher Aufforderung andererseits annehmen1226. In dem oben geschilderten Beispielsfall hat A durch die auf seiner Profilseite geäußerte Aufforderung zum Mord also entweder eine Anstiftung (wenn die Seite nur ausgewählten Netzwerkfreunden zugänglich war) oder eine öffentliche Aufforderung (wenn die Seite jedem Mitglied des Netzwerks zugänglich war) begangen, ohne dabei einen der beiden Tatbestände zwingend als Durchgangsstadium durchlaufen haben zu müssen. Ebenso müssten die beiden hier in Betracht kommenden Tatbestands- bzw. Verurteilungsalternativen über eine gleiche Schwere i. S. d. unter 3. benannten Voraussetzung verfügen. Erforderlich ist dafür wiederum, dass die §§ 26 und 111 StGB nicht in einem sog. „normativen Stufenverhältnis im engeren Sinne“ 1227 stehen, welches regelmäßig zwischen einer leichteren (z. B. Teilnahme) und einer schwereren Begehungsform (z. B. Täterschaft) angenommen wird, wenn das Vorliegen der einen das Vorliegen der anderen ausschließt. Wie jedoch soeben bereits aufgezeigt wurde, stehen Anstiftung und öffentliche Aufforderung in einem Alternativitätsverhältnis zueinander und erfassen von ihrem Anwendungsbereich her prinzipiell verschiedene Konstellationen (§ 26 StGB: Ansprache einer oder
1224 Vgl. diesbezüglich die ausführlich unter C.V.3.a) und C.V.3.b) dargestellten Streitstände und Diskussionen. 1225 Hierzu B. Heinrich, AT, Rn. 1460. 1226 So bezeichnet Rogall § 111 StGB auch als den „zweite[n] Grundtatbestand der Veranlassung fremder Straftaten“, Rogall, GA 1979, 11 (15). 1227 Hierzu B. Heinrich, AT, Rn. 1461 f.
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mehrerer hinreichend individualisierter Personen; § 111 StGB: Ansprache eines vollkommen unbestimmten Personenkreises). Aufgrund dieser Verschiedenheit ist es aber wiederum ausgeschlossen, die beiden Tatbestände in ein Über- bzw. Unterordnungsverhältnis hinsichtlich ihrer Schwere zu setzen, denn es bedürfte mindestens einer gemeinsamen tatbestandlich erfassten Sachverhaltskonstellation als Bezugspunkt, um die diesbezüglich erforderliche Vergleichsbetrachtung anstellen zu können. Hierfür spricht nicht zuletzt auch, dass § 111 StGB nicht als Auffangtatbestand zu § 26 StGB gesehen werden kann1228. Im Hinblick auf die gleiche Schwere von Anstiftung und öffentlicher Aufforderung darf man es auch nicht zu Irritationen infolge ihres unterschiedlichen Charakters kommen lassen. So könnte angenommen werden, dass die grundsätzlich von der Haupttat abhängige, in den AT eingeordnete Anstiftung (Teilnahme) weniger schwer wiege als das zum BT gehörende eigenständige Delikt der öffentlichen Aufforderung (Täterschaft). Jedoch würde man dabei verkennen, dass sich die hier relevante Schwere nicht auf die Begehungsform hinsichtlich der zu veranlassenden Haupttat, sondern auf das Verhältnis der betreffenden Tatbestände zueinander bezieht. In diesem Verhältnis aber stehen Anstiftung und öffentliche Aufforderung alternativ zueinander. Schließlich müssen sich die Anstiftung und die öffentliche Aufforderung, um der unter 4. aufgeführten Voraussetzung gerecht zu werden, auch als rechtlich gleichwertige strafbare Handlungen i. S. e. rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit erweisen1229. Von einer rechtsethischen Vergleichbarkeit ist dabei auszugehen, wenn die wahlweise in Betracht kommenden Tatbestände ein gleichgroßes Maß an Schuld voraussetzen und als sittlich und rechtlich gleichwertig zu betrachten sind1230. Als Anhaltspunkte für eine rechtsethische Vergleichbarkeit können u. a. die annähernd gleichen Strafmaße1231 der betreffenden Tatbestände sowie eine weitgehende Ähnlichkeit der zu schützenden Rechtsgüter1232 dienen. Dies ist nun also für die Anstiftung und die öffentliche Aufforderung zu prüfen. Für eine sittliche und rechtliche Gleichwertigkeit von Anstiftung und öffentlicher Aufforderung spricht zunächst das von ihnen jeweils vorgesehene – identische – Strafmaß, denn § 111 I StGB passt die Strafe des Auffordernden ausdrücklich der von § 26 StGB normierten tätergleichen Bestrafung des Anstifters
1228 Vgl. LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 4; NK-Paeffgen, § 111 Rn. 13; Rogall, GA 1979, 11 (15, 18); vgl. allerdings auch Lackner/Kühl, § 111 Rn. 1. 1229 Hierzu u. a. BGHSt 9, 390 (393 f.); B. Heinrich, AT, Rn. 1470 ff.; Kühl, § 21 Rn. 68d; Satzger/Schmitt/Widmaier-Satzger, § 1 Rn. 77 ff. 1230 BGHSt 21, 152 (153); B. Heinrich, AT, Rn. 1470; Kühl, § 21 Rn. 68d. 1231 B. Heinrich, AT, Rn. 1470; Satzger/Schmitt/Widmaier-Satzger, § 1 Rn. 78. 1232 BGHSt 30, 77 (78); Kühl, § 21 Rn. 68d; Satzger/Schmitt/Widmaier-Satzger, § 1 Rn. 78.
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an. In dem vorliegend verwendeten Beispielsfall ist A daher sowohl nach der einen (§§ 212, 211, 26 StGB) als auch nach der anderen Variante (§ 111 I StGB) gemäß dem Strafmaß der §§ 212, 211 StGB zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe zu verurteilen. Zwar könnte aufgrund der geringeren Konkretisierungsanforderungen hinsichtlich der zu begehenden Haupttat und des einen oder der mehreren in Aussicht genommenen Täter, welche die öffentliche Aufforderung gegenüber der Anstiftung aufweist, angenommen werden, dass die Schuld des Täters hier von geringerem Gewicht als bei der Anstiftung ist. Jedoch erweist sich eine solche Aufforderung im Gegensatz zur Anstiftung gerade wegen ihrer öffentlichen Begehung von besonderer Gefährlichkeit, weshalb darin auch der spezielle Strafgrund des § 111 StGB1233 gesehen werden kann. Die in dieser Form erhöhte Gefährlichkeit der öffentlichen Aufforderung kompensiert damit praktisch deren – gegenüber der Anstiftung – geringere Konkretisierungsanforderungen. Im Ergebnis kann demnach davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Anstiftung und bei der öffentlichen Aufforderung um Formen der Veranlassung fremder Straftaten von etwa gleichwertigem Unrechtsgehalt handelt und daher auch die jeweilige persönliche Schuld des Anstifters und des gemäß § 111 StGB Auffordernden von etwa gleichem Gewicht sind. Schließlich müssten auch die jeweils geschützten Rechtsgüter ähnlich bzw. gleichartig sein. Diesbezüglich ist zunächst festzustellen, dass sowohl § 26 StGB als auch § 111 StGB das Verleiten anderer zur Begehung eigener Straftaten sanktionieren und damit jeweils dem Schutz der durch die Haupttat konkret anzugreifenden Rechtsgüter dienen. Insofern liegt also sogar eine Rechtsgüteridentität vor. Bezogen auf den hier verwendeten Beispielsfall, in dem das Verhalten des A (auf der eigenen Profilseite gepostete Aufforderung zum Mord) entweder eine Anstiftung oder eine öffentliche Aufforderung darstellen kann, bedeutet dies, dass sowohl § 26 StGB als auch § 111 StGB hier dem Schutz des Lebens dienen, denn genau gegen dieses konkret-individuelle Rechtsgut soll sich die Haupttat richten. Über § 26 StGB hinausgehend schützt § 111 StGB aber im Weiteren immer auch das Rechtsgut des Gemeinschaftsfriedens, da dieses stets aufgrund der Wahrnehmung der Aufforderung durch die Öffentlichkeit (mit)verletzt wird. Neben den identisch geschützten Rechtsgütern gibt es mit dem des Gemeinschaftsfriedens also auch ein nicht vergleichbares Rechtsgut. Allerdings wäre es verfehlt, allein aufgrund dieser Rechtsgüterdisparität der rechtsethischen Vergleichbarkeit von Anstiftung und öffentlicher Aufforderung vorschnell eine Absage zu erteilen. Bereits erwähnt wurde, dass die Strafbarkeit des Auffordernden der des Anstifters gemäß § 111 I StGB vollständig gleichgestellt ist. Dies lässt wiederum die Annahme zu, dass es auch bei der Sanktionie1233
Vgl. dazu auch oben C.V.2.f)aa).
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
rung der öffentlichen Aufforderung vor allem um den Schutz der durch die Haupttat konkret anzugreifenden Rechtsgüter geht. Der Gemeinschaftsfrieden wird hingegen aufgrund der Öffentlichkeit der Äußerung stets „mitverletzt“ und kann daher auch als Begleiterscheinung einer solchen öffentlichen Aufforderung verstanden werden. Im Hinblick darauf, dass es letztlich also – wie bei der Anstiftung – die durch die Haupttat verwirklichte Norm ist, welche im konkreten Fall das für den Auffordernden zu beachtende Strafmaß vorgibt, kann der Störung des Gemeinschaftsfriedens im Vergleich zu den durch die Haupttat verletzten Rechtsgütern nur eine untergeordnete Bedeutung zukommen. Entscheidend für die Strafbarkeit ist also auch bei § 111 StGB der durch die Aufforderung intendierte Angriff auf bestimmte Rechtsgüter durch das Initiieren der Straftat eines bzw. mehrerer anderer. Dieser identische Unrechtskern stellt die Basis für die Vergleichbarkeit der beiden Tatbestände dar. Die daneben bei § 111 StGB bestehende Beeinträchtigung des Universalrechtsguts des Gemeinschaftsfriedens erweist sich zwar ebenfalls als strafwürdig, kann die anderen betroffenen Rechtsgüter jedoch keinesfalls überwiegen, denn das Opfer der Haupttat dürfte regelmäßig stärker unter der Verletzung seiner Individualrechtsgüter leiden, als unter der persönlich weniger einschneidend wirkenden Beeinträchtigung des Gemeinschaftsfriedens. Zudem findet praktisch ein Ausgleich dadurch statt, dass die den Gemeinschaftsfrieden nicht berührende Anstiftung ungleich strengeren tatbestandlichen Voraussetzungen (Konkretisierung der zu begehenden Straftat sowie des/der dafür in Aussicht genommenen Täter) unterliegt. Die zwischen § 111 StGB und § 26 StGB in Form des Gemeinschaftsfriedens bestehende Rechtsgüterdisparität kann damit im Ergebnis einer rechtsethischen Vergleichbarkeit der beiden Tatbestände nicht entgegenstehen. Wie oben schon erwähnt, ist weiterhin aber auch eine Vergleichbarkeit in psychologischer Hinsicht erforderlich. Eine solche kann gegeben sein, wenn sich die seelische Beziehung des Täters zu den in Betracht kommenden strafbaren Handlungen als ungefähr gleichgeartet darstellt1234. Zu berücksichtigen sind in diesem Zusammenhang vor allem subjektive Unrechts- und Schuldelemente, wie beispielsweise die Einstellung des Täters zu den jeweils verletzten Rechtsgütern sowie seine Motivationslage1235. Für das Verhältnis von Anstiftung und öffentlicher Aufforderung ist diesbezüglich festzuhalten, dass die Motivationslage des Auffordernden und des Anstifters sich jedenfalls stets im Grundsatz darin gleichen, dass die betreffenden Äußerungen jeweils dazu dienen sollen, andere zur Begehung eigener Straftaten zu veranlassen. Das vergleichbare Motiv ist hier also zunächst das Initiieren fremden Unrechts. Jedoch erschöpft sich die Vergleichbarkeit der Motivationslage darin noch nicht, denn regelmäßig wird es sowohl dem
1234 BGHSt 9, 390 (394); BGHSt 21, 152 (153); BGH NStZ 2000, 473; B. Heinrich, AT, Rn. 1471; Kühl, § 21 Rn. 68d. 1235 B. Heinrich, AT, Rn. 1471.
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Anstifter als auch dem Auffordernden nicht in erster Linie darauf ankommen, irgendwelches fremdes Unrecht zu fördern, sondern vielmehr darauf, gerade eine Verletzung der durch die eigene Äußerung bezeichneten Rechtsgüter herbeizuführen. Die Verletzung gerade dieser Rechtsgüter stellt dabei in beiden Fällen sogar den primären Handlungsanlass für den jeweiligen Initiator dar, denn weder bei der Anstiftung noch bei der öffentlichen Aufforderung kann der durch die Haupttat zu realisierenden Rechtsgüterangriff als bloße, geschweige denn unerwünschte Nebenfolge der entsprechenden Äußerung verstanden werden. Zwar könnte in der öffentlichen Aufforderung insofern eine intensivere Einstellung im Hinblick auf die mittels der Haupttat anzugreifenden Rechtsgüter zu sehen sein, als dass dabei – aufgrund der Ansprache eines unbestimmten Personenkreises – eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, tatsächlich einen anderen zur Tatbegehung zu motivieren, vermutet werden kann. Jedoch gleicht sich die insofern erhöhte Gefährlichkeit dadurch aus, dass das Bestimmen i. S. v. § 26 StGB an deutlich höhere Konkretisierungsanforderungen hinsichtlich der zu begehenden Haupttat gebunden ist, was seinerseits wiederum zu einer Steigerung der Wahrscheinlichkeit der Tatbegehung führt. Sowohl im Fall der Anstiftung als auch im Fall der öffentlichen Aufforderung wird sich der Initiator daher regelmäßig darüber bewusst sein, dass seine Äußerung einen bedeutenden Schritt auf dem Weg zur Verletzung der durch die Haupttat anzugreifenden Rechtsgüter darstellt. Das Bestimmen gemäß § 26 StGB und die öffentliche Aufforderung nach § 111 StGB erweisen sich demzufolge auch als psychologisch vergleichbare Handlungen. Im Ergebnis ist damit festzuhalten, dass eine echte Wahlfeststellung bei Anstiftung und öffentlicher Aufforderung grundsätzlich möglich ist. Der rechtsethischen Vergleichbarkeit1236 steht es dabei nicht entgegen, dass § 111 StGB mit dem Gemeinschaftsfrieden ein gegenüber der Anstiftung zusätzliches Rechtsgut schützt, denn selbiges erweist sich gegenüber den von § 26 StGB und § 111 StGB identisch geschützten Rechtsgütern als eher nachrangig. Steht also eindeutig fest, dass die Straftat eines anderen jedenfalls entweder durch eine Anstiftung oder eine öffentliche Aufforderung veranlasst worden ist, erscheint eine wahldeutige Verurteilung gerechtfertigt und geboten. Würde man die Anwendung der echten Wahlfeststellung auf die hier diskutierte Konstellation indes ablehnen, wäre derjenige, der sicher als Täter einer öffentlichen Aufforderung oder aber alternativ als Anstifter zu der fremden Straftat feststeht, freizusprechen. Dies jedoch wäre ein unsachgemäßes und damit nicht hinnehmbares Ergebnis. Im vorliegenden Beispielsfall ergibt sich daher für die wahldeutige Verurteilung des A wegen öffentlicher Aufforderung bzw. Anstiftung zum Mord folgender Urteilstenor: „Der Angeklagte ist schuldig der Anstiftung zum Mord oder der erfolgreichen öffentlichen Aufforderung zum Mord. Er wird deshalb zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.“ 1236
Zur besonderen Umstrittenheit dieses Merkmals B. Heinrich, AT, Rn. 1473.
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
Grundsätzlich sind viele Konstellationen denkbar, in denen eine Wahlfeststellung zwischen Anstiftung und öffentlicher Aufforderung in Betracht kommen kann. Im Hinblick auf die Praxis der Kommunikation im Internet ist folgender Beispielsfall zu nennen: In einem frei zugänglichen unmoderierten Webforum macht der Nutzer B, der dort unter dem Pseudonym „Sniper“ auftritt, in regelmäßigen Abständen dadurch auf sich aufmerksam, dass er Beiträge postet und in diesen immer wieder bekundet, dass er keine Skrupel habe, sich „bei Bedarf in den Dienst der richtigen Sache zu stellen und mal so einem korrupten Politiker das Licht auszuknipsen“. Mit dem Wissen um die Äußerungen des B platziert der Nutzer A in dem betreffenden Webforum nun folgenden Beitrag: „Hallo Sniper, wenn morgen der Bundeswirtschaftsminister seine Rede hält, ist Deine große Chance gekommen! Der Typ lässt sich schon viel zu lange von der Wirtschaft korrumpieren, also leg’ ihn einfach um!“ Dabei geht er zwar davon aus, dass B schon wissen werde, wie er die Aufforderung umzusetzen habe. Da A sich jedoch nicht vollständig sicher ist, ob B sich tatsächlich zur Begehung des Attentats motivieren lassen wird und es ihm ebenso recht wäre, wenn auch ein anderer – d.h. nicht direkt angesprochener – Nutzer des Webforums die Tat realisieren würde, legt er zusätzlich noch dar, wie die Tat ausgeführt werden könnte, indem er weitere Details (z. B. eine minutengenaue Zeitangabe, eine geeignete Stellung für den Hinterhalt und eine ganz spezielle, für die Tat geeignete Schusswaffe) beschreibt. Zwar erfolgt in dem Webforum keinerlei Reaktion auf diese Aufforderung, jedoch kommt es am folgenden Tag tatsächlich zur Begehung eines Attentats auf den Bundeswirtschaftsminister, wobei dieses exakt nach den von A am Vortrag geposteten Hinweisen (Einhaltung der empfohlenen Tatzeit und des empfohlenen Tatorts, Verwendung der empfohlenen Waffe) ausgeführt wird. Während die Strafverfolgungsbehörden in der Folge eine Sicherungskopie der Website inklusive der darin enthaltenen Aufforderung zur Tötung des Bundeswirtschaftsministers anlegen, A als deren Urheber ermitteln und festnehmen können, gelingt es hingegen nicht, den Haupttäter ebenso dingfest zu machen. Aufgrund der vollständigen Identität der ausgeführten und der von A zuvor in dem Webforum beschriebenen Tat bestehen für das Gericht jedoch keine Zweifel daran, dass A als Initiator des Tötungsverbrechens anzusehen ist. Da es aber an der Kenntnis von der Person des Haupttäters fehlt, kann nicht geklärt werden, ob die Tötung des Bundeswirtschaftsministers entweder durch eine Anstiftung (bei Tatausführung durch den direkt dazu bestimmten B) oder eine öffentliche Aufforderung (bei Tatausführung durch einen der unüberschaubar vielen Nutzer des Webforums) seitens A veranlasst wurde. In dem vorangehend dargestellten Beispielsfall kann es sich infolge der Aufforderung zum Mord in einem frei zugänglichen Webforum (für A zahlenmäßig unüberschaubarer Personenkreis) zunächst um eine vollendete Anstiftung des B durch A handeln. Dass in einem solchen Fall – direkt an einen Einzelnen gerichtete Aufforderung, wobei zugleich mit der Möglichkeit der Begehung der Haupt-
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tat durch einen anderen, nicht direkt angesprochenen Aufforderungsrezipienten gerechnet wird – Tateineinheit zwischen Anstiftung und öffentlicher Aufforderung in Betracht kommt, wurde bereits im Rahmen der Auseinandersetzung mit der speziellen Konstellation der Anstiftung in den Formen des § 111 StGB aufgezeigt1237. Alternativ dazu ist es aber auch denkbar, dass der Anlass für das Mordattentat (Haupttat) in einer erfolgreichen öffentlichen Aufforderung (Äußerung des A vor einem für ihn zahlenmäßig unüberschaubaren Personenkreis) zu sehen ist, zu welcher dann eine versuchte Verbrechensanstiftung (die an B gerichtete Aufforderung) in Tateinheit stünde. Für den vorliegenden Beispielsfall kommen daher folgende zwei Verurteilungsalternativen in Betracht: Ist das Attentat tatsächlich von B begangen worden, so wäre A wegen Anstiftung zum Mord (§§ 212, 211, 26 StGB) strafbar, wozu die erfolglose – denn aus der unüberschaubar großen Nutzergruppe des Webforums hat sich niemand zur Tatbegehung motivieren lassen – öffentliche Aufforderung (§ 111 II StGB) in Tateinheit (§ 52 StGB) stünde (= Variante 1). Ist die Tat hingegen nicht von dem angestifteten B, sondern von einem anderen Nutzer des Webforums begangen worden, wäre A wegen (erfolgreicher) öffentlicher Aufforderung zum Mord (§ 111 I StGB) strafbar, wozu die im Hinblick auf A dann nur versuchte Verbrechensanstiftung (§§ 212, 211, 30 I StGB) wiederum in Tateinheit (§ 52 StGB) stünde (= Variante 2). Die Entscheidung zugunsten der einen oder der anderen Verurteilungsalternative1238 lässt sich also nur dann mit Sicherheit treffen, wenn hinreichende Kenntnis darüber besteht, ob B oder eine andere Person die Tat ausgeführt hat. Mangelt es indes an dieser Kenntnis, weil der Haupttäter nicht ermittelt werden kann, kann eine Verurteilung im Wege der echten Wahlfeststellung zwischen den beiden benannten Alternativen erfolgen. Diesbezüglich ist die psychologische Vergleichbarkeit von Anstiftung und öffentlicher Aufforderung im vorangehenden Beispielsfall besonders auffällig. Zwar war die Aufforderung zur Begehung einer eigenen Straftat hier direkt (nur) an eine Person – namentlich B – gerichtet, zugleich konnte diese aber ebenso von einem unbestimmten Personenkreis wahrgenommen werden. Da dem A als Initiator dies bewusst war, rechnete er folglich damit, dass möglicherweise auch einer 1237
Vgl. direkt zuvor C.V.3.b)cc)(3). In beiden Verurteilungsalternativen ist durch die Angabe der weiteren Details zur Ausführung des Attentats (günstige minutengenaue Uhrzeit, geeigneter Ort für den Hinterhalt, spezieller Waffentyp) zudem auch der Tatbestand der Anleitung zur Begehung von Straftaten gemäß § 130a I i.V. m. § 126 I Nr. 2 StGB verwirklicht worden. Jedoch tritt die Anleitung nach § 130a StGB in diesem Fall aufgrund der mit der öffentlichen Aufforderung identisch verursachten Beeinträchtigung des Rechtsguts des inneren Gemeinschaftsfriedens hinter § 111 StGB zurück; vgl. auch LK-Krauß, 12. Aufl., § 130a Rn. 41; MK-Schäfer, § 130a Rn. 48; Rogall, GA 1979, 11 (21); Satzger/Schmitt/Widmaier-Lohse, § 130a Rn. 27; a. A. offenbar jedoch Lackner/Kühl, § 130a Rn. 13. Vgl. zu § 130a StGB insgesamt auch oben C.V.2.g). 1238
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der nicht direkt angesprochenen Nutzer des Webforums zur Tatausführung schreiten könnte. A verfügte also über eine etwa gleichgeartete seelische Beziehung zur Anstiftung einerseits und zur öffentlichen Aufforderung andererseits, weil es ihm primär darum ging, einen anderen „so oder so“ zur Realisierung der Haupttat (Tötung des Bundeswirtschaftsministers) zu veranlassen, während es für ihn eher zweitrangig war, ob dies nun durch den direkt angesprochenen B oder einen der sonstigen zahlenmäßig unüberschaubaren und individuell unbestimmten (indirekten) Adressaten geschieht. Da der A also in jedem Fall die Tötung des Bundeswirtschaftsministers initiieren wollte und dies praktisch nur auf zwei unterschiedlichen Wegen zu erreichen versuchte, stellen sich Anstiftung und öffentliche Aufforderung hier als psychologisch vergleichbar dar. Schließlich kann es der grundsätzlichen Zulässigkeit einer Wahlfeststellung zwischen §§ 26, 30 I StGB und § 111 StGB auch keinen Abbruch tun, dass vorliegend die erfolglose öffentliche Aufforderung zum Mord nach § 111 II StGB (Variante 1) bzw. die versuchte Anstiftung zum Mord nach §§ 212, 211, 30 I StGB (Variante 2) in Tateinheit zu dem den Taterfolg verursachenden Verhalten – d.h. entweder die vollendete Anstiftung zum Mord gemäß §§ 212, 211, 26 StGB (Variante 1) oder die erfolgreiche öffentliche Aufforderung zum Mord gemäß § 111 I StGB (Variante 2) – stehen. Der Urteilstenor würde demnach lauten: „Der Angeklagte ist schuldig der Anstiftung zum Mord in Tateinheit mit einer erfolglosen öffentlichen Aufforderung zum Mord oder der erfolgreichen öffentlichen Aufforderung zum Mord in Tateinheit mit einer versuchten Anstiftung zum Mord.“ (5) Der Irrtum über die Größe des angesprochenen Personenkreises Im Hinblick auf den zahlenmäßigen Umfang des angesprochenen Personenkreises, welcher als wesentliches Abgrenzungskriterium zwischen der öffentlichen Aufforderung und den Formen der Anstiftung dient, ist es durchaus vorstellbar, dass es zu einer von der Realität abweichenden Vorstellung, mithin einem Irrtum, kommt. Je nach dem, ob angestiftet oder öffentlich aufgefordert werden soll, kann der Täter sich insoweit irren, als dass er von einem zahlenmäßig überschaubaren (bei der gewollten Anstiftung) oder aber von einem unüberschaubar großen Personenkreis (bei der gewollten öffentlichen Aufforderung) ausgeht, tatsächlich aber jeweils genau das Gegenteil vorliegt. Im Folgenden soll daher untersucht werden, welche Auswirkungen ein solcher Irrtum jeweils auf die Strafbarkeit haben kann. Diesbezüglich wird zunächst die irrige Annahme einer Individualansprachesituation und anschließend die irrige Annahme einer Öffentlichkeitsansprachesituation betrachtet. Innerhalb dieser beiden Irrtumskonstellationen ist im Hinblick auf die Strafbarkeit außerdem jeweils noch einmal danach zu unterscheiden, ob es auch zur Begehung der Haupt- bzw. Bezugstat gekommen ist oder ob der jeweiligen Initiierungsäußerung keinerlei Handlungen der
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Angesprochenen mehr folgten. Insgesamt sind daher vier verschiedene Konstellationen denkbar. Als Konstellation 1 soll die irrige Annahme einer Individualansprachesituation bei nicht erfolgter Haupttat anhand des folgenden Beispielsfalls untersucht werden: A ist Mitglied in einem sozialen Online-Netzwerk, welches weltweit mehrere Millionen Mitglieder zählt. Innerhalb dieses Netzwerks ist A mit zehn anderen Mitgliedern/Nutzern, die auch in der realen Welt zu seinen Freunden zählen und in derselben Stadt leben, persönlich durch eine sog. „Freundschaft“ verbunden. Wie jedes Netzwerkmitglied tritt auch A dort in Form einer eigenen Profilseite in Erscheinung. Bei dieser Profilseite handelt es sich praktisch um eine Website auf der in der Regel ein Foto und bestimmte personenbezogene Daten des jeweiligen Nutzers eingesehen werden können. Zudem funktioniert diese Profilseite auch als Forum, so dass es möglich ist, hier Mitteilungen zu posten und zu lesen. Diesbezüglich obliegt es regelmäßig dem Inhaber der Profilseite (hier A) mittels entsprechender Einstellungen zunächst festzulegen, wer die dortigen Inhalte einsehen kann1239. Darüber hinaus kann weiterhin festgelegt werden, wer von den grundsätzlich zugangsberechtigten Personen nicht nur mitlesen, sondern selbst auch eigene Beiträge bzw. Kommentare oder sonstige Inhalte auf der Profilseite des Inhabers hinterlassen kann. Inspiriert von den seit Tagen in seiner Stadt anhaltenden Protestaktionen, bei denen es bereits mehrfach zu massiven gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Demonstranten und der Polizei, mit mehreren Schwerverletzten auf beiden Seiten kam, offeriert A über seine Profilseite demjenigen die Zahlung von 5.000 A, der bereit sei, im Zuge der für den folgenden Tag angekündigten Protestkundgebung einen Polizisten zu töten. Hierfür will er dem Täter zudem auch eine Schusswaffe zur Verfügung stellen. Konkret schreibt A: „Wer von Euch den Mut hat, auf der großen Demo morgen endlich mal richtig zurückzuschlagen und wenigstens einen Bullen zum Verrecken bringt, sollte sich schnellstens bei mir melden! 5.000 A wäre mir die Sache auf jeden Fall wert und eine kleine unauffällige Pistole für die Jackentasche hätte ich auch noch übrig!“ Weder erfolgt dann jedoch eine Reaktion auf dieses Angebot, noch kommt es auf der Kundgebung am folgenden Tag zur Tötung eines Polizisten. Im Zuge der Abgabe seines Angebots war A sich sicher, seine Profilseite so eingestellt zu haben, dass lediglich er selbst und seine zehn mit ihm verbundenen Netzwerkfreunde hier Einsicht nehmen und Beiträge hinterlassen konnten. Tat1239 Vgl. in diesem Zusammenhang aber auch Schulte/Kanz, ZJS 2013, 24 (27 f.) zu den Konsequenzen, die sich durch die Betätigung der Like-Funktion im sozialen Netzwerk Facebook ergeben können.
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sächlich waren die von A angenommenen Einstellungen der Profilseite jedoch zum Zeitpunkt der Abgabe des Angebots nicht mehr aktuell, da im Zuge einer technischen Überarbeitung des Online-Netzwerks seitens des Anbieters bereits vor einiger Zeit alle Beschränkungseinstellungen auf sämtlichen Profilseiten aufgehoben und diese damit auf die Einstellung „öffentlich“ gesetzt wurden. Diese Aufhebung, welche dem A seinerzeit jedoch nicht bekannt wurde, bewirkte mithin, dass eine Profilseite solange von sämtlichen Netzwerkmitgliedern eingesehen und auch mit eigenen Beiträgen versehen werden konnte, solange die Beschränkungseinstellungen nicht erneut von dem Inhaber der Profilseite vorgenommen wurden. Vorliegend hatte dieses unbewusste Versäumnis des A also zur Folge, dass die von ihm getätigte Äußerung nicht nur, wie von ihm angenommen, seinen zehn mit ihm verbundenen Netzwerkfreunden, sondern jedem Netzwerkmitglied weltweit zugänglich war. Entspricht es dem Willen des Handelnden, andere im Wege einer Anstiftung zur Begehung eigener Straftaten zu bestimmen, so wird er – den Voraussetzungen der Anstiftung entsprechend – regelmäßig davon ausgehen, dass seine Äußerung lediglich von einer Einzelperson oder mehreren zahlenmäßig überschaubaren Personen wahrgenommen werden kann, aus deren Mitte heraus sich dann zumindest ein Haupttäter finden soll. Ist es dabei tatsächlich jedoch – vom Anstifter nicht erkannt – einer unüberschaubaren Vielzahl von Personen möglich, die Bestimmungsäußerung wahrzunehmen, liegt ein Irrtum über das Merkmal der Öffentlichkeit vor. Da es sich bei diesem Merkmal um eines des objektiven Tatbestands des § 111 StGB handelt, befindet sich der Anstifter diesbezüglich folglich in einem sog. „Tatbestandsirrtum“ bzw. „Tatumstandsirrtum“ 1240. Da ein solcher Irrtum regelmäßig von § 16 I 1 StGB erfasst wird und demnach zum Entfallen des Vorsatzes führt, mangelt es dem Anstifter hier also an dem entsprechenden Vorsatz für eine öffentliche Aufforderung, so dass im Ergebnis eine Strafbarkeit nach § 111 StGB insgesamt nicht verwirklicht worden sein kann1241. Für die vom Vorsatz umfasste Ansprache der konkret in den Blick genommenen Adressaten wird die Annahme einer diesbezüglichen Anstifterstrafbarkeit entscheidend davon abhängen, ob diese Personen objektiv erkennbar als Individuen (z. B. durch namentliche Benennung) angesprochen wurden und damit für jedermann von der tatsächlich angesprochenen Masse abgrenzbar waren. Da die auf eine bestimmte Einzelperson oder aber einen überschaubaren Adressatenkreis bezogene Konkretisierung der Ansprache in der vorliegenden Situation nämlich gerade nicht schon allein aus den objektiven Umständen der Äußerung folgte, denn tatsächlich wurde ja ein unüberschaubar großer Adressatenkreis angespro-
1240 Hierzu ausführlich u. a. B. Heinrich, AT, Rn. 1073 ff.; Kühl, § 13 Rn. 7 ff.; Rengier, AT, § 15 Rn. 1 ff.; Wessels/Beulke, Rn. 244 ff., 455. 1241 Kissel, S. 178.
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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chen, konnte ohne eine objektiv erkennbare, durch die Aufforderung zum Ausdruck gebrachte Individualisierung des/der Anzustiftenden auch kein entsprechendes Anstifter-Haupttäter-Verhältnis, insbesondere die damit verbundene spezifische Einflussnahmeintensität auf Seiten des Anstifters, entstehen. Mangelt es also an einer objektiv erkennbaren Konkretisierung der vom Anstifter gewollten Adressaten, so mangelt es auch an einem objektiv hinreichenden Bestimmen i. S. d. Anstiftung mit dem Ergebnis, dass eine solche nicht verwirklicht worden sein, sondern allenfalls als untauglicher Versuch vorliegen kann. Ein solcher Versuch kann aufgrund der Existenz des § 30 I StGB wiederum aber nur dann zur Strafbarkeit führen, wenn die besagte Haupttat – wie vorliegend – in einem Verbrechen bestehen sollte. Erfolgt durch die Äußerung hingegen auch die für jedermann erkennbare Bezeichnung der vom Anstifter gewollten Adressaten, so ergibt dies objektiv die Situation einer Anstiftung in den Handlungsformen des § 111 StGB1242. Aufgrund des Irrtums über die Ansprache der Öffentlichkeit entfällt hierbei zwar der Vorsatz hinsichtlich der Straftat der öffentlichen Aufforderung, auf den Anstiftervorsatz als solchen kann dieser Irrtum jedoch keine Auswirkung haben. Entscheidend für die Strafbarkeit kann dies aber wiederum nur dann sein, wenn es – anders als in der vorliegenden Konstellation 1 – auch wirklich zur Ausführung bzw. zum Versuch der avisierten Haupttat durch eine der konkretisierten Personen kommt, denn nur dann kann eine Anstifterstrafbarkeit gemäß § 26 StGB überhaupt zum Tragen kommen. Gelangt die avisierte Haupttat hingegen auch bei einer objektiv erkennbaren Konkretisierung der Adressaten nicht durch eine der betreffenden Personen in das Versuchsstadium, verbleibt es bei der Möglichkeit einer Strafbarkeit wegen versuchter Anstiftung gemäß § 30 I StGB, sofern es sich bei dieser Haupttat wiederum um ein Verbrechen i. S. v. § 12 I StGB handelt. Da A vorliegend unter Nutzung der vermeintlich zugangsbeschränkten Profilseite lediglich seine zehn verbundenen Netzwerkfreunde ansprechen wollte, fehlte es ihm am Vorsatz für eine an eine unüberschaubar große und individuell unbestimmte Personenmehrheit gerichtete Ansprache. Aus diesem Grund kommt eine Strafbarkeit des A wegen erfolgloser öffentlicher Aufforderung (§ 111 II StGB) zum Mord nicht in Betracht. Im Hinblick auf eine Anstifterstrafbarkeit kann sich das fehlende Bewusstsein bzw. der fehlende Wille des A zur Ansprache der Öffentlichkeit hingegen nicht auswirken, da die Öffentlichkeit gerade nicht als Merkmal zum Tatbestand der Anstiftung gehört. Somit verfügte A vorliegend über einen hinreichenden Anstiftervorsatz. An einem objektiven Bestimmen i. S. v. §§ 26, 30 I StGB fehlte es jedoch, weil A die von ihm in den Blick genommenen zehn Netzwerkfreunde nicht namentlich benannte und diese daher nicht von der tatsächlich angesprochenen unbestimmten Vielzahl von Netzwerk-
1242
Vgl. dazu bereits ausführlich oben C.V.3.b)cc)(3).
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
mitgliedern als potenzielle Haupttäter abzugrenzen waren. Da durch die Ansprache des A tatsächlich also keinerlei Konkretisierung im Hinblick auf die Haupttäter erfolgte, lag damit eine zur Verwirklichung der gewollten Anstiftung untaugliche Handlung vor. Diesbezüglich verbleibt es allerdings bei einer Strafbarkeit des A wegen des untauglichen Versuchs der Anstiftung zum Mord gemäß §§ 212, 211, 30 I StGB. Für die Untersuchung der Konstellation 2 – Begehung der Haupt- bzw. Bezugstat – ist der soeben dargestellte Beispielsfall dahingehend abzuwandeln, dass es auf der Kundgebung am folgenden Tag bei einem ausufernden Handgemenge tatsächlich zur Tötung eines Polizisten durch die Abgabe eines gezielten Schusses aus einer Handfeuerwaffe kommt. Im Unterschied zur Konstellation 1 stellt sich hier also die Frage nach der Strafbarkeit des Initiators bei erfolgter Haupttat. Da nicht nur der von A bewusst angesprochene Freundeskreis die Aufforderung zur Begehung des Mordes erhalten hat, sondern ebenso – wenn auch von A nicht gewollt – die Gesamtheit aller Netzwerkmitglieder, wird es für die Strafbarkeit des A vor allem von Bedeutung sein, wer letztendlich die Tötung des Polizisten als Täter ausgeführt hat. Da es dem A – wie zuvor ausgeführt – aufgrund des Irrtums über die von ihm angesprochene Öffentlichkeit, an einem Vorsatz für die öffentliche Aufforderung zu Straftaten insgesamt fehlte, muss (auch) eine Strafbarkeit nach § 111 I StGB ausscheiden, welche in Betracht kommt, wenn eines der von A ungewollt angesprochenen Netzwerkmitglieder (als Teil der Öffentlichkeit) die Tötung realisiert hat. Erfolgte die Begehung der Tat hingegen durch einen der zehn von A gewollt angesprochenen Netzwerkfreunde, so kommt eine Strafbarkeit wegen Anstiftung zum Mord gemäß §§ 212, 211, 26 StGB dennoch nicht in Betracht. Zwar verfügte A – im Gegensatz zu der öffentlichen Aufforderung – über einen hinreichenden Anstiftervorsatz und auch handelte es sich bei den von A in den Blick genommenen zehn Netzwerkfreunden um einen für eine Anstiftung hinreichend überschaubaren Adressatenkreis. Jedoch wurden diese – wie zuvor dargelegt – nicht hinreichend konkret als die auserkorenen Adressaten, mithin die zukünftigen Haupttäter, gekennzeichnet, so dass eine Abgrenzung zu dem tatsächlich angesprochenen, unüberschaubar großen Adressatenkreis tatsächlich nicht möglich war und es demnach an einem objektiven Bestimmen i. S. v. §§ 26, 30 I StGB fehlte. Eine Strafbarkeit wegen (vollendeter) Anstiftung zum Mord gemäß §§ 212, 211, 26 StGB hätte erfordert, dass die Voraussetzungen eines Bestimmens i. S. v. §§ 26, 30 I StGB vollständig vorgelegen hätten, wofür die zehn Netzwerkfreunde des A auch objektiv erkennbar als Individuen (z. B. durch namentliche Anrede) hätten angesprochen werden müssen. Mangels eines hinreichenden objektiven Bestimmens kann im Ergebnis also wiederum nur eine Strafbarkeit des A wegen eines untauglichen Versuchs der Anstiftung zum Mord gemäß §§ 212, 211, 30 I StGB in Betracht kommen.
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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Im Ergebnis ist daher zu den Konstellationen 1 und 2 festzuhalten, dass bei der irrigen Annahme einer Individualansprachesituation eine Strafbarkeit wegen öffentlicher Aufforderung gemäß § 111 StGB mangels entsprechenden Vorsatzes regelmäßig nicht verwirklicht sein kann, unabhängig davon, ob es zur Begehung der avisierten Tat durch einen der Adressaten kommt oder nicht. Für eine Strafbarkeit wegen vollendeter Anstiftung nach § 26 StGB ist es erforderlich, dass die gewünschte Tat von einem der bewusst angesprochenen Adressaten realisiert wird und zudem auch die objektiven Voraussetzungen eines Bestimmens i. S. v. §§ 26, 30 I StGB vorliegen. Wird jedoch die Haupttat nicht von einem der in den Blick genommenen Adressaten verwirklicht oder mangelt es an den objektiven Voraussetzungen für ein Bestimmen i. S. v. §§ 26, 30 I StGB, so kann dann allein noch eine Strafbarkeit wegen versuchter Anstiftung nach § 30 I StGB im Raum stehen, dies allerdings auch nur dann, wenn die Haupttat ein Verbrechen ist. Ebenso, wie irrig davon ausgegangen werden kann, dass die Ansprache nicht gegenüber der Öffentlichkeit erfolgt, kann auch irrig vom Gegenteil, also vom Vorliegen eines zahlenmäßig unüberschaubaren und individuell unbestimmten Adressatenkreises ausgegangen werden. Dieser Irrtum ist Grundlage der Konstellationen 3 und 4. Für die Analyse der Konstellation 3, bei der die Begehung der avisierten Tat ausbleibt, ist wiederum auf eine Abwandlung des bereits vorangehend verwendeten Beispielsfalls zurückzugreifen: A postet das besagte Angebot in dem Forum auf seiner Profilseite. Dabei geht er irrtümlich davon aus, dass es ausnahmslos jedem Mitglied des Online-Netzwerks möglich ist, die Profilseite und das dort vorhandene Forum einzusehen. Tatsächlich war dies jedoch nur den zehn mit ihm verbundenen Netzwerkmitgliedern möglich. Der Grund hierfür lag in einer vom Netzwerkbetreiber eigenmächtig vorgenommenen Umstellung der Profilseite, denn nachdem es zu massiver Kritik seitens der staatlichen Datenschutzbeauftragten gekommen war, wurde die Zugänglichkeit der Profilseiten sämtlicher deutschen Nutzer kurzerhand derart eingeschränkt, dass grundsätzlich nur noch die Netzwerkfreunde des jeweiligen Profilseiteninhabers zugangsberechtigt waren. Dieser Vorgang, der vor allem bei Mitgliedern, die ihre Profilseite auf „öffentlich“ eingestellt hatten, zu Veränderungen führte, war A jedoch unbekannt geblieben. Zur Tötung eines Polizisten auf der Kundgebung am nächsten Tag kam es nicht. Kommt es dem Täter darauf an, möglichst viele Personen durch seine Aufforderung zur Begehung eigener Straftaten zu motivieren, so wird er den Vorsatz und die Vorstellung haben, sich öffentlich – d.h. gegenüber einem unüberschaubar großen und individuell unbestimmten Adressatenkreis – zu äußern. Im Hinblick auf die in diesem Zusammenhang im Raum stehende Verwirklichung von § 111 StGB, bei dem das Merkmal der Öffentlichkeit ein solches des objektiven Tatbestands ist, führt die irrige Annahme des Vorliegens dieses Merkmals zu einem sog. „umgekehrten Tatbestandsirrtum“, welcher dogmatisch auch mit der
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
Figur des (grundsätzlich strafbaren) untauglichen Versuchs1243 gleichzusetzen ist und sich, anders als die von § 16 StGB erfasste irrige Annahme des Nichtvorliegens eines Tatbestandsmerkmals, regelmäßig zu Ungunsten des Täters auswirkt. Geht der Auffordernde also irrig vom Vorliegen eines unüberschaubar großen und individuell unbestimmten Adressatenkreises aus, so kann § 111 StGB objektiv nicht verwirklicht werden und die Entäußerung der Aufforderung regelmäßig nur einen untauglichen Versuch darstellen. Da es sich bei der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten allerdings um ein Vergehen i. S. v. § 12 II StGB handelt und hier eine Versuchsstrafbarkeit nicht ausdrücklich per Gesetz angeordnet ist, bleibt der untaugliche Versuch in diesem Fall straflos. Fraglich kann somit nur noch sein, ob sich der Auffordernde gegebenenfalls einer Anstiftung bzw. einer versuchten Anstiftung zu der von ihm avisierten Bezugstat strafbar gemacht haben kann. Da ein Bestimmen i. S. v. §§ 26, 30 I StGB jedoch nicht zwingend in einer Aufforderung nach § 111 StGB enthalten sein muss, kann eine Anstifterstrafbarkeit hier nur dann in Betracht kommen, wenn die objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Anstiftung selbstständig – praktisch in Idealkonkurrenz zu der fehlgeschlagenen öffentlichen Aufforderung – vorgelegen haben. In subjektiver Hinsicht betrifft dies den Anstiftervorsatz, der neben der Vollendung einer vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat auch darauf gerichtet sein muss, individuell bestimmte, als potenzielle Haupttäter in den Blick genommene Personen zur Begehung dieser Tat als deren eigene zu bestimmen. Im Hinblick auf die objektive Anstifterhandlung des Bestimmens wird es im Wesentlichen darauf ankommen, ob durch die Ansprache sowohl die zu begehende Haupttat hinreichend konkret bezeichnet wurde als auch die individuell konkretisierten, als potenzielle Haupttäter in den Blick genommenen Personen als solche erkennbar gemacht wurden. Sollten also im Zuge der (hier fehlgeschlagenen) öffentlichen Aufforderung zugleich auch bereits näher konkretisierte Personen zur Begehung der avisierten Straftat angestiftet werden, so hätten diese als Individuen (z. B. durch namentliche Benennung) angesprochen werden müssen. Anderenfalls hätten jene nämlich nicht von der (hier nur in der Vorstellung des Täters vorliegenden) Öffentlichkeit abgegrenzt werden können und wären somit als Teil derselben zu betrachten. Zudem hätte die Äußerung des Auffordernden die Bezugstat auch schon mit der für ein Bestimmen hinreichenden Genauigkeit1244, nämlich durch konkret-individualisierende Tatmerkmale, bezeichnen müssen. Eine Äußerung, nach der das beschriebene Geschehen noch so abstrakt verblieb, dass es sich lediglich einem Tatbestand hätte zuordnen lassen, wie es für eine öffentliche Aufforderung ausreichend ist1245, hätte eine Anstifterstrafbarkeit nicht begründen können. 1243 Hierzu ausführlich u. a. B. Heinrich, AT, Rn. 668 ff.; Kühl, § 15 Rn. 86 ff.; Rengier, AT, § 35 Rn. 1 ff.; Wessels/Beulke, Rn. 619 f. 1244 Vgl. hierzu auch die ausführliche Problemdiskussion unter C.V.3.a)aa). 1245 Vgl. dazu oben C.V.3.a)cc)(4).
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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Wendet man diese theoretischen Erkenntnisse nun auf die vorliegende Konstellation 3 an, so lässt sich zunächst feststellen, dass es hier eindeutig an der für § 111 II StGB erforderlichen Öffentlichkeit mangelte, so dass eine strafbare (erfolglose) öffentliche Aufforderung zum Mord schon von vornherein objektiv nicht realisiert werden konnte. Die von A gepostete Äußerung erweist sich damit als untauglicher Versuch einer öffentlichen Aufforderung, welcher wiederum mangels gesetzlich angeordneter Versuchsstrafbarkeit straflos bleiben muss. Im Hinblick auf eine etwaige versuchte Anstiftung ist festzuhalten, dass der als Haupttat in Betracht kommende Mord an einem Polizisten zwar hinreichend konkretisiert war, denn es stand nicht nur ein potenzielles Tatopfer, sondern auch eine Tatzeit und ein Tatort fest, nämlich die Protestkundgebung am folgenden Tag. Allerdings war das Angebot des A – aus seiner Sicht – nicht an eine zahlenmäßig überschaubare Personengruppe gerichtet. Zwar war es objektiv lediglich den zehn mit A verbundenen Netzwerkmitgliedern möglich, die Äußerung wahrzunehmen, jedoch fehlte es A hier am Vorsatz für eine etwaige Individualansprache dieser Personen, da er irrtümlich davon ausging, dass sämtliche Mitglieder des Online-Netzwerks seine Profilseite – und damit auch die relevante Aufforderung – einsehen konnten. Für Rückschlüsse auf einen Vorsatz hinsichtlich der versuchten Anstiftung zum Mord gemäß §§ 212, 211, 30 I StGB mittels einer Individualansprache der zehn Netzwerkfreunde, hätte es in der vorliegenden Konstellation also zumindest auch objektiv einer Äußerung bedurft, mit der die tatsächlichen Adressaten als solche erkennbar konkretisiert (z. B. durch namentliche Benennung) angesprochen worden wären. Da dies jedoch nicht passierte, wäre es im Fall des tatsächlichen Vorliegens der (von A gewollten) Öffentlichkeit niemandem möglich gewesen, dessen zehn Netzwerkfreunde von allen anderen Empfängern der Aufforderung abzugrenzen bzw. als individuell konkretisierte Anstiftungsadressaten zu erkennen. Da somit auch die tatsächlich angesprochenen Netzwerkfreunde des A lediglich als Teil der vermeintlichen Öffentlichkeit angesprochen wurden, ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme eines Anstiftervorsatzes, so dass eine Strafbarkeit wegen versuchter Anstiftung zum Mord im Ergebnis ebenfalls ausscheiden muss. Im Ergebnis bleibt der A daher in dieser Irrtumskonstellation straflos. Für die Untersuchung der Konstellation 4 kann vollständig auf den Sachverhalt der zuvor besprochenen Konstellation 3 zurückgegriffen werden, mit dem einzigen Unterschied, dass es tatsächlich zur Ausführung der von A angesonnenen Tat, also der Tötung eines Polizisten auf der Kundgebung am folgenden Tag gekommen ist. Jedoch kann auch die Realisierung der Tötung nicht zu einer Strafbarkeit des A gemäß § 111 I StGB führen, weil es – wie zuvor bereits zu Konstellation 3 dargelegt – objektiv am Vorliegen einer Öffentlichkeitssituation fehlte und der hieraus resultierende untaugliche Versuch des § 111 StGB mangels entsprechender Versuchsstrafbarkeit nicht erfasst werden kann. Die hingegen objektiv vorliegende Situation einer vollendeten Anstiftung (hinreichend konkreti-
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sierte Aufforderung eines überschaubaren Personenkreises zur Begehung eines Mordes, Verwirklichung der Haupttat) vermag es ebenfalls nicht, eine Strafbarkeit des A zu begründen. Da A – wie ebenfalls bereits für Konstellation 3 festgestellt – davon ausging, einen zahlenmäßig unüberschaubaren und individuell unbestimmten Personenkreis anzusprechen, befand er sich hinsichtlich der Anstiftung zum Mord bezüglich des Adressatenkreises in einem Tatbestandsirrtum, so dass es ihm gemäß § 16 I StGB an dem erforderlichen Vorsatz fehlte. Eine vollständige Straflosigkeit muss in diesem Fall aber nicht die zwingende Folge sein. Da A vorliegend zweifellos zu einem pflichtwidrigen Tun aufgefordert hat und diesbezüglich auch die Realisierung durch einen der Angesprochenen nicht ausschließen konnte, kann eine objektive Sorgfaltspflichtverletzung bejaht werden. Diese kann wiederum Grundlage einer Strafbarkeit des A wegen fahrlässiger Tötung gemäß § 222 StGB sein. Sowohl für Konstellation 3 als auch für Konstellation 4 ist hiernach festzuhalten, dass bei der irrigen Annahme des Vorliegens eines zahlenmäßig unüberschaubaren und individuell unbestimmten Adressatenkreises eine Strafbarkeit nach § 111 StGB grundsätzlich mangels Verwirklichung des objektiven Tatbestands und fehlender Versuchsstrafbarkeit ausscheidet. Eine Anstifterstrafbarkeit kann im Hinblick auf die (fehlgeschlagene öffentliche) Aufforderung nur dann in Betracht kommen, wenn neben der Öffentlichkeit zugleich bzw. tateinheitlich auch konkretisierte Personen individuell – als potenzielle Haupttäter – angesprochen wurden und die zu begehende Tat auch mit der für eine Anstiftung erforderlichen Konkretheit beschrieben worden ist. Die Anstifterstrafbarkeit muss also regelmäßig selbstständig bzw. unabhängig von der öffentlichen Aufforderung realisiert werden und tritt nicht etwa alternativ an die Stelle der öffentlichen Aufforderung, wenn diese mangels vorliegender Öffentlichkeit bereits objektiv nicht verwirklicht werden konnte. dd) Die Modifikation der Problemfrage für das Sich-Erbieten (§ 30 II Alt. 1 StGB) Fraglich ist nunmehr aber noch, ob das Problem der hinreichenden Konkretisierung des Täters auch für § 30 II Alt. 1 StGB in Form des Sich-Erbietens relevant wird. Zwar steht in diesem Fall der sich Erbietende, dessen ernstlichen Willen zur Realisierung der angedachten Tat1246 stets vorausgesetzt, selbst als Täter der präsumtiven Tat fest. Jedoch muss dessen endgültiger Tatentschluss – jedenfalls beim sog. „echten Sich-Erbieten“ – erst noch durch die Annahmeerklärung eines anderen (§ 30 II Alt. 2 StGB) hervorgerufen werden. Da in dieser Konstellation also die erste Kommunikationshandlung – nämlich die Abgabe eines An1246 Dieses Element des Vorsatzes des sich Erbietenden kann auch als sog. „Bindungswille“ bezeichnet werden, vgl. dazu auch oben C.V.2.c)aa).
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gebots – auf Seiten des sich Erbietenden liegt und dieser die Begehung des präsumtiven Verbrechens davon abhängig macht, ob sich auch tatsächlich ein Interessent bzw. ein Auftraggeber für die angedachte Tat findet, lässt sich die vorliegende Frage dahingehend stellen, ob der sich Erbietende sein Angebot an einen mindestens bestimmbaren Kreis potenzieller Auftraggeber richten muss oder ob es ausreichen kann, dass selbiges gegenüber einem unbestimmbaren Personenkreis, mithin öffentlich, abgegeben wird1247. Zur Verdeutlichung soll der dem Sich-Erbieten zugrunde liegende DuchesneFall aus dem Jahr 1873 dahingehend abgewandelt werden, dass der über die ernstliche Bereitschaft zur Tötung Bismarcks verfügende Kesselschmied Duchesne sein Angebot nicht – wie im tatsächlichen Fall – gezielt dem Erzbischof von Paris unterbreitet, sondern dies öffentlich auf einem Marktplatz kundgegeben hat, weil es ihm letztlich egal war, von wem er die für die Tat geforderten 60.000 Franken bekommen würde1248. Dagegen, ein Bestimmbarkeitserfordernis hinsichtlich des potenziellen Annehmenden gelten zu lassen, spricht zunächst, dass dieser als Adressat des Angebots ja nicht Täter des avisierten Verbrechens werden soll, sondern lediglich Teilnehmer an selbigem gemäß § 30 II Alt. 2 StGB sein kann. So ließe sich jedenfalls argumentieren, dass das Problem der Bestimmtheit des zukünftigen „Täters“ schon vom Wortlaut her nicht auf die Person des Annehmenden zu übertragen ist. Abgesehen von diesem Argument – und in dogmatischer Hinsicht wohl gewichtiger – handelt es sich bei der Konstellation der initiativen Bereitschaftserklärung konstruktiv um den besonderen Fall einer versuchten Kettenanstiftung mit lediglich zwei Beteiligten1249. Bei einer (versuchten) Kettenanstiftung bedarf es wiederum zwar weder einer Kenntnis des Erstanstifters von den eingeschalteten Zwischengliedern1250 noch von dem Haupttäter1251, jedoch muss zumindest der vom Täter zur weiteren Anstiftung Anzustiftende – d.h. „das nächste Glied in der Kette“ – als Ansprechpartner individuell bestimmbar sein1252. Für den Fall des Sich-Erbietens hätte dies zur Folge, dass der Angebotsadressat als „nächstes Glied in der Kette“ für den sich Erbietenden – zugleich der Erstanstifter – doch individuell bestimmbar sein müsste1253. Allerdings würde dies der hier bestehenden Besonderheit der Kettenanstiftung mit nur zwei Beteiligten nicht gerecht 1247
Hierzu auch B. Heinrich, FS Heinz 2012, S. 728 (735). Zum Duchesne-Fall u. a. Dessecker, JA 2005, 549 (550 f.); LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 vor Rn. 1; MK-Joecks, § 30 Rn. 6; Thalheimer, S. 5. 1249 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 89; Roxin, AT II, § 28 Rn. 78; Thalheimer, S. 72. 1250 Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 20. 1251 B. Heinrich, AT, Rn. 1341; Fischer, § 26 Rn. 9; Rogall, GA 1979, 11 (12); Satzger/Schmitt/Widmaier-Murmann, § 26 Rn. 9. 1252 Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 20. 1253 So B. Heinrich, FS Heinz 2012, S. 728 (735). 1248
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werden. Da es sich bei dieser Konstellation so verhält, dass der sich Erbietende und der Täter des präsumtiven Verbrechens ein und dieselbe Person sind, besteht auf Seiten des hiesigen Erstanstifters – d.h. dem sich Erbietenden – stets Kenntnis von dem präsumtiven Haupttäter, da dies ebenfalls er selbst sein soll. Daher scheint es durchaus entbehrlich, im Gegensatz zu einer „herkömmlichen“ Kettenanstiftung, die mangelnde Kenntnis des Erstanstifters von der Person des Haupttäters durch die individuelle Bestimmbarkeit des nachfolgenden (weiteren) Anstifters zu substituieren. Kurz gesagt: Da der sich Erbietende bereits weiß, dass er selbst Täter des von ihm angebotenen Verbrechens sein wird, kann es – anders als beim Normalfall der Kettenanstiftung – auf eine individuelle Bestimmtheit des nächsten Ansprechpartners – vorliegend der gemäß § 30 II Alt. 2 StGB Annehmende – nicht (mehr) entscheidend ankommen. Auch Strafwürdigkeitserwägungen sprechen dafür, dass der potenzielle Annehmende für den sich Erbietenden nicht individualisierbar sein muss. Wird nämlich ein ernstliches Angebot zu einer durch konkret-individualisierende Tatmerkmale gekennzeichneten Verbrechensbegehung gegenüber einem zahlenmäßig unüberschaubaren und individuell unbestimmten Adressatenkreis abgegeben, so kann ein interessierter Auftraggeber regelmäßig erst durch eine seinerseits erklärte Annahme des ihm zugegangenen Angebots individuell erkennbar werden. Würde man also die Bestimmtheit des Annehmenden für ein strafbares Sich-Erbieten voraussetzen, wäre dies im Fall des öffentlich abgegebenen Angebots damit verbunden, dass man selbiges entweder von vornherein für straflos halten oder aber mindestens eine entsprechende Annahmeerklärung i. S. v. § 30 II Alt. 2 StGB als zwingende Folge fordern müsste. Eine solche Abhängigkeit des Sich-Erbietens von einer Annahmeerklärung nach § 30 II Alt. 2 StGB lässt sich jedoch dem Wortlaut der Norm nicht entnehmen. Vielmehr könnte sich aber auch ein Widerspruch zum Strafgrund des Sich-Erbietens ergeben. Überzeugend legt Thalheimer diesbezüglich dar, dass die Strafwürdigkeit des Sich-Erbietens gerade nicht von der Abgabe einer Annahmeerklärung gemäß § 30 II Alt. 2 StGB abhängig sein kann, weil der sich ernstlich Erbietende die Tatbegehung nur noch von solchen Umständen abhängig machen will, auf die er selbst keinen Einfluss mehr hat und es somit regelmäßig schon mit dem Zugang – d.h. vor bzw. ohne die Abgabe – einer entsprechenden Annahmeerklärung zur Aufgabe der psychischen Tatherrschaft des sich Erbietenden kommt1254. Wird das Sich-Erbieten gegenüber der Öffentlichkeit sogar für grundsätzlich – d.h. selbst beim Vorliegen einer Annahmeerklärung – straflos erachtet, käme in diesem Fall lediglich für den Annehmenden eine Strafbarkeit wegen versuchter Anstiftung gemäß § 30 I StGB in Betracht. Jedoch überzeugt es nicht, hier allein den Annehmenden – dessen Äußerung in der Regel nicht mehr als ein „Ja, mach es!“ voraussetzt – wegen versuchter Anstiftung zu bestrafen, während man den sich ernstlich und initiativ 1254
Thalheimer, S. 75 f.
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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Bereiterklärenden – der immerhin eine durch konkret-individualisierende Tatmerkmale gekennzeichnete Verbrechensbegehung in Aussicht stellt und dem potenziellen Annehmenden damit praktisch „den Ball zuspielt“ – nur deshalb straflos ausgehen lässt, weil dieser sein Angebot öffentlich erklärt hat. Hieraus lässt sich die Schlussfolgerung ziehen, dass es für die Strafwürdigkeit des SichBereiterklärens nicht darauf ankommen kann, ob das betreffende Angebot an individualisierte Personen gerichtet ist oder nicht. Vielmehr muss sowohl für individuell adressierte als auch für an eine unbestimmbare Öffentlichkeit gerichtete Angebote entscheidend sein, dass die jeweils erforderliche Ernstlichkeit bei dem sich Erbietenden vorliegt. Liegt eine Begehungsbereitschaft von hinreichender Ernstlichkeit beim sich Erbietenden vor, so kann dessen Strafbarkeit wegen der Abgabe des Angebots also nicht daran scheitern, dass er die Person, welche ihn durch ihre Annahmeerklärung (§ 30 II Alt. 2 StGB) letztlich zur Begehung der avisierten Verbrechens bestimmen soll, zuvor nicht individuell bestimmt hat. Bezüglich der eingangs dargestellten Abwandlung des Duchesne-Falls bedeutet dies, dass es hinsichtlich der Strafbarkeit des Kesselschmieds Duchesne keinen Unterschied machen kann, ob er sein Angebot – wie im Ursprungsfall – gezielt dem Erzbischof von Paris unterbreitet oder selbiges – wie in der Abwandlung – öffentlich auf einem Marktplatz kundgegeben hat. Vielmehr stellt die öffentliche Kundgabe des Tötungsangebots ein gleichermaßen strafwürdiges Verhalten, wie die auf einen bereits konkretisierten Adressaten bezogene Entäußerung desselben dar1255. Ist es für die in Aussicht genommene und angebotene Verbrechensbegehung – wie in der hiesigen Abwandlung des Duchesne-Falls – nicht erforderlich, dass die diesbezügliche Annahmeerklärung von einer bestimmten Person abgegeben wird, muss jedenfalls auch ein öffentliches Angebot (z. B. über eine frei zugängliche Website) zur Bejahung des § 30 II Alt. 1 StGB führen. Brächte man § 30 II Alt. 1 StGB indes hier nicht zur Anwendung, wären ungerechtfertigte Strafbarkeitslücken zu befürchten. Zwar liegt zunächst der Gedanke nahe, die Handlung des sich öffentlich Erbietenden über § 111 StGB (als eine öffentliche Aufforderung zur Anstiftung des sich Erbietenden) zu erfassen. Jedoch ist diesbezüglich zu berücksichtigen, dass die Angebotsäußerung, auch wenn sie darauf abzielt, mindestens einen der unüberschaubar vielen Adressaten zu einer Annahmeerklärung zu motivieren, oftmals nicht über die Qualität, insbesondere nicht die Ausdrucksintensität einer Aufforderung i. S. v. § 111 StGB verfügen wird. Gilt für eine Aufforderung nach § 111 StGB das Erfordernis des appellativen Charakters1256, so wird dem durch ein beispielsweise in Frageform formuliertes Angebot (z. B.: „Wer hat Interesse daran, dass ich Bismarck töte? Es soll meinen Auftraggeber nur 60.000 Franken 1255 Anders offenbar B. Heinrich, FS Heinz 2012, S. 728 (735), der die Wahrscheinlichkeit, einen Auftraggeber zu finden, für größer hält, wenn individuelle Personen angesprochen werden. 1256 Vgl. dazu oben C.V.2.f)bb).
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
kosten.“) kaum einmal Genüge getan werden können. Darüber hinaus dürfte es allerdings schon fraglich sein, ob § 111 StGB in einem solchen Fall überhaupt zur Anwendung kommen kann, denn anders als der öffentlich Auffordernde gibt der sich (öffentlich) Erbietende zu keinem Zeitpunkt den weiteren Geschehensablauf bezüglich der angesonnenen Tat aus der Hand, so dass es hier jedenfalls (auch) an einem wesentlichen Strafgrund des § 111 StGB1257 mangelt. Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass es die – auch bei einem Angebot nach § 30 II Alt. 1 StGB – erforderliche Konkretisierung des avisierten Verbrechens durch eine hinreichende Anzahl konkret-individualisierender Tatmerkmale 1258 häufig mit sich bringen kann, dass hinsichtlich der Annahmeerklärung – d.h. als Auftraggeber – von Anfang an nur eine oder mehrere individuell bestimmte Personen in Betracht kommen. Grundsätzlich kann jedoch, aus den hier aufgezeigten Gründen, nicht gefordert werden, dass im Fall des Sich-Erbietens gemäß § 30 II Alt. 1 StGB stets eine bestimmte Einzelperson oder ein zahlenmäßig überschaubarer bzw. individuell bestimmter Personkreis angesprochen werden muss1259. Wie schon zuvor dargelegt1260, bietet sich in den Kommunikationsmitteln des Internets häufig die Möglichkeit, seinen Kommunikationspartnern gegenüber anonym aufzutreten und dabei eine unüberschaubare Vielzahl von anderen Nutzern zu erreichen1261. So kann beispielsweise die Verwendung eines Nicknames zur Verschleierung der wahren Identität dienen1262. Häufig wird darüber hinaus auch eine Verifizierung der vom Nutzer angegebenen persönlichen Daten durch den Anbieter nicht vorgenommen, so dass die Registrierung und die anschließende Nutzung des Kommunikationsdienstes (z. B. eines sozialen Online-Netzwerks) unter falschem Namen bzw. unter einer Scheinidentität durchaus möglich sind. Diese Bedingungen dürften es wiederum demjenigen erleichtern, sich zur Begehung eines Verbrechens zu erbieten, der lediglich scheinbar dazu bereit ist. So kann man sich z. B. vorstellen, dass ein im realen Leben völlig unbescholtener Bürger in den virtuellen Kommunikationsräumen des Internets unter einer Scheinidentität auftritt und unverhohlen öffentlich seine Dienste als Auftragsmörder anbietet, tatsächlich aber keineswegs eine entsprechende Tat begehen würde und nur testen will, welche Reaktionen seinem Angebot folgen. Von einem strafwürdigen Verhalten wird hierbei mangels Vorliegen bzw. Schaffung einer realen Gefahr – ein Mord soll ja tatsächlich nie begangen werden – wohl kaum auszugehen sein. Demnach könnte also – um eine Ausuferung der unter § 30 II Alt. 1 StGB 1257
Vgl. zum Strafgrund des § 111 StGB bereits ausführlich oben C.V.2.f)aa). Vgl. dazu oben C.V.3.a)aa). 1259 A. A. jedoch B. Heinrich, FS Heinz 2012, S. 728 (733, 735). 1260 Vgl. z. B. oben C.V.2.b)dd). 1261 So auch B. Heinrich, FS Heinz 2012, S. 728 (728 f.). 1262 Hierzu auch Reiter, Deutschlandradio Kultur vom 17.05.2011 unter http:// www.dradio.de/dkultur/sendungen/politischesfeuilleton/1459261/ (zuletzt abgerufen am 10.08.2012). Ferner auch B. Heinrich, FS Heinz 2012, S. 728 (734). 1258
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
353
subsumierbaren Fälle zu vermeiden – gefordert werden, das Kommunikationsverhalten im Internet gesondert zu bewerten und hier zu verlangen, dass bereits das Angebot zur Verbrechensbegehung gegenüber einem mindestens zahlenmäßig überschaubaren oder individuell bestimmten Adressatenkreis erfolgen muss. Die Folge wäre, dass entsprechende Erklärungen in Internetkommunikationsmitteln mit unüberschaubar vielen Nutzern per se als straflos angesehen werden müssten1263. Jedoch wäre es verfehlt, die Straflosigkeit in einem solchen Fall damit zu begründen, dass (z. B. in einem allgemein zugänglichen Chatroom) ein zahlenmäßig unüberschaubares bzw. individuell unbestimmtes Publikum in den Blick genommen worden ist. Vielmehr erweist sich das Verhalten des vermeintlichen Auftragsmörders deshalb als straflos, weil sein Angebot ganz eindeutig die bei § 30 II Alt. 1 StGB – grundsätzlich in Form eines tatsächlichen Willens zur Tatverwirklichung – erforderliche Ernstlichkeit1264 vermissen lässt. Darüber hinaus wird eine Strafbarkeit nach § 30 II Alt. 1 StGB auch dann nicht anzunehmen sein, wenn das vermeintliche Angebot das präsumtive Verbrechen nicht mit der hinreichenden Genauigkeit – erforderlich ist stets eine Kennzeichnung des zu begehenden Verbrechens durch konkret-individualisierende Tatmerkmale – beschreibt und daher allenfalls eine unverbindliche Anregung zu einer Anstiftung darstellen kann. Jedenfalls scheint es nicht abwegig, dass ein sich nicht ernstlich Erbietender in der Regel auch nur ein sehr vage formuliertes Angebot abgeben wird. Die vorangehenden Darlegungen führen mithin zu der Erkenntnis, dass Angebote unterhalb der Strafwürdigkeitsschwelle des § 30 II Alt. 1 StGB schon jetzt – d.h. nach aktuell geltender Rechtslage – ausgeschieden werden können. Demnach scheint es auch nicht geboten, für die Kommunikation im Internet einschränkend zu fordern, dass hier das Angebot zur Verbrechensbegehung nur dann strafbar sein soll, wenn jenes gegenüber hinreichend bestimmten Adressaten zur Äußerung gebracht wird. Es muss daher auch im Hinblick auf internetbezogene Sachverhalte bei dem hier gefundenen Ergebnis bleiben, dass der sich zur Begehung eines Verbrechens Erbietende nicht nur dann strafbar ist, wenn er sein Angebot an einen für ihn zahlenmäßig überschaubaren bzw. individuell bestimmten Personenkreis richtet. Folglich kann eine initiative Bereitschaftserklärung sowohl in solchen Internetkommunikationsmitteln realisiert werden, welche der Individualkommunikation dienen (z. B. eine individuelle E-Mail, ein geschlossenes Forum mit einer zahlenmäßig überschaubaren Anzahl von Nutzern) als auch in solchen, welche allen Nutzern frei zugänglich sind und in denen die Kommunikation öffentlich stattfindet (z. B. öffentlicher Chatroom, öffentliches Forum, frei zugängliche Website).
1263
Dieses Ergebnis offenbar befürwortend B. Heinrich, FS Heinz 2012, S. 728
(735). 1264
Vgl. dazu bereits oben C.V.2.c)aa).
354
C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
ee) Zusammenfassung Die für die Abgrenzung zwischen den Formen der Anstiftung (§§ 26, 30 I StGB) einerseits und der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB) andererseits maßgebliche Frage der Bestimmtheit/Unbestimmtheit des angesprochenen Adressatenkreises kann zunächst weitgehend anhand des Streits um die Kriterien für die hinreichende Konkretisierung des Haupttäters bei der Anstiftung geführt werden. Dies ergibt sich daraus, dass das Öffentlichkeitserfordernis in § 111 StGB ausdrücklich normiert ist und damit feststeht, dass die dortige Aufforderung jedenfalls grundsätzlich gegenüber einem zahlenmäßig unüberschaubaren und individuell unbestimmten Personenkreis erfolgen muss. Nachdem es – entgegen einer Einzelansicht – nicht möglich ist, eine Anstiftung auch durch die Ansprache eines für den Anstifter individuell unbestimmten und unüberschaubar großen Adressatenkreises zu verwirklichen, verdient es Zustimmung, wenn diesbezüglich ein für den Anstifter zumindest zahlenmäßig überschaubarer und/oder individuell bestimmter Personenkreis verlangt wird1265. Eine solche Situation ist wiederum dann anzunehmen, wenn es dem Initiator möglich ist, den einen oder die mehreren Haupttäter ohne größere Schwierigkeiten zu ermitteln und auf diese(n) noch einen gewissen Einfluss zu nehmen1266. Für die diesbezügliche Beurteilung wird eine regelmäßige Betrachtung des konkreten Einzelfalls jedoch unerlässlich sein. Führt diese zu dem Ergebnis, dass sich die angesprochene Personengruppe für den (vermeintlichen) Anstifter weder als zahlenmäßig überschaubar noch als individuell bestimmt darstellt, kann § 111 StGB in Betracht kommen, sofern in der Ansprache eine hinreichende Aufforderung zu sehen ist. Kommt bei einem zu prüfenden Sachverhalt zunächst vorrangig eine Strafbarkeit nach § 111 StGB in Betracht, so kann sich mitunter die Frage stellen, ob bei einer unüberschaubar großen Personengruppe die angenommene Öffentlichkeitssituation möglicherweise aufgrund hinreichender Individualisierungskriterien entfällt1267. Ob bzw. ab wann ein zahlenmäßig unüberschaubarer Personkreis aufgrund hinreichender Individualisierungsmerkmale nicht mehr als öffentlich i. S. v. § 111 StGB zu definieren ist, wird wiederum nur anhand des jeweiligen konkreten Einzelfalls ermittelt werden können. Weiterhin konnte festgestellt werden, dass § 111 StGB auch dann verwirklicht werden kann, wenn primär zwar bestimmte Einzelpersonen angestiftet werden sollen, der Initiator der zu begehenden Straftat sich dabei aber bewusst ist, dass seine Aufforderung zugleich auch von einem zahlenmäßig unüberschaubaren und individuell unbestimmten Personenkreis wahrgenommen werden kann, sofern es ihm nicht möglich ist auszu1265 1266 1267
Vgl. oben C.V.3.b)bb)(3). Vgl. oben C.V.3.b)bb)(4). Vgl. dazu C.V.3.b)cc)(1).
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
355
schließen, dass gegebenenfalls auch aus diesem Kreis eine Person zur Begehung der angesonnenen Tat motiviert werden könnte. In diesem Fall schließt § 111 StGB Strafbarkeitslücken, welche aufgrund der spezifischen tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 26 und 30 I StGB entstehen können1268. Wie eingangs gezeigt1269, kommt dem Problem der hinreichenden Konkretisierung des Täters der in Aussicht genommenen Tat bei § 30 II Alt. 1 StGB in Form der Annahme einer Aufforderung (reaktive Bereitschaftserklärung) sowie der Annahme eines Sich-Erbietens gemäß § 30 II Alt. 2 StGB und der Verabredung zur gemeinschaftlichen Begehung eines Verbrechens gemäß § 30 II Alt. 3 StGB keine Bedeutung zu, weil diese Tatbestände eine hinreichende Konkretisierung bereits grundsätzlich bzw. zwingend verlangen. Infolgedessen kann sich hier auch nicht die Frage nach einer etwaigen öffentlichen Begehung der jeweiligen Kommunikationshandlung stellen. Für das Äußerungsdelikt des § 52 I Nr. 4 WaffG spielt die Frage, ob ein hinreichend zahlenmäßig überschaubarer und/oder individuell bestimmter Personenkreis oder aber die Öffentlichkeit angesprochen wird, keine Rolle, da der Tatbestand sowohl durch eine individuell gezielte als auch eine öffentlich erteilte Anleitung bzw. Aufforderung zur Herstellung von Molotow-Cocktails und sonstiger unkonventioneller Spreng- und Brandvorrichtungen realisiert werden kann. Schließlich konnte für das Sich-Erbieten, als eine der beiden Konstellationen der Bereitschaftserklärung nach § 30 II Alt. 1 StGB, festgestellt werden, dass das hier von dem sich Erbietenden zu erklärende Angebot nicht nur dann zur Strafbarkeit führt, wenn dieses gegenüber einer bestimmten Einzelperson oder aber einem zahlenmäßig überschaubaren oder individuell bestimmten Personenkreis abgegeben wird. Vielmehr kann eine entsprechende Strafbarkeit auch dann in Betracht kommen, wenn ein durch konkret-individualisierende Tatmerkmale gekennzeichnetes Angebot zur Begehung eines Verbrechens öffentlich geäußert wird1270. c) Zusammenfassung zur Frage der Ernstlichkeit Neben den zuvor erörterten Problemen gibt es auch solche Merkmale, welche in den einzelnen Tatbeständen wiederkehren und dort eine eigene Bedeutung entfalten, ohne dabei jedoch zugleich eine Abgrenzungsfunktion zu anderen Tatbeständen zu erfüllen. Im Wesentlichen betrifft dies das Merkmal der Ernstlichkeit und auch das des Zugangserfordernisses der jeweiligen Erklärung. Um die zur Frage der Ernstlichkeit bereits im Normenanalyseteil der vorliegenden Arbeit ge1268 1269 1270
Vgl. dazu C.V.3.b)cc)(3). Vgl. oben C.V.3.b)aa). Vgl. zuvor C.V.3.b)dd).
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
fundenen tatbestandsbezogenen Ergebnisse1271 in einem einheitlichen Kontext darzustellen, wird an dieser Stelle ein zusammenfassender Überblick gegeben. Im Anschluss daran wird selbiges für die Frage des Zugangserfordernisses erfolgen1272. aa) Die Formen der Anstiftung (§§ 26, 30 I StGB) Hinsichtlich der Formen der Anstiftung wird die Frage der Ernstlichkeit ausdrücklich nur bei der versuchten Verbrechensanstiftung gemäß § 30 I StGB thematisiert1273. Dennoch lässt sich dieser subjektive, zum Anstiftervorsatz gehörende Aspekt1274 ebenso auch auf die vollendete Anstiftung nach § 26 StGB übertragen. Konkret lässt sich hier die Frage stellen, ob der Anstifter einen anderen zur Realisierung der Haupttat auch ernstlich – d.h. wirklich – bestimmen will bzw. die Vollendung der Tat infolge des Bestimmens zumindest für möglich hält1275. Sowohl für die vollendete als auch für die versuchte Anstiftung kann diesbezüglich festgehalten werden, dass der Anstifter es zumindest für möglich halten muss, dass es bei dem/den als Haupttäter in Aussicht Genommenen durch das Bestimmen tatsächlich zur Bildung eines eigenen Tatentschlusses kommen kann1276. Regelmäßig wird das aber nur dann der Fall sein, wenn der Anstifter dahingehend von der Geeignetheit seiner Bestimmungshandlung überzeugt ist, dass selbige von dem Anzustiftenden möglicherweise auch für ernst gemeint gehalten wird. Dies ist auch dann (noch) der Fall, wenn der Anstifter beispielsweise nur provozieren oder sich einen Scherz erlauben will, es dabei aber zugleich nicht ausschließen kann, dass die von ihm geäußerte vermeintliche Tatanregung ernst genommen wird und es letztlich zur Ausführung der Haupttat kommen kann. In diesem Fall liegt eine dem § 116 Satz 1 BGB vergleichbare Situation vor. Ist sich der (vermeintliche) Anstifter hingegen sicher, dass die mangelnde Ernsthaftigkeit seiner Tatanregung erkannt werden und es daher nicht zur Ausführung der Haupttat kommen wird bzw. vertraut er (im Wege bewusster Fahrläs1271 Vgl. dazu auch im Einzelnen C.V.2.b)dd) zu § 30 I StGB, C.V.2.c)aa) zu § 30 II Alt. 1 StGB, C.V.2.d)bb) zu § 30 II Alt. 2 StGB, C.V.2.e)cc) zu § 30 II Alt. 3 StGB und C.V.2.f)bb) zu § 111 StGB. 1272 Vgl. dazu unten C.V.3.d). 1273 Zu § 30 I StGB u. a. BGHSt 44, 99 (101 ff.); LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 20 ff.; MK-Joecks, § 30 Rn. 32; Roxin, AT II, § 28 Rn. 15 ff.; Satzger/Schmitt/ Widmaier-Murmann, § 30 Rn. 14; Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 28; Thalheimer, S. 29 f. 1274 Vgl. auch oben C.V.2.b)dd), wo bereits herausgestellt worden ist, dass es sich bei der Ernstlichkeit als solcher nicht um ein eigenständiges Merkmal handelt. 1275 Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 28. 1276 Vgl. B. Heinrich, AT, Rn. 1304 zu § 26 StGB; Roxin, AT II, § 28 Rn. 15 zu § 30 I StGB.
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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sigkeit) ernsthaft darauf, dass seine „Anstiftung“ keinen Erfolg haben wird, liegt eine dem § 118 BGB vergleichbare Situation vor. Eine strafbare versuchte Verbrechensanstiftung ist dann – mangels hinreichenden Anstiftervorsatzes – nicht anzunehmen. Rät beispielsweise der A seinem Freund B, von dem ihm bekannt ist, dass dieser nicht das beste Verhältnis zu seiner Schwiegermutter hat, mittels einer E-Mail wieder einmal scherzhaft dazu, „der Alten am nächsten Wochenende den Kaffee einfach mit einem Schuss Gift zu versüßen“, so erfüllt dies nicht den Tatbestand der versuchten Anstiftung zum Mord, wenn A sich dabei sicher ist, dass B diese Äußerung auch als eine solche unernstliche Scherzerklärung auffassen und selbige unter keinen Umständen zu einem entsprechenden Tatentschluss bei ihm führen wird. Ist sich A dessen hingegen nicht sicher und kann er demzufolge die Möglichkeit, dass B sich tatsächlich zur Tötung der Schwiegermutter motiviert fühlen und die Tat begehen könnte, nicht ausschließen, liegt eine Strafbarkeit wegen versuchter bzw. – im Fall der Tatausführung – vollendeter Anstiftung zum Mord vor. Dass A selbst die Realisierung dieser Tat zu keinem Zeitpunkt wollte, ist dann für seine Strafbarkeit als Anstifter irrelevant. Ernstlichkeit bedeutet bei den Formen der Anstiftung also stets, dass der Anstifter davon ausgehen bzw. es für möglich halten muss, dass seine Tatanregung ernst genommen werden und es infolgedessen zur Bildung eines Tatentschlusses und letztlich auch der Ausführung der angedachten Tat kommen könnte. Allein ein nach außen hin nicht erkennbarer – d.h. in der Bestimmungshandlung zum Ausdruck kommender – Vorbehalt des Anstifters gegen eine tatsächliche Realisierung der Haupttat ist folglich unbeachtlich und lässt daher nicht die Strafbarkeit entfallen. bb) Die Bereitschaftserklärung (§ 30 II Alt. 1 StGB) Auch für die beiden Formen der Bereitschaftserklärung nach § 30 II Alt. 1 StGB wird der Aspekt der Ernstlichkeit thematisiert1277. Hierbei besteht Einigkeit darüber, dass es sowohl für die initiative als auch für die reaktive Form der Bereitschaftserklärung unbedingt darauf ankommen muss, dass der sich Bereiterklärende ohne innere Vorbehalte gegen das präsumtive Verbrechen handelt, denn er steht für alle Beteiligten als zukünftiger Täter fest und er allein ist es, der die Herrschaft über das weitere Geschehen bis hin zur etwaigen Realisierung der angedachten Tat innehat. Von entscheidender Bedeutung ist es also, dass der sich Bereiterklärende es selbst zur Verwirklichung oder mindestens zum Versuch des präsumtiven Verbrechens kommen lassen will, denn ohne diesen Umstand ist der 1277 Zu § 30 II Alt. 1 StGB u. a. BGHSt 6, 346 (347 – zu § 49a StGB a. F.); LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 87, 92; MK-Joecks, § 30 Rn. 46; Roxin, AT II, § 28 Rn. 76, 78; Satzger/Schmitt/Widmaier-Murmann, § 30 Rn. 19; Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 27; Thalheimer, S. 78 f.
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
Eintritt einer Rechtsgutsgefährdung ausgeschlossen. Es kann daher nicht ausreichen, wenn die Bereitschaftserklärung lediglich nach außen hin den Eindruck der Ernstlichkeit erweckt1278. So kann man sich beispielsweise vorstellen, dass der A sich über seinen Blog, um bei den Lesern bzw. Teilnehmern einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen, als Auftragsmörder ausgibt und sich dementsprechend zur Tötung von Menschen erbietet. Tut er dies nur ganz allgemein und unkonkret, z. B. mit einer Formulierung wie: „Ich bin der Mann für die schwierigen Fälle. Wer sich irgendjemanden dauerhaft vom Leib halten will, spreche mich einfach an. Ich kümmere mich dann um alles Weitere!“, so scheitert eine Strafbarkeit nach §§ 212, 211, 30 II Alt. 1 StGB bereits daran, dass hier keine konkret-individualisierte Verbrechenstat angeboten wird. Erfüllt der A die Konkretisierungsanforderung jedoch, indem er beispielsweise in seinem Blog bekundet, keine Skrupel zu haben, am nächsten Tag der Deutschen Einheit dem „Chef der Bundesregierung“ im Rahmen der öffentlichen Feierlichkeiten eine „Kugel in den Kopf zu jagen“, sofern jemand bereit sei, im Gegenzug dafür „20.000 A springen zu lassen“, kann eine Strafbarkeit gemäß §§ 212, 211, 30 II Alt. 1 StGB in Betracht kommen. Jedoch setzt dies dann weiterhin voraus, dass der A die von ihm konkret beschriebene Tat auch wirklich – also ernstlich – begehen und sich daher auch gegenüber seinem Auftraggeber auf die Tatausführung festlegen will. Im vorliegenden Beispiel ist dies jedoch gerade nicht der Fall. Da A den anderen Teilnehmern des Blogs lediglich imponieren, es aber zu keinem Zeitpunkt tatsächlich zur Realisierung kommen lassen will, fehlt es ihm an der erforderlichen inneren Einstellung bzw. Ernstlichkeit und damit letztlich an dem erforderlichen (Tötungs)Vorsatz. Seine lediglich nach außen hin ernst gemeint erscheinende Äußerung vermag als solche keine Gefahr für das Leben des Bundeskanzlers zu begründen, selbst dann nicht, wenn sich tatsächlich ein zahlungskräftiger Auftraggeber finden sollte, denn die Herrschaft über das weitere Geschehen bleibt hier stets in der Hand des A. Allein die von A getätigte Äußerung führt somit also nicht zu einer Strafbarkeit. Ein Indiz für das Fehlen der erforderlichen Ernstlichkeit kann darin bestehen, dass die besagte Äußerung unter völliger Anonymität (z. B. in einem Chat) abgegeben wird. Tritt der sich Bereiterklärende unter einem Nickname auf und mangelt es zugleich an Angaben, welche Rückschlüsse auf seine Identität zulassen (z. B. eine persönliche E-Mail-Adresse), so wird kaum davon ausgegangen werden können, dass hier ein wirklicher Wille zur Bindung an das Angebot gegenüber etwaigen Auftraggebern vorliegt1279. Vielmehr wird es dem sich Bereiterklärenden ein Leichtes sein, sich der Umsetzung seines Angebots zu entziehen, denn mangels Kenntnis seiner wahren Identität auf Seiten des Auftraggebers
1278 1279
Vgl. dazu bereits oben C.V.2.c)aa). Vgl. in diesem Zusammenhang auch B. Heinrich, FS Heinz 2012, S. 728 (734).
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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muss er nicht befürchten, von diesem verbindlich auf Erfüllung in Anspruch genommen zu werden. Festzuhalten ist hiernach also, dass der sich Bereiterklärende – anders als der Anstifter – über eine innere Ernstlichkeit hinsichtlich der angesonnenen Tat verfügen muss. Ernstlichkeit bedeutet bei einer Bereitschaftserklärung nach § 30 II Alt. 1 StGB demnach, dass der sich Bereiterklärende es jedenfalls – i. S. d. mindestens erforderlichen bedingten Vorsatzes – für möglich halten muss, sich eventuell doch noch zur Begehung des präsumtiven Verbrechens zu entscheiden1280. Folglich ist diejenige Bereitschaftserklärung straflos, welche nur zum Schein erfolgt, d.h. bei der es der (vermeintliche) präsumtive Täter unter keinen Umständen für möglich hält, die angedachte Tat (doch noch) zur Ausführung zu bringen. Ein Indiz für das Fehlen der erforderlichen Ernstlichkeit kann der Umstand sein, dass der sich Bereiterklärende für etwaige Auftraggeber vollständig anonym und faktisch unerreichbar bleibt. cc) Die Annahme eines Sich-Erbietens (§ 30 II Alt. 2 StGB) In der Konstellation der Annahme eines Sich-Erbietens gemäß § 30 II Alt. 2 StGB kann die Frage nach der Ernstlichkeit in zweierlei Hinsicht relevant werden1281. Dabei kann zunächst die Annahmeerklärung für sich allein in den Blick genommen werden. Sodann wird gesondert diskutiert, ob auf ein nicht ernstliches Sich-Erbieten überhaupt eine Annahmeerklärung folgen und eine Strafbarkeit für diese Kommunikationshandlung eintreten kann1282. Tatsächlich erweist sich die zweite Frage jedoch im Hinblick darauf, welches Maß an Ernstlichkeit für die Annahmeerklärung zu verlangen ist als irrelevant, weil diese Konstellation das Vorliegen einer ernstlichen Annahmeerklärung schon voraussetzt. Hinsichtlich der Ernstlichkeit der Annahmeerklärung nach § 30 II Alt. 2 StGB kann festgestellt werden, dass es ausreicht, dass der Annehmende hinsichtlich seiner Erklärung davon ausgeht, dass der sich Erbietende diese jedenfalls für ernst gemeint halten, daraufhin einen endgültigen Tatentschluss fassen und letztlich zur Verwirklichung des angesonnenen Verbrechens übergehen könnte1283. Nicht nach außen hin erkennbare Vorbehalte des Annehmenden gegen eine tatsächliche Realisierung des zukünftigen Verbrechens sind daher unbeachtlich. Es gelten somit also dieselben Anforderungen wie bei der versuchten Anstiftung 1280
So auch Thalheimer, S. 79. Zu § 30 II Alt. 2 StGB u. a. BGHSt 10, 388 (zu § 49a II StGB a. F.); LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 97 ff.; MK-Joecks, § 30 Rn. 50; Roxin, AT II, § 28 Rn. 85 f.; Satzger/Schmitt/Widmaier-Murmann, § 30 Rn. 22; Schönke/Schröder-Heine, § 30 Rn. 28; Thalheimer, S. 89 ff. 1282 Vgl. dazu bereits ausführlich oben C.V.2.d)bb). 1283 So auch LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 99; Thalheimer, S. 90. 1281
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
nach § 30 I StGB1284. Hierbei handelt es sich auch um eine logische Konsequenz, denn die Annahme eines Sich-Erbietens stellt letztendlich nichts anderes als einen Unterfall der versuchten Anstiftung dar1285. Unter Rückgriff auf den zuvor für die Bereitschaftserklärung skizzierten Beispielsfall1286, lässt sich dieser dahingehend abwandeln, dass der A tatsächlich zur Tötung des Bundeskanzlers am nächsten Tag der Deutschen Einheit gegen Entgelt bereit ist und sich demzufolge mit der hinreichenden Ernstlichkeit in seinem Blog erbietet. B, der lediglich unter seinem Nickname Beiträge in dem Blog des A postet, fühlt sich aufgrund seiner Anonymität sicher und sieht in dem Angebot des A eine willkommene Gelegenheit, um sich gegenüber den anderen Teilnehmern des Blogs als reicher Mann hervorzutun. Als Reaktion auf die Äußerung des A schreibt B: „Dein Angebot klingt sehr interessant! Schreibe mir, am Besten per E-Mail, auf welchem Weg ich Dir die 20.000 A zukommen lassen soll. Von mir aus kannst Du das Geld schon morgen bekommen.“ B kommt es dabei jedoch allein darauf an, sich als besonders vermögend darzustellen, während er die Tötung des Bundeskanzlers auf keinen Fall will. Dass es B hier in Wirklichkeit nicht darauf ankommt, ein Attentat auf den Bundeskanzler gemäß dem Angebot des A in Auftrag zu geben, steht einer Strafbarkeit nach §§ 212, 211, 30 II Alt. 2 StGB jedoch nicht entgegen. Vielmehr ist entscheidend, dass B bereits mit seiner lediglich nach außen hin ernst gemeint erscheinenden Annahmeerklärung bewusst zu (einer Erhöhung) der Gefährdung für das Leben des Bundeskanzlers beigetragen hat. Infolge der nunmehr bei A möglicherweise eingetretenen Motivation (Erwartung der Zahlung von 20.000 A) sowie der auf seiner Seite fehlenden garantierten Verhinderungsmöglichkeit, kann B nämlich nicht mehr mit Sicherheit ausschließen, dass es tatsächlich zur Begehung des Attentats durch A kommt. Zu einer Strafbarkeit des B kommt man (nach der hier vertretenen Ansicht zur Strafbarkeit der Annahme eines Scheinangebots1287) selbst dann, wenn A sich – wie im Ausgangsfall – lediglich unernstlich erboten hätte, B sich der mangelnden Ernstlichkeit auf Seiten des A aber nicht bewusst gewesen wäre. dd) Die Verbrechensverabredung (§ 30 II Alt. 3 StGB) Wollen mindestens zwei Personen als Mittäter eine Straftat begehen, so setzt das Zustandekommen eines echten gemeinsamen Tatentschlusses voraus, dass sich jeder der Beteiligten auch auf der Grundlage seines tatsächlichen inneren Willens und nicht nur anhand einer nach außen gerichteten Kundgabe zur Reali1284 1285 1286 1287
LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 96, 99. Roxin, AT II, § 28 Rn. 82. Vgl. direkt zuvor C.V.3.c)bb). Vgl. dazu oben C.V.2.d)bb).
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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sierung der geplanten Tat bekennt1288. Da es sich bei der Verbrechensverabredung gemäß § 30 II Alt. 3 StGB praktisch um eine Vorstufe der Mittäterschaft handelt1289, muss dies für jene ebenso gelten. So erklärt es sich auch, warum – anders als bei den anderen Handlungsformen des § 30 StGB – die Frage nach dem erforderlichen Maß an Ernstlichkeit für die Verbrechensverabredung (jedenfalls im Grundsatz) kaum gestellt wird. Erforderlich ist es also, dass sich der jeweilige präsumtive Mittäter den anderen Komplottanten gegenüber nicht nur derart äußert, dass diese ihn nach seinem Dafürhalten ernst nehmen und daraufhin den gemeinsamen Tatentschluss fassen werden, sondern dass er die Realisierung des ins Auge gefassten Verbrechens auch tatsächlich selbst will bzw. diese mindestens billigend in Kauf nimmt. Dies wird nicht zuletzt auch dann deutlich, wenn man die Verbrechensverabredung nach § 30 II Alt. 3 StGB in ihre einzelnen Elemente zerlegt. So beinhaltet die Verabredung für die Beteiligten zumeist jeweils auch eine initiative oder reaktive Bereitschaftserklärung i. S. v. § 30 II Alt. 1 StGB1290, da sich jeder der Betreffenden schließlich zur Bereitschaft der Leistung eines eigenen Tatbeitrags bekennt. Ein solches Bereiterklären bringt es nun aber wiederum mit sich, dass grundsätzlich nicht nur eine äußerlich in Erscheinung tretende, sondern auch eine entsprechend korrespondierende innere Ernstlichkeit vorliegen muss, um eine hinreichende Rechtsgutsgefährdung zu begründen1291. Festzuhalten ist daher, dass die sich gemäß § 30 II Alt. 3 StGB Verabredenden ihre Bereitschaft zur mittäterschaftlichen Begehung des präsumtiven Verbrechens nicht nur ernstlich gegenüber den anderen Beteiligten zum Ausdruck bringen, sondern über selbige auch tatsächlich verfügen und sich an das Verabredete gebunden fühlen müssen. Während die Annahme einer entsprechenden Verbrechensverabredung also kaum Probleme bereiten dürfte, wenn diese ausschließlich unter solchen Personen erfolgt, welche über einen hinreichenden Bindungswillen hinsichtlich der Tatbegehung verfügen, kann der Fall jedoch anders liegen, wenn einem der sich Verabredenden die tatsächliche innere Bereitschaft fehlt, dieser sich also lediglich zum Schein verabredet1292. Die diesbezüglich bereits an anderer Stelle1293 gefundenen Ergebnisse sollen im Folgenden nur noch einmal in aller Kürze zusammengefasst werden.
1288
Roxin, AT II, § 25 Rn. 193. Satzger/Schmitt/Widmaier-Murmann, § 30 Rn. 8, 23; Roxin, AT II, § 28 Rn. 60. 1290 LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 79. 1291 Vgl. zuvor C.V.3.c)bb). 1292 Zur Problematik der Scheinbeteiligung u. a. Fieber, S. 62 ff.; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 30 Rn. 63; MK-Joecks, § 30 Rn. 64 f.; NK-Zaczyk, § 30 Rn. 50; Roxin, AT II, § 28 Rn. 47 ff.; Satzger/Schmitt/Widmaier-Murmann, § 30 Rn. 24; Schönke/ Schröder-Heine, § 30 Rn. 29; Thalheimer, S. 98 ff. 1293 Vgl. oben C.V.2.e)cc), wo auch ein entsprechender Beispielsfall dargestellt ist. 1289
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
Nehmen an der Verabredung mehr als zwei Personen teil, so besteht eine solche auch dann zwischen allen sich ernstlich Verabredenden, wenn sich einer oder mehrere andere nur zum Schein beteiligen. Für die Scheinbeteiligten steht dann gegebenenfalls eine Strafbarkeit wegen versuchter Anstiftung zu dem angesonnenen Verbrechen im Raum, sofern deren Mitwirkung an der Verabredung kausal zur Fassung des gemeinsamen oder auch nur eines einzelnen Tatentschlusses beigetragen hat oder beitragen sollte. Erfolgt die Verabredung hingegen nur zwischen zwei Beteiligten, von denen einer sich wiederum nur zum Schein verabredet, so scheidet eine Verbrechensverabredung nach § 30 II Alt. 3 StGB jedenfalls aus. Für den sich ernstlich Verabredenden kommt hier je nach Fallkonstellation entweder eine initiative oder eine reaktive Bereitschaftserklärung gemäß § 30 II Alt. 1 StGB in Betracht. Verfügt dieser allerdings schon von Beginn an selbst über einen vollständig ausgeprägten Tatentschluss, kommt für ihn allein (noch) eine versuchte – und zugleich misslungene – Anstiftung des Scheinbeteiligten nach § 30 I StGB in Betracht, sofern jener noch nicht für hinreichend tatentschlossen gehalten wird. Für den sich lediglich zum Schein Verabredenden hingegen kommt dann eine Strafbarkeit wegen versuchter Anstiftung gemäß § 30 I StGB in Betracht, wenn er die Verabredung initiiert und dabei einen entsprechenden Tatentschluss bei dem anderen hervorrufen will. Erweist sich seine Kommunikationshandlung hingegen als Reaktion auf eine vorangegangene Äußerung des sich ernstlich Verabredenden, so ergibt sich die Konstellation des § 30 II Alt. 2 StGB und damit eine Strafbarkeit des sich nur zum Schein Verabredenden wegen der Annahme eines Sich-Erbietens. Stets erforderlich ist jedoch, dass der Scheinbeteiligte damit rechnet und es auch billigt, dass der andere gerade infolge der Verabredung derart motiviert sein wird, dass er die angedachte Tat gegebenenfalls auch allein begehen würde. Aufgrund des in § 30 II StGB geregelten Gleichlaufs des Strafmaßes für sämtliche Handlungsmöglichkeiten dieser Norm hat es für die Festlegung der Strafhöhe allerdings keine Bedeutung, nach welcher Alternative letztlich verurteilt wird. Straflos geht der sich nur zum Schein Verabredende allerdings dann aus, wenn er es nicht für möglich hält, dass der andere das avisierte Verbrechen auch ohne seine Mitwirkung begehen wird. Ergibt sich der besondere Fall, dass zwei sich jeweils nur zum Schein Verabredende aufeinander treffen, so gilt für beide das zuvor zum Scheinbeteiligten für die Konstellation der einseitig unernstlichen Verbrechensverabredung festgestellte. Je nach Situation kommt also eine Strafbarkeit nach § 30 I StGB oder nach § 30 II Alt. 2 StGB in Betracht, sofern bei beiden jeweils die Annahme besteht, den anderen durch die Verabredung derart motivieren zu können, dass er die Tat notfalls auch allein begehen würde. Wird es demgegenüber nicht für möglich gehalten, dass der andere das avisierte Verbrechen auch ohne die eigene Mitwirkung begehen wird, scheidet eine Strafbarkeit aus.
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
363
Schließlich wird es der Annahme der Ernstlichkeit entgegenstehen, wenn die Verabredung zu einem Verbrechen erfolgt, welches gemäß der Vereinbarung ausschließlich unter gleichzeitiger Präsenz der sich Verabredenden begangen werden soll, die Verabredungsbeteiligten einander dabei aber unter vollständiger Anonymität (z. B. durch die Verwendung von Nicknames und dem Fehlen anderer Identifikationsmerkmale) gegenübertreten, diese Anonymität nicht aufgeben wollen und jeweils nicht in der Lage sind, die wahre Identität des/der anderen zukünftigen Mittäter ohne deren Mitwirkung zu ermitteln. Dieser Fall kann insbesondere im Hinblick auf Kommunikationsplattformen im Internet (z. B. Chats und Foren) Bedeutung erlangen, da gerade diese es oftmals ermöglichen, die wahre Identität gegenüber den anderen Nutzern zu verbergen und Kommunikationszugänge zu nutzen, die nicht zwingend Aufschluss bzw. Informationen über die Person des Nutzers geben1294. Erfolgt die Verabredung zu einem zwingend unter gleichzeitiger Präsenz zu begehenden Verbrechen aber bei vollständiger und für den einzelnen Beteiligten allein unauflösbarer Anonymität in einem Chat oder einem Forum und ist eine spätere gegenseitige Identifikation zudem auch nicht Bestandteil des gemeinsamen Plans, so wird man kaum begründen können, dass die sich Verabredenden sich hier tatsächlich derart binden wollen, dass sie von dem/den anderen präsumtiven Mittätern auf Erfüllung des Vereinbarten in Anspruch genommen werden können. Regelmäßig wird das Erbringen einer bestimmten vereinbarten Leistung nämlich nur gegenüber einem identifizierbaren – und damit wiederauffindbaren – Schuldner effektiv eingefordert werden können1295. ee) Die öffentliche Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB) Wie schon im Rahmen der Darstellung der relevanten Tatbestände herausgestellt worden ist, bedarf es für eine i. S. v. § 111 StGB tatbestandsmäßige Aufforderung zunächst eines appellativen Charakters1296. Weiterhin muss eine solche Aufforderung aber regelmäßig auch über eine entsprechende Glaubhaftigkeit verfügen, um sich als geeignet zu erweisen, andere in einer Öffentlichkeitssituation tatsächlich zur Begehung einer eigenen Straftat motivieren zu können. Zudem ist es erforderlich, bloße Unmutsäußerungen und ironisch-provokative Darstellungen bereits aus dem objektiven Tatbestand auszuschließen1297. Diesbezüglich wird folglich gefordert, dass die Äußerung bei einem Durchschnittsbeobachter des an1294
Ein solcher Fall war Gegenstand der Entscheidung BGH NStZ 2011, 570. Zur Verbrechensverabredung im Internetchat unter Wahrung der vollständigen Anonymität auch BGH NStZ 2011, 570 mit Anmerkungen von Reinbacher, NStZ-RR 2012, 41 und Weigend, NStZ 2011, 572 sowie bereits die Ausführungen zu § 30 II Alt. 3 StGB oben C.V.2.e)aa) und die ausführliche Auseinandersetzung mit der vorab benannten Entscheidung des BGH unten D.IV. 1296 Vgl. zur tatbestandsmäßigen Handlung des § 111 StGB auch oben C.V.2.f)bb). 1297 BGHSt 32, 310 (312 f.); OLG Frankfurt a. M. NStZ-RR, 2003, 327 (328); LKRosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 23 f.; MK-Bosch, § 111 Rn. 9. 1295
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
gesprochenen Personenkreises den Eindruck der Ernstlichkeit erwecken muss1298. Fehlt der objektive Eindruck der Ernstlichkeit hingegen ganz offensichtlich, kann § 111 StGB auch dann nicht verwirklicht sein, wenn die betreffende Äußerung über einen hinreichenden Appellcharakter verfügt1299. Festzuhalten ist damit also, dass eine Aufforderung nach § 111 StGB stets nach außen hin als ernst gemeint erscheinen muss. Der Eindruck der Ernstlichkeit muss wiederum von dem mindestens bedingten Vorsatz des Auffordernden umfasst sein, d.h. dieser muss jedenfalls billigend in Kauf nehmen, dass seine Äußerung zumindest objektiv den Anschein erweckt, ernst gemeint zu sein1300. Hinsichtlich des Vorsatzes des Auffordernden wurde des Weiteren dargelegt, dass dieser sich im Hinblick auf die Begehung der Bezugstat nicht als Absicht darstellen muss, sondern es (auch hier) ausreicht, dass der Auffordernde es für möglich hält, dass andere sich dadurch entsprechend zur Begehung der Bezugstat motivieren lassen könnten1301. Dies überzeugt vor allem dann, wenn man den Blick auf den Strafzweck des § 111 StGB richtet. Jener besteht nämlich nicht zuletzt darin, besonders gefährlichen Äußerungen entgegenzuwirken, wobei sich deren besondere Gefährlichkeit regelmäßig aus dem auf Seiten des Auffordernden mit Abgabe der Äußerung eintretenden Kontrollverlust ergibt. Der Verlust der Kontrolle bzw. der Einflussnahmemöglichkeit auf den weiteren Geschehensverlauf realisiert sich dabei aber wiederum vollkommen unabhängig davon, ob der Auffordernde die Vollendung der Bezugstat auch subjektiv – i. S. e. Absicht – will oder nicht. Vielmehr begibt dieser sich schon dann seiner Einflussnahmemöglichkeiten, wenn er eine nach außen hin ernstlich erscheinende Aufforderung gegenüber einem zahlenmäßig unüberschaubaren und individuell unbestimmten Personenkreis abgibt. ff) Die Anleitung oder Aufforderung zur Herstellung verbotener Waffen (§ 52 I Nr. 4 WaffG) Eine Diskussion der Frage der Ernstlichkeit ist im Hinblick auf § 52 I Nr. 4 WaffG bisher nicht ersichtlich. Wie bei den anderen zuvor besprochenen Tatbeständen ist es aber auch für die Aufforderung zur Herstellung von Brand- und Sprengsätzen (§ 52 I Nr. 4 Alt. 2 WaffG) nicht ausgeschlossen, dass die betref1298 Vgl. BGHSt 32, 310; OLG Frankfurt a. M. NStZ-RR, 2003, 327; Arzt/Weber/ Heinrich/Hilgendorf, § 44 Rn. 41; LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 22; MK-Bosch, § 111 Rn. 9; NK-Paeffgen, § 111 Rn. 19; Satzger/Schmitt/Widmaier-Fahl, § 111 Rn. 2; Schönke/Schröder-Eser, § 111 Rn. 6. 1299 KG NJW 2001, 2896. 1300 Fischer, § 111 Rn. 6; Lackner/Kühl, § 111 Rn. 6; LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 66; Satzger/Schmitt/Widmaier-Fahl, § 111 Rn. 9. Einen restriktiveren Ansatz verfolgt jedoch MK-Bosch, § 111 Rn. 9, 27 der hier Vorsatz i. S. e. Absicht verlangt, um die Gefahr einer verdeckten Fahrlässigkeitsstrafbarkeit zu vermeiden. 1301 Vgl. hierzu ausführlich oben C.V.2.f)cc).
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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fende Äußerung hier lediglich scheinbar ernst gemeint ist, tatsächlich jedoch dem inneren Vorbehalt des Täters unterliegt, den einen oder die mehreren Angesprochenen nicht wirklich zur Herstellung verbotener Waffen zu veranlassen. Nachdem in § 52 I Nr. 4 WaffG zutreffenderweise ein Äußerungsdelikt zu sehen ist1302, bei welchem die Aufforderung ihrer Definition nach ebenso zu verstehen ist wie bei § 111 StGB, ist zunächst davon auszugehen, dass diesbezüglich auch die gleichen Anforderungen hinsichtlich der Ernstlichkeit gelten müssen. Sprechen also die im Vergleich zu § 111 StGB bestehenden Unterschiede des § 52 I Nr. 4 Alt. 2 WaffG nicht für ein anderes, so ist auch für die Aufforderung zur Herstellung von Brand- und Sprengsätzen zu fordern, dass die jeweilige Äußerung lediglich objektiv den Anschein der Ernstlichkeit erwecken muss, während es auf einen inneren Vorbehalt des Täters gegen die tatsächliche Umsetzung der Aufforderung nicht ankommen kann. Ein Unterschied zu § 111 StGB besteht darin, dass nicht zu jeder möglichen Straftat aufgefordert werden kann, sondern als Bezugstat allein das Herstellen verbotener Waffen gemäß § 52 I Nr. 1 WaffG in Betracht kommt. Ein weiterer Unterschied liegt darin, dass die Aufforderung nach § 52 I Nr. 4 Alt. 2 WaffG bereits durch die Ansprache einer Einzelperson verwirklicht werden kann. Keiner dieser Unterschiede vermag es jedoch, für die Aufforderung nach § 52 I Nr. 4 Alt. 2 WaffG eine gegenüber der öffentlichen Aufforderung nach § 111 StGB abweichende Beurteilung zu rechtfertigen. Entscheidend für die Gleichbehandlung muss nämlich der Umstand sein, dass die Herstellung des Brand- oder Sprengsatzes durch eine bzw. mehrere andere Personen geschehen soll. Folglich kann ein nicht erkennbarer innerer Vorbehalt des Auffordernden gegen die tatsächliche Umsetzung seiner Aufforderung auch hier keine Beachtung finden, denn für die Wirkung der Äußerung auf den/die Angesprochenen und die möglicherweise im Anschluss von diesem/diesen ausgehende Gefahr hat ein solcher (geheimer) Vorbehalt des Auffordernden – wie bei § 111 StGB – keinerlei Bedeutung. Es muss daher auch für das Auffordern i. S. v. § 52 I Nr. 4 Alt. 2 WaffG ausreichen, dass die Äußerung objektiv ernst gemeint erscheint, der Auffordernde sich dieser äußeren Ernstlichkeit bewusst ist und er daher die Umsetzung der Aufforderung durch den einen oder die mehreren Angesprochenen für möglich hält. Im Vergleich zur Aufforderung (§ 52 I Nr. 4 Alt. 2 WaffG) verfügt eine Anleitung (§ 52 I Nr. 4 Alt. 1 WaffG) wesensgemäß über einen deutlich objektiveren Inhalt. Durch eine Aufforderung wird regelmäßig das Verlangen bzw. der starke Wunsch des Auffordernden bezüglich der Begehung der avisierten Tat zum Ausdruck gebracht, wobei die Äußerung entweder die tatsächliche innere Einstellung des Auffordernden wiedergeben (dann liegen sowohl innere als auch äußere Ernstlichkeit vor) oder aber von dieser abweichen (dann liegt nur äußerlich 1302
Vgl. dazu ausführlich oben C.V.2.i).
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
Ernstlichkeit, innerlich aber Unernstlichkeit vor) kann. Eine Anleitung hingegen besteht – ihrem Wesen entsprechend – zunächst aus objektiven Fakten bzw. Beschreibungen (z. B. eines Prozesses oder einer Vorgehensweise). Aufgrund ihrer Objektivität kann eine Anleitung zwar durch den Angesprochenen als richtig oder falsch bzw. zutreffend oder unzutreffend bewertet werden, sofern dieser über die möglicherweise erforderliche Sach- und Fachkompetenz verfügt. Auf die innere Einstellung des Anleitenden – d.h. mit welcher Motivation er die Anleitung erteilt hat bzw. wie er zu deren Umsetzung steht – müssen sich allein aus dem bloßen Inhalt der Anleitung hingegen nicht zwingend Rückschlüsse ziehen lassen. Dies wird insbesondere dann deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass im Rahmen von § 52 I Nr. 4 Alt. 1 WaffG beispielsweise bereits ein vollkommen neutrales Lehrbuch als objektives Tatmittel ausreichen kann. Um dennoch von einer der Aufforderungsalternative (§ 52 I Nr. 4 Alt. 2 WaffG) gleichwertigen Strafwürdigkeit ausgehen und in § 52 I Nr. 4 WaffG insgesamt ein Äußerungsdelikt sehen zu können, ist demnach zu fordern, dass der Anleitende sich objektiv erkennbar mit der Anleitung identifizieren bzw. sich diese – im Fall fremder Urheberschaft – entsprechend zu eigen gemacht haben muss1303. Ist also für den Rezipienten objektiv erkennbar, dass die Anleitung von dem Anleitenden gerade dazu erstellt wurde, um die Herstellung der verbotenen Brand- oder Sprengsätze zu ermöglichen (eigene Anleitung) oder aber dass eine Beschreibung/Darstellung aus einer Fremdquelle (z. B. Lehrbuch) von dem Anleitenden zu diesem Zweck instrumentalisiert wird (zu eigen gemachte Anleitung), muss eine Strafbarkeit nach § 52 I Nr. 4 Alt. 1 WaffG bejaht werden. Wie für die Aufforderungsalternative kann es daher auch für die Anleitungsalternative keine Rolle spielen, wenn der Anleitende insgeheim einen Vorbehalt gegen die Herstellung eines solchen Gegenstands hat. Für den Vorsatz des Anleitenden ist es demzufolge erforderlich, dass er die Anleitung in dem Bewusstsein erteilt, dass diese tatsächlich geeignet ist, den/die Angesprochenen in der Herstellung von Brand- oder Sprengsätzen zu unterweisen und dass mittels der Erteilung auch auf dessen/deren Bereitschaft zur Realisierung einer Straftat nach § 52 I Nr. 1 WaffG hingewirkt wird. d) Zusammenfassung zum Erfordernis des Zugangs der Erklärung Für einige der vorliegend relevanten Tatbestände stellt sich im Einzelnen die Frage, ob die strafbewehrte Äußerung von dem Initiator lediglich abgegeben worden, dem einen bzw. den mehreren Empfängern darüber hinaus auch zugegangen oder sogar von diesem bzw. diesen zur Kenntnis genommen worden sein muss. Relevant wird die Frage des Zugangs praktisch immer dann, wenn es sich nicht bereits aus der Formulierung des Tatbestands ergibt, dass schon die bloße Entäußerung des betreffenden Inhalts die Strafbarkeit begründet. Daher kommt 1303
Vgl. dazu wiederum oben C.V.2.i).
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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dieser Frage insbesondere bei den §§ 30 und 111 StGB eine Bedeutung zu. Keine Bedeutung entwickelt das Zugangskriterium hingegen für die §§ 91 und 130a StGB da bei diesen (Verbreitungsdelikten) bereits das bloße Zugänglichmachen zur Tatbestandserfüllung führt und selbiges immer schon dann anzunehmen ist, wenn anderen die bloße objektive Möglichkeit der Wahrnehmung eröffnet wird, ohne dass es auch tatsächlich dazu kommen muss. Bei diesen Delikten steht also von vornherein fest, dass es für die Tatbestandsverwirklichung auf einen Zugang oder die Wahrnehmung des geäußerten Inhalts nicht entscheidend ankommen kann. Für die Tatbestände bei denen es aufgrund ihrer Formulierung hingegen nicht eindeutig ersichtlich ist, ob es eines Zugangs bedarf oder nicht, sollen die hierzu bereits im Rahmen der einzelnen Normbetrachtungen erlangten Erkenntnisse1304 zusammenfassend dargestellt werden. aa) Die einzelnen Handlungsformen des § 30 StGB Im Rahmen des § 30 StGB, welcher diverse Vorstufen der Beteiligung im Hinblick auf die zukünftige Begehung eines Verbrechens normiert, wird insbesondere für die versuchte Anstiftung (§ 30 I StGB) und die Bereitschaftserklärung (§ 30 II Alt. 1 StGB) streitig diskutiert, ob es jeweils eines Zugangs der betreffenden Äußerung bedarf oder ob allein schon deren Entäußerung zur Begründung der Strafbarkeit ausreichen soll1305. Für die versuchte Anstiftung, bei der sich die Frage nach dem Zugang unter dem Aspekt des unmittelbaren Ansetzens stellt, ist es zutreffend, bereits die bloße Entäußerung (z. B. das Absenden einer E-Mail) der Aufforderung zur Verbrechensbegehung ausreichen zu lassen1306. Da es sich strukturell um einen Versuch handelt und auch der Wortlaut des § 30 I StGB ausdrücklich auf die Vorschriften des Versuchs Bezug nimmt, muss es regelmäßig ausreichen, dass der Anstifter gemäß § 22 StGB eine Handlung vornimmt, die aufgrund seines Plans objektiv geeignet erscheint, ohne weitere wesentliche Zwischenakte die Tatbestandsverwirklichung unmittelbar herbeizuführen. Dies ist regelmäßig aber schon dann der Fall, wenn eine hinreichend konkretisierte Bestimmungsäußerung in Richtung des Adressaten entäußert und damit gleichzeitig weitere Einflussnahmemöglichkeiten durch den Anstifter aufgegeben werden. Dagegen, zusätzlich auch den Zugang der Aufforderung bei dem Adressaten zu fordern, spricht, dass ein solcher Zugang bereits einen Teilerfolg auf dem Weg zur Rechtsgutsverletzung darstellt, auf den es bei der Versuchsstrafbarkeit aber gerade nicht ankommen kann. Vielmehr handelt es sich bereits dann um 1304 Vgl. dazu auch im Einzelnen C.V.2.b)ee) zu § 30 I StGB, C.V.2.c)dd) zu § 30 II Alt. 1 StGB, C.V.2.d)cc) zu § 30 II Alt. 2 StGB, C.V.2.e)aa) zu § 30 II Alt. 3 StGB und C.V.2.f)dd) zu § 111 StGB. 1305 Vgl. hierzu ausführlich oben C.V.2.b)ee) zu § 30 I StGB sowie C.V.2.c)dd) zu § 30 II Alt. 1 StGB. 1306 Vgl. dazu bereits oben C.V.2.b)ee).
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
einen strafbaren fehlgeschlagenen Anstiftungsversuch nach § 30 I StGB, wenn die Aufforderung den Adressaten nicht erreicht. Da die Annahme eines Sich-Erbietens gemäß § 30 II Alt. 2 StGB strukturell einen besonderen Fall der versuchten Anstiftung darstellt, sind an diese insoweit die gleichen Anforderungen zu stellen. Folglich muss es auch für die Annahme eines Sich-Erbietens ausreichen, dass die betreffende Erklärung lediglich entäußert und damit aus dem Machtund Einflussbereich entlassen wird1307. Ebenso ist auch die auf eine versuchte Anstiftung folgende (reaktive) Bereitschaftserklärung gemäß § 30 II Alt. 1 StGB bereits mit der Entäußerung verwirklicht. Die den Strafgrund des § 30 II Alt. 1 StGB darstellende Bindungswirkung, kann im Hinblick auf die Zusage des Angestifteten regelmäßig schon dann angenommen werden, wenn dieser die Äußerung mit dem erforderlichen Bindungswillen abgibt. Ist eine Aufforderung mittels einer reaktiven Bereitschaftserklärung angenommen worden, so fehlt es lediglich noch daran, dass der sich Bereiterklärende zur Ausführung der Haupttat unmittelbar ansetzt. Daher liegt bereits im Moment der Entäußerung der verbindlichen Annahmeerklärung eine hinreichende Gefährdung der betreffenden Rechtsgüter vor. Auf einen Zugang der Annahmeerklärung beim Anstifter kann es dann nicht mehr entscheidend ankommen. Anders ist hingegen der Fall zu beurteilen, in dem die Bereitschaftserklärung nach § 30 II Alt. 1 StGB in einem Sich-Erbieten besteht, also initiativ erfolgt, denn hier erweist sich die im Moment der Entäußerung der Erklärung bestehende Gefährdung von Rechtsgütern im Vergleich zur reaktiven Bereitschaftserklärung als wesentlich geringer. Im Gegensatz zur Annahme einer Aufforderung liegt hier nämlich, da es dem sich Erbietenden noch am erforderlichen Tatentschluss im Hinblick auf die Haupttat fehlt, noch keine hinreichend intensive Rechtsgütergefährdung vor. Da der finale Tatentschluss des sich Erbietenden regelmäßig erst durch den Adressaten des Angebots – in Form einer entsprechenden Annahmeerklärung gemäß § 30 II Alt. 2 StGB – hervorgerufen werden muss, erscheint es sachgerecht, hier nicht nur die Entäußerung, sondern auch den Zugang des Angebots zur Verbrechensbegehung beim Adressaten zu fordern. Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass der Frage nach der Erforderlichkeit des Zugangs bei der dritten Alternative des § 30 II StGB, der Verabredung zur mittäterschaftlichen Begehung eines Verbrechens, keine derartige Bedeutung wie bei den anderen Modalitäten des § 30 StGB zukommt. Es folgt hier bereits aus einem rein logischen Verständnis, dass die Verabredung eines Tatplans, welcher auf die zukünftige gemeinschaftliche Verwirklichung eines Verbrechens ausgerichtet ist, nicht ohne den Zugang und die verständige Wahrnehmung der jeweiligen bzw. gegenseitigen Bereitschaftserklärungen erfolgen kann. Kommt es 1307
Vgl. zu § 30 II Alt. 2 StGB auch oben C.V.2.d)cc).
V. Überblick über die für die Untersuchung relevanten Tatbestände
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also nicht zum Zugang der jeweiligen Willensbekundungen bei den anderen präsumtiven Mittätern, so ist das Zustandekommen einer Verabredung i. S. v. § 30 II Alt. 3 StGB praktisch unmöglich1308. bb) Die öffentliche Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB) Für § 111 StGB ist eine Forderung, die Strafbarkeit bereits mit der Entäußerung der Aufforderung anzunehmen, nicht ersichtlich. Dies beruht darauf, dass es sich bei dem zeitlichen Stadium nach der schlichten Entäußerung und vor dem Zugang der Aufforderung bei (zumindest) einigen Adressaten der angesprochenen Öffentlichkeit regelmäßig noch um das des Versuchs handelt, welches für die öffentliche Aufforderung jedoch nicht strafbewehrt ist. Ein erster Teilerfolg auf dem Weg zur Rechtsgüterverletzung kann frühestens in dem Zugang der Aufforderung bei einigen Empfängern liegen, denn dieser Umstand erweist sich als notwendige Voraussetzung für die weitere Umsetzung der Aufforderung durch die Angesprochenen. Des Weiteren muss der Zugang der Aufforderung in den Wahrnehmungsbereich der Adressaten aber nicht nur als erforderlich, sondern zugleich auch als ausreichend für den Eintritt der Strafbarkeit erachtet werden. Da es sich bei § 111 StGB um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt, ist es nicht erforderlich, dass die Aufforderung bereits einigen Adressaten zur Wahrnehmung gelangt ist und die Beeinträchtigung der durch die Bezugstat anzugreifenden Rechtsgüter infolgedessen (aus Sicht des Auffordernden) nur noch vom Zufall (nämlich der eigenen Entscheidung bzw. Tatentschlussfassung des jeweiligen Aufforderungsempfängers) abhängt. Die im Rahmen von § 111 StGB ausreichende abstrakte Gefahrenlage ist vielmehr schon dann gegeben, wenn die Aufforderung in den Wahrnehmungsbereich anderer gelangt ist, weil der Auffordernde zu diesem Zeitpunkt auf den weiteren Geschehensverlauf – mangels hinreichender Kontrolle über den zahlenmäßig unüberschaubaren und individuell unbestimmten Adressatenkreis – prinzipiell keinen Einfluss mehr nehmen können wird. Auch ist das weiterhin von § 111 StGB geschützte Rechtsgut des inneren Gemeinschaftsfriedens bereits im Moment des Zugangs der Aufforderung von einer entsprechenden Gefahrschaffung betroffen, denn es ist nunmehr denkbar, dass es infolge der Wahrnehmung der Aufforderung seitens der Adressaten zur Erschütterung des Glaubens in die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung kommen kann. Im Ergebnis muss daher schon der Eintritt der bloßen objektiven Wahrnehmungsmöglichkeit die Strafbarkeit begründen können. Dies aber ist regelmäßig (bereits) der Zeitpunkt in dem die Aufforderung in den Wahrnehmungsbereich (z. B. auf eine frei zugängliche Website die lediglich noch aufgerufen werden muss) der jeweiligen Empfänger gelangt. 1308
Vgl. zu § 30 II Alt. 3 StGB auch oben C.V.2.e)aa).
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C. Strafrechtlich relevante Formen kommunikativer Beeinflussung
cc) Die Anleitung oder Aufforderung zur Herstellung verbotener Waffen (§ 52 I Nr. 4 WaffG) Bei § 52 I Nr. 4 WaffG handelt es sich insgesamt – d.h. sowohl bei der Aufforderungs- als auch bei der Anleitungsalternative – um ein Äußerungsdelikt1309. Insofern ist die Norm im Hinblick auf die Tathandlung des Aufforderns der des § 111 StGB sehr ähnlich bzw. mit dieser vergleichbar. Eine Strafbarkeit nach § 111 StGB wird einheitlich erst dann für möglich gehalten, wenn die Aufforderung zugegangen, d.h. mindestens in den Wahrnehmungsbereich einiger Adressaten gelangt ist1310. Der Zugang stellt hier praktisch einen notwendigen ersten Teilerfolg auf dem Weg hin zur Rechtsgüterverletzung dar. Mangels einer Versuchsstrafbarkeit des § 111 StGB ist daher bis zum Zeitpunkt des Zugangs der Aufforderung nicht von einer Strafbarkeit des Handelnden auszugehen. Aufgrund der Vergleichbarkeit der Normen, wäre das zu § 111 StGB gefundene Ergebnis so auch auf § 52 I Nr. 4 WaffG zu übertragen. Jedoch ist mit § 52 II WaffG – im Unterschied zu § 111 StGB – bereits der Versuch (des Aufforderns sowie des Anleitens) unter Strafe gestellt. Zur Begehung der Tat gemäß § 22 StGB unmittelbar ansetzen wird der Täter aber regelmäßig schon dann, wenn er die Aufforderung aus seinem Macht- und Einflussbereich heraus auf den Weg bringt, also entäußert, denn regelmäßig ist hierin bereits eine Handlung zu sehen, welche nach seiner Vorstellung objektiv geeignet erscheint, ohne weitere wesentliche Zwischenakte die Tatbestandsverwirklichung unmittelbar herbeizuführen. Folgerichtig kann es im Rahmen von § 52 I Nr. 4 WaffG für die Annahme einer Strafbarkeit nicht erst auf den Zugang der Aufforderung bzw. der Anleitung bei den Adressaten ankommen. Vielmehr ist hier bereits das Stadium des strafbaren Versuchs gemäß § 52 II WaffG i.V. m. §§ 22, 23 I StGB erreicht, wenn die Aufforderung bzw. Anleitung entäußert worden ist.
1309 1310
Vgl. insgesamt zu § 52 I Nr. 4 WaffG auch oben C.V.2.i). Vgl. oben C.V.2.f)dd).
D. Anwendung der gefundenen Ergebnisse auf ausgewählte Beispielsfälle Im folgenden Kapitel soll es darum gehen, die zuvor ausführlich erörterten Tatbestände und Probleme konkret anzuwenden. Dazu werden insgesamt vier Einzelfälle betrachtet, wobei Wert darauf gelegt wird, dass jeweils unterschiedliche Aspekte bzw. Problemfelder zur Sprache kommen. Zwar erfolgt in den ersten beiden Fällen hauptsächlich eine Auseinandersetzung mit § 111 StGB, der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten, jedoch ist die Schwerpunktsetzung jeweils eine andere. So wird im ersten Fall vor allem die Abgrenzung von Anstiftung und öffentlicher Aufforderung thematisiert, während der Fokus im zweiten Fall auf die tatbestandsinternen Alternativen des § 111 I StGB gerichtet ist. Im dritten Fall entfällt ein Großteil der Analyse auf den erst im August 2009 im Zuge der neuen Anti-Terrorismus-Gesetzgebung in Kraft getretenen § 91 StGB, die Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Schließlich bietet eine aktuelle Entscheidung des BGH Gelegenheit, im vierten Fall das Problem der vollständig anonymen Verbrechensverabredung im Internet im Hinblick auf eine Verwirklichung von § 30 II Alt. 3 StGB zu untersuchen. Allen Fällen gemeinsam ist, dass diese auf realen Sachverhalten beruhen und damit auch der Bedeutung und Notwendigkeit der vorliegenden Untersuchung insgesamt besonderen Nachdruck verleihen.
I. Der Fall des sog. „Arizona Shooting“1 1. Sachverhalt Am 08.01.2011 wurde in einem Einkaufszentrum in Tucson, im US-Bundesstaat Arizona, während einer öffentlichen Bürgerfragestunde von einem 22-jährigen Mann ein Mordanschlag auf eine Kongressabgeordnete der Demokraten verübt. Durch einen gezielten Kopfschuss wurde die Frau lebensgefährlich verletzt, überlebte das Attentat nach intensiver medizinischer Versorgung am Ende aber knapp. Zwar war die Kongressabgeordnete das primäre, aber dennoch nicht
1 Zu diesem Fall u. a. auch Havertz, taz.de vom 11.01.2011 unter http://www.taz.de/ 1/netz/netzpolitik/artikel/1/argumente-im-fadenkreuz/; Meiritz, Spiegel Online vom 10.01.2011 unter http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,738622,00.html; stern. de vom 09.01.2011 unter http://www.stern.de/politik/ausland/attentat-in-arizona-imfadenkreuz-von-sarah-palin-1641513.html (jeweils zuletzt abgerufen am 10.08.2012).
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D. Anwendung der gefundenen Ergebnisse auf Beispielsfälle
einzige Ziel des Attentäters. Durch weitere Schüsse kam es unter den umstehenden Menschen zu weiteren Schwerverletzten und insgesamt sechs Toten. Zum Zeitpunkt des Attentats existierte eine frei zugängliche Website, die von einer sehr populären Politikerin der Republikaner, also der politischen Gegenseite, im Rahmen des Wahlkampfs für die im November 2010 abgehaltenen USKongresswahlen initiiert worden war. Diese Website beinhaltete die grafische Darstellung einer Landkarte der USA, auf der auch die einzelnen Bundesstaaten gekennzeichnet waren. Des Weiteren war auf jeden Bundesstaat, in dem ein Kongressabgeordneter der Demokraten abgewählt und durch einen Kandidaten der Republikaner ersetzt werden sollte, symbolhaft ein Fadenkreuz gerichtet, wie es vor allem von Zielfernrohren bei Schusswaffen bekannt ist. Zudem wurden die insgesamt 20 abzuwählenden Kongressabgeordneten der Demokraten mit ihrem vollständigen Namen und dem jeweiligen Wahlbezirk benannt. Schließlich waren auf dieser Abbildung – oberhalb und unterhalb der Landkartendarstellung – die Wahlkampfparolen „It’s time to take a stand.“ („Es ist Zeit, Stellung zu beziehen.“) und „Let’s take back the 20, together!“ (sinngemäß: „Jagen wir die 20 aus dem Amt, zusammen!“) zu lesen. Die betreffende Website war seit März 2010 online und für jeden Nutzer des WWW weltweit ohne Beschränkung einsehbar. Parallel dazu erfolgte die Veröffentlichung dieser Abbildung auch in einem weltweit mehrere Millionen Mitglieder umfassenden sozialen Netzwerk im WWW. Dort war die fragliche Abbildung auf der Profilseite der republikanischen Politikerin, welche wiederum unbeschränkt einsehbar war, zu finden. Der Profilseite kam somit eine der Website gleichartige Wirkung zu. Einige Stunden nach dem Attentat wurde die Abbildung aus dem Internet entfernt. Im Anschluss wurde insbesondere eine etwaige Bedeutung der besagten grafischen Darstellung für die Tat vielfach in den Medien und der Öffentlichkeit thematisiert. Hierbei wurde von Seiten der für die Abbildung verantwortlichen republikanischen Politikerin eingewandt, dass es sich bei selbiger lediglich um ein politisches Mittel gehandelt habe, welches allein zu Wahlkampfzwecken eingesetzt wurde und bereits nach den US-Kongresswahlen im November 2010 wieder aus dem Internet hätte genommen werden sollen. Hingegen konnte man sich nicht vorstellen, dass die Abbildung von irgendjemandem als Aufruf zur Gewalt hätte interpretiert werden können. Zum Zeitpunkt der Anklageerhebung stand nicht fest, ob der Attentäter die fragliche Abbildung im Internet tatsächlich gesehen und ob sie einen bzw. welchen Einfluss sie möglicherweise auf seine Tat hatte. 2. Rechtliche Bewertung Im Hinblick auf das in der vorliegenden Arbeit gegenständliche Thema stellt sich die Frage, wie die hierfür relevanten Handlungen, nämlich das Veröffentlichen und langzeitige Bereitstellen der betreffenden Abbildung im WWW zur
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freien Einsichtnahme strafrechtlich zu bewerten sind. Hierbei soll der Umstand, dass sämtliche Handlungen in den USA erfolgten, unberücksichtigt bleiben und dargelegt werden, wie dieser Sachverhalt bei Anwendung des deutschen Strafrechts zu beurteilen wäre. Bevor im Detail auf die einzelnen Möglichkeiten des Verleitens anderer zur Begehung eigener Straftaten eingegangen wird, ist deutlich herauszustellen, dass es sich bei diesen etwaigen Haupt- bzw. Bezugstaten – realistisch betrachtet – hier nur um Tötungs- (§§ 211 f. StGB) oder Körperverletzungsdelikte (§§ 223 ff. StGB) handeln kann. Hierfür spricht insbesondere die Darstellung der Fadenkreuze. Da diese in erster Linie von Zielvorrichtungen für Schusswaffen bekannt sind, wird deren typische Verwendung, also das Schießen suggeriert, zumindest jedoch angedeutet. Durch den hinzutretenden Umstand der namentlichen Kennzeichnung der den ins Visier genommenen Bundesstaaten zuzuordnenden Kongressabgeordneten kann des Weiteren durchaus der Eindruck entstehen, es gehe darum, eine geladene schussbereite Waffe letztlich auf die benannten Personen direkt zu richten. Diesem möglichen Eindruck treten auch die mit der Abbildung im Zusammenhang stehenden verbalen Äußerungen – d.h. die beiden Wahlkampfparolen – nicht entgegen, da diese jedenfalls die Möglichkeit eines gewalttätigen Attentats nicht eindeutig und kategorisch ausschließen bzw. nicht klarstellen, dass es sich nur um stilistische Mittel im Wahlkampf und nicht um tatsächlich so gemeinte und gewollte Anregungen zur Begehung etwaiger Anschläge handelt. Vielmehr könnte gerade die Aussage „It’s time to take a stand.“ auch wortwörtlich verstanden werden. Unabhängig von der Verwendung der Abbildung zu Wahlkampfzwecken, ergibt eine Gesamtbetrachtung derselben, dass mindestens auf subtile Art und Weise die Vorstellung des Schießens auf Menschen – sei es zur Tötung oder zur bloßen Verletzung – suggeriert bzw. mit einem entsprechenden Eindruck bei den Betrachtern „gespielt“ wurde. Im Hinblick auf die im nun Folgenden zu prüfenden Tatbestände werden also stets die Tötungs- und Körperverletzungsdelikte als entsprechende Haupt- bzw. Bezugstaten im Auge zu behalten sein. a) In Betracht können zunächst die Delikte genommen werden, die das Erteilen einer eigenen (§ 52 I Nr. 4 WaffG) oder das (öffentliche) Zugänglichmachen einer – nicht notwendigerweise eigenen – Anleitung (§§ 91, 130a StGB) zum Gegenstand haben. Regelmäßig gilt ein Inhalt (bereits) dann als zugänglich gemacht, wenn einem anderen die Möglichkeit eröffnet wird, von diesem sinnlich Wahrnehmung zu erlangen2. Demnach wird man kein Problem damit haben, infolge der Veröffentlichung der betreffenden Abbildung auf der Website und der Profilseite innerhalb des sozialen Online-Netzwerks, vorliegend ein Zugänglichmachen zu bejahen. Indem die Abbildung nämlich sofort beim Abrufen der jeweiligen Seite verfügbar und direkt einsehbar war, bestand hier ein uneinge2
Vgl. zum Begriff des „Zugänglichmachens“ bereits oben C.IV.3.
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D. Anwendung der gefundenen Ergebnisse auf Beispielsfälle
schränkter Lesezugriff und somit die Möglichkeit der visuellen Wahrnehmung. Da dieser Zugriff wiederum praktisch jedem Nutzer des WWW eröffnet wurde, denn sowohl die Website als auch die Profilseite konnten ohne jegliche Zugangsbeschränkung problemlos per Browser abgerufen werden, war es zudem einem unüberschaubar großen Kreis von Nutzern möglich, die Abbildung visuell wahrzunehmen, so dass das Zugänglichmachen hier auch öffentlich erfolgte3. Eine Strafbarkeit nach § 52 I Nr. 4 WaffG scheidet jedoch schon deshalb aus, weil dieser nicht die Anleitung zur Begehung eines Tötungs- oder Körperverletzungsdelikts sanktioniert, sondern eine solche zur Herstellung von Brand- und Sprengsätzen (vgl. § 40 I i.V. m. Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.4 WaffG), welche hier eindeutig nicht erfolgte4. Infolge des Fehlens einer tatbestandsmäßigen Anleitung, ist hinsichtlich der Veröffentlichung der Abbildung auf der Website und der Profilseite im Ergebnis auch eine Strafbarkeit gemäß § 91 StGB oder § 130a StGB nicht gegeben. Im Rahmen von § 130a StGB versteht man unter dem Begriff der „Anleitung“ eine unterweisende Darlegung, welche konkrete Kenntnisse, häufig technischer und/oder logistischer Art, darüber vermittelt, wie eine bestimmte Straftat vorbereitet oder ausgeführt werden kann5. Vorliegend wurden jedoch weder durch die einzelnen Äußerungsbestandteile (Landkarte mit Fadenkreuzen, Namen der demokratischen Kongressabgeordneten, Wahlkampfparolen), noch durch die aus deren Zusammenspiel bzw. einer Gesamtbetrachtung der Abbildung folgende Aussage konkrete Kenntnisse darüber vermittelt, wie ein Mordanschlag vorbereitet oder ausgeführt werden könnte. Diesbezüglich mangelte es schlicht an der Vermittlung hinreichender Informationen (z. B. Benennung eines konkreten Waffentyps, Beschreibung einer bestimmten Vorgehensweise etc.). Für § 91 I Nr. 1 StGB sollen als Tatmittel hingegen auch bzw. gerade solche Schriften in Betracht kommen, die keinerlei konkreten Bezug zu einer Straftat haben und inhaltlich neutral sind, wie z. B. eine Anleitung zur Herstellung eines Sprengstoffs. Jedoch konnte die hier gegenständliche Abbildung mangels hinreichender Informationsvermittlung auch den extensiven Anleitungsbegriff des § 91 StGB nicht erfüllen. b) Weiterhin kann geprüft werden, ob in dem Veröffentlichen der Abbildung eine Anstiftung gesehen werden kann. Im Unterschied zu den soeben erörterten Anleitungsdelikten, ist die Teilnahmehandlung der Anstiftung grundsätzlich akzessorisch zu der zu begehenden Tat. Kommt es nicht mindestens zu deren Versuch, so kann allenfalls noch eine versuchte Anstiftung nach § 30 I StGB in Betracht kommen, wenn es sich bei der – insoweit lediglich angedachten – Haupttat um ein Verbrechen i. S. v. § 12 I StGB handelt.
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Vgl. zum Begriff der „Öffentlichkeit“ ebenfalls C.IV.3. Vgl. zu § 52 I Nr. 4 WaffG insgesamt auch oben C.V.2.i). Vgl. zum Begriff der „Anleitung“ bei § 130a StGB oben C.V.2.g)bb).
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In dem hier zu analysierenden Fall kam es tatsächlich zu einem versuchten Mordanschlag auf eine der durch die Abbildung ins Visier genommenen Kongressabgeordneten der Demokraten. Für die Annahme einer Anstiftung ist es gemäß § 26 StGB jedoch regelmäßig erforderlich, dass die Haupttat (hier das Attentat) einem Bestimmen (hier die auf der Website und der Profilseite veröffentlichte Abbildung) folgt. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass es von entscheidender Bedeutung ist, ob tatsächlich eine Wahrnehmung der kritischen Abbildung durch den Attentäter erfolgte oder nicht, denn nur wenn von diesem wenigstens eine der beiden Seiten im WWW abgerufen und die dort enthaltene Abbildung wahrgenommen worden ist, kann eine von der republikanischen Politikerin ausgehende geistige Beeinflussung überhaupt in Erwägung gezogen werden. Erfolgte eine Wahrnehmung der betreffenden Abbildung indes nicht, so fehlt es in jedem Fall an der Kausalität und es kann in dem Attentat nicht eine Haupttat i. S. d. Anstiftung gesehen werden. In diesem Fall könnte dann hinsichtlich des Bereitstellens der Abbildung allenfalls noch eine versuchte Anstiftung in Betracht kommen. Um der Annahme einer vollendeten Anstiftung also weiter nachgehen zu können, bedarf es – aufgrund des diesbezüglich ungeklärten Sachverhalts – einer doppelten Prämisse. Der Attentäter muss nämlich erstens die Abbildung auf der Website oder der Profilseite visuell wahrgenommen haben und zweitens durch diese auch zur Tatbegehung bestimmt worden sein. Legt man die soeben beschriebene (zweifache) Annahme zugrunde, kann der Blick im Folgenden auf die Handlung der republikanischen Politikerin gerichtet werden. Konkret müsste die von ihr zu verantwortende Veröffentlichung der als Wahlkampfwerbung eingesetzten Abbildung die objektiven Voraussetzungen eines Bestimmens i. S. v. § 26 StGB erfüllt haben, welche im Wesentlichen in einer hinreichend konkreten Beschreibung der Haupttat, der Ansprache (zumindest) individualisierbarer Haupttäter und einer Äußerung mit Aufforderungscharakter zu sehen sind6. Zunächst muss der Anstifter die von ihm angesonnene, durch einen anderen zu begehende Straftat also mit einer hinreichenden Genauigkeit bezeichnet haben. Erforderlich ist hierfür regelmäßig die Angabe individualisierender Merkmale hinsichtlich der konkret auszuführenden Haupttat, wie beispielsweise eine genaue Tatzeit, ein genauer Tatort oder Details der Tatausführung7. Die Bestimmungsäußerung des Anstifters muss also ein konkret-individualisierbares Tatgeschehen erkennen lassen. Die hier zu bewertende, auf einer Website und der persönlichen Profilseite veröffentlichte Abbildung enthielt indes weder die Angabe eines Tatorts, noch einer Tatzeit. Was die etwaigen Modalitäten der Tötung der 6 Wie das objektive Tatbestandsmerkmal des „Bestimmens“ ausgestaltet sein soll, insbesondere ob die hinreichend Haupttatkonkretisierung und Haupttäterindividualisierung hierzu gehören oder allein dem Anstiftervorsatz zuzuordnen sind, ist umstritten. Vgl. dazu auch oben C.V.2.a)cc). 7 Vgl. zu den Anforderungen hinsichtlich der Konkretisierung der Haupttat ausführlich oben C.V.3.a)aa).
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D. Anwendung der gefundenen Ergebnisse auf Beispielsfälle
benannten Kongressabgeordneten betrifft, so konnte die Darstellung der Fadenkreuze dahingehend als eine Konkretisierung der Haupttat verstanden werden, als dass der zu begehende bzw. die mehreren zu begehenden Anschläge jedenfalls unter Verwendung von Schusswaffen erfolgen sollten. Zumindest dürften die Fadenkreuze von einem normalen objektiven Durchschnittsbetrachter mit dem Gebrauch von Schusswaffen assoziiert worden sein. Durch die namentliche Benennung der betreffenden Kongressabgeordneten kommt eine eindeutige Kennzeichnung der potenziellen Opfer der einen oder der mehreren Haupttaten hinzu. Im Hinblick darauf, dass das gegen die konkretisierten Opfer zu begehende Delikt jedenfalls in einem Anschlag auf Leib und/oder Leben bestehen musste, kann vorliegend von einer hinreichenden Konkretisierung der zu begehenden – und von dem Attentäter auch tatsächlich begangenen – Haupttat ausgegangen werden, auch wenn eine genaue Tatzeit und ein genauer Tatort nicht angegeben wurden. Da die inhaltliche Gestaltung der Abbildung, was die Bezeichnung einer Haupttat betrifft, nur als ein Angriff auf das individuelle Rechtsgut der Unversehrtheit von Leib und/oder Leben, also ein Tötungs- oder Körperverletzungsdelikt verstanden werden konnte, kommt der konkreten und eindeutigen Benennung der entsprechenden Opfer hier ein derart hoher Stellenwert zu, dass auch bei fehlender Angabe von Tatzeit und -ort von einer hinreichenden Konkretisierung der zu begehenden Haupttat auszugehen ist8. Schließlich wird auch die Anstiftung zu einem Auftragsmord nicht daran scheitern, dass es dem Auftragsmörder freisteht, die Tatzeit und den Tatort selbst festzulegen. Liegt eine hinreichende Konkretisierung der als Haupttat zu begehenden Straftat vor, so setzt die Anstifterhandlung des Bestimmens des Weiteren eine geistige Einwirkung auf den zu Bestimmenden voraus, welche die Intensität einer Aufforderung besitzt9. Solch eine Aufforderung kann bereits in Form eines schlichten Verlangens der Tatbegehung vorliegen. Mitunter kann es sogar ausreichen, dass sich der Aufforderungscharakter aus den Begleitumständen der Äußerung ergibt. In dem hier zu prüfenden Fall stellen vor allem die beiden in der Abbildung enthaltenen Sätze, mit denen unbestritten eine aggressiv-kämpferische Haltung im Wahlkampf zum Ausdruck gebracht werden sollte, eindeutige Aufforderungen zum Handeln dar, nämlich „Stellung zu beziehen“ und die betreffenden 20 Politiker „aus dem Amt zu jagen“. Regelmäßig dürfte es bereits der Natur einer Wahlkampfwerbung entsprechen, die Adressaten – d.h. hier zumindest jeden Betrachter der Website oder Profilseite mit entsprechendem Wahlrecht – zum Handeln aufzufordern. Konnte die in der Abbildung enthaltene Aussage hier aber 8 Vgl. auch Rengier, AT, § 45 Rn. 52, der unter Zustimmung zum Urteil des BGH vom 11.10.2005 (1 StR 250/05 – juris, insoweit nicht in NStZ 2006, 96 veröffentlicht) bei Tötungsdelikten die Individualisierung des Opfers als das entscheidende Tatmerkmal ansieht. 9 Zur erforderlichen Intensität der Einflussnahme seitens des Anstifters vgl. ausführlich oben C.V.2.a)bb).
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(auch) als Anregung zur Begehung eines Anschlags auf Leib und/oder Leben verstanden werden, so ist mittels der Wahlkampfparolen nicht nur zur legalen Abwahl der betreffenden Kongressabgeordneten, sondern zugleich auch zur Realisierung einer entsprechenden Haupttat aufgefordert worden. Schließlich ist es eine entscheidende Voraussetzung der Anstiftung, dass die Aufforderung entweder gegenüber einer individuell bestimmten Person oder aber gegenüber einem zahlenmäßig überschaubaren oder individuell bestimmten Personenkreis, aus dem heraus sich ein Haupttäter konkretisieren lässt, erfolgt10. Die Veröffentlichung der hier in Rede stehenden Abbildung erfolgte jedoch über zwei verschiedene Seiten im WWW, die jeweils ohne (wirkliche) Zugangsbeschränkung abgerufen werden konnten. Das Fehlen einer Zugangsbeschränkung steht auch im Einklang mit dem Umstand, dass es im Wahlkampf gerade darauf ankam, möglichst viele Menschen zu erreichen. Demzufolge konnte praktisch jeder Nutzer des WWW weltweit die entsprechenden Seiten abrufen und die fragliche Abbildung ohne Weiteres visuell wahrnehmen. Für den gesamten Zeitraum, in dem sich die Abbildung für jedermann frei verfügbar im WWW befand, war es deren Urheberin – der republikanischen Politikerin – nicht möglich, einen Überblick über die Rezipienten zu erlangen und aus diesen heraus einen etwaigen Täter für die Begehung eines Anschlags auf Leib und Leben einer der benannten Personen zu konkretisieren. Folglich musste die Realisierung einer Anstiftung hier in jedem Fall daran scheitern, dass der Attentäter weder als Individualperson noch als Teil einer zahlenmäßig überschaubaren Personengruppe angesprochen wurde. Würde man von der hier zugrunde gelegten (zweifachen) Prämisse, dass der Attentäter die Abbildung wahrgenommen und sich infolgedessen zur Tatbegehung hat motivieren lassen, abweichen bzw. ließe sich diese Annahme nicht nachweisen, so stünde lediglich eine versuchte Anstiftung im Raum. Doch müsste diese ebenso mangels Ansprache eines zahlenmäßig überschaubaren oder individuell definierten Personenkreises ausscheiden. Aus demselben Grund dürfte es vorliegend außerdem auch an dem für das Bestimmen i. S. v. §§ 26, 30 I StGB erforderlichen Vorsatz gemangelt haben. c) Nachdem gerade in der Bestimmbarkeit des bzw. der Adressaten eine Eigenheit der Anstiftung liegt, erfüllt dieses Kriterium zugleich auch eine Abgrenzungsfunktion gegenüber § 111 StGB, welcher die öffentliche Aufforderung zu Straftaten normiert. Da eine (versuchte) Anstiftung im vorliegenden Fall genau daran scheitern muss, dass ein nicht hinreichend überschaubarer bzw. ein lediglich unbestimmbarer Personenkreis angesprochen wurde, kommt folglich § 111 StGB in Betracht11.
10 Zu den Anforderungen hinsichtlich der Konkretisierung des Haupttäters vgl. ausführlich oben C.V.3.b)bb). 11 Zur Abgrenzung zwischen Anstiftung und öffentlicher Aufforderung zu Straftaten vgl. wiederum ausführlich oben C.V.3.b)bb).
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D. Anwendung der gefundenen Ergebnisse auf Beispielsfälle
aa) Im Hinblick auf die Systematik des § 111 StGB, insbesondere das Verhältnis in welchem dessen beide Absätze zueinander stehen, bietet es sich zunächst jedoch an, der konkreten fallbezogenen Prüfung der Norm einige kurze Vorüberlegungen voranzustellen. Während § 111 I StGB erfüllt ist, wenn die Aufforderung tatsächlich zur Realisierung oder zumindest zum Versuch der avisierten Bezugstat führt, liegt ein Fall des § 111 II StGB vor, wenn die Aufforderung erfolglos bleibt, es also noch nicht einmal zum Versuch der Bezugstat kommt. Für den vorliegend zu prüfenden Fall bedeutet dies, dass es für eine Strafbarkeit der Politikerin gemäß § 111 I StGB (neben dem Vorliegen aller sonstigen Tatbestandsmerkmale) auch darauf ankommen muss, nachzuweisen, dass die auf der Website und auf der Profilseite veröffentlichte Abbildung auch wirklich von dem Attentäter wahrgenommen wurde und zu dessen Tatentschluss geführt hat, denn nur dann könnte vom Vorliegen der für § 111 I StGB erforderlichen Kausalität der Abbildung für die spätere Handlung des Attentäters ausgegangen werden. Ist ein solcher Kausalitätsnachweis nicht möglich, käme (bei Vorliegen aller sonstigen Tatbestandsmerkmale) eine Strafbarkeit gemäß § 111 II StGB in Betracht12. Vereinzelt wird allerdings vertreten, dass es bei § 111 I StGB auf eine konkrete Feststellung der Kausalität der Aufforderung für die Bezugstat nicht ankommen könne, da sich psychisch vermittelte Kausalverläufe nicht empirisch überprüfen lassen13. Folglich soll es bereits ausreichen, wenn zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass die Aufforderung (lediglich objektiv) geeignet war, „[. . .] dem Tatausführenden vergleichbare Dritte zur Tatbegehung zu motivieren [. . .]“ 14. Dies jedoch überzeugt insbesondere dann nicht, wenn man – aufgrund der strukturellen Ähnlichkeit – einen vergleichenden Blick auf die Anstiftung wirft. Nicht zuletzt wegen der tätergleichen Bestrafung, welche von § 26 StGB für den Anstifter vorgesehen ist, wird hier selbst von der am weitesten gefassten Verursachungstheorie eine jedenfalls kausale Verursachung der Haupttat gefordert15. Stellt jedoch die (konkret-)kausale Verursachung der Haupttat das absolut erforderliche Minimum für die Annahme einer Anstifterstrafbarkeit dar und berücksichtigt man zudem, dass auch durch das Bestimmen gemäß § 26 StGB regelmäßig Kausalverläufe psychisch vermittelt werden, so leuchtet es nicht ein, warum im Rahmen von § 111 I StGB auf den Nachweis der Kausalität verzichtet werden soll. Schon weil § 111 I StGB ohne Abstriche an das Strafmaß von § 26 StGB anknüpft und damit letztlich eine tätergleiche Bestrafung für den Auffordernden 12 Fischer, § 111 Rn. 8; Kindhäuser, LPK, § 111 Rn. 14; LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 64; Satzger/Schmitt/Widmaier-Fahl, § 111 Rn. 8; Schönke/Schröder-Eser, § 111 Rn. 21. 13 Vgl. MK-Bosch, § 111 Rn. 26; NK-Paeffgen, § 111 Rn. 29. 14 MK-Bosch, § 111 Rn. 26; ähnlich auch NK-Paeffgen, § 111 Rn. 29. 15 Vgl. zur Frage der erforderlichen Einwirkungsintensität des Anstifters auf den Anzustiftenden ausführlich oben C.V.2.a)bb).
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vorsieht, kann der Nachweis der Kausalität der Aufforderung nicht verzichtbar sein. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass ein solcher Nachweis – wenn auch nicht mittels empirischer Methoden – grundsätzlich erbracht werden kann, z. B. durch eine Aussage des Täters der späteren Bezugstat, die dieser bei einer zeugenschaftlichen Vernehmung im Rahmen des gegen den Auffordernden geführten Strafverfahrens macht. Verzichtete man beispielsweise in dem hier erörterten konkreten Fall auf die Feststellung der Kausalität der Abbildung für das Attentat und ließe es gleichzeitig ausreichen, dass die Abbildung geeignet war, dem Attentäter vergleichbare Dritte zur Begehung einer solchen Tat zu motivieren, so könnte die verantwortliche Politikerin auch dann gemäß § 111 I StGB – „wie ein Anstifter“ und damit gemäß § 26 StGB „gleich einem Täter“ – zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt werden, wenn der Attentäter – der sich hinsichtlich der lebensgefährlich verletzten Kongressabgeordneten gemäß §§ 212, 211, 22, 23 I StGB strafbar gemacht hat – die Abbildung tatsächlich entweder niemals oder aber völlig gleichgültig bzw. unbeeindruckt wahrgenommen, jedenfalls aber aufgrund eines vollständig autonom gefassten Tatentschlusses gehandelt hat. Dies aber erscheint im Ergebnis als unangemessen. Des Weiteren erweist es sich auch als ein weitgehend ungenaues Kriterium, auf „[. . .] dem Tatausführenden vergleichbare Dritte [. . .]“ 16 abzustellen, denn die Entscheidung darüber, welche persönlichen Eigenschaften bzw. sonstigen Merkmale des Tatausführenden hierfür herangezogen werden sollen, kann stets nur durch eine wertende Beurteilung der Richter im Einzelfall erfolgen. Zuletzt erscheint es auch aufgrund der Existenz des § 111 II StGB nicht erforderlich, auf den Nachweis der Kausalität bei § 111 I StGB zu verzichten, denn sollte dieser nicht gelingen, ist jedenfalls § 111 II StGB anzuwenden, so dass im Ergebnis auch nicht die Gefahr der Sanktionslosigkeit besteht. Für die sogleich folgende Untersuchung des § 111 StGB anhand des konkreten Falls, bedeutet dies, dass nicht zwingend zwischen dessen beiden Absätzen differenziert werden muss, um die Frage nach der Strafbarkeit der republikanischen Politikerin wegen einer öffentlichen Aufforderung grundsätzlich zu beantworten. Wie soeben dargelegt, sanktionieren beide Absätze des § 111 StGB ein und dieselbe Handlung bzw. dasselbe Handlungsunrecht. § 111 II StGB sieht dabei lediglich ein geringeres Strafmaß vor, weil die Aufforderung in der dort erfassten Konstellation erfolglos geblieben ist. bb) Unter einer Aufforderung i. S. v. § 111 StGB ist eine ausdrückliche oder konkludente Erklärung zu verstehen, welche sich an die Motivation der Angesprochenen richtet und von diesen die Begehung rechtswidriger Taten durch ein bestimmt bezeichnetes Tun oder Unterlassen verlangt. Kann man im vorliegen16
MK-Bosch, § 111 Rn. 26.
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D. Anwendung der gefundenen Ergebnisse auf Beispielsfälle
den Fall in der Darstellung der Landkarte inklusive der auf einzelne Bundesstaaten gerichteten Fadenkreuze i.V. m. der namentlichen Kennzeichnung einzelner demokratischer Kongressabgeordneter zumindest auch die subtile Andeutung eines Tötungs- oder Körperverletzungsdelikts sehen, so ist diesbezüglich auch das Vorliegen einer Aufforderung i. S. v. § 111 StGB zu bejahen. Bereits zuvor wurde festgestellt, dass sich der Aufforderungscharakter insbesondere aus den beiden Wahlkampfparolen ergibt, da diese eine aggressiv-kämpferische Haltung zum Ausdruck bringen. Festzuhalten ist also zunächst, dass die betreffende Abbildung sowohl eine Straftat hinreichend konkret i. S. v. § 111 StGB bezeichnete – es reicht hierfür aus, dass die Bezugstat lediglich nach ihrer Art und ihrem rechtlichen Wesen, ohne Angabe weiterer konkret-individualisierender Tatmerkmale, benannt wird17 – und mit selbiger auch die Öffentlichkeit angesprochen wurde18. Damit sind entscheidende Tatbestandsvoraussetzungen des § 111 StGB zu bejahen. Gleichwohl bleibt fraglich, ob in der Abbildung tatsächlich eine strafwürdige öffentliche Aufforderung gesehen werden kann, denn es drängen sich Zweifel an dem im Hinblick auf § 111 StGB objektiv erforderlichen Eindruck der Ernstlichkeit der Aufforderung auf19. Hinsichtlich der Feststellung des objektiven Eindrucks der Ernstlichkeit gilt es, das aus Art. 5 I GG folgende Grundrecht der freien Meinungsäußerung nicht zu unterlaufen. Daher ist es regelmäßig erforderlich, die betreffende Äußerung in ihrem gesamten Kontext zu sehen, deren jeweiligen Umstände zu berücksichtigen und schließlich auch die „Implikationen der Meinungsfreiheit“ 20 bereits in die Würdigung der betreffenden Äußerung auf Tatbestandsebene einfließen zu lassen. So ist also im Rahmen der vorliegenden Subsumtion zu beachten, dass es sich um eine Äußerung zum Zweck des Wahlkampfs handelte. Gerade für den Bereich des politischen Meinungskampfs wird die von Art. 5 I GG gewährleistete Freiheit jedoch als besonders wichtig und schützenswert erachtet, so dass demgemäß entsprechend hohe Anforderungen an die Annahme einer Strafbarkeit nach § 111 StGB zu stellen sind21. Dem vorliegenden Fall ist derjenige vergleichbar, welcher der Entscheidung BGHSt 32, 310 zugrunde lag. Dort ging es u. a. darum, ob durch die an öffentlich zugänglichen Häuserwänden und Fenstern angebrachten Parolen „Tod dem Klerus“, „Tod Wehner und Brandt“, „Tötet Cremer“ und „Hängt Brandt“ eine Strafbarkeit nach § 111 II StGB verwirklicht worden war. Während dies für die beiden erstgenannten Äußerungen bereits man17 Zu den Anforderungen hinsichtlich der Konkretisierung der Bezugstat vgl. ausführlich oben C.V.3.a)cc). 18 Zu den tatbestandsmäßigen Anforderungen des § 111 StGB vgl. auch oben C.V.2.f)bb). 19 Zum Merkmal der „Ernstlichkeit“ bei § 111 StGB vgl. ausführlich oben C.V.3.c)ee). 20 So LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 23. 21 LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 23 f.
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gels hinreichend konkreter Bezeichnung einer Straftat sowie fehlenden Aufforderungscharakters abgelehnt wurde22, wurde in den beiden letzteren Äußerungen zwar jeweils eine hinreichend konkrete Aufforderung zu einer Straftat gesehen, jedoch deren Ernstlichkeit in Frage gestellt bzw. gerügt, dass die Vorinstanz zur Frage der Ernstlichkeit keinerlei Feststellungen getroffen hatte23. Dies sei jedenfalls erforderlich gewesen, da selbst bei den zunächst i. S. v. § 111 StGB tatbestandsmäßig erscheinenden Äußerung zu prüfen gewesen wäre, ob diese tatsächlich den objektiven Eindruck erweckten, ernst gemeint zu sein oder ob diese nicht vielmehr als bloße „[. . .] unpassende Unmutsäußerungen eines Außenseiters zu verstehen sind, der in ungehöriger Form sein Missfallen über die genannten Politiker zum Ausdruck bringen wollte [. . .]“ 24. Der Entscheidung des BGH ist also zu entnehmen, dass eine Strafbarkeit nach § 111 StGB selbst im Fall eindeutiger Aufforderungen zur Tötung genau bestimmter Personen zu verneinen sein kann, wenn nach den Umständen der Äußerung Zweifel an deren Ernstlichkeit bestehen, weil es sich bei selbiger genauso gut um die drastische Kundgabe des Unmuts über politische Zustände oder Ansichten handeln kann. Für den hier vorliegenden Fall bedeutet dies, dass – jedenfalls in dubio pro reo – nicht von einer Strafbarkeit der republikanischen Politikerin nach § 111 StGB auszugehen ist. Vorliegend ging aus dem Kontext der Abbildung, insbesondere der weiteren auf der Website und der Profilseite enthaltenen Informationen die Intention hervor, die Kongresswahlen in den betreffenden Wahlkreisen gewinnen zu wollen. Auch wenn sich diese Wahlkampfwerbung in ihrer Schärfe – unter moralischen Aspekten – durchaus als kritikwürdig erweist, so muss dennoch festgehalten werden, dass eine verständige Würdigung der Abbildung in ihrem Gesamtkontext dazu führt, dass es sich zwar um eine stark zugespitzte Äußerung von Unmut über die politische Gegenseite handelte, die benannten Kongressabgeordneten jedoch nicht als individuelle Opfer eines Attentats, sondern als Vertreter der demokratischen Partei und deren Politik ins Visier genommen werden sollten. Schließlich kann auch berücksichtigt werden, dass die verantwortliche Politikerin die Wahlkampfwerbung als Mitglied einer Partei betrieben hat, deren Verfassungstreue nicht in Zweifel steht und die man hierzulande als eine sog. „Volkspartei“ bezeichnen würde. Zwar ist dies kein Argument, das als solches bereits per se einem (eventuellen) objektiven Eindruck der Ernstlichkeit entgegengehalten werden kann, jedoch wäre – umgekehrt betrachtet – möglicherweise ein auf die objektive Ernstlichkeit der Äußerung hindeutendes Indiz gegeben, wenn die betreffende Politikerin Mitglied einer politisch-extremen Partei gewesen wäre, zu deren Anhängerschaft typischerweise bzw. bekanntermaßen auch entsprechend politisch motivierte Gewalttäter gehören. Da dies allerdings nicht 22 23 24
BGHSt 32, 310 (311). BGHSt 32, 310 (312 f.). BGHSt 32, 310 (312 f.).
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D. Anwendung der gefundenen Ergebnisse auf Beispielsfälle
der Fall war, bleibt es bei dem Ergebnis, dass es sich bei der Abbildung, welche mittels einer Website und einer Profilseite im WWW weltweit veröffentlicht wurde, mangels objektiv erscheinender Ernstlichkeit nicht um eine öffentliche Aufforderung zu Straftaten nach § 111 StGB handelte. d) In der vorliegenden Fallgestaltung kann man also trotz der Verwendung der modernen Kommunikationsmittel des Internets (Website, Profilseite im sozialen Online-Netzwerk), die hier eingesetzt wurden, um für eine in ihrem Erscheinungsbild relativ extreme Äußerung eine besonders große Öffentlichkeitswirkung zu erzielen, mit den de lege lata zur Verfügung stehenden Normen den Sachverhalt erfassen und zu einem nachvollziehbaren Ergebnis kommen. Anders sähe es hingegen schon dann aus, wenn dieselbe Äußerung von Seiten einer extremistischen politischen Partei, von der bekannt ist, dass sie auch tatsächlich Gewalt als legitimes Mittel zur Bekämpfung politischer Gegner ansieht, dergestalt erfolgte, dass die betreffende Abbildung nicht beim Abrufen einer Website sofort „ins Auge springt“, sondern auf selbiger lediglich zum freien Download angeboten wurde. Zwar läge in diesem Fall wohl zumindest die Erwägung nahe, in der Abbildung eine hinreichend ernstliche Aufforderung zu sehen, jedoch könnte § 111 I Alt. 1 StGB nicht zur Anwendung kommen, da die Abbildung aufgrund des erforderlichen Downloads nicht der unmittelbaren Wahrnehmung der Besucher der Website unterliegt25. Ebenso könnte auch § 111 I Alt. 3 StGB nicht zur Anwendung kommen. Zwar stellt diese Alternative des § 111 I StGB das Verbreiten von Schriften – d.h. auch von Datenspeichern – unter Strafe, jedoch liegt in dem bloßen Bereitstellen eines Inhalts in Form unkörperlicher Daten noch kein Verbreiten26, sondern lediglich ein Zugänglichmachen vor, welches nach § 111 I Alt. 3 StGB jedoch nicht tatbestandsmäßig ist. Demnach kann diese abgewandelte Fallkonstellation – jedenfalls de lege lata – weder als öffentliche Aufforderung i. S. d. § 111 I Alt. 1 StGB noch als Aufforderung durch Verbreiten von Schriften i. S. d. § 111 I Alt. 3 StGB erfasst werden.
II. Die Tötungsumfrage in einem Online-Netzwerk27 1. Sachverhalt Am letzten Wochenende im September 2009 wurde in einem weltumspannenden Online-Netzwerk im WWW, welches über mehrere Millionen Mitglieder ver25
Vgl. dazu oben C.V.2.f)gg). Zum Streit um den sog. „internetspezifischen Verbreitungsbegriff“ ausführlich oben C.V.2.f)gg) sowie ferner C.IV.3. 27 Zu diesem Fall u. a. auch AFP Pressemitteilung vom 28.09.2009 unter http:// www.google.com/hostednews/afp/article/ALeqM5gLtaNu3XlD8VlxKtplHmgshG-qdw; Focus Online vom 29.09.2009 unter http://www.focus.de/digital/internet/facebookermittlungen-nach-obama-mord-umfrage_aid_440008.html; Gustin, DailyFinance.com vom 29.09.2009 unter http://www.dailyfinance.com/2009/09/29/the-kill-obama-face 26
II. Die Tötungsumfrage in einem Online-Netzwerk
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fügt, eine allen Mitgliedern frei zugängliche Umfrage veröffentlicht. Zur Abstimmung wurde die einfache, gleichwohl aber höchst brisante Frage gestellt: „Should O. be killed?“ („Sollte O. getötet werden?“). Zur Beantwortung der Frage konnte mit den Möglichkeiten „Yes“, „Maybe“, „If he cuts my health care“ („Wenn er meine Gesundheitsvorsorge beschränkt“) und „No“ abgestimmt werden. Bei O. handelte es sich um den seinerzeitigen Präsidenten der USA. Dieser war zum Zeitpunkt der Umfrage aufgrund der von ihm angestrebten Reform des Gesundheitswesens zunehmend der öffentlichen Kritik ausgesetzt. Als der Betreiber der Kommunikationsplattform schließlich Kenntnis von der Umfrage erlangte, stand diese bereits über das gesamte vorangehende Wochenende des 26./27.09.2009 auf einer Seite innerhalb des Online-Netzwerks frei zugänglich zur Verfügung. Nach dem Erlangen der Kenntnis wurde die betreffende Umfrage umgehend durch den Betreiber gelöscht. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten allerdings schon weit über 700 Mitglieder28 ihre Stimme abgegeben. Zu einem Anschlag auf das Leben des Präsidenten kam es in der Folgezeit jedoch nicht. Gleichwohl erachtete der Secret Service den Sachverhalt als ernstzunehmend und leitete Untersuchungen ein, um den Urheber der Umfrage zu ermitteln. Die Ermittlung des Urhebers war jedoch mit praktischen Schwierigkeiten verbunden, da dieser einerseits die Umfrage anonym in dem Online-Netzwerk veröffentlichte und er andererseits für die Erstellung der Umfrage eine Webapplikation eines Dritten benutzte. Dieses Programm zur Erstellung von Umfragen war seitens des Netzwerkbetreibers zwar zur Nutzung innerhalb des Netzwerks zugelassen, gleichzeitig war es ihm, da es sich nicht um eine eigene Applikation handelte, nicht möglich, den betreffenden Nutzer dieses Programms zu identifizieren. 2. Rechtliche Bewertung Als die im vorliegenden Fall zu prüfende Handlung kommt allein das Veröffentlichen der Frage „Should O. be killed?“ in Betracht. Zwar liegt in Anbetracht des Kontextes die Vermutung nahe, dass die zu bewertende Handlung in den USA erfolgte, jedoch soll dies im Rahmen der vorliegenden Betrachtung unberücksichtigt bleiben und die Rechtslage unter Zugrundelegung der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts geprüft werden. a) Zunächst kann unschwer die Verwirklichung eines Anleitungsdelikts (§§ 91 I Nr. 1, 130a StGB, § 52 I Nr. 4 WaffG) ausgeschlossen werden, da die book-poll-is-no-joke-for-the-secret-servic/; Welt Online vom 28.09.2009 unter http:// www.welt.de/webwelt/article4663443/.html (jeweils zuletzt abgerufen am 10.08.2012). 28 Vgl. AFP Pressemitteilung vom 28.09.2009 unter http://www.google.com/hos tednews/afp/article/ALeqM5gLtaNu3XlD8VlxKtplHmgshG-qdw („etwa 750 Nutzer“); Gustin, DailyFinance.com vom 29.09.2009 unter http://www.dailyfinance.com/2009/ 09/29/the-kill-obama-facebook-poll-is-no-joke-for-the-secret-servic/ („some 730 people“) (jeweils zuletzt abgerufen am 10.08.2012).
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D. Anwendung der gefundenen Ergebnisse auf Beispielsfälle
veröffentlichte verbale Äußerung nicht einmal ansatzweise eine unterweisende Darlegung, welche konkrete Kenntnisse über die Vorbereitung oder Begehung einer bestimmten Straftat vermittelt, enthielt. Weiterhin ergab die Sachverhaltsermittlung, dass sich weit über 700 Personen an der Abstimmung beteiligten. Aufgrund dieses Umstands sowie der weiteren Einzelheiten des Falls ist davon auszugehen, dass hier ein sowohl zahlenmäßig unüberschaubarer als auch individuell unbestimmter Personenkreis angesprochen wurde. So sprechen beispielsweise der thematische Anlass der Umfrage (Gesundheitspolitik des O.) und die gezielte Veröffentlichung in einem weltumspannenden WWW-Kommunikationsangebot mit mehreren Millionen Mitgliedern dafür, dass es gerade beabsichtigt war, möglichst viele Menschen zu erreichen. Hiernach kann also davon ausgegangen werden, dass es dem Urheber der Umfrage weder möglich war, einen zahlenmäßigen Überblick über die Nutzer, welche die Möglichkeit der Wahrnehmung hatten, zu erhalten noch diese nach irgendwelchen Individualisierungskriterien (z. B. bestimmte Eigenschaften oder Interessen) zu definieren. Dies hat wiederum zur Folge, dass die Annahme einer versuchten Anstiftung zum Mord vorliegend ausscheiden muss. b) Im Unterschied zu dem zuvor dargestellten und analysierten Fall des Arizona Shooting29 erfolgte die Veröffentlichung der fraglichen Äußerung hier ausschließlich innerhalb eines Online-Netzwerks und nicht (auch zugleich) auf einer für jeden WWW-Nutzer frei einsehbaren Website. Allerdings ist hierbei auch zu berücksichtigen, dass der Zugang zu dem Online-Netzwerk praktisch jedermann ohne Schwierigkeiten möglich war, denn um den Status des Mitglieds zu erhalten, bedurfte es lediglich einer einfachen einmaligen Registrierung, bei der nur ein Name, ein Geburtsdatum, das Geschlecht und eine E-Mail-Adresse angegeben werden mussten. Da eine Verifizierung der anzugebenden Daten durch den Anbieter regelmäßig nicht erfolgte, war es nicht einmal erforderlich, dass diese auch der Realität entsprachen. Die Registrierung war daher auch unter Verwendung eines falschen Namens und Geburtsdatums möglich und wird in der Regel dennoch erfolgreich gewesen sein, denn es bestand eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass etwaige falsche Angaben vom Anbieter nicht erkannt werden würden. Diese faktisch freie Zugänglichkeit hat zur Folge, dass hier eine Öffentlichkeitssituation nicht schon von vornherein aufgrund des formalen Registrierungserfordernisses zu verneinen ist30. Hinzu kommt, dass aufgrund der weltweit mehreren Millionen Mitglieder bereits von einem „Netz im Netz“ gesprochen werden kann. Da zudem auch innerhalb des Online-Netzwerks keine weitere Beschränkung des Zugangs zu der Umfrage auf bestimmte Mitglieder – wie es beispielsweise bei persönlichen Profilseiten häufig der Fall ist – erfolgte, ist gleichwohl von einer
29 30
Vgl. direkt zuvor unter D.I. Vgl. in diesem Zusammenhang auch oben C.V.2.f)ee) und C.V.2.f)ff).
II. Die Tötungsumfrage in einem Online-Netzwerk
385
öffentlichen Ansprache auszugehen31. Zu prüfen bleibt daher, ob eine Strafbarkeit nach § 111 StGB verwirklicht worden sein kann. Sofern die sonstigen Tatbestandsmerkmale des § 111 I StGB, insbesondere der Aufforderungscharakter der Äußerung, vorgelegen haben, wäre hinsichtlich der Strafzumessung jedenfalls § 111 II StGB heranzuziehen, da es im Ergebnis nicht zu einem Tötungsanschlag auf O. kam und es folglich an der Realisierung einer etwaigen Bezugstat fehlte. Hinsichtlich der möglicherweise verwirklichten Tatmodalität gibt allein das Merkmal „Online-Netzwerk“ noch keinen hinreichenden Aufschluss, so dass eine differenzierte Betrachtung erforderlich ist. Wurde die Tötungsumfrage folglich in einem Bereich des Online-Netzwerks gepostet der von jedem Mitglied in vollem Umfang eingesehen werden konnte, so hätte dies allein schon aufgrund der großen Mitgliederanzahl zweifelsfrei zur Verwirklichung des Merkmals der Öffentlichkeit i. S. v. § 111 I Alt. 1 StGB geführt32. Weniger eindeutig läge der Fall jedoch dann, wenn die Veröffentlichung beispielsweise in einer geschlossenen Gruppe33 erfolgt wäre, denn wie bereits an anderer Stelle dargelegt34, besteht hier in der Regel kein derart freier Zugang, wie es bei dem Online-Netzwerk als solchem der Fall ist. Da aber auch eine geschlossene Gruppe eine Anzahl von Mitgliedern – d.h. potenziellen Adressaten – erreichen kann, die derart hoch ist, dass praktisch ein unüberschaubar großer Adressatenkreis vorliegt, ist eine Anwendung von § 111 StGB gleichwohl nicht grundsätzlich ausgeschlossen. In einem solchen Fall wäre an Alt. 2 des § 111 I StGB zu denken, sofern die Voraussetzungen einer Versammlung bejaht werden können, was vor allem bei Chats und Webkonferenzen, aufgrund der dort synchron erfolgenden Kommunikation, in Betracht kommt35. Ist dies jedoch nicht der Fall (z. B. bei einem Forum oder Blog), könnte wiederum § 111 I Alt. 1 StGB einschlägig sein36. Wurde die Umfrage im vorliegenden Fall also in einem Forum einer geschlossenen Gruppe gepostet, könnte dies – soweit die sonstigen Tatbestandsmerkmale des § 111 StGB vorgelegen haben – allein unter § 111 I Alt. 1 StGB gefasst werden. § 111 I Alt. 2 StGB könnte hingegen dann zur Anwendung kommen, wenn die Umfrage innerhalb der geschlossenen Gruppe in Form eines Chats zugänglich gemacht worden wäre. Ein Problem, die Veröffentlichung der Umfrage mit § 111 StGB zu erfassen, bestünde trotz Vorliegens eines unüberschaubar großen und individuell unbestimmten Teilnehmerkreises jedoch dann, wenn § 111 I Alt. 2 StGB nicht anwendbar wäre, weil die Umfrage in einem Forum gepostet wurde (keine zwingend erforderliche Synchronizität der Kommunikation und daher 31 32 33 34 35 36
Vgl. dazu bereits oben C.V.3.b)bb)(4). Vgl. hierzu auch oben C.V.3.b)bb)(4). Vgl. dazu bereits oben C.V.2.f)ee). Vgl. hierzu auch oben C.V.3.b)bb)(4). Vgl. dazu bereits ausführlich oben C.V.2.f)ff). Vgl. wiederum oben C.V.3.b)bb)(4).
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D. Anwendung der gefundenen Ergebnisse auf Beispielsfälle
keine virtuelle Versammlung) und man die Anwendbarkeit von § 111 I Alt. 1 StGB an der bestehenden Zugangssperre (nur Zulassung von Einzelpersonen durch den Administrator und daher keine freie Zugänglichkeit) scheitern ließe. Zudem könnten in diesem Fall auch die §§ 26, 30 I StGB nicht zur Anwendung kommen, denn dem stünde jedenfalls nach wie vor eindeutig entgegen, dass von Anfang an ein unüberschaubar großer Personenkreis angesprochen wurde. Tatsächlich besteht eine solche (vermeintliche) Lücke bei § 111 StGB jedoch nicht, denn es wäre verfehlt, die Anwendbarkeit von § 111 I Alt. 1 StGB auf eine geschlossene Nutzergruppe im Internet allein an dem Vorliegen einer Zugangssperre scheitern zu lassen. Keine Voraussetzung für die Annahme einer öffentlichen Tatbegehung ist es nämlich, dass eine freie Zugänglichkeit zum Ort des Geschehens besteht. Zwar wird eine für jedermann freie Zugänglichkeit (z. B. zu einer Website) in der Regel ein bedeutendes Anzeichen für eine öffentlich getätigte Aufforderung sein, Voraussetzung dafür ist selbige allerdings nicht, denn das Merkmal der Öffentlichkeit definiert sich vielmehr über das Vorliegen eines unüberschaubar großen und individuell unbestimmten Personen- bzw. Adressatenkreises37. Bestehen also trotz vorhandener Zugangssperre keine Zweifel daran, dass ein unüberschaubar großer und individuell unbestimmter Personenkreis angesprochen wurde, so muss § 111 I Alt. 1 StGB grundsätzlich zur Anwendung kommen können. Anhand des vorliegenden Falls lässt sich dies verdeutlichen, wenn man sich vorstellt, dass die über 700 Personen, die an der Abstimmung teilgenommen haben, Mitglieder einer solchen geschlossenen Gruppe waren und aufgrund des großen Umfangs derselben jeweils keinen Überblick (mehr) darüber haben konnten, wer genau einen Diskussionsbeitrag bzw. eine Äußerung wahrnehmen würde. Im Hinblick auf die technischen Gegebenheiten des Internets und der Informationstechnologie ist es in diesem Zusammenhang von Interesse, dass es häufig kein Problem sein wird, eine genaue Kenntnis über die Größe des Adressatenkreises zu erlangen. So wird es jedenfalls zumeist kein technisches Problem seitens des Anbieters eines Kommunikationsdienstes darstellen, die genaue Anzahl der zugelassenen Teilnehmer zu erfassen und den anderen Gruppenmitgliedern mitzuteilen bzw. kenntlich zu machen. War dem Initiator der Umfrage hier also objektiv erkennbar (z. B. durch eine Anzeige wie: „Diese Gruppe hat 856 Mitglieder.“), dass es sich um einen sehr großen, praktisch nicht mehr überschaubaren Adressatenkreis handelte (mindestens über 700 Teilnehmer), dessen Mitglieder auch nicht durch individuelle Merkmale bestimmbar waren, können an der öffentlichen Tatbegehung kaum Zweifel bestehen. Hiernach muss es dann aber als sachgerecht bezeichnet werden, § 111 I Alt. 1 StGB auch dann zur Anwendung
37 Vgl. zum Merkmal der „Öffentlichkeit“ bereits oben C.IV.3. sowie ferner auch C.V.2.f)ff).
II. Die Tötungsumfrage in einem Online-Netzwerk
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zu bringen, wenn die Gruppe – d.h. der Ort der Äußerung – nicht frei zugänglich war und für die Teilnahme zunächst eine entsprechende Zulassung erfolgen musste. Ist § 111 I Alt. 1 StGB also grundsätzlich auch auf geschlossene Nutzergruppen anwendbar, sofern diese nur eben unüberschaubar groß und nicht individuell bestimmbar sind, können damit auch diejenigen Fälle erfasst werden, in denen eine synchrone Kommunikation – d.h. eine gleichzeitige Anwesenheit im virtuellen Raum – nicht zwingend erforderlich ist und welche deshalb (wie z. B. ein Forum) nicht unter die Versammlungsalternative des § 111 I Alt. 2 StGB subsumiert werden können. Ist die Kommunikationsform innerhalb der geschlossenen Gruppe hingegen nicht als Forum oder sonstige asynchrone Form, sondern beispielsweise als Chat angelegt, liegt jedoch – sofern sich daran unüberschaubar viele Personen gleichzeitig beteiligen – eine Anwendung von § 111 I Alt. 2 StGB näher, da hier aufgrund der gegebenen Synchronizität praktisch auch von einer „virtuellen Versammlung“ gesprochen werden kann. Nachdem nunmehr festgestellt wurde, dass eine Anwendung des § 111 StGB im vorliegenden Fall grundsätzlich in Betracht kommen kann, sofern eben nur das entscheidende Tatbestandsmerkmal des objektiven Vorliegens eines zahlenmäßig unüberschaubaren und individuell unbestimmten Adressatenkreises erfüllt ist, stellt sich im Weiteren die für eine mögliche Strafbarkeit des Urhebers ebenso bedeutsame Frage, ob die von ihm generierte und öffentlich geäußerte Umfrage auch den Voraussetzungen einer tatbestandsmäßigen Aufforderung genügen kann. Problematisch kann es in diesem Zusammenhang zunächst sein, dass die betreffende Äußerung hier in Gestalt einer wertungsneutralen bzw. objektiv gehaltenen Frage erfolgte. Zwar kann zugegeben werden, dass der hier zum Ausdruck gebrachte geistige Gehalt an sich bereits eine moralische Grenze überschreitet, indem das Leben des Präsidenten – zumindest ideell – zur Disposition gestellt wurde. Gleichwohl dürfte es hier kaum vertretbar sein, dem Fragesatz „Should O. be killed?“ einen appellativen Charakter beizumessen. Dass sowohl mit „Yes“ als auch „No“ abgestimmt werden konnte, steht einem ausdrücklichen Wunsch nach Realisierung der Tötung des Präsidenten entgegen. Des Weiteren steht dem Aufforderungscharakter entgegen, dass vorliegend der Konjunktiv („should“/ „sollte“) bzw. die Frageform und nicht der Imperativ verwendet wurde. Auch ist – wie schon im vorangehend diskutierten Fall – zu berücksichtigen, dass es sich um eine in offenbar politischem Zusammenhang (Gesundheitspolitik des Präsidenten) stehende Äußerung handelte, so dass hier in besonderem Maße zu prüfen ist, ob nicht lediglich Unmut bzw. überspitzte politisch motivierte Kritik zum Ausdruck gebracht werden sollte. Wurde jedenfalls in dem schon zuvor erwähnten Fall BGHSt 32, 310 selbst bei eindeutigen Aufforderungen wie „Tötet Cremer“ und „Hängt Brandt“ an der Ernstlichkeit gezweifelt, weil selbige aufgrund des politischen Kontextes und der konkreten Umstände auch als schlichte
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D. Anwendung der gefundenen Ergebnisse auf Beispielsfälle
– wenn auch unpassende – Unmutsäußerungen verstanden werden konnten38, so können entsprechende Einwände hinsichtlich der hier in Rede stehenden, als Frage formulierten Äußerung erst recht geltend gemacht werden. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die öffentlich geäußerte Umfrage zwar durchaus erheblichen moralischen Bedenken unterliegt und auch als drastische Provokation aufgefasst werden kann, die Voraussetzungen einer Strafbarkeit gemäß § 111 II StGB durch sie gleichwohl aber nicht erfüllt wurden. Diesbezüglich fehlte es der betreffenden Äußerung einerseits schon an einem hinreichenden Aufforderungscharakter. Andererseits ist aufgrund der vorliegenden Tatumstände auch die Annahme kaum vertretbar, dass bei den Adressaten objektiv der Eindruck erweckt wurde, es handele sich tatsächlich um eine ernst gemeinte Aufforderung zur Tötung des Präsidenten.
III. Die Anleitung zur Herstellung von Sprengstoff im Webforum39 1. Sachverhalt In einem geschlossenen Webforum (bestehend aus einer Hauptseite und mehreren thematischen Unterseiten), dessen Nutzer ausnahmslos einem rechtsradikalen Personenkreis angehörten, wurde von einem der knapp 80 registrierten Teilnehmer, folgende Äußerung auf der Hauptseite gepostet: „20 Koffer, 20 Mann, 20 Bahnhöfe. Bundesrepublik lahmgelegt. Alles legal. Kosten unter 1.000 A. Wo ist das Problem?“ Bei dem verantwortlichen Teilnehmer handelte es sich (mutmaßlich) um A, der nicht nur als hoher Funktionär einer extrem rechten Partei über die Szenegrenzen hinaus bekannt war, sondern sich auch durch kontinuierliche aktive Teilnahme an Diskussionen in dem Webforum unter dem Nickname „Junker Jörg“ etablierte. Auf einer Unterseite mit dem Titel „Waffen“ hatte (mutmaßlich) A zudem eine von ihm selbst verfasste und eindeutig als solche erkennbare, sehr detaillierte Anleitung zur Herstellung eines bestimmten Sprengstoffs hinterlegt. Hierbei wurden zuerst sämtliche Gegenstände und Rohstoffe („Material“) benannt, welche zur Herstellung erforderlich waren. Sodann wurde die konkrete Vorgehensweise („Durchführung“), inklusive genauer Dosierungshinweise und Zeitangaben, erläutert. Weiterhin war die Anleitung überschrieben mit den Bemerkungen, dass es sich um „einen der wertvollsten militärischen Sprengstoffe“ handele, der „150 % stärker als TNT und viel leichter zur Explo38
BGHSt 32, 310 (312 f.). Die folgende Falldarstellung erfolgt in Anlehnung an den „Junker Jörg“-Fall; dazu auch Gensing, Publikative.org vom 15.03.2011 unter http://npd-blog.info/2011/03/15/ junker-jorg-gibt-ratschlage-zum-bombenbau/; ders., Publikative.org vom 19.03.2011 unter http://npd-blog.info/2011/03/19/junker-jorg-die-npd-und-das-prinzip-guttenberg/ (jeweils zuletzt abgerufen am 10.08.2012). 39
III. Die Anleitung zur Herstellung von Sprengstoff im Webforum
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sion zu bringen“ und „sehr leicht zu Hause herzustellen“ sei, „viel leichter als alle anderen hochexplosiven Sprengstoffe“. Obwohl es sich um ein geschlossenes Forum handelte, gelangten Informationen nach außen, so dass auch Personen außerhalb des zugelassenen Nutzerkreises Kenntnis von den (mutmaßlich) von A geposteten Inhalten erlangten. Durch die Medien wurde der Fall dann allgemein publik gemacht. Zuvor konnte das Webforum – d.h. die Hauptseite sowie sämtliche Unterseiten – jedoch noch von den Betreibern gelöscht werden. Ob tatsächlich einer oder mehrere der zugangsberechtigten Teilnehmer des Webforums anhand der von A verfassten und geposteten Anleitung den entsprechenden Sprengstoff hergestellt haben, um diesen gegebenenfalls für Anschläge auf Bahnhöfe in Deutschland zu benutzen, konnte nicht ermittelt werden. Zu entsprechenden Anschlägen ist es in der Folgezeit jedenfalls nicht gekommen. 2. Rechtliche Bewertung Für die strafrechtliche Bewertung sind in dem vorliegenden Fall die beiden besagten Äußerungen des A in dem Webforum von Bedeutung. Diese sind im Zusammenhang zu betrachten, da sie in ein und demselben Kontext erfolgten und den Nutzern des Forums zeitgleich zur Verfügung standen. Jedoch schließt dies nicht aus, dass grundsätzlich auch eine der beiden Äußerungen für sich allein bereits geeignet sein kann, einen Straftatbestand vollständig zu erfüllen, wenn also z. B. allein schon in dem (unkommentierten) Bereitstellen der Sprengstoffherstellungsanleitung die Verwirklichung eines Delikts liegt. Bevor jedoch die Äußerungen tatbestandsmäßig geprüft werden, bietet es sich an – praktisch „vor der Klammer“ – zu überlegen, welche Delikte vorliegend überhaupt als Bezugs- bzw. Haupttaten anderer in Betracht kommen können. Zunächst steht fest, dass die auf der Unterseite bereitgestellte Anleitung tatsächlich eine taugliche – wenn auch abstrakte – Anweisung, zur Herstellung eines wirksamen Sprengstoffs darstellte. Eine gewisse Konkretisierung im Hinblick auf eine mögliche Verwendung des (nunmehr herstellbaren) Sprengstoffs kann sich im Weiteren aus der im Zusammenhang mit der auf der Hauptseite geposteten Äußerung „20 Koffer, 20 Mann, 20 Bahnhöfe. Bundesrepublik lahmgelegt. Alles legal. Kosten unter 1.000 A. Wo ist das Problem?“ ergeben. So lassen sich die beiden Äußerungen – nach allgemeiner Lebenserfahrung und bei realitätsnaher Auslegung bzw. aus der Sicht eines allgemein verständigen durchschnittlichen Betrachters – jedenfalls als Hinweis auf miteinander verbundene gemeingefährliche Sprengstoffanschläge deuten, bei dem Bahnhöfe die Angriffsziele und Kofferbomben die Tatmittel sein sollten. Insbesondere kann die Angabe von Bahnhöfen als potenzielle Tatorte als Indiz für eine Gemeingefährlichkeit gewertet werden, denn bei diesen handelt es sich in der Regel um öffentlich zugängliche Orte mit einem meist hohen Aufkommen von Personen. In Betracht können
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D. Anwendung der gefundenen Ergebnisse auf Beispielsfälle
in dem vorliegenden Fall daher vor allem die §§ 211, 212, 223 ff., 305, 308, 316b StGB kommen. Die Beschreibung, die beiden Dokumenten bei zusammenhängender Betrachtung zu entnehmen ist, lässt sich jedenfalls abstrakt einem Tatgeschehen, welches § 308 StGB – nämlich dem Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion bei dadurch verursachter Gefährdung von Personen oder bedeutenden Sachwerten – entspricht, zuordnen. So wurde mittels der Herstellungsanleitung zunächst aufgezeigt, wie ein für § 308 StGB ganz wesentliches Tatmittel, nämlich der Sprengstoff, herzustellen ist. Durch die auf der Hauptseite gepostete Äußerung wurde zudem der Bezug zu einer Straftat nach § 308 StGB hergestellt, denn nur so ist die Benennung von „20 Koffern“ – welche als Behältnisse und gleichzeitig als Tarnung des Sprengstoffs dienen sollten – schlüssig zu erklären. Zudem weist die Äußerung auch „20 Bahnhöfe“ als avisierte Anschlagsobjekte aus. Da sich aus den beiden relevanten Äußerungen also bereits das Geschehen einer (mehrfach zu verwirklichenden) Straftat nach § 308 StGB ergibt, ist nur noch der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass hier allein für das Herstellen des Sprengstoffs – praktisch als notwendiges Durchgangsstadium hin zu § 308 StGB – zwingend auch die Vorbereitung eines Explosionsverbrechens gemäß § 310 I Nr. 2 StGB in Betracht kommt, die jedoch regelmäßig im Wege der Subsidiarität hinter einem Verbrechen nach § 308 StGB zurücktritt, sobald ein solches jedenfalls im Versuchsstadium vorliegt40. § 310 StGB würde seinerseits wiederum § 40 I SprengG41, der den unerlaubten Umgang42 mit explosionsgefährlichen Stoffen – d.h. auch das Herstellen eines solchen gemäß § 3 II Nr. 1 SprengG43 – sanktioniert, verdrängen44. Des Weiteren sind die zum Zeitpunkt eines entsprechenden Anschlags in dem jeweiligen Bahnhof befindlichen Personen, welche dann konkret von den Auswirkungen der Sprengstoffexplosion betroffen gewesen wären, als mögliche Opfergruppe in Betracht zu ziehen, so dass neben § 308 StGB auch Tötungs- und Körperverletzungsdelikte nach §§ 211, 212, 223 ff. StGB als Haupt- bzw. Bezugstaten in Betracht kommen können. Zwischen diesen und § 308 StGB wäre eine Idealkonkurrenz grundsätzlich möglich45. 40 Fischer, § 310 Rn. 9; NK-Herzog/Kargl, § 310 Rn. 14; Schönke/Schröder-Heine, § 310 Rn. 11. 41 Im vorliegenden Fall wäre konkret § 40 I Nr. 3 Alt. 2 SprengG (unerlaubter Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen im nichtgewerblichen Bereich) einschlägig; vgl. ausführlich hierzu wiederum MK-B. Heinrich, § 40 SprengG Rn. 64 ff. 42 Ausführlich zum „Umgang“ i. S. d. § 3 II Nr. 1 SprengG MK-B. Heinrich, § 40 SprengG Rn. 32 ff. 43 Zum „Herstellen“ i. S. d. § 3 II Nr. 1 SprengG MK-B. Heinrich, § 40 SprengG Rn. 33. 44 Fischer, § 310 Rn. 9; NK-Herzog/Kargl, § 310 Rn. 14; Schönke/Schröder-Heine, § 310 Rn. 11. 45 Fischer, § 308 Rn. 13; NK-Herzog/Kargl, § 308 Rn. 12; Schönke/Schröder-Heine, § 308 Rn. 17.
III. Die Anleitung zur Herstellung von Sprengstoff im Webforum
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Schließlich kommen auch die Delikte der §§ 305 und 316b StGB im vorliegenden Zusammenhang in Betracht. § 305 StGB würde hierbei die Gebäudebeschädigung erfassen, die bei einem Kofferbombenanschlag auf einen Bahnhof zu erwarten ist. Da es sich offenbar zudem um einen Großanschlag in Form mehrerer miteinander verbundener Einzelanschläge („20 Koffer, 20 Mann, 20 Bahnhöfe. Bundesrepublik lahmgelegt. [. . .]“) handeln sollte, wäre eine ebenfalls zu erwartende Funktionsstörung des Bahnbetriebs i. S. d. § 316b I Nr. 1 Alt. 2 StGB möglich. Jedenfalls kann die Äußerung des A auf der Hauptseite bei verständiger Würdigung durchaus als Andeutung eines großflächig angelegten Sabotageakts verstanden werden. Auch §§ 305 und 316b StGB können in Idealkonkurrenz zu § 308 StGB stehen46. a) Hinsichtlich einer von A möglicherweise realisierten Anstiftung zu den vorliegend in Betracht kommenden Delikten ist zunächst festzuhalten, dass es mangels Begehung einer Haupttat nur zu einer versuchten Anstiftung zum Verbrechen nach § 30 I StGB gekommen sein kann. Für die vorliegend als Haupttaten in Betracht kommenden Delikte bedeutet dies, dass nur noch §§ 211, 212, 308 StGB relevant sind, da es sich bei den anderen Normen jeweils nicht um Verbrechen i. S. v. § 12 I StGB handelt. Bei der auf der Unterseite geposteten Sprengstoffherstellungsanleitung handelte es sich um eine rein abstrakte Beschreibung der jeglicher Bezug zu einem möglichen praktischen Einsatz des Sprengstoffs fehlte. Ein solcher Bezug ergab sich jedoch aus einer zusammenhängenden Betrachtung mit der auf der Hauptseite geposteten Äußerung „20 Koffer, 20 Mann, 20 Bahnhöfe. Bundesrepublik lahmgelegt. Alles legal. Kosten unter 1.000 A. Wo ist das Problem?“ Ein Bestimmen i. S. d. Anstiftung bzw. versuchten Verbrechensanstiftung zu Delikten, welche durch einen Sprengstoffanschlag auf einen Bahnhof typischerweise realisiert werden können47, lag damit gleichwohl aber nicht vor. Hierfür mangelte es nämlich schon an der Angabe konkret-individualisierender Tatmerkmale48. Weder wurden ein bzw. mehrere („20 Koffer, 20 Mann, 20 Bahnhöfe.“) hinreichend genaue Tatorte oder Tatzeiten angegeben, noch wurde eine bestimmte Begehungsweise zur Ausführung etwaiger Anschläge dargelegt. Die Äußerung auf der Hauptseite war in ihrem Abstraktionsgrad zudem derjenigen ähnlich, welche Gegenstand der Entscheidung BGHSt 34, 63 war. Hier ging der BGH zutreffenderweise davon aus, dass es dem Konkretisierungserfordernis eines Bestimmens i. S. v. §§ 26, 30 I StGB – konkret stand eine schwere räuberische Erpressung als Haupttat im Raum – nicht genügen könne, wenn einer Einzelperson lediglich ge46
NK-Herzog/Kargl, § 308 Rn. 14; Schönke/Schröder-Heine, § 308 Rn. 17. Vgl. hierzu die direkt vorangehenden Ausführungen unter D.III.2. 48 Zur Frage der erforderlichen Konkretisierung der Haupttat im Rahmen der Anstiftung vgl. die ausführliche Darstellung des Streitstands und die Streitdiskussion unter C.V.3.a)aa). 47
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D. Anwendung der gefundenen Ergebnisse auf Beispielsfälle
raten wird, sie müsse „[. . .] eine ,Bank oder Tankstelle machen‘ [. . .]“ 49. Durch die besagte Äußerung habe nicht eine konkrete Tat, sondern lediglich eine gattungsmäßig beschriebene Mehrzahl gleichartiger Tatmöglichkeiten in Aussicht gestellt werden können, so dass jene für ein Bestimmen i. S. v. §§ 26, 30 I StGB zu unbestimmt blieb50. Im Hinblick auf die hier ebenso fehlende Konkretisierung etwaiger Tatopfer ist zwar einzuräumen, dass es bei einer Anregung zur Begehung gemeingefährlicher Sprengstoffanschläge auf eine diesbezügliche Konkretisierung nicht entscheidend ankommen kann, da die Haupttäter einer solchen Tat – aufgrund der Gemeingefährlichkeit – ja gerade möglichst umfangreiche Personen- und Sachschäden verursachen und nicht nur bestimmte Personen treffen sollen. Da jedoch, wie dargelegt, auch keine sonstigen konkret-individualisierenden Tatmerkmale vorlagen, scheidet der Vorwurf einer etwaigen versuchten Verbrechensanstiftung zu den Delikten der §§ 211, 212, 308 StGB aus. b) Wollte man demnach eine öffentliche Aufforderung nach § 111 StGB in Betracht ziehen, weil diese bei der Konkretisierung der avisierten Taten nicht ein solches Maß erreichen muss, wie es beim Bestimmen i. S. d. der Anstiftung bzw. der versuchten Anstiftung der Fall ist, wäre dennoch fraglich, ob die vorliegende Äußerung auf der Hauptseite i.V. m. der Sprengstoffherstellungsanleitung auf der Unterseite die erforderlichen Voraussetzungen erfüllen würde. Da es jedenfalls nicht zur Umsetzung einer der als Bezugstaten in Betracht kommenden Delikte kam, könnte allenfalls eine erfolglose Aufforderung nach § 111 II StGB vorliegen. Mittels seiner Äußerung muss der Auffordernde die zu begehende Tat zumindest derart beschreiben, dass diese einem Straftatbestand zugeordnet werden kann und sich deren Realisierung auf eine jedenfalls allgemein bezeichnete Opfergruppe oder sonstige Tatobjekte bezieht51. Bereits zuvor52 wurde aufgezeigt, dass durch die beiden im Zusammenhang zu betrachtenden Dokumente eine Tatbeschreibung erfolgte, welche zunächst einem deliktischen Geschehen nach § 308 StGB zugeordnet werden kann. Weiterhin wurde dargelegt, dass die sich zum Zeitpunkt eines entsprechenden Anschlags in dem jeweiligen Bahnhof aufhaltenden Personen als mögliche Opfergruppe in Betracht zu ziehen sind, so dass neben § 308 StGB auch Delikte nach §§ 211, 212, 223 ff. StGB als Bezugstaten in Betracht kommen. Dass die möglichen Opfer hier nicht ausdrücklich benannt
49
BGHSt 34, 63 (66). BGHSt 34, 63 (66). 51 Zur Frage der erforderlichen Konkretisierung der Bezugstat im Rahmen der öffentlichen Aufforderung vgl. die ausführliche Darstellung des Streitstands und die Streitdiskussion unter C.V.3.a)cc). 52 Vgl. wiederum die vorangehenden Ausführungen unter D.III.2. 50
III. Die Anleitung zur Herstellung von Sprengstoff im Webforum
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wurden, sondern sich nur aus dem Kontext ergeben, ist dabei ausreichend53. Schließlich ist in der auf der Hauptseite geposteten Äußerung auch von „20 Bahnhöfen“ und „Bundesrepublik lahmgelegt.“ die Rede, so dass eine tatbestandliche Zuordnung zu Straftaten nach §§ 305 und 316b I Nr. 1 Alt. 2 StGB ebenfalls möglich ist. Folglich wurden von A vorliegend entsprechende Bezugstaten gemäß den Anforderungen einer öffentlichen Aufforderung nach § 111 StGB hinreichend konkret bezeichnet. Eine öffentliche Aufforderung scheitert hier aber in jedem Fall daran, dass nicht von einem unüberschaubar großen und individuell unbestimmten oder durch persönliche Beziehungen nicht verbundenen Adressatenkreis ausgegangen werden kann und es damit an der grundlegend erforderlichen Öffentlichkeitssituation fehlte. A hat seine Äußerung in einem geschlossenen Forum mit weniger als 80 Teilnehmern gepostet. Zwar kann bei dieser Anzahl eine zahlenmäßige Unüberschaubarkeit nicht (mehr) von vornherein ausgeschlossen werden, jedoch kamen vorliegend weitere Umstände hinzu, welche gegen die Annahme einer Öffentlichkeitssituation sprechen. So ist zu berücksichtigen, dass A bereits langzeitig aktives Mitglied des Forums war und er daher den Mitgliederbestand zum größten Teil kennen musste, weil dieser in einem geschlossenen Forum einer regelmäßig größeren Konstanz, als es bei einem öffentlichen Angebot der Fall gewesen wäre, unterlegen haben dürfte. Da es sich um ein ausschließlich von Rechtsradikalen genutztes, geschlossenes Webforum handelte, war der nicht all zu große Kreis der zugangsberechtigten Nutzer durch die Angehörigkeit zu einer extremen politischen Strömung weiterhin auch individuell bestimmbar. Setzt man die Anzahl der zugelassenen Mitglieder (knapp 80) ins Verhältnis mit dem individualisierenden Merkmal der extremen politischen Gesinnung und beachtet zudem, dass sämtliche betreffenden Personen die individuelle Zulassung zu dem Forum erhalten haben, so liegt die Annahme eines verbundenen – und somit nicht öffentlichen Personenkreises – nahe. All dies spricht vorliegend dafür, dass A sich einen Überblick über die Empfänger seiner Äußerungen, nämlich die anderen Mitglieder des Forums, machen konnte und sich die Aufforderung (gerade) nicht an die Öffentlichkeit richtete. Anders wäre es hingegen, wenn es sich um ein frei zugängliches Kommunikationsmittel gehandelt hätte, denn mangels einer individuellen Zulassung wäre hier nicht garantiert gewesen, dass jeder Teilnehmer sich auch tatsächlich mit den in dem Forum kommunizierten Inhalten persönlich identifiziert. Zudem hätte in diesem Fall außerdem auch ein zahlenmäßig unüberschaubarer Kreis möglicher Adressaten vorgelegen. Weiterhin ist auch zweifelhaft, ob die Äußerung über einen hinreichenden Appellcharakter verfügte. Wird jedenfalls verlangt, dass eine Aufforderung i. S. v. § 111 StGB den ausdrücklichen Wunsch nach Realisierung der Bezugstat (durch 53 Als ausreichend muss es bereits gelten, wenn sich eine Opfergruppe nur aus dem Kontext der Aufforderung ergibt; vgl. dazu auch oben C.V.3.a)cc)(4).
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D. Anwendung der gefundenen Ergebnisse auf Beispielsfälle
mindestens einen der Adressaten) zum Ausdruck bringen muss54, so könnte dies hinsichtlich der vorliegenden Äußerung i.V. m. der Sprengstoffherstellungsanleitung insofern problematisch sein, als dass jene auch als bloßes Anreizen durch Aufzeigen der Möglichkeit bzw. der leichten Realisierbarkeit von Sprengstoffanschlägen auf Bahnhöfe verstanden werden kann. Eine in imperativer Form abgefasste Veranlassung anderer zur Vornahme entsprechender Handlungen war hier jedenfalls nicht zu erkennen. Im Ergebnis kommt eine Strafbarkeit des A gemäß § 111 II StGB daher nicht in Betracht. c) § 89a I i.V. m. II Nr. 1 Alt. 1 StGB stellt es u. a. unter Strafe, zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat eine andere Person in der Herstellung von und dem Umgang mit Sprengstoffen zu unterweisen. Unterweisen kann dabei als Unterrichten55 bzw. Ausbilden56 verstanden werden. Dabei legt schon der Wortsinn nahe, dass es hierfür auf einen appellativen Charakter der Äußerung wie bei § 111 StGB nicht ankommen kann, denn regelmäßig wird eine an die Tatbegehungsbereitschaft appellierende Einwirkung auf eine andere Person dann nicht mehr erfolgen müssen, wenn diese sich eben nur noch das nötige Know-How einholen muss und will, um die bereits selbst beschlossene Tat realisieren zu können. Dass es beim Unterweisen also nicht darum geht, den anderen noch zur Begehung einer Straftat zu motivieren, wird nicht zuletzt auch dadurch deutlich, dass sich derjenige, der sich unterweisen lässt, selbst gemäß § 89a I i.V. m. II Nr. 1 Alt. 2 StGB strafbar macht. Gleichwohl kommt ein Unterweisen zum Herstellen von Sprengstoff gemäß § 89a I i.V. m. II Nr. 1 Alt. 1 StGB hinsichtlich der auf der Unterseite von A bereitgestellten Anleitung aber dennoch nicht in Betracht. So ist zwar eine appellierende Ansprache wie bei einer Aufforderung nicht zu verlangen, jedoch bedarf es für ein Unterweisen wiederum mehr, als für ein Zugänglichmachen nach § 91 I Nr. 1 StGB bzw. § 130a I, II Nr. 1 StGB oder ein Anleiten i. S. v. § 52 I Nr. 4 WaffG57. Vielmehr fordert ein tatbestandsmäßiges Unterweisen, da es sich hierbei praktisch um eine Art Schulung bzw. Ausbildung handelt, einen gegenseitigen Kommunikationsvorgang („[. . .] in Form eines Dialogs zwischen Lehrer und Schüler.“ 58) von gewisser Zeit und Dauer59. Die einseitige Vermittlung bestimm54 Vgl. LK-Rosenau, 12. Aufl., § 111 Rn. 17 f.; MK-Bosch, § 111 Rn. 7; NK-Paeffgen, § 111 Rn. 12; Schönke/Schröder-Eser, § 111 Rn. 3; sowie bereits oben C.V.2.f)bb). 55 Gazeas/Grosse-Wilde/Kießling, NStZ 2009, 593 (597); Leipold/Tsambikakis/Zöller-Gazeas, § 89a Rn. 36. 56 So BT-Drs. 16/11735, S. 10, 13; BT-Drs. 16/12428, S. 12, 15; Lackner/Kühl, § 89a Rn. 4. 57 Gazeas/Grosse-Wilde/Kießling, NStZ 2009, 593 (597). 58 Gazeas/Grosse-Wilde/Kießling, NStZ 2009, 593 (597); Leipold/Tsambikakis/Zöller-Gazeas, § 89a Rn. 36.
III. Die Anleitung zur Herstellung von Sprengstoff im Webforum
395
ter Kenntnisse – wie vorliegend in Form der von A geposteten Anleitung erfolgt – kann somit nicht ausreichen, um ein Unterweisen i. S. v. § 89a II Nr. 1 StGB anzunehmen60. d) Nachdem vorliegend sowohl eine versuchte Verbrechensanstiftung (mangels Angabe einer hinreichend konkretisierten Haupttat) als auch eine erfolglose öffentliche Aufforderung (mangels Ansprache der Öffentlichkeit und fehlenden Aufforderungscharakters der Äußerung auf der Hauptseite) und ebenso eine Unterweisung (mangels einer auf Austausch gerichteten Kommunikationsbeziehung) auszuschließen sind, kommen nur noch diejenigen Straftatbestände in Betracht, die das Anleiten selbst oder das Zugänglichmachen von Anleitungen als tatbestandsmäßige Handlung zum Gegenstand haben. Hierbei handelt es sich um die §§ 91, 130a StGB und § 52 I Nr. 4 WaffG. aa) Nach § 130a I StGB macht sich strafbar, wer eine Schrift, die sowohl dazu geeignet ist, als Anleitung zur Begehung einer Straftat (i. S. d. Katalogs des § 126 I StGB) zu dienen, als auch inhaltlich dazu bestimmt ist, die Bereitschaft anderer zur Begehung einer solchen Tat zu wecken bzw. zu fördern, verbreitet oder öffentlich zugänglich macht. Nach § 130a II Nr. 1 StGB macht sich ebenso strafbar, wer eine zwar objektiv als Anleitung zur Begehung einer Straftat geeignete, nicht aber entsprechend bestimmte Schrift verbreitet oder öffentlich zugänglich macht, dabei jedoch in der besonderen Absicht handelt, die Bereitschaft anderer zur Begehung einer solchen Tat zu wecken bzw. zu fördern61. Bereits bei der Prüfung einer Strafbarkeit nach § 111 StGB ist deutlich geworden, dass die vorliegend relevanten Äußerungen nicht gegenüber der Öffentlichkeit, sondern „nur“ gegenüber einer Gruppe von knapp 80 zugangsberechtigten Mitgliedern eines geschlossenen rechtsextremistischen Webforums erfolgten62. Da es aber gemäß § 130a I, II Nr. 1 StGB auch für das Zugänglichmachen entsprechender Anleitungsschriften grundsätzlich erforderlich ist, dass dieses öffentlich – d.h. gegenüber einem zahlenmäßig unüberschaubaren und individuell unbestimmten Personenkreis – erfolgt, muss eine Strafbarkeit des A nach § 130a StGB schon aus diesem Grund ausscheiden. Gleichwohl erscheint es interessant, das Augenmerk noch einen Moment auf § 130a StGB zu belassen und die in dem geschlossenen Webforum geposteten Äußerungen des A daraufhin zu untersuchen, ob diese die Voraussetzungen einer nach § 130a StGB tatbestandsmäßigen Anleitung erfüllen konnten.
59 Gazeas/Grosse-Wilde/Kießling, NStZ 2009, 593 (597); Lackner/Kühl, § 89a Rn. 4; Leipold/Tsambikakis/Zöller-Gazeas, § 89a Rn. 36; NK-Paeffgen, § 89a Rn. 36; Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben, § 89a Rn. 10. 60 A. A. jedoch Fischer, § 89a Rn. 32. 61 Vgl. zu § 130a StGB insgesamt auch oben C.V.2.g). 62 Vgl. zuvor unter D.III.2.b).
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D. Anwendung der gefundenen Ergebnisse auf Beispielsfälle
Wie bereits im Rahmen der allgemeinen Ausführungen zu § 130a StGB dargestellt, bedarf es für die Eignung als Anleitung grundsätzlich – d.h. sowohl in den Fällen des § 130a I StGB als auch in denen des § 130a II Nr. 1 StGB – eines hinreichend erkennbaren Bezugs zu einer Katalogtat des § 126 I StGB63. Eine schlichte Anleitung zur Herstellung von Sprengstoff – wie sie vorliegend von A auf der Unterseite „Waffen“ in dem Webforum gepostet wurde – kann folglich nicht als (alleiniges) Tatmittel in Betracht kommen, da hier jeglicher tendenziell anleitende Bezug zur Begehung einer Katalogtat des § 126 I StGB (Anwendungskomponente) fehlt64. So wäre auch der von A auf der Unterseite „Waffen“ in dem Webforum geposteten Sprengstoffherstellungsanleitung eine Eignung i. S. v. § 130a I, II Nr. 1 StGB zunächst abzusprechen. Wie jedoch eingangs erwähnt, stand die besagte Anleitung aber auch in einem Zusammenhang mit der auf der Hauptseite geposteten Äußerung „20 Koffer, 20 Mann, 20 Bahnhöfe. Bundesrepublik lahmgelegt. Alles legal. Kosten unter 1.000 A. Wo ist das Problem?“ Eine isolierte Betrachtung der von A bereitgestellten Anleitung wäre daher nicht angebracht. Fraglich ist also, ob die Äußerung auf der Hauptseite die Sprengstoffherstellungsanleitung um die fehlende Anwendungskomponente (hinsichtlich einer Katalogtat des § 126 I StGB) ergänzen konnte bzw. sich aus dem Zusammenhang beider Schriften eine i. S. v. § 130a I, II Nr. 1 StGB geeignete Anleitung ergeben konnte. Zwar lässt die Äußerung des A auf der Hauptseite i.V. m. der Sprengstoffherstellungsanleitung Rückschlüsse auf solche Straftaten zu, welche (typischerweise) im Zusammenhang mit einem gemeingefährlichen Sprengstoffanschlag auf einen Bahnhof realisiert werden können. Wie eingangs aufgezeigt handelt es sich dabei insbesondere um Straftaten nach §§ 211, 212, 223 ff., 305, 308, 316b StGB65. Von diesen stellen wiederum die §§ 211, 212 StGB Katalogtaten gemäß § 126 I Nr. 2 StGB, § 226 StGB eine Katalogtat nach § 126 I Nr. 3 StGB, § 308 I bis III StGB eine Katalogtat nach § 126 I Nr. 6 StGB und § 316b I StGB eine Katalogtat nach § 126 I Nr. 7 StGB dar. Gleichwohl kann auch in dem Zusammenspiel beider Schriften noch nicht eine solche Beschreibung gesehen werden, welche die Begehung eines Sprengstoffanschlags wesentlich erleichtern würde. Der Inhalt der Äußerung war vielmehr auf den möglichen Umfang einer Anschlagsserie – nämlich Einzelanschläge auf 20 verschiedene Bahnhöfe in Deutschland – gerichtet, während es an genaueren Hinweisen für die Ausführung eines solchen Anschlags (z. B. generell geeignete Orte für die Platzierung eines Sprengstoffkoffers im Bahnhof um möglichst viele 63
Vgl. konkret zum Problem der geeigneten Anleitungsschrift oben C.V.2.g)cc). Vgl. Leipold/Tsambikakis/Zöller-von Schlieffen, § 130a Rn. 4; LK-Krauß, 12. Aufl., § 130a Rn. 13; MK-Schäfer, § 130a Rn. 18; NK-Ostendorf, § 130a Rn. 8; Schönke/Schröder-Lenckner/Sternberg-Lieben, § 130a Rn. 4. 65 Vgl. oben D.III.2. 64
III. Die Anleitung zur Herstellung von Sprengstoff im Webforum
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Menschen zu verletzen oder zu töten und/oder Anlagen des Bahnbetriebs zu beschädigen oder zu zerstören, generell geeignete Zeitpunkte für die Auslösung der Sprengstoffexplosion, Angabe der durchschnittlich erforderlichen Dauer zwischen Abstellen des Koffers und Detonation des Sprengsatzes, Zündung des Sprengsatzes mittels Zeitschaltung oder Fernsteuerung etc.) weiterhin mangelte. Festzuhalten bleibt also, dass die auf der Hauptseite des geschlossenen Webforums gepostete Äußerung des A für sich allein noch nicht einmal abstrakt einem Tatbestand des StGB – und somit auch keiner Katalogtat des § 126 I StGB – zugeordnet werden kann und sich erst aus der zusammenhängenden Betrachtung mit der auf der Unterseite bereitgestellten Sprengstoffherstellungsanleitung das Bild eines gemeingefährlichen Sprengstoffanschlags ergab. Dieses Bild war aber wiederum nicht viel mehr als eine noch sehr unkonkrete Vorstellung des A hinsichtlich zukünftiger Sprengstoffanschläge, denn zum Ausdruck gebracht wurde zwar eine subjektive Vorstellung bzw. Vision, nicht aber wurden taugliche Hinweise zur praktischen Realisierung einer Straftat gemäß dem Katalog des § 126 I StGB gegeben, so dass neben dem Mangel der Öffentlichkeit auch das Fehlen einer hinreichenden Anleitung zu einer Katalogtat des § 126 I StGB zur Verneinung einer Strafbarkeit des A nach § 130a StGB führen muss. bb) In seiner ersten Alternative stellt § 52 I Nr. 4 WaffG es unter Strafe, zur Herstellung eines von § 40 I WaffG i.V. m. Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.4 WaffG bezeichneten Gegenstands anzuleiten, wobei es für das Anleiten hierbei einer eigenen oder zumindest einer zu eigen gemachten Äußerung bedarf66. Da A die Sprengstoffherstellungsanleitung selbst verfasst hat, lag mit selbiger unzweifelhaft eine eigene Äußerung vor. Aus Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.4 WaffG ist ersichtlich, dass es sich bei den tatbestandsrelevanten Gegenständen um solche handeln muss, die leicht entflammbare, explosionsgefährliche oder explosionsfähige Stoffe enthalten und deren Verwendung dazu führt, dass schlagartig ein Brand entstehen bzw. eine Explosion ausgelöst werden kann. Da es für eine geeignete Anleitung regelmäßig ausreicht, dass die Beschreibung einen wesentlichen Teil der erforderlichen Informationen wiedergibt und sich damit jedenfalls auf einen notwendigen Teilbereich der Durchführung bezieht, kommt die von A verfasste Anleitung im Rahmen von § 52 I Nr. 4 Alt. 1 WaffG als taugliches Tatmittel in Betracht. Im Unterschied zu § 130a StGB, bei dem es auf die Anleitung zu einer Katalogtat nach § 126 I StGB ankommt, besteht die zu erleichternde Tat hier nämlich „lediglich“ in der Herstellung eines unkonventionellen Sprengsatzes, bei der ein bzw. der wesentliche Teilbereich wiederum in der Vermittlung der zur Herstellung des Sprengstoffs erforderlichen Informationen besteht. Da die Sprengstoffherstellungsanleitung hier des Weiteren im Kontext mit einer auf Sprengstoffanschläge hindeutenden Äußerung des A auf der Hauptseite präsen-
66
Vgl. zu § 52 I Nr. 4 WaffG ausführlich auch oben C.V.2.i).
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D. Anwendung der gefundenen Ergebnisse auf Beispielsfälle
tiert wurde, kam dieser hier auch unzweifelhaft eine beihilfeähnliche Funktion hinsichtlich der Herstellung der für derartige Anschläge verwendeten Sprengsätze – als solche sind hier sog. „Kofferbomben“ denkbar – zu. Nachdem auch keine Zweifel an einem entsprechenden Anleitungsvorsatz des A bestehen können, ist dessen Strafbarkeit nach § 52 I Nr. 4 WaffG zu bejahen. cc) Hinsichtlich einer Strafbarkeit der Handlungen des A kommt nunmehr auch § 91 I Nr. 1 StGB in Betracht. War es u. a. das Ziel des Gesetzgebers, mit § 91 I Nr. 1 StGB – und insofern über § 130a StGB hinausgehend – gerade auch das Zugänglichmachen neutraler Schriften ohne konkreten Tatbezug, wie z. B. Anleitungen zur Herstellung von Sprengstoffen oder zum Bau von Sprengvorrichtungen zu kriminalisieren67, könnte im vorliegenden Fall die auf der Unterseite von A gepostete Sprengstoffherstellungsanleitung bereits für sich allein ein taugliches Tatmittel darstellen68. Die von A auf der Unterseite bereitgestellte Anleitung müsste zunächst ihrem Inhalt nach dazu geeignet gewesen sein, zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat i. S. v. § 89a I 2 StGB anzuleiten (sog. „1. Eignungsklausel“ 69). Obwohl § 91 I Nr. 1 StGB von „[. . .] Anleitung zu einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat [. . .]“ spricht, soll es ausweislich der gesetzgeberischen Begründung jedoch gerade nicht erforderlich sein, dass sich die Anleitung auf die Begehung einer Gewalttat insgesamt beziehe70. Demzufolge muss es ausreichen, dass die Anleitung die Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat bereits dadurch erleichtert, dass sie für einen (wesentlichen) Teil der gesamten Tat – insbesondere Vorbereitungshandlungen71 – eingesetzt werden kann. In Betracht kommen daher vor allem auch inhaltlich neutrale Schriften ohne jeglichen konkreten Bezug zu einer schweren Gewalttat, sofern diese eben zur Vorbereitung einer solchen verwendet werden können72. Für den hier zu betrachtenden Fall ist demnach zunächst festzuhalten, dass mit der von A verfassten Schrift eine zwar für sich allein neutrale, gleichwohl aber taugliche Anleitung zur Herstellung von Sprengstoff vorlag. Dass mit dieser Anleitung zugleich auch hinreichende Informationen zur Realisierung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat hätten gegeben oder zumindest ein sonstiger
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Vgl. BT-Drs. 16/11735, S. 2 f., 10 f., 15 f.; BT-Drs. 16/12428, S. 2 f., 12 f., 17 f. Vgl. zu § 91 StGB auch oben C.V.2.h). 69 Gazeas/Grosse-Wilde/Kießling, NStZ 2009, 593 (602); Leipold/Tsambikakis/Zöller-Gazeas, § 91 Rn. 9; NK-Paeffgen, § 91 Rn. 10. 70 BT-Drs. 16/11735, S. 2 f., 10 f., 15; BT-Drs. 16/12428, S. 2 f., 12 f., 17. 71 BT-Drs. 16/11735, S. 11; BT-Drs. 16/12428, S. 13. 72 BT-Drs. 16/11735, S. 15; BT-Drs. 16/12428, S. 17; Fischer, § 91 Rn. 7; Gazeas/ Grosse-Wilde/Kießling, NStZ 2009, 593 (602); Leipold/Tsambikakis/Zöller-Gazeas, § 91 Rn. 10; MK-Schäfer, § 91 Rn. 11; NK-Paeffgen, § 91 Rn. 12; abweichend allerdings Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben, § 91 Rn. 3; vgl. hierzu auch oben C.V.2.h). 68
III. Die Anleitung zur Herstellung von Sprengstoff im Webforum
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Bezug zu einer solchen Tat hätte erkennbar werden müssen, ist für eine mögliche Strafbarkeit nach § 91 I Nr. 1 StGB – wie zuvor aufgezeigt – nicht erforderlich. Demzufolge kommt hier also allein schon die Sprengstoffherstellungsanleitung als taugliches Tatmittel in Betracht. Obwohl also ein konkreter Bezug der Anleitung zu einer möglichen späteren schweren staatsgefährdenden Gewalttat regelmäßig nicht erforderlich sein soll73, kann dieses Merkmal im Rahmen der Prüfung des § 91 I Nr. 1 StGB nicht vollkommen außer Acht gelassen werden, da der Wortlaut der Norm hierauf ausdrücklich abstellt und in diesem Zusammenhang auf § 89a I StGB verweist. So wäre also zumindest festzustellen, dass jedenfalls eine abstrakte Eignung der in Betracht kommenden Schrift vorlag, um zur Begehung eines wesentlichen Teilbereichs einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat anzuleiten. Bei einer tauglichen Anleitung zur Herstellung von Sprengstoff – wie auch der des A – wird die Eignung zunächst im Hinblick auf das Merkmal der schweren Gewalttat wohl regelmäßig zu bejahen sein, da Sprengstoffe aufgrund ihrer charakteristischen Wirkungsweise (hohe Zerstörungskraft mit meist großflächiger bzw. weit gestreuter Wirkung) nahezu prädestiniert sind für die Begehung von Gewalttaten enormen Ausmaßes, vor allem hinsichtlich Personen- und Sachschäden. Die taugliche Anleitung zur Herstellung eines solchen Tatmittels kann demnach auch als Anleitung zu einem Teilbereich einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat dienen, jedoch wird einer vollständig neutralen Anleitung selbst regelmäßig noch kein staatsgefährdender Charakter innewohnen. Im vorliegend zu prüfenden Fall trat nun jedoch mit der Äußerung des A auf der Hauptseite noch ein weiterer objektiver Umstand zutage, den es in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen gilt. Aus der zu der bloßen Sprengstoffherstellungsanleitung hinzutretenden Äußerung des A „20 Koffer, 20 Mann, 20 Bahnhöfe. Bundesrepublik lahmgelegt. Alles legal. Kosten unter 1.000 A. Wo ist das Problem?“ ergab sich nämlich durchaus bereits ein gewisser Bezug zu einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat i. S. v. § 89a I 2 StGB. Dass die auf der Unterseite gepostete Sprengstoffherstellungsanleitung im Zusammenhang mit der auf der Hauptseite desselben Webforums veröffentlichten Äußerung des A das Szenario mehrerer miteinander verbundener Sprengstoffanschläge auf Bahnhöfe in Deutschland abbildete, wurde bereits vor der Auseinandersetzung mit den einzelnen in Betracht kommenden Straftatbeständen dargelegt74. Die sich daraus ergebende Annahme des Charakters einer gegen die innere Sicherheit Deutschlands
73 Vgl. Fischer, § 91 Rn. 7; Gazeas/Grosse-Wilde/Kießling, NStZ 2009, 593 (602); abweichend aber Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben, § 91 Rn. 3 (erkennbarer Bezug zu einer schweren Gewalttat und eine auf Begehung dieser Gewalttat gerichtete Tendenz); Sieber, NStZ 2009, 353 (363 – Deliktsbezug der sich aus Tatobjekt oder Tathandlung ergibt). 74 Vgl. oben D.III.2.
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D. Anwendung der gefundenen Ergebnisse auf Beispielsfälle
gerichteten schweren staatsgefährdenden Gewalttat bleibt auch dann bestehen, wenn man der Staatsschutzklausel des § 89a I 2 StGB ein enges Verständnis zugrunde legt und das geschützte Rechtsgut der inneren Sicherheit praktisch nur durch Großanschläge, welche die Tötung einer Vielzahl von Menschen mit gemeingefährlichen Mitteln aus politischen Beweggründen bewirken sollen, gefährdet sieht75. Tatsächlich kommt die vielfache Verwirklichung des Mordtatbestands in Betracht, wenn bundesweit mehrere Sprengstoffanschläge auf Bahnhöfe mittels Kofferbomben begangen werden sollen. Zudem liegen politische Beweggründe vor, wenn die Taten auf einer extrem nationalistischen, demokratie- und staatsfeindlichen Gesinnung bzw. Motivation beruhen. Insbesondere der Satz „Bundesrepublik lahmgelegt.“ verdeutlichte vorliegend, dass es primäres Ziel – i. S. e. Bestimmtheit – etwaiger Anschläge sein sollte, nicht nur einzelne Personen zu treffen, sondern Schäden im Ausmaß eines Großanschlags herbeizuführen. Folglich wären die avisierten Taten auch geeignet gewesen, dass Sicherheitsgefühl eines jeden einzelnen Bürgers (Schutzgut der inneren Sicherheit) zu beeinträchtigen, da praktisch jedermann – nämlich jeder Nutzer der öffentlichen Bahn bzw. eines öffentlichen Bahnhofs – und nicht nur ein spezieller Personenkreis Opfer eines solchen Anschlags hätte werden können. Ferner soll es – zumindest nach der Begründung des Gesetzgebers76 – der Annahme einer zukünftigen schweren staatsgefährdenden Gewalttat nicht entgegenstehen, wenn diese (noch) nicht näher konkretisiert ist77. Somit entfällt auch im vorliegend zu untersuchenden Fall der Bezug zu einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nicht deshalb, weil A weder Tatorte, Tatzeiten, etwaige Anschlagsopfer und Begehungsweisen näher konkretisiert hatte. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass das Bild von mehreren miteinander verbundenen Sprengstoffanschlägen auf Bahnhöfe, wie es sich aus dem Zusammenhang der Äußerung des A auf der Hauptseite i.V. m. der auf der Unterseite geposteten Sprengstoffherstellungsanleitung ergab, bereits einen Bezug zu einer staatsgefährdenden Gewalttat i. S. v. § 89a I 2 StGB begründete. Nachdem also festgestellt werden konnte, dass die Sprengstoffherstellungsanleitung für sich allein bereits ein geeignetes Tatmittel i. S. v. § 91 I Nr. 1 StGB darstellte und sich darüber hinaus durch die auf der Hauptseite gepostete Äußerung sogar schon ein gewisser Bezug zu einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat i. S. v. § 89a I 2 StGB ergeben hat, sind nunmehr noch die Tathandlung des Zugänglichmachens sowie das weitere Tatbestandsmerkmal der Geeignetheit der Verbreitungsumstände in den Blick zu nehmen.
75 Vgl. Gazeas/Grosse-Wilde/Kießling, NStZ 2009, 593 (595); Leipold/Tsambikakis/ Zöller-Gazeas, § 89a Rn. 16. 76 Vgl. BT-Drs. 16/11735, S. 12; BT-Drs. 16/12428, S. 14. 77 Beachte aber auch die diesbezügliche Kritik von Fischer, § 89a Rn. 20 f.
III. Die Anleitung zur Herstellung von Sprengstoff im Webforum
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Die nach § 91 I Nr. 1 StGB strafbaren Tathandlungen sind das Anpreisen und das Zugänglichmachen einer entsprechenden Anleitungsschrift. Da A hier den direkten Zugriff auf die Sprengstoffherstellungsanleitung ermöglicht hat, indem er diese auf der Unterseite „Waffen“ des geschlossenen Webforums zum Abruf bereitstellte, erfolgte unzweifelhaft ein Zugänglichmachen78, denn durch die Bereitstellung der Anleitung in dem geschlossenen Forum wurde sämtlichen dort zugelassenen Nutzern (knapp 80 Personen) die Möglichkeit der Wahrnehmung eingeräumt. Bereits im Rahmen der allgemeinen Ausführungen zu § 91 StGB wurde dargelegt, dass es für die Verwirklichung des Tatbestands – entgegen dem Wortlaut der Norm – nicht ausreichen kann, wenn die betreffende Anleitung lediglich einer einzigen Person zugänglich gemacht wird79. Da die Anleitung des A aber ohnehin sämtlichen Mitgliedern des geschlossenen Forums zugänglich gemacht wurde, ist dieses Problem vorliegend nicht von Bedeutung. Von Bedeutung hingegen erweist sich die Frage, ob das Zugänglichmachen der Sprengstoffherstellungsanleitung hier bereits gegenüber einer ausreichenden Anzahl von Adressaten erfolgte. Der vorliegende Fall ist gerade für diese Frage von besonderem Interesse, weil die Anleitung hier – wie zuvor festgestellt80 – gerade nicht der Öffentlichkeit i. S. e. zahlenmäßig unüberschaubaren und individuell unbestimmten Personengruppe, sondern nur den zugelassenen Mitgliedern des Forums zur Verfügung gestellt wurde, so dass jedenfalls ein öffentliches Zugänglichmachen hier nicht in Betracht kommen kann. Wiederum wurde bereits an anderer Stelle aufgezeigt, dass die Tathandlung des Zugänglichmachens und das Tatbestandsmerkmal der (hinreichenden) Umstände der Verbreitung nur dann sinnvoll in Einklang gebracht und dem Normzweck gerecht werden können, wenn ein tatbestandsmäßiges Zugänglichmachen auch dann schon bejaht wird, wenn die adressierte Personengruppe für den Täter (noch) überschaubar ist, also unterhalb der absoluten zahlenmäßigen Unüberschaubarkeit liegt oder anhand individueller Merkmale bestimmbar ist81. Entscheidend muss es im Rahmen von § 91 I Nr. 1 StGB nämlich darauf ankommen, dass die Anleitung gegenüber einer im konkreten Einzelfall ausreichenden Personenmehrheit zugänglich gemacht wird und dabei bereits aus den Umständen ihrer Verbreitung bzw. ihrer Zugänglichmachung die Gefahr resultiert, dass sich zumindest eine der angesprochenen Personen zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat motiviert fühlt. Die Frage, ob das Zugänglichmachen gegenüber einer ausreichenden Anzahl von Adressaten erfolgte (und damit tatbe78 Vgl. zur Handlungsvariante des „Zugänglichmachens“ allgemein auch oben C.IV.3. 79 Vgl. dazu oben C.V.2.h). 80 Vgl. die vorangehenden Ausführungen zu § 111 StGB unter D.III.2.b). 81 Vgl. dazu oben C.V.2.h).
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D. Anwendung der gefundenen Ergebnisse auf Beispielsfälle
standsmäßig war), kann also kaum beantwortet werden, ohne in diesem Zusammenhang auch die konkreten Umstände der Verbreitung zu bewerten. Während das Verbreiten bzw. das öffentliche Zugänglichmachen einer neutralen Schrift als Anleitung nach § 130a II Nr. 1 StGB nur dann strafbar ist, wenn die fehlende inhaltliche Bestimmung durch die besondere Absicht des Täters, die Bereitschaft anderer zu fördern oder zu wecken, ausgeglichen wird, kommt bei § 91 I Nr. 1 StGB – mangels eines solchen besonderen Absichtserfordernisses – die sog. „2. Eignungsklausel“ 82 zum Tragen. Hiernach ist es Voraussetzung für eine Strafbarkeit, dass die (objektiven) Umstände der Verbreitung die (abstrakte) Eignung besitzen, die Bereitschaft anderer zur Begehung schwerer staatsgefährdender Gewalttaten zu fördern oder zu wecken und dies – d.h. sowohl das Vorliegen der Verbreitungsumstände als auch deren Eignung – vom Vorsatz des Täters umfasst ist83. Dabei scheint es nur im Wege einer jeweils konkreten Einzelfallbetrachtung möglich, zu ermitteln ob die Umstände unter denen eine Anleitung verbreitet bzw. zugänglich gemacht wurde, tatsächlich auch abstrakt84 dazu geeignet waren, die Adressaten zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat zu motivieren85. Dennoch wird man wohl (mehr oder weniger) regelmäßig von geeigneten Umständen ausgehen können, wenn die betreffende Anleitung bereits einem ausgewählten Adressatenkreis, bei dem die Indoktrination bzw. Missionierung schon weit fortgeschritten ist, zugänglich gemacht wird86. Von einem derart „qualifizierten“ Adressatenkreis dürfte auch im vorliegenden Fall auszugehen sein, denn die Äußerungen des A wurden den Mitgliedern eines geschlossenen Webforums zugänglich gemacht, welche wiederum sämtlich der rechtsextremistischen Szene zuzuordnen waren und das Forum ausschließlich zur Kommunikation entsprechender politisch-extremistischer Inhalte nutzten. Dass dabei auch die Durchsetzung der eigenen politischen Ziele mittels Gewalttaten nicht ausgeschlossen wurde, erschließt sich nicht zuletzt aus der Existenz der Unterseite „Waffen“, auf der auch A die von ihm verfasste Sprengstoffherstellungsanleitung bereitstellte. Folglich waren die Umstände, unter denen A die besagte Anleitung zugänglich gemacht hat, i. S. v. § 91 I Nr. 1 StGB geeignet, die Mitglieder des geschlossenen rechtsextremistischen Forums zur Begehung
82 Gazeas/Grosse-Wilde/Kießling, NStZ 2009, 593 (603); Leipold/Tsambikakis/Zöller-Gazeas, § 91 Rn. 16; MK-Schäfer, § 91 Rn. 16; NK-Paeffgen, § 91 Rn. 17a. 83 Zum Vorsatzerfordernis bei § 91 I Nr. 1 StGB u. a. Fischer, § 91 Rn. 15; Leipold/ Tsambikakis/Zöller-Gazeas, § 91 Rn. 23; MK-Schäfer, § 91 Rn. 22; Schönke/SchröderSternberg-Lieben, § 91 Rn. 6; sowie bereits oben C.V.2.h). 84 Fischer, § 91 Rn. 14; Leipold/Tsambikakis/Zöller-Gazeas, § 91 Rn. 16; MK-Schäfer, § 91 Rn. 18. 85 Leipold/Tsambikakis/Zöller-Gazeas, § 91 Rn. 16. 86 Gazeas/Grosse-Wilde/Kießling, NStZ 2009, 593 (603); NK-Paeffgen, § 91 Rn. 18.
III. Die Anleitung zur Herstellung von Sprengstoff im Webforum
403
schwerer staatsgefährdender Gewalttaten – konkret ergab sich hier i.V. m. der Äußerung des A auf der Hauptseite sogar ein Bezug zu Sprengstoffanschlägen auf Bahnhöfe – zu motivieren. Es erweist sich allgemein als überzeugender und realistischer Ansatz, bei der Zugänglichmachung einer solchen Anleitung innerhalb eines Personenkreises, welcher u. a. dadurch gekennzeichnet ist, dass er zur Durchsetzung seiner politisch-extremen Ansichten und seiner demokratie- und verfassungsfeindlichen Absichten auch den Einsatz gewaltsamer Mittel – im vorliegenden Fall zum Ausdruck gebracht durch die Unterseite „Waffen“ – in Erwägung zieht, anzunehmen, dass hier bereits durch die bloße Wahrnehmung einer Anleitung zur Sprengstoffherstellung zumindest bei einem der Adressaten der „zündende Funke überspringen kann“. Im Hinblick auf dieses Ergebnis ist es auch von Interesse, dass die gesetzgeberische Begründung zu § 91 I Nr. 1 StGB bezüglich der Umstände der Verbreitung ausdrücklich auf das Beispiel der rechtsextremistischen Website bzw. des rechtsextremistischen Internetforums zurückgreift und darin offenbar einen typisierten Fall hinreichend geeigneter Verbreitungsumstände sieht87. Nachdem nunmehr das Vorliegen geeigneter Verbreitungsumstände festgestellt werden konnte, lässt sich der Kreis zur Tathandlung des Zugänglichmachens schließen und die zuvor aufgeworfene Frage nach der Ansprache eines hinreichend großen Personenkreises beantworten. Da im vorliegenden Fall knapp 80 Personen die Möglichkeit hatten, die auf der Unterseite bereitgestellte Sprengstoffherstellungsanleitung inhaltlich wahrzunehmen, war ein Adressatenkreis ausreichender Größe gegeben. Ein gemäß § 91 I Nr. 1 StGB strafbares Zugänglichmachen kann folglich bejaht werden. Aufgrund der bereits vorhandenen Radikalisierung der knapp 80 Mitglieder des Forums war hier jedenfalls davon auszugehen, dass mit dem Bereitstellen der Anleitung auf der Unterseite „Waffen“ auch ein Kontrollverlust hinsichtlich des weiteren Geschehensablaufs – in welchem regelmäßig der für ein strafbares Zugänglichmachen entscheidende Strafgrund zu sehen ist – bei A eintreten würde. Wenig überzeugend bzw. realistisch erscheint hingegen der Gedanke, dass A hinsichtlich der Mitglieder des Forums noch hätte intervenieren können, wenn es zu einer entsprechenden Motivationslage bei einem Mitglied des Forums gekommen wäre. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass der A hier über eine solch überragende Stellung bzw. Machtposition innerhalb des Forums verfügte, dass er andere Mitglieder (auch dann noch) hätte zum Innehalten anweisen bzw. veranlassen können, wenn diese infolge der Wahrnehmung der Anleitung (auf der Unterseite) und der Äußerung (auf der Hauptseite) jeweils bereits eine eigene Bereitschaft zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, nämlich eines Sprengstoffanschlags auf einen Bahnhof, entwickelt hätten. Ein i. S. v. § 91 I Nr. 1 StGB tatbestandsmäßiges Zugänglichmachen lag somit vor.
87
Vgl. BT-Drs. 16/11735, S. 11, 16; BT-Drs. 16/12428, S. 13, 18.
404
D. Anwendung der gefundenen Ergebnisse auf Beispielsfälle
Selbst wenn A die Realisierung der zwanzig Sprengstoffanschläge derart unter einen Vorbehalt gestellt hätte, dass er sich auf der Hauptseite noch die zusätzliche Bekanntgabe einer genauen Tatzeit und konkreter Tatorte – d.h. konkret bezeichnete Bahnhöfe – für einen späteren Zeitpunkt vorbehalten hätte, könnte dies einem tatbestandsmäßigen Handeln nicht entgegenstehen. Dass die Erklärung eines solchen Vorbehalts hinsichtlich der Tatbestandsverwirklichung unschädlich gewesen wäre, ergibt sich bei § 91 I Nr. 1 StGB bereits daraus, dass es keinerlei konkreten Tatbezugs der Anleitung bedarf und es deshalb auch nicht auf das Vorliegen bzw. Fehlen etwaiger tatkonkretisierender Angaben ankommen kann. Dies wiederum entspricht dem Umstand, dass § 91 I Nr. 1 StGB bereits der Schaffung einer abstrakten Gefahrenlage für bestimmte Individualrechtsgüter (Leben, körperliche Unversehrtheit und Freiheit) sowie bestimmte Staatsschutzgüter (Bestand und Sicherheit eines Staates, Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik Deutschland) durch das bloße Zugänglichmachen einer inhaltlich neutralen Anleitung unter entsprechend geeigneten Umständen begegnen soll. Folgerichtig muss der Tatbestand also bereits dann als erfüllt gelten, wenn allein die betreffende Anleitung einer hinreichenden Anzahl von Personen unter entsprechenden Umständen der Verbreitung zugänglich gemacht worden ist. Der Strafbarkeit kann es demnach also nicht entgegenstehen, wenn gleichzeitig mit der Bereitstellung der Anleitung angekündigt wird, dass weitere konkretisierende Tatmerkmale (z. B. Ort und Zeit einer bestimmten Tat) zu einem späteren Zeitpunkt noch bekanntgegeben werden sollen88. Im Ergebnis wurde § 91 I Nr. 1 StGB daher durch das Posten der Sprengstoffherstellungsanleitung auf der Unterseite des rechtsextremistischen Webforums seitens A objektiv voll verwirklicht. Auf der Seite des subjektiven Tatbestands ist ein Eventualvorsatz hinsichtlich des Inhalts der Schrift, deren Eignung, als Anleitung zu dienen (1. Eignungsklausel), der Tathandlung des Anpreisens bzw. Zugänglichmachens sowie der Eignung der Umstände, die Bereitschaft anderer zu fördern oder zu wecken, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat zu begehen (2. Eignungsklausel), erforderlich89. Aufgrund des konkreten Sachverhalts können vorliegend keine Zweifel daran bestehen, dass A als Urheber und Bereitsteller der Sprengstoffherstellungsanleitung über den mindestens bedingten Vorsatz verfügte, eine Schrift, welche nach ihrem objektiven Inhalt geeignet war, die Informationen zur Realisierung eines wesentlichen Teils einer schweren Gewalttat – die ihrerseits wiederum staatsgefährdend i. S. v. § 89a I 2 StGB sein sollte – 88 Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Diskussion der Entscheidung des OLG Stuttgart vom 26.02.2007 (4 Ss 42/2007) oben C.V.3.a)cc)(5). Hier ging es um die Tatbestandsmäßigkeit einer öffentlichen Aufforderung gemäß § 111 StGB, bei der zunächst nur an die Bereitschaft zur Begehung von Sachbeschädigungen (sog. „Feldbefreiung“) appelliert wurde, zugleich aber die Angabe konkretisierender Tatmerkmale (Tatort, Tatzeit) für einen späteren Zeitpunkt vorbehalten blieb. 89 Leipold/Tsambikakis/Zöller-Gazeas, § 91 Rn. 23.
III. Die Anleitung zur Herstellung von Sprengstoff im Webforum
405
anderen unter solchen Umständen zugänglich zu machen, die geeignet waren, deren Bereitschaft zur Begehung einer entsprechenden Tat zu wecken oder zu fördern. Da es bei § 91 I Nr. 1 StGB allein um das Zugänglichmachen bzw. Anpreisen von Anleitungen zu noch vollkommen abstrakten Gewalttaten unter besonderen Verbreitungsumständen, nicht aber schon um die Realisierung eines ganz bestimmten schweren staatsgefährdenden Verbrechens selbst geht, kann es für den Vorsatz demnach keine Rolle spielen, wenn der Täter sich bereits eine ganz bestimmte schwere staatsgefährdende Gewalttat vorstellt, sich deren weitere Konkretisierung ausdrücklich vorbehält und infolgedessen davon ausgeht, dass es ohne die Auflösung dieses Vorbehalts nicht zum Tätigwerden der Angesprochenen kommen wird. e) Das Bereitstellen der Sprengstoffherstellungsanleitung auf der Unterseite sowie das Posten der Äußerung auf der Hauptseite des geschlossenen Webforums erfüllte von den vorliegend geprüften Tatbeständen den des § 52 I Nr. 4 WaffG sowie den des § 91 I Nr. 1 StGB, wobei diese tateinheitlich verwirklicht wurden. Dabei erweist sich der hier besprochene Fall als nahezu mustergültiges Beispiel bzw. Anwendungsfall für § 91 I Nr. 1 StGB, weil er in diversen Einzelfragen (z. B. Sprengstoffherstellungsanleitung ohne konkreten Tatbezug als Tatmittel, Bereitstellen der Anleitung in einem rechtsextremistischen Webforum als geeignete Umstände der Verbreitung) praktisch mit der gesetzgeberischen Begründung zur Legitimation der Norm übereinstimmt. Zwar hätte das durchaus als strafwürdig erscheinende, weil bewusst gefahrschaffende Verhalten des A vorliegend auch allein nach § 52 I Nr. 4 WaffG, der im Vergleich auch das höhere Strafmaß vorsieht, sanktioniert werden können. Jedoch ist dies allein dem Umstand geschuldet, dass die Anleitung vorliegend zur Herstellung von unkonventionellen Sprengsätzen dienen sollte. Hätte die Anleitung beispielsweise in der Vermittlung der wesentlichen Informationen zur Herstellung von Giftgas bestanden, wäre § 52 I Nr. 4 WaffG nicht einschlägig gewesen. Folglich verbleibt § 91 I Nr. 1 StGB damit, trotz des weitgehenden Gleichlaufs mit § 52 I Nr. 4 WaffG im Bereich der Anleitung zur Herstellung von Molotow-Cocktails und unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen, ein eigener Anwendungsbereich. Gleichwohl darf die – gerade im Hinblick auf die große Unbestimmtheit der Eignungsklauseln und die damit einhergehende Weite des objektiven Tatbestands90 – geltend gemachte Kritik an § 91 StGB nicht ungehört bleiben, denn es lassen sich durchaus auch solche Sachverhalte vorstellen, bei denen beispielsweise die Umstände der Verbreitung einer Anleitung nicht so bzw. weniger offensichtlich geeignet sind, als sie es im hier besprochenen Fall waren (z. B. bei deren
90 Fischer, § 91 Rn. 20; Sieber, NStZ 2009, 353 (363); ferner auch Leipold/Tsambikakis/Zöller-Gazeas, § 91 Rn. 22.
406
D. Anwendung der gefundenen Ergebnisse auf Beispielsfälle
Bereitstellung in einem kritischen Diskussionsforum zu Fragen des Terrorismus91). Auch ist im Hinblick auf den hier behandelten Fall zu berücksichtigen, dass zusätzlich zu der Sprengstoffherstellungsanleitung die – im Zusammenhang zu sehende – Äußerung des A auf der Hauptseite des Forums vorlag. Da hierdurch eine etwaige zukünftige staatsgefährdende Gewalttat (Sprengstoffanschläge auf 20 Bahnhöfe in Deutschland) zumindest umrissen wurde, stand die Sprengstoffherstellungsanleitung jedenfalls nicht vollkommen bezugslos im Raum, so dass sich vorliegend auch die Frage nach der Strafwürdigkeit des Verhaltens des A insgesamt leichter bejahen und eine Anwendung von § 91 I Nr. 1 StGB gerechtfertigt erscheinen lässt. Des Weiteren ist anzumerken, dass § 91 I Nr. 1 StGB nicht nur über weitgehend unbestimmte Tatbestandsmerkmale verfügt, sondern der Wortlaut bereits in sich die für ein Gesetz erforderliche Klarheit bzw. Eindeutigkeit vermissen lässt. Zunächst erweist es sich als widersprüchlich, einerseits das Zugänglichmachen gegenüber einer einzigen Person ausreichen zu lassen, gleichzeitig diesbezüglich aber auch auf die Umstände der Verbreitung der Anleitung abzustellen, da ein Verbreiten definitionsgemäß die Ansprache einer unüberschaubaren Vielzahl individuell unbestimmter Personen voraussetzt. Dies macht es erforderlich, den Begriff der „Verbreitung“ hier – hilfsweise – untechnisch auszulegen und darin nicht ausschließlich die Ansprache einer unüberschaubaren Vielzahl individuell unbestimmter Personen zu sehen. Ebenfalls missverständlich ist es, wenn der Wortlaut der Norm von der Eignung der Anleitung zur Begehung schwerer staatsgefährdender Gewalttaten spricht, unter den Begriff der „Anleitung“ dann aber schon vollkommen neutrale Schriften ohne den geringsten konkreten Bezug zu einer solchen Tat fallen sollen. Auch hier wäre mehr Klarheit geboten und erforderlich, weil es sich aus der aktuell gültigen Formulierung des § 91 I Nr. 1 StGB gerade nicht ergibt, dass bereits bezugs- bzw. tendenzlose Anleitungen als taugliche Tatmittel in Betracht kommen können. Insgesamt mag man § 91 I Nr. 1 StGB bei gebotener restriktiver Auslegung und Anwendung (z. B. Zugänglichmachen bzw. Anpreisen gegenüber einem ausreichend großen Adressatenkreis, erkennbarer Bezug der Anleitung zu einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, Verbindung der Tathandlung mit einem auf Förderung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gerichteten Verhalten) noch als verfassungskonform ansehen können. Auch kann unter bestimmten Umständen durchaus ein Strafbedürfnis für die von § 91 I Nr. 1 StGB normierten Handlungen bestehen. Dient § 91 I Nr. 1 StGB dazu, strafwürdiges Handeln, welches jeweils nicht sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 111, 130a StGB und des § 52 I Nr. 4 WaffG erfüllt, zu erfassen, so scheint es nicht grundsätzlich
91
Sieber, NStZ 2009, 353 (363).
IV. Die Verbrechensverabredung im Internetchat
407
ausgeschlossen, dass der Norm tatsächlich ein – wenn auch sehr schmaler – eigener Anwendungsbereich zukommen kann.
IV. Die Verbrechensverabredung im Internetchat – Der Beschluss des BGH vom 16.03.2011 (5 StR 581/10)92 1. Sachverhalt93 A befand sich unter dem Nickname „No Limit“, einem seiner häufig wechselnden Chatpseudonyme, in einem Chatroom einer Internetplattform namens „Zauberwald“, welche ganz überwiegend von pädophil orientierten Menschen genutzt wurde. Dort traf er auf den unter dem Nickname „kees“ auftretenden B. Zwischen A und B, die jeweils nur den Nickname des anderen kannten und außerhalb des Chatrooms über keine weitere Möglichkeit der Kontaktaufnahme verfügten, kam es zum Gedankenaustausch darüber, wie in näherer Zukunft ein Kindesmissbrauch unter extremen sexuellen und sadistischen Begleitumständen sowie eine anschließende Tötung des Opfers gemeinschaftlich begangen werden könnten. Diesbezüglich konkretisierten sie bereits anhand gattungsmäßiger Merkmale ein potenzielles Opfer, das in einem ca. acht Jahre alten Jungen bestehen sollte, legten einen bestimmten Monat als Tatzeitraum fest und einigten sich auch über weitere Modalitäten der Tatausführung. So sollte das Kind zunächst aus einer ländlichen Gegend des nördlichen Mecklenburg-Vorpommern entführt werden, wenn es sich allein an einsamer Stelle auf dem Schulweg befinde. Anschließend sollte es mit einem in den Niederlanden anzumietenden und in Deutschland mit gestohlenen Kennzeichen zu versehenden Auto in ein ebenfalls noch anzumietendes Ferienhaus in Neßmersiel an der Nordsee verbracht werden, wo man dann die sexuellen und sadistischen Misshandlungen sowie die finale Tötung ausführen wollte. Des Weiteren wurden auch detaillierte Misshandlungspraktiken, die Tötungsweise und die anschließende Beseitigung des Leichnams thematisiert. Zu keinem Zeitpunkt war es A hierbei möglich, B zu identifizieren oder einen direkten Kommunikationszugang (z. B. über eine E-MailAdresse oder eine Telefonnummer) zu ihm zu erlangen. Ein weiteres Chatgespräch wurde von A und B zwar noch vereinbart, dann jedoch nicht mehr realisiert. Zudem wurde weder das Ferienhaus von A angemietet, noch wurden anderweitige Teilhandlungen des Verabredeten in die Tat umgesetzt.
92 BGH NStZ 2011, 570 mit Anmerkungen von Reinbacher, NStZ-RR 2012, 41 und Weigend, NStZ 2011, 572. Ferner zu diesem Fall auch MK-Joecks, § 30 Rn. 65. 93 Der dem Beschluss des BGH zugrunde liegende Sachverhalt wird hier insofern verkürzt wiedergegeben, als dass dieser von Bedeutung für das Thema der vorliegenden Arbeit ist. Für den vollständigen Sachverhalt und sämtliche gegenständliche Delikte vgl. BGH vom 16.03.2011 (5 StR 581/10 – in juris, da auch in NStZ 2011, 570 nicht vollständig abgedruckt).
408
D. Anwendung der gefundenen Ergebnisse auf Beispielsfälle
2. Rechtliche Bewertung Der vorliegende Sachverhalt wurde zunächst vom LG Kiel94 und anschließend im Revisionsverfahren vom 5. Strafsenat des BGH95 unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Strafbarkeit des A wegen Verabredung zur Begehung diverser Verbrechen (u. a. Mord) i. S. v. § 30 II Alt. 3 StGB gewürdigt. Voraussetzung einer nach § 30 II Alt. 3 StGB strafbaren Verabredung ist, dass sich mindestens zwei Personen darüber einigen, als Mittäter ein bestimmtes Verbrechen zu begehen oder zu einem solchen gemeinschaftlich anzustiften96. Dabei muss das zu begehende Verbrechen stets so konkret bezeichnet werden, dass jedenfalls wesentliche Grundzüge erkennbar sind97. Zudem muss die Verabredung auch ernstlich i. S. e. tatsächlichen Bereitschaft zur Tatbegehung als Mittäter sein. Liegt eine solche Bereitschaft bei den Komplottanten vor, so werden diese sich regelmäßig schon mit der Verabredung so verbindlich auf das geplante Verbrechen festlegen, dass sie sich später auch ohne Weiteres gegenseitig auf Erfüllung des Vereinbarten in Anspruch nehmen können98. a) Die Ansicht des 5. Strafsenats des BGH Der Senat, der sich allein mit einer möglichen Strafbarkeit des A auseinanderzusetzen hatte, beanstandete nicht, dass es der vorliegenden Verabredung zwischen A und B etwa an einer hinreichenden Konkretisierung der präsumtiven Verbrechen oder der Vereinbarung einer mittäterschaftlichen Begehungsweise mangelte. Hingegen bewertete er es als problematisch, den unzweifelhaft gegebenen Detailreichtum der Verabredung auch als alleinigen Beweis für die Annahme eines Bindungswillens des A – und damit auch für die Annahme der Ernstlichkeit der Verabredung – ausreichen zu lassen99. Allein anhand der vielen Details der Absprache habe jedenfalls noch nicht hinreichend ermittelt werden können, ob es sich tatsächlich schon um den Ausdruck eines verbrecherischen Willens oder noch um die Fiktion eines Fantasiebegabten handelte100. Vielmehr stünde einer rechtlich haltbaren Verurteilung des A wegen der Verabredung zur gemeinschaftlichen Verübung der besagten Sexualverbrechen und des Mordes hier entgegen, dass das LG Kiel mehrere Umstände der betreffenden Absprache, welche gegen deren
94
Urteil des LG Kiel vom 06.09.2010 (8 KLs 2/10 – in juris). BGH NStZ 2011, 570 (571 f.). 96 Vgl. zu § 30 II Alt. 3 StGB insgesamt auch oben C.V.2.e). 97 Vgl. hierzu auch die ausführliche Problemdarstellung und -diskussion unter C.V.3.a)bb). 98 Vgl. zur im Rahmen von § 30 II Alt. 3 StGB erforderlichen Ernstlichkeit auch oben C.V.3.c)dd). 99 BGH NStZ 2011, 570 (572). 100 BGH NStZ 2011, 570 (572). 95
IV. Die Verbrechensverabredung im Internetchat
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Ernstlichkeit sprechen würden, nicht genügend gewürdigt habe101. So sei beispielsweise unberücksichtigt geblieben, dass A bis dato Kindern gegenüber niemals sexuell übergriffig in Erscheinung getreten ist und auch, dass es zu keinem Zeitpunkt zur Anmietung des besagten Ferienhauses durch A gekommen ist102. Vor allem aber sei es nach Ansicht des Senats, im Hinblick darauf, dass A und B sich hier in vollständiger und jeweils unauflösbarer Anonymität gegenübertraten, falsch, in dem Chatgespräch eine ernstliche Verabredung zur mittäterschaftlichen Begehung von Sexual- und Tötungsverbrechen zu sehen. Zwar sei eine ernstliche Verabredung grundsätzlich auch unter Verwendung von Tarnnamen möglich103. Entscheidend gegen die Annahme einer ernstlichen Verbrechensverabredung spreche im vorliegenden Fall aber, dass sich A und B nicht persönlich kannten und die Identität des jeweils anderen nicht ohne dessen Mitwirkung ermitteln konnten sowie dass A auch über keinen „direkten kommunikativen Zugang“ zu B verfügte104. Treten sich die Verabredungsbeteiligten – wie hier – jedoch in vollkommener Anonymität gegenüber, müsse die spätere Auflösung derselben Teil des konkreten Tatplans sein, denn „In Fällen, in denen die verabredete Tat – wie vorliegend – die gleichzeitige Präsenz der Mittäter bei Tatbegehung voraussetzt, ist eine verbleibende völlige Anonymität freilich ausgeschlossen.“ 105 Schließlich habe das LG Kiel sich auch nicht mit dem Einwand des A, er habe sich seinen Chatpartnern stets durch das Wechseln seines Nicknames entzogen, bevor es richtig konkret hätte werden können, auseinandergesetzt106. Da es dem LG Kiel nach Ansicht des Senats, vorliegend also nicht gelungen sei, dem A die im Hinblick auf die mittäterschaftlich (mit B) zu begehenden Sexualdelikte und den Mord erforderliche Ernstlichkeit hinreichend nachzuweisen, hob er die Verurteilung wegen Verabredung zur gemeinschaftlichen Begehung von Verbrechen auf 107. Zudem sah der Senat auch von einer Zurückverweisung zur Neuentscheidung ab, da er eine Strafbarkeit des A nach anderen Tatbestandsvarianten des § 30 StGB ebenfalls für ausgeschlossen hielt108. b) Eigene Stellungnahme Tatsächlich können im vorliegenden Fall keine Bedenken an einer hinreichenden Konkretisierung der zu begehenden Sexualverbrechen und der anschließen101 102 103 104 105 106 107 108
BGH NStZ 2011, 570 (572). BGH NStZ 2011, 570 (572). BGH NStZ 2011, 570 (571 f.). BGH NStZ 2011, 570 (572). BGH NStZ 2011, 570 (572). BGH NStZ 2011, 570 (572). BGH NStZ 2011, 570 (572). BGH NStZ 2011, 570 (572).
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D. Anwendung der gefundenen Ergebnisse auf Beispielsfälle
den Tötung sowie deren gemeinschaftlicher Begehung durch A und B bestehen109. A und B haben sich sowohl detailliert über die Vorgehensweise bei den Sexualverbrechen als auch über die Tötung des Opfers verständigt. Ebenso wurde die Person des potenziellen Opfers bereits in den Grundzügen konkretisiert, denn dieses sollte „idealerweise“ in einem acht Jahre alten Jungen bestehen, den man aus einer ländlichen Gegend des nördlichen Mecklenburg-Vorpommern entführen wollte. Schließlich waren mit der Vereinbarung eines bestimmten Monats und dem Ferienhaus in Neßmersiel auch schon hinreichend konkret ein Tatzeitraum und ein Tatort für die Verübung der Sexualverbrechen und der Tötung festgelegt worden. Zutreffend hat der Senat die Konkretisierung der zu begehenden Verbrechen sowie die Festlegung auf einen bestimmten Mittäter, nämlich den jeweiligen Kommunikationspartner, im vorliegenden Fall nicht angezweifelt. Darüber hinaus verdienen aber auch die Einwände gegen die Annahme eines Bindungswillens des A Zustimmung. Dass der Senat eine Verabredung nach § 30 II Alt. 3 StGB grundsätzlich auch dann für möglich hält, wenn diese unter Verwendung von Nicknames bzw. Tarnnamen im Internet stattfindet, überrascht nicht, denn wenn es selbst bei Verabredungen in der realen Welt unter gleichzeitiger persönlicher Anwesenheit der Beteiligten nicht von entscheidendem Belang sein kann, ob die präsumtiven Mittäter die wirklichen Namen bzw. Identitäten voneinander kennen oder ob ihnen lediglich jeweils die Spitz- oder Rufnamen oder auch gar keine Namen bekannt sind, so kann dies bei Verabredungen, die über eine räumliche Distanz erfolgen – wie z. B. im Internetchat – ebenfalls nicht gefordert werden. Das Neue am vorliegenden Fall ist vielmehr darin zu sehen, dass es den an der Verabredung Beteiligten durch die Nutzung des Internetchats möglich war, den Kommunikationsakt unter Wahrung der vollständigen Anonymität durchzuführen. So stellte der Chatroom einen neutralen, nicht einem der Beteiligten zuordenbaren Raum dar, in welchem der Gedankenaustausch erfolgen konnte, ohne dass die Beteiligten einander als Personen sinnlich wahrnehmen mussten (z. B. durch visuelle Wahrnehmung der körperlichen Erscheinung, das Hören der Stimme etc.). Die Wahrung der Anonymität bzw. die Verwendung einer Scheinidentität bietet dem Handelnden in der Regel – wenn auch nicht unbedingt einen hundertprozentigen, so doch aber zumindest einen gewissen – Schutz vor Enttarnung. Ohne die Aufdeckung der wahren Identität ist es wiederum nicht möglich, eine konkrete persönliche Verantwortungs- bzw. Schuldzurechnung und – sofern es sich um eine Straftat handelt – auch eine effektive Strafverfolgung vorzunehmen. Besteht die Möglichkeit, die Anonymität sogar vollständig zu wahren und umfassend unter einer Scheinidentität aufzutreten, so wird dies mit hoher Wahrscheinlichkeit 109
So auch Reinbacher, NStZ-RR 2012, 41; Weigend, NStZ 2011, 572 (573).
IV. Die Verbrechensverabredung im Internetchat
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zu einem Absinken der Hemmschwelle für tabuisierte Handlungen, beispielsweise auch die Kundgabe besonders drastischer bzw. extremer Gedankeninhalte, führen. Berücksichtigt man diesen psychologischen Faktor, lässt sich durchaus fundiert die These aufstellen, dass das Internet (auch) ein prädestinierter Raum für die Äußerungen derjenigen ist, die selbige nicht ernst meinen bzw. diesen in der realen Welt niemals entsprechende Handlungen folgen lassen würden. Es erscheint, weil die Kommunikation desselben Inhalts in der realen Welt zumindest in vielen Fällen mit der direkten sinnlichen Wahrnehmung des Handelnden und damit dem Risiko des Erkanntwerdens behaftet wäre, demnach nicht abwegig, davon auszugehen, dass die Kommunikationsmittel des Internets aufgrund dieser meist leicht herstellbaren Sicherheit vor Enttarnung nicht selten genau dazu benutzt werden, hier etwas Fiktives auszuleben bzw. darzustellen und dabei (gerade) auch tabuisierten Gedanken Ausdruck zu verleihen. Verhält es sich dabei aber so, dass eine freimütige Kundgabe von Fiktionen bzw. tabuisierten Gedanken stattfindet, welche in der realen Welt tatsächlich niemals umgesetzt werden sollen (mangelnder Bindungswille), so kann hier eine den Strafgrund des § 30 StGB erfüllende Gefahrschaffung allenfalls dann bejaht werden, wenn bereits mit der Abgabe der Äußerung auch die Herrschaft über den weiteren Geschehensablauf aus den Händen gegeben wird und es deshalb nicht auf eine innere Ernstlichkeit des Täters (sondern auf nur die objektiv ernstlich erscheinende Äußerung) ankommen kann, wie es bei der versuchten Anstiftung nach § 30 I StGB und der Annahme eines Sich-Erbietens nach § 30 II Alt. 2 StGB der Fall ist. Erfolgt die Äußerung derartiger Gedanken jedoch in einer Konstellation des § 30 II Alt. 1 StGB (Bereitschaftserklärung) oder des § 30 II Alt. 3 StGB (Verbrechensverabredung), so muss die Abgrenzung zwischen extrem gearteter Fantasie (Straflosigkeit) und echtem Realisierungsvorsatz (Strafbarkeit) mit äußerster Sorgfalt und unter Berücksichtigung aller im konkreten Einzelfall in Betracht kommenden (Begleit)Umstände des Kommunikationsvorgangs vorgenommen werden, denn nur so wird bei diesen Formen der Deliktsvorbereitung abschließend beurteilt werden können, ob die erforderliche Ernstlichkeit des Täters vorlag oder nicht. Hiernach ist es also durchaus gerechtfertigt, die Feststellung der Ernstlichkeit einer Verbrechensverabredung, welche unter anonymer Nutzung von Internetkommunikationsmitteln erfolgt, an besonders strenge Voraussetzungen zu knüpfen und jedenfalls auch den Aspekt der Anonymität als beachtlichen Umstand einzubeziehen. Dies steht auch im Einklang mit der berechtigten Forderung einer grundsätzlich restriktiven Auslegung des § 30 StGB. Der Einwand des Senats, das LG Kiel habe nicht alle relevanten konkreten Umstände der vorliegenden Verabredung zwischen A und B umfassend gewürdigt, erweist sich daher als nachvollziehbar und zutreffend. Berücksichtigt man die Kritik des Senats und bewertet den Kommunikationsakt mit entsprechender Maßgabe, fällt es in der Tat schwer, anzunehmen, dass A sich derart verbindlich auf die Realisierung der beschriebenen Verbrechen festle-
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D. Anwendung der gefundenen Ergebnisse auf Beispielsfälle
gen wollte, dass er diesbezüglich von B auch in die Pflicht hätte genommen werden können. Gerade gegen das Eingehen einer solchen Verbindlichkeit spricht es, dass A häufig seinen Nickname wechselte und sich damit für seine Gesprächspartner im Hinblick auf weitere Chatgespräche praktisch unerreichbar machte. Auch andere Kommunikationszugänge (z. B. eine Postadresse, Telefonnummer oder E-Mail-Adresse) gab A nicht von sich preis, so dass dem B allein der Chatroom für erneute Kontaktaufnahmen zur Verfügung stand. Es ist somit davon auszugehen, dass es B bei etwaigen folgenden Kontaktversuchen nicht ohne Weiteres gelungen wäre, A als den in Anspruch zu nehmenden zukünftigen Mittäter wiederzuerkennen bzw. wiederzufinden. Vielmehr hätte es angesichts seiner häufig wechselnden Nicknames wenigstens auch der bewussten Mitwirkung des A bedurft, um einen weiteren Chatkontakt gezielt herbeizuführen110 und nicht allein von einer höchst ungewissen, nochmaligen Zufallsbegegnung im Chatroom abhängig zu sein111. Da es aber gerade nicht zu einem solchen weiteren Kontakt zwischen A und B kam und auch eine sonstige Umsetzung des Verabredeten nicht erfolgte, drängt sich die Schlussfolgerung auf, dass es A am Interesse mangelte, sich auf die Verwirklichung der zuvor besprochenen Delikte festzulegen. Die vorangehende Feststellung, dass die Aufrechterhaltung der vollständigen und für den/die anderen zukünftigen Mittäter unauflösbaren Anonymität als ein Mangel an Ernstlichkeit auszulegen ist und deshalb im Ergebnis zur Straflosigkeit führt, ist für Sachverhaltskonstellationen, wie die letztinstanzlich vom BGH gewürdigte, nachvollziehbar. Diesbezüglich muss es jedoch von entscheidender Bedeutung sein, dass die vorliegende Vereinbarung sich derart gestaltet, dass diese – wie der BGH es ausdrückt – „[. . .] die gleichzeitige Präsenz der Mittäter bei Tatbegehung voraussetzt [. . .]“ 112. Hier sollten jedenfalls die Sexual- und das Tötungsverbrechen für A und B eine Art gemeinsames Erlebnis darstellen und daher unbedingt durch deren gleichzeitiges Zusammenwirken am Tatort erfolgen. Demnach wäre es spätestens dann unumgänglich zur Aufhebung der Anonymität gekommen, wenn A und B sich zur Begehung der verabredeten Delikte in dem Ferienhaus getroffen hätten. Jedoch spricht der Sachverhalt hier dafür, dass bereits die Entführung des Opfers durch gemeinschaftliches Handeln realisiert werden sollte. Dass das geplante Geschehen nur unter gleichzeitiger Präsenz von A und B bei der Tatausführung verwirklicht werden sollte hat zur Folge, dass die Aufhebung der vollständigen Anonymität hier eine absolute Voraussetzung für die Annahme einer Verbrechensverabredung i. S. v. § 30 II Alt. 3 StGB war, denn unter einer solchen vollständigen Anonymität, wie sie während des Chatgesprächs vorlag und im Folgenden auch bestehen blieb, war es keinem der beiden Beteiligten möglich, den jeweils anderen wiederzufinden und gegebenenfalls auf 110 111 112
Weigend, NStZ 2011, 572 (573). Reinbacher, NStZ-RR 2012, 41. BGH NStZ 2011, 570 (572).
IV. Die Verbrechensverabredung im Internetchat
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Erfüllung in Anspruch zu nehmen. Gerade eine solche Möglichkeit wäre aber angesichts dessen, dass weder A noch B die entsprechenden Taten jeweils auch für sich allein realisieren wollten, erforderlich gewesen, um eine entsprechende Rechtsgütergefährdung (wenigstens ansatzweise) begründen zu können. Es lag damit zu keinem Zeitpunkt eine für § 30 II Alt. 3 StGB hinreichende Gefahrschaffung vor, so dass das Ergebnis des BGH – wie schon erwähnt – überzeugt113. Gleichwohl gibt die hier diskutierte Entscheidung Anlass für die Fragestellung, ob es stets zu einer tatplangemäßen Auflösung der Anonymität kommen muss, um eine Verbrechensverabredung annehmen zu können, oder ob nicht darüber hinaus auch Fälle denkbar sind, bei denen es der Ernstlichkeit der Verabredung nicht entgegensteht, wenn die Mittäter einander gegenüber in vollständiger und allein jeweils unauflösbarer Anonymität verbleiben sollen. So lassen sich durchaus verschiedene Sachverhalte vorstellen, bei denen ein Verbrechen zwar mittäterschaftlich verwirklicht werden soll, es dafür aber keiner zwingenden Auflösung der bestehenden Anonymität bedarf. Zur Verdeutlichung dessen sollen folgende zwei Abwandlungen des vorliegenden Ausgangsfalls dienen: Abwandlung 1: Die Verabredung von A und B erfolgte unter den gleichen Umständen wie im Ausgangsfall. Darüber hinaus sah der Tatplan auch hier vor, dass die Sexualdelikte und der Mord an dem Opfer als gemeinsames Erlebnis, also in jedem Fall unter gleichzeitiger Anwesenheit und damit verbundener Aufhebung der Anonymität, realisiert werden sollten. Hingegen sollte die vorangehende Entführung des Opfers mittels des angemieteten Autos von A allein begangen werden, wozu B ihm bereits genaue Informationen hinsichtlich des zu entführenden Kindes (Nennung des Namens, Beschreibung des äußeren Erscheinungsbildes) sowie die Adresse der Schule übermittelte. Des Weiteren gab B auch den genauen Tag der Entführung vor. Die Anmietung des von A vorgeschlagenen Ferienhauses sollte wiederum allein durch B erfolgen. Schließlich wurde vereinbart, dass es einer weiteren Absprache nicht mehr bedürfe, weil alle wichtigen Details bereits hinreichend geklärt worden sein. Demzufolge entsprach es auch dem gemeinsamen Tatplan, dass A und B sich erstmals zu dem konkret vereinbarten Datum zur Begehung der Sexualverbrechen und des anschließenden Mordes in dem Ferienhaus real begegnen würden. Wie im Ausgangsfall war neben den Sexualverbrechen und dem Mord auch das Verbrechen der Geiselnahme gemäß § 239b StGB Gegenstand der Verabredung, welches hier jedoch von A allein ausgeführt werden sollte. Gemäß der Absprache sollte es hier auch erst nach der erfolgten Geiselnahme und Verbringung des Kindes in das Ferienhaus zur Auflösung der Anonymität zwischen A 113 Auf Zustimmung trifft die Entscheidung des BGH im Ergebnis auch bei MKJoecks, § 30 Rn. 65; Reinbacher, NStZ-RR 2012, 41; Weigend, NStZ 2011, 572.
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D. Anwendung der gefundenen Ergebnisse auf Beispielsfälle
und B kommen. Es ergibt sich vorliegend also eine Situation, in der A und B sich nicht nur während der Absprache in vollständiger Anonymität gegenübertraten, sondern diese auch noch zum Zeitpunkt der durch A allein zu realisierenden Geiselnahme, bezüglich derer B zumindest funktionale Tatherrschaft – durch Vorgabe eines bestimmten Opfers sowie Planung von konkreter Tatzeit und konkretem Tatort – gehabt hätte, Bestand haben sollte. Dies muss wiederum denklogisch zur Folge haben, dass hinsichtlich der Geiselnahme bei A im Fall des Abweichens von dem Verabredeten ein Rechtfertigungsdruck gegenüber B nicht entstehen konnte, weil er aufgrund seiner vollständigen Anonymität und des damit verbundenen Fehlens eines individuellen kommunikativen Zugangs in diesem Fall nicht mit einer entsprechenden Nachfrage des B rechnen musste. Konkret gesagt: A musste sich nicht aufgrund einer etwaigen Loyalitätspflicht gegenüber B an die Realisierung der Geiselnahme gebunden fühlen, denn in dem Fall, dass er es sich noch einmal anders überlegt hätte, wären mögliche Repressalien oder sonstige Maßnahmen seitens B ausgeschlossen gewesen, weil er für diesen praktisch unerreichbar war. Da dem A das Abstandnehmen von der Tatausführung hier also ein Leichtes gewesen wäre, kann wohl kaum von einem für das Gefährdungspotenzial ursächlichen Bindungsgefühl bzw. -bewusstsein des A ausgegangen werden114. Unter der Voraussetzung, dass es vorliegend aber sowohl A als auch B dennoch ernstlich auf die Realisierung der besprochenen Verbrechen ankam, muss hier trotz tatplanmäßigen Fortbestehens der Anonymität bei der Ausführung der Geiselnahme eine hinreichende Gefahrschaffung durch die Verabredung für die von § 239b StGB geschützten Rechtsgüter der Fortbewegungs- und der Willensfreiheit sowie der körperlichen Integrität des in Aussicht genommenen Opfers gesehen werden. Da es für die von A allein zu realisierende Geiselnahme einer Auflösung der Anonymität nicht bedurfte und alle für die Ausführung relevanten Fragen bereits im Zuge der einmaligen Chatkommunikation geklärt wurden, wäre es hier kaum – im Hinblick auf den Normzweck des § 30 StGB – zielführend, eine Strafbarkeit des A nach §§ 239b I, 30 II Alt. 3 StGB daran scheitern zu lassen, dass die Aufhebung der Anonymität jedenfalls hinsichtlich des Verbrechens der Geiselnahme nicht Bestandteil der Verabredung war. Die eine Anwendung von § 30 II Alt. 3 StGB rechtfertigende Gefahrschaffung kann hier also – wie bereits festgestellt – nicht an einer etwaigen Bindungswirkung festgemacht werden, da bei einem späteren Absehen des A von der Realisierung der Geiselnahme aufgrund der vollständigen gegenseitigen Anonymität ein entsprechender Rechtfertigungsdruck, aus dem eine erhöhte Realisierungsgefahr (Bindungswirkung) resultiert hätte, gegenüber B nicht entstehen konnte. Vielmehr muss hier zur Bejahung einer strafbarkeitsbegründenden Gefahrschaffung allein schon die 114 Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen zum Strafgrund der Verbrechensverabredung oben C.V.2.e)aa).
IV. Die Verbrechensverabredung im Internetchat
415
gegenseitige Hervorrufung bzw. Festigung eines entsprechenden gemeinsamen Tatentschlusses zur Geiselnahme gesehen werden115. Abwandlung 2: A und B, die voneinander nichts weiter als den jeweiligen Nickname kennen und auch über keinerlei individuellen kommunikativen Zugang zueinander verfügen, kommen in dem besagten Chatroom miteinander ins Gespräch und stellen alsbald fest, dass sie die gleichen politisch-extremistischen Ansichten teilen. Im Verlauf des Chats stellt sich des Weiteren heraus, dass zufällig beide unabhängig voneinander die Tötung des Bundesinnenministers für den nächsten Tag geplant haben, weil dieser sich in letzter Zeit öffentlichkeitswirksam für ein konsequentes staatliches Vorgehen gegen die politisch radikale und verfassungsfeindliche Organisation X, zu deren Mitgliedern auch A und B zählen, eingesetzt hat. Hierzu wollen sowohl A als auch B das Fahrzeug des Bundesinnenministers unter Beschuss nehmen, wenn dieser sich auf dem Weg vom Flughafen zu seinem Dienstsitz befindet, nachdem er von einer EU-Innenministerkonferenz zurückgekehrt ist. Um ihrem Vorhaben eine größere Erfolgswahrscheinlichkeit zu verleihen, sind sich beide schnell darüber einig, dass man das Fahrzeug des Ministers am Besten kreuzfeuerartig mit Präzisionsgewehren attackieren sollte. So vereinbaren A und B, sich jeweils mit den Waffen versteckt und in sicherem Abstand links- bzw. rechtsseitig der Autobahn zu positionieren und gleichzeitig das Feuer zu eröffnen, wenn das Fahrzeug die Wegmarkierung von Kilometer 35 erreicht hat. Da sowohl A als auch B ohnehin bereits jeder für sich entschlossen waren, die Tat auch allein zu begehen, erfolgt die Zusage beiderseits ernstlich. Eine Auflösung der Anonymität kann – wie sich aus den vorangehenden Ausführungen ergibt – praktisch nur dann zwingend sein, wenn das verabredete Verbrechen ausschließlich unter gleichzeitiger Präsenz begangen werden soll und es dabei zudem zwingend darauf ankommt, dass die präsumtiven Mittäter sich auch wiedererkennen und gegebenenfalls gegenseitig auf Erfüllung des Vereinbarten in Anspruch nehmen können. Liegt der Fall hingegen so, dass die Verabredungsbeteiligten sich bei der späteren Begehung des geplanten Verbrechens nicht direkt begegnen bzw. sinnlich wahrnehmen müssen, so kann es auch nicht entscheidend auf das Vorliegen eines Bindungswillens ankommen, der sich in Form beseitigter Anonymität ausdrückt. Ein solches Vorgehen kann – neben der in Abwandlung 1 dargestellten Konstellation – u. a. auch dann der Fall sein, wenn die Verabredungsbeteiligten – wie hier – die Tat ohnehin als Einzeltäter jeweils auf ihre Weise begehen wollten und durch die faktische Addition ihrer Einzeltaten „nur noch“ eine erhöhte Erfolgswahrscheinlichkeit herbeizuführen versuchen. Die Gefährlichkeit einer solchen Verabredung dürfte in diesem Fall also vornehmlich daraus resultieren, dass der Zusammenschluss der Beteiligten objektiv regelmäßig zu einer Erhöhung der Erfolgswahrscheinlichkeit führen wird und 115
Vgl. hierzu wiederum bereits oben C.V.2.e)aa).
416
D. Anwendung der gefundenen Ergebnisse auf Beispielsfälle
subjektiv möglicherweise eine Steigerung der Tätermotivation nach sich ziehen kann. Ist eine solche Steigerung der Tätermotivation die Folge, wird in der Vereinbarung auch nicht lediglich eine psychische Beihilfe (Bestärken des bereits vorhandenen Tatenschlusses) gesehen werden können, da es in einem solchen Fall regelmäßig eben auch zur Addition ungefähr gleichartiger, nämlich der zunächst jeweils für eine Einzeltäterschaft vorgesehenen, Tathandlungen kommen wird. In diesem Zusammenhang wird auch die „[. . .] Bündelung vorhandener und im Hinblick auf den Rechtsgutsangriff konkretisierter krimineller Energie [. . .]“ als „Gefahrgehalt“ von § 30 II Alt. 3 StGB beschrieben116. Wie bereits in der ersten Abwandlung ist es also auch hier der Fall, dass allein schon durch die Verabredung eine hinreichende Gefahr für geschützte Rechtsgüter (Leben und körperliche Unversehrtheit des Bundesinnenministers) geschaffen worden ist. Der Strafwürdigkeit des Verhaltens kann es daher nicht entgegenstehen, dass weder A noch B im Fall einer Abstandnahme von der Tat (mangels gemeinsamer Anwesenheit bei deren Ausführung) einem Rechtfertigungsdruck gegenüber dem jeweils anderen ausgesetzt gewesen wären. Erneut wird hiernach deutlich, dass nicht eine Bindungswirkung bzw. ein Rechtfertigungsdruck per se den Strafgrund des § 30 II Alt. 3 StGB ausmachen kann, sondern dass es letztlich auf die der Verabredung entspringende Gefahrschaffung als solche ankommen muss117. Festzuhalten ist nach der Darstellung dieser beiden Abwandlungen also, dass durchaus Verabredungskonstellationen denkbar sind, bei denen es hinsichtlich der Ernstlichkeit – und letztlich der Gefahrschaffung – nicht darauf ankommen kann, ob die (spätere) Auflösung der Anonymität Teil des Tatplans ist oder nicht. Die Aussage des BGH, dass die Auflösung der Anonymität Teil des konkreten Tatplans sein müsse, wenn die Vereinbarung „[. . .] die gleichzeitige Präsenz der Mittäter bei Tatbegehung voraussetzt [. . .]“ 118, ist daher so zu präzisieren, dass die gleichzeitige Präsenz der Mittäter bei der Tatbegehung und die dann erfolgende Auflösung der Anonymität gemäß des gemeinsamen Tatplans zwingende Voraussetzung sein muss, damit es überhaupt zur Realisierung kommt. Dies ist wiederum aber nur dann der Fall, wenn die Begehung durch einen Einzelnen ausgeschlossen ist und es daher – jedenfalls bei einer Zwei-Personen-Verabredung – entscheidend darauf ankommt, dass der jeweils andere wiedererkannt und (im Fall des Abweichens von der Vereinbarung) auf Erfüllung in Anspruch genommen werden kann. Ist die alleinige Begehung hingegen alternativ bzw. ersatzweise möglich (Abwandlung 2) oder sogar verabredet (Abwandlung 1), wird die strafbarkeitsbegründende Gefahrschaffung nicht in einer Willensbindung, sondern vielmehr in der gegenseitigen Tatentschlussbegründung bzw. -festigung oder der Bündelung krimineller Energie zum Ausdruck kommen. 116 117 118
Vgl. Fieber, S. 166; zustimmend Thalheimer, S. 95. Vgl. bereits oben C.V.2.e)aa). BGH NStZ 2011, 570 (572).
IV. Die Verbrechensverabredung im Internetchat
417
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang noch darauf, dass das Erfordernis einer tatplanmäßigen Auflösung der Anonymität zur Folge haben kann, dass der zeitliche Anwendungsbereich des § 30 II Alt. 3 StGB mitunter ein sehr kurzer ist. Fällt die tatplanmäßige Auflösung der Anonymität nämlich erst auf den (späten) Zeitpunkt in dem sich die verabredeten Mittäter zur Tatbegehung treffen, so wird der Eintritt in das Versuchsstadium durch das unmittelbare Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung möglicherweise bereits direkt bevorstehen. Gleichwohl erweist es sich in einem solchen Fall als angemessen, dem Stadium der Verbrechensverabredung gemäß § 30 II Alt. 3 StGB dann auch einen gegebenenfalls nur äußerst kurzen Zeitraum zuzuschreiben. Solange es den präsumtiven Mittätern eines nur unter gleichzeitiger Präsenz und aufgehobener Anonymität zu begehenden Verbrechens mangels gegenseitiger Erkennbarkeit nämlich nicht möglich ist, voneinander die Erfüllung des jeweiligen Tatbeitrags einzufordern, fehlt es auch an der für § 30 II Alt. 3 StGB erforderlichen Gefahrschaffung, denn es besteht in dieser Situation noch kein Anlass für die Verabredungsbeteiligten, sich an das Verabredete gebunden zu fühlen. Unter einem Rückblick auf den ursprünglichen Fall stellt sich nunmehr noch die Frage, ob A durch seine Handlung eventuell eine Strafbarkeit nach einer anderen der von § 30 StGB erfassten Handlungsvarianten verwirklicht haben könnte, sofern er sich an der Verbrechensverabredung mit B möglicherweise nur zum Schein beteiligte119. Zutreffenderweise kommt bei einer mangels ein- oder beiderseitiger Ernstlichkeit gescheiterten Verbrechensverabredung von zwei Personen für denjenigen, der sich nur scheinbar verabredet, ersatzweise eine Strafbarkeit wegen versuchter Anstiftung gemäß § 30 I StGB oder wegen der Annahme eines Sich-Erbietens gemäß § 30 II Alt. 2 StGB in Betracht120. So könnte A wegen versuchter Anstiftung des B zu den besprochenen Verbrechen strafbar sein, wenn die Initiative zu der (gescheiterten) Verbrechensverabredung von ihm ausging. War hingegen B der Initiator, kommt dementsprechend für A die Annahme eines Sich-Erbietens gemäß § 30 II Alt. 2 StGB in Frage. Die Unterscheidung zwischen § 30 I StGB und § 30 II Alt. 2 StGB ist hierbei allerdings allein dogmatischer Art, da die Annahme eines Sich-Erbietens (§ 30 II Alt. 2 StGB) nach ganz überwiegender und zutreffender Ansicht praktisch einen Spezialfall der versuchten Anstiftung (§ 30 I StGB) darstellt121 und auch die jeweils vorgesehene Strafandrohung dieselbe ist. Entscheidend für eine Strafbarkeit des sich nur zum Schein Verabredenden ist aber in jedem Fall, dass dieser es zumindest für möglich halten muss, dass der andere die besagte(n) Tat(en) auch allein realisieren würde. Hält der Scheinbeteiligte es allerdings für ausgeschlossen, dass der
119
Vgl. in diesem Zusammenhang auch MK-Joecks, § 30 Rn. 65. Vgl. zum Problem der Scheinbeteiligung bei der Verbrechensverabredung auch ausführlich oben C.V.2.e)cc) und C.V.3.c)dd). 121 Vgl. dazu oben C.V.2.d)aa). 120
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D. Anwendung der gefundenen Ergebnisse auf Beispielsfälle
andere auch ohne sein Zutun zur Begehung der in Aussicht genommenen Tat(en) schreiten würde, kann eine Strafbarkeit nicht gegeben sein. Dem hier vorliegenden konkreten Sachverhalt lässt sich entnehmen, dass A es wohl kaum für möglich gehalten haben dürfte, dass B die avisierten Sexualverbrechen sowie den Mord auch ohne ihn begangen hätte. Vielmehr war der gemeinsame Tatplan derart angelegt, dass es einer arbeitsteiligen Vorgehensweise bedurfte. Zunächst war es nämlich A, der das Ferienhaus auswählte, in dem die Taten stattfinden sollten. Die Anmietung eines Fahrzeugs sowie das Anbringen gestohlener Kennzeichen an demselben sollte durch A und B gemeinschaftlich erfolgen. Das größte Gewicht dürfe jedoch dem Argument zukommen, dass A ebenso wie B aktiv an der Ausübung der Sexualdelikte und der anschließenden Tötung des Opfers – d.h. der Realisierung des Kerngeschehens – beteiligt sein sollte. Die diesbezüglichen Äußerungen von A und B lassen sich so verstehen, dass die Begehung der Verbrechen praktisch gerade als gemeinsames Erlebnis angedacht war. Dementsprechend mangelt es an Anzeichen dafür, dass A infolge seiner (nur scheinbar ernst gemeinten) Äußerungen auch eine Verwirklichung durch B allein für möglich hielt. Im Ergebnis muss demzufolge auch die Möglichkeit einer Strafbarkeit wegen versuchter Anstiftung (§ 30 I StGB) zu Sexualund Tötungsverbrechen bzw. wegen der Annahme einer entsprechenden Bereitschaftserklärung des B (§ 30 II Alt. 2 StGB) ausgeschlossen werden.
E. Abschließende Betrachtung und Ausblick Der abschließenden Zusammenfassung der wichtigsten einzelnormbezogenen Ergebnisse ist die Erkenntnis voranzustellen, dass sich die eingangs aufgestellte These, dass es aufgrund der vielfältigen Eigenheiten der Kommunikationsmöglichkeiten des Internets einer Untersuchung dazu bedarf, ob die im Bereich des Verabredens, Aufforderns und Anleitens zur Begehung von Straftaten de lege lata relevanten strafrechtlichen Normen auch geeignet sind, internetspezifische Sachverhalte hinreichend zu erfassen1, als zutreffend erweist. Dies ist insbesondere anhand der zuletzt besprochenen Beispielsfälle2 in aller Deutlichkeit klar geworden. Aufgrund der Vielzahl und der Vielgestaltigkeit der Internetkommunikationsmöglichkeiten, der ständigen technischen Neu- und Weiterentwicklungen und eines vergleichsweise dynamischen Anbieter- und Nutzerverhaltens ist es kaum möglich, verallgemeinernde Aussagen zu treffen, wie z. B. dass das Nutzen einer Mailingliste stets das Merkmal der Öffentlichkeit erfülle bzw. zum Vorliegen der Voraussetzungen eines unbestimmten/unüberschaubaren Adressatenkreises führe. Vielmehr ist es geboten, die charakteristischen Merkmale des betreffenden Kommunikationsmittels stets im konkreten Einzelfall genau zu berücksichtigen. Infolge der praktisch unbegrenzten Vielzahl denkbarer Einzelkonstellationen und Sachverhalte war es zudem auch in der vorliegenden Arbeit nicht möglich, in den theoretischen Erörterungen der relevanten Tatbestände3 und tatbestandsübergreifenden Probleme4 auf jeden möglichen Einzelfall einzugehen bzw. diesbezüglich ein eigenes Beispiel zu geben, so dass neben den dennoch zahlreich eingestreuten kleineren Beispielen die anschließende umfangreichere Besprechung konkreter Fälle5 nur selektiv erfolgen konnte. Die Untersuchung hat zunächst aufgezeigt, dass allein schon den §§ 26, 30 I StGB und § 111 StGB ein komplexes System zugrunde liegt, um verschiedene Formen und Konstellationen der Veranlassung anderer zur Begehung eigener Straftaten erfassen und angemessen sanktionieren zu können. Betrachtet man die §§ 26, 30 I StGB und § 111 StGB praktisch als Grundpfeiler eines Normensystems durch das gerade solche Kommunikationshandlungen kriminalisiert werden, die dazu dienen (sollen), andere zur Begehung eigener Straftaten zu veran1 2 3 4 5
Vgl. oben A.I. Vgl. zuvor D. Vgl. oben C.V.2. Vgl. oben C.V.3. Vgl. oben D.
420
E. Abschließende Betrachtung und Ausblick
lassen, so treten daneben auch weitere Normen des Kern- und Nebenstrafrechts in Erscheinung. Von diesen kommt im Kontext der Tathandlungen des Verabredens, Aufforderns und Anleitens zur Begehung von Straftaten vor allem den §§ 30 II, 91, 130a StGB und § 52 I Nr. 4 WaffG Bedeutung zu. Dass dies uneingeschränkt und insbesondere auch für Internetsachverhalte gilt, konnte nicht zuletzt durch die diversen, in der vorliegenden Arbeit diskutierten Entscheidungen der Rechtsprechung unter Beweis gestellt werden. Des Weiteren konnte dargelegt werden, dass grundsätzlich auch internetbezogene Sachverhalte anhand des bereits bestehenden Normeninstrumentariums erfasst und sinnvoll bewertet werden können, so dass hiernach die Erkenntnis feststeht, dass es für die strafrechtliche Erfassung und Beurteilung der vorliegend relevanten Tathandlungen nicht der Schaffung eines grundlegend neuen Regelungswerks, sei es durch einen neuen, im StGB integrierten eigenen Teil, neue Einzelnormen oder aber eine spezialgesetzliche Regelung außerhalb des StGB (z. B. ein „Internet-StGB“), bedarf. Die essenziellen Parameter zur Abgrenzung zwischen der Anstiftung und der öffentlichen Aufforderung, nämlich die jeweils hinreichende Konkretisierung der zu begehenden fremden Tat einerseits und der angesprochenen Adressaten andererseits, können ohne Weiteres auch auf entsprechende Kommunikationshandlungen im Internet angewendet werden. So ist es auch für entsprechende Kommunikationsakte im Internet möglich, diese als öffentlich bzw. nicht öffentlich einzuordnen oder auch deren Inhalt daraufhin zu prüfen, ob dieser sich als hinreichend konkret – und damit strafwürdig – erweist oder nicht. Die Problematik liegt also nicht in den allgemeinen bzw. grundlegenden Parametern des Systems der Strafbarkeit des Verabredens, Aufforderns und Anleitens. Gleichwohl konnten auch in diesem „Grundlagenbereich“ neue Aspekte herausgearbeitet und untersucht werden, wie beispielsweise die Möglichkeit der Wahlfeststellung zwischen Anstiftung und öffentlicher Aufforderung6 sowie die rechtsdogmatischen Folgen eines Irrtums über die Größe des angesprochenen Personenkreises7. Neben der Feststellung, dass das Sanktionssystem der kommunikationsbezogenen Veranlassungen fremder Straftaten grundsätzlich also auch auf Internetsachverhalte übertragbar ist, ist ebenso deutlich geworden, dass mitunter jedoch dann Schwierigkeiten bestehen können, wenn einzelne Tatbestandsmerkmale auf konkrete Sachverhalte anzuwenden sind. Als problematisch kann es sich dabei insbesondere erweisen, diese „klassischen“ Tatbestandsmerkmale (z. B. Ernstlichkeit, Tathandlung des Verbreitens) daraufhin zu definieren, ob diese auch die neuartigen Phänomene bzw. Erscheinungsformen der Internetkommunikation (z. B. vollständig anonymes Auftreten, allgemein zugängliche Bereitstellung von Daten)
6 7
Vgl. dazu oben C.V.3.b)cc)(4). Vgl. dazu oben C.V.3.b)cc)(5).
E. Abschließende Betrachtung und Ausblick
421
erfassen können oder ob dadurch bereits die Schwelle von der zulässigen Auslegung hin zur unzulässigen Analogie überschritten würde. Eingehend konnte dies beispielsweise anhand der Besprechung der Entscheidung des BGH vom 16.03.2011 (5 StR 581/10) dargelegt werden8. In dem für die vorliegende Arbeit relevanten Teil der Entscheidung ging es darum, zu bewerten ob die grundsätzlich erforderliche Ernstlichkeit einer Verbrechensverabredung nach § 30 II Alt. 3 StGB auch dann (noch) bejaht werden kann, wenn die – bei § 30 II Alt. 3 StGB allein gegenständliche – Kommunikation, nämlich die Verabredung, unter vollständiger Anonymität der Beteiligten und zudem in einem vollkommen neutralen Raum (vorliegend einem Chatroom) erfolgt. Zwar ließen sich möglicherweise auch abseits des Internets bzw. für die reale Welt Sachverhalte mit einer entsprechenden Problemkonstellation vorstellen. Jedoch bedürfte es diesbezüglich wohl eines gewissen Konstruktionsaufwands, denn während das vollständig anonyme Auftreten in einer (Verbrechens)Verabredung zwischen zwei Personen im Internet – wie der besagte Fall zeigt – durchaus nicht unüblich ist, dürfte selbiges andernorts wohl nur sehr schwer praktikabel sein und damit kaum einmal vorkommen. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass eine Verbrechensverabredung unter derartigen Bedingungen schon einmal außerhalb des Internets erfolgte und zum Gegenstand einer strafgerichtlichen Entscheidung wurde. Ebenso konnte aufgezeigt werden, dass sich § 111 I StGB in der Alternative des öffentlichen Aufforderns zur Begehung von Straftaten durch Verbreiten von Schriften (Alt. 3) im Hinblick auf Internetsachverhalte als praktisch unanwendbar erweist – sofern man der Ansicht vom sog. „internetspezifischen Verbreitungsbegriff “ nicht folgt – und sich diesbezüglich durchaus Strafbarkeitslücken ergeben können9. Neben denjenigen Anwendungsproblemen, die bereits eine Auseinandersetzung in Rechtsprechung und Literatur erfahren haben, ist die Frage der Anwendbarkeit im Hinblick auf Internetsachverhalte aber zum Teil auch noch unbeantwortet, weil sie diesbezüglich noch nicht diskutiert und/oder noch nicht erkannt wurde. So konnte beispielsweise im Rahmen der Auseinandersetzung mit § 111 I Alt. 2 StGB – soweit ersichtlich – erstmals dargelegt werden, dass der Begriff der „Versammlung“ durchaus auch auf bestimmte Konstellationen, in denen die Nutzung von Internetkommunikationsmitteln von Bedeutung ist, Anwendung finden kann10. Eine Würdigung durch die Rechtsprechung steht auch hinsichtlich des 2009 in Kraft getretenen § 91 StGB, welcher vor allem auch den „Tatort Internet“ erfassen soll, derzeit noch aus11. Dass jedoch diesbezüglich praxisrelevante Sachverhalte durchaus vorliegen, konnte wiederum im Rahmen der Besprechung 8
Vgl. dazu ausführlich oben D.IV. Vgl. dazu die umfassende Diskussion oben C.V.2.f)gg). 10 Vgl. dazu ausführlich oben C.V.2.f)ff). 11 Vgl. zu § 91 StGB eingehend oben C.V.2.h). 9
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E. Abschließende Betrachtung und Ausblick
der konkreten Beispielsfälle aufgezeigt werden12. Da die zu § 91 StGB – insbesondere aufgrund der hiermit einhergehenden erheblichen Strafbarkeitsvorverlagerung – kritisch geführte Diskussion bisher jedoch allein in der Literatur stattfand, kann selbige keinesfalls als abschließend bezeichnet werden. Als allgemeine Erkenntnis kann somit festgehalten werden, dass die diversen Internetkommunikationsmöglichkeiten hinsichtlich der Tathandlungen des Verabredens, Aufforderns und Anleitens zur Begehung von Straftaten neue Erscheinungsformen mit sich gebracht und zu einer Erweiterung der Begehungsmöglichkeiten geführt haben. Dies rechtfertigt es nicht nur, sondern macht es sogar zwingend erforderlich, sich – wie mit der vorliegenden Arbeit geschehen – erneut mit den diesbezüglich bestehenden Straftatbeständen im Detail auseinanderzusetzen. Unbestritten basieren sämtliche der vorliegend interessierenden Tathandlungen auf Kommunikationsvorgängen, denn letztlich geht es bei dem Verabreden, Auffordern und Anleiten um die Vermittlung von Inhalten/Informationen zwischen Menschen. Gleichwohl existiert ersichtlich keine eigens strafrechtliche Legaldefinition zum Begriff der „Kommunikation“. Da es in der vorliegenden Arbeit aber genau darum ging, neue Formen der Vermittlung von Inhalten/Informationen anhand der bereits bestehenden – gerade nicht speziell auf das Internet zugeschnittenen – strafrechtlichen Normen zu bewerten, war zunächst ein Kommunikationsbegriff zu finden bzw. zu definieren, der als gemeinsamer Nenner sowohl der bisherigen „Offline-“ als auch der neuen „Online-Verwirklichung“ der zu untersuchenden Tatbestände zugrunde gelegt werden kann. Dem kam praktisch grundlegende Bedeutung zu, denn nur anhand eines einheitlichen Kommunikationsbegriffs konnten die einzelnen Tatbestandsmerkmale sowie die Streitstände13 sinnvoll auf Internetsachverhalte übertragen werden. Folglich war dies der Auseinandersetzung mit den relevanten Tatbeständen voranzustellen14. Im Rahmen der Auseinandersetzung mit den für die Untersuchung relevanten Tatbeständen konnten viele, jeweils normenbezogene Einzelergebnisse gefunden werden, von denen die bedeutendsten hier nochmals kurz zusammengefasst werden sollen: – Bei der Nutzung des Internets zur Vermittlung von Inhalten/Informationen liegt stets Kommunikation i. S. d. des hier verwendeten Begriffs der „interpersonalen Kommunikation“ vor, was im Hinblick auf die vorliegend interessierenden Tathandlungen zur Folge hat, dass deren Verwirklichung im Internet nicht ohne das Zustandekommen eines geistigen Kontakts denkbar ist. Im Hinblick auf den bezüglich des Bestimmens bei der Anstiftung geführten Streit um die 12
Vgl. dazu oben D.III. So z. B. die streitige Frage, ob das Bestimmen i. S. d. Anstiftung stets eine kommunikative bzw. geistige Einflussnahme verlange, vgl. dazu auch die ausführliche Streitdarstellung und Diskussion oben C.V.2.a)bb). 14 Vgl. oben C.I. 13
E. Abschließende Betrachtung und Ausblick
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Intensität der Einflussnahme des Anstifters15 hat dies zur Folge, dass der Ansicht, welche ein Bestimmen auch ohne einen Kommunikationsvorgang zwischen Anstifter und Anzustiftendem bejaht, praktisch kein eigener Anwendungsbereich mehr bleibt16. Im Übrigen ist in dieser Streitfrage der Ansicht zu folgen, welche für ein Bestimmen ein kollusives Zusammenwirken zwischen Anstifter und Anzustiftendem in Gestalt einer gezielten Aufforderung zur Tatbegehung fordert17. – § 111 I Alt. 2 StGB kann auch auf Internetsachverhalte angewendet werden, da durchaus bestimmte Online-Konstellationen denkbar sind, in denen sich das Vorliegen der Merkmale einer Versammlung bejahen lässt. Erforderlich ist hierfür im Wesentlichen das Vorliegen eines zentralen virtuellen Versammlungsraums, was seinerseits wiederum ein Kommunikationsmittel voraussetzt, in dem die Kommunikation lokal zentralisiert und zwingend synchron stattfindet, wie beispielsweise in einem Chatroom. Des Weiteren darf das betreffende Kommunikationsmittel nicht jedem Nutzer frei zugänglich sein, da in diesem Fall bereits § 111 I Alt. 1 StGB einschlägig wäre. Ist nun in einem solchen Kommunikationsraum eine unbestimmte bzw. unüberschaubare Vielzahl zugelassener Nutzer virtuell anwesend und durch eine gemeinsame Themensetzung miteinander verbunden, so kann § 111 I Alt. 2 StGB zur Anwendung kommen. Als praktisches Beispiel kann man sich hier eine geschlossene, einem bestimmten Thema gewidmete Diskussionsgruppe in einem sozialen OnlineNetzwerk vorstellen, die trotz ihrer fehlenden freien Zugänglichkeit im Lauf der Zeit eine für den einzelnen Nutzer unüberschaubare Anzahl von Mitgliedern erlangt hat. Findet dort eine synchrone Kommunikation (z. B. ein Chat) statt, liegen sämtliche Voraussetzungen einer Versammlung vor18. – § 111 I Alt. 3 StGB ist in seiner aktuell gültigen Fassung auf Internetsachverhalte nur dann anwendbar, wenn man der Ansicht zum internetspezifischen Verbreitungsbegriff zustimmt und demnach für ein Verbreiten von Schriften im Internet auf die körperliche bzw. stoffliche Weitergabe eines Trägermediums verzichtet. Wird der internetspezifische Verbreitungsbegriff hingegen – wie hier – abgelehnt19, erweist sich die dritte Modalität des § 111 I StGB im Hinblick auf Internetsachverhalte praktisch als unanwendbar, weil es dieser an der Handlungsalternative des öffentlichen Zugänglichmachens fehlt. Nicht nach § 111 StGB strafbar ist derzeit daher beispielsweise das Bereitstellen und Übertragen von Text-, Video- oder Audiodateien, welche von den Rezipienten 15
Vgl. dazu oben C.V.2.a)bb). Vgl. C.V.2.a)bb)(1). 17 Vgl. dazu die ausführliche Diskussion oben C.V.2.a)bb)(5). 18 Vgl. hierzu ausführlich oben C.V.2.f)ff). 19 Vgl. hierzu die ausführliche Diskussion oben C.V.2.f)gg) sowie ferner auch schon C.IV.3. 16
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E. Abschließende Betrachtung und Ausblick
zunächst eigenständig (z. B. durch bewusst veranlassten Download) wahrnehmbar gemacht werden müssen. Perspektivisch wäre auf Seiten des Gesetzgebers zu überdenken, ob der objektive Tatbestand des § 111 I StGB um die Handlungsalternative des öffentlichen Zugänglichmachens zu erweitern ist20. – Aufgrund der Tathandlungen des Verbreitens und des öffentlichen Zugänglichmachens setzen § 130a I und II Nr. 1 StGB stets einen zahlenmäßig unüberschaubaren und individuell unbestimmten Adressatenkreis voraus. Die Kommunikationsmittel des Internets haben folglich insofern erkennbare Relevanz, als dass diese häufig die Möglichkeit bieten, Inhalte/Informationen ohne weiteren Aufwand einer Vielzahl von Personen bzw. öffentlich zugänglich zu machen. Da es für eine Anleitung i. S. v. § 130a StGB grundlegend erforderlich ist, dass mit ihr auch eine die Realisierung der dargestellten Handlung befürwortende Tendenz zum Ausdruck gebracht werden muss, können rein objektive Darstellungen/Anleitungen (z. B. objektive Dokumentationen/Tatsachenberichte) nicht als Anleitung i. S. d. Norm in Betracht kommen. Es macht sich daher nicht nach § 130a I oder II Nr. 1 StGB strafbar, wer z. B. die objektive Schilderung eines Tötungsattentats frei zugänglich postet, selbst wenn damit die Absicht verbunden ist, andere dadurch in die Lage zu versetzen und zu motivieren, ein solches Verbrechen selbst zu begehen. Strafbar ist das Posten in einem frei zugänglichen Internetkommunikationsmittel hingegen immer dann, wenn die Schilderung sich nicht allein in einer rein objektiven Darstellung erschöpft, sondern eine darüber hinausgehende Befürwortung der dargestellten Handlung beinhaltet. So liegt eine Strafbarkeit nach § 130a II Nr. 1 StGB vor, wenn beispielsweise die für Hausbesitzer erstellte Anleitung zum zielgerichteten kontrollierten Abriss eines Hauses durch Sprengstoffexplosionen in einem öffentlichen Webforum gepostet wird und der Bereitsteller dabei zugleich in der Absicht handelt, andere dadurch zur Begehung einer solchen Tat zu motivieren. Ob eine solche Absicht im Einzelfall tatsächlich auch wird nachgewiesen werden können, scheint zwar unter praktischen Gesichtspunkten problematisch, kann jedoch auf die rein materiell-rechtliche Beurteilung der Strafbarkeit keinen Einfluss haben. In rechtlicher Hinsicht besteht der entscheidende Unterschied zwischen der Sprenganleitung für Hausbesitzer und der objektiven Dokumentation des Tötungsattentats darin, dass nur erstere auch über eine erkennbare Tendenz bezüglich der Verwirklichung des Dargestellten verfügt21. – Anders als § 130a I und II Nr. 1 StGB entfaltet § 130a II Nr. 2 StGB im Hinblick auf Internetsachverhalte kaum eine Bedeutung, da dieser subsidiär zu § 130a I und II Nr. 1 StGB ist und nur dann zur Anwendung kommt, wenn keine Schrift i. S. v. § 11 III StGB verwendet wird. Da aufgrund der techni20 21
Vgl. hierzu ausführlich oben C.V.2.f)gg). Vgl. hierzu insgesamt oben C.V.2.g)cc).
E. Abschließende Betrachtung und Ausblick
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schen Funktionsweise des Internets aber nahezu immer Datenspeicher (z. B. Server mit entsprechenden Speicherungsmöglichkeiten) zum Einsatz kommen, dürfte es im Bereich der Internetkommunikationsmittel nur äußerst selten der Fall sein, dass ein Kommunikationsvorgang ohne Realisierung des Schriftenmerkmals des § 11 III StGB erfolgt. – Neben § 130a StGB enthält auch § 91 I Nr. 1 StGB das Zugänglichmachen einer Anleitung als tatbestandsmäßige Handlung, wobei sich die Anleitung hierbei als geeignet im Hinblick auf eine schwere staatsgefährdende Gewalttat i. S. v. § 89a I 2 StGB erweisen muss. Aus dem reinen Wortlaut der Norm erschließt sich allerdings nicht, ob das Zugänglichmachen auch öffentlich erfolgen muss. Da jedoch auf die Umstände der Verbreitung abgestellt wird, ist jedenfalls in der Alternative des Zugänglichmachens des § 91 I Nr. 1 StGB ein Verbreitungsdelikt zu sehen, was wiederum für ein Öffentlichkeitserfordernis hinsichtlich des Zugänglichmachens spricht. Es konnte jedoch herausgearbeitet werden, dass eine Besonderheit dieser Norm darin besteht, dass deren Sinn und Zweck in der Praxis wohl häufig nur dann hinreichend Rechnung getragen werden kann, wenn der Begriff der Verbreitung hier untechnisch verstanden wird und gerade auch konspirative Personenmehrheiten/Adressatengruppen einbezogen werden, welche unterhalb der zahlenmäßigen Unüberschaubarkeit liegen und daher nicht unter den Begriff der „Öffentlichkeit“ subsumiert werden können. Genau genommen wird, da die Norm vor allem der Terrorismusbekämpfung dienen soll, ein Anwendungsschwerpunkt auf nicht öffentlichen bzw. konspirativen Kreisen/Gruppen liegen, in denen die betreffenden Anleitungen zur Begehung schwerer staatsgefährdender Gewalttaten zugänglich gemacht werden. Strafbar nach § 91 I Nr. 1 StGB macht sich demnach also auch derjenige, der eine entsprechend geeignete Anleitung beispielsweise in einem geschlossenen Forum oder Chat einer bereits radikalisierten, jedoch noch überschaubar großen Personengruppe zugänglich macht und sich dabei der besonderen Gefahr bewusst ist, die einem solchen gezielten Zugänglichmachen innewohnt22. Mittels des dritten der vorab dargestellten und analysierten Beispielsfälle konnte schließlich festgestellt werden, dass – bei aller berechtigten Kritik an der sehr weitgehenden Strafbarkeitsvorverlagerung – jedenfalls § 91 I Nr. 1 StGB dennoch ein eigener und im Hinblick auf die Kommunikation im Internet auch praxisrelevanter Anwendungsbereich zukommen kann23. – Für § 52 I Nr. 4 WaffG bietet das Internet vielfältige Begehungsmöglichkeiten, da für das hier gegenständliche Anleiten (Alt. 1) und Auffordern (Alt. 2) zur Herstellung von Molotow-Cocktails und sonstiger unkonventioneller Spreng- und Brandvorrichtungen – mangels Öffentlichkeitserfordernis – nicht
22 23
Vgl. zu § 91 StGB insgesamt oben C.V.2.h). Vgl. dazu die Besprechung des Beispielsfalls oben D.III.
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E. Abschließende Betrachtung und Ausblick
nur öffentliche bzw. frei zugängliche, sondern auch nicht öffentliche Kommunikationsmittel in Betracht kommen. Von Interesse im Hinblick auf das Internet zeigt sich – aufgrund seiner subtilen Erscheinungsart und meist relativ einfachen Realisierbarkeit – vor allem der Fall, in dem für ein entsprechendes Anleiten (§ 52 I Nr. 4 Alt. 1 WaffG) eine fremde neutrale Schrift verwendet wird (z. B. das Kopieren und anschließende Posten einer neutralen Sprengstoffherstellungsanleitung in einem Forum)24. Einerseits bedarf es hierbei keiner nennenswerten Vorbereitung bzw. geistigen Eigenleistung i. S. d. Erstellens der Anleitung. Andererseits kann durch das gezielte Bereitstellen der betreffenden Anleitung auf einer einschlägig inhaltlich ausgerichteten Website sehr effektiv ein entsprechend geneigtes Publikum angesprochen werden. Voraussetzung bei der Verwendung einer fremden Anleitung ist jedoch stets, dass der Täter sich diese erkennbar zu eigen macht, sie also praktisch für seine Zwecke instrumentalisiert. Ob ein solches Zueigenmachen zu bejahen ist, wird dabei regelmäßig anhand der Einzelfallumstände bewertet werden müssen. Im Hinblick auf eine Begehung in Kommunikationsmitteln des Internets bedeutet dies, dass es, sofern die Identifikation mit der fremden Anleitung nicht ausdrücklich erklärt wird, auf die Art bzw. den Kontext der Darstellung/Präsentation ankommen wird. Beispielsweise reicht das bloße unkommentierte Weiterleiten einer E-Mail mit anleitungsrelevantem Inhalt nicht, während das Posten einer Sprengstoffherstellungsanleitung in einem Forum verbunden mit einem entsprechenden, die Realisierung der Anleitung befürwortenden Kommentar den Tatbestand erfüllen kann. Darüber hinaus dürfte es für die Verwirklichung von § 52 I Nr. 4 Alt. 1 WaffG bereits ausreichen, dass die fremde, neutrale, jedoch gleichermaßen taugliche Anleitung kommentarlos in einem Forum oder auf einer Website gepostet wird, wenn selbige damit in einen Kontext (z. B. klar erkennbare Demokratiefeindlichkeit und Gewaltpropagierung auf einer rechtsextremistischen Website) eingebettet wird, aus dem sich ein erkennbares Hinwirken des Bereitstellers auf die Realisierung der Anleitung ergibt. Neben der Untersuchung der relevanten Tatbestände im Einzelnen waren zudem auch die Fragen zu erörtern, denen eine tatbestandsübergreifende und damit zugleich zentrale Bedeutung im System des Veranlassens anderer zur Begehung eigener Straftaten in Form des Verabredens, Aufforderns und Anleitens zukommt. Hierbei handelt es sich regelmäßig um solche Aspekte, die in identischer oder ähnlicher Form für mehrere der vorliegend interessierenden strafbaren Handlungen relevant werden und die daher z. T. auch als Instrument zur Abgrenzung einzelner Strafbarkeitsformen dienen. Es war zunächst eine grundsätzliche Erörterung erforderlich25, um in einem nächsten Schritt die hierbei gewonnenen Erkenntnisse auf konkrete internetrelevante Sachverhalte anzuwenden und an24 25
Vgl. zur Verwendung einer eigenen Anleitung den Beispielsfall oben D.III. Vgl. dazu ausführlich oben C.V.3.
E. Abschließende Betrachtung und Ausblick
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hand dieser zu überprüfen26. Von diesen Erkenntnissen sollen die bedeutendsten im Folgenden kurz zusammenfassend dargestellt werden: – Das gewichtigste Abgrenzungskriterium zwischen der Anstiftung und der öffentlichen Aufforderung ist das der Bestimmtheit/Unbestimmtheit der Adressaten27. Für einen unbestimmten Adressatenkreis – d.h. eine Öffentlichkeit, wie sie für § 111 StGB Voraussetzung ist – bedarf es grundsätzlich sowohl einer zahlenmäßigen Unüberschaubarkeit als auch einer individuellen Unbestimmtheit. Liegt bereits einer dieser beiden Parameter nicht vor, scheidet eine öffentliche Aufforderung aus und es kann eine Anstiftung bzw. versuchte Anstiftung in Betracht kommen. Aufgrund der umfassenden technischen Möglichkeiten des Internets und der vielgestaltigen Nutzungsarten, welche die dortigen Kommunikationsmittel bieten, wird eine genaue Aussage über die Beschaffenheit des Adressatenkreises in den allermeisten internetbezogenen Sachverhalten meist nur sinnvoll anhand einer Betrachtung des konkreten Einzelfalls erfolgen können, während ein statischer oder pauschalierender Ansatz hier oftmals keine sachgerechten Ergebnisse erbringen wird. So wäre es beispielsweise verfehlt, eine zahlenmäßige Unüberschaubarkeit des Adressatenkreises allein deshalb abzulehnen, weil dem Täter, der in einem frei zugänglichen Webchat eine i. S. v. § 111 StGB strafbare Aufforderung abgibt und dabei durch den Anbieter des Chats angezeigt bekommt, dass dort außer ihm aktuell exakt noch 185 weitere Nutzer aktiv sind. Zwar ist dem Täter damit der objektive zahlenmäßige Umfang der Adressaten (alle zur gleichen Zeit aktiven Teilnehmer des Chats) hier bekannt, gleichwohl wäre es kaum vertretbar, hier allein schon aufgrund bloßer Zahlenkenntnis von einem bestimmten Adressatenkreis auszugehen28 und § 111 StGB im Ergebnis abzulehnen. Des Weiteren konnte herausgearbeitet werden, dass die beiden Parameter der zahlenmäßigen Unüberschaubarkeit und der individuellen Unbestimmtheit keineswegs isoliert nebeneinander, sondern vielmehr in einer wechselseitigen Beziehung zueinander stehen29. Die einer solchen Wechselwirkung innewohnende Dynamik spricht wiederum dafür, die Feststellung der Bestimmtheit/Unbestimmtheit des Adressatenkreises stets anhand einer konkreten Einzelfallbetrachtung vorzunehmen. So erscheint es ebenfalls als ein zu statischer Ansatz, wenn man beispielsweise einen Adressatenkreis von mehreren hundert Personen allein aufgrund eines einzigen individualisierenden Merkmals (z. B. einer bestimmten politischen Ansicht) für hinreichend bestimmt hielte. Zutreffend ist daher darauf abzustellen, ob in dem Fall, in dem einer der beiden Parameter nur vage bzw. nicht eindeutig vorliegt, dieses Defizit durch das hinreichend ausgeprägte 26 27 28 29
Vgl. dazu umfassend oben D. Vgl. hierzu insgesamt oben C.V.3.b). Vgl. auch oben C.IV.3. Vgl. dazu oben C.V.3.b)cc)(1).
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E. Abschließende Betrachtung und Ausblick
Vorliegen des jeweils anderen Parameters kompensiert werden kann. Konkret bedeutet dies, dass die Anforderungen an die Annahme einer individuellen Bestimmbarkeit umso höher sein müssen, je größer der zahlenmäßig unüberschaubare Personenkreis ist. Wird hingegen ein bereits per se zahlenmäßig überschaubarer Personenkreis angesprochen, so wird es auf das Vorliegen zusätzlicher individualisierender Merkmale nicht mehr entscheidend ankommen können. – Die tateinheitliche Verwirklichung von Anstiftung und öffentlicher Aufforderung ist nicht nur dann möglich, wenn mittels ein und derselben Äußerungshandlung zugleich einerseits bestimmte Adressaten individuell sowie andererseits auch unüberschaubar viele und individuell unbestimmte Personen direkt aufgefordert werden. Die Verwirklichung einer öffentlichen Aufforderung und damit auch eine Tateinheit mit einer Anstiftung kommt darüber hinaus auch schon dann in Betracht, wenn lediglich bestimmte Personen individuell angesprochen werden (Situation der Anstiftung), die Aufforderung dabei aber gleichzeitig auch jedermann frei zugänglich ist, weil sie öffentlich erfolgt. Ein solcher Fall kann auch als „Anstiftung in den Handlungsformen des § 111 StGB“ bezeichnet werden30. Auch ist es hinsichtlich der Verwirklichung einer Straftat nach § 111 StGB nicht erforderlich, die diesbezüglich vorausgesetzte Öffentlichkeit mit ein und derselben Aufforderung anzusprechen. Vielmehr kann ein zahlenmäßig unüberschaubarer und individuell unbestimmter Personenkreis auch durch vielfache sukzessive Einzelansprachen zustandekommen. Jedoch setzt dies wiederum voraus, dass der Täter des § 111 StGB seine vielfachen Aufforderungen praktisch unter den Voraussetzungen einer natürlichen Handlungseinheit entäußert31. Schließlich erweist es sich als möglich, im Verhältnis von Anstiftung und öffentlicher Aufforderung zu Straftaten eine echte Wahlfeststellung durchzuführen, wenn im Nachhinein nicht mehr festgestellt werden kann, ob die Aufforderung öffentlich oder individuell erfolgte32. – Weiterhin ist es vorstellbar, dass der Täter einem Irrtum über das Merkmal der Öffentlichkeit unterliegt, so dass die betreffende Äußerung hier entweder in der irrigen Annahme des Vorliegens oder aber in der irrigen Annahme des Fehlens der Öffentlichkeit erfolgen kann. Da das Merkmal der Öffentlichkeit stets für einen zahlenmäßig unüberschaubaren und individuell unbestimmten Personenkreis steht und selbiges damit relevant ist für die Abgrenzung von Anstiftung und öffentlicher Aufforderung, ist nicht nur zu fragen, ob trotz des Irrtums dennoch eine Strafbarkeit im Hinblick auf die gewollte Tat vorliegt, sondern auch, ob darüber hinaus eine Strafbarkeit gemäß des jeweiligen Kom-
30 31 32
Vgl. dazu oben C.V.3.b)cc)(3) sowie ferner auch schon C.V.2.f)bb). Vgl. dazu oben C.V.3.b)cc)(2). Vgl. dazu C.V.3.b)cc)(4).
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plementärtatbestands in Betracht kommen kann. Diesbezüglich konnte einerseits festgestellt werden, dass eine Strafbarkeit nach § 111 StGB in beiden Fällen des Irrtums über die Öffentlichkeit nicht in Betracht kommt. Spricht derjenige Täter, der meint, sich allein an Individualpersonen zu richten, tatsächlich die Öffentlichkeit an, so unterliegt er bezüglich § 111 StGB einem vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum gemäß § 16 I 1 StGB, was im Ergebnis einer diesbezüglichen Strafbarkeit entgegensteht. Eine Verneinung des § 111 StGB ergibt sich aber auch dann, wenn der sich vermeintlich öffentlich äußernde Täter tatsächlich nur einen zahlenmäßig überschaubaren bzw. hinreichend individualisierbaren Adressatenkreis anspricht, denn in diesem Fall stellt sich die gewollte öffentliche Aufforderung nur als untauglicher Versuch dar, welcher mangels gesetzlicher Regelung (Vergehen i. S. v. § 12 II StGB!) wiederum nicht strafbar ist. Im Hinblick auf eine Anstifterstrafbarkeit kommt es in der ersten Konstellation (gewollte Anstiftung) darauf an, ob die tatsächlich in den Blick genommenen Adressaten auch objektiv erkennbar als solche angesprochen wurden. Ist dies nicht der Fall, so kann allenfalls noch ein untauglicher Versuch einer Anstiftung in Betracht kommen, wobei dieser gemäß § 30 I StGB nur dann strafbar ist, wenn die Haupttat in einem Verbrechen bestehen sollte. In der zweiten – umgekehrten – Irrtumskonstellation (gewollte öffentliche Aufforderung) kommt es für die Annahme einer Anstiftung bzw. versuchten Anstiftung entscheidend darauf an, ob deren Tatbestandsvoraussetzungen vollständig vorgelegen haben, was insbesondere die erforderliche Konkretisierung der Haupttat (objektiv) und den Anstiftervorsatz (subjektiv) betrifft. Nur wenn der vermeintliche Täter des § 111 StGB zugleich bzw. parallel zu der gewollten öffentlichen Aufforderung also auch eine Anstiftung realisieren wollte, wird dessen Anstifterstrafbarkeit hier bejaht werden können33. – Da der sich gemäß § 30 II Alt. 1 StGB zur Begehung eines Verbrechens Erbietende (initiative Bereitschaftserklärung) regelmäßig selbst als Täter der in Aussicht genommenen Tat feststeht, lässt sich die Frage nach der hinreichenden Konkretisierung des/der Adressaten hier dahingehend stellen, ob allein die Entäußerung des Angebot gegenüber einem zahlenmäßig überschaubaren oder individuell bestimmten Personenkreis zur Strafbarkeit führen kann oder ob es nicht vielmehr bereits ausreichen muss, dass das Angebot gegenüber der Öffentlichkeit abgegeben wird. Diesbezüglich konnte dargelegt werden, dass im Ergebnis die besseren Gründe dafür sprechen, bereits ein öffentlich erklärtes Angebot für die Verwirklichung des § 30 II Alt. 1 StGB ausreichen zu lassen34. Die initiative Bereitschaftserklärung lässt sich daher nicht nur in Individualkommunikationsmitteln des Internets, sondern auch mittels jedermann frei zugänglicher Angebote realisieren. 33 34
Vgl. hierzu insgesamt auch oben C.V.3.b)cc)(5). Vgl. dazu auch die ausführliche Diskussion oben C.V.3.b)dd).
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– Das Stichwort der „Ernstlichkeit“ findet insbesondere im Rahmen der Vorfeldhandlungen des § 30 StGB und der öffentlichen Aufforderung gemäß § 111 StGB Beachtung. Bezeichnet wird damit praktisch eine Ausprägung des Vorsatzes, welche speziell bei § 30 II Alt. 1 (Bereitschaftserklärung) und Alt. 3 StGB (Verbrechensverabredung) in dem Willen zum Ausdruck kommen kann, sich selbst bereits mit der Äußerung der Zusage derart auf die Verbrechensbegehung festzulegen, dass bei einer späteren Abstandnahme von der avisierten Tat praktisch ein Rechtfertigungsdruck gegenüber dem anderen entstünde, weil dieser seinerseits auf Erfüllung insistieren könnte. Probleme hinsichtlich der Annahme eines solchen Bindungswillens können sich demnach dann ergeben, wenn die Bereitschaftserklärung (§ 30 II Alt. 1 StGB) bzw. die Zusage der zukünftigen mittäterschaftlichen Tatbegehung (§ 30 II Alt. 3 StGB) unter Aufrechterhaltung einer vollständigen und unauflösbaren Anonymität erfolgt35. Gibt sich nämlich derjenige, der die alleinige oder mittäterschaftliche Verbrechensbegehung zusagt, seinem Gegenüber nicht so zu erkennen, dass dieser wiederum die Möglichkeit einer erneuten Kontaktaufnahme und nötigenfalls Einforderung des Zugesagten hat, wird hier kaum ein Rechtfertigungsdruck entstehen können, welcher seinerseits wiederum ein hinreichendes Bindungs- bzw. Pflichtgefühl auszulösen geeignet wäre. Es konnte diesbezüglich herausgearbeitet werden, dass sich die beschriebene Problemkonstellation vor allem im Hinblick auf den Bereich der Kommunikation im Internet von spezifischer Relevanz zeigt, denn hier bestehen oftmals sehr weitgehende Möglichkeiten der Anonymitätswahrung (z. B. Nutzung von Nicknames und Kommunikationsplattformen ohne jeglichen personalisierten Bezug zum Gesprächspartner)36. Ebenso ist der Aspekt zu berücksichtigen, dass unter dem Schutz einer solchen Anonymität in entsprechenden Internetkommunikationsmitteln in der Regel eine geringere Hemmschwelle bestehen wird, Äußerungen zu tätigen bzw. Kommunikationen durchzuführen, welche aufgrund ihrer moralischen und/oder rechtlichen Verwerflichkeit (z. B. Verbrechensverabredung) in der realen Welt eindeutig zu Konsequenzen bzw. einer Sanktionsandrohung für den Urheber führen würden. So ist es eine sehr nahe liegende Schlussfolgerung, dass die Aufrechterhaltung einer weitestgehenden Anonymität eine Strafverfolgung, mangels Enttarnbarkeit des Täters, durchaus um einiges erschweren oder z. T. sogar unmöglich machen kann. Daher wird also ein besonderes Augenmerk auf die Feststellung bzw. Prüfung des Vorsatzes gerichtet werden müssen, wenn Bereitschaftserklärungen oder Verbrechensverabredungen unter vollständiger und untereinander unauflösbarer Anonymität in Internetkommunikationsmitteln stattfinden, denn diese könnten ebenso auch ungefährliche und damit nicht strafwürdige Bekundungen reiner Fantasien darstellen. 35 Vgl. in diesem Zusammenhang auch die umfassende Besprechung des Beispielsfalls oben D.IV. 36 Vgl. hierzu oben C.V.2.c)aa), C.V.2.e)aa) und C.V.3.c)dd).
E. Abschließende Betrachtung und Ausblick
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Die Untersuchung hat gezeigt, dass neue internetbezogene Erscheinungsformen strafrechtlich relevanter Kommunikationshandlungen auch mit dem de lege lata zur Verfügung stehenden Normeninstrumentarium umfänglich erfasst werden können. Bezüglich der sich teilweise dennoch offenbarenden Strafbarkeitslücken scheint es möglich und ausreichend, diese durch einfache punktuelle Gesetzesänderungen zu schließen, während sich die Schaffung eines eigenen, speziell auf das Internet zugeschnittenen Regelungswerks im Hinblick auf die hier erörterte Problematik des Verabredens, Aufforderns und Anleitens zur Begehung von Straftaten nicht als erforderlich erweist. Jedoch wird es Voraussetzung für eine zutreffende Anwendung der bestehenden Normen auf die neuen Erscheinungsformen im Internet sein, die charakteristischen Merkmale des jeweiligen Mittels sowie die konkreten Umstände der erfolgten Kommunikation genau zu berücksichtigen, was wiederum zumindest ein Grundverständnis von deren Funktionsweise37 sowie der des Internets38 insgesamt erfordern wird. Selbstredend bedarf es natürlich ebenso einer exakten Kenntnis und Anwendung der Merkmale der in Betracht kommenden Straftatbestände39 sowie des Umgangs mit den betreffenden tatbestandsübergreifenden Problemen40. Gleichwohl ist zu vermuten, dass es selbst dann eine Herausforderung bleiben wird, mit den rasanten Entwicklungen im Bereich der Kommunikationstechnologie Schritt zu halten und konkrete internetbezogene Sachverhalte (immer wieder neu) richtig zu erkennen und strafrechtlich zu beurteilen.
37 38 39 40
Vgl. dazu oben B.II. Vgl. dazu oben B.I.2. Vgl. dazu oben C.V.2. Vgl. dazu oben C.V.3.
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Sachwortverzeichnis Account 34, 35, 38, 40, 48, 50, 53, 96, 149 f., 152, 154, 178, 217 Administrator 35, 37, 39, 50, 67, 149, 151, 166 f., 171 f., 178, 207, 212, 314, 386 Adressatenkreis siehe Personenkreis Anleitung zu Straftaten 81 f., 109, 117, 230 ff., 258 f., 297, 301, 373 f., 383 f., 395 ff., 402, 424 f. Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat 21 f., 117, 245 ff., 297, 301 f., 373 f., 383 f., 398 ff., 421 f., 425 – Anwendungsbereich 21 f., 245 f., 250 ff., 301 f., 405 ff., 425 – Eignungsklausel 245 ff., 402, 404 f. – schwere staatsgefährdende Gewalttat 247 f., 398 ff., 406, 425 – Staatsschutzklausel 247, 400 – Umstände der Verbreitung 246 ff., 301, 401 ff., 425 Anleitung zur Herstellung verbotener Waffen 21, 81 f., 117, 254 ff., 297, 303, 355, 364 ff., 370, 373 f., 383 f., 397 f., 405, 425 f. Anleitungsbegriff 81 f., 234 f., 240, 242, 254, 255 ff., 374, 406 Anleitungsschrift 232, 233 f., 235 ff., 248, 301, 395, 401 – neutrale 82, 235 ff., 246, 248 f., 251, 259 f., 301, 366, 374, 398 f., 404, 406, 426 – Tendenz 81 f., 236 ff., 246, 255, 257, 261, 396, 424 Annahme eines Sich-Erbietens zur Begehung eines Verbrechens 77, 128 f., 139, 165, 170, 172 ff., 192 f., 302, 350 f., 359 f., 362, 368, 411, 417 f.
Anonymität 22, 30, 41, 49, 138, 145, 148, 158 f., 160, 175, 184 ff., 233, 358 f., 360, 363, 383, 409, 410 ff., 421, 430 Anstiftung 117, 118 ff. – Abgrenzung von der Beihilfe 124, 127 f., 132 ff., 269 f. – Abgrenzung von der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten 136, 201 ff., 215, 284, 297 ff., 303 ff., 309 ff., 321 ff., 331 f., 354, 377, 420, 427 – Bestimmen 73 f., 76, 118 f., 119 ff., 135 f., 148, 198 f., 207, 215, 263 ff., 304 ff., 322, 329, 337, 345, 346, 356, 375 ff., 378, 391 f., 422 f. – in den Handlungsformen des § 111 StGB 199 f., 324 ff., 343, 428 – Konkurrenz zur öffentlichen Aufforderung zu Straftaten 324 ff., 339 f., 346, 428 – Verhältnis zur öffentlichen Aufforderung zu Straftaten 199 ff., 299, 304, 309, 324 ff., 333 f. Attachment 33 f., 225 Auffangtatbestand 194, 309, 334 Aufforderung zur Herstellung verbotener Waffen siehe Anleitung zur Herstellung verbotener Waffen Bandenchef 125, 238 Beihilfe 43, 74 f., 106, 110, 124, 126, 127 f., 132 ff., 165, 173 f., 270, 416 Beleidigung 79 f., 103 ff., 110, 330 Bereitschaftserklärung zur Begehung eines Verbrechens 157 ff., 191, 411, 430 – historischer Hintergrund 139, 162, 349 – initiative 77, 160, 162 ff., 168 ff., 173, 263 f., 270 ff., 296, 302, 348 ff., 352, 355, 357 ff., 368, 429
Sachwortverzeichnis – reaktive 160 ff., 168 ff., 302, 355, 357 ff., 368 – Scheinangebot 175 ff., 352 Bereitstellen 40 f., 45, 46, 59, 99, 230, 240 f., 372 f., 382, 389, 403, 405, 423 f., 426 Bindungswille 158 f., 168 ff., 175, 186, 189 ff., 353, 358, 360 ff., 368, 408 ff., 430 Bindungswirkung 158, 161, 171, 180 ff., 264, 276, 368, 414, 416 Blog siehe Weblog Chat 19, 22, 32, 38 ff., 44, 54 ff., 65 f., 67, 185 f., 216 f., 279 f., 315, 407 ff., 421, 423 – geschlossener 39, 55, 64, 94, 118, 162, 212 f., 218, 221, 300, 313, 385, 387, 423, 425 – offener 39, 55, 118, 160, 183 f., 195, 324 f., 330, 353, 427 Chatgespräch 22, 39, 64, 183 f., 185 ff., 212, 221 f., 279 f., 324 f., 363, 407 ff., 421 Computerkriminalität 111, 112 ff. Dateiübertragung 39, 40 ff., 64, 67, 91, 225, 227, 234, 241 Datenspeicher 86 f., 90 ff., 223, 229, 234, 237 ff., 382, 425 Deliktsnatur – Anleitung oder Aufforderung zur Herstellung verbotener Waffen 255 ff. – Anleitung zu Straftaten 82, 230 f. – Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat 245, 249 f., 253, 301 – öffentliche Aufforderung zu Straftaten 194, 282 f., 286, 369 – Versuch der Beteiligung 140 f. Diensteanbieter 49 f., 95 ff., 106 ff., 111 Direkte Wahrnehmbarkeit siehe Unmittelbare Wahrnehmbarkeit Download 42, 57, 63, 92, 94, 130, 225, 226, 230, 233, 234, 255, 260, 382, 424
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Echtzeit 58, 87 f. Echtzeitkommunikation siehe Kommunikation, synchrone E-Mail 33 ff., 36, 44, 48, 64, 66, 67, 90 f., 101, 118, 121, 149 ff., 158 ff., 162, 166 ff., 178 f., 225 f., 252 f., 313 Empfängerkreis siehe Personenkreis Ernstlichkeit 137 f., 355 ff., 430 – Anleitung oder Aufforderung zur Herstellung verbotener Waffen 364 ff. – Annahme eines Sich-Erbietens zur Begehung eines Verbrechens 174, 175, 359 f., 411 – Anstiftung 137 f., 356 f. – äußere 197 f., 364, 365 f. – Bereitschaftserklärung zur Begehung eines Verbrechens 157 ff., 164, 351, 353, 357 ff., 411, 430 – innere 147, 157 f., 357, 358 f., 361, 365 f., 411 – öffentliche Aufforderung zu Straftaten 197 f., 203 f., 363 f., 380 ff., 387 f., 430 – Verabredung zur Begehung eines Verbrechens 184 ff., 188 ff., 360 ff., 408 f., 411 ff., 421, 430 – versuchte Anstiftung zu einem Verbrechen 144 ff., 356 f., 411 Gemeinsamer Tatentschluss 70, 72 f., 77, 126, 134, 184, 187, 306, 360 f., 362 Gemeinsamer Tatplan 70, 72, 99, 181 f., 188, 273, 302, 416 Hyperlink 47, 96 f., 106 ff., 130 f., 221, 233 Identität 34, 40, 48, 49, 54 f., 61 f., 64, 148, 159 f., 175, 184 ff., 274 f., 276, 279, 352, 358, 363, 409 ff. Individualisierung des Opfers 161, 266, 274 ff., 284 Individualisierungsmerkmal 201 f., 266, 317 ff., 354, 384, 401 Internetkriminalität 111, 112 ff.
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Sachwortverzeichnis
Interpersonaler Kommunikationsbegriff 69 ff., 130, 422 IP-Adresse 30 f., 40, 49 Irrtum 138 f., 177, 340 ff., 420, 428 f. – über das Vorliegen der Öffentlichkeit 345 ff., 428 f. – über das Vorliegen eines individuellen Adressatenkreises 341 ff., 428 f. Katalogtat 234 ff., 245 f., 250, 258 f., 287, 297, 396 f. Kettenanstiftung 119, 142, 163, 169, 173 f., 263, 272, 349 f. Kollusives Zusammenwirken 99, 101 f., 110, 119, 121, 123 f., 134, 423 Kommunikation – asynchrone 48, 65 f., 387 – direkte 38, 71, 90, 199 f., 299, 325 f. – individuelle 64, 68, 245, 262, 296, 299 f., 330, 353 – multidirektionale 36, 56 f., 64 – nonverbale 69 f., 74 f. – synchrone 38 f., 54, 57, 65 f., 217, 315, 385 f., 387, 423 – unidirektionale 36, 57, 64 Konkretisierung der Tat 262, 263 ff., 296 f. – Anleitung oder Aufforderung zur Herstellung verbotener Waffen 254 f., 297 – Anleitung zu Straftaten 232, 297 – Anleitung zur Begehung schwerer staatsgefährdender Gewalttaten 247, 297, 405 – Annahme eines Sich-Erbietens zur Begehung eines Verbrechens 173 – Anstiftung 134 ff., 263 ff., 296 f., 375 f., 391 f. – Bereitschaftserklärung zur Begehung eines Verbrechens 161, 164, 263 ff., 296, 352, 358 – öffentliche Aufforderung zu Straftaten 198, 200, 281 ff., 297, 335, 380, 392 f. – Verabredung zur Begehung eines Verbrechens 184, 187 f., 273 ff., 408, 409 f.
Konkretisierung des Täters 262, 297 ff., 354 f. – Anleitung oder Aufforderung zur Herstellung verbotener Waffen 255, 303, 355 – Anleitung zu Straftaten 301 – Anleitung zur Begehung schwerer staatsgefährdender Gewalttaten 248 ff., 301 f. – Annahme eines Sich-Erbietens zur Begehung eines Verbrechens 173, 302, 355 – Anstiftung 134 ff., 301, 303 ff., 336, 342 f., 354, 377 – Bereitschaftserklärung zur Begehung eines Verbrechens 161, 302, 348 ff., 355, 429 – öffentliche Aufforderung zu Straftaten 198 f., 201 ff., 301, 303 ff., 316 ff., 321 ff., 324 ff., 335 – Verabredung zur Begehung eines Verbrechens 183, 302 f., 355 Live-Stream siehe Streaming Mailbox 256 Mailingliste 35 f., 37 f., 66, 118, 160, 162, 166, 195, 212, 217, 225 f., 313, 419 Meinungsäußerungsfreiheit 197, 289, 380 f. Mikroblog siehe Weblog Mittäterschaft 70, 72 f., 77, 99, 110, 125 f., 127, 133, 179 ff., 187 f., 189 ff., 273, 360 f., 408 ff. Mittelbare Täterschaft 71 f., 125, 126 f. Moderator siehe Administrator Molotow-Cocktail siehe Spreng- und Brandvorrichtung Natürliche Handlungseinheit 252 f., 322 f., 428 Nickname 40, 49, 55, 145, 159, 171, 184 f., 211, 221, 325, 330, 338, 352, 358, 360, 363, 388, 407, 409 f., 412, 415, 430
Sachwortverzeichnis Nutzungsberechtigung siehe Zugangsberechtigung Öffentliche Aufforderung zu Straftaten – Abgrenzung von der Anstiftung siehe Anstiftung, Abgrenzung von der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten – erfolglose 195, 196, 200, 205 ff., 281, 285 f., 322 f., 329, 339 f., 343, 347, 378 ff., 388, 392 ff. – Idealkonkurrenz zur Anstiftung siehe Anstiftung, Idealkonkurrenz zur öffentlichen Aufforderung zu Straftaten – Individualisierungsmerkmal 201 f., 317 ff., 354 – sukzessives Herbeiführen der Öffentlichkeit 314, 321 ff., 428 – Unmittelbarkeit 210 f., 224 f., 227, 230, 288 f., 291 ff., 382 – Unmutsäußerung 198, 288 f., 295, 363, 381, 387 f. – untauglicher Versuch 345 ff., 429 – Verhältnis zur Anstiftung siehe Anstiftung, Verhältnis zur öffentlichen Aufforderung zu Straftaten – Versammlungsbegriff 202, 208, 213 ff., 224, 315, 319 f., 385 ff., 421, 423 – Vorbehalt 203, 291 ff. Öffentlichkeitkeitsbegriff 90, 93, 172, 199, 210 ff., 214, 250 ff., 298 f., 300 ff., 313 ff., 316 ff., 321 ff., 342, 384 ff., 393, 401, 419, 425, 427, 428 f. Online-Community 20, 45, 49, 53, 59 ff. Online-Netzwerk siehe Soziales Netzwerk Passwort 34, 41, 44, 48, 49, 53, 55, 58, 61 f., 85 Peer-to-Peer 42 f., 87, 101 Personenkreis 63, 96, 248 ff., 255, 297 ff., 304 ff., 309 ff., 331, 354, 402 f., 406, 425, 427 – bestimmter 58, 63, 64, 162, 201 f., 310, 313, 331, 344, 353, 354, 429
443
– unbestimmter 90, 93 f., 118 f., 136, 145, 193 f., 199, 201 f., 207, 210 f., 214 f., 218, 223, 283, 287, 294, 301, 304, 305 ff., 313 ff., 316 ff., 330, 331 f., 342, 344, 345 ff., 350, 354, 377, 385 ff., 393, 419, 424, 427 f. – Unkontrollierbarkeit 63, 89 f., 93 f., 223, 294, 328, 369 Proaktive Prüfungspflicht siehe Providerhaftung, proaktive Prüfungspflicht Profilseite siehe Soziales Netzwerk Provider 29 ff., 48 f. Providerhaftung 24, 97 ff. – Access-Provider 101 f., 108 – Caching-/Proxy-Provider 102 – Content-Provider 98 f. – Host-Provider 100 f., 103 ff. – Privilegierung 99 ff., 107 – proaktive Prüfungspflicht 104 Pseudonym siehe Nickname Rechtfertigungsdruck siehe Strafgrund, Verbrechensverabredung Rechtsgut – Gemeinschaftsfrieden 194, 199, 201, 204 f., 208, 219 f., 231, 290, 295, 306, 308, 318, 326 ff., 335 ff. – höchstpersönliches 275, 280, 288, 290, 358, 360, 376 f., 383, 404, 414, 416 – innere und äußere Sicherheit des Staates 84, 247 f., 399 f., 404 – Integrität von Daten und Datenverarbeitungsanlagen 113 – öffentlicher Frieden 231, 327 – verfassungsmäßige Ordnung 84, 404 Registrierung 35, 37, 46, 48, 49, 52, 54 f., 58 f., 61 f., 66, 195, 217 f., 313 f., 352, 384, 388 Scheinangebot siehe Bereitschaftserklärung, Scheinangebot Scheinverabredung siehe Verabredung zur Begehung eines Verbrechens, Scheinverabredung
444
Sachwortverzeichnis
Scherzerklärung 147, 356 f. Schriftenbegriff 85 ff., 210, 223 f., 231, 234, 424 f. Schwere staatsgefährdende Gewalttat siehe Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, schwere staatsgefährdende Gewalttat Server 29 f., 34 f., 37 f., 39, 40 ff., 44, 46 f., 49, 54, 57, 59, 63, 67, 87, 90 ff., 96, 100, 102, 130, 152, 178, 225, 234 Share- und Filehosting 62 f. Sich-Erbieten siehe Bereitschaftserklärung zur Begehung eines Verbrechens, initiative Soziales Netzwerk 20, 24, 44 f., 59 ff., 189, 212, 313 f., 331 ff., 341 ff., 372 ff., 382 ff. – Gruppe 62, 212 f., 216 f., 314 f., 320, 385 ff., 423 – Profilseite 60 ff., 150, 154, 189, 210, 256, 331 ff., 341 ff., 372 ff., 384 Spreng- und Brandvorrichtung 81, 232 f., 245, 254 ff., 303, 355, 364 ff., 374, 388 ff., 425 f. Staatsschutzklausel siehe Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, Staatsschutzklausel Strafanwendungsrecht 24, 253 f. Strafbarkeitslücke 89, 114, 227 f., 230, 242, 244, 245, 326, 329, 351, 355, 386 f., 421, 431 Strafgrund – Annahme eines Sich-Erbietens 139 f., 168, 277, 411 – Bereitschaftserklärung zur Begehung eines Verbrechens 139 f., 158, 160 f., 167 f., 277, 350, 368 – öffentliche Aufforderung zu Straftaten 194 f., 201, 209, 213 f., 282, 335, 352 – Teilnahme 120, 121, 130, 132 – Verbrechensverabredung 139 f., 168, 180 ff., 277, 414, 416, 430 – Verbreiten 84 – versuchte Anstiftung 139 f., 146, 152, 156, 168, 277, 411
– Zugänglichmachen 403 Streaming 57 f., 88, 91, 225 Synchronizität siehe Kommunikation, synchrone Tatherrschaft – funktionale 180 f., 414 – psychische 350 Tauschbörse 42, 60, 85, 100 Terrorismus 22, 233, 245 f., 253, 406, 425 Unmittelbare Wahrnehmbarkeit 224 ff., 244, 255, 382 Upload siehe Bereitstellen Urheber 50, 58, 70, 79, 98, 103, 110, 124, 145, 158, 257, 366, 430 Urheberrecht 21, 24, 41 ff., 57, 115 f., 228 f. Usenet 36 ff., 39, 44, 49 f., 51, 66, 67, 87, 166 Verabredung zur Begehung eines Verbrechens 76 f., 129, 139 ff., 168, 179 ff., 273 ff., 296 f., 302, 355, 360 ff., 368 f., 430 – gegenseitige Identifikation der Verabredungsbeteiligten 22, 184 ff., 363, 407 ff., 421 – Scheinverabredung 188 ff., 362, 417 f. Verbreitungsbegriff – bei der Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat 248 ff., 406, 425 – internetspezifischer 91 f., 226 ff., 234, 421, 423 f. – strafrechtlicher 83 f., 88 f., 90, 223 – urheberrechtlicher 228 f. Verifizierung 22, 40, 48, 49, 54 f., 66, 211, 217 f., 352, 384 Versuchte Anstiftung zu einem Verbrechen 76, 117, 122 f., 129, 141 ff., 160, 162 f., 173 f., 176, 189 ff., 195, 198 ff., 230, 263 ff., 270 ff., 293 f., 298 f., 303 ff., 323, 324 ff., 339 f.,
Sachwortverzeichnis 343, 345, 346 f., 350, 356 f., 360, 362, 374 ff., 384, 391 f., 411, 417 f., 427, 429 – fehlgeschlagener Versuch 154, 285, 368 – unmittelbares Ansetzen 148 ff., 165 ff., 206 f., 367 f. – untauglicher Versuch 151, 154, 177 f., 344 Vorfeldstrafbarkeit 76, 85, 159, 232, 253, 270 ff., 278, 280, 430 Vorsatz – Anleitung oder Aufforderung zur Herstellung verbotener Waffen 366, 398 – Anleitung zu schweren staatsgefährdenden Gewalttaten 246 f., 402, 404 f. – Anleitung zu Straftaten 402 – Anstiftung 133, 134, 137 f., 144 ff., 207, 263, 266, 268, 269 f., 274, 329, 343 f., 346 ff., 356 f., 377, 429 – Beihilfe 74, 133, 269 f. – Bereitschaftserklärung zur Begehung eines Verbrechens 157 ff., 172, 175 f., 358 f. – öffentliche Aufforderung zu Straftaten 198, 203 ff., 287, 293, 322, 329, 342 ff., 364, 429 – Verabredung zur Begehung eines Verbrechens 22, 190, 411, 430 – Verbreitung 91 Wahlfeststellung bei Anstiftung und öffentlicher Aufforderung zu Straftaten 331 ff., 420, 428 – Urteilstenor 337, 340 – Vergleichbarkeit der Straftaten 332, 334 ff., 339 f. Web 2.0 45, 59 Webcast 57 ff., 60, 64, 67 Webforum 48 ff., 52, 59, 66, 67, 90, 115, 149, 159, 166, 217, 246, 250, 261, 426 – geschlossenes 94, 162, 211 f., 315, 385, 388 ff., 425
445
– öffentliches 23 f., 49 f., 160, 171, 204, 211 f., 230, 238, 240, 313, 325, 330, 338 f., 424 Webkonferenz 56 f., 64, 65, 67, 217, 315, 385 Weblog 19, 45, 51 f., 52 f., 57, 60, 66, 67, 121, 149 f., 162, 211, 217, 242 ff., 315, 330, 358, 360 Website 19, 43 ff., 45 ff., 48, 49 f., 51, 52 f., 54 f., 56, 57 ff., 62 f., 67, 91, 94, 96, 98, 100, 103, 105, 108 ff., 118, 130, 171, 195, 209, 211 f., 216, 225, 234, 237, 242 ff., 249 f., 260, 291 ff., 313 f., 324, 330, 338, 372 ff., 403, 426 Zueigenmachen 81 f., 98, 102 ff., 110, 255 ff., 366, 397, 426 Zugang der Erklärung 225, 350, 366 ff. – Anleitung oder Aufforderung zur Herstellung verbotener Waffen 370 – Annahme eines Sich-Erbietens zur Begehung eines Verbrechens 178 f., 368 – Bereitschaftserklärung zur Begehung eines Verbrechens 165 ff., 368 – öffentliche Aufforderung zu Straftaten 205 ff., 369, 370 – Verabredung zur Begehung eines Verbrechens 182 f., 368 f. – versuchte Anstiftung zu einem Verbrechen 149 ff., 206 f., 367 f. Zugänglichmachen 21 f., 58 f., 84 f., 89, 92 ff., 98 f., 101, 103, 105, 109, 223, 227 ff., 231, 233 f., 237, 241, 245 ff., 255 ff., 299 f., 301 f., 367, 373 f., 382, 394 f., 398, 401 ff., 423 f., 424, 425 Zugangsberechtigung 41, 49 f., 52, 55, 63, 150, 210 f., 218, 251, 313 f., 329 f., 341, 345, 389, 393, 395 Zugangsbeschränkung – Fehlen 41, 52, 325, 342, 374, 377, 384 f. – Wirkung 41, 211 f., 217 f., 314 f., 386 Zwischenspeicherung 34, 42, 86 ff., 91, 102, 223 f., 231