Offene Altenhilfe in Frankfurt am Main 1945 bis 1985 3515116591, 9783515116596

Kristina Lena Matron untersucht in dieser Studie die offene Altenhilfe von 1945 bis 1985 in der Bundesrepublik Deutschla

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German Pages 303 [306] Year 2017

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Inhalt
1. Einleitung
Forschungsstand
Quellenlage
Aufbau der Studie
2. Kommunale Altenhilfe in der Nachkriegszeit
2.1 Nachkriegsnot: Versorgung mit Wohnraum und Nahrung
2.2 Fürsorgegesetzgebung und Rentenversicherung
2.3 Frankfurt: Aufgaben der Abteilung Altersfürsorge
2.4 Altenwohnungen, Altenwohnheime und offene Altersfürsorge
2.5 Offene Räume für alte Menschen: Wärmestuben mit Essensausgabestellen
2.6 Gemeindekrankenpflege und Hauspflege
3. Offene Altenhilfe in den 1960er Jahren
3.1 Einleitung – Altersbilder und bundespolitische Entwicklungen
3.2 Kommunaler Altenplan und hessischer Sozialplan für Altenhilfe
3.3 Altenwohnungen
3.4 Altenklubs und Altentagesstätten
3.5 Altenwerkstätten
3.6 Erholungshilfe
3.7 Mahlzeitendienste – kein „Essen auf Rädern“ in Frankfurt
3.8 Ambulante Pflege
4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren
4.1 Einleitung – Altersbilder und Altenpolitik in den 1970er Jahren
4.2 Frankfurter Altenplan – Resümee und Weiterentwicklung
4.3 Altenwohnungen
4.4 Begegnungsstätten für alte Menschen
4.5 Seniorenbeiräte
4.6 Erholungsaufenthalte für ältere Menschen
4.7 Ambulante Pflege: Gemeindekrankenpflege, Hauspflege und hauswirtschaftliche Versorgung
5. Ausblick 1980–1985
5.1 Einleitung
5.2 Notrufsysteme
5.3 Selbstorganisation
5.4 Universität des dritten Lebensalters
5.5 Pflegebedürftigkeit und Versuch der Neuordnung der Pflege
6. Resümee
Abbildungen
Quellen und Literatur
Quellen
Bundesarchiv (BArch)
Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden (HHStAW)
Institut für Stadtgeschichte (ISG)
Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland (ZA)
Frankfurter Diakonissenhaus Archiv
Archiv des Caritasverbandes Frankfurt (ACVF)
Gedruckte Quellen und Literatur
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Offene Altenhilfe in Frankfurt am Main 1945 bis 1985
 3515116591, 9783515116596

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Offene Altenhilfe in Frankfurt am Main 1945 bis 1985 von Kristina Matron MedGG-Beiheft 65

Franz Steiner Verlag Stuttgart

Offene Altenhilfe in Frankfurt am Main 1945 bis 1985

Medizin, Gesellschaft und Geschichte Jahrbuch des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung herausgegeben von Robert Jütte Beiheft 65

Offene Altenhilfe in Frankfurt am Main 1945 bis 1985 von Kristina Matron

Franz Steiner Verlag Stuttgart 2017

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Robert Bosch Stiftung GmbH

Coverabbildung: Werken für ältere Bürger (Volkshochschule), 1972 Fotograf: Heiko Profe-Bracht, ISG V18/691:1

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2017 Druck: Laupp & Göbel GmbH, Nehren Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany ISBN 978-3-515-11659-6 (Print) ISBN 978-3-515-11664-0 (E-Book)

Inhalt 1. Einleitung .................................................................................................... Forschungsstand .......................................................................................... Quellenlage ................................................................................................. Aufbau der Studie ......................................................................................

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2. Kommunale Altenhilfe in der Nachkriegszeit ......................................... 2.1 Nachkriegsnot: Versorgung mit Wohnraum und Nahrung ............. 2.2 Fürsorgegesetzgebung und Rentenversicherung .............................. 2.3 Frankfurt: Aufgaben der Abteilung Altersfürsorge .......................... 2.4 Altenwohnungen, Altenwohnheime und offene Altersfürsorge ....... 2.5 Offene Räume für alte Menschen: Wärmestuben mit Essensausgabestellen ........................................................................... 2.6 Gemeindekrankenpflege und Hauspflege ......................................... 2.6.1 Gemeindekrankenpflege ........................................................... 2.6.2 Hauspflege .................................................................................. 2.6.2.1 Organisatorische und finanzielle Grundlagen der Hauspflege .............................................................. 2.6.2.2 Neue Zielgruppen der Hauspflege .............................

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3. Offene Altenhilfe in den 1960er Jahren .................................................. 3.1 Einleitung – Altersbilder und bundespolitische Entwicklungen ...... 3.2 Kommunaler Altenplan und hessischer Sozialplan für Altenhilfe ........................................................................................ 3.3 Altenwohnungen .................................................................................. 3.3.1 Einleitung ................................................................................... 3.3.2 Architektur ................................................................................. 3.3.3 Lage und Infrastruktur .............................................................. 3.3.4 Zielgruppen, Bewerber und Einzelschicksale ......................... 3.3.4.1 Pflegebedürftigkeit ........................................................ 3.3.5 Betreuung ................................................................................... 3.3.5.1 Organisation des Betreuungsdienstes ......................... 3.3.5.2 Konflikte zwischen Bewohnern, Betreuerinnen und Behörden ............................................................... 3.4 Altenklubs und Altentagesstätten ....................................................... 3.5 Altenwerkstätten .................................................................................. 3.6 Erholungshilfe ...................................................................................... 3.7 Mahlzeitendienste – kein „Essen auf Rädern“ in Frankfurt ............ 3.8 Ambulante Pflege ................................................................................ 3.8.1 Pflege im Bundessozialhilfegesetz ............................................ 3.8.2 Der Hauspflegeverein in Frankfurt am Main in den 1960er Jahren ............................................................................. 3.8.2.1 Altershilfsdienst in den 1960er Jahren .......................

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Inhalt

3.8.3 Gemeindekrankenpflege ........................................................... 115 3.8.4 Pflege Ende der 1960er Jahre ................................................... 120 4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren .................................................. 4.1 Einleitung – Altersbilder und Altenpolitik in den 1970er Jahren ... 4.2 Frankfurter Altenplan – Resümee und Weiterentwicklung ............. 4.3 Altenwohnungen .................................................................................. 4.3.1 Architektur und Infrastruktur – Planungen und Bewohnerwünsche ..................................................................... 4.3.2 Belegung von Altenwohnungen ............................................... 4.3.3 Organisation der Altenbetreuung in den Altenwohnanlagen ..................................................................... 4.3.4 Umfang der Betreuung – Anspruch und Wirklichkeit .......... 4.3.5 Konflikte zwischen Bewohnern, Betreuerinnen und Behörden .................................................................................... 4.3.6 Altenwohnungen Ende der 1970er Jahre ................................ 4.4 Begegnungsstätten für alte Menschen ............................................... 4.4.1 Altenklubs und Altentagesstätten ............................................. 4.4.2 Exkurs: halboffene Tagesheime – Tagespflegeheim Sozial- und Rehazentrum Marbachweg .................................. 4.4.3 Altenberatungsstätten ................................................................ 4.4.4 Altenwerkstätten ........................................................................ 4.5 Seniorenbeiräte .................................................................................... 4.6 Erholungsaufenthalte für ältere Menschen ....................................... 4.6.1 Tageserholungsfahrten .............................................................. 4.6.2 Erholungsaufenthalte ................................................................. 4.7 Ambulante Pflege: Gemeindekrankenpflege, Hauspflege und hauswirtschaftliche Versorgung .................................................. 4.7.1 Lebensrisiko Pflegefall – keine Finanzierung der Pflege ....... 4.7.2 Gemeindekrankenpflege im Umbruch ................................... 4.7.3 Hauspflegedienste ...................................................................... 4.7.4 Zivildienstleistende, „Essen auf Rädern“ und hauswirtschaftliche Dienste ......................................................

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5. Ausblick 1980–1985 ................................................................................... 5.1 Einleitung ............................................................................................. 5.2 Notrufsysteme ...................................................................................... 5.3 Selbstorganisation ................................................................................ 5.4 Universität des dritten Lebensalters ................................................... 5.5 Pflegebedürftigkeit und Versuch der Neuordnung der Pflege ........ 5.5.1 Diskussion einer Pflegeversicherung auf Bundesebene ......... 5.5.2 Ambulante Krankenpflege und mobile Dienste in Frankfurt – Versuch der Neuorganisation ............................... 5.5.3 Fazit – „Stationär vor ambulant“? ............................................

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Inhalt

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6. Resümee ...................................................................................................... 280 Abbildungen .................................................................................................... 288 Quellen und Literatur ..................................................................................... Quellen ........................................................................................................ Bundesarchiv (BArch) ................................................................................ Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden (HHStAW) ............................ Institut für Stadtgeschichte (ISG) .............................................................. Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland (ZA) ................................................................................... Frankfurter Diakonissenhaus Archiv ....................................................... Archiv des Caritasverbandes Frankfurt (ACVF) ..................................... Gedruckte Quellen und Literatur .............................................................

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1. Einleitung „Wacht auf, wacht auf, ihr dummen Alten!“1 In dieser Studie stehen die Angebote für alte Menschen jenseits der stationären Versorgung in Alten- und Pflegeheimen im Fokus. In der frühen Bundesrepublik war die Versorgung mit Heimplätzen und damit der Ausbau stationärer Angebote ein Schwerpunkt in der Fürsorge für alte Menschen. In den 1960er Jahren gewannen in der kommunalen und staatlichen Altenhilfeplanung2 offene Angebote an Bedeutung. In den 1970er Jahren schließlich geriet die stationäre Unterbringung massiv in die Kritik; das beeinflusste die Sicht auf häusliche Versorgung. In der vorliegenden Studie sollen nicht nur die Veränderungen in der Struktur pflegerischer Angebote im Zeitraum von 1945 bis 1985 untersucht werden, sondern auch hauswirtschaftliche, kulturelle, sportliche, freizeitorientierte und gesellschaftspolitische Angebote und Wohnformen speziell für alte Menschen, die nicht dem Typus Alten- oder Pflegeheim entsprachen. Dabei werden jeweils verschiedene Ebenen berücksichtigt: die politischen Debatten auf überregionaler und kommunaler Ebene, die planerische Ebene in der Verwaltung und im Zusammenspiel mit den Wohlfahrtsverbänden, die konkrete Ausgestaltung vor Ort sowie die Annahme der Angebote. Über die Notwendigkeit, die Programme und die Organisation der Altenhilfemaßnahmen sowie der häuslichen Pflege wurde in Parteiprogrammen, auf parlamentarischer, aber auch auf vorparlamentarischer Ebene in Ministerien und Verwaltungen entschieden.3 Die Planung und die Bereitstellung von Angeboten auf kommunaler Ebene hingen maßgeblich von den gesetzlichen Vorgaben ab, wie dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) von 1961. Dieser gesetzliche Rahmen und sein Zustandekommen sind daher in der Studie mit aufgenommen. Planung und konkrete Ausgestaltung von Hilfsangeboten für alte Menschen sind nur auf kommunaler Ebene zu erfassen. Die Kommunen (die 1

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Aufschrift auf einem Plakat, das sich eine ältere Demonstrantin umgebunden hatte, siehe Foto in: ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S  3/P  17644, Presseausschnitt: In Frankfurt zeigten die „Grauen Panther“ ihre Krallen: Demonstration in Bockenheim. Weg von Muff und Muttchen. Generationen annähern, in: Frankfurter Rundschau (im Folgenden: FR), 20. Mai 1983. „Altenhilfe“ ist ein Begriff aus dem Bundessozialhilfegesetz von 1961; vorher wurden meist die Begriffe „Altersfürsorge“ oder „Altenfürsorge“ verwendet, falls es im Bereich der Versorgung alter Menschen außerhalb stationärer Einrichtungen überhaupt zu einer Benennung kam. Einen Überblick über all die Bereiche, die zeitgenössisch unter „Altenhilfe“ subsumiert wurden, bieten die Nomenklaturen von Einrichtungen der Altenhilfe des „Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge“ (im Folgenden abgekürzt als „Deutscher Verein“), die im Jahr 1970 zum ersten Mal erschienen und zunächst nur wenige Unterbegriffe umfassten, 1979 jedoch schon sehr viel umfangreicher waren: o. V. (1970); Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge (1979). Vgl. zum Einfluss der Wohlfahrtsverbände auf die Gesetzgebung Hammerschmidt (2005).

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1. Einleitung

kreisfreien Städte und Landkreise) waren und sind verantwortlich für ein Angebot an sozialen Einrichtungen und Diensten, die ihnen von der Fürsorgegesetzgebung und dem Bundessozialhilfegesetz vorgegeben werden, die sie aber in diesem Rahmen frei gestalten und verwalten können; die Kommunen organisieren zudem die finanzielle Mindestsicherung, wenn alle anderen Sicherungssysteme versagen. Dies betrifft alte und pflegebedürftige Menschen.4 Zu vermuten ist, dass Kommunen nicht allein auf gesetzliche Vorgaben reagieren, sondern auch Eigenaktivitäten zusammen mit den Trägern entwickeln.5 Träger der Angebote sind nicht nur die Kommunen selbst, sondern vor allem die freien Wohlfahrtsverbände, denen durch das „Subsidiaritätsprinzip“ ein Vorrang in der Bereitstellung von Angeboten eingeräumt ist.6 Das Zusammenspiel der Kommunen und der freien Wohlfahrtsverbände war in der Vergangenheit nicht immer spannungslos und gestaltete sich kommunal unterschiedlich, wie zu zeigen sein wird. Für diese Studie wurde Frankfurt am Main als Untersuchungsraum ausgewählt – eine Stadt, für die die Überlieferung sehr gut ist und in der vergleichsweise früh Altenpläne verabschiedet wurden. Darüber hinaus werden der hessische Raum in den Blick genommen und bundesweite Vergleiche gezogen. Neben der Organisation im Spannungsfeld von bundespolitischen Gesetzen, Veränderungen im Sozialversicherungsrecht und kommunalen Gegebenheiten werden die Angebote und ihre Annahme unter folgenden Gesichtspunkten untersucht und dargestellt: Wer war in die offene Fürsorge bzw. Hilfe für alte Menschen involviert und in welcher Funktion? Wer waren die Akteure in der Altenhilfe; bildeten sich neue Berufsgruppen und wandelten sich Tätigkeitsfelder im Laufe der Jahrzehnte? Die Perspektive der in der Altenhilfe Tätigen, ihre Berufsausbildung und Zusammenarbeit sollen ebenfalls thematisiert werden. Daneben finden die Rolle des Ehrenamtes, die unentgeltliche Hilfe von Familienangehörigen, Nachbarn und anderen sowie deren Stellenwert sowohl in den überregionalen Schriften, politischen Debatten auf überregionaler und kommunaler Ebene als auch in der Praxis Berücksichtigung. Gefragt werden soll weiterhin, ob es Leitvorstellungen über das Alter gab, die die Altenhilfeplanung beeinflussten, und ob sich diese im Laufe der Jahrzehnte änderten. Schienen der Alterungsprozess und das Alter positiv beeinflussbar durch Altenhilfemaßnahmen? Ging es daneben um gesellschaftliche 4 5 6

Hammerschmidt (2012), S. 27; Roth (2012). Vgl. Roth (2012). Zur Entwicklung der sechs Wohlfahrtsverbände in der Nachkriegszeit bis zur Verabschiedung des BSHG siehe Hammerschmidt (2005); zum Subsidiaritätsprinzip Sachße (1990). Die sechs Wohlfahrtsverbände waren Caritasverband, Arbeiterwohlfahrt, Innere Mission  – die sich 1957 mit dem Hilfswerk der evangelischen Kirche zusammenschloss, woraus ab 1975 das Diakonische Werk wurde –, Deutsches Rotes Kreuz, Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband und Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland. Die Spitzenverbände schlossen sich schon 1948 zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammen, die die Interessen der Wohlfahrtsverbände gegenüber dem Staat vertrat und deren Einfluss auf Gesetzesvorhaben in den Ministerien groß war, da diese zumeist „konsensorientiert“ (Hammerschmidt (2005), S. 407) vorangetrieben wurden.

1. Einleitung

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und politische Integration in den Stadtraum, und wie wurde dies von den Betroffenen angenommen? Wo immer möglich, werden die Perspektive der älteren Menschen, ihre Nutzung der Angebote und ihre Selbstorganisation beachtet. Dabei stellt sich die Frage, ob bzw. inwieweit die organisierten, sich – wie im einleitenden Zitat – artikulierenden älteren Menschen Akteure waren, die Reformprozesse in der Altenhilfe mit anstießen.7 Wer war die Zielgruppe der Altenhilfe? Diese Studie sieht sich vor dem Problem, Menschen allein aufgrund ihres Lebensalters als „alte“ oder „ältere“ Menschen zu bezeichnen. Thema sind im Wesentlichen Angebote für Menschen, die aufgrund altersbezogener Zugangsschwellen der Renten- und Pensionsversicherungssysteme aus der Erwerbstätigkeit ausgeschieden waren bzw. auch ohne vorangegangene Erwerbstätigkeit diese Altersgrenzen erreicht hatten. Im Untersuchungszeitraum war die Altersgrenze für den vollen Rentenbezug 65 Jahre; zwar konnten Frauen nach dem Rentenreformgesetz von 1957 schon mit 60 Jahren in Rente gehen, in zeitgenössischen Debatten über das Rentenalter bezog man sich jedoch fast ausschließlich auf die männliche Erwerbsbiographie und das Rentenalter von 65 Jahren. Pensions- und Rentensysteme haben das Alter erst zu einer einheitlichen und chronologisch klar abgrenzbaren Phase gemacht.8 Diese Altersgrenzen 7 8

Vgl. Rudloff (2010), der diese Frage, bezogen auf die organisierten Betroffeneninteressen, in der Behindertenpolitik untersucht. Göckenjan (2007); Göckenjan (2009). Göckenjan zufolge markiert die Rentenreform von 1957 die große Zäsur im Altersdiskurs der Jahrhunderte; damit erst sei das Bild des Rentners geschaffen, das die künftige Altenhilfe bestimme. Denninger/Dyk/Lessenich/ Richter (2014) folgern, dass die „kurze Geschichte des Rentner-Daseins“ also erst im Jahr 1957 beginne. Vgl. dagegen Ehmer (2009), der ein multikausales und komplexes Bild beim Rückgang der Erwerbstätigkeit älterer Menschen in westlichen Staaten beschreibt und nicht nur den Blick auf die Rentenversicherung lenkt (S.  220–222); Kohli (2003) stellt heraus, dass der Lebenslauf von Frauen mit verschiedenen Formen beschränkter oder fehlender Erwerbsarbeit andere „Normalitäten“ aufwies. Chronologische Zugangsgrenzen waren dem Wandel unterworfen wie überhaupt die Grenzziehung zwischen jung (bzw. mittelalt) und alt, jedoch galt über Länder- und Epochengrenzen hinweg zumeist ein Zeitpunkt zwischen dem 60. und 70. Lebensjahr als alt, siehe Thane: Introduction (2005), S. 17. Vgl. Conrad (1994), S. 151, der in der französischen Besatzungszeit die Altersgrenze von 60 Jahren als Legitimation für Unterstützungsansprüche ausmachte; das Gesetz betreffend die Invaliditäts- und Altersversicherung von 1889 (Deutsches Reichsgesetzblatt 1889, Nr. 13, S. 97–144) sah eine Altersgrenze von 70 Jahren vor, 1916 wurde die Rentenaltersgrenze auf 65 Jahre herabgesetzt; in den 1970er Jahren setzten sich in der BRD Formen der Frühverrentung durch, vgl. Ehmer/Höffe (2009), S. 226 f. Kondratowitz (1983) geht auf die Definitionen von Alter in Lexika und Wörterbüchern des 18., 19. und frühen 20. Jahrhunderts ein, die medizinisch und biologisch begründet wurden und große Geschlechterunterschiede herausstellten, die an der schwindenden Fortpflanzungsfunktion festgemacht wurden. Dies galt auch schon für frühere Jahrhunderte, wie Botelho (2005) ausführt; sie betont allerdings die Unterschiede in der materiellen und gesellschaftlichen Stellung: Arme Menschen, ob Frau oder Mann, wirkten früher alt als diejenigen, die komfortabler leben konnten – die Verbindung von Armut und Alter war nicht nur im 17. Jahrhundert eng.

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1. Einleitung

sind nicht ganz starr, traten doch viele schon vorher und Einzelne auch später aus dem Erwerbsleben aus. Wenn hier der Begriff „alt“ verwendet wird, dann sind damit Menschen ab einem Alter von 60 bis 65 Jahren gemeint. Das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Phase des Lebenslaufes jenseits der 60 oder 65 Jahre nicht nur durch das (eventuelle) Wegfallen einer Erwerbstätigkeit geprägt, sondern individuell mit dem bisherigen Lebenslauf verknüpft ist; eine Sichtweise, die auch in der Gerontologie im Untersuchungszeitraum dominierend wurde. Die Unterschiede in der materiellen Lage alter Menschen waren und sind erheblich9, ebenso die Unterschiede im Freizeitverhalten und im Bedarf an Hilfe und Versorgung. In der Forschungsliteratur zum Alter, seien es zeitgenössische gerontologische Studien oder sozialwissenschaftliche und historische Forschungen über Alter in bestimmten Zeitspannen, werden weitere Begriffe zur Differenzierung der Gruppe der „Alten“ benutzt, wie „hochaltrig“ oder „Drittes und Viertes Lebensalter“.10 Während es sich bei Menschen im „Dritten Alter“ um aktive Ruheständler handelt, gilt das „Vierte Alter“ oder die „Hochaltrigkeit“ als von zunehmender Pflegebedürftigkeit geprägt.11 Zeitgenössisch wurde von den „Alten Leutchen“, den „Alten“ und ab den 1970er Jahren von „Senioren“ gesprochen, ab den 1980er Jahren traten die „Neuen Alten“ auf den Plan. Mit diesen Begriffen waren unterschiedliche Bilder vom Alter, seien es Selbstbilder oder Zuschreibungen, verbunden.12 Forschungsstand Die vorliegende Studie bewegt sich im Schnittfeld von Forschungen zur Geschichte des Alters, von diskursanalytischen Studien zu Altersbildern, Studien zur stationären Unterbringung von Menschen, zur Pflegegeschichte und zur Sozialstaatsgeschichte in der Bundesrepublik Deutschland. Während es seit den späten 1970er Jahren im deutschsprachigen Raum historisch orientierte Arbeiten zum Alter und Altern gibt13, stehen historische 9 Das gilt auch für frühere Epochen, vgl. Borscheid (2004), S. 366. 10 Vgl. Ehmer/Höffe (2009), S. 211; zum Begriff des „Dritten Alters“ bzw. des „Third Age“ siehe Laslett (1989). Die Abgrenzung eines „Dritten Alters“ vom „Vierten Alter“ begann in England und Frankreich schon in den 1960er/1970er Jahren. 11 Auch der Begriff „Pflegebedürftigkeit“ war nicht unumstritten, wie anhand der Diskussionen über die Einführung eines sozialen Sicherungssystems für Pflegebedürftige gezeigt wird; hier verwendet im ähnlichen Sinne wie im BSHG von 1961. 12 Auch die Bezeichnungen von Heimen und Wohnungen änderten sich im Laufe des Untersuchungszeitraumes: Zunächst wurden meist die Begriffe „Altersheim“ und „Alterswohnheim“ verwendet, später meist „Altenheim“ und „Altenwohnheim“ bzw. „Altenwohnung“, ab den späten 1970er Jahren gelegentlich auch „Seniorenheim“ bzw. „Seniorenwohnung“. Vgl. dazu jetzt Grabe (2016). 13 Bevor sich die Geschichtswissenschaft mit dem Alter beschäftigte, fiel die Erforschung des Alters in den Bereich der Medizin, nach dem Zweiten Weltkrieg in den Bereich der Gerontologie, die als interdisziplinäre Wissenschaft sozialwissenschaftliche und psychologische Forschungen integrierte. In Deutschland entwickelten sich diese Forschungen

Forschungsstand

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Forschungen zu den konkreten Altenhilfemaßnahmen und den Lebensbedingungen von alten Menschen in der BRD bisher noch aus.14 Gerontologische Forschungen mit sozialwissenschaftlichen Methoden nahmen im deutschsprachigen Raum in den 1960er Jahren zu. Sie dienen heutigen historischen Forschungen als Quelle. Dies gilt insbesondere für die Studie von Otto Blume zu den Lebensverhältnissen der alten Menschen in einer Großstadt.15 Die spätere Bundesministerin Ursula Lehr markierte Anfang der 1970er Jahre mit ihrer Studie zur Psychologie des Alterns den Beginn einer differenzierten und positiven Sicht auf das Alter.16 Das 1974 gegründete „Deutsche Zentrum für Altersfragen“ (DZA) in Berlin, das eine Reihe von Studien zum Alter und zum Altern beförderte, gab 1982 mit der internationalen Tagung zum Thema „Gerontologie und Sozialgeschichte“ wichtige Impulse für die historisch orientierte Altersforschung im deutschsprachigen Raum.17 Sozialgeschichtlich orientierte Studien, die das Alter und das Altern behandelten, berücksichtigten zunächst vorrangig demographische18 sowie familien- und alltagsgeschichtliche Ansätze.19 Mit kulturgeschichtlichen Herangehensweisen wurden Wahrnehmungen und Bewertungen des Alters, Altersbilder und Altersstereotype analysiert.20 Die beginnende Beschäftigung mit dem Alter in der Geschichtswissenschaft am Ende des Untersuchungszeitraums der vorliegenden Studie war auch von der damals aufkommenden Problemsicht auf den demographischen Wandel und das Älterwerden der Gesellschaft motiviert. Gleichzeitig wurden

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erst seit den späten 1960er Jahren, in den USA schon in den späten 1940er Jahren. Zum Forschungsstand der Geschichtswissenschaft zum Alter ausführlich Blessing (2010); siehe auch Kramer (2013). Forscher in Amerika und England nahmen eine Vorreiterrolle ein und beschäftigten sich schon früher als deutsche Historiker mit dem Alter und dem Altern; genannt seien hier nur in Auswahl Thomas (1976); Laslett (1977); Fischer (1978); Imhof (1982); Achenbaum (1978); zuletzt zeitlich und geographisch sehr umfassend Troyansky (2016). Torp (2015) schreibt überspitzt und nicht ganz richtig, dass die Sozialgeschichte des Alters in der Bundesrepublik Deutschland als ungeschrieben gelten muss (S. 17); diese Lücke schließt seine Studie zum Teil. Blume (1962). Lehr (1972). Conrad/Kondratowitz (1983). Imhof (1977); Imhof (1981). Siehe Eckart/Jütte (2014), S. 254–268. Ehmer (1990), S. 15; Ehmer (2008), S. 149 f.; Mitterauer/Sieder: European family (1982); Mitterauer/Sieder: Familienforschung (1982); Borscheid (1987). Baumgartl (1997); Göckenjan (2007); Ehmer/Höffe (2009). Zur Selbstwahrnehmung gibt es wenige Studien, ein Beispiel ist Jütte (1988). Blessing verweist richtig darauf, dass sich die unterschiedlichen Forschungsrichtungen nicht sinnvoll voneinander abgrenzen lassen, vgl. Blessing (2010), S. 128. Der Sammelband Conrad/Kondratowitz (1993) zeigt die thematische Weite, da einzelne Aufsätze sowohl Formen der sozialen Absicherung als auch Repräsentationen der Verbindung von Alter und Wohlfahrt untersuchen. Die über einen sehr langen Zeitraum angelegte Arbeit von Borscheid (1987) verbindet die Analyse von Altersbildern mit der materieller Lagen. Einige Studien enthalten wirklich Bilder, so die eindrucksvollen 250 Abbildungen aus der Kunstgeschichte, die alte Menschen zeigen, in Thane: History (2005); Kampmann (2014).

14

1. Einleitung

der „Funktionsverlust“ und die Isolation alter Menschen problematisiert, aber auch die stärker werdende Sichtbarkeit der nun auch politisch aktiven Senioren thematisiert.21 Die sozialgeschichtlichen Forschungen konnten dabei einige jener Problemsichten ihrer Entstehungszeit, denen ein idealisiertes historisches Altersbild gegenübergestellt wurde, relativieren.22 Viele der historischen Untersuchungen behandeln die stationäre Unterbringung alter Menschen in Hospitälern, Armen- und Siechenhäusern und Altenheimen. Dennoch gibt es noch große zeitliche und regionale Leerstellen.23 Stationäre Formen der Altersversorgung betreffen in Vergangenheit und Gegenwart nur einen kleinen Prozentteil alter Menschen – im Untersuchungszeitraum dieser Studie waren ca. zwei bis sechs Prozent der alten Menschen stationär untergebracht.24 Forschungen zur Geschichte der sozialen Arbeit berühren auch die Altenhilfe, die jedoch erst in jüngerer Zeit ein Betätigungsfeld für sozialpädagogisch geschulte Fachkräfte geworden ist.25 Handeln, Herkunft und Lebensumstände der Versorgenden sind bisher weniger gut erforscht. Die Professionalisierung der Altenpflege ist noch ein Forschungsdesiderat. Einige wenige pflegegeschichtliche Studien berühren den Bereich der ambulanten Versorgung alter Menschen: Sie untersuchen Veränderungen in der Gemeindekrankenpflege in der Bundesrepublik Deutschland26 und die Entwicklung der Hauspflege in der Schweiz27.

21 Borscheid (1987), „Die Entdeckung des Alters“, S. 7–10; Borscheid (2004), S. 359 f. 22 Borscheid (1987), S. 8. Ehmer (1990), S. 188, weist darauf hin, dass die steigende Zahl der Einpersonenhaushalte in der Bundesrepublik zeitgenössisch als Tendenz zur Isolierung älterer Menschen interpretiert wurde; es habe jedoch schon in den Jahrhunderten davor eine „durchgängige Neigung zur Führung und Beibehaltung eines eigenen Haushalts im Alter“ gegeben, wenn auch die Chance darauf erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gewachsen war. 23 Kondratowitz (1990); Borscheid (1987), S. 81 ff.; Borscheid (1995); Irmak (2002); Brinker (2005); Moses (2005); Moses (2007); Moses (2010); Moses (2011); Sostmann (2008). Sostmann geht in ihrer Studie nicht nur auf die Anstaltsfürsorge, sondern auch auf die offene Versorgung ein, soweit sie im Rahmen der Armenfürsorge stattfand. Zur Geschichte der stationären Altenhilfe in der Bundesrepublik bis 1975 mit einem regionalen Schwerpunkt in Niedersachsen Grabe (2016). Zur stationären Unterbringung in England und Japan im Vergleich siehe Hayashi (2013). Zur (auch) stationären Versorgung in der DDR siehe Otte: Leben (2012). 24 Siehe Zahlen in den Kapiteln 3 und 4. 25 Aner/Karl (2010), S. 9. 26 Hackmann (2004); zu den Umbrüchen im Arbeitsalltag evangelischer Krankenpflege auch im ambulanten Bereich, die ambivalent und konfliktbeladen verliefen, siehe Kreutzer (2014); Kreutzer (2009); zur häuslichen Versorgung kranker Menschen von etwa 1880 bis 1965 in den USA Buhler-Wilkerson (2001). Die Studie macht Unterschiede in der Organisation, Finanzierung, aber auch in den medizinischen Debatten deutlich  – standen in den USA doch in den 1950er Jahren die Ärzte an der Spitze einer Bewegung zur Förderung häuslicher Pflege, was in Deutschland nicht der Fall war. 27 Racine-Wirz (2006).

Quellenlage

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Bernhard nimmt mit den Zivildienstleistenden eine Gruppe in den Blick, die seit den 1970er Jahren auch im häuslichen Bereich in der Versorgung alter Menschen eingesetzt wurde.28 Die Entwicklung des Sozialversicherungssystems ist in einer Vielzahl von Studien zum Wohlfahrtsstaat bzw. Sozialstaat nach 1945 analysiert worden; auf ihre Ergebnisse kann die vorliegende Untersuchung aufbauen.29 Quellenlage Die Überlieferungslage der kommunalen Quellen ist gut. Zurückgegriffen werden kann auf die Akten der Ministerien des Landes Hessen und zu einem geringen Teil auf Überlieferungen der Wohlfahrtsverbände. Letztere Quellen sind jedoch lückenhaft. Gut ist die Überlieferungssituation des Diakonissenmutterhauses in Frankfurt; auch ein Interview kann genutzt werden.30 Ein quantitativer Schwerpunkt der überlieferten Quellen aus den kommunalen Ämtern und den Ministerien auf Länderebene liegt in den 1960er und 1970er Jahren, auf Bundesebene noch ein Jahrzehnt später. Dies korrespondiert mit der Aussage, dass in den 1960er Jahren keine oder kaum Altenpolitik außerhalb der Alterssicherung stattgefunden hat.31 Dem widerspricht nicht, dass sich die Altenpolitik in der Öffentlichkeit allmählich institutionell verfestigte, was sich u. a. in der Gründung des „Kuratoriums Deutsche Altershilfe“ (KDA) 1962 und einer steigenden Zahl von Fachtagungen manifestiert.32 Im kommunalen Bereich gibt es viele Quellen auch aus der unmittelbareren Nachkriegszeit und den 1950er Jahren, wenngleich hier die Dichte erst in den 1960er Jahren zunimmt. Quellen zur offenen Altenhilfe finden sich vor allem seit den 1960er Jahren, mit einer starken quantitativen Steigerung in den 1970er Jahren. Hier kommen zudem andere Quellenarten hinzu: Fachzeitschriften wie die Altenpflege, eine kommunale Seniorenzeitschrift und überregional eine Vielzahl von Studien zur Lebenslage alter Menschen. Vergleiche mit anderen Städten und Regionen sind durch die Auswertung des Nach­ 28 Bernhard (2005); stärker auf die Pflege geht er in seinem Artikel ein: Bernhard (2006). 29 Ritter (1991); Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung/Bundesarchiv (2001– 2008); Becker (2010); Hammerschmidt/Tennstedt (2010); Hockerts (2011); Glootz (2005); das Essay Doering-Manteuffel/Raphael (2012) behandelt die Zeit seit dem wirtschaftlichen Wandel ab 1973. Torp (2015) vergleicht die Alterssicherung in Deutschland und Großbritannien. Zur DDR siehe Otte: Versorgungsprinzip (2012). 30 Gruppeninterview im Frankfurter Diakonissenhaus mit den Bewohnerinnen des Mutterhauses sowie den Schwestern Ulrike, Elisabeth, Marlene, Gertrude, Roswitha, Gertrude II und Christel, Juli 2011 (Interviewerin: Kristina Matron), Transkript vom 14. September 2011. 31 Münch (2006), S. 650. Dies soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass bundespolitisch die Entwicklung der Altenhilfe gefördert wurde, indem ihre Träger, die Wohlfahrtsverbände, Subventionen erhielten. 32 Münch (2007), S.  596–598. Das KDA wurde 1962 vom damaligen Bundespräsidenten Heinrich Lübke und seiner Frau Wilhelmine Lübke ins Leben gerufen, um die Lebenssituation älterer Menschen zu erforschen und positiv zu beeinflussen.

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1. Einleitung

richtendienstes des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge (NDV) möglich. Im „Deutschen Verein“ waren sowohl die Fachleute aus der privaten als auch der öffentlichen Wohlfahrtspflege, Angehörige der kommunalen Verwaltungen und der Ministerien vertreten; er hatte erheblichen Einfluss auf die organisatorische und gesetzgeberische Entwicklung der Wohlfahrtspflege.33 Außerdem können Umfragen des „Deutschen Städtetages“ zum Vergleich herangezogen werden. Aufbau der Studie Chronologisch gliedert sich die vorliegende Studie nach Jahrzehnten.34 Sie orientiert sich nicht am Wechsel der Legislaturperioden auf Bundesebene, da diese im Untersuchungszeitraum nicht bestimmend für die (kommunale) Altenhilfe waren. Die Altenpläne der Stadt Frankfurt galten jeweils für ein Jahrzehnt, beginnend mit dem ersten kommunalen Altenplan 1960.35 Das erste Kapitel fasst die Entwicklung in den unmittelbaren Nachkriegsjahren und den 1950er Jahren zusammen. Auch wenn man in diesem Zeitraum noch nicht von einer offenen Altersfürsorge sprechen kann, weder auf Bundes- noch auf kommunaler Ebene, waren alte Menschen Adressaten kommunaler Fürsorgepolitik und in die Versorgung mit Wohnraum und Nahrung eingebunden. Daraus entwickelte man zum Ende des Jahrzehnts spezielle Angebote für alte Menschen. Die Hauspflege betreute zum Ende der 1950er Jahre vor allem alte Menschen. Das zweite Kapitel behandelt die 1960er Jahre, die den Anfang der Entwicklung von Altenklubs, Erholungsfürsorge und Altenwohnungen mit Betreuung markierten. Zum Beginn des kommenden Jahrzehnts, das im dritten Kapitel behandelt wird, wurde der zweite kommunale Altenplan mit Schwerpunktverlagerungen vorgelegt. Der Umfang des Kapitels korrespondiert mit der Quellenlage, die auf einen großen Ausbau der offenen Altersfürsorge hinweist. Nun wurde die Altenhilfe auch auf bundespolitischer Ebene stärker thematisiert. Das vierte Kapitel gibt einen Ausblick über die Entwicklungen bis etwa 1985. Es beginnt mit der Verabschiedung des dritten kommunalen Altenplanes, der auch eine Bestandsaufnahme war, zeigt die sich allmählich anbahnenden Veränderungen im Bereich der Organisation häuslicher Pflege und geht auf die Selbstorganisation alter Menschen sowie die Entwicklung universitärer Bildungsangebote für alte Menschen ein. 33 Sachße/Tennstedt (2012), S. 125–132. 34 Eine Einteilung in Zeiteinheiten und eine Zuordnung zu Dekaden ist immer problematisch, wenn unterschiedliche Prozesse und Strukturveränderungen betrachtet werden, die stets in verschiedenen Zeittakten verliefen, vgl. Doering-Manteuffel/Raphael (2012), S. 31; dennoch wird hier zur besseren Übersicht die Einteilung in Dekaden gewählt. 35 Siehe die kommunalen Altenpläne der Stadt Frankfurt a. M. Auch Studien zu den Altersbildern in der Altenhilfe, auf die hier zurückgegriffen wird, orientieren sich an einer Einteilung in Jahrzehnte, vgl. Baumgartl (1997).

Aufbau der Studie

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Nicht gedruckte Quellen aus Ämtern und Ministerien sind nur bis zum Zeitraum der frühen 1980er Jahre einsehbar, daher schließt die Studie im vierten Kapitel mit den frühen 1980er Jahren und einigen Ausblicken in die Zeit nach 1985. Sie nimmt die jahrzehntelangen Debatten zur Finanzierung der Pflegebedürftigkeit auf, nicht jedoch die Verabschiedung des Pflegeversicherungsgesetzes, das die Organisation der ambulanten Pflege stark veränderte, dabei jedoch Tendenzen verstärkte, die sich in den 1970er und 1980er Jahren entwickelt hatten.

2. Kommunale Altenhilfe in der Nachkriegszeit 2.1 Nachkriegsnot: Versorgung mit Wohnraum und Nahrung Eine offene Altenfürsorge1 war in den Nachkriegsjahren und den 1950er Jahren weder auf regionaler Ebene noch auf Bundesebene institutionell etabliert. Auch in den Beiträgen und Debatten von Verwaltungsfachleuten und Fürsorgeexperten spielte diese zunächst keine Rolle; das änderte sich Ende der 1950er Jahre. 1953 wurde das Bundesfamilienministerium geschaffen. Innerhalb der Familienpolitik spielte jedoch die Altenpolitik eine untergeordnete Rolle, sowohl in den Regierungserklärungen als auch im Parlament und in den Ministerien.2 Im Mittelpunkt der bundespolitischen Bestrebungen stand die materielle Versorgung der Rentner; diese Bestrebungen gipfelten in der Rentenreform von 1957.3 Auf kommunaler Ebene war in der Nachkriegszeit die Versorgung alter Menschen mit Wohnraum und Nahrung die Hauptaufgabe der Fürsorge; die Wohnraumversorgung blieb es bis weit in die 1950er Jahre hinein. Frankfurt war zum Kriegsende zum großen Teil zerstört, und viele der ehemaligen Einwohner hatten die Stadt verlassen.4 Von den vor dem Krieg in Frankfurt gemeldeten 553.000 Einwohnern lebte nicht einmal mehr die Hälfte in der Stadt, nämlich 269.999 Menschen. Etwa 23.000 Frankfurter Bürger starben im Krieg und während der Luftangriffe, Zehntausende waren im Frühjahr 1945 noch in Kriegsgefangenschaft.5 Zehntausende jüdische Einwohner waren weggezogen, ausgewandert, und weit über 10.000 von ihnen sowie mehrere Hundert Sinti und Roma deportiert und ermordet worden.6 Ein Teil der übrigen Bewohner hatte die Stadt im Laufe des Krieges verlassen und auf dem Land Schutz vor den Bombardements gesucht. Der Frankfurter Wohnungsbestand war von ehemals rund 176.000 Wohnungen auf etwa 93.000, die zu einem großen Teil beschädigt waren, zusammengeschrumpft.7 1 2 3 4 5 6 7

Der Begriff „Altenhilfe“ wurde erst mit dem Bundessozialhilfegesetz etabliert, in den 1950er Jahren dominierte der „Fürsorge“-Begriff. Münch (2006), S. 650 f. Torp (2015), S. 67–87. Bendix (2002), S. 26. Kullmann (1953). Unter den Frankfurter Zivilpersonen gab es 4.822 Luftkriegsopfer. https://www.frankfurt.de/sixcms/media.php/738/Historischer%20Abriss%20 Deportationen%201941-1945.pdf (letzter Zugriff: 12.10.2016); Bendix (2002), S. 26. Stadt Frankfurt a. M.; Der Magistrat, Bürgeramt, Statistik und Wahlen (Hg.): Statistisches Jahrbuch Frankfurt a. M. Frankfurt/Main (in Folge zitiert als Statistisches Jahrbuch Frankfurt) 1953, S. 165, Tabelle 204. Am 1. Oktober 1939 gab es 176.253 Wohnungen in Frankfurt. Am 31. Mai 1945 waren es noch 93.372, wobei dies nicht heißt, dass die Wohnungen unzerstört waren; auf Wohnräume einschließlich Küchen umgerechnet bedeutete dies, dass es 1939 687.951 Wohnräume gab, 1945 mit 341.758 Räumen nicht einmal mehr die Hälfte. Dieser Bestand stieg in den kommenden Jahren nur langsam wieder an: Ende 1946 gab es 112.953 Wohnungen mit 408.088 Zimmern, Ende 1952 waren es 150.513 Wohnungen mit 534.302 Zimmern bei ähnlicher Bevölkerungszahl wie 1939.

2.1 Nachkriegsnot: Versorgung mit Wohnraum und Nahrung

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Zerstört waren die Innenstadt und die angrenzenden Viertel. Die Verkehrswege waren blockiert, und in vielen Stadtgebieten gab es keinen Strom, kein Gas und mancherorts auch kein Wasser.8 Dem geringen Wohnungsbestand gegenüber standen Wohnungslose (Ausgebombte, Flüchtlinge, vom Land zurückkehrende Frankfurter, zurückkehrende Soldaten, KZ-Überlebende und einige von den Amerikanern aus den Wohnungen verwiesene Frankfurter), die mit den nötigsten Lebensmitteln, Kohlen und notdürftig mit Wohnraum versorgt werden mussten. 1946 lag die Einwohnerzahl bereits bei 424.065 und vier Jahre später bei 532.037 Menschen.9 Die Bevölkerung mit den zum Überleben nötigen Nahrungsmitteln zu versehen, blieb bis 1948 die Hauptsorge der Stadtverwaltung.10 Die Wohnungsnot war in anderen Städten ähnlich gravierend und nach der allmählichen Verbesserung der Lebensmittelversorgung 1948 das größte soziale Problem und die größte kommunalpolitische Aufgabe bis weit in die 1950er Jahre hinein.11 Unter den Notleidenden gab es viele alte Menschen, genaue Zahlen existierten jedoch zunächst nicht und wurden auch nicht erhoben. Im Oktober 1946 waren 43.212 Menschen von 424.065 Frankfurtern (10,19 Prozent) über 65 Jahre alt, im September 1950 55.690 von 532.037 (10,47 Prozent); 13.931 waren über 75 Jahre alt.12 Die Versorgungsengpässe in Frankfurt nach dem Krieg und die Wohnungsnot führten dazu, dass viele Menschen sich nicht selbst mit Lebensmitteln versorgen und keine Mahlzeiten zubereiten konnten. Große Teile der Bevölkerung waren daher zeitweise oder über längere Zeiträume hinweg auf Massenspeiseeinrichtungen angewiesen: Obdachlose, Bewohner von Notunterkünften, Heimkehrer, Flüchtlinge und Menschen, die in ihren Wohnungen keine Kochmöglichkeiten hatten. Darunter fielen viele alte Menschen. Ab Kriegsende wurden in Frankfurt 19 Einrichtungen zur Verpflegung von Durchreisenden eröffnet. Außerdem gründeten die Stadt und Verbände der freien Wohlfahrtspflege am 24. Oktober 1945 die „Frankfurter Volksküchen 8 9 10 11

Bendix (2002), S. 26–35. Statistisches Jahrbuch Frankfurt 1952, S. 13, Tabelle 14. Vgl. Heibel (2002). 1950 erklärten Stadträte und die Parlamentsfraktionen von SPD, CDU und FDP den Wohnungsbau und die Wirtschaftsförderung zu den wichtigsten Betätigungsfeldern der Stadt, wobei beide Felder als eng miteinander verwoben angesehen wurden, siehe ISG, Stadtverordnetenversammlung P 998, Protokoll der Stadtverordnetensitzung vom 30.  März 1950, Bl. 105 ff., und vom 15. Juni 1950, Haushaltsdebatte. 1950 wurde die Wohnungsnot trotz aller bisherigen Anstrengungen im Wohnungsbau als „verschärft“ bezeichnet (Magistrat der Stadt Frankfurt am Main (Hg.): Jahresbericht der Stadt Frankfurt am Main [im Folgenden: Jahresbericht der Stadt Frankfurt am Main] 1950/51, S. 84), zumal im Frühjahr 1950 die Zuzugssperre aufgehoben worden sei. Die Wohnungszwangswirtschaft dürfe nicht gelockert werden, Zwangsmaßnahmen brächten jedoch in letzter Zeit die Bevölkerung gegen die Bediensteten des Wohnungsamtes und die Polizeibeamten auf; es ergebe sich daher die Notwendigkeit eines noch stärkeren Aufbaus (S. 86). 12 Statistisches Jahrbuch Frankfurt 1953, S.  8, Tabelle 11 mit den Volkszählungsergebnissen 1939 und 1950, und S. 13, Tabelle 14.

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2. Kommunale Altenhilfe in der Nachkriegszeit

GmbH“13, um fortan die in Frankfurt sesshafte Bevölkerung sowie die Flüchtlinge, Frontentlassenen und die Durchreisenden mit einer warmen Mahlzeit zu versorgen.14 Die „Volksküche“ hatte eine eigene Großküche, nutzte zudem noch andere Großküchen in der Stadt. Die Mahlzeiten wurden in Gastwirtschaften ausgegeben, in Bunkern und in Bahnhöfen. Ab August 1946 belieferte die „Volksküche“ auch die Schulen in der Stadt für die Schulkinderspeisung. Mit Überwindung der schlimmsten Ernährungsnotlage nach der Währungsreform wandelten sich ihre Aufgaben. Zwar wurden weiterhin mittellose Menschen, Obdachlose und Bunkerbewohner versorgt, die „Volksküche“ wurde aber 1949 zu einer zentralen Einrichtung für Werkskantinen, Kindergärten und Schulen. Auch Personen, die nicht öffentlich unterstützt wurden, durften, wenn sie unter bestimmten Einkommensgrenzen lagen, an den Mahlzeiten teilnehmen.15 Im Juli 1948 gab man noch rund 220.000 Essen im Monat aus, im Januar 1950 waren es nur noch 148.000, jeweils ohne die Schulkinderspeisung.16 Etwa 700 Menschen kamen täglich zu den Ausgabestellen, weitere 460 wurden in Bunkern verpflegt, die restlichen Mahlzeiten gingen an die Werksküchen, die städtischen Bediensteten, Kindergärten und -horte und an die ehrenamtlichen Bürger, die zur Trümmerbeseitigung und zum Wiederaufbau eingesetzt waren. Im September 1949 beantragte die CDU in der Stadtverordnetenversammlung, dass alle über 70 Jahre alten Personen kostenlos an der Volksspeisung teilnehmen sollten. Zu diesem Zeitpunkt kostete ein Sieben-Tage-Abonnement 4,40 DM. Dieses wurde von der Stadt Frankfurt mit 2,20 DM bezuschusst, und zwar bei Personen, die öffentliche Unterstützung erhielten oder deren Einkommen die Auffanggrenze17 nicht überstieg18. Beschlossen wurde, dass der Zuschuss der Stadt bei Bedürftigen auf 3 DM wöchentlich angehoben werden sollte und die Teilnehmer nur noch 1,40 DM selbst zahlen mussten  – eine Sonderregelung im Sinne der CDU-Fraktion für alle Menschen über 70 Jahre gab es jedoch nicht.19 13 ISG, Stiftungsabteilung 508, Protokoll vom 24. Oktober, Urk. Rolle Nr. 149/1945, Gesellschaftsvertrag. Beteiligt waren neben der Stadtgemeinde das Institut für Gemeinwohl, der evangelische Verein für Innere Mission, der Caritasverband und die Arbeiterwohlfahrt. 14 Heibel (2002), S. 152 f., 156. 15 ISG, Fürsorgeamt 494, Soziale Speisungsmaßnahmen – Allgemeines –, 1946–1966, Fürsorgeamt Sonderverfügung, Verbilligte Volksküchenspeisung, 6. Juli 1949; Heibel (2002), S. 227. 16 ISG, Stiftungsabteilung 508, Liquidation der Frankfurter Volksküchen GmbH 1945– 1957, Bl. 25, Gutachtliche Stellungnahme zur Frage der Zusammenlegung der bisherigen Grossküchen Kleyerstrasse und Grossmarkthalle. 17 „Auffanggrenze“ beschrieb die Höchstgrenze der individuellen Unterstützung im Verhältnis zu bestimmten Vergleichseinkommen, siehe Föcking (2007), S. 30. 18 ISG, Fürsorgeamt 494, Soziale Speisungsmaßnahmen – Allgemeines –, 1946–1966, Einladung zu einer Sitzung des Sozialpolitischen Ausschusses der Stv.-V., 30.  September 1949. 19 ISG, Fürsorgeamt 494, Soziale Speisungsmaßnahmen – Allgemeines –, 1946–1966, Magistratsbeschluß vom 7. November 1949.

2.1 Nachkriegsnot: Versorgung mit Wohnraum und Nahrung

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Es nahmen alte Menschen an den Essensausgaben teil, für die besonders die Erreichbarkeit der Ausgabestelle entscheidend war, aber auch die Wärme der Räumlichkeiten, in denen die Mahlzeiten eingenommen werden konnten. 1951 beklagte sich ein Rentner aus dem südlich des Mains gelegenen Ortsteil Frankfurt-Sachsenhausen, dass es in Sachsenhausen keine Wärmestube gebe und dass die „Volksküche“ keine Ausgabestelle in diesem Stadtteil unterhalte, so dass die alten Leute, die teilweise blind seien, bis zum Bunker auf der anderen Mainseite laufen müssten.20 Er bat daher bei der Stadtverordnetenversammlung dringend um die Einrichtung einer Wärmestube mit einer Ausgabestelle der „Volksküche“ in Sachsenhausen. Im Januar 1952 schlug der Magistrat den Wiederaufbau der städtischen Liegenschaft Affentorplatz vor, um dort eine Wärmestube und Essensausgabe einzurichten. Diese wurde im November 1952 bewilligt, aber erst im November 1953 eingeweiht.21 Die „Volksküche“ wurde am 1. Juli 1950 zusammen mit der Schulkinderspeisung als städtische Einrichtung unter dem Namen „Städtische Küchenbetriebe“ weitergeführt. Ihre Einrichtung erfolgte zentral in der wieder aufgebauten Großmarkthalle, und sie übernahm weiterhin die Verköstigung der städtischen Bediensteten, die „Sozialspeisung“ und die Lieferung an Werksküchen.22 1951 gab man dort monatlich gut 90.000 Essensportionen aus. Davon entfiel der Großteil auf Werksküchen und städtische Bedienstete, insgesamt nur etwa 24.000 auf die Massenspeisung und die Verpflegung der Bunkerbewohner und der Kindergärten und -horte.23 Teilnehmen an der sogenannten Sozialspeisung, dem verbilligten Volksküchenessen, durften Menschen, die Fürsorge empfingen oder deren Einkommen nicht mehr als zehn Prozent über der Summe aus Fürsorgerichtsatz und Miete lag; darunter fielen viele alte Menschen. Diese Grenzen führten bisweilen zu Härten, wie im Fall eines Sozialrentners, der 1958 in der Frankfurter Neuen Presse geschildert wurde: Trotz seiner geringen Rente von 28,50 DM durfte er nicht am vergünstigten Volksküchenessen für 40 Pfennig pro Mahlzeit teilnehmen, da sein Einkommen aufgrund seiner günstigen Miete zu hoch war. Er hätte als Selbstzahler den Preis von 1,15 DM pro Mahlzeit zahlen müssen, was monatlich mehr als sein Gesamteinkommen gewesen wäre. Die Frankfurter Neue Presse nutzte die-

20 Heibel (2002), S. 230 f., zitiert das Schreiben des Eugen V. an die Stadtverordnetenversammlung vom 1. März 1951, in: ISG, MA AZ 7004/2, Bd. 1. 21 ISG, Rechneiamt IV 61, Fürsorgeamt an das Rechneiamt, 27. Januar 1953; Verweis auf Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 13. November 1952, § 1057, und des Magistrates vom 17. November 1952, Nr. 1660; Magistratsbeschluß Nr. 3170, 22. März 1954 (Mehrkosten). Siehe unten. 22 ISG, Stiftungsabteilung 508, Liquidation der Frankfurter Volksküchen GmbH 1945– 1957, Bl. 41, Magistratsbeschluß Nr. 389 vom 12. Juni 1950, und ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/L 4352, Städtische Küchenbetriebe, Fernverpflegung aus der Großmarkthalle. 50 Jahre Küchenbetriebe der Stadt Frankfurt, Presseerklärung im Oktober 1978. 23 ISG, Fürsorgeamt 494, Soziale Speisungsmaßnahmen – Allgemeines –, 1946–1966, Bericht über die Nachprüfung der Kostensätze der Städtischen Küchenbetriebe, 13. Juni 1951.

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2. Kommunale Altenhilfe in der Nachkriegszeit

sen Einzelfall, um mit einer drastischen Schilderung auf die Lage armer älterer Menschen in der „Wirtschaftswunderzeit“ aufmerksam zu machen: Ich versuche mir vorzustellen, was in dem alten Mann vorgeht, der etwa an einem Samstagnachmittag durch die brausende Stadt geht, soviel Leben, soviel junge, glückliche Gesichter, soviel Pakete, die vorbeigetragen werden, soviel Musik aus den Radiogeschäften, soviel Anpreisungen in den Fenstern, soviel Leute, die sich auf den Barstühlen der Espresso-Stuben räkeln oder in den vielen gemütlichen Kneipen Bratwürste und Schaschlik verzehren und kühles Bier dazu trinken – … Das ist alles nichts für ihn. Gewesene Welt. Ein Wunder, an dem er nicht teilhat. Für ihn ist, praktisch, immer noch 1947.24

Die Probleme alter Menschen in diesem Zeitraum wurden von der Öffentlichkeit in der Nichtteilhabe am wirtschaftlichen Aufschwung gesehen. Während die arbeitenden Bevölkerungsschichten allmählich die Nachkriegsnot hinter sich lassen konnten, ja von steigendem Wohlstand profitierten, schien die Wirtschaftskraft der Rentner dahinter ungleich zurückzufallen; alt zu sein bedeutete für viele, arm zu sein.25 Die Zahl der Teilnehmer an der „Sozialspeisung“ ging in den folgenden Jahren kontinuierlich zurück. 1961 waren es nur noch 450 „Sozialbetreute“, die von den Städtischen Küchenbetrieben in fünf Essensausgabestellen versorgt wurden. Unter diesen Teilnehmern seien jedoch viele „alt, ärmlich gekleidet, und manche essen fast gierig, als seien sie sehr hungrig. Oft bleiben sie noch lange an der Tafel sitzen und machen unbefangen ein kleines Nickerchen.“26 Nicht nur Bedürftige, die einen Zuschuss erhielten, nahmen an den Mahlzeiten teil; für 8,30 DM in der Woche konnten auch selbstzahlende Gäste ein Essen abonnieren. Die Essensausgabestellen der Städtischen Küchenbetriebe für die Bedürftigen wurden Anfang der 1960er Jahre in „Mittagstisch der Stadt Frankfurt a. M.“ umbenannt.27 Diese Essensausgabe wurde in den 1970er Jahren zum „Frankfurter Mittagstisch für alte Menschen“ und „Essen auf Rädern“ ausgebaut; nun nicht mehr, um die Grundversorgung Bedürftiger zu gewährleisten, sondern um alte Menschen, die sich nicht mehr selbst versorgen konnten, länger in der eigenen Wohnung zu halten.28 24 ISG, Fürsorgeamt 494, Presseausschnitt: „Kolumne Leberecht“, in: Frankfurter Neue Presse (im Folgenden: FNP), 23. April 1958. 25 Die Wahrnehmung deckt sich damit, dass alte Menschen in den 1950er Jahren vor der Rentenreform von 1957 die Kerngruppe der Fürsorgeempfänger bildeten (die insgesamt im April 1949 noch drei Millionen Einwohner der westlichen Besatzungszonen ausmachten, Mitte der 1950er Jahre und in der Bundesrepublik nur noch knapp eine Million); Süß (2010), S. 126, 128. 26 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S  3/L  4352, Zeitungsausschnitt: Mittagessen aus den größten Töpfen. Die städtischen Küchenbetriebe haben bisher 75 Millionen Mahlzeiten ausgegeben, o. O., Februar 1961. 27 ISG, Fürsorgeamt 494, Städtische Küchenbetriebe, Betrifft Essenausgabestellen, Frankfurt 19. Juni 1961. 28 Siehe Kapitel 4.7.4 und ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/V 10611, Sammlung Frankfurter Mittagstisch.

2.2 Fürsorgegesetzgebung und Rentenversicherung

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2.2 Fürsorgegesetzgebung und Rentenversicherung Regelungen im Bereich der Sozialversicherungen (Rentenversicherung und Krankenversicherung) betrafen die materielle Lebenslage alter Menschen. Auch Veränderungen im Fürsorgerecht hatten Auswirkungen auf ihre Lebenssituation, sofern sie Fürsorgeunterstützung betrafen. Im Fürsorgerecht nach dem Krieg wurde auf den Gesetzesstand der Weimarer Republik zurückgegriffen, verantwortlich blieb weiterhin die kommunale Selbstverwaltung.29 Nach dem Krieg musste die öffentliche Fürsorge mehrere neue Gruppen von verarmten Menschen – Opfer des Krieges – versorgen. Dazu gehörten Flüchtlinge, Evakuierte, Zugewanderte aus der sowjetischen Besatzungszone, heimatlose Ausländer, Angehörige von Gefallenen, von Kriegsgefangenen und Vermissten, heimgekehrte Kriegsgefangene und Kriegsbeschädigte. Diese Gruppen machten die ganz überwiegende Zahl der Empfänger von Fürsorge aus, und unter ihnen war die Gruppe der Flüchtlinge die größte.30 Eine „gehobene Fürsorge“, wie sie in der Weimarer Republik für die Opfer von Krieg und Inflation existierte, wurde nicht eingeführt. Für die Flüchtlinge gab es eigene Verwaltungsorganisationen, die zunächst auf Länderebene aufgebaut wurden; sie erhielten jedoch erst 1949 mit der Soforthilfe auf Ebene der Bizone ein eigenes Leistungsrecht, das sie aus der kommunalen Fürsorge ausdifferenzierte und gegenüber anderen Empfängern von Fürsorge auch finanziell besserstellte.31 Das Lastenausgleichsgesetz von 1953 sah Entschädigungen für Opfer von Vertreibungsschäden, Ostschäden, Sparerschäden vor, die nicht nur Bedürftigen im Sinne der Fürsorge gewährt wurden, sondern allen Geschädigten. Auch andere Gruppen von Kriegsgeschädigten wurden nach und nach in Sondersysteme ausgegliedert, so die Kriegsopfer, die Versorgungen erhielten, die Verfolgten des NS-Regimes, die Anspruch auf Wiedergutmachung hatten, und die Evakuierten nach dem Bundesevakuiertengesetz.32 Das Sozialversicherungssystem funktionierte bis auf eine kurze Unterbrechung am Kriegsende, so dass die Empfänger von Renten diese weiter erhielten. Für diejenigen alten Menschen, deren Rente nicht zum Leben reichte und die daher auf ergänzende Fürsorge angewiesen waren, blieb die Frage der Anrechnung ihrer Rente auf die Fürsorgeleistung im Hinblick auf die Gesamtsumme, die sie erhielten, entscheidend. In der amerikanischen Zone und damit auch im Land Hessen sollten von der Rente keine Freibeträge verbleiben, sie wurde also voll auf die Fürsorgesätze angerechnet. Da die Sozialrentner nicht mehr, wie noch in der Weimarer Republik, von „gehobenen“ Fürsorgesätzen profitierten, sondern die „gehobene“ Fürsorge auf Drängen 29 Sachße/Tennstedt (2012), S. 34 f., 52. 30 Sachße/Tennstedt (2012), S. 62 für Hessen: Von 125.098 [sic!] unterstützten Parteien im hessischen Jahresdurchschnitt 1948 waren 96.464 Empfänger von Kriegsfolgenhilfe und nur 28.635 Unterstützte aus sonstigen Gründen. 55.668 Parteien oder 57,7 Prozent der Empfänger von Kriegsfolgenhilfe waren Flüchtlinge. 31 Sachße/Tennstedt (2012), S. 57. 32 Bundesevakuiertengesetz, 14. Juli 1953, abgedruckt in: Bundesgesetzblatt Teil I (im Folgenden abgekürzt als BGBl. I), 1953, Nr. 36 vom 17.7.1953, S. 586.

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2. Kommunale Altenhilfe in der Nachkriegszeit

der Amerikaner abgeschafft wurde, hatten die Empfänger von Renten, die unter den Fürsorgesätzen lagen, genauso viel oder wenig zur Verfügung wie andere Fürsorgeempfänger auch; dementsprechend profitierten sie auch nicht von Leistungsverbesserungen für Rentner, wie sie mit dem Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz vom 17. Juni 1949 beschlossen wurden.33 Anstatt diese Summe mit Freibeträgen zu erhöhen, änderte man den Bedarf, den man bestimmten Gruppen zugestand, die schließlich in der Bundesrepublik – trotz Abschaffung der „gehobenen“ Fürsorge – über höhere Beträge als die normalen Fürsorgeempfänger verfügen konnten. So wurde mit dem „Gesetz über die Änderung und Ergänzung fürsorgerechtlicher Bestimmungen“, verabschiedet am 12. Juni 1953 im Bundestag34, Menschen im Alter von über 65 Jahren und Schwerbeschädigten ein Mehrbedarf in Höhe von 20 Prozent zugestanden35. Mit Rentenanpassungen verbesserte man seit 1948 die Rentenhöhen, die ohnehin bestehende Lücke zwischen Löhnen und Sozialrenten wurde jedoch immer größer.36 Noch Mitte der 1950er Jahre schien im Bewusstsein der Bevölkerung Alter mit materieller Not zusammenzugehören.37 Die Rentenreform von 1957 stieß daher auf breite politische und gesellschaftliche Zustimmung.38 Sozialrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung konnten bislang kaum den früher erhaltenen Lohn ersetzen.39 Die Rentenreform sollte nun die Rente existenzsichernd machen. Sie wurde nach der Reform umlagenfinanziert aus den laufenden Rentenbeiträgen der Arbeitnehmer und (zeitlich verzögert) an die Lohnentwicklung angepasst; individuell berechnet wurde die Rente nun nach einer Bemessungsgrundlage und der Zahl der Versicherungsjahre. Zwar erreichte man das Ziel, dass die Standardrente durchschnittlich 60  Prozent der aktuellen durchschnittlichen Bruttobezüge aus33 Gesetz über die Anpassung von Leistungen der Sozialversicherung an das veränderte Lohn- und Preisgefüge und über ihre finanzielle Sicherstellung (Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz) vom 17. Juni 1949, abgedruckt in: Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (WiGBl), hg. vom Büro des Wirtschaftsrates. Frankfurt/Main 1947–1949, 1949, Nr. 20, ausgegeben zu Frankfurt a. M. am 6. Juli 1949, S. 99–101. 34 Gesetz über die Änderung und Ergänzung fürsorgerechtlicher Bestimmungen, 20. August 1953, abgedruckt in: BGBl. I, 1953, Nr. 51 vom 21.8.1953, S. 967–970; die entsprechende Regelung § 11 b, S. 969. 35 Sachße/Tennstedt (2012), S. 84. 36 Torp (2015), S. 80 f. 37 Torp (2015), S. 67 ff. Gestützt wurde dies auch von den ersten soziologischen (oder gerontologischen) Fallstudien in Westdeutschland zur Lage alter Menschen, siehe Groth (1954); Tartler (1961). 38 Bedenken und Gegenargumente wie der Verweis auf die Inflationsgefahr gab es vom Finanz- und Wirtschaftsminister, den Banken und Arbeitgeberverbänden, vgl. Abelshauser (2004), S. 196; Schmähl (2006). Kanzler Adenauer selbst trieb die Reform aus politischen Gründen voran. 39 Siehe dazu Conrad (1994), Kapitel 8 und 9, der herausarbeitete, dass in den Haushalten der älteren Menschen ein Mischungsverhältnis von privaten und öffentlichen Einkommensquellen vorlag; das familiäre Netz und insbesondere das Zusammenleben der Generationen wurden in der Zwischenkriegszeit jedoch schon lockerer, hinzu kamen Vermögensverluste durch die Inflation.

2.2 Fürsorgegesetzgebung und Rentenversicherung

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machte, nicht (es waren nur 40 bis 50 Prozent40), dennoch wurde damit für die meisten der zehn Millionen Sozialrentner ein Rentenniveau erreicht, das sie von ergänzenden Leistungen oder familiärer Versorgung unabhängig machte.

Abbildung 1: Rentenauszahlung, 1956, Fotograf: K. Weiner, © ISG

Auch wenn die Tendenz des Erwerbsrückganges im Alter zu diesem Zeitpunkt schon lange währte41, blieben das Ausscheiden aus dem Arbeitsleben und die Phase des Ruhestandes zunächst negativ belegt; so wurde der „Funktionsverlust“ beklagt.42 Erst in den kommenden Jahrzehnten zeichneten die öffentlichen Medien ein positiveres Bild des Ruhestandes als einer von Arbeit befreiten, aber dennoch erfüllten Phase.43 Gegen Ende der 1950er Jahre diskutierte man intensiv die Neuordnung des Fürsorgegesetzes, die erst im kommenden Jahrzehnt, 1961, mit dem Bundessozialhilfegesetz verwirklicht wurde. Stand in den Diskussionen und Forderungen der Fürsorgeexperten im „Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge“ zunächst die materielle Verbesserung der Lage alter Menschen im Mittelpunkt, verlagerten sich die Schwerpunkte nach der Rentenreform auf die vorbeugende und aufbauende Fürsorge, auf personalintensive Dienstleistungen für den einzelnen Hilfeempfänger mit dem Ziel seiner größt-

40 Abelshauser (2004), S. 198. 41 Ehmer (2009), S. 219. 42 Ehmer (2009), S. 224 f.; Depuhl (1954); Göckenjan (2007); Göckenjan (2009). Göckenjan zufolge markiert die Rentenreform von 1957 die große Zäsur im Altersdiskurs der Jahrhunderte, denn damit sei das Bild des Rentners geschaffen worden, das die künftige Altenhilfe bestimmte. Er verkennt dabei jedoch den Rückgang der Erwerbstätigkeit im Alter auch schon in den vorangegangenen Jahrzehnten. 43 Ehmer (2009), S. 225–228.

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2. Kommunale Altenhilfe in der Nachkriegszeit

möglichen Selbständigkeit.44 Altersfürsorge bzw. Altenhilfe sollte erstmals gesondert in das neue Fürsorgegesetz bzw. Sozialhilfegesetz aufgenommen werden; es hatte sich insbesondere wegen des stetig wachsenden Anteils alter Menschen an der Gesamtbevölkerung als notwendig erwiesen, diesem Personenkreis besondere individuelle Hilfen angedeihen zu lassen.45 Als Hauptaufgabe der Altersfürsorge nach der Rentenreform wurde die Gewährung von Sicherheit im Alter gesehen. Diese verstand man nicht nur als materielle Sicherheit, sondern schloss auch Hilfe und Pflege bei Krankheit, Behinderung oder Kräfteverfall sowie die „Zugehörigkeit und Funktion“ in der Gemeinschaft mit ein.46 2.3 Frankfurt: Aufgaben der Abteilung Altersfürsorge Die Altersfürsorge des Fürsorgeamtes in Frankfurt47 war während der Nachkriegsjahre und der gesamten 1950er Jahre ausschließlich damit betraut, alte 44 BArch, B 106/20652, Grundsätzliche Fragen zur Neuordnung des Fürsorgerechts, Vortrag von Prof. Dr. Muthesius, Frankfurt a. M., in der 25. Sitzung des Sozialausschusses des Deutschen Landkreistages am 5. September 1956 in Berchtesgaden, S.  4; BArch, B  106/20652, Referat V A 4, MR Gottschick, betr. Zweite Besprechung mit Prof. Dr. Muthesius und Stadtrat a. D. Dr. Marx über den Referentenentwurf der Abteilung V zum Sozialhilfegesetz, Bonn, 23. Januar 1957, S. 3, zu den geplanten §§ 59–61, vorbeugende Gesundheitshilfe, in die auch die „Erfrischungskuren für Alte“ aufgenommen werden sollten. 45 BArch, B 106/20653, Allgemeine Bemerkungen zum Entwurf eines Sozialhilfegesetzes, 10. Januar 1958, S. 8 f. 46 -be- (1957), S. 322. 47 1947 gab es in Frankfurt ein Fürsorgeamt mit den drei Untergliederungen Allgemeine Fürsorge, Jugendfürsorge und Verwaltung. In der Allgemeinen Fürsorge war die Unterabteilung Wirtschaftliche Fürsorge einschließlich Altersfürsorge angesiedelt, Altersfürsorge also der wirtschaftlichen Fürsorge zugeordnet (ISG, Fürsorgeamt 3, Übersicht über den Aufbau und die Aufgaben des Amtes; Deputationsordnung in Frankfurt vom 28. Juli 1947, in: Mitteilungen der Stadtverwaltung Frankfurt a. M., Nr. 38, 20. September 1947, S. 133 f.). Daneben gab es die Abteilung für Daueranstaltspflege, die übergreifend für alle drei Untergliederungen des Fürsorgeamtes tätig war. Im Juni 1948 wurde die Altersfürsorge als eigene Abteilung des Fürsorgeamtes eingerichtet, die drei Unterabteilungen umfasste: Sachbearbeitung, Unterbringung von Alten und Siechen sowie Zentralbettennachweis. In Hinblick auf die kommende Entwicklung, die eine länger andauernde stärkere Belastung der öffentlichen Fürsorge mit sich bringe, sei die Bildung eines Ausschusses für Altersfürsorge erforderlich, und die Sachbearbeiter der Altersfürsorge sollten räumlich zusammengefasst werden (ISG, Fürsorgeamt 3, Verfügung, Dezernent Prestel, 1. Juni 1948, u. a. an Fürsorgerinnen Schmitt und Brühl von der Daueranstaltspflege und Frl. Wöller von der Altersfürsorge). 1957 wurde das Fürsorgeamt in Fürsorge- und Jugendamt umbenannt. Es hatte einen Dezernenten, daneben Deputationen wie Wohlfahrtsdeputation und Jugendwohlfahrtsausschuss; darunter die Ämter Fürsorgeamt, Jugendamt, Ausgleichsamt, Sozialverwaltungsamt (ISG, Fürsorgeamt 5, Organisationsplan Stand 1. Januar 1957). Jugendamt und Fürsorgeamt gemeinsam war der Außendienst zugeordnet, der in sieben Kreisstellen organisiert war; zudem war beiden die Fürsorgestelle für Daueranstaltspflege zugeordnet. Diese wurde zum 1. Januar 1960 mit der Für-

2.3 Frankfurt: Aufgaben der Abteilung Altersfürsorge

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Leute zu betreuen, die Heimpflege benötigten, und bei der Vermittlung von Heimplätzen zu helfen48. Die Altersfürsorge bestand also darin, Anfragen zu beantworten, Heimplätze zu vergeben und in Zusammenarbeit mit den Trägern den Heimausbau anzustoßen. Es wurden viermal wöchentlich Sprechstunden in der Braubachstraße, Abteilung Altersfürsorge, abgehalten, die Menschen, die um einen Platz anfragten, aufsuchen konnten. Auch in den Sitzungen der Wohlfahrtsdeputation in den 1950er Jahren bedeutete „Altersfürsorge“ ausschließlich die Versorgung mit Heimplätzen.49 Nach einer erfolgreichen Vermittlung fielen die alten Menschen in den Aufgabenbereich der Abteilung für Daueranstaltspflege, die die Heime in Frankfurt verwaltete. Die Betroffenen kamen aus mehreren Gruppen: alte Menschen, die vorher schon in einem Frankfurter Heim gelebt hatten und während des Krieges in Anstalten außerhalb evakuiert worden waren, die nun wieder für andere Zwecke zur Verfügung stehen sollten, wie zum Beispiel die Landesheilanstalten.50 Die während des Krieges für Alte und Sieche ad hoc errichteten Unterkünfte gewährleisteten schließlich kaum die notdürftigste Unterbringung von Menschen.51 Dazu kamen Menschen, die während des

48 49

50 51

sorgestelle für Auswärtige zu einer Dienststelle zusammengelegt, der Fürsorgestelle für Daueranstaltspflege und Auswärtige (ISG, Fürsorgeamt 5, RV Nr. 2 vom 8. Februar 1960). Siehe die Akten des Fürsorgeamtes 859–863 mit zahlreichen Briefwechseln zur Heimaufnahme. Die Wohlfahrtsdeputation war eine gemischte Deputation aus Mitgliedern der privaten Fürsorge (später Wohlfahrtsverbände), Bürgern (Stadtverordnete), Bürgermeister und Stadträten. Zur Entstehung der Wohlfahrtsdeputationen als quasi „parlamentarische Gremien“ neben dem Verwaltungsamt in der Weimarer Republik siehe Sachße/Tennstedt (1988), S. 187 f.; zur Nachkriegszeit Sachße/Tennstedt (2012), S. 91 f. In den Sitzungsprotokollen der Wohlfahrtsdeputation in den 1940er und 1950er Jahren spielten offene Angebote für alte Menschen keine Rolle (siehe ISG, Fürsorgeamt 16–19; ISG, Magistratsakten 2620). Eine Abkehr von der ausschließlichen Konzentration auf den Ausbau von Heimplätzen bedeuteten ab Mitte der 1950er Jahre die ersten Vorschläge, Alterswohnheime einzurichten. Vgl. dazu auch HHStAW, Abt. 508, Nr. 2142, Denkschrift betr. Altersfürsorge, Unterausschuss für Altersheimfragen des Landeswohlfahrtsausschusses. Hier wurde allein der Mangel an Plätzen, Ausstattung, Verpflegung und ausgebildetem Personal in Altersheimen behandelt. Die Altersfürsorge wurde beschränkt auf die Heimunterbringung nicht nur mit der Begründung, dass es eine zunehmende „Vergreisung unseres Volkes“ (S. 1) gebe und zudem viele unterzubringende alte Flüchtlinge, sondern auch damit, dass es angesichts der Wohnungsnot keine Alternative gebe, die vielleicht sonst in der Unterbringung in Familienhaushalten gesehen werden könnte. Matron (2013). ISG, Magistratsakten 8966, Hospital zum heiligen Geist, An den Magistrat der Stadt Frankfurt/Main, 10. Juli 1950, betr. Unterbringung von Pfleglingen der Pflegeanstalt Hohenwald im Krankenhaus Köppern. 180 alte Menschen waren betroffen, die nach dem Antrag des Hospitals noch vor dem nächsten Winter im Krankenhaus Köppern untergebracht werden sollten, da die Holzbaracken der Anstalt Hohenwald nicht mehr beheizbar seien. Der Magistrat stimmte am 11. September 1950 zu, in: ISG, Magistratsakten 8966, Magistratsbeschluß Nr. 1064, 11. September 1950. Das Rechneiamt wandte jedoch vorher ein, dass die Pflegesätze für alte Leute „erheblich“ unter den Pflegekostensätzen für Kranke lägen und die Betreuung für Pflegende wesentlich geringeren Aufwand

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2. Kommunale Altenhilfe in der Nachkriegszeit

Krieges aus der Stadt evakuiert worden waren und nun zurückkehren wollten. Diese Gruppe hatte jedoch mit ihrem Wunsch keinen Erfolg. Es gingen viele Briefe von auswärts untergebrachten ehemaligen Frankfurtern mit Gesuchen um Aufnahme in einem Frankfurter Altersheim ein, die meist abgelehnt wurden.52 Auch Ende der 1950er Jahre stellte der Verwaltungsleiter des Fürsorgeamtes, Baldes, in einer Anfrage an andere Städte die Situation in Frankfurt als schwierig dar: Es seien nach 1945 etwa 1.315 Betten für alte und pflegebedürftige Leute erstellt worden, 900 „alte Leute“ seien jedoch in auswärtigen Heimen untergebracht, und das Wohnungsamt habe 13.000 rückkehrwillige Evakuierte registriert, von denen mit größter Wahrscheinlichkeit eine beträchtliche Anzahl heimbedürftige Menschen seien.53 Unterzubringen waren auch alte Menschen, die in der Stadt noch zu Hause lebten, aber allein aufgrund der schwierigen Wohnverhältnisse ihren Alltag nicht mehr bewältigen konnten. Diese Menschen wurden teilweise von den Fürsorgerinnen des Fürsorgeamtes im Außendienst besucht. Die offene Fürsorge für alte Menschen bestand darin, dass die Fürsorgerinnen aus der Altersfürsorge, die allerdings nur wenige waren, und die Fürsorgerinnen der dezentralisierten Kreisstellen des Fürsorgeamtes, wenn sie von Nachbarn, Verwandten etc. Kenntnis davon bekamen, alte Menschen in ihren Wohnungen zu Hause aufsuchten und über ihren Zustand kurze Berichte anfertigten; in diesen Hausbesuchen wurde gegebenenfalls die Heimeinweisung besprochen. Der Fall einer an Krebs erkrankten alten Frau, die völlig geschwächt in einem ungeheizten Zimmer lag, gab 1949 Anlass, diese Besuche von Fürsorgerinnen zu systematisieren. Eine Rundverfügung wurde an alle Bezirksbeamten herausgegeben, dass alle Fürsorgefälle mit der Diagnose „Krebs“ der Für-

bedeute, so dass vielleicht Personal frei werde (ISG, Magistratsakten 8966, RechneiamtFinanzverwaltung, Frankfurt a. M., den 27. Juli 1950 betr. Unterbringung von Pfleglingen der Pflegeanstalt Hohenwald im Krankenhaus Köppern). 52 Siehe auch ISG, Fürsorgeamt 16, Auszug aus der Niederschrift über die Sitzung der Wohlfahrtsdeputation vom 28. März 1952, OVD Baldes über die Aufnahme von Frankfurter Insassen auswärtiger Altersheime in neu zu errichtende Frankfurter Heime: „OVD Baldes trägt vor, dass das Amt überschwemmt werde mit Anträgen von Frankfurtern, die in auswärtigen Heimen untergebracht seien und auf die Nachricht, dass in Frankfurt a. M. neue Altersheime gebaut würden, dringend um Rückverlegung bäten. Es sei aber z. Z. unmöglich, diesen Anträgen stattzugeben, da insgesamt nur rd. 250 neu geschaffene Altersheimplätze zur Verfügung stünden, aber 1100 Frankfurter in auswärtigen Heimen untergebracht seien[.] Andererseits würden die neuen Plätze dringend gebraucht, um alte Leute unterzubringen, die Wohnraum in Frankfurt a. M. freimachten, in den Bunkerund Lager-Insassen eingewiesen werden könnten. […] Weiter sei zu bedenken, dass die Krankenhausbetten noch nicht in genügender Zahl zur Verfügung stünden, um die Frankfurter Bevölkerung einschließlich der 600.000 Pendelarbeiter zu versorgen, eine Hereinnahme von alten, leicht krankheitsanfälligen Leuten u. U. auch auf diesem Sektor zu Schwierigkeiten führe.“ 53 ISG, Fürsorgeamt 873, Bl. 11, Oberverwaltungsdirektor Baldes, Magistrat der Stadt Frankfurt, Sozialverwaltung, Juni 1957.

2.3 Frankfurt: Aufgaben der Abteilung Altersfürsorge

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sorgerin zur Prüfung der häuslichen Verhältnisse vorzulegen seien.54 Eine weitere Rundverfügung im Frühjahr 1949 bemerkte: In letzter Zeit ist die Abteilung Altersfürsorge wiederholt durch Außenstehende auf trostlose Verhältnisse alleinstehender, alter oder kranker Unterstützungsempfänger aufmerksam gemacht und um Hilfe angegangen worden. Dies veranlaßt dazu, darauf hinzuweisen, daß, sobald die Kreisstelle Kenntnis von Erkrankung, Siechtum oder Pflegebedürftigkeit Alleinstehender erhält, die Akten der Fürsorgerin zur umgehenden Prüfung zuzuleiten sind. Im übrigen sind die ehrenamtlichen Mitarbeiter anzuhalten, alleinstehende alte oder kranke Personen ihres Bezirkes in ihre besondere Betreuung und Überwachung zu nehmen.55

Auf Veranlassung einer Bürgerin56 besuchte eine Fürsorgerin 1951 eine 66-jährige Witwe, deren eigenständiges Wohnen allein dadurch fast unmöglich wurde, dass sie kein Heizmaterial vom Keller in die Wohnung im vierten Stock tragen konnte. Dennoch sprach sich die Fürsorgerin gegen eine Heimunterbringung aus: Außerdem besteht Frau Wagner ausdrücklich darauf, falls eine Heimunterbringung künftig doch einmal notwendig werden sollte, unter allen Umständen in Frankfurt/M. untergebracht zu werden. Dieses ist erfahrungsgemäß eine vollkommen aussichtslose Angelegenheit. Weiterhin möchte sie sich unter keinen Umständen von ihren Möbeln trennen und diese mit ins Heim nehmen. Auch hier entstehen zahlreiche Schwierigkeiten. Frau Wagner hat eine etwas querulante Art und wäre m. E. im Heim keine erfreuliche Erscheinung. […] Dieses wird auch von den Evangelischen Schwestern der Eichwaldstraße, mit denen eingehend über Frau Wagner gesprochen wurde, bestätigt. Die Schwestern sehen regelmäßig nach ihr […]. Die Evangelischen Schwestern wollen sich darum bemühen, Frau Wagner, sobald dieses dringend erforderlich ist, in einem ihrer Heime in Ffm. unterzubringen. Zur Zeit ist auch dort kein Platz frei. Man wird aber die Angelegenheit im Auge behalten. […] Die Fürsorgerin hat jedenfalls den Eindruck, daß z. Zt. im Falle Wagner nichts veranlaßt werden muß.57

Die Besuche der Gemeindeschwester sah die städtische Fürsorgerin als ausreichend an; Angebote einer häuslichen Versorgung wurden der Witwe also nicht gemacht, eine altersgerechtere Wohnung konnte ihr nicht angeboten werden. Eine weitere Gruppe, die mit Heimplätzen versorgt werden musste, waren alte Menschen, die – zusammen mit anderen Altersgruppen – in Bunkern untergebracht waren. Auch in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre gab es noch Wohnbunker in der Stadt, die allmählich geräumt wurden. Älteren Menschen aus diesen Wohnbunkern wurde nahegelegt, in ein Altenheim zu ziehen, auch wenn sie noch nicht sehr alt und pflegebedürftig waren; manchmal weigerten sich die Betroffenen jedoch und bestanden auf Zuweisung einer Wohnung.58 54 ISG, Fürsorgeamt 860, Alters- und Siechenfürsorge, i. A. Brühl, 3. März 1949. 55 ISG, Fürsorgeamt 860, Vorgehen des Außendienstes Nr. 2 vom 6. April 1949. 56 ISG, Fürsorgeamt 860, Schreiben Gertrud L. an Herrn Großmann vom Fürsorgeamt, 25. Juli 1951. 57 ISG, Fürsorgeamt 860, Bericht der Fürsorgerin, 31. Juli 1951. 58 ISG, Fürsorgeamt 863, Altersfürsorge an die Fürsorgeleitung, betr. weibliche Personen im Schifferbunker, 17. Juli 1956.

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2. Kommunale Altenhilfe in der Nachkriegszeit

Kleinwohnungen speziell für alte Menschen gab es in der Stadt zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht. 2.4 Altenwohnungen, Altenwohnheime und offene Altersfürsorge Kleinwohnungen in Wohnstiften oder im genossenschaftlichen Wohnungsbau für Rentner wurden schon in der Weimarer Republik errichtet. Sie entstanden, um der neuen Gruppe der verarmten Kleinrentner Obdach zu bieten, die nicht zur traditionellen Armutsbevölkerung gehörten und (noch) nicht „siech“ waren. Die Riehler Heimstätten in Köln wurden 1926 als dreigeteiltes Wohn-, Alten- und Pflegeheim geplant.59 Die Kleinwohnungen hatten jeweils eine eigene kleine Küche, und im Gegensatz zum Altenheimbezug konnten und sollten eigene Möbel mitgebracht werden. Den Wohnungen waren Gemeinschaftseinrichtungen zugeordnet; eine Hausmutter und Krankenschwester kümmerten sich um die Belange der Bewohner. Die Zielgruppe waren alte Menschen mit geringen Renten. Tatsächlich wurde das Wohnheim jedoch sehr heterogen belegt und erinnerte, laut Conrad, damit wieder an alte Armenhäuser.60 In Freiburg gab es schon seit den 1930er Jahren Altenwohnungen für minderbemittelte, nicht pflegebedürftige Rentner, sogenannte Kleinrentnerwohnungen.61 Ein Motiv für diesen Wohnungsbau in der Weimarer Republik war, dass damit alte verarmte Mittelständler ihre größeren Stadtwohnungen frei machten für Familien62 – ein Motiv, das im Nationalsozialismus weiter an Bedeutung gewann und im Krieg zunehmend aggressiv durchgesetzt wurde63; um wirklich in großem Stil alte Menschen aus ihren großen Wohnungen drängen zu können, gab es jedoch stets zu wenige Kleinwohnungen in Altenwohnheimen sowie einen Altenheimplatzmangel. Nach dem Krieg, bevor überhaupt mit dem Bau von Altenwohnungen angefangen wurde, gab es Stimmen im „Deutschen Verein“, Kasernen und Barackenlager auszubauen, um Alte dort aufzunehmen, die ihre Wohnungen für Familien frei machten.64 In den behördlichen Überlegungen zum Altenheimbau in Frankfurt findet sich dieses Motiv kaum. Durch den Bau von Altenheimen und später von Altenwohnungen im sozialen Wohnungsbau wur59 60 61 62 63

Zu den Riehler Heimstätten Conrad (1994), S. 276–288; Sostmann (2008), S. 93 ff. Conrad (1994), S. 285. Flamm (1958), S. 323. Conrad (1994), S. 285. Irmak (2002), S. 107–110, 113. Während des Bombenkrieges gab es große Aktionen, mit denen pflegebedürftige alte Menschen, die schon in Heimen untergebracht waren oder deren versorgende Familien ausgebombt worden waren, in die Landesheilanstalten verlegt wurden; zum Teil wurden dann rüstige alte Menschen in die Altenheime einquartiert, sofern diese noch bestanden, und „arbeitsfähige“ Menschen in die frei gewordenen Wohnungen gesetzt. 64 -mo- (1948). Wenn möglich, sollten die Alten jedoch innerhalb der Familienwohnung untergebracht werden.

2.4 Altenwohnungen, Altenwohnheime und offene Altersfürsorge

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den tatsächlich nur selten Familienwohnungen in der Stadt frei, da die meisten Bewerber um eine Altenwohnung aus sehr notdürftigen Unterkünften umzogen oder aber Evakuierte waren, die in die Stadt zurückzogen. Für viele alte Leute war es überhaupt erst wieder der Einzug in eine abgeschlossene Wohneinheit, da sie vorher nur in Untermietverhältnissen oder Einzelzimmern untergebracht waren.65 Auch alten Alleinstehenden wurde mit den Altenwohnungen der Anspruch auf eine abgeschlossene Wohnung zugestanden. Diese abgeschlossene Wohneinheit, die alle Funktionen zum Bereiten von Mahlzeiten und zur Körperpflege auf kleinem Raum umfasste, war eine verkleinerte Variante der abgeschlossenen Familienwohnung, jedoch meist ohne Trennung von Wohnen und Schlafen. Im „Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge“, in dem bis dahin die Versorgung mit Heimplätzen im Vordergrund stand, fanden in den 1950er Jahren Forderungen nach offener Altersfürsorge und anderen Wohnformen für alte Leute Niederschlag in den Beiträgen im Nachrichtendienst sowie in den Vorträgen und Diskussionen auf den Fürsorgetagen. Alfred Depuhl vom „Reichsverband für evangelische Alters- und Siechenfürsorge“ sprach sich auf dem Fürsorgetag 1953 gegen den zeitgenössischen Heimausbau aus, denn der alte Mensch gehöre in die Familie und nur in Ausnahmefällen ins Heim.66 Anstelle der Heimpflege für familienlose alte Menschen schlug er Pflegestellen in Familien vor. Doch neben dieser familiären Versorgung plädierte er für eine stark erweiterte Bedeutung der „Altersfürsorge“: „Sie muss ausgebaut werden. Jeder ältere Mensch muß in das Blickfeld der Fürsorge rücken.“67 Pflegende Familienangehörige sollten durch vorübergehende Heimaufnahme von Alten entlastet werden. Angebote für alte Menschen, die außerhalb ihrer Familien lebten, sollten hinzukommen: Mahlzeitenlieferungen und Tagesheime (Klubs) statt traditioneller Wärmehallen. Depuhls Altersfürsorge sah ehrenamtliches Engagement durch Patenschaften und Jugendarbeit vor, jedoch auch das Engagement der öffentlichen und freien Wohlfahrtspflege, die Gemeindeschwestern und Fürsorgerinnen für Hausbesuche stellten. Die Altersfürsorge sei schwieriger als die Jugendfürsorge. „Die Berichte der Fürsorgerin über die Nöte der Alten werden erkennen lassen, wie die Schaffung von Haushilfen oder der Transport von warmen Mahlzeiten für einsame Alte notwendig ist.“68 Vorbild für den Ausbau könne England sein, auch wenn dort schon die Gefahr bestehe, dass der alte Mensch wegen der vielen Angebote nicht mehr zur Ruhe komme. Obwohl Depuhl die alten Menschen idealerweise in der Familie verortet sehen wollte, wurde in der Aussprache der Arbeitsgruppe „Die Familie und die Alten“ auf dem Fürsorgetag der Bau von Altenwohnungen gefordert: Ziel sei es, damit allein lebenden Alten, die bisher in unzureichenden Untermietverhältnissen wohnten, die Freiheit zu ermöglichen, im eigenen Zimmer mit Kochnische zu leben. Die 65 66 67 68

Siehe Kapitel 3.3.4. Depuhl (1954), S. 38. Depuhl (1954), S. 38. Hervorhebung im Original. Depuhl (1954), S. 38.

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2. Kommunale Altenhilfe in der Nachkriegszeit

Altenwohnheime sollten eine fürsorgerische Leitung haben und einen gemeinsamen Aufenthaltsraum für kulturelle und sonstige Zwecke zur Verfügung stellen. Ein Vorbild sah man in Berliner Altenwohnheimen, in denen Besorgungen durch sogenannte Heinzelmännchen ausgeführt würden.69 Angedacht war also, alten Menschen einen abgeschlossenen Raum mit eigener Kochmöglichkeit zu geben, so dass sie sich mit Mahlzeiten selbst versorgen konnten. Gleichzeitig sollte jedoch ein gemeinsames Wohnen von ausschließlich alten Menschen in einem Haus, das eine Leitung haben sollte, das Zusammenkommen der Bewohner in Gemeinschaftsräumen und eventuell Hilfe bei den Besorgungen ermöglichen. Der Bau von Altenwohnungen würde so weitere Dienstleistungen nach sich ziehen müssen. Eine Umfrage des „Deutschen Vereins“ 195470 in verschiedenen Bundesländern brachte das ernüchternde Ergebnis, dass es in den Ländern der Bundesrepublik keine speziellen Wohnbauprogramme für alte Leute gab.71 In Bayern wurde das Fehlen eines solchen Programmes mit der insgesamt bestehenden großen Wohnungsnot, die eine besondere Berücksichtigung alter Leute nicht zulasse, begründet. In einigen Städten bzw. Stadtstaaten gab es jedoch zu diesem Zeitpunkt schon Altenwohnheime, teilweise ohne Gemeinschaftseinrichtungen. Der Deutsche Städtetag wünschte ein gestaffeltes System an Unterbringungsmöglichkeiten, „angefangen von kleinen Erleichterungen bis zur Vollversorgung“.72 Auf dem Land gab es laut Deutschem Landkreistag keine Altenwohnungen. Wenn es sich nicht um Flüchtlinge handele, würden die Alten in der Familie bleiben, dies aber erst „nach Regulierung der Versorgungsbezüge“ und damit zum Teil nicht in der unmittelbaren Nachkriegszeit; nun aber seien die alten Leute wieder „gerngesehene Hausgenossen“.73 In Frankfurt beschäftigte sich die Stadtverwaltung in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre erstmalig mit Altenwohnungen statt -heimen. In der Sitzung der Wohlfahrtsdeputation am 24. April 1956 besprachen die Deputationsmitglieder die Schaffung von Wohnheimen für alte Ehepaare und alleinstehende ältere Leute und erinnerten dabei an das ehemalige Budgeheim, ein Wohnstift für jüdische und christliche alte Menschen, das in der Weimarer Republik 69 Aussprache der Arbeitsgruppe 3 (1954), S.  42. Altenwohnungen gab es auch in Wien schon in den 1950er Jahren, die „Heimstätten“, siehe Rosenmayr/Köckeis (1965), S. 50 ff. Hier konnten in den 1960er Jahren auch schon die Wohnbedingungen in solchen Altenwohnungen untersucht und Empfehlungen und Richtlinien für die Wohnungs- und Siedlungsplanung gegeben werden (S. 181–194). 70 Schaffung von Alterswohnheimen und Kleinstwohnungen als sinnvolle Ergänzung der Altersheime (1954). 71 Nach § 16 des 1. Wohnungsbaugesetzes vom 24. April 1950 (BGBl. I, 1950, Nr. 16 vom 26.4.1950, S. 83) konnten im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus auch die Bedürfnisse von alleinstehenden und betagten Personen berücksichtigt werden. Nach der Neufassung war keine ausdrückliche Berücksichtigung mehr vorgesehen (25. August 1953, BGBl. I, 1953, Nr. 54 vom 29.8.1953, S. 1047). 72 Schaffung von Alterswohnheimen und Kleinstwohnungen als sinnvolle Ergänzung der Altersheime (1954), S. 191. 73 Schaffung von Alterswohnheimen und Kleinstwohnungen als sinnvolle Ergänzung der Altersheime (1954), S. 192.

2.4 Altenwohnungen, Altenwohnheime und offene Altersfürsorge

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den Typ eines echten Alterswohnheimes verkörpert habe. Dort sei die Möglichkeit vorhanden gewesen, die eigenen Möbel und Haushaltsgeräte mitzubringen. Die Stadt wolle nun solche Heime neu errichten. In der Sitzung wurde von der Besichtigung englischer Altenwohnheime berichtet, die in der unmittelbaren Nähe eines Altenheimes errichtet seien, so dass die Alten, die sich nicht mehr selbst versorgten, übersiedeln könnten. Der Sozialdezernent Rudolf Prestel sprach sich für eine solche dreigliedrige Kombination aus Pflegeheim, Altenheim und Altenwohnheim in Frankfurt aus.74 Auch in anderen Städten plante man zu diesem Zeitpunkt Altenwohnungen statt des weiteren Ausbaus von Altenheimen. Die Bremer Sozialverwaltung antwortete auf eine Anfrage der Stadt Frankfurt: „Wir glauben festgestellt zu haben, daß der Bedarf an Altenwohnheimen größer ist als an Altenheimen. Es sollte auch unser Bestreben sein, derartige Bauten zu fördern, damit die alten Leute solange wie möglich selbständig bleiben und dadurch noch mehr Interesse am Leben zeigen.“75 Frankfurter Wohnungsbaugesellschaften setzten sich für den Bau von Alterswohnheimen ein, machten aber in der vermuteten Nachfrage Unterschiede zwischen den Geschlechtern.76 Der Geschäftsführer der „Gemeinnützigen Gesellschaft für Wohnheime und Arbeiterwohnungen“ führte gegenüber der Presse aus: Altersheim wie Alterswohnheim werden gebraucht, um die verschiedenen Bedürfnisse zu befriedigen. Denn es ist ja nicht so, daß alte Leute unbedingt und ständig die Hände in den Schoß legen wollen. Wer Pflege braucht, wer – was vor allem bei alleinstehenden alten Männern der Fall ist – sein Essen gekocht und die Kleidung in Ordnung gehalten haben muß, der ist zweifellos in einem regelrechten Heim besser aufgehoben.77

Diese Sicht teilte auch eine Mitarbeiterin der Abteilung für Altersfürsorge: Altenwohnungen ohne Verpflegung eigneten sich ihrer Meinung nach besonders für Frauen oder Ehepaare, da alleinstehende alte Männer meist nicht zurechtkämen. Für Männer seien Wohnungen mit Mittagstisch und Reinigung besser geeignet.78 Könne man sich aber selbst versorgen oder als altes Ehepaar die häuslichen Pflichten teilen, dann werde fast immer der eigenen Wohnung, und sei sie noch so klein, der Vorzug gegeben. Hier lasse sich kochen, was einem schmecke und bekomme, man könne Anschaffungen nach den eigenen Wünschen tätigen und so leben, wie man es bisher gewohnt war: „Alte Menschen sind vielfach individualistischer als jüngere. Sie haben sich in 74 ISG, Fürsorgeamt 18, Sitzung der Wohlfahrtsdeputation, 24. April 1956. 75 ISG, Fürsorgeamt 873, Bl. 17, Antwort des Bremer Senates für das Wohlfahrtswesen an den Oberverwaltungsdirektor Baldes, Magistrat der Stadt Frankfurt, Sozialverwaltung, vom 11. Juni 1957 auf eine Frankfurter Anfrage an andere Städte. 76 ISG, Fürsorgeamt 873, Bl. 42, Presseausschnitt: Probleme alter Leute. Die eigenen vier Wände. Das Altersheim ist nicht immer die richtige Lösung, in: FNP, 22. Mai 1958. 77 ISG, Fürsorgeamt 873, Bl. 42. 78 ISG, Fürsorgeamt 873, Bl. 78–91, Bericht über die Informationsreise nach Hamburg, Bremen, Dortmund, Duisburg und Köln vom 11. bis 15. August 1959 zur Besichtigung von Wohnstätten, hier Bl. 82.

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2. Kommunale Altenhilfe in der Nachkriegszeit

den Jahrzehnten ihres Daseins einen Lebensstil und Eigenheiten angewöhnt, deren Abgewöhnung niemand verlangen kann.“79 1959 fuhren Mitglieder der Frankfurter Sozialverwaltung und des Wohnungsamtes, Mitarbeiter der Genossenschaften sowie Stadtverordnete in andere Städte, um Wohnstätten für alte Menschen zu besichtigen.80 Der Reisebericht zeigt, dass in vielen Städten Wohnungen speziell für alte Menschen bestanden, diese jedoch zum Teil kaum den Anforderungen an eine „abgeschlossene Kleinwohnung“ genügen konnten und es oft keine über das Wohnrecht hinausgehenden Angebote an die alten Bewohner gab. In Hamburg besichtigten die Frankfurter Stiftswohnungen, die lediglich Unterkunft boten und wenig Versorgung. Daneben gab es in Hamburg einen „Rentner-Wohnblock“ der Sozialbehörde, der mit öffentlichen Mitteln erstellt wurde, ein dreigeschossiger Wohnblock ohne Fahrstuhl, mit Laubengang und 250 Wohneinheiten. Eigene Toiletten hatten nur die Wohnungen der Ehepaare, die übrigen Bewohner benutzten Gemeinschaftstoiletten. Jede Wohneinheit verfügte über eine kleine Einbauküche. Die Badezeiten im Gemeinschaftsbad wurden vom Hausverwalter bekanntgegeben. Es gab eine Gemeinschaftswaschküche zur Selbstbedienung. Weitere Betreuung oder Verpflegung wurden nicht angeboten. Das sehr große dreigliedrige Altenheim Groß-Borstel, getragen von der Sozialbehörde, bestehend aus Stiftswohnungen, Alters- und Pflegeheim, bot Platz für beinahe 2.000 alte Menschen. Die Stiftswohnungen hatten eine Kochnische, aber keine eigenen Bäder. Schwestern der Pflegestation kümmerten sich um vorübergehend pflegebedürftige Bewohner. Den Vorteil im dreigliedrigen System sah man darin, dass die Bewohner das „beruhigende Gefühl“ hätten, dass man sich um sie kümmere, wenn sie krank würden.81 Insgesamt gab es zu diesem Zeitpunkt etwa 7.000 Wohnungen für alte Menschen in Hamburg, die jedoch häufig nur aus einem Zimmer bestanden. Zum Teil waren diese Wohnungen nicht in Altenwohnanlagen untergebracht, sondern „gestreut“ in Wohngebieten. Auch in Bremen gab es Stiftswohnheime, die zum Teil schlecht ausgestattet waren.82 In Dortmund hatte die Arbeiterwohlfahrt ein „Altenwohndorf“ mit 16 Häusern für 200 Menschen in der Annahme errichtet, dass viele alte Leute „eine Antipathie gegen Heime haben“.83 Hier wohnten etwa 85 alleinstehende Männer. Diese lebten in einer Art Wohngemeinschaft, die allerdings noch nicht so genannt wurde, zusammen: Drei bis vier Männer teilten sich ein Wohnzimmer. Gemeinschaftsmahlzeiten waren möglich, auch eine Pflegestation war angegliedert. Möbel konnten mitgebracht werden, wurden aber zumeist von der Arbeiterwohlfahrt gestellt. Die Häuser waren zweistöckig, 79 ISG, Fürsorgeamt 873, Bl. 42. 80 ISG, Fürsorgeamt 873, Bl. 78–91, Bericht über die Informationsreise nach Hamburg, Bremen, Dortmund, Duisburg und Köln vom 11. bis 15. August 1959 zur Besichtigung von Wohnstätten. 81 ISG, Fürsorgeamt 873, Bl. 82. 82 ISG, Fürsorgeamt 873, Bl. 84. 83 ISG, Fürsorgeamt 873, Bl. 85.

2.4 Altenwohnungen, Altenwohnheime und offene Altersfürsorge

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alle Räume hätten Warmwasser, jedoch keine eigenen Bäder, sondern nur Gemeinschaftsbäder und -toiletten. Die Zubereitung von Speisen in der Wohnung war nur eingeschränkt möglich, da es nur eine Kochplatte gab. Ursprünglich war Selbstverpflegung geplant gewesen, die meisten Bewerber wünschten jedoch Verpflegung – möglicherweise, wenn auch hier nicht ausgeführt, war dies dem hohen Anteil alleinstehender Männer geschuldet. 20 Prozent der Plätze wurden für Rentner und Fürsorgeunterstützte vorgehalten, für die übrigen Plätze gab es bei der Vergabe keine Einkommensgrenzen. In Köln wurden seit 1954 18 Alterswohnheime mit 1.700 Plätzen gebaut und weitere geplant.84 Die ambulante Betreuung sollte Vorrang vor fürsorgerischen Maßnahmen haben, erwies sich aber wegen Personalmangels als schwer durchführbar. Grundlage der Belegung in den neu gebauten Wohnheimen war ein Mietvertrag zwischen Bewohner und privater Wohnungsbaugesellschaft; die Stadt Köln hatte ein Mieterbenennungsrecht für die Erstbelegung, da sie hohe Darlehen gestellt hatte. Berücksichtigt würden rüstige Menschen über 65, die unter einem bestimmten Einkommen blieben.85 Es wurde keine Verpflegung angeboten, besonderes Betreuungspersonal war nicht vorgesehen.86 Die Stadt Köln machte den Unterschied zum Altenheim deutlich: Es handele sich nicht um Wohnheime, sondern um reguläre Mietwohnungen, die lediglich besonders auf die alten Leute zugeschnitten worden seien. Daher gebe es auch keine Heimordnungen.87 Gemeinsames Merkmal dieser Altenwohnungen in allen Städten war ein relativ geringer Wohnraum pro Bewohner, der allerdings den persönlichen Platz in einem Alters- oder Pflegeheim deutlich überschritt und auch über der damaligen Durchschnittswohnfläche auf dem sonstigen Wohnungsmarkt lag.88 Die Ausstattung der Wohnungen (teilweise mit Einbauküche und eigenem Bad) war sicher gut; in vielen der Altenwohnungen, die Ende der 1950er Jahre bestanden, gab es zwar eine Kochmöglichkeit, die, da keine Verpflegung angeboten wurde, auch genutzt werden musste, jedoch kein eigenes Bad und keine eigene Toilette. Daraus resultierte, dass die Badbenutzung in Heimordnungen zum Teil relativ rigide geregelt werden musste.89 84 ISG, Fürsorgeamt 873, Bl. 88. 85 ISG, Fürsorgeamt 873, Bl. 88. 86 Vgl. dazu auch Blume (1962), S.  117 ff. In seiner Untersuchung wird der Unterschied zwischen den Riehler Heimstätten mit Wohnstiftshäusern und den Alterswohnhäusern sehr deutlich. Die Stiftswohnungen hatten Betreuungspersonal und Gemeinschaftsräume, die Alterswohnhäuser waren nichts weiter als eine Zusammenfassung von vielen Kleinwohnungen für alte Menschen in einem Gebäude. 87 ISG, Fürsorgeamt 873, Bl. 88. 88 http://www.fes.de/fulltext/stabsabteilung/00518.htm (letzter Zugriff: 12.10.2016). 89 Relativ rigide war auch die Heimordnung des Altenwohnheimes in Nürnberg, hier in ISG, Fürsorgeamt 873, Satzung für die Alterswohnheime der Stadt Nürnberg, Bl. 70, veröffentlicht im Amtsblatt der Stadt Nürnberg Nr. 30 vom 24. Juli 1953. § 15 sah Schließen der Tore um 21 Uhr vor und Öffnen nur durch Pförtner. Der Ausgang stehe den Bewohnern frei, jedoch mussten sie, wenn sie die Wohnung über Nacht verließen, die Heimleiterin verständigen. Nach Eintritt der Dunkelheit durften sich die Bewohner nicht mehr im Garten aufhalten. Besuche waren nur bis zum Torschluss möglich.

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2. Kommunale Altenhilfe in der Nachkriegszeit

Als Fazit aus der Informationsreise im Jahr 1959 zog die Abteilung Altersfürsorge in Frankfurt den Schluss, dass Altenheime mit Mehrbettzimmern und Schlafsälen überholt seien.90 Es empfehle sich künftig, Altenheime, Wohnheime und Pflegeheime zu verbinden. Auf geschlossene Siedlungen und Dörfer solle man verzichten, da die alten Leute am pulsierenden Leben dieser Zeit teilnehmen und nicht davon entfernt und abgeschoben sein wollten. Wohnsiedlungen mit mehr als 300 älteren Personen seien nicht angenehm. Man solle kleine, zweckmäßige Wohntypen in die neuzeitlichen Siedlungen einstreuen91 und eine möglichst große Zahl von Varianten anbieten. Ein Aufzug wurde nicht unbedingt als notwendig erachtet, er sei nur zwingend bei Bauten, die vier Stockwerke und mehr hätten; wenn es der Raum gestatte, sollten eingeschossige Bauten errichtet werden. Dagegen bejahten 1962 in einer Untersuchung zwei Drittel der befragten Bewohner in Kölner Wohnstiften die Frage, ob das Treppensteigen Beschwerden mache, und fast die Hälfte würde gern einen Aufzug benutzen und dafür sogar mehr bezahlen, obwohl die Wohnstifte meist nur zwei Stockwerke hatten.92 Solche Bewohnerbefragungen waren jedoch nicht Teil der Informationsreise und standen nicht am Beginn des Frankfurter Altenwohnungsbaus. Um dem alten Menschen möglichst lang individuelle Freiheit zu erhalten, die ihm eine Altenwohnung biete, müsse die „sogenannte offene Altersfürsorge“ ausgebaut werden: „Dies bedeutet verstärkten Einsatz von Gemeindekrankenpflege, Hauspflege und Nachbarschaftshilfe.“93 Träger einer verbesserten Altenfürsorge seien neben der Kommunalverwaltung gemeinnützige Gesellschaften, Vereine, Stiftungen und konfessionelle Einrichtungen sowie freie gemeinnützige Verbände der Wohlfahrtspflege. Das Wohnen alter Menschen wurde damit in der Abteilung Altersfürsorge erstmals in Verbindung gebracht mit der Entwicklung der offenen Altenhilfe. 2.5 Offene Räume für alte Menschen: Wärmestuben mit Essensausgabestellen In der Nachkriegsnot wurde am 30. Oktober 1946 die Errichtung von Wärmestuben in sämtlichen Stadtteilen von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen.94 Die Stadt plante die Wärmestuben zusammen mit den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege als Räume, von denen eine „gewisse menschliche und wohnliche Wärme“ ausgehen sollte. Zeitungen, Spiele und Zeitschriften sollten ausliegen und von den freien Organisationen Lese- und Singabende veranstaltet werden. Auch die Essensausgaben der „Volksküchen 90 91 92 93 94

ISG, Fürsorgeamt 873, Bl. 89. Diese „eingestreuten Wohnungen“ wurden später jedoch kaum verwirklicht. Blume (1962), S. 128. ISG, Fürsorgeamt 873, Bl. 90. ISG, Rechneiamt IV 60, Abschrift 19. November 1946.

2.5 Offene Räume für alte Menschen: Wärmestuben mit Essensausgabestellen

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GmbH“ dienten gleichzeitig als Wärmehallen, zudem richteten die Kirchen in einigen Gemeinde- und Pfarrhäusern Wärmestuben ein. Die Räume sollten von 9 bis 17 Uhr geöffnet haben, da „insbesondere ältere Personen es vorziehen, mit einbrechender Dunkelheit sich in ihre Wohnungen zurückzubegeben“.95 Einige Wärmehallen sollten darüber hinaus gerade für jüngere Menschen bis 20 Uhr zur Verfügung stehen. Tatsächlich hatten die Wärmestuben zum Teil nicht den ganzen Tag geöffnet, sondern machten eine Mittagspause oder öffneten erst um 10 Uhr und schlossen um 16 Uhr.96 Es gab zum Teil getrennte Aufenthaltsräume für Männer und für Frauen.97

Abbildung 2: Wärmestube, 1956, Fotograf: K. Weiner, © ISG

Wenn es auch in den 1950er Jahren noch keine Altenklubs in Frankfurt gab, so wurden doch einige der Wärmehallen überwiegend von Rentnern besucht und entwickelten sich später zu Altenklubs. Südlich des Mains wurde im November 1953 ein Gebäude bezogen; im Erdgeschoss war die Ausgabe der Städtischen Küchenbetriebe untergebracht, im ersten Stock hatte der Verein zum Betrieb gemeinnütziger Einrichtungen seine Wärmestube für Frauen und Männer, und im zweiten Stock lagen das Büro der Arbeiterwohlfahrt und die Hausmeisterwohnung.98 Der Speisesaal war gut 40 Quadratmeter groß und die Wärmestube im ersten Stock knapp 60 Quadratmeter. Der Bund für Volks95 ISG, Rechneiamt IV 60, Abschrift des Vortrages des Magistrats an die StadtverordnetenVersammlung die Einrichtung von Wärmehallen und Eßküchen in sämtlichen Stadtteilen betreffend, Frankfurt 19. November 1946; dazu Magistratsbeschluß vom 4. Dezember 1946. Es sollten zunächst 5.000 RM in den Haushalt eingestellt werden (ISG, Rechneiamt IV 60, Rechnei-Amt an den Herrn Oberbürgermeister, 16. Dezember 1946). 96 Mitteilungen der Stadtverwaltung Frankfurt a. M., 1947, Nr. 51, 20. Dezember 1947, S. 177. 97 Mitteilungen der Stadtverwaltung Frankfurt a. M., 1951, Nr. 50, 15. Dezember 1951, S. 232. 98 ISG, Rechneiamt IV 61, Fürsorgeamt an das Rechneiamt am 27. Januar 1953, Verweis auf Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 13. November 1952, § 1057, und des Magistrates vom 17. November 1952, Nr. 1660; Magistratsbeschluß Nr. 3170, 22. März 1954 (Mehrkosten).

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2. Kommunale Altenhilfe in der Nachkriegszeit

bildung mietete an vier Tagen in der Woche den Speisesaal und die Wärmehalle für jeweils drei Stunden.99 Die Bedeutung der Einrichtung für die Rentner machten einige Rentner Sachsenhausens in einer handschriftlichen Danksagung an den Magistrat deutlich: Die Rentner Sachsenhausens sind hocherfreut über die Errichtung der schönen Wärmehalle am Affentorplatz. Darin finden sie, besonders die Alleinstehenden, ein Haus in den Tagesstunden der Winterzeit, wo sie nicht mehr auf die Straße angewiesen sind, um Zerstreuung zu suchen. Die Eröffnung der Wärmehalle wurde durch Gesangsvorträge hoch erfreut, und die Rentner wurden gastlich bewirtet. Wir Unterzeichneten [sic!] fühlen uns für alle diese Wohltaten zum Dank gegen die städt. Körperschaften verpflichtet und wollen durch unsere Unterschriften unseren besten Dank zum Ausdruck bringen.100

Doch schon im Januar nach der Eröffnung schrieb ein Mitglied der Vereinigten Frankfurter Wohlfahrtspflege an den Stadtrat Dr. Prestel, die Verhältnisse in der „schönen Wärmestube auf dem Affentorplatz werden unerträglich“101: „Asoziale Elemente aus dem Schifferbunker“, „zweifelhafte Jugendliche und dirnenhaft aussehende weibliche Personen“ würden die Wärmestube besuchen. Wie diese verwahrlosten Gestalten aussehen, so benehmen sie sich auch in asozialer Weise. […] Der Unterzeichnete hat selbst beobachtet wie alte anständige Mitbürger, die einen Versuch zum Aufenthalt in der Wärmestube unternommen hatten, sofort wieder weggingen, weil ihnen diese widerlichen Zustände in dem Raum, der schlimmer aussieht wie ein polnischer Wartesaal V. Klasse, nicht zusagten.102

Der Vorschlag war, die Führung der Wärmestube dem Roten Kreuz zu übertragen, das bereits vier Wärmestuben betreute, und nur noch Sachsenhausener Einwohner einzulassen, die eine Ausweiskarte bekommen sollten. Bunkerinsassen und Obdachlose seien in andere Räume zu verweisen, die eingerichtet werden müssten.103 Die anschließende Überprüfung durch die Fürsorgerin der Kreisstelle 6 des Fürsorgeamtes, Frau Herrmann, konnte die negative Schilderung nicht bestätigen: „Bei der Besichtigung waren ältere Männer und einzelne Frauen anwesend, vermutlich alles Rentner und Unterstützungsempfänger, die bei durchaus ruhiger Athmosphäre [sic!] sich mit der Lektüre von Zeitungen und Illustrierten beschäftigten.“104 Die Nähe zum Schifferbunker bleibe jedoch „eine ständige Gefahr“ für die Einrichtung, und der Vorschlag war daher, im Anbau des Bunkers einen Aufenthaltsraum für dessen Bewohner einzurichten. Denn irgendwo müssten diese auch bleiben, wenn ihnen tagsüber die Schlafräume verschlossen seien.105 99 ISG, Fürsorgeamt 213, Dienstgebäude Affentorplatz, Mietangelegenheiten  – Wärmestube der Vereinigten Frankfurter Wohlfahrtspflege – 1953–1960, Bl. 6, Ermittlung der Heizkosten bzw. der Heizkostenanteile, Fürsorgeamt-Verwaltung am 15. Januar 1954. 100 ISG, Fürsorgeamt 213, Bl. 9, 24. November 1953, zwölf Unterzeichnende, darunter drei Frauen. 101 ISG, Fürsorgeamt 213, Bl. 11–12, 15. Januar 1954, Unterschrift: Gehb. 102 ISG, Fürsorgeamt 213, Bl. 11–12, 15. Januar 1954, Unterschrift: Gehb. 103 ISG, Fürsorgeamt 213, Bl. 11–12, 15. Januar 1954, Unterschrift: Gehb. 104 ISG, Fürsorgeamt 213, Bl. 12, Fürsorgeamt – Kreisstelle 6, Bericht vom 8. Februar 1954. 105 ISG, Fürsorgeamt 213, Bl. 12, Fürsorgeamt – Kreisstelle 6, Bericht vom 8. Februar 1954.

2.6 Gemeindekrankenpflege und Hauspflege

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Die Wärmestube hatte nur im Winter geöffnet und wurde Ende März geschlossen.106 Insgesamt wurden die Wärmestuben in der Stadt während der Wintermonate täglich von etwa 200 Menschen besucht; Stammgäste waren alte Menschen, in den Innenstadtwärmestuben jedoch auch Jüngere.107 Schon auf dem Fürsorgetag 1953 gab es Überlegungen im „Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge“, Altenklubs oder Altentagesstätten für alte Menschen einzurichten, die sich von den üblichen Wärmestuben darin unterschieden, dass sie nur für alte Menschen reserviert seien und ihnen die „Einsamkeit erleichtern“ sollten.108 In Berlin gab es 1957 schon Altentagesstätten109, in Frankfurt hingegen wurden erst im Zuge des ersten kommunalen Altenplanes 1960 „Häuser der offenen Tür für alte Leute“ oder „Altenklubs“ eingerichtet. Kirchengemeinden boten schon in den 1950er Jahren Nachmittage für alte Menschen an, die sich nicht wesentlich von den Klubaktivitäten der 1960er Jahre unterschieden (siehe Kapitel 3). Gemessen an den Forderungen des „Deutschen Vereins“ schon auf dem Fürsorgetag 1953 vollzog Frankfurt die Umwandlung von Wärmestuben in Altenklubs und den Ausbau der offenen Altersfürsorge relativ spät. 2.6 Gemeindekrankenpflege und Hauspflege 2.6.1 Gemeindekrankenpflege Ältere Menschen, die krank zu Hause waren, wurden von Gemeindekrankenschwestern besucht. Die Gemeindekrankenpflegestationen in der Nachkriegszeit trugen in Frankfurt konfessionelle Einrichtungen, der Evangelische Volksdienst und der Caritasverband.110 Es waren zum überwiegenden Teil sehr kleine Stationen mit oftmals nur einer, manchmal zwei bis vier Schwestern. Der Evangelische Volksdienst hatte insgesamt 73 Gemeindeschwestern in 43 Pflegestationen, die im Rechnungsjahr 1948/49 insgesamt 220.732 Besuche machten und 563 Nachtwachen durchführten.111 Vom Caritasverband wurden 25 Schwesternstationen mit 90 Schwestern unterhalten, die im selben Jahr 191.526 Krankenbesuche machten und 4.008, also eine sehr viel größere

106 ISG, Fürsorgeamt 213, Bl. 24, Vereinigte Frankfurter Wohlfahrtspflege, We/Schm, Berliner Straße 33/35 an das Hochbauamt, Abteilung Sozialbauten, Renovierung der Wärmestube, Frankfurt Sachsenhausen, 13. März 1957. 107 ISG, Fürsorgeamt 213, unpaginiert, Auszug aus der Niederschrift über die Sitzung der Vereinigten Frankfurter Wohlfahrtspflege am 16. Februar 1960. 108 Depuhl (1954), S. 39; -be- (1957), S. 323. 109 -be- (1957), S. 323. 110 Vgl. dazu Hackmann (2004); zu den unterschiedlichen Trägerschaften und Organisationsformen schon um 1900 Blessing (2014), S. 75 f. 111 ISG, Stadtgesundheitsamt – Sachakten 210, Bl. 49–50, Evangelischer Volksdienst, Aufstellung an das Fürsorgeamt, 8. April 1949.

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2. Kommunale Altenhilfe in der Nachkriegszeit

Zahl an Nachtwachen durchführten.112 Das Fürsorgeamt unterstützte die Gemeindekrankenpflege im Haushalt des Jahres 1949 mit insgesamt 65.480 DM, wovon 22.100 DM Straßenbahnfahrvergünstigungen betrafen. Im Haushaltsplan für 1951 waren es insgesamt schon 80.280 DM.113 Begründet wurde die Notwendigkeit des Zuschusses damit, dass dieser nur etwa 215 DM pro Jahr und Schwester ausmache und die Gemeindekrankenpflege den städtischen Haushalt entlaste, da bei Durchführung der Krankenpflege durch stadteigene Einrichtungen die Aufwendungen ein Mehrfaches betragen würden.114 1950 nahmen die Barmherzigen Brüder ihre ambulante Pflegetätigkeit mit vier bis fünf Brüdern, die nur männliche Kranke versorgten, auf; es wurden im zweiten Halbjahr 1950 38 Patienten von den Barmherzigen Brüdern versorgt und zu Hause besucht. Eine Aufstellung gibt die Tätigkeiten an: insgesamt 896 Krankenbesuche mit entsprechender Versorgung wie Waschen und Umbetten, 136 Nachtwachen, 23 Ganzpflegen bei Tag und Nacht, 195 Blasenspülungen, 125 Darmspülungen, 196 Injektionen, 153 Verbände, Massagen, Katheter, 22-mal Erste Hilfe bei Unfällen. Verstorben seien 17, und elf der 38 Patienten verblieben im kommenden Jahr zur Weiterpflege.115 Die Zahl der Schwestern (und Brüder) und vor allem die Zahl der Krankenbesuche stieg insgesamt in den kommenden Jahren leicht an, die der Nachtwachen hingegen ging zurück: Im Rechnungsjahr 1954/55 waren in den evangelischen Kirchengemeinden 87 Schwestern tätig, die 300.079 Krankenbesuche durchführten und 257 Nachtwachen, bei insgesamt 23.376 von ihnen betreuten Kranken116, und für den Caritasverband 88 Schwestern und Brüder, die 225.975 Krankenbesuche und 2.510 Nachtwachen absolvierten117. Damit machte eine Schwester der evangelischen Kirchengemeinden durchschnittlich 3.449 Besuche pro Jahr, dafür jedoch nur etwa drei Nachtwachen, eine katholische Schwester 2.568 Krankenbesuche und gut 28 Nachtwachen. Stellt man sich die große Zahl der Krankenbesuche verteilt auf die einzelnen 112 ISG, Stadtgesundheitsamt  – Sachakten 210, Bl. 74, betr. Schwesternstationen, CaritasVerband 24. Mai 1949. Das Zahlenverhältnis von evangelischen zu katholischen Schwestern kehrte sich in den folgenden Jahrzehnten um. 113 ISG, Stadtgesundheitsamt  – Sachakten 210, Bl. 103, Fürsorgeamt, Rechnungsführung, 8. Mai 1951. 114 ISG, Stadtgesundheitsamt – Sachakten 210, Bl. 115, Fürsorgeamt, 25. August 1951, Freigabe von Haushaltsmitteln bei U. A. 430, Haushaltsstelle 47, Förderung der Gemeindekrankenpflege, Antrag an den Magistrat. 115 ISG, Stadtgesundheitsamt – Sachakten 210, Bl. 99, Ambulante Krankenpflege der Barmherzigen Brüder, Frankfurt a. M. 116 ISG, Stadtgesundheitsamt – Sachakten 210, Bl. 170–171, Tätigkeitsbericht der ambulanten Krankenpflegestationen in den Frankfurter evangelischen Kirchengemeinden für die Zeit vom 1. April 1954 bis 31. März 1955. 117 ISG, Stadtgesundheitsamt  – Sachakten 210, Bl. 166–167, Tätigkeitsbericht Caritasverband, Tätigkeit vom 1. April 1954 bis 31. März 1955. Die Stadt Frankfurt bezuschusste zu diesem Zeitpunkt die beiden kirchlichen Organisationen mit je 24.000 DM und zusätzlich mit Freifahrten für die Straßenbahn (ISG, Stadtgesundheitsamt – Sachakten 210, Bl. 205, Fürsorgeamt, Gesundheitsfürsorge, an den Landeswohlfahrtsverband Hessen, 24. Oktober 1956).

2.6 Gemeindekrankenpflege und Hauspflege

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Tage vor, wird deutlich, dass die Schwestern nur von einem (kurzen) Besuch zum anderen eilen konnten. So sprach die Fürsorgeleitung in Frankfurt 1956 auch davon, dass die „Maximalgrenze für die Leistungsfähigkeit einer Schwester“ erreicht sei.118 Die Gemeindekrankenschwestern betonten in ihren veröffentlichten Berichten119 vor allem zwei Aspekte, die nicht die eigentliche Krankenpflege betrafen, über die sie sich kaum ausließen: Sie hoben die seelsorgerische Arbeit hervor, auch bei Sterbenden120, und in der praktischen Tätigkeit die hauswirtschaftliche Arbeit, die häufig in häuslichem Elend stattfinde: Auf meinen täglichen Gängen in der Gemeinde begegne ich manchem Elend, das vor der Außenwelt verborgen bleibt. Eine der Allerärmsten ist mir besonders in Erinnerung geblieben, da ich sie vier Monate lang jeden Tag zweimal besuchte. […] So herrschte in dieser Hütte [einer Gartenhütte, da die alte Frau ausgebombt war, K. M.] große Armut, Unordnung und Unsauberkeit. Für die Gemeindetasche war nie ein sauberes Plätzchen da. […] So nahm ich dieses reiche Arbeitsfeld in Angriff und fing bei der Kranken an. Sie mußte ja erst einigermaßen sauber werden. In der gegenüberliegenden Rumpelkammer fand ich einen kleinen Berg schmutziger, zerrissener, halb vermoderter Wäschestücke. Was noch einigermaßen zu gebrauchen war, wurde herausgesucht, und „die große Wäsche“ begann!121

Diese praktische Tätigkeit trat aber in der Bedeutung noch hinter die seelsorgerische Tätigkeit zurück, die von der Berichtenden als „das Schönste“ an dem Einsatz bezeichnet wurde: Sie faltete schon von selbst ihre Hände und wartete, aus dem Worte Gottes zu hören. Einige Tage vor ihrem Heimgang bat sie um das Mahl des Herrn. Es war ihr wie im Gotteshaus; denn so gut es möglich war, hatte ich einen Altar hergerichtet. Ein schlichtes Holzkreuz auf der Mitte des Tisches, davor die aufgeschlagene Bibel; zu beiden Seiten etwas Tannengrün und auf Leuchtern zwei brennende Kerzen. Sie ging im Frieden Gottes heim. […]122

Angesichts der Vielzahl von Besuchen, die in den Berichten an die Stadt aufgeführt wurden, scheinen die in der Chronik geschilderte zeitintensive Sterbebegleitung und umfassende hauswirtschaftliche Hilfe idealisierend dargestellt; 118 ISG, Stadtgesundheitsamt  – Sachakten 210, Bl. 212, Fürsorgeleitung im Auftrag hg, Frankfurt a. M., den 27. August 1956, Herrn OVD Baldes vorgelegt. 119 Hier wurden die Blätter aus dem Diakonissenhaus zu Frankfurt a. M. (seit 1970: Getrost und freudig. Blätter aus dem Diakonissenhaus Frankfurt a. M.) auf Berichte und Schilderungen zur Gemeindepflege bei alten Menschen durchgesehen. Gemeindepflege war das Hauptfeld der Arbeit Frankfurter Diakonissen; 1952 arbeiteten in 66 Gemeinden 92 Mutterhausschwestern und vier Verbandsschwestern, davon in 22 Gemeinden Frankfurts 41 bzw. 44 (1953) Mutterhausschwestern und vier Verbandsschwestern. Sie stellten damit einen Großteil der evangelischen Schwestern in Frankfurt. 120 Neben den hier zitierten Berichten siehe auch Blätter aus dem Diakonissenhaus zu Frankfurt a. M., H. 225, Juli/September 1954, Unsere Schwestern erzählen, S. 5 ff.; H. 220, April/ Juni 1953, Unsere Schwestern erzählen, S.  8 f.; H. 231, Januar/März 1956, Unsere Schwestern erzählen, S.  8; H. 243, Januar/März 1959, Unsere Schwestern erzählen, S. 16. 121 Blätter aus dem Diakonissenhaus zu Frankfurt a. M., H. 208, Januar–März 1950, S. 10 f. 122 Blätter aus dem Diakonissenhaus zu Frankfurt a. M., H. 208, Januar–März 1950, S. 11.

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2. Kommunale Altenhilfe in der Nachkriegszeit

die Stadt selbst verneinte in einer Umfrage, dass die Gemeindekrankenpflege hauswirtschaftliche Tätigkeiten durchführte; ihre Aufgaben beschränkten sich auf Betten, Spritzen- und Medikamentenverabreichung und umfassten nach Darstellung der Stadt nicht einmal die Körperpflege.123 2.6.2 Hauspflege 2.6.2.1 Organisatorische und finanzielle Grundlagen der Hauspflege Neben den Gemeindekrankenschwestern kümmerten sich Hauspflegerinnen um alte Menschen, die zu Hause lebten und Pflege brauchten. Die Hauspflege war nicht konfessionell getragen und sah im Unterschied zur Gemeindekrankenpflege hauswirtschaftliche Versorgung und Körperpflege vor. Der Frankfurter Hauspflegeverein bestand schon im Kaiserreich und in der Weimarer Republik und wurde 1948 wiedergegründet. Von seiner Leitung gingen wichtige Impulse für die bundesweite Entwicklung der Hauspflege aus. Der Hauspflegeverein begann seine Tätigkeit am 1. November 1892 auf Anregung des für das Armenwesen zuständigen Stadtrates Dr. Karl Flesch und seines Bruders, des Arztes Prof. Dr. Max Flesch. Der Verein war die erste Einrichtung dieser Art in Deutschland124 und wurde von der Stadt Frankfurt finanziell unterstützt125. Vereinsziel war die Aufrechterhaltung des Haushaltes und darüber hinausgehend des Zusammenhaltes der Familie bei Erkrankung und Verhinderung der Ehefrau in unbemittelten Arbeiterfamilien: Zur Erreichung dieses Zweckes wird der Verein ältere Frauen von unbescholtenem Rufe anstellen und denselben gegen angemessene Bezahlung die Besorgung des Hauswesens in den unterstützten Familien übertragen. Die Aufgabe der Pflegerinnen erstreckt sich insbesondere auf das Kochen der Mahlzeiten, das Reinigen der Zimmer, das Besorgen der Patientin und der Kinder und der sonstigen Arbeiten des Hauses, insoweit diese Arbeiten nicht vom Ehemann oder von erwachsenen Kindern übernommen werden können.126 123 ISG, Stadtgesundheitsamt – Sachakten 210, Bl. 216, handschriftlich von der Sozialverwaltung ausgefüllter Fragebogen des hessischen Städtetages, 29. Mai 1956. 124 Herz-Nave (1993), S. 165. 125 ISG, Wohlfahrtsamt 911, Jahresbericht des Hauspflege-Vereines zu Frankfurt a. M., XI. Jahrgang, 1903, S. 8. Gezahlt wurde der Einsatz selbst, vom Armenamt (überwiegender Teil) oder über die Hauspflege-Versicherung, nicht von der Krankenkasse. Überwiegend wurde die Tätigkeit jedoch durch Beiträge und Spenden der über 1.000 Mitglieder finanziert; ISG, Wohlfahrtsamt 911, Jahresbericht des Hauspflege-Vereines zu Frankfurt a. M., XI. Jahrgang, 1903, S. 9. 126 ISG, Fürsorgeamt 495, Auszug aus der Satzung des Hauspflegevereins veröffentlicht im öffentlichen Anzeiger zum Amtsblatt vom 4. April 1901, S.  186, Nr. 1249. An dieser Stelle kann nicht auf die Rolle der Hauspflegerinnen in den Familien und gegenüber den städtischen Ämtern eingegangen werden. Sie hatten Einblicke in die familiäre Versorgung, und da sie städtisch bezahlt wurden, hatten sie Berichtspflichten und damit auch eine gewisse Kontrollfunktion innerhalb der Familien, waren aber keine Fürsorgerinnen

2.6 Gemeindekrankenpflege und Hauspflege

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Einige Jahre später konnten die städtischen Arbeiter, Angestellten und Beamten einer Hauspflege-Versicherung beitreten, um im Falle der Erkrankung der Hausfrau eine Hauspflege bezahlt zu bekommen.127 In der Weimarer Republik wurde der Hauspflegeverein kommunalisiert.128 Für die Erkrankte selbst sorgte die Hauspflege, „soweit dies keine Sachkunde erfordert“, ansonsten waren Hebammen oder Gemeindeschwestern dafür zuständig.129 Die Hauspflege war damit zunächst nicht zuständig, um Anstaltsunterbringung bei alten Menschen, Sozial- und Kleinrentnern zu vermeiden oder hinauszuzögern  – Irmak sieht diese Begrenzung durch wohnungspolitische Absichten begründet130, doch dies kann bezweifelt werden. Denkbar ist, dass die Aufgabenänderung nach 1945 in den gewandelten familiären Strukturen lag. Die Hauspflegeabteilung im Fürsorgeamt wurde zum 1. April 1934 aufgelöst. Die Hauspflege sollte künftig unter der NS-Volkswohlfahrt von Frauen, die öffentliche Unterstützung erhielten, durchgeführt werden. Die geleistete Arbeit wurde nicht mehr entlohnt, es gab nur noch eine Zulage zur Unterstützung von 1 RM je Arbeitstag.131 Im August 1948 richtete die „Frankfurter Centrale für private Fürsorge“ unter der Geschäftsführerin Gerda von Craushaar wieder eine Hauspflegevermittlung ein, die 1954 als selbständiger „Hauspflege-Verein e. V.“ unter das Dach des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes (DPWV) ausgegliedert wurde.132 Die „Centrale“ wollte mit der Einrichtung eine doppelte Hilfe etablieren: Erstens sollte den Familien, in denen die Hausfrau erkrankt oder abwesend war, geholfen werden und unter Umständen die Erkrankte selbst gepflegt werden, zweitens sollte Frauen in schwieriger finanzieller Lage, wie zum Beispiel Kriegswitwen, die Möglichkeit eines Zuverdienstes gegeben werden.133 Die „Centrale für private Fürsorge“ ließ sich die Einrichtung vom Landesarbeitsamt genehmigen und kooperierte mit dem städtischen Arbeitsamt, um geeignete Frauen zu finden, die in der Lage waren, sowohl die Pflege von Erkrankten zu übernehmen als auch den Haushalt zu führen. Die „Centrale“ wollte nicht nur vermitteln, sondern auch die Anforderungen eines jeden Falles prüfen und eine jeweils geeignete Pflegerin vermitteln. Diese sollte

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im Auftrag des Armen- bzw. Fürsorgeamtes; eine Rolle, die sie so auch in den 1950er Jahren noch innehatten. Vgl. zur Ambivalenz von Hilfe und Kontrolle/ggf. Disziplinierung Rudloff (1998), S. 25 zur Eingriffs- vs. Leistungsverwaltung. ISG, Stadtverordnetenversammlung 1819, Bl. 36, Hauspflege-Versicherung der städtischen Beamten, Angestellten und Arbeiter. ISG, Wohlfahrtsamt 68, Bl. 1, Mutter- und Familienschutz durch Hauspflege, 1. April 1920, und Bl. 2, Anweisung des Wohlfahrtsamtes, sowie Bl. 10, Pflegerinnen-Ordnung, ca. 1920. ISG, Wohlfahrtsamt 68, Bl. 10, Pflegerinnen-Ordnung, ca. 1920, und Bl. 94, Vorschrift für die Pflegerinnen des Hauspflege-Vereins, ca. 1931. Irmak (2002), S. 104. ISG, Fürsorgeamt 495, Abschrift aus Rundverfügung Nr. 110 vom 19. Februar 1934. Gerda von Craushaar war die erste hauptamtliche Geschäftsführerin der „Centrale“, die sie 1954 verließ, um den nun selbständigen Hauspflegeverein zu leiten; siehe Eckhardt (1999), S. 188. Eckhardt (1999), S. 180.

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sowohl hauswirtschaftliche als auch pflegerische Kenntnisse haben.134 Die Frankfurter Rundschau schrieb zu den geforderten Kompetenzen, die Geschäftsführung der „Centrale“ zitierend: „Die Hauspflegerin ist kein Ersatz für eine Hausangestellte, sondern eine Idealsynthese zwischen Krankenschwester und Hausfrau. Sie muß schlechthin alle wertvollen menschlichen Eigenschaften besitzen.“135 Eine besondere Einweisung gab es jedoch zunächst nicht, vielmehr wurde die Pflegerin auf ihre „Verantwortung und die soziale Aufgabe in der Arbeit hingewiesen“.136 Die Vermittlung der Hauspflege lief schleppend an und wurde von den Außenstellen des Städtischen Fürsorgeamtes vor allem in die Wege geleitet, um Kranke, die ihnen bekannt wurden, pflegen zu lassen.137 In den kommenden Monaten und Jahren stieg die Inanspruchnahme der Hauspflege bald stärker an138: 1948 leisteten die Mitarbeiterinnen der Hauspflege der „Centrale für private Fürsorge“ immerhin schon 6.345 Pflegetage139, 1955 listete 134 ISG, Fürsorgeamt 495, Presseausschnitt: Ein neuer Frauenberuf. Die stellvertretende Hausfrau. Eine Einrichtung der privaten Fürsorge/In Frankfurt bewährt, in: FNP, Nr. 142 vom 22. Juni 1951. 135 ISG, Fürsorgeamt 495, Presseausschnitt: FR, Nr. 145 vom 28. Juni 1951. 136 ISG, Fürsorgeamt 495, Centrale für private Fürsorge e. V., An das Fürsorgeamt der Stadt, betr. Hauspflege, Frankfurt, 4. August 1948. 137 In einer Rundverfügung Nr. 37 wurde um Rückmeldung der Kreisstellen des Fürsorgeamtes über erste Erfahrungen gebeten, die bis Ende Juni 1949 gemacht wurden. Die Kreisstelle 2 habe die Hauspflege in drei Fällen in Anspruch genommen und dabei gute Erfahrungen gesammelt (ISG, Fürsorgeamt 495, Kreisstelle 2, An die Fürsorgeleitung, Frankfurt 29. Juni 1949). Die Kreisstelle 3 hatte in den vergangenen Monaten nur in wenigen Fällen Hauspflege vermittelt, sah aber auch einen Schwerpunkt in der Krankenpflege, die Anstaltspflege verhindern könne und dadurch erhebliche Kosten spare (ISG, Fürsorgeamt 495, Kreisstelle 3, betr. Hauspflege, Frankfurt a. M., den 20. Juni 1949). Auch die übrigen Kreisstellen begrüßten die Einrichtung, hatten jedoch noch keine oder nur wenige Fälle (siehe ISG, Fürsorgeamt 495, Kreisstellen an Fürsorgeamt im Juni/Juli 1949). 138 Auch die Arbeiterwohlfahrt beschäftigte Hauspflegerinnen, die jedoch im Gegensatz zum Hauspflegeverein, der bald überwiegend chronisch Erkrankte und Pflegebedürftige betreute, in erster Linie Familien, deren Mütter erkrankt waren, und die Erkrankte selbst betreuten (siehe ISG, Fürsorgeamt 383, Bericht der Arbeiterwohlfahrt über die Hauspflegearbeit vom 1. April 1948 bis 31. März 1949, 29. Juni 1949). Die Anzahl der von der Arbeiterwohlfahrt im Vergleich mit dem Hauspflegeverein ausgeübten Pflegetage sank in den 1950er Jahren kontinuierlich. Im Berichtsjahr 1948 führte die Arbeiterwohlfahrt insgesamt 1.976 Pflegetage gegenüber 6.345 Pflegetagen der Hauspflege der „Centrale für private Fürsorge“ auf (ISG, Fürsorgeamt 383, Bl. 19 ff., Bericht über die Hauspflege der „Centrale für private Fürsorge“ im Jahre 1949). 1955 leistete die Arbeiterwohlfahrt insgesamt 705 Tage (ISG, Fürsorgeamt 383, Bl. 130, Arbeitsbericht über die Familienpflegeeinrichtung der Arbeiterwohlfahrt e. V. Frankfurt a. M., 13. März 1956) mit 18 Hauspflegerinnen. Seit Oktober 1955 waren auch zwei Schwestern des Caritas-Verbandes für die Hauspflege tätig, in erster Linie in kinderreichen Familien (ISG, Fürsorgeamt 383, Bl. 145, Caritas-Verband an Stadtrat Dr. Prestel, betr. Zuschuss für die Durchführung der Familienpflege, 11. Januar 1957, Prof. Dr. Richter). 139 ISG, Fürsorgeamt 383, Bl. 19 ff., Bericht über die Hauspflege der Centrale für private Fürsorge im Jahre 1949; davon 2.980 halbe Pflegetage und 683 Nachtwachen.

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der nun selbständige Hauspflegeverein mit insgesamt 122 Hauspflegerinnen 18.557 Pflegetage auf140, und 1960 wurden von 113 Hauspflegerinnen 21.203 Pflegetage erbracht.141 Auch in anderen Städten gab es Hauspflegeeinrichtungen. Die Situation in der Bundesrepublik war in den 1950er Jahren uneinheitlich. Ähnlich aktiv wie in Frankfurt waren die Hauspflegevereine in Stuttgart, die sich zu einem Ring zusammengeschlossen hatten.142 In einer Fragebogenaktion der „Liga der freien Wohlfahrtsverbände“ wurde 1952 ermittelt, dass in der Bundesrepublik Deutschland etwa 8.200 Frauen in der Hauspflege tätig waren. Diese arbeiteten allerdings zum großen Teil nur nebenberuflich oder auch ehrenamtlich; zum Teil wurden auch Gemeindeschwestern in der Umfrage mitgezählt.143 1959 wurden in der Bundesrepublik insgesamt nur etwas mehr als 3.000 hauptberufliche Hauspflegerinnen gezählt144, was im Vergleich mit den Nachbarländern wenig war. In den Niederlanden waren zu diesem Zeitpunkt etwa 4.500 Hauspflegerinnen für die zehn Millionen Niederländer zuständig.145 Hauspflege wurde von den Patienten und Familien selbst, den Krankenkassen oder aus der öffentlichen Fürsorge bezahlt. Vor Inkrafttreten des BSHG am 1. Juni 1962 wurde die Hauspflege im Rahmen der Fürsorge gewährt. Fürsorge konnte nach den Paragraphen 3 und 6 der Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge im Rahmen des notwendigen Lebensbedarfes Hauspflege bewilligen.146 Voraussetzung war die Hilfsbedürftigkeit im Sinne des Fürsorgerechtes. Nach Paragraph 6 konnte Hauspflege als „Pflege“ bei pflegebedürftigen Familienmüttern, Alleinstehenden oder Kindern, deren Mütter sie nicht versorgen konnten, gewährt werden, als „Krankenhilfe“ bei Krankheit, falls durch die Hauspflege ein Aufenthalt im Krankenhaus vermieden werden konnte, nach einem Krankenhausaufenthalt als Maßnahme zur Wiederherstellung der Gesundheit oder als

140 ISG, Fürsorgeamt 383, Bl. 126, Hauspflegeverein e. V. Frankfurt a. M., an das Fürsorgeamt, Aufstellung 1955, 6. Januar 1956. 141 Zahlen aus: ISG, Fürsorgeamt 383. 142 Siehe ISG, Fürsorgeamt 383, Bl. 185–186, Deutscher Städtetag an die Stadtverwaltung Frankfurt, 10. Oktober 1958. Im Vergleich mit anderen Großstädten gab es in Stuttgart mit 265 Personen, gemessen an der Größe der Stadt, die meisten Hauspflegerinnen. 143 ISG, Fürsorgeamt 495, Referat über den gegenwärtigen Stand der Hauspflege im Ausland und im Inland (Gerda von Craushaar), Tagung der Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitswesen am 29. Januar 1954. 144 o. V. (1959), S. 265. 145 Wülker (1959), S. 269. 146 Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge. Vom 4. Dezember 1924, in: RGBl. 1924 I, S. 765–770, hier S. 766. § 3 besagte, dass Fürsorge auch vorbeugend eingreifen könne, um Gesundheit und Arbeitsfähigkeit zu erhalten. § 6 erklärte, dass zum notwendigen Lebensunterhalt neben Unterkunft, Nahrung und Kleidung auch Pflege gehöre, Krankenhilfe sowie Hilfe zur Wiederherstellung der Arbeitskraft und Hilfe für Schwangere und Wöchnerinnen.

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Hilfe für Schwangere und Wöchnerinnen.147 Die Möglichkeiten, die Haushaltsführung auf andere, kostengünstigere Weise sicherzustellen, seien jedoch, so eine Rundverfügung des Fürsorgeamtes Frankfurt von 1958, in jedem Fall auszuschöpfen.148 Die Kostenübernahme war an Einkommensgrenzen gebunden: Kosten wurden gegebenenfalls bei Empfängern laufender und zusätzlicher Unterstützung und bei sogenannten Minderbemittelten übernommen, deren Einkommen nicht den Richtsatz mit Mehrbedarfszuschlägen, Miete und zehn Prozent Aufschlag überstieg. Mehreinkommen wurde zur Deckung der entstehenden Kosten in Anspruch genommen. Die Kreisstellenvorsteher mussten die Kostenübernahme bewilligen, dabei sollte Ganztagspflege bis zu vier Wochen, Halbtagspflege bis zu sechs Wochen gewährt werden; bei darüber hinausgehender Pflege konnte die Fürsorgeleitung entscheiden. Stellungnahmen des Kreisfürsorgearztes und der Vertrauensärztlichen Abteilung waren einzuholen. Mit diesen Kann-Bestimmungen im Fürsorgerecht hatte der fürsorgeberechtigte Pflegebedürftige jedoch nicht zwingend ein Wahlrecht zwischen Heimpflege, Hauspflege oder einem Geldbetrag für die Beschaffung der Pflege; ebenso hatte er unter Umständen keinen Einfluss auf die Auswahl der Pflegeperson. Krankenkassen konnten nach Paragraph 185 der Reichsversicherungsordnung (RVO) Hauspflege gewähren, wenn die Aufnahme des Kranken in ein Krankenhaus geboten, aber nicht durchführbar war oder ein wichtiger Grund vorlag, den Kranken in seinem Haushalt zu belassen. Paragraph 184, Krankenhauspflege, umfasste auch Leistungen, ohne die eine Aufnahme in das Krankenhaus nicht möglich sein würde, also unter Umständen Haushaltshilfe für die Angehörigen. Auch für versicherte Wöchnerinnen sprang die Krankenkasse ein.149 Betont wurde deutlich die Nachrangigkeit: Erwachsenen männlichen Haushaltsangehörigen sei ebenfalls die Besorgung des Haushaltes zuzumuten; vielfach fänden sich Untermieter, Vermieter, hilfsbereite Nachbarn oder in der Nähe wohnende Unterstützungsempfänger.150 Voraussetzung für eine Kostenübernahme waren also entweder Bedürftigkeit in enggesteckten Einkommensgrenzen oder aber, dass die Krankenkassen bei ihren Versicherten einen Ermessensspielraum nutzten. Beides waren Kann-Bestimmungen. Das im August 1952 erlassene Lastenausgleichgesetz sah Pflegezulagen im Rahmen der Unterhaltshilfe vor. Zudem erhöhten sich die Freibeträge für die

147 -io- (1957); ISG, Fürsorgeamt 3183, Rundverfügung Nr. 4 vom 7. Juli 1958 des Fürsorgeamtes über die Übernahme von Kosten für Hauspflege. 148 ISG, Fürsorgeamt 3183, Rundverfügung Nr. 4 vom 7. Juli 1958 des Fürsorgeamtes über die Übernahme von Kosten für Hauspflege. 149 ISG, Fürsorgeamt 495, Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge, Vorlage zu Punkt 2c der Tagesordnung der 6. Vorstandssitzung am 27./28. November 1953 in Frankfurt a. M., S. 5–7. 150 ISG, Fürsorgeamt 495, Rundverfügung Nr. 37 vom 28. Januar 1949, betr. Hauspflege.

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Gewährung von Unterhaltshilfe.151 Die Hauspflege wurde auch an Privatzahler vermittelt.152 Der Hauspflegeverein erhob ein Pflegegeld für seine Leistungen, das er sich regelmäßig von der Krankenkasse und von der Stadt, da diese im Fall von Fürsorgeunterstützten eintrat, genehmigen ließ. Anfangs kostete eine Hauspflege ganztags 4,50 DM, halbtags 2,50 DM und als Nachtpflege 4,50 DM.153 Die Pflegesätze erhöhten sich sukzessive. Begründet wurde die Erhöhung der Vergütung auf 6,60 DM ganztags und 4 DM halbtags am 14. Januar 1953 damit, dass bereits an „jede Putzfrau der Stundenlohn von DM 1,– gezahlt wird“ und die Arbeit der Hauspflegerinnen weit verantwortungsvoller sei; zudem stammten die Hauspflegerinnen „durchweg aus sozial bedrängten Verhältnissen“ und ihr Verdienst werde zum Erhalt ihrer Familien gebraucht.154 1959 stieg das Entgelt für die Ganztagspflege auf 10,20  DM.155 Die Pflegesätze deckten die Kosten der Hauspflege nicht ganz. Deshalb wurde der Verein von der Stadt bezuschusst, um seine Vermittlungstätigkeit und die Büroräume, die Weiterbildungskurse und den Ausbau einer Schule zu finanzieren.156 Zur Sozialversicherung der Hauspflegerinnen wurden besondere Abmachungen getroffen, so dass diese auch ohne Festanstellung in der AOK krankenversichert waren.157 1958 stellte man einige Hauspflegerinnen, ausschließlich examinierte Krankenschwestern, für 220 DM Monatslohn brutto ein, um einen Stamm von Hauspflegerinnen zur Verfügung zu haben; der größte Teil von ihnen arbeitete weiterhin ohne Festanstellung.158 1955 wurde auf dem Fürsorgetag des „Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge“ beschlossen, einen Arbeitskreis für Hauspflege einzurichten. Die Vorsitzende des Frankfurter Hauspflegevereins, Dr. Carmen Jonas, arbeitete darin aktiv mit. Der „Deutsche Verein“ setzte sich dafür ein, in der Reform des Fürsorgerechtes, dem späteren BSHG, die Hauspflege stark zu berücksichtigen, entwickelte mit eigenen Veröffentlichungen das Berufsbild der Hauspflege mit und plädierte dafür, die Ausbildung zur Hauspflege zu vereinheitlichen.159 151 Wasem/Vincenti/Behringer/Igl (2006), S. 478. 152 ISG, Fürsorgeamt 495, Fürsorgeleitung, An alle Kreis- und Fürsorgestellen, Frankfurt, den 23. Juni 1950. 153 ISG, Fürsorgeamt 495, Centrale für private Fürsorge e. V., An das Fürsorgeamt der Stadt, betr. Hauspflege, Frankfurt, 4. August 1948. 154 ISG, Fürsorgeamt 495, Centrale für private Fürsorge e. V., an das Fürsorgeamt der Stadt Frankfurt, z. Hd. Herrn Direktor Baldes, 14. Januar 1953. 155 ISG, Fürsorgeamt 383, Fürsorgeleitung, an den Hauspflege-Verein Frankfurt a. M., 17. Februar 1959. 156 Siehe ISG, Fürsorgeamt 383, Beihilfen an private Organisationen zur Durchführung der Hauspflege. 157 Craushaar (1952), S. 4. 158 ISG, Fürsorgeamt 383, Bl. 179 ff., Revisions- und Organisationsamt, Bericht über die Prüfung der Jahresrechnungen 1956/57 und 1957/58 des Hauspflegevereins e. V., Frankfurt a. M., 28. Juni 1958. 159 Jonas (1959). Der „Deutsche Verein“ erarbeitete einen „Grundriß Hauspflege“, in dem er die Hauspflege definierte, das Aufgabengebiet, die (aus Sicht des Vereins wünschens-

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1959 wurde Hauspflege als eigenständiger „sozialer Beruf“ beschrieben, in dem nicht nur die hauswirtschaftliche, sondern auch die pflegerische und die pädagogische Tätigkeit in einem ganzheitlichen Dienst vereint seien.160 Die Hauspflegerin sollte über ihren Aufenthalt hinaus Anleitungen zur Kindererziehung und zur besseren Organisation und Erledigung der hauswirtschaftlichen Arbeiten geben.161 Die pädagogische Aufgabe der Hauspflegerin bestand dabei nicht nur gegenüber den erwachsenen Familienmitgliedern, in erster Linie der Hausfrau und Mutter, sondern und auch gegenüber alleinstehenden alten Menschen: So nötig, wie jedes Kind pädagogisch und psychologisch richtig geleitet sein will, braucht dies auch der alte Mensch. Es gibt unter ihnen solche, bei denen es kaum merkbarer Nachhilfen, etwa im Blick auf Ordnung und Sauberkeit oder auf Geduld und Bescheidenheit bedarf, und es gibt Alte, die wie Kinder kräftige Führung und Anleitung nötig haben.162

Die wachsenden Ansprüche an die Hauspflegerin und die zunehmenden Definitionsversuche als eigenständiger Beruf zogen Forderungen nach einer Ausbildung nach sich. Im Kaiserreich und in der Weimarer Republik waren es noch „ältere Frauen von unbescholtenen Rufe“163, die vom Hauspflegeverein angestellt wurden und die keine besondere Ausbildung haben mussten. Bei den ersten Einstellungen Ende der 1940er Jahre und Anfang der 1950er Jahre gab es keine Ausbildung für Hauspflegerinnen, jedoch konnten viele in der Pflege ausgebildete Frauen gewonnen werden: 1951 arbeiteten in Frankfurt überwiegend Frauen mit Krankenpflegeexamen (63  Prozent) in der Hauspflege, weitere 15  Prozent waren ausgebildete Schwesternhelferinnen, vier Prozent Kindergärtnerinnen und 18  Prozent Hausfrauen ohne Ausbildung, davon knapp die Hälfte unverheiratet und weitere 17 Prozent verwitwet oder geschieden; Kinder hatten 62  Prozent der Hauspflegerinnen.164 Der Anteil der ausgebildeten Krankenschwestern und Schwesternhelferinnen blieb in den 1950er Jahren hoch.165 Die Geschäftsführerin des Hauspflegevereins

160 161 162 163 164 165

werte) Ausbildung und die Übernahme der Kosten beschrieb: Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge (Hg.) (1961); es folgten weitere Schriften zur Hauspflege in der Reihe „Kleinere Schriften des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge“. Zu den Forderungen nach Ausbildung siehe Bornitz (1959), S. 281; dies galt jedoch nicht für die ältere Hauspflegerin, die aufgrund ihrer beruflichen Erfahrung oder ihrer Erfahrung als Hausfrau und Mutter weiterhin nur Kurse brauche, siehe Harmsen (1959), S. 283. Bornitz (1959), S. 281, referiert hier ein Ergebnis des internationalen Hauspflege-Kongresses in Holland im Mai 1959. Vgl. Buhler-Wilkerson (2001), S.  22 ff., schon zu den Anfängen im 19. Jahrhundert in England und den USA. Wittmann (1959), S. 278. ISG, Fürsorgeamt 495, Auszug aus der Satzung des Hauspflegevereins, veröffentlicht im öffentlichen Anzeiger zum Amtsblatt vom 4. April 1901, S. 186, Nr. 1249. Craushaar (1952), S. 3. ISG, Fürsorgeamt 383, Bl. 179 ff., Revisions- und Organisationsamt, Bericht über die Prüfung der Jahresrechnungen 1956/57 und 1957/58 des Hauspflegevereins e. V., Frankfurt a. M., 28. Juni 1958. 1957 waren von 143 Hauspflegerinnen 50 Krankenschwestern

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führte aus, es würden sich viele ehemalige Krankenschwestern nicht wegen des hohen Verdienstes melden, sondern weil sie nicht festangestellt seien und so ihren Pflichten als Familienmutter und Ehefrau weiter nachgehen könnten, indem sie immer einige Tage aussetzten. Die Mitarbeit ehrenamtlicher Kräfte habe sich bei diesen schwierigen Einsätzen nicht bewährt.166 Es werde besonders auf soziales Verständnis und Verantwortungsgefühl Wert gelegt, auf Ehrlichkeit, Takt und Verschwiegenheit, Beweglichkeit und Einfühlungsvermögen.167 Das waren Fähigkeiten, die eher im Charakter der Frauen liegen mussten, als dass sie erworben werden konnten. Hausfrauen ohne sonstige berufliche Ausbildung galten durch die langjährige Führung des eigenen Haushaltes und die Erziehung ihrer Kinder als geeignet.168 Der Frankfurter Oberbürgermeister Walter Kolb hatte vielleicht auch deshalb bei einer persönlich an ihn gerichteten Bewerbung einer 65-jährigen Frau die Hauspflege im Sinn: Johanna K. aus Frankfurt schrieb am 6. Dezember 1954, sie habe in den letzten Jahren stundenweise im Haushalt und der Kindererziehung gearbeitet. Aber eine Arbeit von doch immer fast 10 Stunden ist mir jetzt mit 65 Jahren doch zu viel. Meine Rente beträgt nur Mk. 64.–, so dass ich unbedingt noch monatlich etwas dazu verdienen muss. Ich versuchte nun eine Büroputzstelle zu bekommen, eine Arbeit die ich noch gut ausführen könnte, aber selbst hier ist es schon sehr schwer ohne Verbindung.169

Der Bürgermeister notierte handschriftlich an den Rand: „Hauspflege?“ Hauspflegerinnen kümmerten sich nicht nur um alte Menschen, die Hauspflege war auch ein Betätigungsfeld für ältere Frauen in der Stadt, die von ihrer Rente nicht leben konnten. Anfang der 1950er Jahre wurden erste Kurse für Hauspflegerinnen angeboten. Sie fanden mit jeweils zehn Kursstunden abends statt und umfassten Kochen, explizit auch „Kochen mit Fürsorgeunterstützungssätzen“170, Diätvorschriften, Haushaltspflege, Flicken, Kenntnisse über Gesundheits- und Fürsorgegesetzgebung und häusliche Krankenpflege.171

166 167

168 169 170 171

mit Staatsexamen und 54 Schwesternhelferinnen, drei Fürsorgerinnen und Hebammen und 36 Hausfrauen ohne besondere pflegerische Kenntnisse. Craushaar (1952), S. 3 f. Craushaar (1952), vgl. dazu auch Racine-Wirz (2006), S. 126, die zu den Anforderungen an die Hauspflegerin in der Schweiz schreibt: „Obwohl theoretisches Wissen und praktisches Können wichtig waren, wurden nicht eigentlich erlernbare, sondern persönlichkeitsgebundene Eigenschaften wie Freundlichkeit, Geduld, Einfühlungsvermögen, Hingabefähigkeit und natürlich Anpassungsfähigkeit verlangt.“ Auch dies noch Ende der 1950er Jahre, als es schon Fachschulen gab und gleichzeitig eine Verberuflichung der Hauspflege mit längerer Ausbildung gefordert wurde; für ältere Hausfrauen galt dies stets nicht: Harmsen (1959). ISG, Fürsorgeamt 495, Johanna K. an Walter Kolb, 6. Dezember 1954. ISG, Fürsorgeamt 495, Presseausschnitt: Beer, Brigitte: Hauspflegerin  – ein neuer Beruf?!, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (im Folgenden: FAZ), Nr. 266, 14. November 1953. ISG, Fürsorgeamt 383, Bl. 94r, Bericht an Herrn OVD Baldes über einen Kursabend von einer Fürsorgerin am 13. November 1953.

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2. Kommunale Altenhilfe in der Nachkriegszeit

Abbildung 3: Lehrgang in der Diätküche, 1959, Hauspflegeverein, © ISG

Abbildung 4: Lehrgang im Nähen und Flicken, 1959, Hauspflegeverein, © ISG

Insgesamt litten die Hauspflegevereine unter der relativ hohen Fluktuation ihrer Mitarbeiterinnen und dem regional zum Teil begrenzten Angebot an ausgebildeten Kräften. Die konfessionellen Wohlfahrtsverbände begannen deshalb, in den 1950er Jahren Fachschulen für Hauspflegerinnen einzurichten, in denen sie zunächst mehrmonatige, dann einjährige Ausbildungen zur Hauspflegerin anboten, die mit einem Examen beendet wurden. Dem ersten Jahr in der Schule schloss sich ein praktisches Jahr an.172 In Frankfurt wurde im Herbst 1960 eine Hauspflegeschule mit Wohnmöglichkeit eingerichtet.173 172 Bornitz (1959). Daneben bildeten noch einige katholische Mutterhäuser Hauspflegerinnen aus. 173 ISG, Fürsorgeamt 383, Hauspflege-Verein Frankfurt Main, An das Fürsorgeamt, Fürsorgeleitung, z. Hd. von Inspektor Stein, Frankfurt, den 2. November 1960, betr. Durchführung der Hauspflege.

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Damit war die Frankfurter Fachschule eine von elf Fachschulen im Bundesgebiet und die einzige nicht konfessionell gebundene.174 2.6.2.2 Neue Zielgruppen der Hauspflege Die Zielgruppen des Hauspflegevereins in Frankfurt hatten sich mit der Neugründung nach dem Krieg erweitert. Waren es vor dem Krieg vor allem Arbeiter- und Angestelltenfamilien, die von der Hauspflege profitieren sollten, galten nun Familien aller Schichten als existentiell gefährdet, wenn die Mutter erkrankte. Die Hauspflege sollte auch die Hausfrau der Mittelschichten ersetzen, für die nun, nach dem Zweiten Weltkrieg, im Gegensatz zu früheren Zeiten nicht mehr Verwandte oder Freundinnen einspringen würden und die überdies auch kein Personal mehr zur Verfügung hatte.175 Eine ganz neue Zielgruppe des Hauspflegevereins waren die alleinstehenden chronisch Kranken und die alten Menschen. Die Prozentzahlen (Mehrfachangaben) aus der Hauspflege 1951 zeigen, dass 42  Prozent der Pflegen wegen chronischer Erkrankungen geleistet wurden, 13 Prozent wegen einer akuten Erkrankung, bei der die Zeit bis zur Krankenhauseinweisung überbrückt werden musste oder aber eine Krankenhauseinweisung nicht nötig war, drei Prozent wegen Nervenerkrankungen, drei Prozent bei Rekonvaleszenten; 25 Prozent der Pflegen wurden bei kranken Müttern daheim mit Kindern durchgeführt, in 17 Prozent der Fälle die Mutter, die im Krankenhaus lag, zu Hause ersetzt, in 7,5 Prozent der Fälle die verreiste Mutter vertreten, 23  Prozent betrafen Säuglings- und Kinderpflegen.176 Es fällt die große Gruppe an chronisch Erkrankten auf, darunter vermutlich viele alte Menschen. Das Alter der Gepflegten wurde jedoch im Gegensatz zu späteren Jahresberichten noch nicht gesondert ausgewiesen. In allen Berichten ab 1952 wurde die Alterspflege explizit ausgewiesen und machte ungefähr die Hälfte der Fälle aus, die Vertretung von Müttern in Familien hingegen nur noch etwa 15 Prozent der Einsätze. In den kommenden Jahren verfestigte sich diese Entwicklung; die Zahlen änderten sich nicht mehr deutlich gegenüber den späten 1950er Jahren.177

174 Jonas (1963), S. 176. 175 ISG, Fürsorgeamt 495, Presseausschnitt: Ein neuer Frauenberuf. Die stellvertretende Hausfrau. Eine Einrichtung der privaten Fürsorge/In Frankfurt bewährt, in: FNP, Nr. 142 vom 22. Juni 1951. 176 Craushaar (1952), S. 2. 177 Siehe die Jahresberichte des Hauspflegevereins in: ISG, Magistratsakten 8712, und Jonas (1957).

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2. Kommunale Altenhilfe in der Nachkriegszeit

Abbildung 5: Hauspflegerin bei einem alten Paar, ca. 1960, Hauspflegeverein, © ISG

Den Alterspflegen gingen unterschiedliche Notlagen voraus und sie konnten (und mussten, da zeitlich begrenzt) aus unterschiedlichen Gründen beendet werden. Wenige überlieferte Einzelfallschilderungen, die nach Beendigung der Pflegen von der Geschäftsführerin des Hauspflegevereins, nicht von den Hauspflegerinnen selbst, an das zahlende Fürsorgeamt geschickt wurden, verdeutlichen dies: Auf Veranlassung der Fürsorgerin von Kreisstelle 6 wurde Frl. R. vom 30.6.56 bis 25.8.56 durch eine Hauspflegerin versorgt. Zunächst ging sie mehrmals die Woche hin, vor allen Dingen um die nerven- und gallenkranke Frau bei ihren Gängen zu den verschiedenen Ärzten zu begleiten, da sie selber es sich nicht zutraute, allein durch den Strassenverkehr zu kommen. Ausserdem wurde für sie gekocht und die nötige Hausarbeit erledigt. – Frl. R., die durch ihre Nervenleiden recht schwierig geworden ist, versuchte der Hauspflegerin von Zeit zu Zeit darzutun, wie schwer krank sie sei, indem sie sich auf den kalten Fussboden legte und laut klagte. Sie war dann nur mit vieler Mühe und gutem Zureden ins Bett zu kriegen. Sie erklärte, es sei ein Gallenanfall, tatsächlich war es nur eine Demonstration. Am liebsten würde Frl. R. immer eine Hauspflegerin um sich haben, weil sie das Alleinsein fürchtet. Andererseits kann sie sich nicht entschliessen, in ein Heim zu gehen und schiebt den Plan immer wieder heraus. Die Pflege ist beendet, nachdem ihr in der Zeit besonderer Schwäche geholfen worden war, auch gingen Mittel zu Ende, die sie vom Fürsorgeamt + privat [handschriftlich eingefügt, K. M.] bekommen hat.178

178 ISG, Fürsorgeamt 3183, Geschäftsführung Hauspflege-Verein e. V. Frankfurt/M., An das Fürsorgeamt – Fürsorgeleitung – Frankfurt/Main, Berlinerstr. 33/35, Bericht über Hauspflege bei Frau R., Margarete, Mörfeldener Landstr. 27. – Kreisstelle 6.–5. September 1956. Die Namen sind hier abgekürzt.

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Der im Bericht angenommene Wunsch der alten Frau nach Gesellschaft wurde im Fürsorgeamt mit einer handschriftlichen Bemerkung abgetan: „Gesellschafterinnen können nicht gestellt werden!“179 Eine Pflege fand im Auftrag des Fürsorgeamtes bei einer alten, krebskranken Patientin statt: Auf Veranlassung von der Fürsorgerin wurde eine Hauspflegerin bei Frau S. vom 7.6. bis 7.8.1956 eingesetzt. Patientin war 81 Jahre alt und litt an Magenkrebs. Sie bewohnte 1 ½ Räume, die sehr ärmlich waren. Zunächst war die Wohnung stark verschmutzt vorgefunden worden und musste von Grund auf gereinigt werden, was mit Schwierigkeiten verbunden war, da es nur einen Ausguss im Hofe gab. Die alte Frau war recht eigenwillig, auf der anderen Seite sehr dankbar und glücklich dass man sie pflegt. Z. B. lag sie Tag und Nacht auf einer harten Liege in einem winzigen schrägen Kämmerchen und war nur mit Mühe zu bewegen in ihr gutes Bett umgebettet zu werden. Trotzdem sie mit fortschreitender Krankheit zum Decubitus neigte, lehnte sie Gummi- oder Wasserkissen ab. Sie war sehr dick und schwer zu heben. […] Der Einsatz endete mit dem Tode der Kranken.180

Die Hauspflegerinnen arbeiteten allein unter schwierigen häuslichen Bedingungen ohne technische Hilfsmöglichkeiten; wie das Umbetten unter diesen Umständen gelingen konnte, ist schwer nachzuvollziehen. Die Pflegesituation dauerte mit zwei Monaten länger als die zunächst meist nur für vier bis sechs Wochen genehmigten Pflegen.181 Sie konnte nur durch den Tod der Gepflegten aufgelöst werden. So war es auch im Fall eines alten Ehepaares, das im November und Dezember 1956 gepflegt wurde: Der Ehemann war altersschwach, konnte aber noch etwas aufstehen. Die Pflege wurde notwendig, nachdem Frau Ch., die ihren Mann bis dahin noch selbst versorgt hatte, durch einen Unfall bettlägerig wurde. Der [sic!] Ehepaar bewohnte in Untermiete ein grosses aber ungepflegtes und verwahrlostes Zimmer. Beide waren körperlich sehr verwahrlost und wehrten sich zunächst dagegen, sich täglich waschen zu lassen. Die Hauspflegerin fand bei Antritt der Pflege furchtbar viel Schmutz vor, auch hatte Herr Ch. die Badewanne immer als Toilette benutzt, obwohl im Bad die Essenvorräte aufgehoben wurden. Beide alten Leute hatten es sich vor Beginn der Hauspflege ganz abgewöhnt, warm zu essen und lebten meistens von Brötchen. Herr Ch. starb am 4.12., seine Ehefrau am 13.12.56. Die Hauspflegerin blieb bis zum Tod der alten Frau in der sehr schweren Pflege. Die Kosten wurden für 42 Tage von der Ortskrankenkasse übernommen, der Rest vom Fürsorgeamt.182 179 ISG, Fürsorgeamt 3183, Geschäftsführung Hauspflege-Verein e. V. Frankfurt/M., An das Fürsorgeamt – Fürsorgeleitung – Frankfurt/Main, Berlinerstr. 33/35, Bericht über Hauspflege bei Frau R., Margarete, Mörfeldener Landstr. 27. – Kreisstelle 6.–5. September 1956, handschriftliche Bemerkung. 180 ISG, Fürsorgeamt 3183, Geschäftsführung Hauspflege-Verein e. V. Frankfurt/M., An das Fürsorgeamt  – Fürsorgeleitung  – Frankfurt/Main, Berlinerstr. 33/35, Bericht über die Hauspflege bei Frau S., Helene, Höchst, Höchster Bahnstr. 4 – Kreisstelle 7. – Frankfurt, 5. September 1956. 181 Jonas (1957), S. 1 f. 182 ISG, Fürsorgeamt 3183, Dr. Jonas, Geschäftsführung Hauspflege-Verein e. V. Frankfurt/M., An das Fürsorgeamt – Fürsorgeleitung – Frankfurt/Main, Berlinerstr. 33/35, Nachrichtlich – Kreisstelle 5 – z. Hd. von Fürsorgerin Frl. S., Frankfurt/M., den 13. Februar 1957, betr.: Bericht über Hauspflege bei Herrn und Frau Ch.

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2. Kommunale Altenhilfe in der Nachkriegszeit

Ob und wie das Ehepaar oder ein einzelner Ehepartner hätten weiterversorgt werden können, wenn sie nicht gestorben wären, bleibt offen. Vermutlich hätte die Hauspflegerin darauf hingewirkt, das Ehepaar zu überzeugen, in ein Alters- oder Pflegeheim zu ziehen. In einem anderen Fall konnte die Pflege nach einem guten Monat beendet werden, weil die Patientin überredet wurde, in ein Altenheim zu gehen. „Die Hauspflegerin wusch die Wäsche und traf alle Vorbereitungen zur Auflösung des Haushaltes.“183 Der Fall K. hingegen konnte aus positiven Gründen beendet werden: Die kranke, bettlägrige alte Frau, die von Ende November 1956 bis Mitte Januar 1957 von einer Hauspflegerin versorgt wurde, erholte sich und konnte ihren Haushalt wieder selbst führen.184 Problematisch war die Situation für die Gruppe von alten Menschen, die keine Angehörigen hatten und die sich nach Krankheit oder Unfall nicht wieder erholten und nicht wieder selbst versorgen konnten. Für sie sei, so Dr. Carmen Jonas 1957, die Einweisung in ein Pflegeheim nicht zu umgehen. Die Aufgabe der Hauspflege bestehe in diesen Fällen darin, diese Betroffenen allmählich dazu zu bringen, einzusehen, dass sie besser in einem Heim aufgehoben seien. Die Hauspflegerin könne den Übergang in das Heim mit vorbereiten, bei der Auflösung des Haushalts mithelfen und die alten Leute noch selbst in das Heim bringen.185 Viele alte Menschen brauchten keine tägliche Pflege, konnten sich aber nicht ganz allein versorgen. Sie benötigten Hilfe beim Einkaufen, der Wohnungsreinigung oder bei der Körperpflege. Hätten sie diese Hilfe nicht, so schrieb Dr. Carmen Jonas, bliebe ihnen nur das Altenheim, was sie meist noch nicht wünschten, da sie den Verzicht auf Selbständigkeit, auf die eigene Wohnung und Möblierung scheuten.186 Die kommunale Altersfürsorge beschränkte sich in den 1950er Jahren darauf, Alten- und Pflegeheimplätze zu schaffen und zu vermitteln. Offenere Wohnformen wie Altenwohnheime, die eines Betreuungsdienstes bedurften, wurden erst Anfang der 1960er Jahre eingerichtet.187 Im Juli 1956 wurde in der Vorstandssitzung des Hauspflegevereins e. V. Frankfurt am Main die Erweiterung des Vereins hinsichtlich einer ambulanten Alterspflege besprochen: 183 ISG, Fürsorgeamt 3183, Dr. Jonas, Geschäftsführung Hauspflege-Verein e. V. Frankfurt/M., An das Fürsorgeamt – Fürsorgeleitung – Frankfurt/Main, Berlinerstr. 33/35, Nachrichtlich – Kreisstelle 4 – z. Hd. von Fürsorgerin Frau H., Frankfurt, den 13. Februar 1957, betr.: Bericht über Hauspflege bei Frau L. 184 ISG, Fürsorgeamt 3183, Dr. Jonas, Geschäftsführung Hauspflege-Verein e. V. Frankfurt/M., An das Fürsorgeamt – Fürsorgeleitung – Frankfurt/Main, Berlinerstr. 33/35, Nachrichtlich  – Kreisstelle 5, z. Hd. von Fürsorgerin Frau K., Frankfurt, den 13. Februar 1957, betr.: Bericht über Hauspflege bei Frau K. 185 Jonas (1957), S. 2. 186 Jonas (1957), S. 2. 187 Vgl. ISG, Fürsorgeamt 873, Altenheime – Altenheimplanung – 1958–1967; ISG, Fürsorgeamt 3983, Presseausschnitt: Appartements mit allem Komfort. Die ersten Wohnungen des „Altenplans“ sind in Rödelheim bezogen worden, in: FAZ, Nr. 213, 14. September 1961.

2.6 Gemeindekrankenpflege und Hauspflege

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Die Fürsorge für solche Fälle durch die Gemeindeschwester genügt nicht, da die Überbeanspruchung der Gemeindeschwester nur die Vornahme der dringlichsten Massnahmen zur körperlichen Pflege (vom Arzt verordneter Medikation und dergleichen) gestattet. Die Hauspflege, die darüber hinaus auch die Versorgung des Haushaltes, Ofenheizung, Kochen, Einkäufe wahrnimmt, übt eine halbtägige oder ganztägige Versorgung aus, die aus dem oben dargelegten Grunde nicht über längere Zeit hinaus möglich ist. Die durch obigen Antrag zu schaffende Einrichtung stellt ein Mittelding zwischen der Tätigkeit der Gemeindeschwester und der Hauspflege dar.188

Die Dauer dieser Hilfe sei auf Monate oder Jahre, nicht nur auf Wochen angelegt und sie könnte von Frauen mit guten hauswirtschaftlichen Kenntnissen und sozialer Einstellung, auch Hausfrauen, ausgeführt werden. Der Frankfurter Hauspflegeverein informierte sich in Zürich, wo ein solcher stundenweiser Altersdienst Ende 1952 als Modelleinrichtung geschaffen worden war, um die Gemeindeschwestern und den Hauspflegedienst zu entlasten.189 Die Hauptaufgabe sei es dort, alten Gebrechlichen in der Haushaltsführung stundenweise beizustehen, jedoch nicht in Fällen von dauernder Pflegebedürftigkeit mit Bettlägerigkeit. Der Dienst bestehe hauptsächlich aus Kochen, Flicken, Putzen, Einkaufen, Ofenheizen und auch aus Pflegen. Bei akut Erkrankten würde während einiger Wochen nach Anweisung der Gemeindeschwestern auch persönliche Pflege übernommen. Nach der ersten Versuchsphase wurde der Züricher Dienst aus Kostengründen nach dem Vorbild Schwedens auf nicht hauptberufliche Hilfskräfte umgestellt, meist Frauen zwischen 35 und 65 Jahren ohne pflegerische Ausbildung, ohne oder mit erwachsenen Kindern. Der Haushilfedienst der Züricher „Stiftung für das Alter“ war unter bestimmten Einkommen kostenlos, 1955 betreuten mehr als 80 Helferinnen etwa 700 alte Menschen.190 Der schon 1956 geplante Altershilfsdienst in Frankfurt wurde jedoch erst 1960 eingerichtet (siehe Kapitel 3), was rückblickend damit begründet wurde, dass die damalige Geschäftsführerin Gerda von Craushaar, die den Dienst mit angedacht hatte, 1956 starb191; dennoch stellt sich die Frage, warum die anderen (führenden) Mitglieder im Hauspflegeverein den Gedanken nicht weiterverfolgten. Ende der 1950er Jahre mangelte es in Frankfurt nicht nur an offeneren Wohnformen für alte Menschen, in denen sie sich teilweise selbst versorgen konnten, aber über Betreuung in begrenztem Umfang verfügten, sondern auch an häuslichen Hilfestellungen, die nicht Krankenpflege umfassten und keine ganzen Tage in Anspruch nahmen.

188 ISG, Fürsorgeamt 383, Vorstandssitzung des Hauspflege-Vereins e. V. Frankfurt a. M. am 11. Juli 1956, Erweiterung des Hauspflegevereins im Sinn einer ambulanten Alterskrankenpflege. 189 Schuler (1955). 190 Schuler (1955), S. 3. 191 ISG, Fürsorgeamt 3042, Hauspflegeverein an die Fürsorgeamtsleitung, z. Hd. Herrn Obermagistratsrat Baldes, 13. April 1960.

3. Offene Altenhilfe in den 1960er Jahren 3.1 Einleitung – Altersbilder und bundespolitische Entwicklungen In den 1960er Jahren wurden die offenen Angebote für alte Menschen im kommunalen Raum stark ausgebaut.1 Erstmals stellte man Altenpläne auf kommunaler Ebene und auf Landesebene vor. Eine bundesweite Altenpolitik, die die Rahmenbedingungen der Lebenslagen älterer Menschen zu beeinflussen suchte, gab es in den 1960er Jahren, abgesehen von der Verabschiedung des Bundessozialhilfegesetzes, das auch die Lebenslagen alter Menschen berührte, nicht.2 Die Aufmerksamkeit von Sozialwissenschaftlern, von Fachleuten aus Verwaltung und Ministerien, von Politikern auf kommunaler und Landesebene und allmählich auch auf bundespolitischer Ebene richtete sich auf die Lebenssituationen alter Menschen.

Abbildung 6: Rentenauszahlung in der Zahlstelle der Post im Thurn-und-Taxis-Palais, 1964, Fotograf: H. Winkler, © ISG

Noch immer galten, wie im vorangegangenen Jahrzehnt, alte Menschen als von der andauernden wirtschaftlichen Prosperität ausgeschlossen, wenngleich grundsätzlich mit der Rentenreform die Weichen dafür gestellt worden waren, 1

2

Nicht nur die offenen, auch die geschlossenen Einrichtungen wurden in diesem Jahrzehnt erweitert. Einen Eindruck vom enormen zahlenmäßigen Wachstum der Einrichtungen, das im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts, wahrscheinlich unter Einfluss der Pflegeversicherung, noch größer ausfiel, vermittelt Hammerschmidt (2010), S.  24, Tabelle Altenhilfe-Einrichtungen 1925–2004. 1925 gab es 2.140 Altenhilfeeinrichtungen (genauer: Heime), 1961 inklusive offener Einrichtungen 2.271 und 1970 6.416; diese Zahl stieg bis 1990 auf 9.484, während die Zahl der Beschäftigten von knapp 50.000 im Jahr 1970 auf 90.182 im Jahr 1990 stieg. Aus den Vorjahren liegen leider keine Beschäftigtenzahlen vor. Vgl. Münch (2007), S. 596.

3.1 Einleitung – Altersbilder und bundespolitische Entwicklungen

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dass sie am zunehmenden Wirtschaftswachstum teilhaben konnten.3 Alter wurde nicht mehr nur im Zusammenhang mit materieller Sicherung diskutiert, sondern Fragen des Wohnens, der Freizeitgestaltung und der Familienund Nachbarschaftseinbindung rückten in den Mittelpunkt. Die sich noch selbst versorgenden alten Menschen kamen schon Ende der 1950er Jahre in den Blick, als es um den Ausbau von Wärmestuben zu Altenklubs und den Bau von speziellen Kleinstwohnungen ging. Zentrales Element, auch im Bundessozialhilfegesetz von 1961, wurde die vermutete Vereinsamung alter Menschen, die zum (möglichen) Problem aller Menschen über 65 Jahre geworden zu sein schien. Mit dem Ausstieg aus dem Beruf (der in der Fachliteratur vor allem Männer zu betreffen schien) stieg die vermutete Kontaktarmut, und im BSHG wurde dem Rechnung getragen, indem vor allem Aktionen gefördert werden sollten, die gemeinsam mit anderen alten Menschen durchgeführt wurden. Am 30. Juni 1961 wurde das im Juni 1962 in Kraft tretende Bundessozialhilfegesetz4 verabschiedet. Dieses Gesetz, schon jahrelang vorbereitet, etablierte erstmals die offene Altenhilfe und sprach ihr eine präventive Rolle zu. Paragraph 75 zielt ausschließlich auf alte Menschen, regelt die Altenhilfe und umfasst persönliche Hilfen gegen Vereinsamung und altersbedingte Schwierigkeiten. Die Altenhilfe konnte seitdem ohne Berücksichtigung von Einkommensgrenzen und Vermögen gewährt werden. Konkret sollten die Sozialhilfeträger eine Tätigkeit vermitteln, wenn sie von den alten Menschen gewünscht werde, bei der Beschaffung einer altersgerechten Wohnung und beim Besuch von kulturellen und unterhaltsamen Veranstaltungen und Einrichtungen, die der Geselligkeit dienten, helfen.5 Hilfe sollte es viertens bei der Kontaktpflege geben. Damit wird deutlich, dass neben einer fehlenden geeigneten Unterkunft als besondere Schwierigkeiten im Alter Einsamkeit und Untätigkeit gesehen wurden, die durch Altenhilfemaßnahmen überwunden werden sollten. Es waren Soll-Bestimmungen; diese hatten einen „Appellcharakter“6 und för3

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Galten alte Menschen in den 1960er Jahren auch zunehmend nicht mehr als materiell arm, sondern eher als benachteiligt und marginalisiert, so ermittelt Torp jedoch, dass vor allem in den frühen 1960er Jahren die Armutsquote (unter 50 Prozent des DurchschnittsNettoäquivalenzeinkommens) unter den alten Menschen mit knapp einem Fünftel noch eine durchaus beträchtliche Höhe hatte und doppelt so hoch lag wie die allgemeine Armutsrate; beinahe zehn Prozent der Alten hatten Anfang der 1960er Jahre sogar weniger als 40 Prozent des Nettoäquivalenzeinkommens und erfüllten damit die Kriterien für „strenge Armut“, zweieinhalbmal so viele wie die Gesamtbevölkerung (Torp (2015), S. 158, Tabelle 2). Die mangelnde Thematisierung von (Alters-)Armut in der Bundesrepublik in den 1960er Jahren lag nach Torp zum Ersten an dem Eindruck enormer materieller Verbesserung mit der Rentenreform 1957 und zum Zweiten daran, dass es in den Sozialwissenschaften in Deutschland keine breite Strömung gab, die einem Konzept „relativer“ Armut folgte, zum Dritten am Vergleich mit anderen (europäischen) Ländern, gegen die sich die Lage der Alten in der BRD positiv ausnahm. Bundessozialhilfegesetz (BSHG) vom 30. Juni 1961 (Inkrafttreten am 1. Juni 1962), in: BGBl. I, 1961, Nr. 46 vom 5.7.1961, S. 815–841. BGBl. I, 1961, Nr. 46 vom 5.7.1961, S. 827. Münch (2007), S. 607.

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3. Offene Altenhilfe in den 1960er Jahren

derten insgesamt den Ausbau der offenen Hilfsformen in der Bundesrepublik.7 Hilfen sollten von Fachkräften geleistet werden (Paragraph 102); damit wurde die weitere Verberuflichung der Fürsorge bzw. der sozialen Hilfe vorangetrieben. Für die offene Altenhilfe galt dies jedoch lange Zeit nur bedingt. Kulturelle Veranstaltungen dienten dem Ziel, negative Entwicklungen des Alters aufzuhalten und Teilhabe an der und Integration in die Gesellschaft zu ermöglichen; dabei wurde zunächst nicht in Frage gestellt, ob dieses Angebot die Interessen der Menschen über 65 Jahre traf oder ob diese nicht an ihren individuellen kulturellen Vorlieben festhalten würden.8 Bildungsangebote, die selbständiges Lernen und Studieren über einen längeren Zeitraum umfassten, spielten im damaligen Sozialhilfegesetz noch keine Rolle und nahmen in den 1960er Jahren gegenüber Angeboten an Vorträgen, Veranstaltungen und geplanten Beschäftigungen wenig Raum ein. Zuständig für die Gewährung von Leistungen und die Durchführung von Altenhilfemaßnahmen waren als Sozialhilfeträger die kommunalen Verbände und als Durchführende die Träger der freien Wohlfahrtspflege. Das BSHG schrieb das „Subsidiaritätsprinzip“, das der freien Wohlfahrtspflege einen Vorrang gegenüber den kommunalen Trägern einräumte, fort. Gegen dieses Subsidiaritätsprinzip klagten sozialdemokratisch regierte Städte, darunter auch Frankfurt am Main, im Februar 1962 in Karlsruhe ohne Erfolg.9 Neben den konfessionellen Trägern und der Arbeiterwohlfahrt wurde in Frankfurt eine Vielzahl der Einrichtungen der offenen Altenhilfe in den kommenden Jahren vom stadtnahen „Frankfurter Verband für Altersfürsorge e. V.“10 getragen; 7 8

Föcking (2007), S. 336 f. Blume (1962), S. 102–109, machte in seiner Studie deutlich, dass die Annahme von kulturellen Angeboten und Altenhilfeeinrichtungen und das Freizeitverhalten ganz wesentlich vom individuellen Bildungsstand und bisherigen Lebensstil des alten Menschen abhingen und damit weniger von der Tatsache, dass er über 65 Jahre alt war. 9 Föcking (2007), S. 502 ff. Richtig weist Föcking (2007), S. 406 f., jedoch darauf hin, dass Subsidiarität nicht einseitig zu verstehen ist als Nachrang gegenüber anderen Leistungspflichtigen, denn diese übergeordnete Gemeinschaft müsse präventiv überhaupt erst die Voraussetzungen der Entfaltung der Individuen und freien Verbände schaffen. Mit den öffentlichen Subventionen für die freien Verbände gingen auch öffentliche Vorgaben und Kontrollrechte einher, im Bereich der Altenhilfe bspw. das Heimgesetz, das 1974 verabschiedet wurde. Insgesamt wurde ein (regional sehr unterschiedliches) komplexes Zusammenspiel an Trägerschaften etabliert, in dem durchaus die kommunale Vorsorge prozentual im Laufe der Jahrzehnte an Bedeutung gewann, siehe Sachße (1990), S. 37. 10 Seit 1976 „Frankfurter Verband für Alten- und Behindertenhilfe e. V.“, im Folgenden abgekürzt „Frankfurter Verband“. Der „Frankfurter Verband“ war ein Verein, Mitglied des DPWV, gemeinnützige Einrichtung der freien Wohlfahrtspflege, jedoch ein „stadtnaher Verband“ schon nach der Satzung. Der erste Vorsitzende war der Sozialdezernent der Stadt, zweiter Vorsitzender der Leiter des Sozialamtes, daneben waren Vorsitzende Mitglieder des Jugend- und Sozialausschusses der Stadtverordnetenversammlung und Stadtverordnete. Der Verband besteht seit 1918. 1972 hatte er 409 Mitarbeiter, 1976 583 Mitarbeiter (Seniorenzeitschrift, 2/1977, S. 21 f.). Geschäftsführer war in den 1960er Jahren Hr. Stoklossa, der auch in der Abteilung Altenhilfe arbeitete; siehe ISG, Fürsorgeamt 4039, Sozialamt Abt. Altenhilfe, an den Frankfurter Verband für Altersfürsorge e. V.  – Geschäftsstelle –, Frankfurt, den 19. Februar 1969.

3.1 Einleitung – Altersbilder und bundespolitische Entwicklungen

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dies betrifft insbesondere den Ausbau der Altenklubs (und auch der Altenheime), der über das Angebot der Kirchen hinausging. Die Gemeindepflege hingegen blieb im gesamten Untersuchungszeitraum in der Hand der konfessionellen Wohlfahrtsverbände und Kirchengemeinden. Bundespolitisch wurden Forschungen zu Altersthemen und finanzielle Anreize für den Ausbau von Altenhilfemaßnahmen mit der Gründung des „Kuratoriums Deutsche Altershilfe“ (KDA) 1962 gefördert.11 Zum Ende des Jahrzehnts, das von großer Expansion im gesamten Wohlfahrtswesen gekennzeichnet war12, initiierte das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung zusammen mit dem Innenministerium ein bundespolitisches Programm, das Zuschüsse für Modellvorhaben im Bereich Altenhilfe gewährte. 1968 wurden erstmals Bundesmittel zur Förderung gesellschaftspolitischer Maßnahmen für die ältere Generation in Höhe von sechs Millionen DM bereitgestellt, davon zwei Millionen als Darlehen.13 Die geförderten Projekte sollten „Modellcharakter“ haben.14 Gegenstand der Förderung waren Erholungsmaßnahmen, Altenbegegnungs- und Altentagesstätten auch für Pflegebedürftige, Altenwerkstätten, Verbesserung der Ausstattung von Heimen insbesondere mit technischen Hilfsmitteln, Einrichtung und Erweiterung von Pflege- und Hilfsdiensten, Nachbarschaftshilfen, Rehabilitationsmaßnahmen, Maßnahmen zur Vorbereitung auf den Ruhestand, Gründung von Altenberatungsstellen, Ver11 Das „Kuratorium Deutsche Altershilfe“ wurde von Bundespräsident Heinrich Lübke und seiner Frau Wilhelmine Lübke ins Leben gerufen. Mit Lotteriemitteln förderte und fördert das KDA Altenhilfeeinrichtungen von gemeinnützigen Organisationen, brachte Experten im Bereich der Altersforschung zusammen und initiierte damit Forschungen und Gutachten. Siehe zu Satzungen und Richtlinien des KDA BArch, B 189/11413; zu den Vorstandssitzungen und Themen in den 1960er Jahren BArch, B 189/11408, 11409, 11411, 11412. Hierin werden die Darlehensgewährung bzw. Beihilfen des KDA deutlich für Altenheime, Altenwohnheime, Altenwohnungen, Altenzentren, Wagen für „Essen auf Rädern“ in Düsseldorf 1964, finanzielle Unterstützung für Mahlzeitendienste, für Altenpflegeschulen, für Altenklubs, Stiftung von Fernseh- und Radiogeräten für die Soziale Radiohilfe e. V., für Tageskliniken für alte Menschen und für Ferienheime. 12 Roth (2012), S.  61 f., vor allem den Ausbau sozialer Dienste betreffend; bei sozialen Diensten für alte Menschen trifft dies jedoch vor allem auf die frühen 1970er Jahre zu. 13 BArch, B 189/11398, Bl. 39, Allgemeine Bewilligungen, Titel 86303 und 89303. Diese Mittel wurden auch 1970 und 1971 bereitgestellt, siehe B 189/11398, Bl. 129, Vermerk Referat S 1, Bonn, 10. Juni 1970. Der Bundesrat sprach sich 1967 zunächst gegen diese Bundesmittel aus, zum einen aus Kostengründen, zum anderen, weil der Bund damit Förderungsaufgaben übernehme, die in den Zuständigkeitsbereich der Länder und Sozialhilfeträger gehörten (B 189/11398, Bl. 163r, Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1968, Oktober 1967). Die Bundesregierung hielt an dem Titel fest, und im Bundestag wurde ihm in dritter Lesung schließlich zugestimmt, nachdem vorher ausgeführt worden war, dass der Betrag nicht dazu dienen solle, Aufgaben von Ländern, Gemeinden, freien Verbänden zu übernehmen, sondern dazu, neue Wege zu erproben, Modelle zu fördern und Anregungen sowie Starthilfe zu geben, siehe Protokolle des Deutschen Bundestages, 5. Wahlperiode, 167. Sitzung, 4. April 1968, S. 8877 f. 14 BArch, B 189/11398, Bl. 303–306, Richtlinien vom 16. Juli 1968; der Begriff „Modellvorhaben“ blieb jedoch unscharf. Vgl. dazu auch Schmitt (1969), S. 371.

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3. Offene Altenhilfe in den 1960er Jahren

mittlung der in Einrichtungen erzielten Erkenntnisse an die Öffentlichkeit. Schwerpunkte der Förderung lagen im ersten Jahr bei Maßnahmen im ländlichen Bereich, da dieser im Vergleich mit Großstädten als unterversorgt galt, bei sozialen Rehabilitationsmaßnahmen und Erholungsmaßnahmen für alte Menschen.15 Daneben wurden eine Buchreihe im Großdruck geplant, Verkehrsaufklärungsfilme finanziert, eine generationenübergreifende Wohnsiedlung mit integrierter Altenpflegeschule samt Einrichtungen für Arbeits- und Beschäftigungstherapie und Rehabilitation errichtet und ein Buch über Gruppenarbeit mit alten Menschen verlegt.16 Ein Projekt in Frankfurt wurde mit diesen Bundesmitteln erst Mitte der 1970er Jahre gefördert (siehe Kapitel 4). Die Diskussion von Altersfragen in wissenschaftlichen Zeitschriften, populärwissenschaftlichen Medien und Verwaltungszeitschriften nahm in den 1960er Jahren stark zu und erreichte Ende des Jahrzehnts einen Höhepunkt, der in den folgenden Jahrzehnten nicht überschritten wurde. Zum ersten Mal führte man in den Sozialwissenschaften in den frühen 1960er Jahren Befragungen zur Lebenslage alter Menschen durch17; es wurde jedoch erst zeitversetzt versucht, diese Ergebnisse auch in die kommunalen Altenplanungen einzubeziehen. Erst der zweite Altenplan 1970 in Frankfurt griff in seinen Begründungen auf Studienergebnisse zurück. Baumgartl konstatiert für die 1960er Jahre eine endgültige Abkehr von einem „idealistischen Altersbild“, das den alten Menschen in der Familie verortete; dagegen wandte man sich den sozialen Problemlagen des Alters zu.18 Zumindest in der großstädtischen Altersfürsorge hatte man jedoch auch im vorangegangenen Jahrzehnt die Alten schon außerhalb der Familie gesehen und, sei es auch nur den Zeitumständen geschuldet, ihren Platz zunächst vor allem in Heimen gesucht. Wenngleich also in den 1960er Jahren die alten Menschen außerhalb der Familie gesehen wurden und man ihnen eine selbständige Lebensführung zugestand, die gefördert werden sollte, hieß dies nicht, dass die Familie aus der Pflicht, ihre alten Mitglieder zu versorgen, prinzipiell entlassen wurde – im Gegenteil betonten gerade Verwaltungsbeamte in Publikationen stets, dass alle offene Altenhilfe keinesfalls bewirken dürfe, dass die Familienangehörigen aus ihrer Verantwortung entlassen würden. Dies mochten weniger ideologische Überlegungen gewesen sein als pragmatische, um unberechenbaren Kosten einer kompletten Übernahme wirtschaftlicher und pflegerischer Leistungen zu entgehen.19 Das Ende des Jahrzehnts war davon geprägt, dass die Kritik an der stationären Versorgung in Altenheimen zunahm; die populären Medien berichteten über „Heimskandale“.20 Der Kritik an privaten Heimen wurde mit einer 15 16 17 18 19

Schmitt (1969), S. 371. Schmitt (1969), S. 372. Blume (1962). Baumgartl (1997), S. 116–125. Baumgartl (1997), S. 129; ISG, Stadtverordnetenversammlung 2369, Altenplan, 9. Mai 1960. 20 o. V. (1968).

3.2 Kommunaler Altenplan und hessischer Sozialplan für Altenhilfe

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Veränderung der Gewerbeordnung begegnet21, das „Heimgesetz“, das auch die Heime in öffentlicher und freigemeinnütziger Trägerschaft betraf, erst 1974 verabschiedet22. Die Pflege zu Hause gewann nicht zuletzt vor dem Hintergrund von „Heimskandalen“ und kostensteigernden Verbesserungen in Heimen an Attraktivität und wurde unter Kostengesichtspunkten positiv beurteilt. Eine Reform der Finanzierung von Pflege, die über die Regelungen im Bundessozialhilfegesetz hinausging (siehe Kapitel 3.8.1) und Pflege als Versicherungsleistung dachte, wurde in diesem Jahrzehnt noch nicht thematisiert. 3.2 Kommunaler Altenplan und hessischer Sozialplan für Altenhilfe In den frühen 1960er Jahren wurden in den größeren Städten der Bundesrepublik erste Altenpläne verabschiedet.23 Ihnen gemein ist, dass sie sich überwiegend auf den geschlossenen Bereich bezogen, zwar viele offene Maßnahmen aufreihten, jedoch dazu meist keine Finanzplanung enthielten, sondern unverbindliche Vorschläge. Programmatisch wurde zwar in den 1960er Jahren der Vorrang der offenen vor der geschlossenen Hilfe angeführt, konkrete Planungen bezogen sich jedoch zu einem großen Teil auf den Heimausbau.24 Die weitreichenden, auch finanziellen Planungen im Frankfurter Altenplan bildeten eine Ausnahme. Initiiert wurde dieser Altenplan gleichermaßen von den beiden großen Parteien in der Stadtverordnetenversammlung. Am 27. August 1959 stellte die regierende SPD-Fraktion in Frankfurt den Antrag an die Stadtverordnetenversammlung, den Magistrat zu beauftragen, einen kommunalen Altenplan vorzulegen, der die Wohnungsvorsorge sowie die soziale und kulturelle Betreuung alter Bürger für die nächsten zehn Jahre sichere. Geplant werden sollte der Bau von Altenwohnungen, Altenheimen und Pflegeheimen und die Kombinationen dieser drei Unterbringungsmöglichkeiten in „Altensiedlungen“.25 Die SPD-Fraktion erwartete ferner Vorschläge für die „soziale und kulturelle Betreuung“ der alten Bürger: Es ist dabei sicherzustellen, daß diese Alten möglichst lange für sich sorgen können, aber im Bedarfsfalle rechtzeitig in Heimpflege genommen werden. Sie müssen die Möglichkeit erhalten, in Tagesstätten, Gemeinschaftshäusern usw. ihre eigenen Formen der Geselligkeit zu entwickeln und am kulturellen und politischen Geschehen teilzunehmen.26

21 Mit der Änderung des damaligen § 38 GewO vom 24. August 1967 (BGBl. I, 1967, Nr. 54 vom 31.8.1967, S. 933) wurden die Landesregierungen ermächtigt, Mindestanforderungen und Überwachungspflichten für gewerbliche Altenheime, Altenwohnheime und Pflegeheime zu erlassen. Zur Kritik an den Heimen siehe Grabe (2016), S. 287 ff. 22 Gesetz über Altenheime, Altenwohnheime und Pflegeheime für Volljährige (Heimgesetz) vom 7. August 1974, in: BGBl. I, 1974, Nr. 91 vom 14.8.1974, S. 1873–1877. 23 Köln machte 1959 den Anfang. 24 Baumgartl (1997), S. 134–141. 25 ISG, Stadtverordnetenversammlung 2369, Antrag SPD-Fraktion, 27. August 1959. Später wurden diese dreigliedrigen Kombinationen meist „Altenzentren“ genannt. 26 ISG, Stadtverordnetenversammlung 2369, Antrag SPD-Fraktion, 27. August 1959.

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3. Offene Altenhilfe in den 1960er Jahren

Zeitgleich stellte auch die CDU-Fraktion einen Antrag an die Stadtverordnetenversammlung, den Magistrat zu beauftragen, den Bedarf an Plätzen in Altenwohnungen, Altenwohnheimen, Altenheimen und Alterspflegeheimen zu ermitteln und den Bau solcher Einrichtungen bei der Planung neuer Wohngebiete zu berücksichtigen. Weitere Anträge betrafen die Unterstützung der Planungen der Wohlfahrtsverbände und die Angliederung von Altenwohnungen an bestehende Heime.27 Die CDU-Fraktion konzentrierte sich im Gegensatz zur SPD-Fraktion in ihren Anträgen gänzlich auf die Versorgung mit Heimplätzen und Altenwohnraum und ließ Betreuungsaspekte und kulturelle Angebote außen vor. Der Evakuiertenausschuss der Stadtverordnetenversammlung ergänzte die Anträge und forderte Vorschläge für städtisches Bauland zur Errichtung von Altenwohnungen und Gemeinschaftsräumen.28 Am 9. Mai 1960 legte der Magistrat den kommunalen Altenplan zum Beschluss vor und betonte in der Einleitung, dass zunächst mit der Wohnraumversorgung und dem Bau von Gemeinschaftsräumen die materielle Basis erfüllt sein müsse, um, darauf aufbauend, soziale und kulturelle Betreuung zu etablieren, die im Plan nicht konkretisiert und nicht weiter finanziell ausgeführt wurde. Der Bau von Altenwohnungen stand im Altenplan an erster Stelle noch vor dem Ausbau der Heimkapazitäten. Im Teil A des Altenplanes wurden für die kommenden zehn Jahre 19 Bauvorhaben von Altenwohnungen mit insgesamt etwa 1.430 Wohnungen aufgelistet, von denen acht schon 1959/60 beschlossen worden waren und eines sich bereits im Bau befand. Die übrigen Bauten sollten 1960 und 1961 begonnen werden, die Grundstücksfrage war jedoch bei gut der Hälfte der Bauvorhaben noch nicht geklärt. Die projektierten Altenwohnhäuser waren überwiegend in nicht zentral gelegenen Frankfurter Stadtteilen angesiedelt, darunter einige in gerade neu erstellten Gebieten wie der Nordweststadt. Bauträger sollten Wohnungsbaugesellschaften, die Jüdische Gemeinde, die Innere Mission und die Arbeiterwohlfahrt sein. Im Teil B des Altenplanes wurden 13 neue Alters- und Pflegeheime mit gut 1.500 Plätzen aufgeführt, getragen von den freien Wohlfahrtsverbänden und zum Teil von den Wohnungsgenossenschaften, die auch die Altenwohnungen erstellen sollten. Teil C des Altenplanes sah die Einrichtung von Häusern der „offenen Tür für alte Leute“ vor. Während in den Teilen A und B konkrete Projekte aufgelistet wurden, blieb die Planung hier eher vage. Vorgesehen waren solche Gemeinschaftseinrichtungen in den neu zu errichtenden Altenwohnanlagen und in Gemeinschaftshäusern.29 Begründet wurde der Altenplan mit veränderten Familiensituationen und damit, dass sich auch Jugendpläne durchgesetzt hätten. Daher sei es nun geboten, sich in ähnlicher Sorge der alten Menschen anzunehmen, insbeson-

27 ISG, Stadtverordnetenversammlung 2369, Anträge 109, 110, 107; beschlossen von der Stadtverordnetenversammlung am 5. November 1959, § 963. 28 ISG, Stadtverordnetenversammlung 2369, Protokoll-Auszug der Stadtverordnetenversammlung, Frankfurt a. M., 26. November 1959, § 1050. 29 ISG, Stadtverordnetenversammlung 2369, Altenplan, 9. Mai 1960.

3.2 Kommunaler Altenplan und hessischer Sozialplan für Altenhilfe

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dere derer, deren Zusammenhalt mit der Familie ihrer Kinder durch Lebensumstände gelockert sei und die nun in vielfacher Hinsicht der ergänzenden Betreuung bedürften.30 Die Organisation sollte zusammen mit den Verbänden geplant und die städtischen Bemühungen finanziell mit dem Sozialplan des Landes Hessen abgestimmt werden.31 Der Magistrat ging im zweiten Teil der Begründung aufgrund einer Volkszählung aus dem Jahr 1950 und der Fortschreibung des Statistischen Amtes davon aus, dass 1969 mindestens 96.000 Menschen im Alter von von mehr als 65 Jahren in Frankfurt leben würden.32 Bei der Bedarfsermittlung für Heimplätze stützte Frankfurt sich auf eine in Baden-Württemberg durchgeführte Studie, die 1,5 Pflegebetten auf 100 Bürger über 65  Jahre als nötig ermittelte; damit gebe es in Frankfurt einen Bedarf von mindestens 1.440 Pflegebetten, von denen jedoch nur 620 existierten. In einer Großstadt sei sogar mit einem höheren Bedarf zu rechnen als in einem Bundesland, da hier mehr Menschen aus Krankenanstalten kämen. Dieser ausführlichen Begründung für den angenommenen Bedarf an Pflegeheimplätzen stand nur ein kurzer Abschnitt zum angenommenen Bedarf an Altenwohnungen gegenüber, der zudem überhaupt nicht begründet wurde: Der Bedarf an Altenwohnungen sei schwerer zu schätzen, da es noch keine vergleichbaren Daten aus anderen Städten gebe, man rechne aber mit mindestens 2.000 Wohneinheiten. Die Baukosten für Altenwohnungen und -heime wurden insgesamt auf etwa 64 Millionen DM geschätzt.33 Im dritten Teil des Altenplanes wurde die offene Altenhilfe außerhalb von Heimen begründet, deren Aufgabe die Erhaltung und Förderung der Kontakte alter Menschen zu den Mitmenschen, zur Familie und zur Umwelt sei: Bei der Verwirklichung der kulturellen Seite des Altenbetreuungswerkes wird es darauf ankommen, der Einsamkeit alter Menschen zu begegnen und ihnen die Möglichkeit zu geben, den Anschluß an die Zeit und die Gegenwart nicht zu verlieren. Altenklubs und offene Altenheime werden diesem Ziele dienen können.34

Dies gelte besonders für die Großstädte, wo sich die Familienbindungen mehr gelockert hätten als auf dem Land. Klublokale sollten Treffpunkte für alte Menschen zur Unterhaltung und zum Spiel werden. Wärmestuben aller Art seien als überholt zu bezeichnen, könnten aber eventuell ausgebaut werden.35 Der Altenplan befasste sich auch mit eventuell notwendigen Hilfen bei der Haushaltsführung und bei der Pflege im häuslichen Bereich: Mit zunehmendem Alter wird die Frau zumeist durch die Haushaltsführung überfordert, selbst wenn der Ehemann einen Teil der Hausarbeiten übernimmt. Man wird nicht über30 ISG, Stadtverordnetenversammlung 2369, Altenplan, 9. Mai 1960. 31 ISG, Stadtverordnetenversammlung 2369, Altenplan, 9. Mai 1960. 32 Es waren dann gut 95.000, die Gesamteinwohnerzahl war aber auch leicht gesunken, siehe ISG, Stadtgesundheitsamt  – Sachakten 195, Zweiter Kommunaler Altenplan, 5. Oktober 1970. 33 ISG, Stadtverordnetenversammlung 2369, Altenplan, 9. Mai 1960. 34 ISG, Stadtverordnetenversammlung 2369, Altenplan, 9. Mai 1960. 35 ISG, Stadtverordnetenversammlung 2369, Altenplan, 9. Mai 1960.

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3. Offene Altenhilfe in den 1960er Jahren sehen dürfen, daß die Hilfe bei der Haushaltsführung in erster Linie Aufgabe von Familienangehörigen bleiben muß. Soweit sie versagt, ist an die verstärkte Mitwirkung von Hauspflegerinnen gedacht. […] In Mittelstädten konnte festgestellt werden, daß auch Jugendgruppen sich an der Leistung häuslicher Dienste (Einholen usw.) für alte Menschen beteiligt haben.36

Von besonderer Bedeutung sei auch der Ausbau der ambulanten Krankenpflege, wolle man alte Menschen so lange wie möglich in ihren eigenen Wohnungen halten, um eine Heimaufnahme zu verhindern. Mit den Trägerorganisationen, aber auch mit Gewerkschaften und Berufsverbänden sollte geklärt werden, wie der sich abzeichnende Personalnotstand behoben werden könne. Der weitere Ausbau ambulanter Haushaltshilfe und -pflege wurde nicht konkret geplant, aber als unstrittig dargestellt und damit begründet, dass die älter werdende (Ehe-)Frau immer weniger Tätigkeiten im Haushalt ausführen könne. Bedeutsam ist jedoch, dass die Haushaltsführung im Falle alter Menschen, wenn auch nicht die Pflege, zum Beginn dieses Jahrzehnts noch vorrangig als Aufgabe der Familie festgeschrieben wurde. Den Bauprogrammen, die im Altenplan vorgesehen waren, kam die beinahe gleichzeitige Verabschiedung des hessischen Sozialplans für alte Menschen entgegen. Dieser wurde vom Hessischen Minister für Arbeit, Volkswohlfahrt und Gesundheitswesen in Zusammenarbeit mit den Kommunen und Wohlfahrtsverbänden vorbereitet.37 Er umfasste Fördergelder für die Modernisierung und Errichtung von Heimen, von Altenwohnheimen mit Gemeinschaftseinrichtungen und für offene Angebote wie Erholungsfürsorge und Maßnahmen, die der Vereinsamung alter Menschen entgegenwirken sollten, wie die Bildung von Klubs und Nachbarschaftshilfen.38 Zunächst wurden vom Land Hessen der Bau und die Modernisierung von Heimen und Wohnungen gefördert. Erst ab 1962 gab es Zuschüsse zum Bau von Altentagesstätten, die bis zu drei Viertel der Gesamtkosten betragen konnten.39 Damit wurde der verhältnismäßig teure Bau von Heimen im

36 ISG, Stadtverordnetenversammlung 2369, Altenplan, 9. Mai 1960. Irmak (2002), S. 291, schreibt, dass 1959 die Sozialverwaltung Kölns die jungen Menschen zum „Ehrendienst“ aufrief. Sie sollten sonntags soziale und pflegerische Hilfsaufgaben in der offenen und stationären Altenhilfe übernehmen, so zum Beispiel die Essensausteilung und die Bibelarbeit, in der Körperpflege hingegen allenfalls das Waschen der Oberkörper. 37 HHStAW, Abt. 508, Nr. 3156, Niederschrift über die 2. Sitzung des Landesfürsorgebeirats am 26. Oktober 1959 im hessischen Ministerium für Arbeit, Volkswohlfahrt und Gesundheitswesen in Wiesbaden. 38 Der Hessische Minister für Arbeit, Volkswohlfahrt und Gesundheitswesen (1960). 39 Richtlinien für die Gewährung von Zuschüssen zum Neubau und zur Modernisierung von Heimen für alte Menschen sowie zur Schaffung von Altentagesstätten und ähnlichen Einrichtungen (1962). Neu hinzugekommen waren als Gegenstand der Förderung unter 1 e) Altentagesstätten und ähnliche Einrichtungen. Bei ihrer Schaffung in bestehenden Gebäuden sollte der Zuschuss drei Viertel der Gesamtkosten nicht überschreiten. In den anliegenden Grundsätzen für Anlage, Bau und Einrichtung von Heimen für alte Menschen, Altentagesstätten und ähnliche Einrichtungen wurden die Altentagesstätten wie folgt definiert (S. 1143): „Altentagesstätten: 19. Altentagesstätten sind Einrichtungen, die

3.2 Kommunaler Altenplan und hessischer Sozialplan für Altenhilfe

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Sozialplan stark subventioniert, wie auch im kommunalen Altenplan der Stadt Frankfurt; verhältnismäßig günstige, offene Angebote wurden finanziell (noch) kaum bedacht. Möglicherweise spielte hier das Prestige, das von Heimeinweihungen ausging, aber auch die Förderung der lokalen Wirtschaft eine Rolle.40 Der Ausbau häuslicher Dienstleistungen wurde finanziell gar nicht bedacht. Immerhin berücksichtigte der hessische Sozialplan die ambulante Pflege, indem die Ausbildung von Altenpflegerinnen, die für den Heimbereich gefordert wurde, auch für die ambulante Pflege gelten sollte.41 Dies war in den frühen 1960er Jahren noch relativ wenig in Altenplänen der Städte und Länder verbreitet.42 In den Grundsätzen für Anlage, Bau und Einrichtung von Heimen für alte Menschen gab das Ministerium Richtlinien für die einzelnen Heimtypen vor. Altenheime sollten Heime mit Wohn-Schlafzimmern sein für alte Menschen, die keinen eigenen Haushalt führten und Gemeinschaftsverpflegung, Pflege und sonstige Dienstleistungen erhielten. Die Altenwohnheime wurden in Abgrenzung zu den Altenheimen folgendermaßen definiert: Altenwohnheime sind Heime mit Kleinwohnungen und Gemeinschaftseinrichtungen (z. B. Wäschereien und Gemeinschafts-Badeanlagen, Sprechzimmer für Sozialarbeiter und Ärzte, Lese- und Fernsehräume). Die Möglichkeit einer Gemeinschaftsverpflegung sollte vorgesehen werden. 6. Jede Wohnung soll ein bis zwei Zimmer, Küche oder Kochnische, Abstellplatz und  – sofern keine entsprechenden Gemeinschaftseinrichtungen vorhanden sind – auch Bad oder Duschraum und Abort umfassen. Die Gesamtfläche der Wohnung für eine Einzelperson muß mindestens 22 Quadratmeter betragen.43

Alle Heime sollten möglichst in der Nähe des bisherigen Lebensbereiches der Heimbewohner errichtet werden, für größere Heime mit mehr als zwei Geschossen waren Aufzüge vorgesehen. Bei der Einrichtung der sanitären Anlagen seien die Erfordernisse für körperbehinderte Personen zu berücksichtigen, was Handgriffe umfasse und frei stehende Badewannen mit rutschfesten Böden. Die Altenwohnungen mussten einen Betreuungsdienst haben. Eingestreute Altenwohnungen ohne Betreuungsmöglichkeiten kamen damit für Zuschüsse nicht in Frage.44

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der Begegnung alter Menschen dienen sollen, sie sollen so ausgestattet werden, daß sie einen anziehenden Mittelpunkt für ihr Zusammentreffen bilden.“ Roth (2012), S. 62. HHStAW, Abt. 508, Nr. 3159, Niederschrift über die 2. Besprechung mit den Mitgliedern der „Liga der freien Wohlfahrtspflege in Hessen“ am 19. Januar 1961 im Hessischen Ministerium für Arbeit, Volkswohlfahrt und Gesundheitswesen in Wiesbaden, Anlage 2: Ausbildung und Einsatz von Haus-, Familien- und Altenpflegerinnen. Baumgartl (1997), S. 134–141. Der Hessische Minister für Arbeit, Volkswohlfahrt und Gesundheitswesen (1960), S. 652. ISG, Fürsorgeamt 3997, Der hessische Minister für Arbeit, Volkswohlfahrt und Gesundheitswesen an den Magistrat der Stadt Frankfurt, Sozialverwaltung, Wiesbaden, 7. Mai 1962.

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3. Offene Altenhilfe in den 1960er Jahren

3.3 Altenwohnungen 3.3.1 Einleitung In den 1960er Jahren setzte sich die nun auch empirisch begründete Annahme durch, dass alte Menschen gern in einer eigenen, abgeschlossenen Wohnung lebten.45 Weiterhin wurden dabei jedoch geschlechtsspezifische Unterschiede gemacht: „Meist wünschen die Alternden eine eigene Wohnung, in der sie unbehindert schalten und walten können. Da sie jedoch nur selten der Haushaltsführung gewachsen sind, erstreben insbesondere die Männer eine Entlastung.“46 Tatsächlich wurde die Mehrzahl von Altenwohnungen in Frankfurt an alleinstehende ältere Frauen vergeben47, ihr Anteil an den Bewohnern von Altenwohnungen war deutlich höher als an der Gesamtbevölkerung der Menschen über 65 Jahre.48 Kommunalpolitiker nahmen ebenfalls zur Kenntnis, dass alte Menschen häufig nicht mit ihren Kindern in einer Wohnung zusammenleben wollten, selbst wenn dies möglich war, sondern den Wunsch nach räumlicher Unabhängigkeit hatten. Daraus folgte die Forderung nach Altenwohnungen in Verbindung mit Familienwohnungen49, was jedoch baulich bis dahin kaum verwirklicht wurde.50 45 Blume (1962), S. 64 f., 132. Ehepaare lebten jedoch lieber allein als Alleinstehende. Tartler (1961), S. 68 ff.; Rosenmayr/Köckeis (1965), S. 91, formuliert als Wunsch alter Menschen: „Kontakt – aber mit Reserven und auf Distanz“. 46 Gerfeldt (1961), S. 380. 47 Siehe Vorschlagsliste für die Altenwohnungen in der Jaspertstraße 7, 1961, in: ISG, Fürsorgeamt 3991. Es gab 33 Vorschläge und Ersatzvorschläge des Sozialamts für die Einzimmerappartements, nur zwei der Vorgeschlagenen waren Männer. Bei einem der vorgeschlagenen Männer wurde erwähnt, dass er sich noch selbst versorgen könne, wenn er eine Putzfrau finde. Vorschlagslisten für andere Altenwohnhäuser geben ein ähnliches Bild: siehe z. B. Vorschlagsliste des Sozialamtes, Fachstelle für Soziale Wohnungshilfe, Frankfurt a. M., 4. Februar 1964, für das Wohnhaus Fechenheim, Bezug 15. April 1964, in: ISG, Fürsorgeamt 3991. Unter den 39 vorgeschlagenen älteren Bürgern auf der Liste waren zwei Männer. 48 Siehe Statistisches Jahrbuch Frankfurt 1960, S.  10: Mittlere Jahreswohnbevölkerung 1959 652.586, davon über 65 Jahre: 76.553; davon 45.700 weiblich, 30.853 männlich (insgesamt waren 54,2 Prozent der mittleren Jahresbevölkerung in Frankfurt weiblich, 45,8 Prozent männlich). Am 6. Juni 1961 gab es insgesamt 81.291 Menschen über 65 Jahre in Frankfurt (49.402 Frauen; Gesamtbevölkerung 683.081). Unter den am 6. Juni 1961 verwitweten Personen, die insgesamt 33.962 ausmachten, waren 27.160 weiblich; ferner gab es 6.277 ledige Personen (davon 5.211 weiblich) und 2.183 geschiedene Personen in dieser Altersgruppe (davon 1.559 weiblich). 38.869 waren verheiratet (siehe Statistisches Jahrbuch Frankfurt 1964, S. 19, Tabelle 22, Wohnbevölkerung nach Familienstand, Altersgruppen und Geschlecht). Am 31. Dezember 1969 gab es insgesamt 96.398 über 65-Jährige, davon 35.681 Männer (Statistisches Jahrbuch Frankfurt 1970, S. 8, Tabelle 11, Wohnbevölkerung nach besonderen Altersgruppen und Geschlecht). 49 Baumgartl (1997), S. 12. 50 Brinker (2005), S. 160–162, verweist auf einen Entwurf von Hans Scharoun von 1955, der einen „Symbiose-Typ“ aus zwei abtrennbaren Wohnungen – eine für einen älteren Alleinstehenden, die zweite für eine Familie mit Kindern – konzipierte.

3.3 Altenwohnungen

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Altenwohnungen seien daher die „zeitgemäße und soziale Lösung“, um den „Familiencharakter einer eigenen, kleinen, bequemen Wohnung zu betonen und jede Abgeschiedenheit zu vermeiden“. „Familiencharakter“ konnte sich nur darauf beziehen, dass die Wohnungen abgeschlossen und „vollständig“ sein sollten, dem Ideal einer Familienwohnung im Kleinen entsprechend, Zielgruppe waren jedoch Einzelpersonen. Gedacht waren sie als Gemeinschaftseinrichtungen mit Betreuung durch eine Krankenschwester bei leichten Unpässlichkeiten.51 Die geringe Größe der Altenwohnungen wurde in den späteren 1960er Jahren gerade von einem Experten als positiv hervorgehoben52: Die Eingliederung der alten Menschen setze eine ihren Bedürfnissen entsprechende Unterbringung voraus. Dies sei für noch rüstige Menschen, denen die Haushaltstätigkeiten in ihrer bisherigen, großen Wohnung zu schwer würden, die Altenwohnung: „d. h. kleine abgeschlossene Wohnungen, die nach ihrer Größe und Einrichtung (z. B. unfallverhütende Einrichtungen, rutschfester Bodenbelag, besonders gesicherte Energieanschlüsse) sowie baulichen Ausstattung (z. B. Fahrstuhl, Müllschlucker, Zentralheizung) den Bedürfnissen der alten Menschen angepaßt sind“.53 „Eingliederung“ meint hier die Eingliederung in die (städtische) Gesellschaft und Wohnungsumgebung statt in ein Altenheim, jedoch setzt die Eingliederung in diesen Vorschlägen zunächst die Aufgabe der bisherigen Wohnung und der gewohnten Umgebung voraus. Im damals gültigen BSHG war im Paragraphen 75 nur die „Hilfe“ bei der Beschaffung einer Wohnung, die den Bedürfnissen alter Leute entspreche, verankert, während in den Vorüberlegungen des „Deutschen Vereins“ zum Gesetz noch die „aktive Mitwirkung“ der Sozialämter gewünscht war.54 Durch die Förderung von konkreten Wohnungsbauprojekten bot das Sozialamt jedoch mehr als nur „Hilfe“ bei der Beschaffung.55 Das erste kommunal geförderte Altenwohnhaus in Frankfurt war die Wohnanlage an der Alexanderstraße in Frankfurt-Rödelheim, erstellt von der „Gemeinnützigen Gesellschaft für Wohnheime und Arbeiterwohnungen mbH“. 1961 konnten die ersten Wohnungen bezogen werden. Das Vorhaben wurde noch vor Verabschiedung des Altenplans im Rahmen eines zusätzlichen kommunalen Wohnungsbauprogrammes beschlossen.56 Die Zielgruppe war klar und wurde durch ein aufgestelltes Schild beim Spatenstich der Stadtbevölkerung verdeutlicht: „Frankfurt ruft seine evakuierten Bürger“. Oberbürgermeister Werner Bockel-

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Gerfeldt (1961), S. 380. Vogt (1967), S. 140. Vogt (1967), S. 140. Irmak (2002), S. 113. Vgl. Rudloff (1998), S. 26, der die Begriffe „Eingriffs-“ vs. „Leistungsverwaltung“ entwickelte. Die Sozialverwaltung bewegte sich damit von der Wohnraumbewirtschaftung in der Nachkriegszeit als Form der „Eingriffsverwaltung“ hin zu einer aktiven Beschaffung und Bereitstellung als Form der „Leistungsverwaltung“. 56 ISG, Magistratsakten 2648, darin: Mitteilungen der Stadtverwaltung Frankfurt a. M., Nr. 48, 28. November 1959, Das erste Altenwohnheim für die Evakuierten.

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3. Offene Altenhilfe in den 1960er Jahren

mann sprach bei diesem Anlass pressewirksam von 10.000 Frankfurter Bürgern, die 14 Jahre nach Kriegsende noch auf die Rückkehr in ihre „alte Vaterstadt Frankfurt“ warteten.57 Der Bau wurde finanziert mit Darlehen der Stadt und Landesbaudarlehen sowie einem Zuschuss des Landes Hessen.58 Letzterer machte mit 700.000 DM den größten Posten aus bei geplanten Herstellungskosten von 2.146.000 DM. Geplant waren 48 Einzimmerappartements mit 28,02 Quadratmetern, 28 Zweizimmerappartements mit 37,27 Quadratmetern, zwei Dreizimmerwohnungen und vier Einzelwohnräume. Es gab Gemeinschaftsräume wie einen großen Saal und einen Aufenthaltsraum. Jedes Appartement bekam eine eigene Kochnische, ein Bad und eine Loggia.59 Der Zuschuss der Landesregierung war mit der Auflage verbunden, die Appartements an alte Menschen zu vergeben. Das Landesbaudarlehen spezifizierte die Anforderungen: 72 der 78 Appartements sollten an Evakuierte vermietet werden, vier an Sowjetzonenflüchtlinge und Spätaussiedler, die zwei Dreizimmerwohnungen an jeweils vier alte Männer und die Einzelwohnräume an das Personal. Die Miete durfte bestimmte Beträge nicht übersteigen, die noch vom Landesbewilligungsausschuss festzusetzen waren. Berechnungen zur Wirtschaftlichkeit führten zu einer Miete von 47,55 DM für das Einzimmerappartement und 60,50 DM für das Zweizimmerappartement zuzüglich Zahlungen für die Ausstattung und Betriebskosten. Mietbeihilfen wurden normalerweise gewährt, wenn das Einkommen bei Einzelpersonen 200 DM, bei Zweipersonenhaushalten 300 DM monatlich nicht überstieg; davon solle aber hier nach oben abgewichen und die Einkommensgrenzen um je 100 DM erhöht werden.60

57 ISG, Magistratsakten 2648, darin: Mitteilungen der Stadtverwaltung Frankfurt a. M., Nr. 48, 28. November 1959, Das erste Altenwohnheim für die Evakuierten. Der Spatenstich fand auch statt im Rahmen der „Frankfurter Evakuiertenwochen“, siehe ISG, Magistratsakten 2648, Einladung zum „Erdaushub“. 58 ISG, Stadtverordnetenversammlung 2369, Vortrag des Magistrats an die Stadtverordneten-Versammlung M 112, 20. Februar 1961. Zusätzliches kommunales Wohnungsbauprogramm und Kommunaler Altenplan; so genehmigt von der Stadtverordnetenversammlung am 16. März 1961, Protokoll-Auszug, § 392. 59 ISG, Magistratsakten 2648, Gewährung von Darlehen aus dem Vermögen der Wohnungsbauförderung zur Mitfinanzierung einer Wohnanlage in Frankfurt a. M.-Rödelheim, Alexanderstraße. 60 ISG, Magistratsakten 2648, Gewährung von Darlehen aus dem Vermögen der Wohnungsbauförderung zur Mitfinanzierung einer Wohnanlage in Frankfurt a. M.-Rödelheim, Alexanderstraße. Damit war die Miete etwas höher als die durchschnittliche Miete für eine Zweizimmerwohnung im Altbau ohne Bad in Frankfurt 1960, die nur 57,20 DM inklusive Nebenkosten betrug; der Standard der Altenwohnungen war deutlich höher (siehe Statistisches Jahrbuch Frankfurt 1961, S. 69). Nicht nur der Wohnkomfort, sondern auch die Wohnflächen, die alten Menschen in den neuen Altenwohnungen zur Verfügung standen, waren höher als die durchschnittliche Wohnfläche pro Person, die 1960 19 qm betrug (Noll/Weick (2009), S. 2).

3.3 Altenwohnungen

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Abbildung 7: Altenwohnhaus Alexanderstraße, ca. 1964, © ISG, Nachlass R. Menzer

3.3.2 Architektur Die ersten Altenwohnungen wurden in unmittelbarer Nachbarschaft zum Alten- und Pflegeheim in Rödelheim errichtet; die Bewohner hatten die Möglichkeit, an der Gemeinschaftsverpflegung des Heims teilzunehmen.61 Die beiden folgenden Altenwohnhäuser in Frankfurt wurden als Hochhäuser in Neubauvierteln in Fechenheim und Preungesheim mit insgesamt 185 Einund Zweizimmerwohnungen konzipiert. Es waren neungeschossige Hochhäuser mit Fahrstühlen, Gemeinschaftsräumen und Lesezimmer im Erdgeschoss.62 Hochhäuser für alte Menschen dominierten den Altenwohnungsbau in Frankfurt in diesem Jahrzehnt.63 Altenwohnungen in Hochhäusern galten den Planern als ideal wegen der Arbeits- und Wegeerleichterung durch Zentralheizung, Müllabwurf und Aufzug.64 Alte Menschen selbst gaben jedoch in Untersuchungen an, kleinere Wohnanlagen vorzuziehen. Auch wurde in Frankfurt von Problemen gerade mit dem Müllabwurf in Altenwohnhäusern berichtet; die von Architekten entwickelten Erleichterungen konnten nicht

61 ISG, Fürsorgeamt 3983, Presseausschnitt: Appartements mit allem Komfort. Die ersten Wohnungen des „Altenplans“ sind in Rödelheim bezogen worden, in: FAZ, Nr. 213, 14. September 1961. 62 ISG, Fürsorgeamt 3983, Presseausschnitt: Hochhaus für alte Bürger, Richtfest in Fechenheim, in: FNP, Nr. 211, 12. September 1961. 63 Pläne in ISG, Fürsorgeamt 4030, 4033, 4045, 4035, 4046, 4050, 4041, 4012 (Altenwohnanlagen 1961–1970). 64 Thiel (1967), S. 197.

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3. Offene Altenhilfe in den 1960er Jahren

von allen Bewohnern auch als solche wahrgenommen und in den Wohnalltag integriert werden.65

Abbildung 8: Altenwohnhaus Jaspertstraße, Preungesheim, ca. 1964, © ISG, Nachlass R. Menzer

Die Wohnungen wurden im Laufe der 1960er und 1970er Jahre größer, allerdings nicht maßgeblich. Einerseits wuchsen die Ansprüche an die Wohnfläche: So schrieb 1967 Diplomingenieur Hans Wolfram Thiel aus Stuttgart im Nachrichtendienst des Deutschen Vereins, ideal seien zwei oder mindestens anderthalb Zimmer auch für Alleinstehende, damit ein separater Schlafraum zur Verfügung stehe.66 Andererseits wurde dieses Ziel, auch für Einzelpersonen mindestens anderthalb Zimmer zur Verfügung zu stellen, in den Altenwohnungen, die im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus erstellt wurden, in Frankfurt nicht verwirklicht. Vorgesehen waren jedoch Schlafnischen. So waren die 1961 geplanten Altenwohnungen etwa 30 Quadratmeter groß, hatten eine Bettnische, eine kleine, mit Tür verschließbare, vom Wohn-Schlafraum abgehende Küche und ein kleines, ebenfalls vom Wohnraum abgehendes Bad.67 Zunächst gab es in den Altenwohnungen nur Kochnischen im Wohn65 Siehe ISG, Fürsorgeamt 4034, Annemarie Sch., Altenbetreuerin Eduard-Bernstein-Weg 2, an Herrn See, 12. Dezember 1970; siehe auch Kapitel 4. 66 Thiel (1967), S. 197. 67 ISG, Fürsorgeamt 4030, Plan vom 27. Oktober 1961.

3.3 Altenwohnungen

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Schlafraum.68 Im Altenwohnhaus in der Nordweststadt, das Ende der 1960er Jahre geplant wurde, hatten die Küchen nun immerhin Fenster, zum Teil nur zum Laubengang, jedoch gab es in allen Küchenfenstern eine „Spaltlüftung“.69 Die Küchen wurden zunächst als komplette Einbauküchen geplant, dann jedoch wegen „erheblicher Finanzierungsschwierigkeiten“ nur mit einem Herd und einer Spüle ausgestattet; Kühlschränke und Hängeschränke mussten die Bewohner selbst anschaffen (evtl. mit Unterstützung durch das Sozialamt).70 Dies geschah, obwohl in einer Studie zu Wiener Altenwohnungen festgestellt worden war, dass die Bewohner in den kleinen Küchennischen der Altenwohnungen dazu neigten, diese mit den zu großen Möbeln und Anrichten aus der ehemaligen Wohnung vollzustellen, und daher große Beengtheit empfanden; kritisiert wurden zudem stets die Nichtabgeschlossenheit zum Wohnraum und die mangelnde Belüftung.71 Die Abteilung Altenhilfe mahnte beim Bauträger an, die Herde unbedingt mit Kontrolllampen auszustatten, um Wohnungsbrände zu verhüten.72 Die eigene Küche war ein maßgebliches Unterscheidungsmerkmal zwischen Altenheimplatz und Altenwohnung und nahm eine herausragende Stellung in dem Bestreben ein, die Selbständigkeit der Bewohner zu erhalten: Eine bescheiden klein gehaltene Kochnische eignet sich zur Anregung selbständiger Betätigung, wie Bereitung des Frühstücks, des Nachtmahls und evtl. auch der Hauptmahlzeit. Auch die Reinigung und Instandhaltung der Zimmer soll den alten Menschen, wo dies möglich ist, aufgetragen bleiben, mit als Bestandteil einer bewährten Therapie gegen Erscheinungen, wie sie ein Aufenthalt im sonst üblichen Pensionsheim zwangsläufig mit sich bringt.73

Deutlich wird in dieser 1963 verfassten Begründung jedoch auch, dass die Zubereitung und Einnahme der Hauptmahlzeiten in der Altenwohnung eher als Ausnahme angenommen wurden; was wiederum die Frage nach Mahlzeitendiensten oder Gemeinschaftsverpflegung berührte – Erstere gab es zu diesem Zeitpunkt in Frankfurt nicht. In den Altenwohnungen wurden von Beginn an eigene, kleine abgeschlossene Bäder eingeplant, in die Sitzbadewannen eingebaut werden sollten.74 Da68 ISG, Magistratsakten 2648, Magistratsbeschluß, 20. Februar 1961, Nr. 412, S. 4. 69 ISG, Fürsorgeamt 4035, Pläne Eduard-Bernstein-Weg 2, 15. Januar 1968. 70 ISG, Fürsorgeamt 4037, Stadt Frankfurt a. M., Der Magistrat, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Schreiben an künftige Bewohner, 6. November 1968. Einzugstermin war Februar 1969. 71 Rosenmayr/Köckeis (1965), S. 68, Abbildung; S. 76 f. In dieser zeitgenössischen Untersuchung der Lebensverhältnisse Wiener Altenstättenbewohner wurde als ein zentraler Bewohnerwunsch herausgestellt, dass die Küche von den übrigen Wohnräumen durch eine Tür getrennt sei, um Küchengerüche im Wohnraum zu vermeiden. Da die Küchen dort nicht mit Einbaumöbeln ausgestattet waren, wurden sie oft mit zu großen Möbeln, die die alten Menschen beim Umzug mitbrachten, zugestellt; dies galt auch für den WohnSchlafraum. Der Preis der Freiheit, selbst möblieren zu dürfen, war hier die Beengtheit. 72 ISG, Fürsorgeamt 4037, Abt. Altenhilfe an die Neue Heimat Südwest, 17. Juli 1970. 73 ISG, Stadtverordnetenversammlung 2369, Vortrag des Magistrats an die Stadtverordneten-Versammlung M104, 25. Februar 1963, betr. Kommunaler Altenplan. 74 Jene Sitzbadewanne galt 1965 Alexander Mitscherlich als Symbol der in seiner Zeit eingetretenen „Beschneidung der physiologischen Wohngröße“: „jene platzsparenden Ba-

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3. Offene Altenhilfe in den 1960er Jahren

rin sollte auch die „kleine Wäsche“ von den Bewohnern gereinigt und auf ein Trockengestell gelegt werden können.75 Die Badewannen wurden mit einklappbaren Trittstufen ausgestattet.76 Barrierefrei waren die Bäder damit nicht; im Gegenteil konnten Badewannen mit Stufen nur von körperlich nicht oder wenig eingeschränkten Menschen genutzt werden. Zwar plädierten Studien zu Altenwohnungen aus dem Ausland für eine Dusche, da dies sicherer und sauberer sei, alte Menschen selbst sprachen sich jedoch überwiegend für eine Wanne aus77, und auch die Verwaltungsbeamten hielten daran fest78. Zugeständnisse an körperliche Einschränkungen im Bad wurden außer mit Trittstufen nur mit Haltegriffen am WC gemacht.79 Auch am Ende des Jahrzehnts berücksichtigte man auf Gehhilfen oder Rollstühle angewiesene alte Menschen in den Planungen nicht: In der Nordweststadt wurde 1970 ebenfalls ein kleines Bad mit schmaler Tür und Sitzbadewanne geplant.80 Um die Benutzerfreundlichkeit zu verbessern, mahnte die Abteilung Altenhilfe an, dass den Sitzbadewannen nun Einstiegsstufen vorgemauert werden sollten statt der vorher üblichen mobilen Leitern.81 Wie in den übrigen Wohnhochhäusern gab es hier einen Fahrstuhl und einen Müllabwurf im Treppenhaus.82 Damit waren die Wohnungen für Menschen mit eingeschränkter Bewegungsfähigkeit leichter zu nutzen, „barrierefrei“ waren sie jedoch nicht.

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dewannen, in denen man sitzen muß wie in einem Hockergrab, statt sich wohlig zu entspannen“. Mitscherlich (1965), S. 139. ISG, Fürsorgeamt 3992, Bl. 5, Bürgermeister-Gräf-Haus an Obermagistratsrat Baldes, – Fürsorgeamt –, Frankfurt, 27. Oktober 1960 (i. A. Diebener, Stadtamtmann). ISG, Stadtverordnetenversammlung 2369, Vortrag des Magistrats an die Stadtverordneten-Versammlung M657 vom 13. November 1961, betr. Zusätzliches kommunales Wohnungsbauprogramm und Kommunaler Altenplan, Bauvorhaben der Gemeinnützigen Gesellschaft für Wohnheime und Arbeiterwohnungen mbH, Frankfurt-Rödelheim, Im Füldchen, genehmigt von der Stadtverordnetenversammlung am 14. Dezember 1961, Protokolle, § 1298. Richardson/Klopper/Lynch (1960), S.  237; Rosenmayr/Köckeis (1965), S.  78; Blume (1962), S. 126 f. ISG, Fürsorgeamt 4031, Altenzentrum „Bornheimer Hang“ Kohlbrandstraße, 1959– 1978, Sozialamt, Frankfurt, den 28. Januar 1965, betr. Altenzentrum der Arbeitsgemeinschaft Arbeiterwohlfahrt – Wohnheim G. m. b. H. in der verlängerten Kohlbrandstraße. Es wurde kritisiert, dass in den Bädern Duschen und keine Sitzbadewannen vorgesehen waren. ISG, Stadtverordnetenversammlung 2369, Vortrag des Magistrats an die Stadtverordneten-Versammlung M657 vom 13. November 1961, betr. Zusätzliches kommunales Wohnungsbauprogramm und Kommunaler Altenplan, Bauvorhaben der Gemeinnützigen Gesellschaft für Wohnheime und Arbeiterwohnungen mbH, Frankfurt-Rödelheim, Im Füldchen, genehmigt von der Stadtverordnetenversammlung am 14. Dezember 1961, Protokolle, § 1298. Die Wohnungen waren damit nicht barrierefrei nach DIN 18025 – ein Ziel, das in vielen Punkten nicht angestrebt wurde. ISG, Fürsorgeamt 4037, Abt. Altenhilfe an die Neue Heimat Südwest, 17. Juli 1970 (zu diesem Zeitpunkt waren die ersten Mieter schon längst eingezogen). ISG, Fürsorgeamt 4035, Pläne Eduard-Bernstein-Weg 2, 15. Januar 1968.

3.3 Altenwohnungen

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3.3.3 Lage und Infrastruktur Es gab in den 1960er Jahren Überlegungen zur idealen Lage von Altenwohnungen, die sich nur selten mit der Realität des Altenwohnungsbaus deckten. Alexander Mitscherlich schrieb 1965 über die „Unwirtlichkeit“ der modernen Siedlungen in Großstädten, in denen die (Wohn-)Bedürfnisse vor allem von drei Gruppen, nämlich Müttern, Kindern und alten Menschen, nicht berücksichtigt würden: „So erhält der noch nicht erwerbstüchtige Mensch nicht die Auslaufflächen, die er benötigt; die Stadt spendiert sie ebensowenig dem nicht mehr berufstätigen alten Menschen.“83 Er kritisierte die „Aussiedlung“ alter Menschen aus den Wohnvierteln: Es ist ungleich bequemer, die noch produktiven alten Menschen irgendwo an gottverlassenen Orten in Altersheime auszusiedeln, als sich zu bemühen, Lösungen zu finden, in denen sie produktiv, und wenn nicht mehr dies, so doch respektiert unter uns bleiben können. Manches Altersschicksal verliefe anders, wenn die Struktur unserer Siedlungsräume nicht von bornierter Profitgier verzerrt wäre.84

Im hessischen Ministerium für Arbeit, Volkswohlfahrt und Gesundheitswesen wurde im Zusammenhang mit dem hessischen Sozialplan ein neues Konzept zur Unterbringung alter Menschen erstellt, das im Bereich der Lage und Zusammenfassung von Altenwohnungen den späteren Richtlinien des Ministeriums, die es im Altenwohnungsbau zu erfüllen galt, zum Teil widersprach.85 Das Konzept unterschied zwischen „gebrechlichen“ alten Menschen und alleinstehenden älteren Menschen, die nur in eingeschränktem Umfang pflegebedürftig seien: Die Unterbringung von gebrechlichen alten Menschen in Heimen am Ortsrand außerhalb der verkehrsreichen Städte sei nicht zu beanstanden, wenn gute Verkehrsverbindungen für die Angehörigen vorhanden seien. Sie sollten abseits vom Verkehr wohnen, um sich und andere Verkehrsteilnehmer nicht zu gefährden, wenn möglich mit freiem Ausblick in eine schöne Landschaft. Alleinstehende ältere Menschen, die nur einer „gewissen Pflege“ bedurften, wie Gemeinschaftsverpflegung, sollten nicht in geschlossenen Altenheimen untergebracht werden und nicht außerhalb des Ortes, denn dies würden sie als „Ausschluß aus der menschlichen Gesellschaft empfinden und dort vereinsamen“.86 Sie sollten ihren Lebensabend inmitten der nachfolgenden Generation und der Kinder verbringen können. So bleibe eine gewisse Selbständigkeit, die kleinere Einkäufe, Theater- und Kinobesuche und gesellige Veranstaltungen umfasse. Im europäischen Ausland, nämlich in England, Holland, Dänemark, Schweden, werde mehr und mehr davon abgesehen, kasernenartige Altenheime zu errichten, und auch der Ausdruck „Altenheim“ gern vermieden; stattdessen werde versucht, innerhalb größerer Sied83 Mitscherlich (1965), S. 92 f. 84 Mitscherlich (1965), S. 25. 85 HHStAW, Abt. 508, Nr. 3158, Baufachliche Gesichtspunkte zur Errichtung von Heimen und Wohnungen für die Alten, Wiesbaden, Oktober 1959. 86 HHStAW, Abt. 508, Nr. 3158, Baufachliche Gesichtspunkte zur Errichtung von Heimen und Wohnungen für die Alten, Wiesbaden, Oktober 1959.

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3. Offene Altenhilfe in den 1960er Jahren

lungen Erdgeschosswohnungen für alte Leute bereitzustellen. Ergänzt wurde hier in Klammern: „(Kleinwohnungen, sparsame Ausrüstung)“. Für Alleinstehende sei eine gemeinsame Verpflegung und gesundheitliche Betreuung in Verbindung mit Sozialstationen vorgesehen. „Es soll damit erreicht werden, daß die alten Menschen unauffällig am Leben der Nachbarschaft teilnehmen. Sie verbringen den Morgen in der Nähe der Spielplätze der Kinder und werden gelegentlich von befreundeten Familien zu kleineren Gefälligkeiten gebeten (Kinderbeaufsichtigung bei Kinobesuch der Eltern) und fühlen sich dadurch nützlich.“87 Alte Menschen würden eher auf Bequemlichkeiten verzichten, wenn ihnen stattdessen eine größere Freiheit und Selbständigkeit geboten werden könne. Damit wurde in diesen Überlegungen im Ministerium sogenannten „eingestreuten Altenwohnungen“ das Wort geredet, die sich aber nicht durchsetzen konnten; stattdessen baute man große Altenwohnhäuser oder -anlagen. Das war auch den Vorgaben des Sozialministeriums zur finanziellen Förderung geschuldet, die nämlich eine Betreuung voraussetzten, die in „eingestreuten“ Einzelwohnungen schwieriger zu verwirklichen war. Möglich wäre diese Betreuung durch die hier schon angesprochenen „Sozialstationen“, die jedoch erst mehr als ein Jahrzehnt später in einigen Orten der Bundesrepublik allmählich eingerichtet wurden. Bei den Planungen der Altenwohnungsanlagen konnte nicht festgestellt werden, dass Überlegungen mit einbezogen wurden, das direkte Wohnumfeld und die Infrastruktur mit zu berücksichtigen oder gar zu gestalten, und zwar im Hinblick auf erreichbare Geschäfte, Sicherheit der Straßenüberquerungen, Beleuchtung und den Nahverkehr. Durch den Bau von Altenwohnhochhäusern in Neubauvierteln zogen alte Menschen nicht selten in eine Umgebung, in der die Infrastruktur schlecht war. Vielerorts gab es nur wenige Einkaufsmöglichkeiten. Die Straßenverhältnisse waren manchmal schlecht und gefährlich für alte Menschen, die zu Fuß unterwegs waren, so in der Altenwohnanlage in der Nordweststadt.88 Es gab in der Umgebung keine Telefonzellen. Außerdem dauerte es häufig lange, bis das Altenwohnhaus auch nur einen Telefonanschluss für die Betreuerin bekam; den alten Menschen war es damit über einen langen Zeitraum hinweg fast unmöglich, telefonisch Kontakte zu halten.89 Die Einbindung in das soziale Leben im (bisherigen) Stadtteil spielte in den 1960er Jahren bei der Vergabe der Altenwohnungen keine Rolle; damit wurde eine der Begründungen für den Bau von Altenwohnungen nicht erfüllt. 87 HHStAW, Abt. 508, Nr. 3158, Baufachliche Gesichtspunkte zur Errichtung von Heimen und Wohnungen für die Alten, Wiesbaden, Oktober 1959. 88 ISG, Fürsorgeamt 4036, Anregung des Ortsbeirats 8, Nr. 2075 an den Bauausschuss, Frankfurt a. M., 9. September 1976; siehe Kapitel 4. 89 Siehe ISG, Fürsorgeamt 3992, Bl. 13, Sonderfürsorge, an Gemeinnützige Gesellschaft für Wohnheime und Arbeiterwohnungen mbH, 7. Juli 1961; ISG, Fürsorgeamt 4029, Der Magistrat, Sozialamt, Obermagistratsrat Scheid, an das Fernmeldeamt 2, Frankfurt, 7. August 1964. Noch war jedoch ein Anschluss wegen mangelnden Ausbaus des Leitungsnetzes nicht möglich (Rückantwort am 26. August 1964); ISG, Fürsorgeamt 4034, Annemarie Schröder, Altenbetreuerin Eduard-Bernstein-Weg 2, an Herrn See, 12. Dezember 1970.

3.3 Altenwohnungen

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3.3.4 Zielgruppen, Bewerber und Einzelschicksale Das Erhalten einer Altenwohnung setzte keine Erwerbstätigkeit mehr voraus, sondern den Renten- oder Sozialhilfebezug. Da der Altenwohnungsbau in den sozialen Wohnungsbau eingebunden war, standen die Wohnungen nicht Menschen zur Verfügung, die Einkommensgrenzen überschritten und dennoch in schwer zu bewirtschaftenden Wohnungen lebten. Es gab daher zeitgenössische Kritik an den Einkommensgrenzen.90 Altenwohnungen wurden vom Wohnungsamt vergeben, das Bewerber in Dringlichkeitsstufen einteilte. Das Sozialamt mit der Abteilung Altenhilfe sollte Vorschläge machen, hatte jedoch den Anspruch an eine umfassendere Betreuung schon im Vorfeld des Umzugs in eine Altenwohnung. Im gesamten Jahrzehnt gab es Konflikte zwischen Sozialamt und Wohnungsamt bei der Belegung von Altenwohnungen: Die Wohnungszuweisung sei leider „noch immer Aufgabe des Wohnungsamtes. […] Wir als Sozialamt haben dabei nur ein begrenztes Vorschlagsrecht“, schrieb Stadtoberinspektor Stocklossa von der Abteilung Altenhilfe im August 1964 an den Studienreferendar Werner F., der um eine Wohnung für Frau Hedwig R. anfragte, da er selbst in die Wohnung von Frau R. einziehen wollte. Frau R. solle daher beim Wohnungsamt einen Antrag einreichen und eine formlose Bewerbung ans Sozialamt schicken. Es seien aber gegenwärtig keine Altenwohnungen verfügbar, sondern erst wieder nach Fertigstellung weiterer Altenwohnungen im Rahmen des kommunalen Altenplanes in etwa zwei Jahren. Daher solle sie sich nicht nur um eine Altenwohnung bewerben, sondern vielleicht auch um eine andere Wohnung; die Berücksichtigung hänge von der Dringlichkeitsstufe ab, die ihr das Wohnungsamt zuteile.91 Bei der „Rückführung“ der evakuierten älteren Frankfurter Bürger wurde stets die Sozialverwaltung eingeschaltet, die sich bemühte, mit allen ein Gespräch an ihrem Evakuierungsort zu führen. Dabei begleiteten manchmal Stadtverordnete, die Mitglied im Evakuiertenausschuss der Stadtverordnetenversammlung waren, die Mitarbeiter des Sozialamtes. Mitunter fiel dieser Besuch aus, so dass älteren Rückkehrern aus Sicht des Sozialamtes ungeeignete Wohnformen zugewiesen wurden, so im Fall eines 76-jährigen Rentners, der bei der Evakuiertenstelle des Wohnungsamtes seit August 1960 registriert war und im Oktober 1962 eine Einzimmerwohnung zugewiesen bekam, obwohl schon ein Jahr vorher „Altenheimbedürftigkeit“ bescheinigt worden war; eine Stellungnahme der Sozialverwaltung wurde vorher nicht eingeholt.92 Der Dezernent des Wohnungsamts wies auf die Entscheidungen des Evakuiertenausschusses hin, dass nicht in jedem Fall die Sozialverwaltung einzuschalten sei, sondern die Evakuierten wie alle anderen wohnungssuchenden 90 Sozial- und Jugenddezernent der Stadt Köln (1962), S. 197; Vogt (1967), S. 140. 91 ISG, Fürsorgeamt 3991, Stadtoberinspektor Stocklossa, Herrn Werner F., Studienreferendar, Frankfurt, 6. August 1964. 92 ISG, Fürsorgeamt 3991, Stadtrat Prestel an Stadtrat Dr. Wilhelm Fay, Dezernent des Wohnungsamtes, 20. September 1962.

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3. Offene Altenhilfe in den 1960er Jahren

Bürger zu behandeln seien. Die Sachbearbeiter des Wohnungsamtes besäßen genug Fach- und Menschenkenntnis, um zu ermessen, ob ein älterer Bürger noch seinem Haushalt vorstehen könne. „Im Übrigen kann bei jedem älteren Bürger, ob es sich nun um einen Evakuierten oder sonstigen Bürger handelt, der Fall eintreten, daß er heute noch im Vollbesitz seiner geistigen und körperlichen Kräfte ist, morgen jedoch von der Sozialverwaltung betreut werden muß.“93 Diese Stelle im Schreiben war markiert und wurde in der Abteilung Altenhilfe mit Fragezeichen versehen; die Abteilung nahm für sich in Anspruch, mehr Kompetenz bei der Vergabe von Wohnungen an Menschen über einer bestimmten Altersgrenze zu haben als die übrigen Ämter. Prestel betonte, nicht die Sachbearbeiter des Wohnungsamtes, sondern nur das Sozialamt mit der Abteilung Altenhilfe könne beurteilen, ob ein alter Mensch noch selbständig leben könne, denn gerade durch die „Verselbständigung eines alten Menschen und die Herausnahme aus seiner gewohnten Umgebung“ könne eine latent vorhandene Heimpflegebedürftigkeit plötzlich zutage treten.94 Die Kontakte zwischen der Abteilung Altenhilfe und den Bewerbern um eine Altenwohnung wurden nach der Aussage der Abteilung in den kommenden Jahren noch intensiver. Ende der 1960er Jahre habe es mehr als 2.000 Einzelanträge auf Zuweisung einer Altenwohnung gegeben. Während der langen Wartezeit bestünden umfassende Kontakte, so dass das Sozialamt Überblick über körperliche Eignung und über „bestimmte Eigenschaften (Korrektheit bei der Mietzahlung etc.)“ habe. Auch die Frage der persönlichen Eignung werde berücksichtigt; darunter verstand man: „Anpassungsfähigkeit, Geselligkeit, ordentliche Lebensführung etc.“95 Ob es tatsächlich diese Charakterbewertungen in der Abteilung Altenhilfe gab, wie sie vorgenommen wurden und welche Rolle sie spielten, kann nicht überprüft werden, denn in den überlieferten Akten zur Vergabe von Wohnungen finden sich nur die aufgelisteten Vergabevorschläge inklusive Angaben über das Einkommen an das Wohnungsamt und die Errichter der Altenwohnungen.96 Angesichts der Zahl der Bewerber kann davon ausgegangen werden, dass die Kenntnis von „Eigenschaften“ allenfalls aus oberflächlichen, kurzen Kontakten gewonnen werden konnte. Die Kompetenzabgrenzungen zogen sich bis 1970: Mit einer internen Dienstanweisung an die Abteilung Altenhilfe sollte die Zusammenarbeit mit dem Amt für Wohnungswesen verbessert werden. Allen vorsprechenden älteren Bürgern sei neben den Antragsformularen für das Sozialamt auch der Bewerbungsbogen des Wohnungsamtes und der Bewerbungsbogen der Wohnungsvermittlungsstelle Gemeinnütziger Wohnungsunternehmen auszuhändigen und die sorgfältige Ausfüllung zu überprüfen. Eingereichte ärztliche At93 ISG, Fürsorgeamt 3991, Wohnungsamt, Der Dezernent, an Stadtrat Rudolf Prestel, Frankfurt 31. Oktober 1962. 94 ISG, Fürsorgeamt 3991, Stadtrat Prestel an das Wohnungsamt, 19. Dezember 1962. 95 ISG, Fürsorgeamt 4034, Sozialamt Abt. Altenhilfe, An die Stiftung Waisenhaus, 31. Juli 1969. 96 Siehe für das Altenwohnhaus Nordweststadt ISG, Fürsorgeamt 4037.

3.3 Altenwohnungen

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teste, Kündigungsschreiben, Räumungsurteile mussten auch für das Amt für Wohnungswesen fotokopiert werden.97 Der Dezernent des Sozialamtes, Stadtrat Gerhardt, beschwerte sich im November 1970 beim Wohnungsamt, dass bei der Vergabe von Wohnungen an kinderreiche Familien und ältere Mitbürger die Vorschläge des Sozialamtes übergangen würden, obwohl das Dezernat seit Jahren diese Menschen betreue und den Überblick über die soziale Bedürftigkeit habe. Das Jugendamt müsse für die Vergabe von Wohnungen für kinderreiche Familien und das Sozialamt für die Vergabe von Altenwohnungen das Auswahlrecht haben. Das Auswahlrecht des Amtes für Wohnungswesen müsse für diese Fälle suspendiert werden.98 Die Zielgruppen in den ersten Altenwohnhäusern in Frankfurt waren alte Menschen, die in der Stadt in unzureichenden Wohnverhältnissen lebten, und evakuierte ältere Bürger, die mit der Vergabe einer Altenwohnung in die Stadt zurückkehren konnten. In den Vergaberichtlinien der einzelnen Wohnhäuser wurden die Gruppen je nach Finanzierung noch einmal spezifiziert: Viele Wohnungen waren bestimmten Gruppen älterer Menschen, wie Sowjetzonenflüchtlingen, Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen, TBC-Kranken und in kleiner Zahl rassisch Verfolgten, vorbehalten.99 Aus den wenigen überlieferten Briefen alter Menschen an die Sozialverwaltung lässt sich herauslesen, dass diese den Bau von Altenwohnungen positiv empfanden und den Umzug in eine solche Wohnung anstrebten. Die Grundvoraussetzung für den Bezug einer Altenwohnung war das Verlassen des bisherigen Wohngebäudes und meist auch des näheren Umfeldes. Die künftigen Bewohner nahmen den Umgebungswechsel in Kauf und äußerten Wünsche nach Nähe zu Verwandten oder Bekannten, die sich aber nicht in unmittelbarer Umgebung befinden mussten. Pauline R., der gekündigt worden war, da ihr Haus einem Parkhochhaus weichen sollte, bat um Zuweisung einer Altenwohnung. Sie sei 77 Jahre alt und „noch sehr rüstig. Ich versorge meinen Haushalt noch selbst und bewirtschafte sogar noch einen Kleingarten.“ Es sei ihr Wunsch, wenn sie ihre langjährige Wohnung aufgeben müsse, „meinen Lebensabend in einer jener hübschen Altenwohnungen zu verbringen, in der ich mich selbst versorgen kann“.100 Sie suchte eine eigene Wohnung in stadträumlicher Nähe entweder zu ihrer Tochter in Rödelheim oder

97 ISG, Fürsorgeamt 3991, Interne Dienstanweisung, Sozialamt Abt. Altenhilfe, 12. Februar 1970. 98 ISG, Fürsorgeamt 3991, Stadtrat Gerhardt, Herrn Stadtkämmerer Sölch, 10. November 1970. 99 Siehe die Vorschlagslisten und Vergaberichtlinien für die einzelnen Wohnhäuser in ISG, Fürsorgeamt 3991; ISG, Stadtverordnetenversammlung 2369, Vortrag des Magistrats an die Stadtverordneten-Versammlung M657 vom 13. November 1961, betr. Zusätzliches kommunales Wohnungsbauprogramm und Kommunaler Altenplan, Bauvorhaben der Gemeinnützigen Gesellschaft für Wohnheime und Arbeiterwohnungen mbH, FrankfurtRödelheim. 100 ISG, Fürsorgeamt 3991, Pauline R., an Obermagistratsrat Scheid, Sozialverwaltungsamt, 15. Oktober 1963.

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3. Offene Altenhilfe in den 1960er Jahren

ihrer Freundin in Preungesheim und fühlte sich so mobil, Entfernungen in den jeweils anderen Stadtteil überwinden zu können. Rückkehrer wollten den Zuzug in die Stadt mit der Vermittlung einer solchen Wohnung verbinden, ein Zuzug, der ohne Wohnungsvermittlung freilich zu diesem Zeitraum unmöglich gewesen wäre: Im Dezember 1962 schrieb Jenny R., eine 69 Jahre alte jüdische Frankfurterin, die 1939 nach England emigriert war, an die Sozialverwaltung, sie würde gern ihren Lebensabend in Deutschland beschließen. In der Zeitung hatte sie über das geplante Altenwohnheim in Seckbach der Henry-Budge-Stiftung gelesen, das für jüdische und christliche Bürger erstellt werden sollte: „Nun ist dies gerade das, was ich immer wünschte, ein eigenes Heim und gleichzeitig, wenn nötig, eine ärztliche Hilfe. Ich bin Selbstzahler und würde gerne an der Hauptmahlzeit teilnehmen, aber morgens und abends mich selbst versorgen.“101 Eine Eintragung in eine Rückkehrerliste war in ihrem Fall als ehemalig „rassisch Verfolgte“ nicht erforderlich, antwortete man ihr; sie sei vorgemerkt für das Altenwohnheim Röderbergweg, für das im Sommer 1963 die Bauarbeiten beginnen sollten.102 Da dessen Bau jedoch stockte103, wurde Jenny R. für eine Wohnung im Altenwohnheim Johanna-Melber-Weg vorgemerkt, das im Frühsommer 1964 fertiggestellt werden sollte104. Zuzugswillige, die nicht Rückkehrer waren, hatten keine Möglichkeit, eine Altenwohnung zu beziehen. Christine H., Ostzonenflüchtling und in Württemberg lebend, 66 Jahre alt, suchte ein Einzimmerappartement mit Selbstverpflegung in einem Altenwohnheim, da ihre Freunde und Verwandten in Hessen wohnten.105 Ihre Anfrage wurde negativ beschieden, da die Altenwohnungen in erster Linie zur Unterbringung der ausgebombten Frankfurter dienten, die noch heute in der Umgebung der Stadt evakuiert seien, und zudem für ältere Menschen in der Stadt, die in „Wohnungsnotständen“ lebten, so dass in „gar keinem Falle“ auswärtige Bewerber berücksichtigt werden könnten.106 Eine Frau aus dem Main-Taunus-Kreis konnte nicht in Frankfurt aufgenommen werden, da es noch zu viele Frankfurter Bürger gebe, „denen es aufgrund ihres Alters bis jetzt nicht gelungen ist, eine menschenwürdige Wohnung zu erhalten“.107 Dafür stelle die Stadt erhebliche Steuermittel bereit, die in erster Linie ihren Bürgern zugutekommen sollten.

101 ISG, Fürsorgeamt 3991, Jenny R., Obernhainerstr. 3, An die Sozialverwaltung, Herrn Obermagistratsrat Scheid, 3. Dezember 1962. 102 ISG, Fürsorgeamt 3991, Sozialamt, an Frau Jenny R., 10. April 1963. 103 ISG, Fürsorgeamt 3991, Sozialamt, an Frau Jenny R., 10. April 1963, handschriftlicher Vermerk auf der Rückseite des Durchschlags. 104 ISG, Fürsorgeamt 3991, Sozialamt am 16. Dezember 1963. Im April 1964 wurde ihr der Einzug für Juni bestätigt (ISG, Fürsorgeamt 3991, Sozialamt, am 22. April 1964). 105 ISG, Fürsorgeamt 3991, Christine H. an Sozialamt, 11. Februar 1963. 106 ISG, Fürsorgeamt 3991, Dr. Prestel, Sozialamt, an Frau Christine H., 26. Februar 1963. 107 ISG, Fürsorgeamt 3991, Abt. Altenhilfe, an Mrs. Robert A. St., USA, 23. April 1964; sie hatte für ihre Mutter angefragt.

3.3 Altenwohnungen

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Eine Zweizimmerwohnung in Altenwohnhäusern konnten nur Ehepaare oder Geschwister bekommen. Hugo K. aus Eschau, evakuierter pensionierter Beamter mit Haushälterin, wollte nach Frankfurt zurückziehen; ihm wurde jedoch erklärt, dass ein „eheähnliches Verhältnis“ im Altenwohnhaus nicht geduldet werde. Daher machte ihm das Wohnungsamt den Vorschlag, ihn in einer eingestreuten Zweizimmerwohnung in der Nordweststadt unterzubringen. Beide seien noch rüstig, so dass sie nicht unbedingt „der Obhut eines Altenwohnhauses“ bedürften.108 Ebenfalls nicht berücksichtigt wurden ältere Menschen, denen die Bewirtschaftung ihrer Wohnung zu schwer wurde. Am 23. Februar 1964 schrieb der Journalist Max P. an den Stadtrat Rudolf Prestel: Anläßlich eines Spazierganges habe ich im Hühnerweg die im Entstehen begriffenen Bauten für Altenwohnungen gesehen. Das Projekt hat mich derart begeistert, daß ich mich gern um eine Altenwohnung, möglichst mit 2 Zimmern im Parterre gelegen, bewerben möchte. […] Von mir selbst kann ich mitteilen, daß ich am 10. März d. Js. meinen 70. Geburtstag feiere. Meine Frau steht im 72. Lebensjahre, ist gehbehindert und hochprozentig zuckerkrank. Wir wohnen zwar in einer angenehmen und billigen Sozialwohnung, aber das Treppensteigen zum Keller und Kohlen holen, ist und bleibt ein Problem.109

Der Stadtrat sagte ihm jedoch ab, da sämtliche Bewerber, die über eine ausreichende Wohnung verfügten, bei der Vielzahl von Bewerbungen nicht berücksichtigt werden könnten. Voraussetzung sei die Registrierung beim Wohnungsamt und die rote Dringlichkeitsstufe.110 Nicht berücksichtigt wurden auch ältere Bürger, die mit dem Umzug eine größere Wohnung hätten frei werden lassen. Ausnahmen wurden dann befürwortet, wenn der Vermieter sich bereit erklärte, Dringlichkeitsfälle des Wohnungsamtes als Nachmieter aufzunehmen.111 Die Vergaberichtlinien änderten sich im Herbst 1964 und wurden vom Wohnungsamt so ausgelegt, dass 50 Prozent der Altenwohnungen an Wohnungsnotstände mit Dringlichkeitsstufe I vergeben wurden, die zweite Hälfte an alte Menschen aus „großen unzweckmäßigen Wohnungen“.112 Dies gelte nur für Altenwohnungen, bei denen keine weiteren Auflagen wie Zweckbindung für Evakuierte und Sowjetzonenflüchtlinge zu beachten seien. Angesichts des Mangels an zu vergebenden Wohnungen wurde im Sozialamt je108 ISG, Fürsorgeamt 3991, Sozialverwaltung, Sozialamt, Reisebericht über Besuche von Evakuierten (29), die für das Altenwohnhaus der Stiftung Frankfurter Bürgerhilfe, in Frankfurt Süd, Lettigkautweg  / Ecke Wendelsweg vorgesehen sind, Frankfurt, 18. Juni 1964. 109 ISG, Fürsorgeamt 3991, Max P. an Stadtrat Dr. jur. Prestel, 23. Februar 1964. 110 ISG, Fürsorgeamt 3991, Stadtrat Dr. jur. Prestel an Herrn Max P., 13. April 1964. In der Akte finden sich viele weitere Absagen. 111 ISG, Fürsorgeamt 3991, Briefwechsel April–Mai 1964 des Sozialamtes mit dem Vorsteher der Stadtverordnetenversammlung, der sich für Aufnahme einer älteren Bürgerin in ein Altenwohnheim ausgesprochen hatte, da ihr ihre Dreizimmerwohnung zu groß wurde. 112 ISG, Fürsorgeamt 3991, Magistratsbeschluß Nr. 2308 vom 21. September 1964.

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3. Offene Altenhilfe in den 1960er Jahren

doch handschriftlich notiert: „Bei der klaren Stellungnahme des WA. fragt sich jetzt nur noch, wo die 50 Prozent Altenwohnungen für die Personen in zu groß gewordenen Wohnungen hergenommen werden?“113 Selbst die Menschen, die in Wohnungsnotständen lebten, konnten in den 1960er Jahren nicht zeitnah mit der Zuweisung einer Altenwohnung rechnen. Anna B., geboren 1897, bat 1963 um die Zuweisung einer Altenwohnung, da sie mit ihrer Schwester und deren Ehemann in einer Anderthalbzimmerwohnung lebte. Die Verhältnisse seien untragbar, wie die Soziale Wohnungshilfe der Sozialverwaltung anerkannte, da es in der kleinen Wohnung ihrer Schwester zu Streitigkeiten käme und sie sehr kränklich sei (Herz-, Leber- und Gallenleiden).114 Sie wurde jedoch mit Hinweis auf die große Zahl der Bewerber vertröstet.115 Zugleich wurden für dieselbe frei werdende Wohnung drei weitere Frauen vorgeschlagen, die in schlechten Unterkünften lebten; eine davon sei kaum mehr in der Lage, vier Treppen zu steigen.116 Die Familienfürsorgerin der Sozialstation Bornheim meldete dem Sozialamt eine 72-Jährige, die in einer Mansarde von ca. 8 Quadratmetern lebe; der Raum sei schräg, kalt, feucht, die Decke sei heruntergebrochen, und sämtliche Rohre, auch das Klosettrohr, gingen durch das Zimmer hindurch: „Es ist ein menschenunwürdiger Zustand.“117 Die Frau habe keinen Keller, keinen Abstellraum, Kohlen und Holz müsse sie in Kisten verteilt im Zimmer unterbringen. Immer wieder machte die ehrenamtliche Pflegerin auf das unmögliche Hausen dieser alten Frau aufmerksam. Frau H. trage sich mit Selbstmordgedanken, wehre sich aber, in ein Altenheim zu gehen, in dem außerdem zurzeit keine Plätze vorhanden seien. Beim Wohnungsamt sei sie unter der Nummer I/I/206.292 registriert; dort, in der Abteilung Sonderfürsorge, habe man die Auskunft gegeben, dass zur Zeit nur die Nummern bis 190.000 in Altenwohnungen berücksichtigt werden könnten.118 Die 33 Vorschläge für die Neubelegung des ersten Bauabschnitts des Altenwohnhauses Preungesheim bezogen sich überwiegend auf Frauen (und Ehepaare bei den Anderthalbzimmerwohnungen) und wurden mit den schlechten Wohnverhältnissen begründet. In einigen Fällen gab es Hinweise auf den Gesundheitszustand und die Gehfähigkeit. Zwei Vorgeschlagene 113 ISG, Fürsorgeamt 3991, handschriftliche Bemerkung auf Brief des Wohnungsamtes, An das Sozialamt, betr. Sozialer Wohnungsbau, Änderung der Vergaberichtlinien für den Bezug von Altenwohnungen, Frankfurt, 12. Januar 1965. 114 ISG, Fürsorgeamt 3991, Sozialverwaltung, Soziale Wohnungshilfe, An das Wohnungsamt, betr. Altenwohnung im Füldchen 4, Erdgeschoss, 30. Oktober 1963. 115 ISG, Fürsorgeamt 3991, Sozialamt Amtsleitung, Sto/Ba, Vermerk, 28. Oktober 1963. 116 ISG, Fürsorgeamt 3991, Sozialverwaltung, Soziale Wohnungshilfe, An das Wohnungsamt, betr. Altenwohnung im Füldchen 4, Erdgeschoss, 30. Oktober 1963. 117 ISG, Fürsorgeamt 3991, Sozialstation Bornheim, Abt. Familienfürsorge, an die Amtsleitung, Abteilung I, Frankfurt 20. April 1964. 118 ISG, Fürsorgeamt 3991, Sozialstation Bornheim, Abt. Familienfürsorge, an die Amtsleitung, Abteilung I, Frankfurt 20. April 1964. Handschriftlich wurde vermerkt, die alte Frau bei der Sitzung des Vergabeausschusses ins Gespräch bringen zu wollen (13. Juni 1964) und (ohne Datum) dass sie nun im Lettigkautweg versorgt sei.

3.3 Altenwohnungen

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wohnten in einer Mansarde ohne Bad, mehrere zur Untermiete und wurden von den Vermietern „schikaniert“, zwei lebten in einem Gartenhaus. Ein Paar, das als „Ersatzpaar“ vorgeschlagen wurde, wohnte in einer Dreizimmerwohnung der Bundesbahn, die es für jüngere Angestellte frei machen sollte. Eine ältere Frau lebte zusammen mit ihrer Tochter, deren Mann und sieben Enkeln in einer Vierzimmerwohnung und wolle „gerne für sich sein“. Einige der Vorgeschlagenen wohnten sogar in „Bauaufsichtsfällen“.119 Für das Wohnhochhaus Fechenheim wurden 39 ältere Bürger vorgeschlagen und damit mehr, als berücksichtigt werden konnten.120 Alle Vorgeschlagenen lebten in Notständen: 15 waren gekündigt worden, drei wurden vom Vermieter „schikaniert“, zehn lebten in gesundheitsgefährdenden oder sehr beengten Wohnverhältnissen wie kleinen Mansarden, Zimmern mit Schimmel, ohne Koch- und Waschgelegenheit, wohnten zusammen mit ihren erwachsenen Kindern und Enkelkindern in nur zwei Räumen. Bei zwölf älteren Menschen wurden die Vorschläge zudem mit der gesundheitlichen und körperlichen Situation begründet.121 Die Mitte der 1960er Jahre Vorgeschlagenen lebten nicht nur zumeist seit Kriegsende in notdürftigen Wohnverhältnissen, sondern waren zudem häufig gesundheitlich belastet. Eine unkomfortable Wohnsituation mit vielen Treppen oder Feuchtigkeit verstärkte die gesundheitlichen Probleme  – dennoch konnten nicht all diese Vorschläge berücksichtigt werden. Mitte der 1960er Jahre wurde die Wohnraumbewirtschaftung aufgehoben. In der Folge gab es eine Reihe von Kündigungen wegen Eigenbedarfs.122 Bei der Vergabe von Wohnungen im Altenzentrum Höchst, dessen Fertigstellung für Dezember 1966 geplant war, lag eine große Zahl von Anträgen vor, 119 ISG, Fürsorgeamt 3991, Vorschlagsliste für die Neubelegung des Altenwohnhauses Preungesheim, Jaspertstraße 7, 1961. 120 ISG, Fürsorgeamt 3991, Vorschlagsliste der Sozialverwaltung zur Belegung des Wohnhochhauses Fechenheim, Sozialamt, Fachstelle für Soziale Wohnungshilfe, Frankfurt a. M., 4. Februar 1964. 121 ISG, Fürsorgeamt 3991, Vorschlagsliste der Sozialverwaltung zur Belegung des Wohnhochhauses Fechenheim, Sozialamt, Fachstelle für Soziale Wohnungshilfe, Frankfurt a. M., 4. Februar 1964: Ernst F., geb. 30. Mai 1900, 50 Prozent KB, alleinstehend, Oberschenkelamputation; Lina R., geb. 8. Mai 1896, gehbehindert nach Schlaganfall, rechter Arm gelähmt, Raum gesundheitsgefährdend; Elisabeth W., schwer herzkrank, Tochter wohne in Fechenheim; Frau Käthe B., geb. 18. März 1897, die eine Mansarde bewohne und ein Stützkorsett trage; Frau Emilie M., geb. 30. Januar 1905, beinamputiert, schweres Herzleiden, wohne in baufälliger Mansarde; Frau Anni K., schwere Thrombose, könne die Treppen nicht mehr steigen; Frau Maria S., geb. 2. Januar 1893, schweres Rheuma und Ischias in kaltem Untermietzimmer nach Norden gelegen, die Vermieterin halte sich viel in diesem Zimmer auf; Henriette H., geb. 2. November 1885, mehrere Operationen, könne die Wendeltreppe kaum mehr gehen; Frau Rosa W., geb. 26. Oktober 1891, könne kaum mehr Treppen steigen; so auch Frau Gertrud D., geb. 11. Mai 1890; Ludmilla W., geb. 28. März 1892, Räumung, schwere Anämie; Frau Katharina G., geb. 20. November 1901, schwerer Herzmuskelschaden und Durchblutungsstörungen. 122 ISG, Fürsorgeamt 3991, Presseausschnitt: Auch alte Leute müssen weichen. Wohnungskündigungen in weißen Kreisen, in: FNP, 29. April 1965, Nr. 99.

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3. Offene Altenhilfe in den 1960er Jahren

in denen als Folge der Aufhebung der Wohnraumbewirtschaftung durch Kündigung und Räumungsverfügungen Obdachlosigkeit drohe. Es sei noch nicht abzusehen, wie viele Wohnungen zur Verfügung stünden, wenn die dringendsten Notfälle versorgt seien.123 3.3.4.1 Pflegebedürftigkeit Der Bezug einer Altenwohnung löste nur einige Probleme, die sich aus nachlassenden Fähigkeiten zur Selbstversorgung ergaben. Die Wohnungen waren ausdrücklich konzipiert für Menschen, die sich selbst versorgen konnten. Zugestanden wurde den Bewohnern, dass sie „den Anforderungen einer normalen Wohnung nicht mehr gewachsen sind“124; die verminderten Anforderungen, die die Altenwohnungen an die Bewohner stellten, manifestierten sich jedoch nur in einer geringeren Wohnfläche, die die Bewohner selbst reinigen sollten, in einem Heizsystem, das das Tragen von Brennstoffen in die Wohnung überflüssig machte, und gelegentlich in einem Müllabwurfschacht in den Hochhäusern. Zudem boten die Wohnungen häufig höheren Komfort als die alte Wohnung durch ein dazugehörendes Bad mit Toilette. Ob Menschen, die selbständig in einer solchen Wohnung leben konnten, tatsächlich mit den Anforderungen einer nicht näher definierten „normalen“ Wohnung überfordert wären, wurde nicht in Frage gestellt. Bei den Aufnahmegesuchen machte das Sozialamt Angaben zur „Rüstigkeit“ der Bewerber. Während der Anspruch auf eine Altenwohnung mit gesundheitlichen Gründen gegenüber dem Wohnungsamt untermauert wurde, lehnte man alte Menschen, die zu krank schienen, ab: Das Ehepaar Gustav F., Evakuierte, 84 und 81 Jahre alt, lebte in sehr verwohnten, auseinanderliegenden Räumen. Mitarbeiter der Abteilung Altenhilfe vermuteten beginnende Alterssklerose; ansonsten mache er einen einigermaßen rüstigen Eindruck, Frau F. sei nahezu taub, die Tochter lebe in Frankfurt. Das Paar sei nicht mehr geeignet für eine Altenwohnung, am besten versorgt wären sie in einem Altenheim. Die Tochter wolle die Zustimmung der Eltern dazu einholen.125 Auch das Aufnahmegesuch der Geschwister Anny und Ottilie S., das diese an den Oberbürgermeister Brundert stellten, wurde negativ beschieden. Nach Ausbombung wohnten sie zur Untermiete und seien nun vom Hausbesitzer gekündigt worden.126 Die Abteilung Altenhilfe nahm dazu Stellung, dass sie mit Rücksicht auf das hohe Alter der Schwestern eine Zuweisung einer Alten123 ISG, Fürsorgeamt 3991, Sozialamt Abt. Altenhilfe, an Stadtverordneten Ludwig Jos, 5. August 1966, betr. Wohnraumbewerbungen, die der Stadtverordnete einbrachte. 124 Deutscher Städtetag (1967), S. 15. 125 ISG, Fürsorgeamt 3991, Sozialverwaltung, Sozialamt, Reisebericht über Besuche von Evakuierten (29), die für das Altenwohnhaus der Stiftung Frankfurter Bürgerhilfe, in Frankfurt Süd, Lettigkautweg  / Ecke Wendelsweg vorgesehen sind, Frankfurt, 18. Juni 1964. 126 ISG, Fürsorgeamt 3991, Geschwister Anny und Ottilie S., An den Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt a. M., Professor Dr. Brundert, Frankfurt a. M., 9. April 1969.

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wohnung nicht für zweckmäßig halte, zumal eine der beiden Schwestern bei ihrem Vorsprechen „einen sehr hinfälligen Eindruck hinterließ“ und offenbar eher der Einweisung in ein Pflegeheim als in ein Altenheim bedürfe. Im üblichen Verfahren werde die zuständige Sozialstation drohende Obdachlosigkeit durch eine befristete Wiedereinweisung vermeiden, aber: „Wir halten es für zweckmäßig, durch unsere Fürsorgerin Hausbesuch vornehmen und auf eine Heimeinweisung hinwirken zu lassen.“127 Die Fürsorgerin berichtete von dem Besuch, dass die alten Damen seit 25 Jahren in den Untermietzimmern wohnten und ihr ganzes Leben im Bereich der Innenstadt verbracht hätten; sie seien der Ansicht, dass sie ein Recht auf eine Innenstadtwohnung hätten, da ihnen der Krieg alles genommen hätte. Sie seien gegen eine Heimaufnahme eingestellt, auch wenn die Kirchengemeinde und die Ambulanzschwester des Altenheims der Langestraße schon versuchten, sie zu überzeugen. Es sei ihnen nicht möglich, so die rüstigere Schwester, unter lauter alten Leuten zu wohnen und nicht mehr „der eigene Herr zu sein“; Überzeugungsversuche und Schilderung der Vorteile eines „modernen Altenheims“ blieben ohne Erfolg, die Damen bestünden auf einer Wohnung.128 Den beiden Frauen wurde mitgeteilt, dass ihnen keine Altenwohnung zur Verfügung stehen könne. Es gebe in der Innenstadt ohnehin keine, zudem „werden die jeweils maßgebenden Baugesellschaften mit Rücksicht auf Ihr betagtes Alter den Abschluß eines Mietvertrages ablehnen“. Dieser Abschnitt, der die Verantwortung den Wohnungsbaugesellschaften zuschrieb, war nur im Entwurf des Schreibens von Stadtrat Ernst Gerhardt enthalten und wurde dann gestrichen.129 Die künftigen Bewohner von Altenwohnheimen durften nicht pflegebedürftig sein, da die vorgesehene „Betreuung“ keine Pflege umfasste. Um dem gerecht zu werden, sollten nur „rüstige“ ältere Menschen zwischen 65 und 75 Jahren aufgenommen werden. Diese Altersgrenzen wurden nach außen vertreten, allerdings formal nie eingeführt und bei den Vergabevorschlägen auch nicht immer berücksichtigt. Auch gab es keine Garantien dafür, dass diese Bewohner nicht doch innerhalb kurzer Zeit pflegebedürftig würden. Keinesfalls sollten sie mit einer Altersgrenze von 75 Jahren die Altenwohnungen wieder verlassen müssen, sondern sollten in den Altenwohnungen bleiben, bis ein Umzug ins Krankenhaus oder Pflegeheim unausweichlich wurde oder sie starben. Bevorzugt wurden Altenwohnungen deshalb in der Nähe von Alten- und Pflegeheimen errichtet und ihnen später häufig auch organisatorisch angegliedert. 1967 schilderte ein Bericht im Nachrichtendienst des Deutschen Vereins die Situation in den Niederlanden als vorbildlich. Dort gebe es insgesamt sehr viel mehr Heimplätze und in jeder neuen Wohnsiedlung ein mehrgliedriges Altenzentrum.130 Der Autor schlug vor, lieber die Bezeichnung 127 ISG, Fürsorgeamt 3991, Altenhilfe, Herrn Mag. Dir. Blösinger, Frankfurt, 29. April 1969. 128 ISG, Fürsorgeamt 3991, Hausbesuch am 2. Mai 1969, gez. Otterbei, unterstrichen im Original. 129 ISG, Fürsorgeamt 3991, Dezernent für Soziales und Gesundheit, Entwurf vom 7. Mai 1969, Brief vom 23. Mai 1969. 130 Thiel (1967), S. 197.

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3. Offene Altenhilfe in den 1960er Jahren

„mehrgliedrig“ statt „mehrstufig“ für neue Altenzentren zu verwenden, um den Eindruck einer zwangsläufigen Umquartierung von der Altenwohnung über das Altenheim ins Pflegeheim zu vermeiden. Es solle kein „Fließband zum Tode hin“131 sein. Ein Genesender könne auch nach einem Pflegeaufenthalt wieder in seine ursprüngliche Bleibe zurückkehren oder in seiner Wohnung bis zuletzt gepflegt werden.132 Ob dies realistisch war, bleibt offen; in Frankfurt wurde stets nur die Übersiedlung von der Altenwohnung in ein Pflegeheim diskutiert, nie der Weg zurück. Und dies war auch den Bewohnern bewusst. Während städtische Beamte dafür waren, Altenwohnhäuser in unmittelbarer Nähe zu Heimen zu errichten, um die Gemeinschaftseinrichtungen der Heime mit zu nutzen, sprach die Altenbetreuerin in einer Altenwohnanlage davon, dass gerade dies den alten Menschen Angst mache, immer vor Augen zu haben, wie die Zukunft für sie aussehen werde. Die neu gebauten Altenwohnungen mit dem Alten- und Pflegeheim räumlich zu kombinieren, hatte sich nach den Erfahrungen der Altenbetreuerin also nicht bewährt. Die Bewohner lehnten es sogar ab, den Mittagstisch des Alten- und Pflegeheims aufzusuchen.133 3.3.5 Betreuung 3.3.5.1 Organisation des Betreuungsdienstes Mit den ersten errichteten Altenwohnungen wurde die Frage der Betreuung in den Wohnungen erörtert. Klar war, dass es eine Betreuung geben müsse; dies war auch Bedingung für die Zuschüsse des Landes Hessen.134 Erste Überlegungen gingen dahin, die Gemeindeschwestern der konfessionell getragenen Gemeindestationen für die Betreuung einzusetzen  – ein Vorhaben, das in der Gemeinde nicht befürwortet wurde. Der evangelische Pfarrer in Rödelheim antwortete auf die Anfrage mit vielen Gegenfragen: „An welche Dienste der Schwester ist wohl gedacht? Geht es um die Versorgung eines Kranken auf Anweisung des Arztes bei vorübergehender Bettlägerigkeit (Spritzen etc.), oder ist auch daran gedacht, etwa das Essen zu bereiten, die Klein-Wohnung sauber zu halten usw.?“135 Eine verpflichtende Betreuung aller Bewohner eines einzelnen Altenhauses durch die evangelische Gemein131 Thiel (1967), S. 200. 132 Thiel (1967), S. 200. 133 ISG, Fürsorgeamt 3992, Niederschrift über die Besprechung am 2. April 1963 im Sitzungssaal der Sozialverwaltung über die Betreuungsmaßnahmen in Altenwohnungen. 134 Richtlinien für die Gewährung von Zuschüssen zum Neubau und zur Modernisierung von Heimen für alte Menschen sowie zur Schaffung von Altentagesstätten und ähnlichen Einrichtungen (1962). Siehe dazu auch ISG, Fürsorgeamt 3997, Der hessische Minister für Arbeit, Volkswohlfahrt und Gesundheitswesen an den Magistrat der Stadt Frankfurt, Sozialverwaltung-Sozialamt, März 1967. 135 ISG, Fürsorgeamt 3982, Gewinnung von Arbeitskräften zur Durchführung des Kommunalen Altenplans, Pfarrer Fritz Sauer, Frankfurt-Rödelheim, den 19. September 1959.

3.3 Altenwohnungen

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deschwester im Auftrag der Stadt lehnte er ab, da die Diakonissenstationen Teil der Kirchengemeinde seien und von dieser bezuschusst würden, die Diakonissen Gemeindearbeit leisteten und zudem auf Wunsch der Kranken und Angehörigen selbst tätig würden.136 Von dem Plan wurde Abstand genommen und für die Altenwohnungen in der ersten Altenwohnanlage in Rödelheim ein Hausmeisterehepaar und eine „Altenpflegerin“ vorgesehen. Die Altenpflegerin sollte alle Alten der Siedlung „erfassen“ und Nachbarschaftshilfe einleiten. Sie sollte auch für diese Alten und für die Bewohner der Altenwohnungen Hilfestellung im Umgang mit Behörden geben. Im Haus war es ihre Aufgabe, die Treppen- und Flurreinigung zu organisieren; den alten Leuten sollte sie jedoch nur Hilfestellung bei der Wäsche und der Wohnungseinrichtung geben. Ihr oblag die „Überwachung“ der einzelnen Räume und Bewohner, ohne zunächst auszuführen, wie der Zutritt geregelt werden sollte.137 Die Kosten der Betreuung wurden nicht auf die Monatsmieten in den Wohnungen umgelegt, sondern im Sozialetat der Stadt veranschlagt.138 Dafür setzte man 1963 fast 100.000 DM im Haushaltsetat ein.139 Diese Summe stieg in den kommenden Jahren stark an. 1963 wurde erstmals der Begriff „Altenpflegerin“ für den Betreuungsdienst in den Altenwohnanlagen in Frage gestellt und darauf hingewiesen, dass „Altenpflegerin“ die (noch neue) Berufsbezeichnung für die neu ausgebildeten Pflegerinnen in den Pflegeheimen sei.140 Vorgeschlagen wurde stattdessen der Begriff „Altenbetreuerin“ oder „Altenhelferin“. Einen Schwerpunkt der Betreuung sah man zwar in der Gesundheitsfürsorge, dennoch sollte der Begriff „Schwester“ vermieden werden, um den „zivilen Charakter“141 der Altenwohnung zu wahren und Assoziationen mit Altenheimen oder Krankenhäusern zu vermeiden142. Die Altenbetreuerin sollte ausgebildete Krankenschwester sein.143 In der Praxis wurde diese Anforderung jedoch nicht immer erfüllt: So übernahm zum Beispiel die Frau des Hausmeisters die Betreuung, ohne dass nähere Angaben über ihre Ausbildung gemacht wurden.144

136 ISG, Fürsorgeamt 3982, Gewinnung von Arbeitskräften zur Durchführung des Kommunalen Altenplans, Pfarrer Fritz Sauer, Frankfurt-Rödelheim, den 19. September 1959. 137 ISG, Fürsorgeamt 3992, Bl. 3, Richtlinien. 138 ISG, Fürsorgeamt 3992, Niederschrift über die Besprechung am 2. April 1963 im Sitzungssaal der Sozialverwaltung über die Betreuungsmaßnahmen in Altenwohnungen. 139 ISG, Fürsorgeamt 3992, Sozialverwaltung – Sozialamt –, An das Rechneiamt-Finanzverwaltung, Frankfurt a. M., 13. Dezember 1963. 140 ISG, Fürsorgeamt 3992, Niederschrift über die Besprechung am 2. April 1963 im Sitzungssaal der Sozialverwaltung über die Betreuungsmaßnahmen in Altenwohnungen. 141 ISG, Fürsorgeamt 3992, Niederschrift über die Besprechung am 2. April 1963 im Sitzungssaal der Sozialverwaltung über die Betreuungsmaßnahmen in Altenwohnungen. 142 ISG, Fürsorgeamt 3992, Niederschrift über die Besprechung am 2. April 1963 im Sitzungssaal der Sozialverwaltung über die Betreuungsmaßnahmen in Altenwohnungen. 143 ISG, Fürsorgeamt 3982, Briefwechsel der Stadt Frankfurt mit Schwester Ilse, 1962. 144 ISG, Fürsorgeamt 3993, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Vermerk Altenbetreuung Lettigkaut-/ Wendelsweg, 24. April 1973.

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3. Offene Altenhilfe in den 1960er Jahren

Die erste Betreuerin eines Altenwohnhauses in Frankfurt berichtete in einer Besprechung 1963 über ihre Erfahrungen.145 Zentraler Aspekt ihrer Ausführungen war, dass die alten Menschen große Angst davor hätten, ihre Wohnungen eines Tages verlassen zu müssen.146 Etwa ein Drittel der Bewohner brauche schon zusätzliche Hilfe durch Kinder und Angehörige und auch körperliche Unterstützung. Der alte Mensch, so die Behauptung der Altenbetreuerin, sei aber grundsätzlich auch unter „ganz normalen Umständen“ der Hilfe bedürftig. Hilfe benötigten alte Menschen ihrer Ansicht nach unter anderem beim Schreiben von Briefen, Umgang mit Behörden, aber auch bei der Beratung über Kleidung und Hygiene. Für die Betreuerin war ein Raum im Altenwohnhaus vorgesehen, in dem sie tägliche Sprechstunden abhielt; sie sollte darüber hinaus jedoch jederzeit erreichbar sein. Diese Art Rufbereitschaft wurde zunächst nur unzureichend entgolten. Die Erreichbarkeit stellte ein Notrufsystem sicher. 3.3.5.2 Konflikte zwischen Bewohnern, Betreuerinnen und Behörden Ein ständiger Konfliktpunkt zwischen Bewohnern, Betreuerinnen und Behörden blieb die Frage nach dem Zutritt zu den Wohnungen und der Kontrolle der Bewohner durch die Altenbetreuerinnen. Die Stadt betonte, dass die Kontrolle der Wohnungen mittels Zutrittsmöglichkeiten zu diesen durch die Altenbetreuerin ein entscheidendes Element der Betreuung sei.147 Begründet wurde dies mit plötzlich auftretenden Verfallserscheinungen: „Das Problem ist, daß viele alte Menschen sehr schnell in eine körperliche und geistige Verfassung kommen können, die sie für die Häuser, ihre Bewohner und die Betreuerinnen zu einer Belastung machen.“148 Wegen der psychologischen Wirkung auf die Mieter müsse die Altenbetreuung allerdings bei ihren Kontrollbesuchen „geschickt“ sein. Es war damit vermutlich die Angst der Bewohner gemeint, bei Kontrollen aufzufallen und in ein Alten- oder Pflegeheim eingewiesen zu werden. Altenbetreuerinnen berichteten, dass sie beschimpft wurden, wenn sie ungefragt die Wohnungen betraten.149 Es gebe deshalb Hemmungen, Wohnungen zu betreten; daher sollte ein Sachbearbeiter der Baugenossen145 ISG, Fürsorgeamt 3992, Niederschrift über die Besprechung am 2. April 1963 im Sitzungssaal der Sozialverwaltung über die Betreuungsmaßnahmen in Altenwohnungen. 146 ISG, Fürsorgeamt 3992, Niederschrift über die Besprechung am 2. April 1963 im Sitzungssaal der Sozialverwaltung über die Betreuungsmaßnahmen in Altenwohnungen. 147 ISG, Fürsorgeamt 3992, Niederschrift über die Besprechung des Sozialamtes mit den Altenbetreuerinnen und Familienberaterinnen im Bürgermeister-Gräf-Haus in Sachsenhausen, 17. Mai 1965. 148 ISG, Fürsorgeamt 3992, Niederschrift über die Besprechung des Sozialamtes mit den Altenbetreuerinnen und Familienberaterinnen im Bürgermeister-Gräf-Haus in Sachsenhausen, 17. Mai 1965. 149 ISG, Fürsorgeamt 3992, Niederschrift über die Besprechung des Sozialamtes mit den Altenbetreuerinnen und Familienberaterinnen im Bürgermeister-Gräf-Haus in Sachsenhausen, 17. Mai 1965.

3.3 Altenwohnungen

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schaft bei notwendig scheinendem Zutritt anwesend sein.150 Diskutiert wurde dies wegen eines Einzelfalles: Eine Bewohnerin kam aus dem Krankenhaus ohne Wissen der Altenbetreuerin in ihre Wohnung zurück und starb dort unbemerkt.151 Eine Bewohnerin beschwerte sich beim hessischen Ministerpräsidenten Georg-August Zinn sowohl über den ihrer Ansicht nach parteipolitisch gebundenen Träger der Altenbetreuung in ihrem Altenwohnheim als auch über die angestellte Altenbetreuerin: Warum herrscht die S. P. D. über die Altenwohnheime u. nicht die C. D. U. oder F. D. P.? Warum darf die Arbeiterwohlfahrt (sprich S. P. D.) eine unfähige, taktlose Schwester über uns setzen, welche die alten Leute hintereinander [sic!] hetzt? Warum entlässt der Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt Frankfurt/Taunusstr. 19 diese Schwester nicht da er selbst zugibt, daß sie fehl am Platz ist; er sagt die nächste wäre nicht besser. Schöne Reklame für unsere tüchtigen Schwestern! Vielleicht sind die koreanischen Schwestern fähiger mit alten Heimbewohnern umzugehen? Ein Arzt sagte, das schlimmste in unserem Altenwohnheim wäre die ständige Drohung mit dem Altersheim [unterstrichen im Original, K. M.] durch die Hausschwester, wenn man sich erlaubt krank zu werden. Sind Sie niemals unpässlich Herr Ministerpräsident?152

Die Mieterin wies darauf hin, dass die betreuende Organisation eingesetzt wurde, ohne dass die Bewohner darauf einen Einfluss gehabt hätten. Sie äußerte die Angst, die viele Bewohner vor einem Umzug ins Altenheim hatten und die sie instrumentalisiert sah. Die Arbeiterwohlfahrt antwortete dem Ministerium, Mieterin Paula D. habe sich von Anfang an „als unbequeme Mieterin erwiesen“, auch im Umgang mit den anderen Mietern. Sie sei auch der Stadtverwaltung Frankfurt hinlänglich bekannt. Sie habe einen schwierigen Charakter, und ihre Lieblingsbeschäftigung scheine es zu sein, unzufriedene Briefe an alle erreichbaren Stellen zu schicken. Es handele sich um einen kranken Menschen, den man bedauern müsse; man könne den Äußerungen jedoch kein allzu großes Gewicht beimessen.153 Außerdem betreue eine examinierte Krankenschwester die 58 Bewohner zwischen 63 und 84 Jahren. Es war eine häufige Reaktion der Träger von Alteneinrichtungen, Beschwerden von alten Menschen damit zu marginalisieren, dass auf ihren schwierigen Charakter, die chronische, im Alter begründete Unzufriedenheit oder auch auf Verwirrtheit und psychische Veränderungen verwiesen wurde.154 150 ISG, Fürsorgeamt 3992, Niederschrift über die Besprechung des Sozialamtes mit den Altenbetreuerinnen und Familienberaterinnen im Bürgermeister-Gräf-Haus in Sachsenhausen, 17. Mai 1965. 151 ISG, Fürsorgeamt 3992, Niederschrift über die Besprechung des Sozialamtes mit den Altenbetreuerinnen und Familienberaterinnen im Bürgermeister-Gräf-Haus in Sachsenhausen, 17. Mai 1965. 152 ISG, Fürsorgeamt 3992, P. D., Frankfurt-Sossenheim, Dunantring 8, Altenwohnheim, an Ministerpräsident Zinn (hier in Kopie), 19. März 1966. 153 ISG, Fürsorgeamt 3992, Arbeiterwohlfahrt Frankfurt Main e. V., Taunusstrasse 19, An das Ministerium für Arbeit, Volkswohlfahrt und Gesundheitswesen –Abt. V– Wiesbaden, Frankfurt, 20. April 1966. 154 Dieser Mechanismus findet sich bei sämtlichen Eingaben von Beschwerden alter Menschen, die in folgenden Akten gefunden wurden: HHStAW, Abt. 508, Nr. 5155, Brief-

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3. Offene Altenhilfe in den 1960er Jahren

1967 versuchte die Stadt, Betreuungskosten einzusparen. Daraufhin drohte der hessische Minister für Arbeit, Volkswohlfahrt und Gesundheitswesen dem Magistrat der Stadt Frankfurt, die Zuschüsse zurückzufordern, da die Betreuung eine der Voraussetzungen für die Förderung dieser Einrichtungen im Rahmen des hessischen Altenplanes gewesen sei.155 Die von der Stadtverordnetenversammlung zunächst eingesetzten 105.000  DM mussten durch eine überplanmäßige Ausgabe von 108.000 DM ergänzt werden.156 Um Kosten zu sparen, sollten die Bewohner künftig selbst hausmeisterliche Tätigkeiten und Reinigungsdienste übernehmen: Die Hauswarttätigkeit in kleineren Objekten sollte ab 1969 voll durch Bewohner gegen kleinere Vergütungen wahrgenommen werden, in anderen Wohnanlagen betreute der Hausmeister mehrere Wohnhäuser in der gesamten Siedlung. Es gebe zurzeit jedoch keine geeigneten Bewohner, so die Wohnheim GmbH. Bei Wiederbelegung frei werdender Wohnungen sollten männliche Bewerber, die noch rüstig waren und früher eine handwerkliche oder Facharbeitertätigkeit ausgeübt hatten, berücksichtigt werden.157 Die Abteilung Altenhilfe antwortete, es gebe viele Bewerbungen von alleinstehenden Männern für eine Altenwohnung, die häufig nicht berücksichtigt würden. „Wir selbst sind trotz der besonderen Schwierigkeiten, die sich mit diesem Problem verbinden, sehr daran interessiert, auch alleinstehende Männer158 mit einer Altenwohnung zu versorgen.“159 Das Gleiche gelte für die Zuweisung geeigneter Frauen, die bereit seien, im Vertretungsfall als Reinemachfrau einzuspringen.160 In einem Altenwohnhaus in Sossenheim konnte dies auch erreicht werden.161 Für diese Be-

155 156

157 158 159 160 161

wechsel über Beschwerden des Albert W. aus Bad Homburg über die Pflegesatzhöhe in Altenheimen, 1968–1970; HHStAW, Abt. 508, Nr. 3152–3155, Beschwerden von Altenheimbewohnern und Bitten um die Vermittlung von Heimplätzen, 1968–1975. Vgl. Grabe (2016), S. 297. ISG, Fürsorgeamt 3997, hessischer Minister für Arbeit, Volkswohlfahrt und Gesundheitswesen an den Magistrat der Stadt Frankfurt, Sozialverwaltung-Sozialamt i. A. Erhard, Regierungsdirektor, März 1967. ISG, Fürsorgeamt 3993, Vortrag des Magistrats an die Stadtverordnetenversammlung, betr. Kommunaler Altenplan, Beratungs- und Betreuungsdienst in Altenwohnhäusern der Gemeinnützigen Gesellschaft für Wohnheime und Arbeiterwohnungen mbH, 2. Dezember 1968; bewilligt. ISG, Fürsorgeamt 3993, Gemeinnützige Gesellschaft für Wohnheime und Arbeiterwohnungen mbH, An den Magistrat der Stadt Frankfurt a. M., Abteilung III, Altenhilfe, Frankfurt a. M., 20. Dezember 1968. Die Art der „besonderen Schwierigkeiten“ wurde hier nicht näher erläutert; wie oben ausgeführt, unterstellte man alleinstehenden Männern allerdings an anderen Stellen, dass sie mit der eigenständigen Haushaltsführung überfordert sein könnten. ISG, Fürsorgeamt 3993, Abteilung Altenhilfe an die Gemeinnützige Gesellschaft für Wohnheime und Arbeiterwohnungen mbH, Frankfurt, 14. Januar 1969. ISG, Fürsorgeamt 3993, Abteilung Altenhilfe an die Gemeinnützige Gesellschaft für Wohnheime und Arbeiterwohnungen mbH, Frankfurt, 14. Januar 1969. ISG, Fürsorgeamt 3994, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Vermerk betr. Altenwohnhaus Sossenheim, Besprechung vom 25.1.1968 zwischen der Arbeiterwohlfahrt, der Neuen Heimat Südwest sowie dem Sozialamt im Altenwohnhaus Sossenheim, Frankfurt a. M., 14. Februar 1968.

3.4 Altenklubs und Altentagesstätten

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wohner entfiel damit das Motiv, wegen hauswirtschaftlicher Erleichterungen in eine Altenwohnung zu ziehen; womöglich zogen sie sogar wegen der Möglichkeit, im Rentenbezug durch Tätigkeiten hinzuzuverdienen, in ein Altenwohnhaus. Insgesamt aber wurde das Altenbetreuungssystem in den 1960er Jahren erheblich ausgeweitet. Im Juli 1972 gab es 16 Altenwohnhäuser und -wohnanlagen mit über 2.000 Betten, für die Altenbetreuerinnen zuständig waren. Es handelte sich nun überwiegend um Ganztagskräfte, die nach dem Bundesangestelltentarif bezahlt wurden.162 3.4 Altenklubs und Altentagesstätten Altenklubs und Altentagesstätten kam eine zentrale Stellung in der offenen Altenhilfe der 1960er Jahre zu. Ihr Ausbau begann deutlich vor dem Ausbau von häuslichen Diensten, die alte Menschen in ihren Wohnungen versorgten. Altenklubs schienen geeignet, die im BSHG, Paragraph  75, angesprochene Einsamkeit der alten Menschen zu überwinden. In diesem Rahmen hoffte man, relativ günstig „kulturelle“ Anregungen integrieren zu können. Auch die als Problem definierte Beschäftigungslosigkeit sollte hier überwunden werden. 1961 wurde im Nachrichtendienst des Deutschen Vereins begründet, warum gerade Altenklubs als Form der Geselligkeit alten Menschen entgegenkommen würden: Gesellschaft wünschte der alte Mensch in der Regel zu einer ihm genehmen Zeit, aber nicht unerbeten und auch nicht zu lange. Der noch geistig und körperlich Rüstige liebt es, sie aus eigenem Antriebe aufzusuchen; er will aber nicht, daß sich ihm aufgedrängt wird. So finden sich spontan die „Altenklubs“ zusammen. […] Ein schließlich erstelltes Alten-Klubhaus wird zum Zentrum unaufdringlicher Betreuung im Stile der „Selbstbetreuung“. Wenn die Alternden in ihrem Klub erst einmal warm geworden sind, entfalten sie eine erstaunliche Aktivität und sorgen selbst für die Ausgestaltung der Klubstunden.163

Der Artikel zeichnet hier das Bild des alten Menschen, der von Zeit zu Zeit Gesellschaft wünschte, jedoch überwiegend allein und zurückgezogen lebte und die Verfügung über die eigene Zeit schätzte. Tatsächlich widersprach jedoch die Beschreibung, dass alte Leute gern selbst über ihre Zeit verfügten und sich „spontan“ zusammenfinden wollten, dem Klubprinzip, das wöchentliche Treffen zu fest vorgegebenen Zeiten vorsah. In einer Untersuchung in Köln wurde ermittelt, dass Anfang der 1960er Jahre nur relativ wenige alte Menschen (unter sechs Prozent) solche Klubhäuser besuchten; am ehesten waren dazu noch die Wohnstiftbewohner bereit, obwohl oder gerade weil sie sogar eigene Klubräume in ihrem Wohnstift hatten.164 In Befragungen lehnten alte Menschen den Umzug in ein Altenwohnhaus oder den Besuch eines 162 ISG, Fürsorgeamt 3992, Sozialamt Abt. Altenhilfe, 4. Juli 1972. Siehe Kapitel 4. 163 Gerfeldt (1961), S. 380. 164 Blume (1962), S. 144.

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3. Offene Altenhilfe in den 1960er Jahren

Altenklubs oft ab – angeblich, weil sie diese Einrichtungen nicht aus eigener Anschauung kannten; würden sie sie kennen, seien sie meist sehr zufrieden.165 Die Einrichtung von Altenklubs erlebte ihre Hauptgründungswelle in den 1960er Jahren; 1964 gab es schon 55 Klubs mit 3.700 Mitgliedern, davon jedoch nur zehn vom stadtnahen „Frankfurter Verband für Altersfürsorge“.166 1971 unterhielt der Verband 47 Altenklubräume, in denen sich zum Teil zwei und mehr Klubs trafen.167

Abbildung 9: Einweihung des Altenklubs St. Leonhard, 15.12.1964, Fotograf: G. Helding

Die Sozialverwaltung in Frankfurt plante im Dezember 1960, mehrere „Altenklubs“ zu eröffnen: Damit soll den in unserer Stadt lebenden alten Menschen ohne familiäre oder nachbarschaftliche Bindungen Gelegenheit gegeben werden, der Alterseinsamkeit zu begegnen, ihre Zeit sinnvoll zu gestalten und den Anschluß an die Gegenwart nicht zu verlieren. Die erste dieser Einrichtungen wurde am Donnerstag, dem 15.12.60, im Karmeliterkloster, Karmelitergasse 3 (Essenausgabestelle der Küchenbetriebe) durch Stadtrat Dr. Prestel im Rahmen einer kleinen Feierstunde eröffnet. Hier bestand noch im vergangenen Jahre eine Wärmestube alten Stils. Sie ist jetzt endgültig überwunden.168

165 Sozial- und Jugenddezernent der Stadt Köln (1962); vgl. dazu Blume (1962), S. 144. 166 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/N 4572, Presseausschnitt: Das Alter sinnvoll gestalten. Seminar für Klubleiter/Gemeinschaftsaufgabe unserer Zeit, in: FR, 17. September 1964. 167 Übersicht über die Altenklubs und Altentagesstätten des „Frankfurter Verbandes für Altenfürsorge“ in: Mitteilungen der Stadtverwaltung Frankfurt a. M., 1971, Nr. 28, S. 196. 168 Eröffnung von Altenklubs, in: Mitteilungen der Stadtverwaltung Frankfurt a. M., 1960, Nr. 51, 17. Dezember 1960, S. 553. Ein anderer Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 23. September 1964 spricht von ersten „zaghaften Versuchen“ in Fechenheim und Bonames 1957, siehe ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S  3/N  4572, Presseausschnitt:

3.4 Altenklubs und Altentagesstätten

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Ein weiterer Altenklub wurde im Dezember in der früheren Wärmestube am Affentorplatz eröffnet. Der erste Klubnachmittag fand schon am 7. Dezember 1960 statt.169 Im Haushalt für 1960 waren erstmals 100.000 DM für die „Offene kulturelle und wirtschaftliche Altersfürsorge“ eingestellt worden.170 In bestehenden und neu zu bauenden Altenheimen und Altenwohnhäusern sollten Gemeinschaftsräume errichtet werden. In den gerade im Bau befindlichen Sozialstationen (als Außenstellen des Sozialamtes) plante man, Altenklubs einzurichten und die Wärmestuben umzuwandeln. Im Unterschied zu den Wärmestuben wurden die Altenklubs renoviert und neu möbliert, unter anderem stellte man ein Fernsehgerät auf. Das Haus sollte nicht mehr nur im Winter, sondern ganzjährig für alte Menschen geöffnet haben.171 Bisher wurde die Wärmestube am Affentorplatz von der im gleichen Haus lebenden Hausmeisterin betreut. Dies erachtete man nun als nicht mehr ausreichend. Stattdessen wollte man einen pensionierten, zuverlässigen und interessierten ehemaligen Verwaltungsangestellten für die Betreuung gewinnen: „Mit dieser Persönlichkeit wird der Gedanke, von den Wärmestuben alter Art wegzukommen, stehen oder fallen. Vor allem müssen die ‚Penner‘ vom Schifferbunker ferngehalten werden (natürlich kann man die Alten, die im Schifferbunker wohnen, nicht ausschließen!).“172 Das Haus der offenen Tür für alte Menschen sollte jedem alten Menschen offenstehen, auch den nicht Bedürftigen. Bedürftige sollten mit Handzetteln beim Abholen ihrer Brennstoff- und Weihnachtsbeihilfen angesprochen werden. Der Frankfurter Bund für Volksbildung sollte ein- bis zweimal im Monat Lichtbildervorträge oder andere „belehrende Veranstaltungen“ durchführen. Geplant waren auch Führungen durch den Kaisersaal und im Goethehaus sowie der Besuch des Zoos und des Palmengartens, da dafür Freikarten zur Verfügung stünden. Der Versuch, zwei ehemalige Fürsorgepfleger zu verpflichten, die in der Nähe wohnten und die Betreuung gegen etwa 75  DM monatlich übernehmen wollten, scheiterte jedoch.173 Die Betreuung der Altenklubs übernahmen in den kommenden Jahren zumeist Frauen mittleren Alters, die vorher Hausfrauen und oft schon in der Altenarbeit der Wohlfahrtsverbände aktiv gewesen waren (so richteten sie zum Beispiel Weihnachtsfeiern aus).174 Rosel Ost, ab 1964 Leiterin des neu gegründeten Altenklubs in

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Man ist so alt, wie man sich fühlt. Frauen in den besten Jahren leiten die Altenklubs / Ein Seminar in Falkenstein, in: FAZ, 23. September 1964, Nr. 221. ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/N 25279, Presseausschnitt: 25 Jahre: Altenklub im Affentorhaus, in: Blättche, 50/1985, 13. Dezember 1985. ISG, Fürsorgeamt 213, Dienstgebäude Affentorplatz, St/Sch Herrn OMR Baldes vorgelegt, 1. Juni 1960, betr. Etat 1960, Magistratsbeschluß Nr. 2a vom 4. April 1960. ISG, Fürsorgeamt 213, Bl. 40, Fürsorgeleitung, i. A. Stein, Herrn OMR Baldes vorgelegt, betr. Haus der offenen Tür für alte Menschen, 19. August 1960. ISG, Fürsorgeamt 213, Bl. 40, Fürsorgeleitung, i. A. Stein, Herrn OMR Baldes vorgelegt, betr. Haus der offenen Tür für alte Menschen, 19. August 1960. ISG, Fürsorgeamt 213, Bl. 43, Sozialverwaltung Fürsorge- und Jugendamt, Kreisstelle 6, an die Fürsorgeleitung am 15. September 1950 [sic!, gemeint ist 1960]. ISG, Fürsorgeamt 2971, Abt. Altenhilfe an den Frankfurter Verband für Altersfürsorge e. V., Frankfurt, 19. Oktober 1970.

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3. Offene Altenhilfe in den 1960er Jahren

Frankfurt-Hausen, war vorher ehrenamtlich bei der Arbeiterwohlfahrt und als Sozialhilfepflegerin tätig gewesen, zudem hatte sie Weihnachtsfeiern alter Menschen im Stadtteil betreut.175 Sie nahm für ihre neue Aufgabe an einem Wochenendlehrgang über „offene Altenhilfe“ in Rösrath teil.176

Abbildung 10: Senioren hören einem Musikduo zu, 1966, Fotograf: K. Weiner, © ISG

Private Vereine und religiöse Gemeinden unterhielten ebenfalls Klubs. Die „Centrale für private Fürsorge“ wollte schon 1959 einen Altenklub einrichten, da sie in den letzten Jahren die Altenhilfe ausgebaut und „dabei besonders der geistig-seelischen Not der Alten, ihrer Vereinsamung und Verbitterung entgegenzuwirken sich bemüht“ habe.177 Die „Centrale“ führe bereits Erholungsaufenthalte, Ausflüge und wöchentliche Zusammenkünfte durch. So sei ein Kreis von etwa 150 bis 200 alten Menschen entstanden, in dem ein „Gefühl der Zusammengehörigkeit und auch vielfach Freundschaft untereinander besteht“.178 Angeregt durch Vorbilder in anderen Ländern wie England und den USA wolle man diesen Kreis zu einem Altenklub entwickeln. In den USA gebe es eine große Anzahl von „Golden Age Clubs“. Noch stünden jedoch keine Räume zur Verfügung, auch wenn es finanzielle Mittel von den Mitgliedern gebe. Die Initiative ging zum Teil von den alten Menschen selbst aus. Als Platz schlug die „Centrale“ den Rothschildpark vor. Dort könnten die 175 ISG, Fürsorgeamt 4138, Rosel Ost an das Sozialamt, Frankfurt-Hausen, 25. Mai 1963. 176 ISG, Fürsorgeamt 4138, Sozialamt, Vermerk, Frankfurt, 6. Februar 1964. 177 ISG, Fürsorgeamt 2971, Centrale für private Fürsorge e. V., an Herrn Oberbürgermeister Werner Bockelmann, Frankfurt a. M., 23. November 1959 (Ehrenvorsitz Prof. Dr. W. Polligkeit), gez. Dr. A. Oswalt, Vorsitzender. 178 ISG, Fürsorgeamt 2971, Centrale für private Fürsorge e. V., an Herrn Oberbürgermeister Werner Bockelmann, Frankfurt a. M., 23. November 1959 (Ehrenvorsitz Prof. Dr. W. Polligkeit), gez. Dr. A. Oswalt, Vorsitzender.

3.4 Altenklubs und Altentagesstätten

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alten Leute auch den Park genießen. Begründet wurde die innerstädtische Standortwahl damit, dass es dort Spielplätze sowohl für Kinder als auch für Hunde gebe [!]; so sei es nicht unbillig, dort auch den alten Menschen Raum zur Verfügung zu stellen. Die örtliche Presse warb für das Anliegen der „Centrale“.179 Die Stadt beschloss, das Gelände als Erbbaugrundstück zur Verfügung zu stellen.180 Zudem wurde der „Centrale“ ein städtischer Zuschuss von 2.600 DM gewährt. Der Bau wurde vom hessischen Minister für Arbeit, Volkswohlfahrt und Gesundheitswesen gefördert181 und sah zwei Aufenthaltsräume vor, eine Leihbibliothek mit 2.000 Bänden, einen Musikraum, einen Werkraum, einen Fußpflegeraum, einen Beratungsraum, einen Wohnraum für einen „Wächter“, Teeküche und Toilette.182 Die beiden Aufenthaltsräume konnten für größere Veranstaltungen mit bis zu 100 Menschen zusammengelegt werden. Damit war der auf private Initiative entstandene Altenklub der größte in der Stadt. Er wurde im August 1963 eröffnet. Gelobt wurde einerseits die Zweckmäßigkeit, andererseits die „behagliche Wärme und Gemütlichkeit“. Es sei das „Gegenstück einer ärmlichen ‚Wärmestube‘“ mit seiner „gediegenen, äußerst ansprechenden Einrichtung“.183 In der Presse wurden der Raum für die medizinische Fußpflege und das Beratungszimmer herausgestellt, in dem man Auskunft über soziale Angelegenheiten einholen und über seinen Kummer sprechen könne.184 Beratungszimmer und Fußpflegeraum gingen zu dieser Zeit weit über das städtische Angebot hinaus. Der Altenklub am Rothschildpark hatte 1969 180 Mitglieder zwischen 70 und 80 Jahren und damit deutlich mehr als die übrigen Altenklubs in der Stadt.185 Der Klub hatte im Unterschied zu den anderen Klubs in der Stadt täglich geöffnet, sogar sonntags. Alte Damen seien „treusorgende Adoptivgroßmütter“ für milieugeschädigte Kinder im Kinderheim Kelkheim. Nur fünf Männer seien unter den Mitgliedern und fühlten sich wohl, mit einer Ausnahme: „Ein alter Herr retirierte angesichts des vergnügten Damenflors gleich rückwärts und meinte, er sei hier doch nicht richtig.“186 Das Programm wechselte täglich: Montags und donnerstags wurde Karten gespielt, dienstags gesungen, mittwochs gewandert, freitags gab es Vorträge. Die Zeit der Altenklubbesu179 ISG, Fürsorgeamt 2971, Presseausschnitt: Das Grundstück fehlt. Ein Heim für alte Leute. Aus der Arbeit der Centrale für private Fürsorge, in: FNP, 12. Dezember 1959, Nr. 288. 180 ISG, Fürsorgeamt 2971, Magistratsbeschluß, Nr. 2357, Frankfurt a. M., 16. Oktober 1961. 181 ISG, Fürsorgeamt 2971, Der hessische Minister für Arbeit, Volkswohlfahrt und Gesundheitswesen, An die Centrale für private Fürsorge e. V., Wiesbaden, 7. Oktober 1962. Der Staatszuschuss umfasste 87.500 DM bei einem Gesamtbetrag von 226.200 DM. 182 ISG, Fürsorgeamt 2971, Baupläne, 30. Oktober 1961. 183 ISG, Fürsorgeamt 2971, Presseausschnitt: Eine Stätte für alte Bürger. Besichtigung bei der „Centrale für private Fürsorge“, in: FR, Nr. 271, 22. November 1963. 184 ISG, Fürsorgeamt 2971, Presseausschnitt: Heimstatt für alte Menschen. Premiere im Klubhaus des Rothschildparkes/An alles gedacht, in: FR, 22. August 1963. 185 ISG, Fürsorgeamt 2971, Presseausschnitt: Mit anderen lebt es sich leichter. Der Altenclub am Rothschildpark lud zu einem Tag der offenen Tür ein, in: FR, 20. November 1969. 186 ISG, Fürsorgeamt 2971, Presseausschnitt: Mit anderen lebt es sich leichter. Der Altenclub am Rothschildpark lud zu einem Tag der offenen Tür ein, in: FR, 20. November 1969.

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3. Offene Altenhilfe in den 1960er Jahren

cher wurde von außen strukturiert und organisiert, um Einsamkeit und Lethargie zu vermeiden. „Gegen die Einsamkeit, den schlimmsten Feind alter Menschen, hat man hier eine Zuflucht errichtet. Reibungen untereinander bleiben nicht aus. Aber wo so viele Talente zusammenkommen, behält der Alltag Schwung und verläuft nicht in lethargischer Dämmerung.“187 Wer krank sei, so die Presse weiter, um den werde sich gekümmert, er erhalte Besuch und nach Möglichkeit Unterstützung. Die „Lebensabendbewegung“ mit ihrem Generalsekretariat in Kassel versuchte, auch in Frankfurt einen Altenklub zu gründen.188 Die Stadt stand der neuen Bewegung zunächst zurückhaltend gegenüber, stellte keine Räume und keine fortlaufenden finanziellen Förderungen zur Verfügung; sie verwies auf die vielfältige Unterstützung, die sie bereits der „Centrale für private Fürsorge“ zwecks gesellschaftlicher Veranstaltungen für ältere Menschen und auch einem Frankfurter Asylverein gewährte, der in der Altenbetreuung aktiv sei, z. B. in Form von Omnibusfahrten, Winterfesten und Weihnachtsfeiern. Ebenso werde die Kleinrentner-Vereinigung und in letzter Zeit die Arbeiterwohlfahrt mit Veranstaltungen gefördert.189 Gleichwohl bezuschusste man Weihnachtsfeiern der „Lebensabendbewegung“190 und stellte im Jahr 1961 einmalig 2.500 DM zur Anmietung von Räumen zur Verfügung.191 Die Ver187 ISG, Fürsorgeamt 2971, Presseausschnitt: Mit anderen lebt es sich leichter. Der Altenclub am Rothschildpark lud zu einem Tag der offenen Tür ein, in: FR, 20. November 1969. 188 Diese Bewegung verstand sich selbst als „Selbsthilfe“-Bewegung, wenn auch die Anregung zur Gründung 1958 auf den Bundestagsabgeordneten Erich Meyer (geb. 1900, SPD) zurückging und das Generalsekretariat mit dem 47-jährigen Eduard Ziehmer besetzt wurde. Ortsgruppen wurden von der Kasseler Zentrale aus angeregt. 1960 sollte eine Ortsgruppe in Frankfurt gegründet werden (ISG, Fürsorgeamt 376, Lebensabend Bewegung e. V., An den Herrn Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt a. M., 23. Mai 1960, Ziehmer, Generalsekretär). Vereinsvorsitzender wurde zwei Jahre später Paul Rothe, Verwaltungsdirektor des Roten-Kreuz-Krankenhauses, also noch kein Rentner. Die Bewegung verstand sich als „Altenbetreuungsorganisation“ (siehe ISG, Magistratsakten 2512, Lebensabend-Bewegung e. V. Kassel an den Herrn Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt, Frankfurt a. M., 11. November 1960, mit der Bitte um Zuschüsse zur Weihnachtsfeier, verstanden als „soziale Betreuungsaufgabe“). Kurz darauf distanzierte sie sich vom Betreuungsbegriff (LAB­Informationsdienst, Nr. 2 und 3, 1961); man wolle von der offenen „Altenentfaltung“ sprechen, nicht von der offenen Altenbetreuung, denn der ältere Bürger sei kein Objekt für Maßnahmen, sondern müsse im Mittelpunkt aller Anliegen seines Lebens stehen. Die Bewegung setzte sich ein für weitere Betätigung statt für einen untätigen Ruhestand, z. B. in Altenwerkstätten, aber mit einer Funktion im Wirtschaftsleben; man wolle nicht zur „sozialen Last“ werden. Im Vergleich mit den etablierten Wohlfahrtsverbänden war der Selbsthilfegedanke auf örtlicher Ebene ein bisschen ausgeprägter. Die „Lebensabendbewegung“ wurde Mitglied des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. 189 ISG, Fürsorgeamt 376, Der Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt a. M., An die Lebensabend-Bewegung e. V., Frankfurt a. M., 14. Juni 1960. 190 Es wurden ihnen 150 DM von der Stadt zur Verfügung gestellt, siehe ISG, Magistratsakten 2512, Oberbürgermeister an die Lebensabendbewegung, Frankfurt a. M., 7. Dezember 1960. 191 ISG, Fürsorgeamt 376, Dr. Prestel, Stadtrat, an die Lebensabendbewegung, 3. Oktober 1961.

3.4 Altenklubs und Altentagesstätten

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waltung hatte zunächst kein Interesse daran, diese relativ neue Bewegung, die sich zunächst jenseits der in der Stadt etablierten Wohlfahrtsverbände bewegte und deren Gründung von Kassel ausging, in die städtische Förderung aufzunehmen192 und am regelmäßigen Austausch zwischen Stadtverwaltung und Wohlfahrtsverbänden teilnehmen zu lassen.193 Trotz Betonung der eigenen Leistungen (Altenklubs seit 1957) stellte die Stadt im November 1962 der „Lebensabendbewegung“ dann doch Räume zur Verfügung.194 In der Karmelitergasse, wo es auch einen städtischen Mittagstisch gab, erhielt die Bewegung ein Nutzungsrecht für einen Altenklub. Die Gruppe traf sich zunächst wöchentlich im Karmeliterkloster mit einem Programm, wie es ähnlich auch andere Altenklubs boten: Kaffee und Kuchen, Schallplatten, Filmvorführungen, Vorträge.195 Auch die Frankfurter Alten konnten Urlaub in den Altenferienheimen der Bewegung machen. Die alten Menschen wurden als eher passive Mitglieder beschrieben, nicht als selbst organisierte: „In seiner Dienststelle im Krankenhaus in der Königswarter Straße hält er [Paul Rothe] richtiggehende Betreuungsstunden ab, in denen er den alten Leutchen bei ihren Wohnungsfragen und Problemen der Rentenfestsetzung behilflich ist.“196 1967 konnte die Ortsgruppe der „Lebensabendbewegung“ in Frankfurt eine eigene Begegnungsstätte eröffnen, gefördert von der Dachorganisation und dem Bund, finanziert mit laufenden Mitgliederbeiträgen.197 Dort bot sie neben Klubaktivitäten auch Beratungsstunden an. Der Altenklub der Jüdischen Gemeinde in der Hebelstraße 17 eröffnete im Frühjahr 1966 mit einer Küche, einem kleinen Zimmer, einem großen Zimmer, einem Wintergarten und hatte als Besonderheit unter den Altenklubs einen Aufzug, der in den ersten Stock führte.198 Auch hier wurde ein Fernse-

192 ISG, Fürsorgeamt 376, Dr. Prestel an den Oberbürgermeister, 1. November 1960: „Es ist u. E. eine völlig abwegige Auffassung, wenn man glaubt, die Lebensabendbewegung von Kassel aus durch ganz Deutschland tragen zu können. Es handelt sich in der offenen Altenhilfe moderner Art um eine eindeutige Aufgabe örtlicher Selbstverwaltung unter Einschaltung all der hier gewachsenen Kräfte.“ 193 ISG, Fürsorgeamt 376, Obermagistratsrat Baldes an Diözesan-Caritas-Direktor, 17. Oktober 1960; ISG, Fürsorgeamt 376, Sozialverwaltung Fürsorgeamt, an das Gewerbe- und Ordnungsamt, 29. November 1960. Hier sprach man sich dagegen aus, dass die „Lebensabendbewegung“ eine Sammlung durchführen dürfe, da sie noch nicht einmal ins Vereinsregister eingetragen sei. Man solle solche Sammlungen in erster Linie den bewährten Vereinigungen der freien gemeinnützigen Wohlfahrtsverbände überlassen. 194 ISG, Fürsorgeamt 376, Obermagistratsrat Scheid, an die Lebensabend-Bewegung, 15. November 1962. 195 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/P 3472, Presseausschnitt: Paul Rothe. LebensabendBewegung, in: FNP, 1. November 1963. 196 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/P 3472, Presseausschnitt: Paul Rothe. LebensabendBewegung, in: FNP, 1. November 1963. 197 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/P 3472, Presseausschnitt: Herkommen und Mithelfen. Lebensabend-Bewegung hat neues Domizil, in: HKB [?], 1. Dezember 1967. 198 ZA, B  1/13, Nr. 428, Dieter B. Elektro-Meister, an die Jüdische Gemeinde Frankfurt, Hebelstraße 17, 29. November 1965.

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3. Offene Altenhilfe in den 1960er Jahren

her aufgestellt.199 Geplant war der Klub für etwa 50 Besucher.200 Er hatte an fünf Tagen in der Woche, montags bis donnerstags und samstags, geöffnet und damit im Vergleich mit anderen Klubs sehr häufig.201 Er wurde von der Stadt bezuschusst.202 Die Klubbesuche waren für die Teilnehmer nicht ganz unverbindlich. Es gab in den städtischen Klubs einen Mitgliedsbeitrag von monatlich 50 Pfennigen und eine Mitgliedskarte, die von der Stadt damit begründet wurde, dass so bei Besuchern ein Zusammengehörigkeitsgefühl entstehe.203 Ab 1967 mussten die Mitglieder Beiträge von 50 Pfennigen pro Veranstaltung entrichten, was die Stadt mit der „angespannten Finanzsituation“ begründete und dem Willen, zumindest die wichtigsten Einrichtungen, zu denen sie auch die Altenklubs zähle, aufrechterhalten zu können. Bei bedürftigen Menschen, die von Sozialhilfe lebten, wurde der Beitrag übernommen; auch wenn es Altenheimbewohner waren, mussten sie den Klubbeitrag nicht von ihrem Taschengeld zahlen. Denn die Altenklubs, so die Begründung, förderten die Beziehungen der Hilfeempfänger zur Umwelt und seien damit nach dem Sozialhilfegesetz förderungswürdig.204 Ende der 1960er Jahre sollten die Altenklubs nicht nur Räume für feste Zusammenkünfte bieten, sondern als Altentagesstätten auch Orte für weitere Dienste wie ärztliche und soziale Beratung, Fußpflege, Baden, Gymnastik oder Mittagstisch sein. Geplant war zudem, einen Transportdienst zur Altentagesstätte zu organisieren, soweit nicht entsprechende Sondereinrichtungen für behinderte alte Menschen vorhanden waren.205 Altentagesstätten hatten demnach weitere Dienste zu integrieren, darunter Angebote wie Baden, die eine besondere räumliche Infrastruktur erforderten. Der Begriff der „Altentagesstätte“ tauchte im Nachrichtendienst des Deutschen Vereins zwar erstmals schon 1961 auf; er wurde jedoch erst ab Mitte der 1960er Jahre häufiger und dann im Sinne eines qualitativen Ausbaus der Altenklubs verwendet: Die Altenta199 ZA, B 1/13, Nr. 428, Hermann Eiberger, Radio- und Fernsehtechniker-Meister, Frankfurt, 20. Mai 1967. 200 ZA, B  1/13, Nr. 428, Rechnung Grossküchen Lorey Hotelbedarf an die Jüdische Gemeinde, 16. März 1966; Rechnung Stuhlindustrie Stoelcker an die Jüdische Gemeinde vom 11. Februar 1966 über 50 Sessel. 201 ZA, B  1/13, Nr. 428, Auswertung der Lieferscheine der Conditorei/Bäckerei Georg Reitz, Dezember 1966. 202 ZA, B  1/13, Nr. 428, Stadt Frankfurt a. M., An die Jüdische Gemeinde  – Sozialabteilung –, Ihre Altentagesstätte in der Hebelstraße, 6. Januar 1967, Betriebsmittelzuschuss in Höhe von 3.000 DM für das Rechnungsjahr 1966. Dies sei 1967 in dieser Höhe nicht möglich. Es folgten Zuschüsse für 1970: ZA, B 1/13, Nr. 145, Stadt Frankfurt a. M., Abt. Altenhilfe, An die Jüdische Gemeinde, betr. Zuschüsse der Stadt Frankfurt a. M. für Maßnahmen der offenen Altenhilfe, 15. Januar 1969. 203 ISG, Fürsorgeamt 3983, Magistrat an die Stadtverordnetenversammlung, betr. Kommunaler Altenplan der Stadt Frankfurt a. M., Situationsbericht nach dem Stand vom 1. Januar 1963. 204 ISG, Fürsorgeamt 4138, Sozialamt, Amtsleitung, An die Fachstelle für Heimpflege, Frankfurt, 20. Mai 1969. 205 Vogt (1967).

3.5 Altenwerkstätten

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gesstätten umfassten längere Öffnungszeiten, ein größeres Raumangebot und mehr Dienste als nur Zusammenkünfte. Im Bundesprogramm zur Förderung gesellschaftspolitischer Maßnahmen der älteren Generation 1968 sollte der Ausbau von Altenklubs gefördert werden, die auch für Pflegebedürftige zugänglich waren – eine Gruppe, die bisher fast gar nicht an Klubaktivitäten teilnahm.206 In Frankfurt gab es keine Klubs für pflegebedürftige alte Menschen. 3.5 Altenwerkstätten Im Zusammenhang mit der Frage der Beschäftigung von alten Menschen wurde die Einrichtung von Altenwerkstätten diskutiert. Der „Deutsche Verein“ schlug bereits 1954 die Einrichtung von Altenwerkstätten vor, dies jedoch nur als Ersatz für eine (Weiter-)Beschäftigung in der Industrie, denn ein Herausschieben oder sogar Vermeiden des Rentnerdaseins galt zu diesem Zeitpunkt als sinnvoller.207 Arbeit und Beschäftigung wurden als zentrale Elemente für das Wohlergehen alter Menschen angesehen. Neben der (Re-)Integration in den Arbeitsmarkt erachtete man Beschäftigung und Beschäftigungstherapie in Heimen als sinnvoll für die alten Bewohner. Diese Beschäftigungstherapie galt 1960 als Maßnahme der „Rehabilitation“. Die Beschäftigungstherapeutin war auf Anweisung des Arztes tätig. Jedoch sei die Therapie mit hohen Ausgaben verbunden, obwohl die hergestellten Produkte verkauft würden.208 Daraus lässt sich nicht schließen, ob der Verkauf in erster Linie aus finanziellen Erwägungen erfolgte oder der Sinnstiftung für die Beschäftigten diente und ob die Beschäftigungstherapie damit unter Umständen an den Arbeitseinsatz von Heiminsassen in früheren Jahrzehnten anknüpfte.209 1962 wurde gefordert, die Beschäftigungstherapie nicht nur innerhalb der stationären Altenhilfe, sondern in besonderen Werkstätten auch für nicht stationär untergebrachte alte Menschen anzubieten. Die hergestellten Gegenstände könnten in besonderen, ebenfalls von Rentnern bedienten Läden verkauft

206 Berichte:  Ältere Generation, Bundesmittel zur Förderung gesellschaftspolitischer Maßnahmen (1969); BArch, B 189/11398, Bl. 39, Allgemeine Bewilligungen, Titel 86303 und 89303. Siehe auch Sozial- und Jugenddezernent der Stadt Köln (1969). Die Arbeit des Beirats Altenhilfe beim Arbeits- und Sozialministerium NRW, der seit 1966 bestand, sah unter anderem die Entwicklung einer Nomenklatur der Einrichtungen der Altenhilfe vor, die über NRW hinaus Gültigkeit bekommen sollte; in ihr wurden Altentagesstätten als Teil der „Hilfen außerhalb der Wohnung“ wie Mittagstische und Altenklubs und Beschäftigungstherapie auch für körperlich behinderte alte Menschen aufgeführt. 207 Depuhl (1954), S. 37. 208 Fürer (1960). 209 Irmak (2002), S. 300–324; siehe auch o. V. (1946): Die Beschäftigung von Insassen der Altenheime sei wichtig für diese und für die Wirtschaftlichkeit der Anstalten, so wie in den Versorgungsheimen (Fürsorgeheimen) auch, und solle in Werkstätten gegen Taschengeld erfolgen.

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3. Offene Altenhilfe in den 1960er Jahren

werden: „Der Unterschied solcher Werkarbeit, die Werte schafft, zu den Bastelarbeiten, die mehr nur zur Ablenkung dienen, ist offensichtlich.“210 Diese Forderungen fanden jedoch in der Praxis kaum Niederschlag. 1967 gab es nur in Berlin und Göttingen Werkstätten für alte Menschen. Im Nachrichtendienst des Deutschen Vereins forderte man wiederholt die Einrichtung solcher Beschäftigungsräume unter der Leitung von Beschäftigungstherapeuten. Diese Werkstätten wurden als Institutionen betrachtet, die dem Leben der alten Menschen einen ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechenden Inhalt gäben; sie böten die Möglichkeit zur „sinnvollen Betätigung“ und seien eine vorbeugende Gesundheitsmaßnahme.211 1969 wurde als Vorbild auf die Altenwerkstätten in den Niederlanden verwiesen.212 Die Empfehlungen des Europarates, die 1967 verabschiedet wurden, umfassten ebenfalls Beschäftigung und Beschäftigungstherapie als notwendige Bestandteile einer jeden an die Sozialsysteme des Landes angepassten Altenhilfe.213 Es sollten Zentren geschaffen werden, die neben Rehabilitation auch Beschäftigungstherapie und gesellige Veranstaltungen boten, im Idealfall jedoch Weiterbeschäftigung beim bisherigen Arbeitgeber auf Teilzeitbasis gefördert werden.214 Auch im Modellprogramm der Bundesregierung 1969 wurden Altenwerkstätten als förderungswürdig herausgehoben.215 In Frankfurt richtete man in den 1960er Jahren keine Altenwerkstätten ein. Zu dieser Zeit gab es auf lokaler Ebene große Skepsis gegenüber organisierter handwerklicher Tätigkeit alter Menschen: Der Magistrat erwiderte auf einen Antrag der CDU-Fraktion vom 19. Januar 1969, in dem diese forderte, Werkstätten als „Instrument gezielter Arbeits- und Beschäftigungstherapie“ einzurichten, dass das Sozialamt gemeinsam mit dem „Frankfurter Verband für Altersfürsorge“ beobachte, wie sich in anderen Orten, zum Beispiel in Berlin, Göttingen und Hamburg, die Altenwerkstätten entwickelten. Man sehe zwei Probleme: Es sei einmal sehr schwierig für die Werkstätten, angemessene Aufträge von der Industrie zu erhalten; es handele sich zumeist um Aufträge über Hilfsarbeiten wie Sortieren von Massenteilen und Abfeilen und trage damit des bisherigen Berufs der Beteiligten kaum Rechnung. Zweitens finde das Angebot einer regelmäßigen Beschäftigung bei älteren Menschen 210 Tagung des Hauptausschusses des Deutschen Vereins in Kassel, Aussprache, in: NDV 42 (1962), H. 6, S. 200–202. 211 Vogt (1967), S. 140. 212 o. V.: Werkstätten (1969). 213 Empfehlungen des Europarates zur Rehabilitation alter Menschen, die zu Hause oder in Altersheimen gepflegt werden (Empfehlung, die vom Gemeinsamen Ausschuß im Juni 1967 angenommen und den beteiligten Regierungen im September 1967 übermittelt wurde) (1969). 214 Empfehlungen des Europarates zur Rehabilitation alter Menschen, die zu Hause oder in Altersheimen gepflegt werden (Empfehlung, die vom Gemeinsamen Ausschuß im Juni 1967 angenommen und den beteiligten Regierungen im September 1967 übermittelt wurde) (1969), S. 191. 215 Berichte:  Ältere Generation, Bundesmittel zur Förderung gesellschaftspolitischer Maßnahmen (1969).

3.6 Erholungshilfe

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nicht die erwartete Resonanz. In Berlin sei seit 1965 der Verein „Tätiger Lebensabend“ aktiv, in dem sich nur 70 Mitglieder gefunden hätten, von denen bestenfalls die Hälfte regelmäßig tätig sein wolle. Demgegenüber stehe ein hoher organisatorischer und finanzieller Aufwand. Bastelstunden in den Altenklubs fänden zwar regen Zuspruch, vor allem wenn zweckbestimmt für ein Ereignis oder die Ausgestaltung des Klubraumes gebastelt werde, jedoch scheiterte der Versuch, in einem Klub für einen Industriebetrieb Arbeiten zu übernehmen, an der unregelmäßigen Beteiligung der Mitglieder. Nicht geklärt sei zudem die Frage der steuerlichen Behandlung der Arbeitseinkünfte und ihre Anrechnung auf Rente und Sozialhilfe sowie die Frage des Versicherungsschutzes. Es sei beabsichtigt, die Frage des Bedürfnisses noch einmal zusammen mit den Klubleiterinnen zu erörtern; dabei solle es jedoch um die Ausweitung des Bastelangebotes und kleinere Werkarbeiten gehen. In Zusammenarbeit mit dem Arbeitsamt Frankfurt sollte geklärt werden, ob die Frankfurter Wirtschaft Arbeitsplätze für rüstige ältere Bürger anzubieten habe.216 Dies war eine reine Absichtserklärung. 3.6 Erholungshilfe Erholungshilfe für alte Menschen war ein neues Feld kommunaler Altenfürsorge in den 1960er Jahren und erreichte von allen Einzelmaßnahmen die meisten Menschen.217 Alten Menschen, die schon in Rente waren, stand man damit einen Anspruch auf Urlaub zu, der mit Gesundheit in Verbindung gebracht wurde. Kirchen und Verbände führten schon vor 1960 teilweise Tagesausflüge für alte Menschen durch und bekamen dafür Unterstützung von der Stadt.218 Jedoch wurde auf kommunaler Ebene erstmals im Altenplan Bremens die Erholungsfürsorge 1960 als ein Teilbereich der Altenhilfe gefordert: In erster Linie sollte es aber unser Bestreben sein, ältere Menschen davor zu bewahren, daß sie wegen ihres körperlichen Zustandes ein Altenheim aufsuchen müssen. Es gilt, nicht nur das Leben zu verlängern, es muß auch lebenswert sein. Dabei spielt die Ge-

216 ISG, Stadtverordnetenversammlung 2370, Der Magistrat an die Stadtverordneten-Versammlung B 203, Frankfurt, den 30. Juni 1969. 217 Dies gilt auch für die Altenhilfemaßnahmen der Arbeiterwohlfahrt, siehe Holz (1987), S. 181: 1962 nahmen insgesamt 11.525 Personen an regionalen und überregionalen Altenerholungsmaßnahmen teil, 1965 waren es schon 27.422 Personen; so schnell stiegen die Teilnehmerzahlen nicht weiter, aber sie stiegen an. Die Arbeiterwohlfahrt war damit sehr früh in recht großem Umfang in der Altenerholung tätig. 218 ISG, Fürsorgeamt 3161. Der Deutsche Rentnerbund e. V. machte seit Anfang der 1950er Jahre einmal jährlich Ausflugsfahrten mit mehreren Hundert Senioren auf Schiffen und erhielt dafür 200 DM von der Stadt Frankfurt (Bl. 10, Deutscher Rentnerbund, 12. Juli 1956 an Stadtrat Dr. Prestel), und ab Herbst 1957 kam eine Omnibusfahrt in den Spessart hinzu mit 250 Personen (Aus dem Verbandsleben, in: Der Rentner. Bundesblatt des Deutschen Rentnerbundes (Verband für Altersschutz e. V.), 31. Jahrgang, Nr. 3, III. Quartal 1957, o. S.).

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3. Offene Altenhilfe in den 1960er Jahren sundheit eine bedeutende Rolle. Auch ältere Menschen, die nicht mehr arbeiten, haben einen Anspruch auf Erholung.219

Daher sei die Erholungsfürsorge für ältere Menschen nach Grundsätzen, die für die Müttererholung beschlossen seien, zu etablieren. Es sollten längere Aufenthalte in schönen Gegenden und Tagesfahrten organisiert werden. Der „Deutsche Verein“ sah die Erholungshilfe im Paragraphen 36 des BSHG zur vorbeugenden Gesundheitshilfe beim alten Menschen verankert.220 Erholungsaufenthalte galten damit als Bestandteil der Gesundheitsvorsorge. 1962 stellte das Land Hessen Geld zur Verfügung, um Urlaubsreisen von alten Menschen mit einem Einkommen unter einer bestimmten Grenze zu fördern: Die „heutige erschwerte Situation der alten Menschen“ erforderte Erholungsaufenthalte über reine Heil- und Genesungskuren hinaus. Alten Menschen, die sich aus eigenen Mitteln Urlaubsreisen oder einen Erholungsaufenthalt nicht leisten konnten, sollte Gelegenheit zur Erholung und zur Aufnahme von neuen Eindrücken und Kontakten geboten werden: „Dadurch werde ihnen Auftrieb und das Bewußtsein gegeben, daß sich die Allgemeinheit ihnen gegenüber in besonderer Weise verbunden fühlt.“221 Die Stadt Frankfurt stockte die Landesmittel auf, so dass 1962 schon 420 Teilnehmer von Mai bis Oktober für jeweils zwei Wochen in umliegende Pensionen fuhren.222 Die Pensionen waren absichtlich nicht nur mit alten Leuten belegt, denn es gelte, Altenheimatmosphäre zu vermeiden. Es sollten dort jedoch gleichzeitig immer mehrere alte Menschen aus Frankfurt untergebracht sein, um Kontakte zu fördern, die auch nach dem Aufenthalt Bestand hätten. Die Frankfurter Rundschau schrieb im Juni 1962 eine Reportage über die Altenerholungshilfe unter der Überschrift „Sie genießen den ersten Urlaub ihres Lebens“. Viele seien seit Jahrzehnten nicht aus Frankfurt herausgekommen, und das im Zeitalter der Reisewelle und des allgemeinen Wohlstandes: Sie schauen nicht mehr auf Häuserwände wie daheim. Um sie herum ist das weite grüne Meer des Spessarttals mit seinen bewaldeten Höhen. Und neben ihnen sitzen zwei andere Frankfurter Ehepaare, Urlauber wie sie, die mit ihnen vor einer Woche hier eintrafen. Auf Anhieb hat man sich verstanden, hat Spaziergänge durch Wald und Flur unternommen […]. Abends hat man ein Schöppchen getrunken, hat gelacht und geschwätzt, kurzum, es sich gut sein lassen. Zu einer großen Familie sind die alten, vereinsamten Ehepaare in der einen Woche zusammengewachsen, die künftig auch in Frankfurt weiter zusammenhalten wollen.223

Die Rentner erzählten, dass sie zunächst skeptisch gewesen seien, weil das Angebot kostenlos war, aber diese Sorge habe sich als unbegründet erwiesen. 219 220 221 222

o. V.: Denkschrift (1960). -be- (1961). HHStAW, Abt. 508, Nr. 2174, Bl. 52, Erlass der Landesregierung. ISG, Fürsorgeamt 4162, Sozialverwaltung Fürsorgeamt, Berechnung des Voranschlages für die Hast. 1-4100-5100, Erholungshilfe für ältere Bürger für das RJ 1962, Frankfurt, 25. Mai 1962, genehmigt mit Magistratsbeschluß Nr. 1642 vom 9. Juli 1962. 223 ISG, Fürsorgeamt 4162, Presseausschnitt: Flesch, Margot: Sie genießen den ersten Urlaub ihres Lebens. Erholungshilfe für alte Bürger/FR-Besuch in den Ferienorten, in: FR, 13. Juni 1962.

3.6 Erholungshilfe

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Die Erholung lag besonders für die Frauen in der Entpflichtung von der Hausarbeit: „Die Frauen schwärmen davon, wie gut es tut, einmal ohne eigenes Zutun die Füße unter den gedeckten Tisch zu setzen, die Schuhe geputzt zu bekommen und sich verwöhnen zu lassen.“224 Diese Fahrten waren ausdrücklich an Einkommensgrenzen gebunden, die sich aus den Bestimmungen zur Hilfe in besonderen Lebenslagen im BSHG ergaben. Die Teilnehmer sollten mindestens 65 Jahre alt sein, jüngere Ehepartner durften aber mitfahren. Auch durften die Teilnehmer noch nicht pflegebedürftig sein.225 Für Heimbewohner wurden erst später Reisen angeboten. Daneben plante die Stadt seit 1963 Tageserholungen, die allen über 65-Jährigen offenstanden. Einkommensgrenzen gab es hier im Gegensatz zu den Erholungsurlauben nicht. Vorher wurden schon erste Tagesfahrten von der Caritas und der „Centrale für private Fürsorge“ angeboten; dies waren die ersten städtisch finanzierten Fahrten dieser Art in der Bundesrepublik.226 Die freien Wohlfahrtsverbände und die Altenklubs sammelten die Teilnehmeranmeldungen, die freien Wohlfahrtsverbände stellten abwechselnd Begleitpersonen für die Betreuung.227 Letztere waren zumeist ehrenamtlich tätige Frauen. Die Betreuerinnen berichteten nach den Fahrten über die Reise, sie mussten alle einen kurzen Bogen ausfüllen. Manche legten ausführliche Berichte bei. Die nur zum kleinen Teil überlieferten Berichtsbögen schilderten die Wirkung auf die mitfahrenden alten Menschen als sehr positiv: „Man sah es unseren Gästen an, daß sie glücklich und zufrieden waren.“228 „Viele die glaubten, die 5 Tage hintereinander wären zu viel, hätten jetzt sogar noch länger mitgemacht.“229 „Man konnte von Tag zu Tag eine Veränderung feststellen, so aufgeschlossen und voller Lebensfreude und Vitalität waren alle. Ich hätte nie gedacht, daß auch noch in alten Menschen so viel Humor steckt.“230 Die Betreuerinnen belegten die Mitfahrenden mit Begriffen, die in der Rückschau herablassend wirken, in diesem Jahrzehnt jedoch im Sprachgebrauch noch üblich waren.231 Eine Betreuerin schrieb, alles sei gut verlaufen, Gott sei Dank habe es keine Unfälle gegeben, und: „Die Leutchen waren 224 ISG, Fürsorgeamt 4162, Presseausschnitt: Flesch, Margot: Sie genießen den ersten Urlaub ihres Lebens. Erholungshilfe für alte Bürger/FR-Besuch in den Ferienorten, in: FR, 13. Juni 1962. 225 ISG, Fürsorgeamt 4162, Niederschrift über die Sitzung der Wohlfahrtsdeputation am 9. Februar 1962 im Sitzungssaal der Sozialverwaltung, Frankfurt a. M., 21. Februar 1962. 226 ISG, Fürsorgeamt 4163, Presseausschnitt: Betagte Bürger unternehmen Ausflüge. Erfolgreicher Versuch des Sozialamtes/Starkes Interesse anderer Städte, in: FAZ, Nr. 175, 1. August 1963. 227 ISG, Fürsorgeamt 4164, Briefwechsel Stadt mit den freien Wohlfahrtsverbänden, Frühjahr 1965. 228 ISG, Fürsorgeamt 4163, Käthe K. vom DRK, Bericht o. D. 229 ISG, Fürsorgeamt 4163, Bericht Frida Sch. über die 5 Tage-Fahrt der Gruppe 5, Seckbach. 230 ISG, Fürsorgeamt 4163, Bericht Anny H., Tageserholungsfahrten der Gruppe Nr. 9 vom 15.–19. Juli 1963, Frankfurt, 24. Juli 1963. 231 Vgl. Grabe (2016), S. 31 ff.

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3. Offene Altenhilfe in den 1960er Jahren

alle sehr dankbar und fröhlich.“232 Erwähnenswert waren stets das Mittagessen mit drei Gängen und der nachmittägliche Kaffee mit Kuchen.233 Hier äußerte sich eine Betreuerin jedoch abwertend gegenüber einigen Reiseteilnehmern: „Trotz des reichlichen und guten Essens konnten es einige Teilnehmer nicht lassen, ohne Rücksicht auf ihre üppige Figur, noch einen Nachtisch zu bestellen.“234 Aktivitäten wurden nicht so häufig wie das Essen erwähnt: Man berichtete über Spaziergänge, Liegestühle auf Terrassen und Liegewiesen, Gesellschaftsspiele nach dem Kaffeetrinken. Einmal wurde der Besuch eines Tierparks geschildert, der aber wohl nur auf spontane Initiative des Busfahrers zustande kam.235 Nicht immer verliefen die Fahrten konfliktfrei, wie Beschwerden zeigen. Eine Betreuerin verfasste einen „Extrabericht“ zu den „unliebsamen Vorgängen“, die durch Telefonanruf schon bekanntgeworden seien: Es gab Streit zwischen Betreuerinnen über die Kompetenzen; eine Betreuerin hetzte auch unter den Teilnehmern gegen ihre Kollegin. Die Konflikte zwischen den Betreuerinnen waren so groß, dass das Sozialamt am fünften Tag morgens eine von ihnen abzog; laut Berichten gab es auch unter den Teilnehmern „Lagerbildung“ und Hetze.236 Eine Betreuerin bat die Stadtverwaltung, nur noch wirklich gehfähige Personen auszuwählen. Es gab zwischen zwei Teilnehmerinnen handgreiflichen Streit, denen dann ihre Teilnehmerkarten abgenommen wurden.237 Einige Busse hatten zu wenige Sitzplätze, so dass Begleiterinnen und auch alte Menschen zum Teil abwechselnd stehen mussten.238 Die Teilnehmer wurden auch pflegerisch versorgt; eine von einem Gewitterregen überraschte Männergruppe rieben die Betreuerinnen mit Franzbranntwein und Melissengeist ein, eine „kleine Herzmüdigkeit“ bedingt durch Hitze behob man mit „Aurosystol-Goldtropfen“, einen Bluterguss mit Venostasin-Salbe. Eigentlich sollte stets eine Sanitätstasche im Bus sein, oft mussten die Betreuerinnen diese aber erst selbst besorgen.239 In Dankesbriefen führten die Teilnehmer das Essen, die Möglichkeit des „Mittagschläfchens“ und den schönen Spaziergang in Wald und Parkanlagen an, sie lobten zudem die Betreuung. Auch der Kontakt untereinander wurde positiv hervorgehoben: Wir Teilnehmer waren eine grosse Familie, lernten uns gegenseitig schätzen und achten, wir fanden schnell Kontakte zueinander und wenn es abends zum Abschiednehmen

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ISG, Fürsorgeamt 4163, Brief von Gertrud F., 9. September 1963. ISG, Fürsorgeamt 4163, Bericht Josefine P., 8.–12. Juli 1963. ISG, Fürsorgeamt 4163, Bericht Josefine P., 8.–12. Juli 1963. ISG, Fürsorgeamt 4163, Bericht über die 5 Tage-Fahrt der Gruppe 5, Seckbach, 14. Juli 1963. Vierseitiger Gegenbericht der anderen Teilnehmerin Frau K. vom 13. Juli 1963, darin handschriftlich notiert im Sozialamt: „Ach Du großer Gott  … Wer ist das überhaupt?“ ISG, Fürsorgeamt 4163, Extrabericht. ISG, Fürsorgeamt 4163, Fahrtbericht Else U. vom 14.–19. Juli 1963, DRK, 26. Juli 1963. ISG, Fürsorgeamt 4163, Bericht Alice F., 29. Juli 1963. ISG, Fürsorgeamt 4163, Fahrtbericht für die Gruppe Nr. 21 vom 5.–9. August 1963.

3.7 Mahlzeitendienste – kein „Essen auf Rädern“ in Frankfurt

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ging, dann konnten wir voll Freude einstimmen: „Ja so ein Tag, so wunderschön wie heute, ja so ein Tag, der sollte nie vergehen.“240

Das Land Hessen förderte die Tageserholung zunächst nicht, allerdings gab es Zuschüsse für Einrichtungsgegenstände wie Gartenmöbel und Sonnenschirme, die für die Ausflugslokale von der Stadt angeschafft wurden.241 Ab 1964 wurde die Tageserholung aus den Mitteln der Altenerholungshilfe des Landes mit zunächst 15.100 DM gefördert.242 Die Stadt Frankfurt bewilligte 1963 63.000 DM als außerplanmäßige Ausgabe für die Monate Juli bis September. Der Betrag reichte nicht und wurde um etwa 20.000 DM überschritten.243 Begründet wurden die Nachbewilligungsforderungen und damit auch schon die Haushaltsforderungen für das nächste Jahr damit, dass es ein so großer Erfolg war und Frankfurt in Verbindung mit den übrigen Einrichtungen der offenen Altenhilfe „auf dem Wege einer modernen individuellen Altenhilfe in diesem Jahr ein gutes Stück weitergekommen“ sei.244 Besonders individuell war die offene Erholungshilfe allerdings nicht, denn es wurden nur Fahrten zu festgelegten Zielen in großen Gruppen angeboten. Insgesamt fuhren im ersten Jahr 45 Gruppen mit jeweils 49 Teilnehmern mit.245 1965 nahmen über 2.500 Rentner an den Tagesfahrten teil, die jeweils zwei Wochen lang fünf Tage in Folge durchgeführt wurden. Im Zuge der Rezession 1966/67 setzte die Stadt Frankfurt die Tageserholungen aus246; erst mit dem zweiten Altenplan nach 1970 wurden sie wiederaufgenommen. Sie werden bis heute durchgeführt. 3.7 Mahlzeitendienste – kein „Essen auf Rädern“ in Frankfurt In anderen größeren Städten richteten Verbände der freien Wohlfahrtspflege in den 1960er Jahren den Mahlzeitendienst „Essen auf Rädern“ ein, getragen insbesondere von Vereinen, die dem „Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband (DPWV)“ angehörten. Dabei berief man sich auf England, wo seit den frühen 1940er Jahren „meals on wheels“ für ältere Menschen angeboten wur-

240 ISG, Fürsorgeamt 4163, Brief einer Reisegruppe an das Sozialamt, Frankfurt, 26. Juli 1963. 241 HHStAW, Abt. 508, Nr. 2180, Bl. 7, IV b, Aktenvermerk betr. Aktion Tageserholung für ältere Bürger der Stadt Frankfurt im Sommer 1963, Wiesbaden, den 17. Mai 1963. 242 HHStAW, Abt. 508, Nr. 2180, Bl. 14, Der hessische Minister für Arbeit, Volkswohlfahrt und Gesundheitswesen, Abteilung IV, Vermerk, Wiesbaden, den 5. Juni 1964. 243 ISG, Fürsorgeamt 4163, Vortrag des Magistrats an die Stadtverordneten-Versammlung, betr. Stadtranderholung für ältere Bürger, 6. Januar 1964. 244 ISG, Fürsorgeamt 4163, Bericht des Magistrats über die Stadtranderholungsmaßnahmen im Sommer 1963, 6. Januar 1964. 245 Siehe Überblickstabelle in ISG, Fürsorgeamt 4163, Juli bis Anfang September; jeden Montag starteten die Gruppen, jeweils aus fünf Stadtteilen, parallel. 246 ISG, Fürsorgeamt 4163, Antwort der Abt. Altenhilfe auf eine Anfrage der Stadt Düsseldorf vom 6. November 1969, Sozialamt, am 14. November 1969.

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3. Offene Altenhilfe in den 1960er Jahren

den.247 In Stuttgart wurden seit Herbst 1962 in einem gespendeten Wagen einer Stuttgarter Autofirma und mit angeschafften Spezialwarmhaltekisten vom DPWV zunächst 40 Essen täglich ausgefahren, nachdem der „Verein für Haus- und Krankenpflege“ in Krefeld schon ein halbes Jahr zuvor Mahlzeiten an alte Menschen geliefert hatte.248 Die Nachfrage war groß. Von Beginn an bot man sogar Schonkost zu einem Preis von 2,70 DM an. Es gab Zuschüsse für Minderbemittelte, der Service richtete sich jedoch nicht nur an Einkommensschwache.249 In Braunschweig wurde am 18. Februar 1963 die Aktion „Essen auf Rädern“ vom DPWV gegründet. Das KDA unterstützte finanziell die Anschaffung eines Wagens und den Kauf von Thermen und Warmhaltekisten. Der DPWV in Braunschweig betonte nicht nur den Wert der Mahlzeiten, sondern auch den Wert der Gespräche und Hausbesuche, die oft Not lindern könnten.250 Andere Städte folgten, so Oberhausen, wo das DRK Essen auslieferte und die Stadtverwaltung die Kosten trug251, dann Wuppertal und Bremen252. 1964 gab es in mindestens 32 Städten „Essen auf Rädern“ mit insgesamt 64 Fahrzeugen, die fast komplett der KDA finanzierte.253 Viele Zubringerdienste wurden von der Stadt bei den Investitionskosten unterstützt.254 Im Sozialamt der Stadt Frankfurt überlegte man, auch einen solchen Dienst anzubieten. Anders als in anderen Städten ging der Impuls hier nicht von den örtlichen Wohlfahrtsverbänden aus, sondern von der Stadtverwaltung. Dies erschwerte jedoch die Verwirklichung, da kein Träger gefunden wurde. Zunächst sollte ein Testbezirk im Stadtteil Bockenheim eingerichtet werden.255 Die Wohlfahrtsverbände und Kirchengemeinden wurden gebeten, betagte Bewohner, die für eine Teilnahme in Frage kämen, zu benennen. Auch in der Presse kündigte man den neuen Dienst an und lieferte die Begründung mit, dass ältere Menschen so der Umzug ins Heim (länger) erspart bleibe. Argumentiert wurde auch mit den Kosten der stationären Unterbringung: Hans Appel, zweiter Vorsitzender des DPWV in Frankfurt, führte aus, dass sich die Zahl der älteren Menschen im Bundesgebiet, die betreut werden müssten, jährlich um 11.000 erhöhe. Betten in Alters- und Pflegeheimen wür-

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Neubelt (1965), S. 114; McMurray (2008). Neubelt (1963). Neubelt (1963). ISG, Fürsorgeamt 4149, DPWV: Essen auf Rädern. Ein erster Erfahrungsbericht, Februar 1965. ISG, Fürsorgeamt 4149, Stadt Oberhausen an die Stadt Frankfurt a. M., Sozialamt, Oberhausen 3. April 1963. ISG, Fürsorgeamt 4149, Presseausschnitte aus Wuppertal: Das Menü frei Haus, o. D.; Mahlzeitendienst ist bereit. Pflegebedürftige alte Menschen in der Hansestadt erhalten bald ein warmes Essen, in: Weser Kurier, 28. August 1964. Neubelt (1965). ISG, Fürsorgeamt 4149, Essen auf Rädern – Zuschüsse der Gemeinden an Wohlfahrtsverbände, Ergebnis einer Umfrage, Juli 1965. ISG, Fürsorgeamt 4149, Sozialamt, Obermagistratsrat Scheid, an die Wohlfahrtsverbände und Kirchengemeinden in Bockenheim, 3. April 1963.

3.7 Mahlzeitendienste – kein „Essen auf Rädern“ in Frankfurt

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den 330 Millionen Mark für all diese Menschen kosten; dies ließe sich mit Einrichtungen wie dem fahrbaren Mittagstisch vermeiden.256 Daran interessierte alte Menschen wurden von den Verbänden und Kirchen gemeldet, wenngleich die evangelische Markusgemeinde feststellte, die meisten Frauen wollten noch nicht so alt sein und ihre Kocherei selbst besorgen, und alte alleinstehende Männer gingen, soweit sie es kräftemäßig noch könnten, gern in ein Gasthaus.257 Insgesamt gab es jedoch 46 Interessierte allein im Stadtteil Bockenheim. Darunter waren alte Menschen, die nach den Ermittlungen der Fürsorgerinnen sehr von einem gebrachten Essen profitiert hätten, waren sie doch zum Teil bettlägerig, gehbehindert und lebten in hochgelegenen Stockwerken.258 Das Sozialamt sah vor, dass die freien Verbände freiwillige Helfer benannten, was sie zunächst nicht konnten.259 Das Sozialamt versuchte zeitgleich, Krankenhäuser und Altenheime zu einer Essensausgabe an in der Nähe lebende alte Leute zu bewegen und ältere Bürger verstärkt mit den Mittagstischen der Städtischen Küchenbetriebe zu versorgen.260 1963 gab es 15 Essensausgabestellen der Städtischen Küchenbetriebe, an denen der Mittagstisch der Stadt Frankfurt stattfand, weitere waren in Sozialstationen und Altenwohnheimen geplant. Das Essen kostete für die gesamte Woche (sieben Tage) 11,10 DM, dasjenige für den Sonntag wurde als kaltes Gericht am Samstag ausgegeben. Noch bis 1962 waren die Küchen auch sonntags besetzt gewesen. Minderbemittelte erhielten einen Gutschein gegen Selbstzahlung von 2,80 DM. Grundsätzlich war es möglich, das Essen für gehbehinderte Personen abzuholen, organisiert war dieser Bringdienst nicht.261 Im Oktober 1964 sollte begonnen werden, 60 Personen in Bockenheim mit Gerichten einer Tiefkühlkostfirma dreimal wöchentlich zu beliefern.262 Weder wurden organisatorische und technische Probleme gelöst noch fanden sich genügend freiwillige Helfer für die Ausgabe des tiefgekühlten Essens. Warmes Essen stand nicht mehr zur Diskussion: Man konnte sich nicht dazu 256 ISG, Fürsorgeamt 4149, Presseausschnitt: Armes Essen für Bedürftige. Fahrbarer Mittagstisch / Ältere gehbehinderte Menschen werden versorgt, in: FR, 20. März 1963. Das Kostenargument gegen die stationäre Unterbringung wurde damit im Vergleich sehr früh eingesetzt, vgl. Kapitel 4. 257 ISG, Fürsorgeamt 4149, Evangelisch-unierte Markusgemeinde, Gemeindefürsorgerin, an das Sozialamt, 2. Mai 1963. 258 ISG, Fürsorgeamt 4149, Sozialverwaltung – Sozialamt – Sozialstation Bockenheim, An die Amtsleitung, Frankfurt, 9. April 1964. 259 ISG, Fürsorgeamt 4149, Sozialverwaltung, Niederschrift über die Sitzung mit den Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege, 30. Mai 1963. 260 ISG, Fürsorgeamt 4149, Sozialamt, Übersicht betr. das Ergebnis der Rundfrage über die Essensabgabe an ältere Bürger vom 10. Dezember 1963, 21. Januar 1964. 261 ISG, Fürsorgeamt 4149, Stadt Frankfurt a. M., Städtische Küchenbetriebe an die Sozialverwaltung, 10. Dezember 1963. 262 ISG, Fürsorgeamt 4149, Protokoll über die Sitzung der Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Frankfurt am Mittwoch, den 26. August 1964, 4. September 1964. Die Liga wurde 1963 in Frankfurt gegründet und umfasste die freien Wohlfahrtsverbände und die Sozialverwaltung.

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3. Offene Altenhilfe in den 1960er Jahren

durchringen, ein Fahrzeug und teure Warmhaltekisten anzuschaffen. So scheiterte das Projekt. Das wurde von der Presse negativ aufgenommen.263 1967 beschrieb eine Reportage über das Scheitern des fahrbaren Mittagstisches Einzelschicksale, bei denen das Fehlen einer warmen Mahlzeit als Symbol der Vernachlässigung und Verwahrlosung alter Menschen hervorgehoben wurde: Wenn die Gemeindeschwester die vier Treppen zur Mansarde des Innenstadthauses emporsteigt, hat sie eine Konservendose in der Tasche. […] Der alte Mann oben erwartet die Schwester bereits, und während sie ihm die Mahlzeit wärmt, zählt er auf den Pfennig genau das Geld hin. Zwei Drittel des Monats macht das kaum Mühe, dann wird die Rente knapp und die Kirchgemeinde schießt etwas zu. In einer anderen Straße lebt eine Greisin bei Sohn und Schwiegertochter. Beide sind berufstätig und essen in der Kantine. Da vergeht mancher Tag, an dem der Morgenkaffee das einzige Warme ist, das die alte Frau zu sich nimmt. Sie klagt nicht darüber, denn wenigstens am Wochenende sitzt sie mit am Familientisch und meistens bleibt ein Rest, den sie anderntags aufwärmen kann. In Tausenden von Haushalten scharen sich mittags Mütter und Kinder um das Mahl. Tausende von Berufstätigen bekommen es ebenso selbstverständlich im Betrieb vorgesetzt. Wer von ihnen denkt daran, daß womöglich in der Nebenwohnung ein alter Mensch wohnt, der darauf verzichten muß, weil er nicht imstande ist, die Einkäufe zu machen. Mit der Entgegnung: „Dann soll er halt ins Altersheim gehen“, ist es nicht getan.264

Denn in der Stadt, so führte der Zeitungsbericht aus, reichten die 5.500 Heimplätze nicht aus; es fehlten 1.400 Plätze. Es sei also im Interesse der Stadt, die alten Menschen so lange wie möglich in ihren eigenen Wohnungen zu halten, zumal die Betroffenen dies selbst wünschten und ihre Selbständigkeit nur ungern aufgeben würden. Das warme Essen spiele dabei eine zentrale Rolle. 600 alte Frankfurter würden täglich die Ausgabestellen der Städtischen Küchenbetriebe besuchen; kranke und eingeschränkt gehfähige Menschen seien davon ausgeschlossen und andere je nach Witterung abgeschreckt. In beinahe 40 anderen Städten in der Bundesrepublik gebe es nun schon die Aktion „Essen auf Rädern“, in Frankfurt jedoch nicht. Das Bild, das in diesem Artikel von der Lebenslage alter Menschen gezeichnet wurde, war düster; die Autorin erhob den Anspruch, die Situation vieler zu schildern.265 Wer in die Wohnungen solcher Alleinstehenden hineinschaut, ist mitunter erschüttert von der Hilflosigkeit, die an allen Ecken und Enden erkennbar wird, körperliche Schwäche, geistige Verwirrung, Mißtrauen und Starrsinn erschweren die Situation zusätzlich, die allein durch das Gefühl, im Stich gelassen zu sein, schwer genug ist. […] Es gibt einfach zu viele Hilfsbedürftige und zu wenig Helfer.266 263 ISG, Fürsorgeamt 4149, Presseausschnitte: Kein „Essen auf Rädern“, in: FR, 27. Februar 1967; Gute Idee – nicht verwirklicht, in: Höchster Kreisblatt, 10. Dezember 1965. 264 ISG, Fürsorgeamt 4149, Presseausschnitt: Huth, Helga: Eine warme Mahlzeit  – keine Selbstverständlichkeit. Alte Menschen, die nicht im Heim leben, werden oft schlecht versorgt, in: FAZ, 13. Mai 1967. 265 Bundesweit setzte sich Ende der 1960er Jahre hingegen in den wissenschaftlichen Diskursen zum Alter eine differenzierte Sicht auf das Alter durch, die nicht (mehr) die besonderen materiellen Problemlagen betonte; vgl. Baumgartl (1997), S. 124 f. 266 ISG, Fürsorgeamt 4149, Presseausschnitt: Huth, Helga: Eine warme Mahlzeit  – keine Selbstverständlichkeit. Alte Menschen, die nicht im Heim leben, werden oft schlecht versorgt, in: FAZ, 13. Mai 1967.

3.8 Ambulante Pflege

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Es wurde ein neuer Versuch unternommen, einen Mahlzeitendienst einzuführen, wieder im Testbezirk Bockenheim267, erneut wurde eine Erhebung durchgeführt; diesmal konnten weder genug Interessenten noch genug ehrenamtliche Helfer gefunden werden268. Die Stadt bewarb stattdessen das Modell des Städtischen Mittagstisches als vorbildlich und dem Essenszubringerdienst sogar in seinem Nutzen für die alten Menschen überlegen, da die gemeinsame Mahlzeit der Vereinsamung entgegenwirke. Die älteren Essensteilnehmer bildeten in den Essensausgabestellen „Stammtischrunden“, um Alltagsereignisse zu besprechen; falls ein Tischgenosse einmal nicht komme, würde sich meist jemand finden, der ihm das Essen bringe.269 Die Zahl der Essensausgabestellen sollte noch erhöht werden, um in allen Stadtteilen eine solche Einrichtung anzubieten. Bei diesen Essensausgabestellen und anderen städtischen Einrichtungen, die von den Küchenbetrieben beliefert wurden, sollten künftig Depots eingerichtet werden, an denen das Essen abgeholt werden könne, verpackt in Einweggeschirr, im Wege der „Nachbarschaftshilfe“. Der Kreis der Teilnehmer werde damit erheblich erweitert werden. Wahrscheinlich beschönigte die Stadt das Fehlen eines Mahlzeitenbringdienstes, denn der Bedarf eines solchen war in der ersten Erhebung 1963 schon unzweifelhaft ermittelt worden. Dass es einen Bedarf gab, zeigt auch, dass der Frankfurter Hauspflegeverein unabhängig von den städtischen Bemühungen jährlich über 6.000 gespendete Essen an alte Menschen in ihrer Wohnung ausgab.270 3.8 Ambulante Pflege 3.8.1 Pflege im Bundessozialhilfegesetz Im BSHG wurde im Rahmen der Hilfen in besonderen Lebenslagen in den Paragraphen 68 und 69 die Hilfe zur Pflege festgeschrieben.271 Im Paragraphen 69 wurde ein Pflegegeld für in häuslicher Pflege versorgte Pflegebedürftige eingeführt. Im Falle, dass ein Pflegebedürftiger so hilflos war, dass er für gewöhnliche und wiederkehrende Verrichtungen im Alltag in erheblichem Umfang „Wartung und Pflege“ bedürfe und diese Pflege von nahestehenden Personen oder im Wege der Nachbarschaftshilfe übernommen werde, sollten

267 ISG, Fürsorgeamt 4149, Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband, Protokoll der Sitzung des Geschäftsführenden Vorstandes am 6. Dezember 1967, 6. Februar 1968. 268 ISG, Fürsorgeamt 4149, Der Magistrat an die Stadtverordnetenversammlung, betr. Essen auf Rädern, Antrag der FDP-Fraktion vom 13. August 1969, B 386, Erwiderung, Frankfurt a. M., 15. Dezember 1969. 269 ISG, Fürsorgeamt 4149, Der Magistrat an die Stadtverordnetenversammlung, betr. Essen auf Rädern, Antrag der FDP-Fraktion vom 13. August 1969, B 386, Erwiderung, Frankfurt a. M., 15. Dezember 1969. 270 Siehe unten; ISG, Magistratsakten 8712, Jahresberichte des Hauspflegevereins. 271 BGBl. I, 1961, Nr. 46 vom 5.7.1961, S. 815–841, hier S. 826, §§ 68 und 69.

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3. Offene Altenhilfe in den 1960er Jahren

ihm mindestens 100 DM gezahlt werden.272 Die Träger sollten darauf hinwirken, dass die Pflege von nahestehenden Personen oder im Rahmen der Nachbarschaftshilfe geleistet werde, andernfalls wurden die „angemessenen Kosten“ für eine geeignete Pflegekraft übernommen (Paragraph 69, Absatz 5). Zu diesem Zeitpunkt war es nur schwer abzusehen, welche Bedeutung die „Hilfe zur Pflege“ einmal haben würde, dass nämlich die Zahl alter Menschen, die „Hilfe zur Pflege“ im Heim oder zu Hause erhielten, sich zwischen 1963 und 1989 mehr als vervierfachte.273 Die „Hilfe zur Pflege“ machte schon 1964 28 Prozent des Gesamtaufwandes der Sozialhilfe aus und somit fast die Hälfte des Aufwandes für Hilfe in besonderen Lebenslagen.274 Pflegebedürftigkeit und der damit verbundene Gang zum Sozialamt, da die Rente nicht ausreichte, betraf immer mehr alte Menschen. In den 1960er Jahren blieb diese Entwicklung jedoch noch begrenzt: Die Zahl der Sozialhilfeempfänger über 65 Jahre betrug 1963 396.000 Personen und stieg in den Folgejahren nur langsam an. Ab Mitte der 1960er Jahre wuchs sie jährlich im Durchschnitt um 3,6 Prozent, während die Altenbevölkerung in diesem Zeitraum jährlich um 2,6 Prozent zunahm; der Anteil der älteren Sozialhilfeempfänger an der Altenbevölkerung stieg also leicht von 5,5 Prozent (1964) auf 6 Prozent (1970).275 Auch der Anteil der älteren Sozialhilfeempfänger an den Sozialhilfeempfängern nahm insgesamt zu. 1963 waren 26,2 Prozent der Sozialhilfeempfänger über 65 Jahre alt, 1970 gab es 483.000 Sozialhilfeempfänger über 65 Jahre, die damit 32,4 Prozent der gesamten Sozialhilfeempfänger ausmachten.276 Der Anteil der älteren Sozialhilfeempfänger an den Sozialhilfeempfängern insgesamt sank in den 1970er Jahren wieder, absolut stieg die Zahl jedoch stark an mit einem Höchstwert von 646.000 Sozialhilfeempfängern über 65 Jahre im Jahr 1975.277 Zunächst ein gutes Viertel und 1980 deutlich über ein Drittel der älteren Sozialhilfeempfänger waren Menschen, die in Einrichtungen lebten: 1963 waren es 105.000, 1980 231.000.278 Die Zahl der älteren Empfänger von „Hilfe zur Pflege“ betrug 1963 nur 63.000 und stieg auf 130.000 im Jahr 1970 und dann noch stärker auf 284.000 im Jahr 1980.279 Davon waren die meisten Empfänger von Anstaltspflege, sie verloren jedoch gegenüber den Empfängern von häuslichem Pflegegeld an Gewicht: 1964 be272 Mit dem Pflegegeld von mindestens 100 DM wurden alte Forderungen der SPD und der Behindertenverbände teilweise erfüllt; Föcking (2007), S. 306–308. 273 Föcking (2007), S. 307 f. 274 Föcking (2007), S. 308. 275 Tesic (1983), S. 20 f. 276 Tesic (1983), S. 23 und S. 287, Tabelle 1. 277 Tesic (1983), S. 20. Dass der Anteil sank, lag an der stark steigenden Zahl von Sozialhilfeempfängern insgesamt in den 1970er Jahren. Vgl. auch Abelshauser (2004), S. 199, der den eigentlichen Sprung in den Sozialausgaben deutlich erst Anfang der 1970er Jahre verortet; als ursächlich sieht er dafür politisches Wollen der sozialdemokratischen Regierungspartei mit der „keynesianischen“ Orientierung des Wirtschafts- und Finanzministers an. 278 Tesic (1983), S. 24 und S. 289, Tabelle 3. 279 Tesic (1983), S. 289, Tabelle 3. 1963 waren dies 0,9 Prozent aller alten Menschen, 1980 3,0 Prozent.

3.8 Ambulante Pflege

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trug ihr Anteil noch 67,9 Prozent, 1980 nur noch 57,4 Prozent. In den 1970er Jahren hatte die Zahl der Empfänger von häuslichen Pflegehilfen höhere Wachstumsraten als die Zahl der Empfänger von Anstaltspflege.280 In Frankfurt wurde „Hilfe zur Pflege“ nach Paragraph 68 BSHG 1965 nur in rund 200 Fällen gewährt, sie betrug 100 DM monatlich und bei besonders schwieriger Pflege 150 DM monatlich; in Fällen, in denen die Pflege nicht von Familienangehörigen durchgeführt werden konnte, wurden die Kosten für eine Pflegekraft übernommen.281 In den 1960er Jahren setzten noch keine Überlegungen ein, ob es gerecht und sinnvoll sei, das Risiko, ein Pflegefall zu werden, nicht versichern zu können und damit im Alter zum Sozialfall zu werden. In Paragraph 70 BSHG wurde die „Hilfe zur Weiterführung des Haushaltes“ geregelt. Damit war die Hauspflege im BSHG nicht so verankert, wie der Arbeitskreis Hauspflege des „Deutschen Vereins“ es sich vom neuen Gesetz erhofft hatte. Dieser Arbeitskreis, der im Februar 1956 erstmals zusammentrat, war zunächst vor allem von den Hauspflege-Expertinnen der freien Wohlfahrtsverbände geprägt, daneben von den Referentinnen des Bundesinnenund des Bundesarbeitsministeriums und Vertretern der Krankenkassen und Rentenversicherung, der Gewerkschaften, der Länder und des Deutschen Städtetages. Der Arbeitskreis bemängelte den zunächst im Entwurf vom 17. Februar 1960 formulierten Paragraphen 66 zur Hauspflege. Er definiere diese zu einengend auf eine reine Weiterführung des Haushaltes, zudem würden alleinstehende Personen nicht berücksichtigt. Der „Deutsche Verein“ schlug eine Erweiterung des Paragraphen vor: Die Hilfe solle nicht nur die persönliche Betreuung von Haushaltsangehörigen und die Weiterführung des Haushaltes umfassen, sondern auch „die persönliche Betreuung in pflegerischer, hauswirtschaftlicher und pädagogischer Hinsicht“.282 Die Zielgruppen der Hilfe waren in dem Entwurf gar nicht weiter ausgeführt, der „Deutsche Verein“ wollte daher einen dritten Absatz eingefügt wissen: Die Hilfe sollte erstens gewährt werden bei Erkrankung oder sonstiger Behinderung der Mutter oder Erkrankung von Familienangehörigen, zweitens bei Abwesenheit der Mutter während eines Krankenhausaufenthaltes oder einer Kur und drittens bei vorübergehender Erkrankung von alten und alleinstehenden Personen in ihrer Häuslichkeit.283 Die vom „Deutschen Verein“ vorgeschlagene Erweiterung des Paragraphen und Erwähnung der Zielgruppen, damit auch der alten und alleinstehenden Personen, fand keine Berücksichtigung. Tatsächlich entfiel der Paragraph  66 ganz. Der Inhalt des Entwurfes wurde jedoch in den Paragraphen  70 BSHG, Hilfe zur Weiterführung des Haushaltes, übernommen, ohne dort explizit den Begriff „Hauspflege“ zu verwenden, was der Ar280 Tesic (1983), S. 32 f. und S. 289, Tabelle 3. 281 ISG, Stadtverordnetenversammlung 2350, Vortrag des Magistrats an die Stadtverordnetenversammlung, M 596, 12. Dezember 1966, betr. Sozialhilfe außerhalb von Anstalten und Heimen, hier: Bewilligung überplanmäßiger Mittel, S. 2. Insgesamt wurden für die Sozialhilfe außerhalb von Anstalten und Heimen zusammen etwa gut zehn Millionen DM ausgegeben, an rund 4.500 Parteien mit 6.200 Personen. 282 o. V.: Fragen (1960), S. 114. 283 o. V.: Fragen (1960), S. 114 f.

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beitskreis Hauspflege nachträglich begrüßte. Wenn es keine konkrete Definition des Begriffes geben sollte, dürfe er zumindest nicht auf die Fortführung des Haushaltes verengt werden. Hauspflege sei keine in sich geschlossene Einzelhilfe, sondern eine Leistung, die als Teilleistung in vielerlei Paragraphen der Hilfen in besonderen Lebenslagen enthalten war.284 Nach dem BSHG war die Kostenübernahme in mehr Fällen als nach dem früheren Fürsorgerecht möglich, da die Einkommensgrenzen der Hilfen in besonderen Lebenslagen zugrunde lagen. 3.8.2 Der Hauspflegeverein in Frankfurt am Main in den 1960er Jahren Die Ausbildung in der Fachschule für Hauspflege in Frankfurt wurde ab 1961 vom Land Hessen finanziell gefördert.285 Das Land versprach sich davon eine generelle Ausweitung des Pflegepersonals im Bereich der Altenpflege und zielte sicherlich auch und vor allem auf den Mangel an Pflegepersonal in den Heimen ab  – ein Bereich, der von der Hauspflegeschule nicht abgedeckt wurde. Im März 1962 zog die Schule ins Wilhelm-Polligkeit-Institut ein und konnte nun pro Jahr zwölf Schülerinnen aufnehmen. Erst 1964 wurde ein Rahmenlehrplan aller nunmehr 15 Berufsfachschulen für Hauspflege in der Bundesrepublik verabschiedet, der für die Frankfurter Schule jedoch nur geringe Änderungen bedeutete.286 Der Plan umfasste 1.200 Stunden Theorie und ebenso viele Stunden Praxis im Jahr, die in Krankenhäusern, Säuglingsund Kinderheimen, Altenpflegeheimen und in der ambulanten Hauspflege absolviert werden mussten. Theoretische Fächer waren Häusliche Krankenpflege, Säuglingspflege, Kinderpflege und Kindererziehung, Altenpflege, Hauswirtschaft, Ernährungslehre, Diätküche, Sozialkunde, Rechtsfragen des täglichen Lebens, Beschäftigungslehre, Berufsethik und Lebenskunde. An die Ausbildung schloss sich ein berufspraktisches Jahr an. Die Schulausbildung, Unterbringung und Verpflegung waren in Frankfurt kostenlos.287 Mit dem Rahmenlehrplan war ein einheitliches Ausbildungsniveau für die Bundesrepublik Deutschland erreicht; nicht verbindlich geregelt war allerdings, ob und inwieweit die Träger examinierte oder nicht examinierte Frauen in der Hauspflege beschäftigten.

284 Schellhorn (1964), S. 9 f. 285 HHStAW, Abt. 508, Nr. 3159, Niederschrift über die 2. Besprechung mit den Mitgliedern der „Liga der freien Wohlfahrtspflege in Hessen“ am 19. Januar 1961 im hessischen Ministerium für Arbeit, Volkswohlfahrt und Gesundheitswesen in Wiesbaden, Anlage 2: Ausbildung und Einsatz von Haus-, Familien- und Altenpflegerinnen, Oberregierungsrat Dr. Jost. 286 ISG, Magistratsakten 8712, Bericht aus der Arbeit des Hauspflegevereins Frankfurt/ Main 1964, November 1964. 287 ISG, Magistratsakten 8712, Programm der Hauspflegeschule des Paritätischen Hauspflegeverbandes Frankfurt/Main, o. D. (ca. 1964).

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Abbildung 11: Schülerinnen der Hauspflegeschule im Wilhelm-Polligkeit-Institut des DPWV, ca. 1965, Hauspflegeverein, © ISG

1962 arbeiteten für den Frankfurter Hauspflegeverein 98 Hauspflegerinnen, die 20.344 Pflegetage absolvierten, davon 9.890 ganze, 9.659 halbe Tage und 795 Nächte.288 Der Hauspflegeverein litt nach eigener Auskunft zu diesem Zeitpunkt unter Personalmangel, nachdem einzelne Krankenhäuser auch Teilzeitkräfte einstellten und damit eine Alternative für viele Frauen boten, die keine Vollzeittätigkeit in der Pflege wünschten. Zudem fehlten die Nachwuchskräfte aus der „Sowjetzone“. 1963 konnten erstmals ausgebildete Praktikantinnen der Hauspflegeschule Frankfurt für den Verein tätig sein. Seit 1962 wurden die vormals als Honorarkräfte arbeitenden Hauspflegerinnen zum Teil festangestellt. Neben der Schule bot man weiterhin Abendkurse an, nun jedoch als Vorbereitung für die Schule und zur Fortbildung.289 1968 arbeiteten 36 examinierte Hauspflegerinnen, die die Hauspflegeschule durchlaufen hatten, und 26 sonstige Pflegekräfte (Krankenschwestern, Säuglingsschwestern und ein Krankenpfleger) für den Verein.290 Die Fach288 ISG, Fürsorgeamt 3042, Hauspflegeverein am 25. Januar 1963 an die Sozialverwaltung der Stadt Frankfurt, Fürsorgeamt. 289 ISG, Fürsorgeamt 3042, Hauspflegeverein am 25. Januar 1963 an die Sozialverwaltung der Stadt Frankfurt, Fürsorgeamt. 290 ISG, Fürsorgeamt 3043, Bl. 3, Jahresbericht Hauspflegeverein 1968, 9. Dezember 1968 (bezog sich auf das Jahr 1967). Daneben leistete der Caritasverband mit zehn Haus- und Familienpflegerinnen 96 Pflegeeinsätze, siehe Bl. 1, Jahresbericht über Hauspflege 1968 des Caritasverbandes Frankfurt, 16. Februar 1969.

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schule für Hauspflege wurde von acht Schülerinnen besucht, die 1969 die Prüfung ablegten. Erst Ende der 1960er Jahre waren alle Hauspflegerinnen des Hauspflegevereins in Frankfurt vom Verein festangestellt und wurden nach dem Bundesangestelltentarif bezahlt. Es waren nun weitaus weniger Hauspflegerinnen für den Verein tätig, diese aber zumeist in Vollzeit: So wurden wieder fast 20.000 Pflegetage im Jahr geleistet.291 Zwar gab es unter den Hauspflegerinnen keine Hausfrauen ohne Berufsausbildung mehr, die pflegerische Kompetenz war aber bei den in Hauspflegeschulen ausgebildeten Frauen gegenüber den ehemals in großer Zahl für den Hauspflegeverein tätigen Krankenschwestern geringer. Durch die starke Betonung der hauswirtschaftlichen, pädagogischen und rechtlichen Inhalte in der zweijährigen Ausbildung wird die Abgrenzung zu den Gemeindeschwestern deutlich. 3.8.2.1 Altershilfsdienst in den 1960er Jahren In den 1960er Jahren wurde in Frankfurt stundenweise hauswirtschaftliche oder pflegerische Versorgung alter Menschen kaum angeboten. 1960 wandte sich der Hauspflegeverein an das Fürsorgeamt der Stadt Frankfurt wegen der Kostenübernahme für einen Altershilfsdienst und schlug darüber hinaus vor, weitere Dienste wie einen Mahlzeitendienst, Fuß- und Haarpflege und einen Wäschedienst einzurichten und damit einen erheblich größeren Personenkreis zu versorgen.292 Die Sozialverwaltung der Stadt Frankfurt stellte daraufhin eine Anfrage an die Städte Stuttgart, Hamburg und Bremen, um zu erfahren, wie diese den Altershilfsdienst gestalteten. Sie verband damit auch die Frage nach der Einrichtung von „Altenwohnheimen“, die zunehmend neben Alters- und Pflegeheimen geschaffen würden und in denen die alten Leute unter Umständen pflegerisch versorgt werden müssten, zweifelte aber selbst an der Sinnhaftigkeit eines Altershilfsdienstes, wie ihn der Hauspflegeverein entworfen hatte: Die in dem anliegenden Brief [des Hauspflegevereins] der Altenhelferin zugeteilten Aufgaben sind so vielseitig, daß sie mit einem nur an 2 Tagen und nur für 2 Stunden eingerichteten Altershilfsdienst kaum zu schaffen sein werden. Es entsteht vermutlich sehr bald im Einzelfall die Frage, welche Art der Versorgung des alten Menschen sowohl zweckmäßiger als auch billiger ist und ob man nicht, wenn so viele Dienste geleistet werden müssen, dann doch die Unterbringung im Vollinternat vorziehen soll. Andererseits aber kann ja kein Zweifel daran bestehen, daß nun das Altenwohnheim doch über die Bereitstellung der Wohnung hinaus auch eines ergänzenden Sozialdienstes bedarf.293

291 ISG, Magistratsakten 8712, Bericht aus der Arbeit des Hauspflegevereins, Frankfurt, November 1969. 292 ISG, Fürsorgeamt 3042, Hauspflegeverein an die Fürsorgeamtsleitung, z. Hd. Herrn Obermagistratsrat Baldes, 13. April 1960. 293 ISG, Fürsorgeamt 3042, Anfrage der Sozialverwaltung – Fürsorgeamt Frankfurt, 20.–22. April 1960.

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Auch die angefragten Städte sahen grundsätzlich keinen Bedarf: Stuttgart wollte das Ergebnis des Frankfurter Versuchs abwarten. Im bisher einzigen Altenwohnheim gebe es keinen Sozialdienst, denn es sei räumlich an ein Altenheim, einen Altenklub und eine Gaststätte angegliedert. Bei kleinen Unpässlichkeiten würden die alten Leute von der Gemeindeschwester des zuständigen Kirchenbezirks betreut, bei plötzlichen Krankheiten von einer Schwester des Pflegeheims, bis sie ins Krankenhaus überführt würden.294 Hamburg hielt die vorgeschlagenen Einrichtungen wie Mahlzeitendienst, Fußpflegedienst, Haarpflegedienst und Wäschedienst für überflüssig: Wir teilen durchaus Ihre Meinung, daß es dann in manchen Fällen zweckmäßiger und finanziell günstiger sein würde, die alten Leute in Heimpflege zu geben. […] Trotz der Berufstätigkeit vieler Frauen hat sich doch immer noch eine gegenseitige Hilfsbereitschaft im Rahmen der Familien und Hausgemeinschaften gezeigt, so daß wir glauben, daß es ausreichend sein wird, wenn in jeder Sozialdienststelle eine Altersfürsorgerin vorhanden ist, die sich persönlich um die Belange der alten Menschen kümmert und das Nötige zu ihrem Wohl in die Wege leitet, ergeben sich pflegerische Notwendigkeiten, eine Haushilfe oder Gemeindeschwester einzusetzen sucht.295

Bremen konnte der Idee ebenfalls nichts abgewinnen; in den Altenwohnheimen und auch in den Stiftswohnungen gebe es keinerlei Betreuung, nur einen Hausmeister, der keine regelmäßigen persönlichen Dienstleistungen übernehmen dürfe. Denn es sei für alte Menschen besser, wenn sie etwas zu tun hätten – und sei es, für sich selbst zu sorgen. Würden sie pflegebedürftig, könnten sie nicht im Altenwohnheim bleiben, sondern müssten in ein Pflegeheim umziehen.296 Der Frankfurter Hauspflegeverein richtete den Altersdienst ohne pflegerische Aufgaben zunächst modellhaft in einem Stadtteil (Bornheim) ein: Eine Helferin kam etwa alle zwei Tage für höchstens zwei Stunden in den Haushalt der alten Menschen, um ihnen das Essen zu kochen, Besorgungen zu machen, die Wäsche zu waschen. In einem Kurs wurden weitere Pflegerinnen für diese Aufgabe geschult. Allerdings wusste man noch nicht, wie viele Pflegerinnen man in Frankfurt brauchte, um allen alten Menschen zu helfen. Die Ausbildung bestand nur aus einer Schulung und fiel damit sehr viel kürzer aus als die Ausbildung der Hauspflegerinnen in der Hauspflegeschule.297 Zudem richtete der Frankfurter Hauspflegeverein einen Essensdienst ein: 6.350 Essensportionen gab man 1960 an alte und bedürftige Menschen aus. Die Essen wurden an fünf Tagen in der Woche von einem großen Frankfurter 294 ISG, Fürsorgeamt 3042, Stadt Stuttgart, Sozialamt, an die Sozialverwaltung der Stadt Frankfurt, 13. Mai 1960. 295 ISG, Fürsorgeamt 3042, Freie und Hansestadt Hamburg, Sozialbehörde, Landesfürsorgeamt, An Obermagistratsrat Baldes, Fürsorgeamt, 9. Juni 1960. 296 ISG, Fürsorgeamt 3042, Senatsdirektor Heinrich Gotthard, Senat für Wohlfahrt und Jugend, An den Magistrat der Stadt Frankfurt a. M., Sozialverwaltung  – Fürsorgeamt  –, 26. April 1960. 297 ISG, Fürsorgeamt 3183, Presseausschnitt: Versuch des Hauspflegevereins: Stundenhilfe für alte Menschen. Landesregierung gab Geld für die Ausbildung, in: FNP, 27. August 1960.

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Betrieb gespendet, vom Hauspflegeverein abgeholt und ausgegeben.298 Der Essensdienst wurde bis zu seiner Einstellung 1969 quantitativ ausgebaut. Der Altershilfsdienst bestand in wenigen Stadtteilen weiter, spielte in den kommenden Jahren jedoch keine große Rolle.299 Insgesamt setzte sich der Altershilfsdienst des Hauspflegevereins nicht durch, die angedachten Angebote wurden später zum Teil von anderen Trägern aufgenommen. Die Bedeutung der Hauspflege als ambulante Alterspflege stieg jedoch, ohne grundsätzliche Probleme wie Schichtwechsel und Dauerhaftigkeit lösen zu können. Weitere Träger der Hauspflege in Frankfurt, die zahlenmäßig keine große Rolle spielten, beschäftigten in den 1960er Jahren Hauspflegerinnen ohne Hauspflegeexamen und boten in den späten 1960er Jahren auch andere Formen der Betreuung als der Hauspflegeverein an: Der Caritasverband leistete noch Ende der 1960er Jahre überwiegend Pflegen in Familien mit minderjährigen Kindern300, setzte jedoch zusätzlich ehrenamtliche Helfer in der „häuslichen Versorgung“ alter Menschen ein, die einen Grundausbildungskurs für Altenhilfe oder einen Schwesternhelferinnen-Lehrgang durchlaufen hatten. Von November 1968 bis Oktober 1969 waren immerhin 125 dieser Helfer tätig (wenn auch vermutlich nicht hauptamtlich), die 1.037 Ganztagspflegen durchführten, 3.812 Halbtagspflegen, 7.422 Stundenhilfen und 1.494 Betreuungen bei Tag und Nacht. Die Caritas bot also zum Teil ehrenamtlich stundenweise Hilfen an, was der Hauspflegeverein zu diesem Zeitpunkt nicht mehr tat.301 1969 richtete das Deutsche Rote Kreuz in Frankfurt am Main auch eine Vermittlungsstelle für ambulante Pflege-Notfälle ein und bildete ebenfalls in Frankfurt sogenannte Alten- und Familienpflegerinnen aus.302 Diese wurden 298 ISG, Magistratsakten 8712, Jahresbericht 1960 des Hauspflegevereins, Dezember 1961. 299 Siehe die Jahresberichte des Hauspflegevereins in: ISG, Magistratsakten 8712; 1969 wurde die Essensausgabe für alte Leute aufgegeben. Die alten Leute, die das Essen bisher geholt hätten, würden weniger, auch wegen der ungünstig gewordenen Verkehrsverhältnisse an der Hauptwache, und es fänden sich nun bequemere Möglichkeiten in den Stadtvierteln. Die Ausgabe von Essen habe auch nicht unbedingt in den Bereich der Hauspflege gehört (Niederschrift über die Vorstandssitzung des Hauspflegevereins Frankfurt/Main am 3. Dezember 1968). 300 ISG, Fürsorgeamt 3043, Bl. 1–2, Jahresbericht des Caritasverbandes für das Jahr 1968, 16. Februar 1969: Insgesamt zehn Haus- und Familienpflegerinnen führten 96 Pflegeeinsätze durch mit 1.921 Ganztagseinsätzen und 455 Halbtagspflegen, davon 15 nach der Niederkunft einer Mutter, zehn wegen einer Müttererholungskur, 19 Pflegen, weil die Mutter erkrankt war, drei Pflegen bei erkrankten Kindern berufstätiger Mütter, sieben Pflegen zur vorübergehenden Betreuung behinderter Menschen und 34 Pflegeeinsätze bei kranken, alten Menschen. Daneben erwähnte der Caritasverband die 53 Krankenschwestern in 35 ambulanten Krankenpflegestationen, die ebenfalls in der Pflege seien und, wenn sie ausfielen, wegen Nachwuchsmangels kaum ersetzt werden konnten (Bericht Werner Osypka). 301 ISG, Fürsorgeamt 3043, Bl. 35, Werner Osypka, Caritasdirektor, an den Magistrat der Stadt Frankfurt/Main, Sozialamt, 18. Dezember 1969. 302 ISG, Fürsorgeamt 3043, Bl. 7–8, Deutsches Rotes Kreuz, Bezirksverband Frankfurt a. M. e. V., an die Sozialverwaltung der Stadt Frankfurt a. M., Frankfurt, 3. März 1969.

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in acht Wochen haupt- oder nebenberuflich geschult.303 Das DRK setzte 1969 20 Frauen in der Haus- und Altenpflege ein; neun davon hatten die kurze DRK-Ausbildung zur Alten- und Familienpflegerin bereits absolviert oder begonnen.304 Zum Ende des Jahrzehnts kann nicht davon gesprochen werden, dass sich die Hauspflege als Beruf mit mehrjähriger Ausbildung im Bereich der offenen Altenpflege durchgesetzt hätte. Die Dauerhaftigkeit von Pflegebedürftigkeit wurde auch Ende der 1960er Jahre als nicht ambulant lösbar angesehen. So schrieb der Deutsche Städtetag in seinen „Hinweisen zur Altenhilfe“, dass stundenweise oder ganztägige Hauspflege zur Verfügung stehen solle; die Pflege in der eigenen Häuslichkeit sei jedoch „in der Regel nicht mehr zweckmäßig, wenn der alte Mensch dauernd pflegebedürftig ist, also Tag und Nacht eine Pflegerin um sich haben muß“.305 3.8.3 Gemeindekrankenpflege Ambulant zu betreuende erkrankte Personen wurden von den Gemeindeschwestern der Gemeindestationen versorgt. Die ambulante Pflege in den Großstädten veränderte sich in den 1960er und 1970er Jahren angesichts des massiven Personal- und Nachwuchsmangels der kirchlichen Träger.306 Insgesamt blieb sie jedoch sehr viel länger und beständiger in der Hand von Ordensschwestern und Diakonissen als die Krankenhauspflege. Auch veränderte sich die Art der Arbeit weitaus weniger als die der Krankenschwestern und -pfleger. Es blieb insgesamt eine relativ wenig technisierte, Grund- und Behandlungspflege umfassende Pflege.307 Doch auch die Gemeindepflege litt unter Nachwuchsmangel und Überalterung der Schwestern. Auf einer Arbeitstagung des Agnes-Karll-Verbandes 1967 wurde festgestellt, dass die Zahl der Gemeindeschwestern im kurzen Zeitraum von 1961 bis 1964 von 12.506 auf 10.598 und inzwischen sicher noch weiter gesunken sei.308 Wenn es heiße, es würden ca. 25.000 bis 40.000 Pflegekräfte für die Krankenhäuser fehlen, dann sollte man nicht die 5.000 bis 10.000 für die Gemeindepflege vergessen.309 Bis Mitte der 1970er Jahre sank die Zahl der Gemeindeschwestern in der Bundesrepublik Deutschland auf unter 8.000.310

303 ISG, Fürsorgeamt 3043, Bl. 10, Flyer. 304 ISG, Fürsorgeamt 3043, Bl. 28, DRK an die Sozialverwaltung der Stadt Frankfurt a. M., Sozialamt, Abteilung Gesundheitshilfe, 7. Januar 1970. 305 Deutscher Städtetag (1967), S. 13. 306 Für Kreutzer (2014), S. 107 ff., beginnt die „Krise“ der Mutterhausdiakonie schon Mitte der 1950er Jahre. 307 Kreutzer (2008), S. 76 ff.; Kreutzer (2009); Kreutzer (2014), S. 194 ff. 308 Elster (1968), S. 3. 309 Elster (1968), S. 3. 310 Vgl. Hackmann (2004), S. 405; zur zurückgehenden Zahl der „Mutterhausschwestern“ in der Diakonie siehe Kaminsky (2012), Tabellen S. 32 und S. 33.

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In Frankfurt gab es 1963 180 Gemeindeschwestern in 79 evangelischen und katholischen Gemeindekrankenpflegestationen bzw. -schwesternhäusern.311 Die Mehrzahl der Gemeindeschwestern war in evangelischen Gemeindestationen beschäftigt (es gab 56 Stationen mit 109 Schwestern), ein gutes Drittel in katholischen (23 Schwesternhäuser mit 71 Schwestern); das spiegelte die religiöse Zusammensetzung der Stadt wider. Zudem hatte die Jüdische Gemeinde eine Gemeindeschwester.312 1965 hatte sich die Zahl der Gemeindepflegestationen auf 109 erhöht, dort waren aber nur noch gut 170 Krankenpflegepersonen beschäftigt.313 1970 gab es im gesamten Stadtgebiet nur noch etwa 150 Schwestern.314 Schon 1960 beklagten evangelische Gemeindeschwestern in den Blättern aus dem Diakonissenhaus zu Frankfurt den Personalmangel und die „Undankbarkeit“, die ihnen in der Gemeinde begegneten, obwohl sie unter den Bedingungen des Personalmangels ihren Dienst taten.315 In Stuttgart konnten einzelne Gemeindestationen zeitweise nur unzureichend besetzt werden, auch weil die Schwestern beim „internen Lastenausgleich“ in anderen Gemeindestationen aushalfen.316 Nachdem 1967 erneut Gemeindepflegestationen in Frankfurt nicht neu besetzt werden und gekündigt werden mussten, gab es bei den Pfarrertreffen Überlegungen zur Zukunft der Gemeinden, in der Laien stärker in häuslicher Krankenpflege ausgebildet werden sollten.317 Trotz des Rückgangs idealisierten die Beschreibungen in den Blättern aus dem Diakonissenhaus zu Frankfurt die Gemeindepflege und stellten Veränderungen in den 1960er Jahren als Fortschritt dar, so die Entwicklung einer Gemeindestation im Frankfurter Norden, ein zunächst dörfliches Umfeld, das sich innerhalb von einigen Jahren stark vergrößerte: Bis 1965 lebte unsere Gemeindeschwester in einer kleinen Wohnung: ohne Bad – Behandlungsraum war die Küche – Bettpfannen und andere lagen in einem offenen Schuppen, der nur durch eine Stehleiter zu erreichen war. […] So bauten wir für die Gemeindeschwester eine Wohnung mit Warteraum und Behandlungsraum im Gemeindezentrum. Die Gemeinde wuchs – die Arbeit nahm zu. […] Ob die Schwester das Autofahren lernen könnte? Sie konnte es! Nun mußte ein Auto gekauft werden. Die Hilfsmöglichkeiten wurden damit größer; wir freuten uns und waren stolz auf unsere Schwester – aber

311 ISG, Fürsorgeamt 3697, Übersicht Förderung der Arbeit der Gemeindekrankenpflegestationen aus Mitteln des LWV Hessen und der LVA Hessen im Kreise Frankfurt a. M., Stadt, Rechnungsjahr 1963. 312 ISG, Fürsorgeamt 3697, Sozialverwaltung, Sozialamt, Frankfurt, 18. Dezember 1964; ZA, B 1/13, Nr. 145, Kopie für die Buchhaltung, betr. Förderung der Gemeindekrankenpflegestation. 313 ISG, Fürsorgeamt 3697, Jahresgesundheitsbericht für 1965, Land Hessen, Kreisfreie Stadt Frankfurt a. M. 314 ISG, Fürsorgeamt 3697, Evangelischer Gemeindeverband Frankfurt a. M., Herrn Stadtrat Gerhardt, 16. März 1971, und Caritas-Verband Frankfurt e. V. an die Stadt Frankfurt, Gesundheitshilfe, 3. August 1971. 315 o. V.: Chronik (1960), S. 27. 316 o. V.: Chronik (1960), S. 27. 317 o. V. (1967), S. 18.

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die Kosten stiegen. […] Im vergangenen Jahr waren es über 3000 Besuche. 32 Prozent dieser Kranken waren katholische Christen.318

Die Zahl der Besuche, die eine einzige Schwester tätigte, und die noch hinzukommenden Behandlungen im Behandlungsraum machen die Belastung deutlich. Auch mit einem Auto als Fortbewegungsmittel konnten die einzelnen Besuche nur kurz dauern. Betont wurde in den Berichten der Schwestern schon Anfang der 1960er Jahre, dass die Gemeindepflege häufig überwiegend aus Altenpflege bestand. Unsere Gemeindearbeit ist immer mehr Alten- und Siechenpflege. Wir haben fast keine akut Kranken mehr zu pflegen oder Spritzen zu machen. Dafür häufen sich die Pflegefälle. […] Frau A lebt bei ihrer geschiedenen Tochter, die arbeiten geht. Sie ist 81 Jahre; Hände und Füße verkrüppelt von der Gicht, kann sie sich selbst nicht mehr helfen. Der eine Fuß war einmal gebrochen u. ist im Krieg ganz ohne Arzt ganz schief wieder angewachsen. Ich helfe ihr täglich die Treppe hinunter in die Küche, wo sie sich aufhalten muß. Zuerst zog sie sich immer noch allein an. Jetzt schafft sie das nicht mehr, oder aber sie macht eine unvorstellbare Unordnung, zieht jeden Tag was anderes an u. ist in höchstem Grad unsauber. Man findet oft nichts Sauberes u. einigermaßen Brauchbares mehr. Die Tochter hat viel Arbeit im Geschäft […] u. wenn ich ihr rate, die Oma in ein Pflegeheim zu geben, dann sagt sie: „Nein, ich will nicht, daß die Oma mir nachsagt, ich hätte sie forthaben wollen“. Vermutlich wird sie aber auch fürchten noch etwas für die Mutter zahlen zu müssen, weil die Mutter nur eine kleine Rente bekommt. So bleibt immer wieder alles beim Alten. Eine Toilette ist auch nicht im Haus u. wir führen täglich einen Kampf mit dem Schmutz. […] Fast dieselben Verhältnisse haben wir in noch 2 anderen Häusern […].319

Anfang der 1960er Jahre sollten die Gemeindestationen nicht mehr ausschließlich von den religiösen Gemeinschaften getragen werden: Die Stadt forderte die Verbände, die keine Krankenpflegestationen betrieben, wie die Arbeiterwohlfahrt e. V., das Deutsche Rote Kreuz und den Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband, auf, Gemeindepflegestationen einzurichten und mit vollausgebildeten Schwestern zu besetzen. Dies sei im Interesse der kranken, pflegebedürftigen und alten Mitbürger in der Stadt und auch im Hinblick auf die akute Bettennot in den Krankenhäusern und Pflegeheimen nötig.320 1963 stellte die Arbeiterwohlfahrt einen Antrag auf Förderung einer Krankenpflegestation im Riederwald.321 Ein ehemaliger Kindergarten sollte zu einer Krankenpflegestation umgebaut werden. Zwei weitere Krankenpflegestationen in Griesheim und Eckenheim wurden von der Arbeiterwohlfahrt geplant.322 Die Stadt Frankfurt, die den Antrag an den Landeswohlfahrtsver-

318 o. V.: Schwesternstation (1969), S. 14. 319 Frankfurter Diakonissenhaus Archiv, Nr. 25, Schwester Emma Schott, handschriftlicher Erlebnisbericht 1961 an das Mutterhaus, Gemeindestation Fechenheim. 320 ISG, Fürsorgeamt 3697, Schreiben Obermagistratsrat Scheid an alle Wohlfahrtsverbände in der Stadt, 23. April 1963. 321 ISG, Stadtgesundheitsamt – Sachakten 209, Arbeiterwohlfahrt an die Sozialverwaltung der Stadt Frankfurt, 7. Oktober 1963. 322 ISG, Stadtgesundheitsamt  – Sachakten 209, Arbeiterwohlfahrt an den Magistrat der Stadt Frankfurt, Sozialverwaltung, Frankfurt a. M., 17. September 1964.

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band begründete, schrieb, dass es zum Beispiel in Eckenheim 13.242 Einwohner und nur zwei konfessionelle Gemeindekrankenpflegestationen gebe.323 Der Stadtteil Riederwald sei im Wachsen begriffen, und die Struktur der Einwohner bedinge die Einrichtung einer Gemeindekrankenpflegestation durch einen paritätisch arbeitenden Trägerverband – Riederwald war eine Arbeitersiedlung mit relativ niedriger Kirchenzugehörigkeit. Ähnlich wurde für Griesheim argumentiert.324 Verwirklicht wurden die drei Stationen der Arbeiterwohlfahrt (AWO) jedoch nicht: Insgesamt hatte die AWO für alle drei Stationen 72.716,56 DM für Bau und Inneneinrichtung beantragt, der Landeswohlfahrtsverband bewilligte jedoch nur knapp 8.000  DM für zunächst eine Station. Die AWO sah sich daher außerstande, die drei Stationen tatsächlich zu errichten, da sie die finanziellen Belastungen auf Dauer nicht allein übernehmen könne.325 Der Versuch, nicht konfessionell getragene Gemeindepflege in der Stadt zu etablieren, scheiterte damit vorerst. Die Gemeindepflegestationen wurden vom Land und von der Stadt subventioniert. Auch der Landeswohlfahrtsverband Hessen und die Landesversicherungsanstalt Hessen gaben Zuschüsse an Gemeindekrankenpflegestationen.326 Insgesamt deckten diese Zuschüsse jedoch nicht die kompletten Kosten, und das System funktionierte vor allem so lange gut, solange die Gemeindestationen nicht gezwungen waren, tariflich bezahlte Krankenschwestern einzustellen, sondern die Pflege von Ordensfrauen und Diakonissen getragen war. In einer Denkschrift des hessischen Ministeriums für Arbeit, Volkswohlfahrt und Gesundheitswesen vom 22. September 1961 stellte das Ministerium die desolate Situation vieler hessischer Krankenpflegestationen heraus: Es gab zu diesem Zeitpunkt in Hessen insgesamt 1.050 Krankenpflegestationen mit etwa 1.400 Gemeindeschwestern und damit nur Stationen in 62 Prozent aller hessischen Gemeinden. Eine Überalterung der Schwestern sei feststellbar. 51 Prozent von ihnen gehörten evangelischen Trägerorganisationen an, 30 Prozent katholischen Verbänden, 19 Prozent waren freie Schwestern. Die Wohnverhältnisse der Schwestern seien unbefriedigend und oft schlecht. Bei großen Gebieten fehlten in vielen Stationen geeignete Fahrzeuge. In zunehmendem Maße würden die Schwestern der Gemeindestationen zur ständigen Betreuung chronisch Kranker, das heiße „siecher Personen“, herangezogen, 323 ISG, Stadtgesundheitsamt – Sachakten 209, Stadt Frankfurt a. M., an den Landeswohlfahrtsverband Hessen, 7. Oktober 1964. 324 ISG, Stadtgesundheitsamt – Sachakten 209, Stadt Frankfurt a. M., Der Magistrat, Sozialverwaltung, Sozialamt, an den Landeswohlfahrtsverband Hessen, Zweigverwaltung Wiesbaden, 30. Oktober 1964. 325 ISG, Stadtgesundheitsamt – Sachakten 209, Arbeiterwohlfahrt, 31. März 1966, an den Magistrat der Stadt Frankfurt/M., Sozialamt. 326 ISG, Bestand Harheim 156, Rundschreiben des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen an alle Kreisausschüsse und Magistrate der kreisfreien Städte, Kassel, 17. September 1959 (Harheim hatte jedoch gar keine Gemeindekrankenpflegestation und keine Schwester und fühlte sich unterversorgt).

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obwohl grundsätzlich keine Dauerpflege oder Hauspflege geleistet werden könne. Bei 66 Prozent der Stationen bestand ein Nachholbedarf an Pflegemitteln, Instrumenten und Verbandsmitteln. Der finanzielle Durchschnittsaufwand im Landeshaushalt pro Schwester betrug 1961 5.900 DM und sei viel zu gering.327 Die Finanzierung sollte neu aufgestellt werden; angestrebt wurde, alle Kosten zu dritteln und unter den Trägern der Stationen, den kommunalen Körperschaften (Gemeinden und Landeswohlfahrtsverband Hessen) und den Sozialversicherungsträgern aufzuteilen. Zu dieser Regelung kam es aber nicht. Landeszuschüsse machten jedoch künftig einen Großteil der Finanzierung aus, während die Zuschüsse von Versicherungsanstalten nur einen kleinen Teil abdeckten. Daneben förderte die Stadt Frankfurt im Jahr 1963 mit 155.000 DM die Frankfurter Stationen. Diese Mittel waren ebenfalls zur Einrichtung und Verbesserung gedacht, als Betriebsmittelzuschüsse und für die Fahrtkosten der Gemeindeschwestern mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in der Stadt.328 Diese Summe wurde im Etat der Stadt verankert und stieg in den Folgejahren: Im Haushaltsjahr 1965 wurden schon 180.000  DM an 91 Stationen mit 180 Schwestern gezahlt.329 Für 1966 sollte jedoch weniger für Investitionen ausgezahlt werden, dafür mehr laufende Betriebszuschüsse, „weil die Verbände gezwungen sind, mangels fehlender Nachwuchskräfte freie Mitarbeiter, die tariflich entlohnt werden müssen, zu beschäftigen“.330 Die städtische AOK gab ebenfalls Zuwendungen an die Gemeindeschwestern, die jedoch mit 200 DM pro Schwester 1966 nur einen kleinen Teil der Kosten ausmachten.331 1968 betrugen die Zuschüsse der Stadt Frankfurt im Haushaltsplan nur noch 162.000  DM für 168 Schwestern für Straßenbahnfreikarten, Zuschüsse zu den Betriebskosten und Personalkosten.332 Da kaum noch neue Stationen errichtet wurden, war der Hauptteil der Zuschüsse für die laufenden Kosten gedacht. 1970 waren im Haushaltsplan 227.000 DM vorgesehen für Straßenbahnfahrten, Betriebs- und Personalkosten.333 Ende der 1960er Jahre betrugen die Personalkosten jedoch schon etwa 15.000 DM pro Schwester im Jahr, wenn diese nach Bundesangestelltentarif bezahlt wurde.334 Das Land Hessen beteiligte sich vor allem an den Investitionskosten bis zu einer Höhe von 66 Prozent, weiterhin unbefriedigend blieb jedoch die Beteiligung der Sozialversi327 ISG, Fürsorgeamt 3697, Denkschrift des hessischen Ministeriums für Arbeit, Volkswohlfahrt und Gesundheitswesen vom 22. September 1961, betr. Förderung der Arbeit der Gemeindekrankenpflegestationen in Hessen. 328 ISG, Fürsorgeamt 3697, Stadt Frankfurt, Fürsorgeamt, Abt. II – Gesundheitshilfe – an den Landeswohlfahrtsverband Hessen, 26. September 1963. 329 ISG, Fürsorgeamt 3697, Sozialamt, Frankfurt a. M., 7. Dezember 1965. 330 ISG, Fürsorgeamt 3697, Sozialamt, Frankfurt a. M., 1. Dezember 1965. 331 ISG, Fürsorgeamt 3697, Allgemeine Ortskrankenkasse an den Magistrat der Stadt Frankfurt a. M., Gesundheitsverwaltung, 31. Januar 1967. 332 ISG, Fürsorgeamt 3697, Sozialamt Gesundheitshilfe, Förderung der Gemeindekrankenpflegestationen, 9. Januar 1969. 333 ISG, Fürsorgeamt 3697, Sozialamt Gesundheitshilfe, 30. Dezember 1970. 334 Scheid (1968), S. 11.

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3. Offene Altenhilfe in den 1960er Jahren

cherungsträger und Krankenkassen.335 Die Hauptkosten trugen damit die Kirchengemeinden und die Wohlfahrtsverbände Diakonisches Werk und Caritasverband (die wiederum von Bund und Land subventioniert wurden). Es gab Vorschläge, dass die Patienten sich an den Pflegekosten beteiligten, jedoch bedeutete dies organisatorische Schwierigkeiten für die Schwester und den Träger; zudem fürchtete man „ungünstige psychologische Situationen“, wenn die „Samariterdienste“ einer Gemeindeschwester darin mündeten, dass dem Gepflegten eine Rechnung gestellt werde.336 Bei den Hauspflegerinnen gab es diese Abrechnungssituation jedoch schon lange (siehe Kapitel 2). 3.8.4 Pflege Ende der 1960er Jahre Insgesamt war die ambulante Pflege um 1970 aufgeteilt auf Träger der Gemeindekrankenpflege und Hauspflege. Während es sich bei den Gemeindeschwestern um ausgebildete Krankenschwestern handelte, trat mit den Hauspflegerinnen ein neuer Beruf hinzu, der sich zwischen Pflege und Hauswirtschaft bewegte. Die Gemeindeschwestern eilten von Patient zu Patient, um medizinische Tätigkeiten auszuführen, die Hauspflegerinnen hingegen verbrachten ganze Tage bei den zu Pflegenden und übernahmen auch Tätigkeiten im Haushalt. Die Gemeindeschwestern waren oftmals auch um 1970 noch Ordensschwestern, wenn auch die Personalsituation schon sehr kritisch war und erste „Laien“ eingestellt und entsprechend tariflich bezahlt werden sollten. Während die Hauspflegerinnen ihre Leistungen schon längst, ja von Beginn an, mit den Patienten, dem Sozialamt oder aber den Krankenkassen abrechneten, taten die Gemeindeschwestern dies um 1970 herum gewöhnlich noch nicht. Sie erhielten städtische Zuschüsse, Landesmittel, manchmal Zuschüsse der Krankenkassen und Versicherungsanstalten; insgesamt konnte das System jedoch nur funktionieren, weil es zum überwiegenden Teil Ordensfrauen und Diakonissen waren, deren Lebensunterhalt durch die Kirche gesichert war und die kein tarifliches Gehalt bekamen. Da auch die Hauspflegerinnen nicht dauerhaft ambulante Pflege leisteten, sondern ihre Einsätze auf vier bis sechs Wochen begrenzt blieben und normalerweise keine Rund-um-die-Uhr-Pflege bedeuteten, war die ambulante Pflege von alten Menschen weiterhin nicht wirklich zufriedenstellend gelöst. Weit entfernt war die ambulante Pflege Ende der 1960er Jahre von den vom Europarat geforderten „qualifizierten Teams“, die in die Häuslichkeit der alten Menschen entsendet werden sollten, bestehend aus einem praktischen Arzt oder Facharzt für Geriatrie, verschiedenen Spezialisten (auf dem Gebiet der Neuropsychiatrie oder physikalischen Medizin), einer Krankenschwester, einer Fürsorgerin, Physiotherapeuten oder Beschäftigungstherapeuten.337 Eine 335 Scheid (1968). 336 Scheid (1968). 337 Empfehlungen des Europarates zur Rehabilitation alter Menschen, die zu Hause oder in Altersheimen gepflegt werden (Empfehlung, die vom Gemeinsamen Ausschuß im Juni

3.8 Ambulante Pflege

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auch Therapie und Rehabilitation umfassende Versorgung erhielten die alten Menschen in ihrer häuslichen Umgebung nicht. Bei längerer Pflegebedürftigkeit, die nicht von Angehörigen aufgefangen werden konnte, blieb nur die Übersiedlung in ein Heim.

1967 angenommen und den beteiligten Regierungen im September 1967 übermittelt wurde) (1969), S. 191.

4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren 4.1 Einleitung – Altersbilder und Altenpolitik in den 1970er Jahren In den 1970er Jahren gewann die Beschäftigung mit dem Thema Alter noch an Bedeutung. Dies betrifft sowohl den wissenschaftlichen Bereich, in dem gerontologische Studien zunahmen, als auch den politischen. Das Altersbild wandelte sich und wurde zumindest in der wissenschaftlichen Literatur positiver. In ihrer Studie aus dem Jahr 1972 zur Psychologie des Alterns setzte sich Ursula Lehr kritisch mit dem Defizitmodell auseinander und betonte die Potentiale des Alterns.1 Der Alternsprozess verlaufe höchst individuell, generalisierende Aussagen, wie in früheren Studien und Publikationen häufig gemacht, seien nur schwer zu treffen.2 Eine negative Alterssituation schien beeinflussbar auch durch die Jahre vor dem Alter, die nun in der Altenhilfe stärker in den Blick rückten. Die Selbständigkeit alter Menschen wurde betont, die Verortung der Alten in der Wohnung der Familien war nicht mehr so positiv besetzt.3 Der starke Ausbau der Altenheime war nun ebenfalls negativ besetzt – diese Entwicklung war jedoch in Frankfurt vorher schon vor allem eine pragmatische Lösung für hilfsbedürftige Alte ohne familiäre Unterstützung oder in Wohnungsnotlagen und wurde nicht idealisiert (siehe Kapitel 2 und 3). In den 1970er Jahren rückte die Bedeutung von offenen Angeboten der Altenhilfe in den Fokus. Armut im Alter schien (zunächst) kein Problemfeld mehr zu sein. Tatsächlich lagen die seit den 1960er Jahren stetig und stark gesunkenen Armutsraten alter Menschen in den 1970er Jahren dennoch weiterhin über denen der Gesamtbevölkerung.4 Die Einkommensverteilung in der Gruppe der über 65-Jährigen war noch ungleicher als in den anderen Altersgruppen; dies blieb so bis in die 1980er Jahre hinein.5 Die Ungleichverteilung resultierte aus dem Rentensystem mit seiner Beitrags-Leistungs-Äquivalenz in Deutschland. Pensionäre hatten ein höheres Einkommen als Rentner. Es gab insbesondere eine Einkommenskluft zwischen den Geschlechtern: Ledige, geschiedene und verwitwete Frauen waren zu einem überdurchschnittlich hohen Prozentsatz einkommensschwach. Ausgenommen vom Sinken der Armutsraten blieben in der Bundesrepublik die pflegebedürftigen

1 2 3 4

5

Lehr (1972). Lehr (1972), S. 297. Baumgartl (1997), Kapitel 7, S. 143 ff. Torp (2015), S. 158, Tabelle 2. Die Armutsraten gingen seit den 1960er Jahren gesamtgesellschaftlich und unter den Alten stark zurück auf 10,7 Prozent der Alten (unter der 50-Prozent-Grenze des Nettoäquivalenzeinkommens) 1978; sie lagen damit höher als die der Gesamtbevölkerung mit sechs Prozent, stiegen dann aber wieder leicht bis 1983 auf zwölf Prozent (7,7  Prozent bei der Gesamtbevölkerung). In den späten 1980er Jahren wendete sich diese Situation: Damals lag die Armutsrate der Alten unter der gesamtgesellschaftlichen Armutsrate, siehe Süß (2010), S. 128. Ausgenommen von dieser Entwicklung blieben die pflegebedürftigen Alten. Torp (2015), S. 245 f.

4.1 Einleitung – Altersbilder und Altenpolitik in den 1970er Jahren

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Alten, die in zunehmender Zahl sozialhilfebedürftig wurden.6 Bundesweit begann in den 1970er Jahren eine Diskussion über das „Lebensrisiko Pflegebedürftigkeit“ (siehe unten), die von der Bundesregierung aufgegriffen wurde, jedoch innerhalb der achten und neunten Wahlperiode nicht in politischen Maßnahmen mündete; es wurde auch kein Gesetz vorbereitet.7 In konservativen Kreisen stießen Kurt Biedenkopf und Heiner Geißler eine Debatte über die „neue soziale Frage“ an, die sich den „neuen Armen“ widmete. Als Ursache dieser neuen Armut galt ihnen nicht mehr die alte, nun angeblich überwundene Konfliktlinie zwischen Arbeit und Kapital, sondern diese „neuen Armen“ stammten aus den nicht gewerkschaftlich organisierten und nicht in volkswirtschaftliche Produktionsprozesse eingebundenen Bevölkerungsgruppen wie Alte, Hausfrauen und Kinder.8 Die Rentnerhaushalte wurden als eine der großen Gruppen unter den „neuen Armen“ ausgemacht, darunter wiederum besonders Frauen. Kritik an der Fokussierung auf offene Angebote und der scheinbaren Vernachlässigung materieller Fragen gab es am Ende des Jahrzehnts. Bujard und Lange wiesen in ihrer Untersuchung, die sie ideologisch mit marxistischer Theorie untermauerten, auf die materielle „Verelendung“9 von einem (größeren) Teil der von ihnen interviewten älteren Menschen hin. Sie machten zudem auf die damit in Zusammenhang stehenden Schwierigkeiten in der Kommunikation und den sozialen Kontakten aufmerksam. Bujard und Lange klagten die Unzulänglichkeiten des Sozialhilfesystems an, in dem Leistungen der Altenhilfe wie Erholungsurlaube der Kommunen nur freiwillige Leistungen seien. Freizeitangebote seien nur „billige Angebote“10, „Empfehlungen und Angebote, die den Minderbemittelten in Konsumbereiche 2.  Wahl verwei6

Süß (2010), S. 128; siehe unten, Kapitel 4.7.1; Torp (2015), S. 252: Der Sozialhilfebezug alter Menschen war überdurchschnittlich verglichen mit anderen Bevölkerungsgruppen und wurde in den 1980er Jahren noch größer. 1972 bezogen 3,5  Prozent der alten Frauen und 2,6 Prozent der alten Männer Sozialhilfe, dieser Prozentsatz lag um mehr als das Doppelte über dem Durchschnitt der gesamten Bevölkerung. Dabei muss mit einem überdurchschnittlich hohen Prozentsatz „verdeckter Armut“ bei alten Menschen gerechnet werden, also Menschen, die ein Einkommen unterhalb der Sozialhilfeschwelle hatten, jedoch aus Unwissenheit, Scham oder auch Stolz keine Sozialhilfe beantragten. 7 Zum Ende des Jahrzehnts hin wurde eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingesetzt, die 1980 Ergebnisse vorlegte: Sie stellte die unterschiedlichen möglichen Finanzierungsmodelle zusammen; eine politische Lösung wurde zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht erarbeitet. Siehe Deutscher Bundestag, 9. Wahlperiode, Drucksache 9/2046, Schriftliche Fragen mit den in der Woche vom 18. Oktober 1982 eingegangenen Antworten der Bundesregierung, 22. Oktober 1982, S. 13: Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Frau Karwatzki vom 20. Oktober [auf eine Anfrage des Abgeordneten Stutzer, CDU/CSU]. 8 Geißler (1976); Torp (2015), S. 248 ff. Torp weist zu Recht darauf hin, dass aber gerade die „neuen Armen“ der „Neuen Sozialen Frage“ vor allem deshalb arm waren, weil sich Ungleichheiten aus der „Alten Sozialen Frage“ bis in die Rentenzeit hinein auswirkten. Arm waren vor allem Menschen, die früher Tätigkeiten am unteren Ende der Lohnskala hatten. 9 Bujard/Lange (1978), S. 226 f. 10 Bujard/Lange (1978), S. 231.

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren

sen“11. Die Autoren zitierten einen (anonym bleibenden) Sozialamtsleiter, der behauptete, dass Altenratgeber und Ähnliches nur eine „Alibifunktion“ erfüllten.12 Auf gesetzgeberischer Ebene gab es 1974 Veränderungen im BSHG, Paragraph 75, Altenhilfe.13 Der Erhalt und die Vermittlung einer altersgerechten Wohnung rückten an die erste Stelle der konkreten Hilfsmaßnahmen, die Hilfe bei der Vermittlung einer entlohnten Tätigkeit an die letzte Stelle. Die Vermittlung der (nun zum Teil schon ausgebauten) altersgerechten Dienste stand fortan im Mittelpunkt. Hilfe sollte nun auch gewährt werden, wenn es der Vorbereitung auf das Alter diente. Insgesamt stand aber zunächst bundespolitisch die Regelung der geschlossenen Altenhilfe im Fokus, die mit dem 1974 verabschiedeten Heimgesetz Verbesserungen für Heimbewohner brachte.14 Im Vorfeld und im Rahmen der Heimgesetzgebung wurde Kritik an der stationären Altenhilfe überdeutlich. Der Fokus der Bundespolitik verschob sich nur langsam auf die offene Altenhilfe. In der zweiten Hälfte der 1970er Jahre gab es zwar auf Bundesebene wenig altenpolitische Entscheidungen, aber eine stärkere programmatische Hinwendung.15 Auf ministerialer Ebene beschäftigte man sich erstmals ausführlich mit der Lebenssituation alter (und nicht nur) pflegebedürftiger Menschen. Ein Modellprogramm sollte Impulse für den Ausbau ambulanter Dienste geben (siehe Kapitel 4.7). 4.2 Frankfurter Altenplan – Resümee und Weiterentwicklung In der ersten Hälfte der 1970er Jahre konnte man von einem „wahren Boom an Altenhilfeplänen“16 sprechen; es gab kaum eine Gemeinde und kaum ein Bundesland, die keinen Altenplan verabschiedeten. In Frankfurt wurde 1970 schon der zweite kommunale Altenplan, der sich in einigen Schwerpunkten vom ersten Altenplan zehn Jahre zuvor unterschied, beschlossen. Im ersten Altenplan ging man davon aus, dass 1969 ca. 96.000 Menschen im Alter von über 65 Jahren17 in Frankfurt leben würden, und schätzte den Bedarf auf 1.800 Alters- und Pflegeheimbetten (siehe Kapitel 3). Der sehr ausführlichen

11 Bujard/Lange (1978), S. 232. 12 Bujard/Lange (1978), S. 142. 13 Drittes Gesetz zur Änderung des Bundessozialhilfegesetzes vom 25. März 1974, BGBl. I, 1974, Nr. 31 vom 28.3.1974, S. 777–784, hier S. 781. 14 Gesetz über Altenheime, Altenwohnheime und Pflegeheime für Volljährige vom 7. August 1974, BGBl. I, 1974, Nr. 91 vom 14.8.1974, S. 1873–1877. 15 Münch/Hornstein (2008), S. 689 ff. 16 Grunow (2007), S. 837; Baumgartl (1997), S. 166. 17 Tatsächlich gab es 1969 95.789 Menschen über 65 Jahre in Frankfurt bei einer Gesamtbevölkerung von 665.791; die Schätzung war also ziemlich treffend (Statistisches Jahrbuch Frankfurt 1970, S. 7).

4.2 Frankfurter Altenplan – Resümee und Weiterentwicklung

125

Begründung für den angenommenen Bedarf an Altenheimplätzen18 stand nur ein kurzer Abschnitt zum angenommenen Bedarf an Altenwohnungen gegenüber, der zudem überhaupt nicht begründet wurde. Tatsächlich wurde der erste kommunale Plan hinsichtlich der Altenheimplätze und Altenwohnungen zahlenmäßig übererfüllt.19 Im zweiten kommunalen Altenplan stand der Neubau der Altenwohnungen im Mittelpunkt. Heime sollten nicht mehr in großem Umfang neu gebaut, sondern die bestehenden modernisiert werden. Der Begriff der „Rehabilitation“ wurde eingeführt, was den gerontologischen Studien in dieser Zeit entsprach. Alle Einrichtungen sollten über „Möglichkeiten der gesundheitlichen Rehabilitation und der therapeutischen Behandlung verfügen“.20 Insbesondere sei durch Fördermittel der Stadt die Renovierung und Modernisierung zu unterstützen, ebenso die Anschaffung von technischen Geräten und Hilfsmitteln, die den Pflegekräften Erleichterung bringe. Die Zahl der Mehrbettzimmer in Alten- und Pflegeheimen sollte zugunsten kleinerer Einheiten verringert werden. Im Vordergrund aller Maßnahmen stand die Absicht, die Eigenständigkeit und Selbstverantwortung so lange wie möglich und erwünscht zu bewahren. Altenwohnungen schienen hervorragend geeignet, den älteren Menschen bis ins hohe Alter die Aufnahme in ein Alten- und Pflegeheim zu ersparen. Zum Zeitpunkt der Vorlage des zweiten Altenplanes gab es 1.128 Einzimmerwohnungen und 333 Zweizimmerwohnungen mit insgesamt 1.794 Betten, davon 472 in sogenannten mehrgliedrigen Einrichtungen (organisatorisch zu einem Alten- und Pflegeheim gehörend) und 1.204 in selbständigen Altenwohnanlagen. Damit bewohnten etwa zwei Prozent der älteren Bürger in Frankfurt eine solche Wohnung. Es lagen zu diesem Zeitpunkt 1.248 Anmeldungen für Einzimmerwohnungen und 387 für Zweizimmerwohnungen vor. Davon waren 11,5 Prozent von über 75-Jährigen. 54,6 Prozent aller Anmeldungen galten nach Auskunft der Vergabestellen als „dringend“. 6,45 Prozent der antragstellenden Ehepaare und 13,16 Prozent der Alleinstehenden waren Sozialhilfeempfänger. Außerdem gab es über 3.000 Anträge auf Zuweisung von Sozialwohnungen bei der Wohnungsvermittlungsstelle von über 60-Jährigen, darunter aber auch Anträge auf eine Altenwohnung. Die Wartezeiten betrugen nach Einschätzung der Stadt bis zu fünf Jahre, daher unterlasse, so vermutete man, eine gewisse Zahl von potentiellen Bewerbern gleich die Registrierung.21 Im 18 Darin unterschied sich der Frankfurter Altenplan von einem Großteil der Pläne, die die Richtwerte für die Sollzahlen nicht systematisch entwickelten und begründeten, wie Grunow (2007), S. 838, ausführt. 19 ISG, Stadtgesundheitsamt – Sachakten 195, Vortrag des Magistrats an die Stadtverordnetenversammlung, 5. Oktober 1970, M 432, betr. Zweiter Kommunaler Altenplan der Stadt Frankfurt a. M., S. 12 f. 20 ISG, Stadtgesundheitsamt – Sachakten 195, Vortrag des Magistrats an die Stadtverordnetenversammlung, 5. Oktober 1970, M 432, betr. Zweiter Kommunaler Altenplan der Stadt Frankfurt a. M., S. 1, Punkt 2 b. 21 ISG, Stadtgesundheitsamt – Sachakten 195, Vortrag des Magistrats an die Stadtverordnetenversammlung, 5. Oktober 1970, M 432, betr. Zweiter Kommunaler Altenplan der Stadt Frankfurt a. M., S. 10.

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren

zweiten kommunalen Altenplan wurde eine Versorgung von vier Prozent der Älteren mit Altenwohnungen angestrebt22, was ca. 4.200 Wohneinheiten bzw. Bettplätze bis 1980 bedeutete. Im Plan wurden 22 weitere Altenwohnhäuser aufgelistet mit 2.228 Betten in 1.773 Wohneinheiten, die bis 1975 fertiggestellt werden sollten; bis 1980 also könne  – so die damalige Einschätzung  – der Fehlbedarf beseitigt werden.23 Altenwohnungen seien die zeitgemäße Hilfeart für die älteren, noch rüstigen Bürger. Dies nicht nur aus ethischen, sondern auch aus fiskalischen Überlegungen: Denn schon geringe Beschwerden wie Treppensteigen oder vorübergehende Erkrankungen könnten für alte Menschen Anlass sein, in ein Altenheim zu gehen. Das bedeute Mehrkosten für 22 Der Versorgungsgrad war mit vier Prozent relativ hoch angesetzt im Vergleich mit der Versorgungsquote in anderen Städten und Bundesländern in diesem Zeitraum: siehe Deutscher Bundestag, 8. Wahlperiode, Drucksache 8/2303, Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der CDU/CSU-Fraktion, Lebenssituation älterer Menschen in der Bundesrepublik Deutschland, 17. November 1978, Anlage 1, Bedarfsdeckungsquoten im Bundesgebiet in v. H. der Altersbevölkerung. Es wurden unterschiedliche Zusammenstellungen von Bedarfszahlen aufgeführt, die besagten, dass in den 1960er und frühen 1970er Jahren zwischen 0,45 (Bremen) und 4,3  Prozent (Nürnberg) der alten Menschen in einem Altenwohnheim untergebracht waren. Allerdings sind diese Zahlen nur bedingt vergleichbar, da ein unterschiedliches Verständnis von „Altenwohnheim“ zugrunde lag. Bremen hatte seine altersgerechten Wohnungen gar nicht mit erfasst, die noch einmal 2,4 Prozent der älteren Bürger versorgten. Hessen ging zu diesem Zeitpunkt von einem Bedarf an Heimplätzen von insgesamt 6,4 Prozent bis zum Jahr 1985 aus, jedoch nur 1,8 Prozent in Altenwohnheimen; nach dieser Planung fehlten insgesamt nur 1.460 Altenwohnheimplätze in Hessen (Deutscher Bundestag, 8. Wahlperiode, Drucksache 8/2303, Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der CDU/CSU-Fraktion, Lebenssituation älterer Menschen in der Bundesrepublik Deutschland, 17. November 1978, Anlage 1, Bedarfsdeckungsquoten im Bundesgebiet in v. H. der Altersbevölkerung). Siehe auch BArch, B 189/11034, Schreiber, Torsten: Altenhilfe in den Ländern. – Altenpläne und Erhebungen der Länder; eine Analyse im Auftrag des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit, vom 1. Oktober 1973 (Auftragsdatum), S. 74, über das Programm Schwerpunkte Sozialer Daseinsvorsorge in Hessen, das für die Bedarfsgruppe A (Großstädte) einen Versorgungsgrad von drei Prozent mit Altenwohnheimplätzen annahm und damit noch deutlich mehr als auf dem Land, bei einem Bestand 1970 hessenweit von insgesamt nur 5.957 Wohnungen und damit fehlenden 10.000. NRW schätzte, dass es insgesamt 1969 4.500 Plätze in Altenwohnheimen gab, der Bedarf damit nicht gedeckt sei; Bedarfszahlen wurden jedoch nicht angegeben (S.  76 f., 81). Rheinland-Pfalz sah 1969 den Bedarf an Altenwohnheimwohnungen bei zwei Prozent, Heime insgesamt bei nur 5,5 Prozent (S. 77). München hatte zu diesem Zeitpunkt nur 1.500 Plätze in „Wohnstätten für Selbstversorger“ mit Betreuungsmöglichkeiten (S. 82). Schreiber fasste die Bestandsanalysen zusammen, soweit sie vorlagen: Eine Bestandsanalyse von 1960/61 ergab, dass damals 4,1  Prozent der über 65-Jährigen in Heimen aller Art lebten, jedoch nur 0,6 Prozent in Altenwohnheimen (S. 87); die Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege (BAG) ging 1963 von 1,5  Prozent aus, schätzte die Zahlen jedoch nur; der Deutsche Städtetag differenzierte 1969 nach Stadtgrößen und ging in Großstädten über 100.000 Einwohner von 2,5 Prozent der über 65-Jährigen in Altenwohnheimen aus. Auch das waren nur Schätzwerte. 23 ISG, Stadtgesundheitsamt – Sachakten 195, Vortrag des Magistrats an die Stadtverordnetenversammlung, 5. Oktober 1970, M 432, betr. Zweiter Kommunaler Altenplan der Stadt Frankfurt a. M., S. 11.

4.2 Frankfurter Altenplan – Resümee und Weiterentwicklung

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die Stadt, die im Fall einer Altenwohnung nicht entstünden oder aber auf andere Leistungsträger (Wohngeld) umgelegt werden könnten.24 Der erste kommunale Altenplan 1960 sah vor, Klublokale zu schaffen, um Geselligkeit und Kontakte zu ermöglichen, als Treffpunkte zur Unterhaltung und zum Spiel. Es sollten „Einrichtungen der offenen Tür“, Gemeinschaftseinrichtungen für alte Leute sein, ohne dass eine konkrete Ausgestaltung vorgegeben war. Die Stadt konnte räumlich zum Teil auf bestehende Wärmestuben zurückgreifen. Im zweiten Plan wurde festgehalten, dass diese Räume nun in großer Zahl bestanden, jedoch unzureichend zugänglich waren: Sie hatten meist nur an einigen Nachmittagen geöffnet, an denen sich die „Klubs“ trafen. Plan war nun, diese Altenklubs in „Altentagesstätten“ umzuwandeln und diese ganztags zu öffnen.25 Von den Öffnungszeiten knüpfte man damit wieder an die alten Wärmestuben der 1950er Jahre an, Altentagesstätten sollten dagegen das ganze Jahr geöffnet haben und ein Programm sowie Betreuung vorsehen. Die konkrete Betreuung, die ganztägig einen sehr hohen personellen Einsatz erforderte, wurde in dem Altenplan jedoch nicht erörtert. 1960, im ersten kommunalen Altenplan, wollte man die Frage prüfen, ob die alten Leute Hilfe bei der Haushaltsführung, insbesondere während einer Erkrankung, bedürften. Die Grundannahme war jedoch, dass die Haushaltsführung in erster Linie Aufgabe der Familienangehörigen bleiben müsse. Soweit diese versage, sei an die Mitwirkung von Hauspflegerinnen zu denken und daher der Ausbau der Hauspflege zu fördern. Zudem ging man im ersten kommunalen Altenplan davon aus, dass auch Jugendgruppen sich an häuslichen Diensten für alte Menschen beteiligen könnten (siehe Kapitel 3). Hier wurde Hilfsbedürftigkeit also zunächst noch als zu prüfende Frage formuliert und die Bedeutung der Familienangehörigen herausgestellt. Hauspflegerinnen traten subsidiär bei Versagen oder Fehlen der Familienhilfe ein. Im zweiten Altenplan hingegen wurde die Notwendigkeit nicht mehr in Frage gestellt, sondern nur noch festgestellt, dass ältere Bürger, die vorübergehend erkrankt seien, in Heimen aufgenommen werden müssten, wenn keine Familienangehörigen sie pflegen könnten. Gemeindekrankenpflegestationen und Hauspflegeeinrichtungen der freien Verbände seien weiter auszubauen.26 Das Engagement von Jugendgruppen wurde nicht mehr gefordert. Man betonte nur die Notwendigkeit der Investitionskostensubventionierung von Krankenpflegestationen und der Finanzierung von Schulungen, weiteres finanzielles Engagement im Bereich der ambulanten Pflege wurde nicht konkretisiert. 24 ISG, Fürsorgeamt 3996, Magistratsbeschluß Nr. 250, Frankfurt a. M., 8 Februar 1971, betr. Zweiter Kommunaler Altenplan der Stadt Frankfurt a. M., hier: Ergänzung der Begründung des Vortrages M. 432. 25 ISG, Stadtgesundheitsamt – Sachakten 195, Vortrag des Magistrats an die Stadtverordnetenversammlung, 5. Oktober 1970, M 432, betr. Zweiter Kommunaler Altenplan der Stadt Frankfurt a. M., S. 27. 26 ISG, Stadtgesundheitsamt – Sachakten 195, Vortrag des Magistrats an die Stadtverordnetenversammlung, 5. Oktober 1970, M 432, betr. Zweiter Kommunaler Altenplan der Stadt Frankfurt a. M., S. 26.

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren

Auf die Frage der Personalgewinnung im Bereich der Hauspflege ging man weniger ein als noch im ersten kommunalen Altenplan. Im ersten Plan wurden die Ausbildung, die Gründung von Fachschulen durch die Wohlfahrtsverbände und die Verbesserung der Wohnsituation von Hauspflegerinnen in den Mittelpunkt gestellt. Allerdings ging der zweite Altenplan an anderer Stelle auf die „Personalnot“ in der Altenpflege und auf die 1960 noch nicht etablierte Altenpflegeausbildung ein27: Der Mangel an Pflegekräften kennzeichne die gegenwärtige Situation und stelle die Träger vor nahezu unüberwindliche Schwierigkeiten. Stationäre Einrichtungen könnten dringend benötigte Pflegestationen wegen Personalmangels nicht betreiben; das Caritas-Altenzentrum könne nur mit spanischen Ordensschwestern betrieben werden. Der Altenplan schlug als Verbesserungsmöglichkeiten Personalwohnungen statt Zweibettzimmer und Zulagen zum Gehalt für die Altenpflege vor.28 Der Einsatz von Teilzeitkräften sei künftig unvermeidbar, jedoch sollten diese vernünftig ausgebildet und vorbereitet werden. Ausländische Mitarbeiter müssten Spracherziehung erhalten. Das Sozialprestige der Pflegekräfte in Heimen sei zu fördern. Es gebe Verhandlungen mit dem Land Hessen um alsbaldige Verabschiedung von Ausbildungsrichtlinien, die eine staatliche Anerkennung der Ausbildung gewährleisten sollten.29 Die Ausführungen zum Personalmangel im zweiten kommunalen Altenplan bezogen sich bezeichnenderweise nur auf den stationären Bereich. In den 1960er Jahren waren mehrere Studien zu Lebenslagen alter Menschen erschienen (siehe Kapitel 3). Im zweiten kommunalen Altenplan bezog man sich teilweise auf deren Ergebnisse, ohne jedoch Verweise zu machen: Der ältere Mensch lebe in der Gefahr zu vereinsamen, seine Kontakte zur Umwelt würden geringer. Dabei spiele auch seine Einkommenssituation eine Rolle.30 27 ISG, Stadtgesundheitsamt – Sachakten 195, Vortrag des Magistrats an die Stadtverordnetenversammlung, 5. Oktober 1970, M 432, betr. Zweiter Kommunaler Altenplan der Stadt Frankfurt a. M., S. 33; Baumgartl (1997), S. 168, attestiert dem Frankfurter Altenplan von 1970, dass er eine Fülle „konventioneller Maßnahmen“ aufzähle und die Hauspflege sehr kurz abhandele. Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass der Frankfurter Altenplan von 1960 sich schon relativ eingehend mit der Hauspflege beschäftigte, die freilich damals noch keine „ambulanten Dienste“ umfasste, von denen nun in den 1970er Jahren zunehmend die Rede war. 28 ISG, Stadtgesundheitsamt – Sachakten 195, Vortrag des Magistrats an die Stadtverordnetenversammlung, 5. Oktober 1970, M 432, betr. Zweiter Kommunaler Altenplan der Stadt Frankfurt a. M., S. 33 f. 29 ISG, Stadtgesundheitsamt – Sachakten 195, Vortrag des Magistrats an die Stadtverordnetenversammlung, 5. Oktober 1970, M 432, betr. Zweiter Kommunaler Altenplan der Stadt Frankfurt a. M., S. 34. Die Ausbildung wurde 1972 in Hessen staatlich anerkannt (Staatliche Anerkennung, Ausbildung und Prüfung von Altenpflegern (1972); Vorschrift vom 4. Oktober 1972, trat zum 1. Januar 1973 in Kraft). Der Lehrgang zum Altenpfleger dauerte demnach mindestens ein Jahr mit 700 Stunden Theorie und 1.200 Stunden Praxis, es schloss sich ein einjähriges Praktikum an die Prüfung an. 30 ISG, Stadtgesundheitsamt – Sachakten 195, Vortrag des Magistrats an die Stadtverordnetenversammlung, 5. Oktober 1970, M 432, betr. Zweiter Kommunaler Altenplan der Stadt Frankfurt a. M., S. 1, Punkt 4.

4.3 Altenwohnungen

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Damit hatte eine Betrachtungsweise Eingang gefunden, dass nicht alle Alten zwangsläufig gleichermaßen benachteiligt waren, sondern andere, soziale Faktoren die Lebenslage im Alter mit beeinflussten. In den konkreten Begründungen von Altenhilfemaßnahmen überwog jedoch im zweiten kommunalen Altenplan die Zusammenfassung der alten Menschen zu einer gesellschaftlich benachteiligten Gruppe ohne weitere Differenzierung. Auch der hessische Sozialplan für alte Menschen aus dem Jahr 1960 wurde in den 1970er Jahren fortgeführt. Schwerpunkt der Ausgaben blieben Zuschüsse zum Bau von Altenheimen und Altenwohnheimen. Insgesamt gab das Land bis 1981 beinahe 550 Millionen DM im Rahmen des Sozialplanes aus, davon 17,54 Millionen für die „halboffene Altenhilfe“: Darunter waren Zuschüsse zu 252 Altentagesstätten, zwölf Altenerholungsheimen, einer Altenerholungsstätte, vier Altenmahlzeitendiensten und einer Altenwerkstatt. In die Altenerholungshilfe flossen ab 1962 15,90 Millionen für insgesamt 125.771 Altenerholungsaufenthalte, 2,52 Millionen gab es für Altenberatungsstellen ab 1972 (Betriebskostenzuschüsse); dazu gab das Land noch gut fünf Millionen für die Aus- und Fortbildung von Personal für die Haus- und Altenpflege aus.31 Erst im Jahr 1982 wurde der hessische Sozialplan in einer Fortschreibung grundsätzlich neu überdacht und der Schwerpunkt zumindest im Plan auf die offene Altenhilfe verlegt – dies betraf jedoch nicht die Ausgabenkalkulation.32 Ein eigenständiges Förderprogramm außerhalb des hessischen Sozialplans für alte Menschen betraf den Ausbau der „mobilen Krankenpflege“ in Hessen zum Ende des Jahrzehnts (siehe Kapitel 4.7.2). Dies löste die Landesförderungen der Gemeindekrankenpflege ab, hatte jedoch kaum Bedeutung für die (groß-)städtische Versorgung. 4.3 Altenwohnungen 4.3.1 Architektur und Infrastruktur – Planungen und Bewohnerwünsche Die Altenwohnhäuser wurden Ende der 1960er Jahre und in den 1970er Jahren zunächst noch größer. Die im zweiten kommunalen Altenplan von 1970 aufgelisteten künftigen Bauten, die schon bis 1975 verwirklicht werden sollten, sahen überwiegend größere Häuser mit 100 bis 140 Wohnungen vor.33 31 Der Hessische Sozialminister (1983), S. 74. Ein Großteil der Millionen wurde jedoch von 1960 bis Anfang der 1970er Jahre ausgegeben, siehe HHStAW, Abt. 508, Nr. 5855a, Gespräch über die Probleme der älteren Menschen am 28. November 1972 bei dem Herrn hessischen Ministerpräsidenten Osswald, Diskussion, S.  6. Insgesamt seien aus dem hessischen Sozialplan für alte Menschen von 1960 bis 1972 162,71 Millionen DM an freigemeinnützige Träger gegangen und 130,67 Millionen an kommunale Träger, überwiegend für Neubauprogramme. 32 Der Hessische Sozialminister (1983). 33 ISG, Stadtgesundheitsamt – Sachakten 195, Vortrag des Magistrats an die Stadtverordnetenversammlung, 5. Oktober 1970, M 432, betr. Zweiter Kommunaler Altenplan der Stadt Frankfurt a. M., Anlage 2: Altenwohnungen.

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren

Die seltenen Projekte mit weniger Wohneinheiten waren meist ergänzende Bauten in schon bestehenden Altenwohnanlagen. In alle Neubauten mit mehr als zwei Geschossen (alle projektierten Altenwohnhäuser in den 1970er Jahren hatten mehr als zwei Geschosse) sollte eine Aufzugsanlage eingebaut werden. Dabei argumentierte die Stadt selbst im zweiten kommunalen Altenplan von 1970 gegen Großprojekte in Neubauvierteln: Da alte Menschen sich ihre vertrauten Umgebungen erhalten möchten (dies gelte für die persönliche Umgebung, aber auch für Straßen, Plätze und Geschäfte), wolle man Häuser dezentralisiert in allen Stadtteilen bauen: „Die Alten wollen keine langen Wege zum Arzt, zu den Geschäften, zur Kirche und den Verkehrsmitteln, sie wollen bequem den Besuch ihrer Angehörigen und Freunde empfangen können.“34 Dennoch sollten „eingestreute Wohnungen“  – einzelne Altenwohnungen in Wohnanlagen und Mehrfamilienhäusern  – nicht gefördert werden: Es habe sich gezeigt, dass es wenig sinnvoll sei, durch Einstreuung von Altenwohnungen in normale Wohnhäuser in der Hoffnung auf soziale Beziehungen ältere Menschen mit jüngeren zusammenzubringen. Dem läge die falsche Vorstellung zugrunde, dass räumliche Nähe auch soziale Nähe bewirke. Damit hielt Frankfurt weiterhin an dem schon in den 1960er Jahren eingeschlagenen Weg fest, nicht auf „eingestreute“ Altenwohnungen zu setzen, sondern auf große Wohnhäuser mit vielen Wohneinheiten allein für alte Menschen. Einem Zusammenleben mehrerer Generationen wurde zu Beginn des Jahrzehnts damit eine deutliche Absage erteilt. Erkenntnisse aus Befragungen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, die auf eine Bevorzugung von verteilten, dezentralen Altenwohnungen hinwiesen35, wurden offiziell nicht zur Kenntnis genommen. Hingegen wurde auf eine Studie aus den USA, die möglicherweise nur eingeschränkt auf bundesrepublikanische Verhältnisse übertragbar sein mochte, verwiesen: „Untersuchungen aus den USA haben gezeigt, daß die Dichte der sozialen Beziehungen steigt, je mehr alte Menschen in der gleichen Umgebung wohnen.“36 Zum Ende des Jahrzehnts wurden politische Forderungen nach generationenübergreifenden Wohnformen von der FDP-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung erhoben. Die Fraktion wollte die 34 ISG, Stadtgesundheitsamt – Sachakten 195, Vortrag des Magistrats an die Stadtverordnetenversammlung, 5. Oktober 1970, M 432, betr. Zweiter Kommunaler Altenplan der Stadt Frankfurt a. M., S. 10. 35 Runde (1972), S. 126. Gegen den Bau von Wohnblocks oder ganzen Wohnsiedlungen für ältere Menschen werde eingewandt, dies könne zu einer Stigmatisierung der älteren Menschen und zu einer „Ghettobildung“ führen. Gegen eingestreute Wohnungen wurde angeführt, der ältere Mensch wolle seinen Lebensabend ruhiger als in einer normalen Wohnsiedlung mit ihrem zu erwartenden Lärm verbringen. Die Mehrheit der befragten alten Menschen selbst, nämlich knapp 74 Prozent, zogen verstreute altersgerechte Wohnungen vor, 17,7  Prozent jedoch die geschlossene Wohnsiedlung, der Rest gab keine Antwort. Vgl. dazu auch Brinker (2005), S. 197. 36 ISG, Fürsorgeamt 3996, Magistratsbeschluß Nr. 250, Frankfurt a. M., 8. Februar 1971, betr. Zweiter Kommunaler Altenplan der Stadt Frankfurt a. M., hier: Ergänzung der Begründung des Vortrages M. 432.

4.3 Altenwohnungen

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Wohnform „Stadthaus“ gefördert sehen mit kleinen Wohnungen für alte Menschen und jüngere Behinderte mit Familie. Dies schien dem Amt für Wohnungswesen nicht durchführbar, da dafür Aufzüge nötig wären, was teuer käme. Im Übrigen setze die Schaffung von Alten- und Behindertenwohnungen einen ständig erreichbaren Betreuungsdienst voraus. Ein Argument gegen generationenübergreifendes Wohnen war dasselbe wie zu Beginn des Jahrzehnts: „Außerdem führt ein Zusammenlegen von Wohnungen für Familien mit Kindern und von Wohnungen speziell für ältere Menschen in einem Gebäude mit Zugang über ein gemeinsames Treppenhaus häufig zu Ruhestörungen für die alten Menschen und dementsprechend zu ständigen Beschwerden.“37 Nicht nur dies sprach für die räumliche Zusammenfassung einer größeren Zahl von Altenwohnungen. Gleichzeitig, so betonte man im zweiten kommunalen Altenplan 1971 mit Verweis auf die Erfahrungen im vorangegangenen Jahrzehnt, werde so die unverzichtbare Betreuung und Versorgung erleichtert: „Die Präsenz eines Altenbetreuungsdienstes in den Altenwohnanlagen hat sich als sinnvoll, zweckmäßig und auf die Dauer kostensparend erwiesen.“38 1976 ließ die Stadt Frankfurt selbst eine Befragung durchführen.39 Fragebögen wurden an 3.000 Bürger über 60 Jahre geschickt, kleinere Preise sollten als Anreiz zum Ausfüllen dienen. Zunächst erbat man Angaben zum Familienstand, zur Ausbildung, zum Einkommen, zum (eingeschätzten) Gesundheitszustand, Art und Umfang der Hilfen sowie zur derzeitigen Wohnsituation. Dann konnten die Befragten ankreuzen, welche Merkmale sie bei einer Wohnung als wichtig erachteten und was sie in der Wohnumgebung besonders wichtig fanden (Verkehrsanbindung, Einkaufsmöglichkeiten, kulturelles Angebot, Ruhe, Wege zu Ärzten, Einkaufen etc.). 1.228 Antworten gingen ein.40 Die Befragten bevorzugten zu 73 Prozent eine Wohnung in einem gemischten Mehrfamilienhaus vor der Unterbringung in einer Altenwohnanlage, gleichzeitig jedoch zu drei Vierteln eine „ruhige Wohnung“.41 Diese beiden Wünsche wurden von den Studienerstellern als schwer vereinbar angesehen, da reine Altenwohnanlagen wegen der altershomogenen Bewohnerstruk37 ISG, Fürsorgeamt 3989, Amt für Wohnungswesen, An das Stadtplanungsamt, Neue Wohnformen, hier: Stadthaus, 4. September 1978 (Antrag der FDP-Fraktion vom 24. Mai 1978, Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 13. Juli 1978, § 2051). 38 ISG, Fürsorgeamt 3996, Magistratsbeschluß Nr. 250, Frankfurt a. M., 8. Februar 1971, betr. Zweiter Kommunaler Altenplan der Stadt Frankfurt a. M., hier: Ergänzung der Begründung des Vortrages M 432. 39 Die Befragung wurde vom Batelle-Institut durchgeführt und mit vorbereitet von der Abteilung Altenhilfe sowie Mitgliedern des Seniorenbeirates (siehe Fragebogen in: ISG, Fürsorgeamt 2553, Abteilung Altenhilfe, Niederschrift über die Sitzung des Seniorenbeirates am Dienstag, 26. November 1974, 1. April 1975). 40 ISG, Fürsorgeamt 2554, Abteilung Altenhilfe, Niederschrift über die Sitzung des Seniorenbeirates am Donnerstag, den 3. Juni 1976 in der Altenwohnanlage Roter Graben, Frankfurt, 21. Juni 1976, S. 4. 41 ISG, Fürsorgeamt 2554, Abteilung Altenhilfe, Niederschrift über die Sitzung des Seniorenbeirates am Donnerstag, den 3. Juni 1976 in der Altenwohnanlage Roter Graben, Frankfurt, 21. Juni 1976, S. 4 f.

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren

tur als ruhiger eingeschätzt wurden als Wohngebäude mit mehreren Generationen. Fast die Hälfte der Befragten lebte in Altbauten, davon die Hälfte in Vorkriegsbauten, 23  Prozent ohne fließendes warmes Wasser, zwölf Prozent ohne Bad, 75 Prozent ohne Betreuung durch Dritte. Insgesamt errechnete die Stadt daraus, dass etwa 17  Prozent aller Bürger über 65 Jahre dringenden Bedarf bei der Wohnverbesserung hatten und ein großer Teil von ihnen daher potentiell an Altenwohnungen interessiert sein würde.42 75  Prozent der Befragten hatten in den letzten zehn Jahren den Stadtteil nicht gewechselt. Die Bereitschaft, den Stadtteil zu wechseln, schwinde im Fall ungünstiger wirtschaftlicher Verhältnisse und mit einem niedrigen Bildungsgrad, so die Studienersteller.43 Wünsche an eine Wohnung waren vor allem warmes Wasser (90  Prozent) und kurze Wege zum Arzt (89  Prozent), es folgten Zentralheizung, Telefon, niedriges Stockwerk und Einkaufsmöglichkeit. Das Fazit aus der Analyse, so die Planer der Befragung und die Abteilung Altenhilfe, sei, dass Altenwohnanlagen künftig nur noch stadtteilbezogen gebaut werden sollten und die ambulanten Dienste ausgebaut werden müssten. Auch sei die Modernisierung der älteren Anlagen erforderlich. Die Anlagen sollten eigentlich nicht mehr über eine Größe von 50 Wohneinheiten hinausgehen, „da sonst eine Gettobildung forciert wird“.44 Dies sei jedoch in Verbindung mit dem Betreuungsdienst teuer und damit unrentabel.45 Wenn auch das Konzept der größeren Altenwohnanlagen nicht gänzlich verworfen wurde, so wandelten sich doch die Gebäudeform und die vorgesehenen Standorte im Laufe der 1970er Jahre: Bis Mitte des Jahrzehnts wurden die Altenwohnungen überwiegend in Hochhäusern in den Neubausiedlungen der Stadt erstellt.46 Im Neubaugebiet Im Mainfeld in Frankfurt-Niederrad brachte man das Altenwohnhaus in einem 13-geschossigen Hochhaus mit viergeschossigem Flügelanbau und einem frei stehenden viergeschossigen Gebäude unter. Der Flügelanbau erschloss die Wohnungen über einen Laubengang. Im Hochhaus waren unten Altenklubräume eingeplant.47 Die Wohnungen waren mit 36 Quadratmetern etwas größer als die älteren Typen; diejenigen für eine Person bestanden aus Vorflur, Bad, Wohnraum und Schlafnische, mit Vorhang abteilbar, Kochnische mit angrenzender Kammer, die vom 42 ISG, Fürsorgeamt 3989, Planungsgruppe im Dez. IX, Bä/Sch, Frankfurt a. M., 25. März 1977, Konsequenzen aus der Batelle-Studie für die Bemessungsgrundlage bei Altenwohnanlagen. 43 ISG, Fürsorgeamt 2554, Abteilung Altenhilfe, Niederschrift über die Sitzung des Seniorenbeirates am Dienstag, dem 15. März 1977 im Seniorentreff, Frankfurt, 12. April 1977, S. 4 f. 44 ISG, Fürsorgeamt 2554, Abteilung Altenhilfe, Niederschrift über die Sitzung des Seniorenbeirates am Dienstag, dem 15. März 1977 im Seniorentreff, Frankfurt, 12. April 1977, S. 5. 45 ISG, Fürsorgeamt 2554, Abteilung Altenhilfe, Niederschrift über die Sitzung des Seniorenbeirates am Dienstag, dem 15. März 1977 im Seniorentreff, Frankfurt, 12. April 1977, S. 5. 46 Damit war Frankfurt nicht allein, siehe Brinker (2005), S. 196. 47 ISG, Fürsorgeamt 4065, Plan Erdgeschoss vom 1. August 1971.

4.3 Altenwohnungen

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Wohnraum aus zu erreichen war, und einer relativ großen Loggia mit knapp sechs Quadratmetern.48 Als Bodenbelag war Nadelfilz in den Wohn-Schlafräumen ausgelegt, für die Gänge war schwer entflammbarer Filz vorgesehen. Filz galt als besonders altersgerecht, da rutschhemmend. Das Bad hatte eine Dusche und eine Sitzbadewanne neben Toilette und Waschbecken und eine nach außen öffnende Tür. Die Küche war mit einer schmalen Küchenzeile von 165 cm ausgestattet und enthielt damit eine Einbauküche, auf die in den späten 1960er Jahren zum Teil aus Spargründen noch verzichtet worden war. Die Zweizimmerwohnungen hatten nun immerhin insgesamt etwa 53 Quadratmeter.49 Im Keller gab es Waschautomaten zur Selbstbedienung mit Bügelraum und Trockenräumen50; die Planer gingen davon aus, dass die älteren Bewohner ihre Wäsche selbst erledigen konnten und wollten. Dies taten sie hier künftig unter leichteren Bedingungen als in den älteren Altenwohnanlagen, in denen Trockengestelle über den Sitzbadewannen die Handwäsche erleichtern sollten (siehe Kapitel 3). Das Umfeld der neu gebauten Altenwohnhochhäuser in Neubauvierteln in Stadtrandlagen blieb häufig über Jahre hinweg unwohnlich: Die Altenbetreuerin aus dem Wohnhochhaus in der Nordweststadt berichtete, der Bürgersteig und die Straße seien noch kaum begehbar wegen Pfützen und Schlamm; Zebrastreifen fehlten.51 Auch sechs Jahre später, 1976, waren die Wege für die Bewohner gefahrenträchtig. Die alten Menschen mussten eine stark befahrene Straße mit Tankstellen-Insel überqueren. Sie wurden von Stadtteilpolitikern und Verwaltungsangestellten als nicht mehr vollwertige Verkehrsteilnehmer angesehen: Der Ortsbeirat 8 bemängelte, dass Autofahrer nicht wie bei Schulen oder Kindergärten auf unachtsame Straßenüberquerungen aufmerksam gemacht würden. Ein Zebrastreifen fehlte immer noch. Der Weg mündete in große, vielbefahrene Straßen. Der Ortsbeirat 8 regte daher Zebrastreifen an und ein Schutzgitter, um das Überqueren jenseits der Zebrastreifen zu verhindern.52 Die Abteilung Altenhilfe fand Zebrastreifen angesichts der sehr unübersichtlichen Verkehrssituation nicht ausreichend und forderte einen doppelten Ampelübergang.53 Wenn möglich, wurden die Altenwohnhäuser räumlich und zum Teil organisatorisch an Alten- und Pflegeheime, deren Einrichtungen mit genutzt werden konnten, sogenannte Altenzentren, angegliedert. Das 1974 erstellte Alten- und Rehazentrum Marbachweg, gefördert als Modellprojekt des Bundes, sah neben einem schon bestehenden und nun erweiterten Alten- und Pflegeheim 227 Wohnungen für alte Menschen in einer Wohnanlage vor, da48 49 50 51

ISG, Fürsorgeamt 4065, Grundriss Ausschnitt Haus 1, Typ 1.3, 36,23 qm, 1. Mai 1971. ISG, Fürsorgeamt 4065, Typ 2.1, 52,82 qm, 1. Mai 1971. ISG, Fürsorgeamt 4065, Übersichtsplan Kellergeschoss, 1. Mai 1971. ISG, Fürsorgeamt 4034, Annemarie Schröder, Altenbetreuerin Eduard-Bernstein-Weg 2, an Herrn See, 12. Dezember 1970. 52 ISG, Fürsorgeamt 4036, Anregung des Ortsbeirats 8, Nr. 2075 an den Bauausschuss, Frankfurt a. M., 9. September 1976. 53 ISG, Fürsorgeamt 4036, Sozialamt Abt. Altenhilfe, An 56.13, Frankfurt a. M., 22. September 1976.

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren

von 197 Anderthalbzimmerwohnungen.54 57 Wohnungen in dem Wohnblock waren behindertengerecht für (jüngere) Schwerbehinderte geplant.55 Die Rehabilitations-Abteilung war räumlich dem Wohnhaus für Schwerstbehindertenwohnungen zugeordnet, sollte jedoch einen unterirdischen Gang bis zum Bettenaufzug des schon bestehenden Julie-Roger-Altenheims haben. Das Zentrum wurde 1974 um eine „Tagesstätte für Rehabilitation“ (später: „Tagespflegeheim“) ergänzt, unmittelbar über der Rehabilitationseinrichtung.56 Sämtliche Armaturen, Steckdosen, Heizkörperventile und Fensterbeschläge waren in Griffhöhe angebracht. Die Wohnungen waren damit im Gegensatz zu früher geplanten Altenwohnungen rollstuhlgeeignet.57 Es gab eine Pflegerufanlage am Bett, an der Badewanne und am WC.58 Die Seniorenbadewanne konnte jeweils verstellbar als Liegewanne und auch als Sitzwanne verwendet werden. Sie hatte einen Belag gegen Ausrutschen und Griffstangen. Die Abstellräume fanden sich auf dem gleichen Geschoss.59 Der abgetrennte Schlafraum war auch in den Anderthalbzimmerwohnungen mindestens neun Quadratmeter groß.60 Zur Finanzierung der fast 30 Millionen  DM Gesamtkosten gab es einen Zuschuss des Bundesministers für Jugend, Familien und Gesundheit.61 Die Wohnungen im Sozialzentrum waren trotz der Gesamtgröße der Anlage beliebt und stark nachgefragt. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung fasste die zeitgenössische Begeisterung, aber auch Kritik in einem Satz am Beginn eines Artikels zusammen: „Lange Wartelisten gibt es für das Sozialzentrum am Marbachweg, das – vor etwa zwei Jahren fertig geworden – für die einen Modellcharakter in der Bundesrepublik hat, für die anderen als Behindertengetto beschimpft wird.“62

54 ISG, Fürsorgeamt 4069, Amt für Wohnungswesen, Frankfurt, 14. November 1972. 55 ISG, Fürsorgeamt 4069, Amt für Wohnungswesen, Frankfurt, 14. November 1972. 56 ISG, Fürsorgeamt 4069, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Ergebnisprotokoll, Frankfurt, 6. November 1973, betr. Errichtung einer Tagesstätte für Rehabilitation im Sozialzentrum Marbachweg, mit Vertretern des Frankfurter Verbandes für Altersfürsorge, der Abteilung Gesundheitshilfe und der Abteilung Altenhilfe. 57 Frankfurter Verband für Altersfürsorge e. V., Magistrat der Stadt Frankfurt, Sozialzentrum Marbachweg (Broschüre), in: ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/N 11558, S. 5. 58 Frankfurter Verband für Altersfürsorge e. V., Magistrat der Stadt Frankfurt, Sozialzentrum Marbachweg (Broschüre), in: ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/N 11558, S. 5. 59 Frankfurter Verband für Altersfürsorge e. V., Magistrat der Stadt Frankfurt, Sozialzentrum Marbachweg (Broschüre), in: ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/N 11558, S. 5. 60 Frankfurter Verband für Altersfürsorge e. V., Magistrat der Stadt Frankfurt, Sozialzentrum Marbachweg (Broschüre), in: ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/N 11558, S. 12: Grundrisse. 61 Frankfurter Verband für Altersfürsorge e. V., Magistrat der Stadt Frankfurt, Sozialzentrum Marbachweg (Broschüre), in: ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/N 11558, S. 5. 62 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/N 11558, Presseausschnitt: Das Tagesheim hilft Pflegekosten sparen. Ansturm auf das Sozialzentrum Marbachweg, in: FAZ, 25. Mai 1976.

4.3 Altenwohnungen

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Abbildung 12: Weihung des 1. Bauabschnittes des Altenzentrums der Jüdischen Gemeinde, ca. 1975, Fotograf: H. Winkler, © ISG

1975 plante auch die Jüdische Gemeinde 130 Altenwohnungen als Erweiterung eines Alten- und Pflegeheims zum Altenzentrum. Das Zentrum wurde ergänzt um ein Rehabilitationszentrum mit Bewegungsbad, Gymnastikraum, Ruheraum, Unterwassermassage, Fangoraum und medizinischem Zentrum, um eine Synagoge und eine Altentagesstätte.63 Die Altenwohnungen gehörten zum letzten Bauabschnitt.64 Die Alten- zusammen mit den Personalwohnungen befanden sich in sieben versetzt aneinandergereihten drei- bis neungeschossigen Häusern, die an die restliche Bebauung anschlossen. Gesellschaftsräume entstanden in einem separaten Baukörper. Gemeinschaftsräume befanden sich im Erdgeschoss des schon bestehenden Altenheimes. Die Anlage verfügte als eine der ersten Altenwohnanlagen über Tiefgaragenparkplätze, in der Annahme, dass ältere Bewohner ein Auto mitbrachten.65 63 ZA, B 1/13, Nr. 1666, Nr. 1667: Pläne 1975–1976; Nr. 1666: Verwendungsnachweis; Pläne Kellergeschoss mit Rehazentrum vom 12. Februar 1976. 64 ZA, B 1/13, Nr. 1666, Verwendungsnachweis über die Zuwendung des hessischen Sozialministers Wiesbaden, vom 10. März 1975 und 18. Mai 1978. 65 ZA, B 1/13, Nr. 1666, Flächengestaltungsplan, 24. Oktober 1975, i. A. Ho, Frankfurt a. M.

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren

Abbildung 13: Einweihung der Altenwohnanlage in der Seumestraße 2 durch die evangelische Luthergemeinde in Bornheim, 1975, Fotograf: H. Meisert, © ISG

Zum Ende des Jahrzehnts wurden die Gebäude für Altenwohnungen niedriger und architektonisch aufgelockert. Statt weitere Altenzentren auszubauen, versuchte man, die Altenwohnhäuser in die Stadtteile zu integrieren. 1975 wurde im Stadtteil Sindlingen eine kleine Anlage mit nur 33 Altenwohnungen geplant, die aus einem viergeschossigen und einem dreigeschossigen Teil mit 28 Anderthalbzimmerwohnungen mit über 40 Quadratmetern und fünf Zweizimmerwohnungen mit über 50 Quadratmetern bestand.66 Hier gab es erstmals in den Plänen einen Flächengestaltungsplan, der eine Sitzgruppe in den Außenflächen vorsah, und acht Parkplätze.67 Die Anderthalbzimmerwohnungen hatten nun mit einer Tür abschließbare separate Schlafzimmer von gut acht Quadratmetern. Das Bad war vom Flur aus zu erreichen. Im Bad gab es eine Badewanne, nicht nur die vorher übliche Sitzbadewanne. Die Loggia konnte man vom Wohnraum aus betreten.68 In dem Gebäude befand sich ein Aufzug. Die kleine Anlage hatte einen Aufenthaltsbereich mit insgesamt ca. 66 ISG, Fürsorgeamt 4084, Flächenberechnung, Harro Giesen, Architekt, Frankfurt a. M., 10. Januar 1975. 67 ISG, Fürsorgeamt 4084, Flächengestaltungsplan Januar 1975. 68 ISG, Fürsorgeamt 4084, Erdgeschoss, 1. + 2. Obergeschoss, Januar 1975.

4.3 Altenwohnungen

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162 Quadratmetern, gegliedert in einen großen Raum mit gut 100 Quadratmetern, Teeküche, Toiletten und einen 20 Quadratmeter großen Hobbyraum. Im Vergleich zu den Geschossplänen der Altenwohnhochhäuser war dieser Bau aufgelockert, die einzelnen Wohnungen waren nach außen etwas versetzt, und es gab keine geraden Fassaden; der Flur, der die Wohnungen erschloss, war daher auch nicht gerade. Der etwa L-förmige Bau war nicht nur wesentlich niedriger als vormals gebaute Altenwohnhochhäuser, auch die einzelnen Geschosse hatten deutlich weniger Wohnungen. In einer Baulücke im zentrumsnahen Stadtteil Bockenheim wurden 1979 auf einem größeren Gelände insgesamt 82 Altenwohnungen und eine Altentagesstätte neu gebaut, in die Anlage wurden drei Ladenflächen und eine Tiefgarage integriert.69 Die beiden Gebäude waren durch einen überdachten Gang verbunden; die Außenanlage zwischen den Gebäuden war eine öffentliche Grünfläche und unter anderem mit einem Spielplatz ausgestattet. Im Innenhof gab es 14 eingeschossige „Innenhofhäuser“ mit Zweizimmerwohnungen, die als kleine, versetzte Reihenhäuser angeordnet waren.70 Die Gebäude zur Straße hin waren fünfgeschossig und hatten versetzte Baukörper, keine geraden Fassaden und zum Teil kleine dreieckige Ausbuchtungen in den Wohnungen. Die Grundrisse zeigen offene Wohnräume, die Küchenzeilen waren deutlich länger als in den älteren Altenwohnungen und boten Platz für die eigene Waschmaschine, während es in den älteren Anlagen gemeinsame Waschkeller gab.71 Die Anderthalbzimmerwohnungen waren über 40 Quadratmeter groß und die Zweizimmerwohnungen gut 56 Quadratmeter.72 Eine Altenwohnanlage mit Altentagesstätte im Osten Frankfurts wurde 1980 ebenfalls mit versetzten Baukörpern geplant. Es waren drei verbundene, drei- bis sechsgeschossige Häuser mit insgesamt 73 Wohnungen, davon neun Zweizimmerwohnungen und Gemeinschaftsräume.73 Im ersten Obergeschoss wurde ein Arzt- und Behandlungsraum eingeplant, daneben Büros für die Betreuerin, Teeküche und Räume für die Essensausgabe; der Gemeinschaftsraum auch für die Altentagesstätte war im Erdgeschoss. Im Keller wurden drei Räume mit Werkzeugen für verschiedene Werktechniken vorgesehen.74 Die Wohnungen für Einzelpersonen mit 1,5 Zimmern waren nun an die 50 Quadratmeter groß, wovon allerdings die großen Terrassen viel Raum einnahmen.75 69 ISG, Fürsorgeamt 4109, Anlage zum Bauantrag für Altenwohnungen Jordanstraße 6, September 1979. 70 ISG, Fürsorgeamt 4109, Anlage zum Bauantrag für Altenwohnungen Jordanstraße 6, September 1979. 71 ISG, Fürsorgeamt 4109, Plan 2. und 3. Obergeschoss, Mai 1978. 72 ISG, Fürsorgeamt 4109, Anlage zum Bauantrag für Altenwohnungen Jordanstraße 6, September 1979. 73 ISG, Fürsorgeamt 4113, Bauvorhaben Frankfurt a. M.-Bornheim, Wohnheim GmbH, Berechnung der Wohn- und Nutzflächen, 21. November 1980, Baubeschreibung. 74 ISG, Fürsorgeamt 4113, betr. Begegnungsstätte in der Altenwohnanlage, Kostenaufstellung für Möbel und Einrichtungsgegenstände. 75 ISG, Fürsorgeamt 4113, Bauvorhaben Frankfurt a. M.-Bornheim, Wohnheim GmbH, Berechnung der Wohn- und Nutzflächen, 21. November 1980.

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren

Die Gebäude wurden somit im Laufe des Jahrzehnts kleiner, die einzelnen Wohnungen größer. Es wurde versucht, sie in die bestehenden Bebauungen der Stadtteile zu integrieren, und die Planung einer Außenanlage oder die Einbindung in öffentliche Grünanlagen erfolgte sorgfältiger. Damit trug man der ermittelten Wünsche alter Menschen Rechnung. Der Frankfurter „Seniorenbeirat“ (siehe unten) setzte sich 1974 dafür ein, vorhandene Wohnbauten zu renovieren, Notrufanlagen einzubauen und sie zu Altenwohnungen umzuwidmen. Er machte auch konkrete Vorschläge zu einzelnen Wohngebäuden aus dem Genossenschaftswohnungsbau, jedoch ohne nachprüfbaren Erfolg.76 Es gab die Möglichkeit, im Rahmen des Bundessozialhilfegesetzes Erhaltungsmaßnahmen bestehenden Wohnraums durchzuführen. Genau sahen diese Erhaltungsmaßnahmen Komfortsteigerungen vor, die die Wohnungen für ältere Menschen leichter und länger bewohnbar machen konnten: Schaffung von Heizungsmöglichkeiten, Umstellung von Kohlefeuerung auf elektrische Energie, Einbau von Duschen, Installation eines Warmwasserbereiters, Isolierung von Fenster- und Türrahmen bei zugigen Wohnungen und Auslegen eines kälteisolierenden Bodenbelages.77 Dies komme vor allem für Wohnungen von älteren Menschen in Frage, die noch über „Umweltbeziehungen“, verstanden als „sichergestellte Versorgung“, verfügten. Anträge konnten bei den Sozialstationen gestellt werden.78 Ende der 1970er Jahre wurde in den städtischen Ämtern die Umwandlung bestehenden Wohnraumes in Altenwohnungen überlegt. Der Verlust des „örtlichen Beziehungsgefüges“79 bei einer Unterbringung in Altenwohnungen war bekannt, deshalb solle verstärkt versucht werden, alle Stadtteile zu versorgen; dies sei jedoch nur abschnittsweise möglich. Ein anderer Weg sei die Umwandlung bestehender Wohnungen, was vielleicht überhaupt „die sozial viel bessere Lösung wäre“.80 Dabei war die Frage nach dem Notruf und der Anbindung an einen Betreuungsdienst zentral: Als technische Möglichkeiten versprach man sich langfristig eine Lösung über die Breitbandkommunikation, dies jedoch voraussichtlich erst ab 1985.81 Kurzfristig dachte man an Notrufmöglichkeiten über das bestehende Telefonleitungsnetz oder über private Drahtfernmeldeanlagen, verbunden mit hohen Anmietungskosten für 76 ISG, Fürsorgeamt 2553, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Niederschrift über die Sitzung des Seniorenbeirates am Dienstag, den 18. Juni 1974, kleiner Sitzungssaal Braubachstraße, Frankfurt, 3. Oktober 1974, S. 3. 77 ISG, Fürsorgeamt 2553, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Niederschrift über die konstituierende Sitzung des Seniorenbeirates, 15. März 1974, Frankfurt, 8. April 1974, S. 12. 78 Es konnte nicht ermittelt werden, in welchem Umfang Anträge eingingen und bearbeitet wurden. 79 ISG, Fürsorgeamt 3989, Sozialamt, Vermerk: Versorgung von älteren Bürgern mit altersgerechten Wohnungen, Frankfurt a. M., 10. Dezember 1976, Bauer. 80 ISG, Fürsorgeamt 3989, Sozialamt, Vermerk: Versorgung von älteren Bürgern mit altersgerechten Wohnungen, Frankfurt a. M., 10. Dezember 1976, Bauer. 81 ISG, Fürsorgeamt 3989, Presseausschnitt: Appel, Rudolf: Notrufe in Zukunft über Kabelfernsehen? Städtetag diskutiert langfristige Entwicklungschance, in: FR, 27. November 1976, S. 13.

4.3 Altenwohnungen

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die Leitungen außerhalb des Grundstücks. Es wurde einschränkend festgestellt, dass auch bei den verstreuten „Altenwohnungen“ nur mehrere kompakt zusammenliegende Wohnungen in Frage kämen, da längere Wege für die Betreuungskraft nicht zu bewältigen seien; hingegen dürfe die Altersstruktur des betroffenen Wohngebietes nicht wesentlich wegen der Gefahr der „Ghettobildung“ verändert werden. Sinnvoll sei die Umwandlung und Umwidmung auch nur im Erdgeschoss und in der ersten Etage, der Einbau eines Aufzuges war nicht vorgesehen.82 Später differenzierte die Stadt zwischen „seniorengerechten Wohnungen“, die über Betreuung, Rufanlage etc. verfügten, und „seniorenfreundlichen Wohnungen“, an die geringere technische Ansprüche gestellt wurden.83 Erste Versuche mit einem häuslichen Notrufsystem gab es jedoch erst in den 1980er Jahren (siehe Kapitel 5). 4.3.2 Belegung von Altenwohnungen Beispiele von Bewerbungen um eine Altenwohnung der Jüdischen Gemeinde zeigen, dass sich die Gründe für eine Bewerbung im Vergleich mit dem vorangegangenen Jahrzehnt verändert, jedoch einige Punkte weiterhin Bedeutung hatten84: Nur selten klagten die Bewerber noch über unzumutbare Wohnverhältnisse. Sie bemerkten jedoch häufig, dass ihnen ihre jetzige Wohnung zu groß geworden sei85, wobei unklar bleibt, ob die finanzielle Belastung oder die Mühe durch die Reinigung gemeint war. Andere gaben ihr Alleinsein86 als Grund an oder die Lage ihrer jetzigen Wohnung, die nur über lange oder bergige Wege zu erreichen war87. Zu beachten ist, dass diese Beispiele nicht 82 ISG, Fürsorgeamt 3989, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Vermerk nach einer Besprechung im Amt für Wohnungswesen mit Mitgliedern der Abteilung Altenhilfe, Frankfurt, 18. Januar 1977. 83 ISG, Fürsorgeamt 3989, Planungsgruppe Förderung seniorengerechter Wohnungen aus Wohnungsbauförderungsmitteln, Frankfurt a. M., 7. Juni 1978. 84 Es gibt aus diesem Jahrzehnt keine Belegungslisten und schriftliche Überlieferungen die städtische Vergabe betreffend. 85 ZA, B 1/13, Nr. 946, Bewerbungen von Samuel W., Bad Nauheim, 15. September 1981; Bewerbung E. am 8. Juli 1976. 86 ZA, B 1/13, Nr. 946, Regina I. im Sommer 1981 (o. D.) schrieb: „Da ich 2 Herzinfarkte hatte, Angina pectoris und eine steife Hüfte habe und durch die Einsamkeit oft depressiv bin, wäre es eine große Hilfe für mich in einem Haus unter Glaubensgenossen zu wohnen. Meinen Haushalt bin ich in der Lage ohne Hilfe zu bewältigen. Nur das Alleinsein bedrückt mich.“ Frau I. musste anderthalb Jahre auf die Wohnung warten, der Mietvertrag wurde erst zum 1. November 1982 geschlossen (Mietvertrag zwischen der Jüdischen Gemeinde und Frau I., 1. November 1982). 87 ZA, B 1/13, Nr. 946, Szija K., begründete seinen Umzugswunsch am 19. April 1983 auch damit, dass er zu seiner Altenwohnanlage auf dem Mühlberg ständig hinauf- und hinunterlaufen müsse, was ihm schwerfalle, da er 1948 im Krieg in Israel verwundet worden sei. Käthe S. wies am 10. Mai 1976 darauf hin, dass ihr bei ihrer jetzigen Sozialwohnung der Weg zur Straßenbahn zu weit sei. Die hier aufgeführten Gründe müssen nicht für die Gesamtheit der Bewerber um eine Altenwohnung gelten, zu deren Motiven leider keine Angaben gemacht werden können. Nach Lehr (1972), S. 261 f., die mehrere Studiener-

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren

ganz auf die Bewerbungen um andere Altenwohnungen übertragbar sind, denn hier bewarben sich vor allem Menschen, die besonderen Wert auf eine Unterbringung in einem jüdischen Umfeld legten.88 Die Wartezeiten auf eine Altenwohnung blieben während der gesamten 1970er Jahre lang. Geplant war eine zentrale Registrierstelle, es blieb jedoch zunächst bei der bisherigen Regelung: Das Sozialamt, Abteilung Altenhilfe, nahm Bewerbungsunterlagen von älteren Bürgern entgegen, die noch nicht beim Amt für Wohnungswesen oder der Wohnungsvermittlungsstelle registriert waren, prüfte die Antragsunterlagen und leitete sie an das Wohnungsamt weiter. Alle Altenwohnungen mussten von der Wohnungsvermittlungsstelle dem Sozialamt als frei gemeldet werden, die Abteilung Altenhilfe machte dann dem Amt für Wohnungswesen „verbindliche Vorschläge“.89 Die künftigen Bewohner mussten einen ständigen Wohnsitz in Frankfurt haben, die „Fähigkeit, einen Haushalt noch selbständig führen zu können“90, mindestens 60 und höchstens 75 Jahre alt sein. Diese Altersgrenze wurde von der Abteilung Altenhilfe nach außen vertreten, intern jedoch flexibel gehalten: Ausnahmen konnten bei „rüstigen Damen und Herren“ gemacht werden.91 Die Zweizimmerwohnungen waren Ehepaaren oder Geschwistern vorbehalten, bei Tod eines der Einziehenden waren die Altenbetreuerinnen gehalten, den überlebenden Teil möglichst schnell in eine frei werdende Einzimmerwohnung umzusetzen.92 Die Bewerber um die Altenwohnungen und auch die eingezogenen Bewohner waren im Vergleich mit dem vorangegangenen Jahrzehnt im Durchschnitt älter. Schon zu Beginn der 1970er Jahre mahnten die Altenbetreuerin-

88

89 90 91 92

gebnisse zusammenfasste, waren etwa fünf bis sieben Prozent der älteren Bewohner unzufrieden mit ihrer Wohnung, weil sie zu kalt, zu feucht, schlecht mit sanitären Anlagen ausgestattet, zu hoch gelegen, zu klein war oder es Schwierigkeiten mit Nachbarn gab. Aber auch von den Übrigen, die nicht unzufrieden waren, strebten 17 Prozent der Großstädter einen Wohnungswechsel an. Gründe führt Lehr auf S. 259 an: Die Wohnungen seien ihnen zu groß geworden, erschienen unwirtschaftlich, im Alter wolle man in einer „gesünderen“ oder „landschaftlich schöneren“ Gegend leben. ZA, B 1/13, Nr. 946, Leo R. am 9. Mai 1976 wünschte für seine Mutter eine jüdische Gemeinschaft; Käthe S. am 10. Mai 1976 begründete ihre Bewerbung damit, dass sie die einzige Jüdin in ihrem Hochhaus sei; Ilse K., 21. Mai 1976, die in der NS-Zeit emigriert war, wollte 1976 in die Jüdische Gemeinde Frankfurt zurückkehren; am 19. April 1983 schrieb Szija K., der in einer anderen Altenwohnanlage untergebracht war, an die Jüdische Gemeinde: „Ich habe auch das Bedürfnis zwischen meinen Leuten zu leben und ein bißchen jüdische Gesellschaft zu haben.“ ISG, Fürsorgeamt 3991, Sozialamt Abt. Altenhilfe, An das Amt für Wohnungswesen Herrn OMRat Zeyen, Frankfurt a. M., 23. Juni 1971. ISG, Fürsorgeamt 2553, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Niederschrift über die Sitzung des Seniorenbeirates am Dienstag, den 18. Juni 1974, kleiner Sitzungssaal Braubachstraße, Frankfurt 3. Oktober 1974, S. 3. ISG, Fürsorgeamt 2553, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Niederschrift über die Sitzung des Seniorenbeirates am Dienstag, den 18. Juni 1974, kleiner Sitzungssaal Braubachstraße, Frankfurt 3. Oktober 1974, S. 3. ISG, Fürsorgeamt 4039, Protokoll der Besprechungen mit den Altenbetreuerinnen der Stadt Frankfurt a. M. am 21. September 1971, Frankfurt-Griesheim, 30. September 1971.

4.3 Altenwohnungen

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nen, es sollten keine gebrechlichen Menschen, die von Anfang an Pflegefälle bedeuten könnten, für eine solche Wohnung vorgesehen werden. Die Altenbetreuerinnen wollten sich vor der Vergabe einer Wohnung selbst ein Bild vom Bewerber machen – was ihnen zu diesem Zeitpunkt noch nicht zugestanden wurde.93 Die Altenwohnanlage Gagernstraße der Jüdischen Gemeinde, die 1977 bezogen wurde94, hielt an der Altersgrenze von 75 Jahren fest und begründete so die Ablehnung einer vom Wohnungsamt vorgeschlagenen 79-Jährigen95: „Wir haben stets an dem einmal gefassten Beschluss, keine Bewerber über 75 Jahre aufzunehmen, festgehalten, so dass es für uns schwer zu vertreten ist, nun hier bei Frau S. unseren Standpunkt zu ändern, was übrigens eine Kette von Schwierigkeiten und Beschwerden nach sich ziehen würde.“96 Der Vorstandsbeschluss der Gemeinde lautete sogar, nur Bewerber zwischen dem 60. und 70. Lebensjahr aufzunehmen, wobei auch noch etwas ältere Bewerber berücksichtigt würden. Der Leiter des Altenzentrums und der betreuende Heimarzt begründeten diesen Beschluss der Jüdischen Gemeinde damit, dass eine Versorgung in der Altenwohnanlage in pflegerischer Hinsicht in Ausnahmefällen bei „kurzfristigen Unpäßlichkeiten“97 vom Pflegepersonal des Alten- und Pflegeheimes im Altenzentrum übernommen werden könne. Eine Pflegebedürftigkeit, die bei älteren Menschen über 70 Jahre mit Wahrscheinlichkeit häufiger und oft sehr plötzlich auftrete, könne jedoch nicht bewältigt werden. Die vorwiegend jüdischen Bewohner hätten meist keine Familienangehörigen in der Stadt, welche kleine Hilfsdienste leisten könnten. Frau S. sei deshalb ein Zimmer im Altenheim angeboten worden, wo sie voll verpflegt werden könne; als Zugeständnis an ihre Wünsche dürfe sie dorthin sogar ihre eigenen Möbel mitbringen.98 93 ISG, Fürsorgeamt 4039, Protokoll der Besprechungen mit den Altenbetreuerinnen der Stadt Frankfurt a. M. am 21. September 1971, Frankfurt-Griesheim, 30. September 1971. 94 ZA, B 1/13, Nr. 946, An das Sozialamt der Stadt Frankfurt, Abt. Altenhilfe, 28. April 1977. 95 ZA, B 1/13, Nr. 946, Stadt Frankfurt a. M., Amt für Wohnungswesen, An den Vorstand der Jüdischen Gemeinde, betr. Altenwohnanlage Gagernstraße, hier: Versorgung von Frau Caroline S., 21. März 1977. Frau S. wohne zur Zeit im Wendelsweg in einer Altenwohnung und gehöre dort zu den „körperlich und geistig stabilsten und regsten Bewohnerinnen“. Sie habe den Wunsch, ihren Lebensabend in der Altenwohnanlage der Jüdischen Gemeinde zu verbringen. Am 5. August 1977 verwies das Wohnungsamt auf sein Belegungsrecht, das mit der Bewilligung öffentlicher Mittel zusammenhänge. Die Jüdische Gemeinde schickte vorher Listen mit Vorschlägen an das Amt für Wohnungswesen, die bis dahin immer bewilligt wurden. Die Mehrheit der Bewerber waren Mitglieder der Jüdischen Gemeinde, jedoch nicht ausschließlich (Jüdische Gemeinde Frankfurt a. M., An das Amt für Wohnungswesen, 15. Juni 1976). 96 ZA, B 1/13, Nr. 946, Jüdische Gemeinde an Herrn Magistratsdirektor E. Zeyen, Amt für Wohnungswesen, Frankfurt, 20. April 1977. 97 ZA, B 1/13, Nr. 946, Jüdische Gemeinde Frankfurt a. M., Altersheim, Dr. med. A. Schieback (betreuender Heimarzt) und A. Jachmann (Heimleiter), An das Amt für Wohnungswesen, Frankfurt, 21. April 1977. 98 ZA, B 1/13, Nr. 946, Jüdische Gemeinde Frankfurt a. M., Altersheim, Dr. med. A. Schieback (betreuender Heimarzt) und A. Jachmann (Heimleiter), An das Amt für Wohnungswesen, Frankfurt, 21. April 1977.

142

4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren

Ende der 1970er Jahre äußerten die Träger der Altenbetreuung Kritik an der „Überalterung“ der Bewohner und an der Zuweisung zu den Wohnungen: Es würden „altersbedingte Problemfälle“ eingewiesen, die künftige Einweisung müsse mit der Abteilung Altenhilfe abgestimmt werden.99 Die Altenwohnanlagen waren zu diesem Zeitpunkt zum Teil schon fast 20 Jahre alt und die Bewohner mitgealtert. Der Betreuungsaufwand sei mit der jetzigen Zahl der Altenbetreuerinnen nicht mehr zu bewältigen. Es wurde nun entschieden, dass auch die Altenbetreuerinnen die vorgeschlagenen Personen vor dem Einzug kennenlernen und bei „besonders schwerwiegenden Fällen“100 Bedenken geltend machen könnten, nicht jedoch selbständig über eine Ablehnung entscheiden dürften. Auch sollte ein neues Attest entwickelt werden, das der Arzt unterschreiben sollte. Schon jetzt werde versucht, von allen Bewerbern ein ärztliches Attest vorlegen zu lassen, dass Pflegebedürftigkeit nicht vorliege.101 Die Altenbetreuerinnen schlugen vor, in städtischen Ämtern und Krankenhäusern stärker zu verdeutlichen, was eine „Altenwohnanlage“ sei, denn hier bestehe oft noch die Auffassung, es handele sich um Heime mit Pflegeangebot102 – eine erstaunliche Feststellung etwa 20 Jahre nach dem Bau der ersten Altenwohnungen. 4.3.3 Organisation der Altenbetreuung in den Altenwohnanlagen Im Juli 1972 gab es 16 Altenwohnhäuser bzw. -wohnanlagen, die von Altenbetreuerinnen des „Frankfurter Verbandes für Altersfürsorge“ (ab 1976 „Frankfurter Verband für Alten- und Behindertenhilfe e. V.“), der Wohnheim GmbH, der Arbeiterwohlfahrt und der evangelischen Bethaniengemeinde betreut wurden.103 Die evangelische Bethaniengemeinde hatte 1970 den Altenbetreuungsdienst in zwei Hochhauskomplexen in einem Neubaugebiet am Frankfurter Berg übernommen. Die Hochhäuser waren nicht als Altenwohnhäuser konzipiert worden, sie wurden jedoch zum großen Teil von älteren Bürgern bewohnt. So lebten in dem einen Hochhauskomplex 168 Menschen über 60 Jahre, davon 119 über 65 Jahre, im zweiten Wohnhochhaus waren 26 Wohnungen an ältere Bürger vergeben.104 Die evangelische Bethaniengemeinde, die auch eine Gemeindepflegestation unterhielt, wollte die Altenbetreuung mit einer hauptamtlichen Altenbetreuerin durchführen. Dies ist das einzige 99 ISG, Fürsorgeamt 3996, Abteilung 3 Vermerk, Altenwohnungen, Sitzung vom 30. Januar 1979, Frankfurt, 8. Februar 1979. 100 ISG, Fürsorgeamt 3996, Abteilung 3 Vermerk, Altenwohnungen, Sitzung vom 30. Januar 1979, Frankfurt, 8. Februar 1979. 101 ISG, Fürsorgeamt 3996, Abteilung 3 Vermerk, Altenwohnungen, Sitzung vom 30. Januar 1979, Frankfurt, 8. Februar 1979. 102 ISG, Fürsorgeamt 3996, Ergebnisniederschrift über die Sitzung am 23. April 1979, Einweisung von Bewerbungen in Altenwohnungen, Frankfurt, 30. April 1979. 103 ISG, Fürsorgeamt 3992, Sozialamt Abt. Altenhilfe, 4. Juli 1972. 104 ISG, Stadtverordnetenversammlung 2369, Vortrag des Magistrats an die Stadt-Verordneten-Versammlung M 269, 29. Juni 1970, Begründung.

4.3 Altenwohnungen

143

Beispiel dafür, dass auch Altenbetreuerinnen für alte Menschen, die nicht offiziell in Altenwohnhäusern, jedoch in großer Zahl in Wohnanlagen lebten, bezahlt wurden. Es ist auch der einzige Fall, bei dem eine kirchliche Gemeinde, die eine Gemeindepflegestation unterhielt, die Altenbetreuung von selbständig wohnenden alten Menschen mit übernahm. Der Betreuungsvertrag zu Beginn der 1970er Jahre sah Vergütungen angelehnt an BAT VII–VI b vor, eine wöchentliche Arbeitszeit von 42,5 Stunden, jedoch als geteilter Dienst innerhalb von zwölf Stunden (täglich zwischen 6:30 Uhr und 18:30 Uhr mit einer längeren Mittagspause). Darüber hinaus forderte der Vertrag Rufbereitschaft, die mit höchstens 15 Prozent der tariflichen Vergütung entgolten wurde. Hilfskräfte beschäftigte die Stadt nur für Wochenendvertretungen, Urlaub und Erkrankung in „unbedingt notwendigem Maße“ zu Tagessätzen.105 Ungelöst war aus Sicht der Betreuerinnen die Frage der ständigen Verfügbarkeit durch die Rufbereitschaft. Die Arbeiterwohlfahrt schilderte, was das für die Altenbetreuerinnen bedeute: Die Rufanlage sei in der Dienstwohnung installiert. Es gebe eine Vertreterin, die alle 14 Tage von Freitagabend bis Montagmorgen und bei Urlaubs- oder Krankheitsabwesenheit der Betreuerin die Rufbereitschaft übernehme und dafür eine Pauschale von 50 DM monatlich bekomme – selbst bei einem Nachtdienst in einem Krankenhaus werde mehr gezahlt. Die Rufanlage sei in der Privatwohnung der Vertreterin installiert. Nach jahrelanger Erfahrung müsse man sagen, dass den Altenbetreuerinnen eine unzumutbare Anwesenheit aufgebürdet werde und die Vertreterinnen kläglich vergütet würden. In größeren Altenwohnanlagen wie der Nordweststadt waren zwei Altenbetreuerinnen tätig und damit ein wechselseitiger Dienst gewährleistet. In kleineren Häusern wie Sossenheim mit 59 Wohneinheiten gab es nur eine Person.106 Die Rufbereitschaft wurde ab März 1973 mit 0,74 DM pro Stunde an Werktagen, 0,92 DM pro Stunde an Samstagen und 1,11 DM an Sonn- und Feiertagen gesondert vergütet.107 1973 resümierte der „Frankfurter Verband für Altersfürsorge“, dass die „Abkehr vom Altenheim herkömmlicher Prägung“ eingeleitet worden sei.108 Die alten Menschen würden länger selbständig bleiben und länger in den Altenwohnanlagen wohnen als vorher gedacht. Vor fünf Jahren sei noch eine Altersschicht zwischen 65 und maximal 75 Jahren realistisch als Bewohner angesehen worden, nun seien einige schon bei der Einweisung älter als 75 Jahre. Das hatte auch Einfluss auf die Betreuung. Es sollten verstärkt qualifizierte Krankenschwestern für die Betreuung gewonnen werden. Daneben müsse man auch Sozialarbeiterinnen berücksichtigen, denn „Betreuen“ bedeute mehr als Hilfe 105 ISG, Fürsorgeamt 3992, Betreuungsvertrag vom 21. Januar 1971 mit der Gemeinnützigen Gesellschaft für Wohnheime und Arbeiterwohnungen; der Vertrag trat rückwirkend zum 1. Januar 1970 in Kraft und ersetzte den Vertrag vom 6. August 1964. 106 ISG, Fürsorgeamt 3992, Arbeiterwohlfahrt an Abt. Altenhilfe, o. D. (1971). 107 ISG, Fürsorgeamt 3992, Personalamt an das Sozialamt, betr. Rufbereitschaft, 16. März 1973. 108 ISG, Fürsorgeamt 3992, Frankfurter Verband, 6. August 1973, an das Sozialamt Abt. Altenhilfe.

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren

beim Putzen oder Verabreichen der Medikamente; kulturelle Veranstaltungen seien mehr als Dia-Vorträge. Zum Erreichen dieses Zieles sei die „Hausfrau mit Herz“109 überfordert. Tatsächlich musste aber wegen des Personalmangels eigentlich jede Bewerberin eingestellt werden.110 Als Altenbetreuerin im Lettigkautweg in Sachsenhausen wurde 1973 nach Ausscheiden von Frau T. Frau H. eingesetzt, deren Mann dort Hausmeister war, obwohl sie keine Ausbildung als Krankenschwester oder Altenpflegerin hatte.111 Ein Problem in der Personalgewinnung war, dass die Tätigkeit zunächst nur für ledige Betreuerinnen geeignet schien. Diese Sicht änderte sich bei einzelnen Trägern: In den großen Altenwohnhochhäusern waren Dienstwohnungen für die Altenbetreuerinnen vorgesehen, jedoch nur kleine Zweizimmerwohnungen, so dass die Arbeiterwohlfahrt 1979 wünschte, eine weitere Nachbarwohnung als Dienstwohnung anzumieten und so eine Familienwohnung zu schaffen, um auch Altenbetreuerinnen mit Familie für diesen Dienst zu gewinnen, wenn die gegenwärtige Altenbetreuerin in Pension gehen werde.112 Ende der 1970er Jahre beschäftigte man Kräfte aus Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) als zusätzliche Betreuerinnen in Altenwohnanlagen.113 Der „Frankfurter Verband“ forderte 1973 in einer Stellungnahme für seine Altenbetreuerinnen zusammenhängende Dienste, Rufbereitschaft an höchstens 15 Kalendertagen zusätzlich sowie eine ständige qualifizierte Vertretung. Der Personalschlüssel solle 1:100 Betreute nicht überschreiten. Die Stadt Frankfurt zahlte den Trägern der Betreuung einen pauschalen Satz je Wohneinheit, der rasch stieg und die Forderungen der Träger berück109 ISG, Fürsorgeamt 3992, Frankfurter Verband, 6. August 1973, an das Sozialamt Abt. Altenhilfe. 110 ISG, Fürsorgeamt 3992, Frankfurter Verband, 6. August 1973, an das Sozialamt Abt. Altenhilfe. 111 ISG, Fürsorgeamt 3992, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Vermerk Altenbetreuung Lettigkaut-/ Wendelsweg, 24. April 1973. Die Rufbereitschaft in der Nacht wurde in einem Altenwohnheim der evangelischen Luthergemeinde zunächst den beiden Diakonissen, die in der Gemeindekrankenpflege tätig waren, in dem Altenwohnheim jedoch eine Dienstwohnung beziehen konnten, übertragen. Die Oberin erklärte sich mit der Übernahme dieser Bereitschaft übergangsweise bis zur Fertigstellung des Pflegeheims mit Nachtwachen einverstanden und bat nur darum, eine andere Regelung zu finden, falls die Schwestern durch die Notrufanlage häufiger in der Nachtruhe gestört würden. Von einer Vergütung war nicht die Rede. (Briefwechsel Diakonissenvorsteherin Anneliese Oehler und Pfarrer Böcker von der Evangelischen Luthergemeinde Februar und März 1973, in: Frankfurter Diakonissenhaus Archiv, Nr. 101, Luthergemeinde). Die Schwestern übernahmen diese Rufbereitschaft zusätzlich zu über 5.000 Krankenbesuchen im Jahr. 112 ISG, Fürsorgeamt 4036, Arbeiterwohlfahrt Kreisverband, Stadt Frankfurt a. M., Amt für Wohnungswesen, Frankfurt, 5. März 1979; ein Ansinnen, das von der Stadt abgelehnt wurde, siehe Vermerk, handschriftlich, vom 13. April 1979. Es seien schon genug Wohnungen für Personal blockiert, man blockiere nun keine weitere, „nur weil die AW Personalschwierigkeiten hat“. 113 ISG, Fürsorgeamt 2555, Niederschrift über die Sitzung des Seniorenbeirates am Montag, den 20. November 1978 im Budge-Heim, Frankfurt, 24. November 1978, S. 3. Bewohner der Altenwohnanlage Kohlbrandstraße protestierten gegen das Auslaufen der Beschäftigung von zwei zusätzlichen Betreuerinnen, die ABM-Verträge hatten.

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4.3 Altenwohnungen

sichtigte, wie der Sprung von geplanten 332 DM pro Wohneinheit (WE) für das Jahr 1974 auf geplante 459 DM pro Wohneinheit für 1975 zeigt.114 Mit der Pauschalisierung entfiel der Zwang für die Stadt, selbst Mietverträge für die Betreuungsräume abzuschließen und die Eingruppierung der Betreuungskräfte vorzuschreiben.115 Freigestellt war damit den Trägern des Betreuungsdienstes die Betreuung nicht. Die Einstellung von Bewerbern, die nicht über eine geeignete Berufsausbildung verfügten, bedürfe der Zustimmung der Stadt; es müsse mindestens folgender Personalschlüssel erfüllt werden: eine nebenamtliche Kraft bis 79 Wohneinheiten, bei 80 bis 150 Wohneinheiten eine hauptamtliche Kraft, bei mehr als 150 Wohneinheiten zwei hauptamtliche Kräfte.116 Die Forderung eines Personalschlüssels von 1:100 des „Frankfurter Verbandes“ wurde damit nicht erfüllt. Als Reaktion auf erneute Kritik der Träger am Ende des Jahrzehnts sollte die Kostenerstattung 1979 mit Pauschalen neu geregelt werden; als Basis setzte man eine Betreuungskraft je 60 Wohneinheiten und die Arbeitsplatzkosten an.117 Insgesamt waren damit ca. 828 DM Pauschale pro Wohneinheit vorgesehen. Damit waren auch die Vertretungen der Betreuerinnen abgegolten. 1980 betrug die Pauschale schon rund 887  DM pro Wohneinheit. Zu diesem Zeitpunkt wurden 1.762 Wohneinheiten vom „Frankfurter Verband“ betreut, 1.011 von der Arbeiterwohlfahrt, 993 von der „Gemeinnützigen Gesellschaft für Wohnheime und Arbeiterwohnungen mbH“, 111 von der Jüdischen Gemeinde und 68 von der Luthergemeinde, 57 vom Evangelischen Regionalverband, zwölf von der Frankfurter Wohnungsgenossenschaft, 36 von der Rothschild’schen Stiftung und 69 vom Gemeinnützigen Siedlungswerk.118 Diese Neuregelung sah eine intensivere Betreuung vor, da nur noch 60 Wohn-

114

Jahr

Haushaltsansatz

WE

Betrag je WE

1972

444.600

1.678

263,54

1973

450.000

1.727

260,56

1974

934.800

2.813

332,31

1975

1.315.000

2.862

459,47

1976

1.544.180

2.977

518,70

Quelle: ISG, Fürsorgeamt 3992, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Vermerk, 29. Oktober 1975. 115 ISG, Fürsorgeamt 3996, Vortrag des Magistrats an die Stadtverordneten-Versammlung 1977 (Entwurf) und Vermerk der Abteilung Altenhilfe vom 13. Juli 1977. 116 ISG, Fürsorgeamt 3996, Anlage Vertragsentwurf zum Vortrag des Magistrats. 117 ISG, Fürsorgeamt 3996, Vortrag des Magistrats vom 19. November 1979, M 371, Protokoll Auszug der Stadtverordneten-Versammlung Frankfurt a. M., IX. Wahlperiode, Frankfurt, 31. Januar 1980. Der Vertrag trat erst zum September 1980 in Kraft, dann schon mit höheren Pauschalen. 118 ISG, Fürsorgeamt 3996, Anlage Vortrag des Magistrats.

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren

einheiten auf eine Betreuungskraft entfielen.119 1980, so Stadtrat Trageser in der Seniorenzeitschrift, zahle die Stadt für den Betreuungsdienst in den Altenwohnanlagen etwa 3,7 Millionen  DM; dies sei eine freiwillige Leistung im Rahmen des kommunalen Altenplanes.120 Ganz so freiwillig wie dargestellt war der Betreuungsdienst angesichts der Bedingungen für Zuschüsse des Landes Hessen jedoch nicht. Eine Umfrage des KDA Ende der 1970er Jahre zur Betreuung in Altenwohnungen machte deutlich, dass die Betreuung in der Bundesrepublik ganz unterschiedlich geregelt war.121 24 Städte122 antworteten auf die Umfrage, die „eingestreute“ Altenwohnungen (hier wird nicht deutlich, ob damit auch Altenwohnhäuser mit vielen Wohnungen gemeint waren) oder an Heime angebundene Altenwohnungen unterhielten. Die Mehrzahl der antwortenden Städte hatte keine besondere Betreuung in den eingestreuten Altenwohnungen und gab an, ohne genaue Angaben zum Umfang zu machen, dass die an Heime angebundenen Wohnungen vom Heimpersonal mitbetreut würden. Düren schrieb, es sei kein Bedürfnis nach zusätzlicher Hilfe erkennbar, die Bewohner betreuten sich gegenseitig. In acht Städten wurden auch die „eingestreuten“ Altenwohnungen oder Altenwohnanlagen betreut, der Umfang war jedoch unterschiedlich und lag in den meisten Städten deutlich unter dem in Frankfurt, was schon an den Zuschüssen deutlich wird, die die Städte zahlten und die – falls angegeben – um die 100 DM pro Wohnung und Jahr betrugen.123 In Berlin gab es eine Betreuerin für je 250 Wohneinheiten, die bei den Bezirksämtern angestellt war. In Wiesbaden hatte jede Altenwohnanlage mit etwa 80 bis 120 Wohnungen, ähnlich wie in Frankfurt, eine Krankenschwester als Betreuerin. Andere Städte meldeten, dass die Wohnungen von den Hauspflegevereinen, sozialen Diensten oder Gemeindekrankenschwestern mitbetreut würden124 oder aber durch den Außendienst des Sozialamtes.125 Einzelne Städte hatten jedoch auch umfassend versorgte Altenwohnungen: In München gab es Anfang der 1970er Jahre in den Wohnstätten für Selbstversorger der Stadt einen Betreuungsschlüssel von 1:55 (also besser als in Frankfurt), in den gewerblichen Heimen war jedoch nur eine Betreuungskraft für 98 Bewohner vorgesehen.126 Bonn berichtete 1979 über ein kleines Projekt mit 119 Seniorenzeitschrift, 2/1980, S. 7, „Verbesserte Betreuung in Altenwohnanlagen“. 120 Seniorenzeitschrift, 2/1980, S. 7, „Verbesserte Betreuung in Altenwohnanlagen“. 121 Ergebnisse der Umfrage des Deutschen Städtetages mit dem Kuratorium Deutsche Altershilfe, 1/79, He/mdt, hier in: ISG, Fürsorgeamt 3996. 122 Düren, Bielefeld, Esslingen am Neckar, Frankfurt a. M., Gütersloh, Krefeld, Lüneburg, Offenbach am Main, Wiesbaden, Wuppertal, Essen, Hildesheim, Saarbrücken, Mannheim, Münster, Ansbach, Witten, Freiburg, Tuttlingen, Castrop-Rauxel, Moers, Berlin, Emlichheim, Hof. 123 Witten, Castrop-Rauxel, Bielefeld. 124 Hildesheim, Saarbrücken, Freiburg, Offenbach. 125 Wuppertal, Hildesheim, Saarbrücken, Münster, Esslingen. 126 BArch, B 189/11034, Schreiber, Torsten: Altenhilfe in den Ländern. – Altenpläne und Erhebungen der Länder; eine Analyse im Auftrag des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit, vom 1. Oktober 1973 (Auftragsdatum), S.  63 f., 68, über die Studie „Zur Situation alter Menschen in München“.

4.3 Altenwohnungen

147

50 Altenwohnungen im sozialen Wohnungsbau mit dauernd besetzter Notrufanlage und Vermittlung von Pflegediensten im Bedarfsfall über die Sozialstation, die sich im selben Haus befand. Auch die Einsatzstelle des mobilen Mahlzeitendienstes befand sich im Haus. Ein Empfangsbüro war täglich zehn Stunden lang besetzt und organisierte Einkaufsdienste, die Besorgung von Theater- und Konzertkarten, Hol- und Bringdienste zum Theater, zu Konzerten und anderen Veranstaltungen sowie den Transport zur Unterwassergymnastik im benachbarten Krankenhaus. Ein Friseur war ausschließlich für die Hausbewohner tätig. Es wurde Fußpflege, Massage und Gymnastik im Haus angeboten.127 Dieses umfassende und vernetzte Angebot von Diensten war im sozialen Altenwohnungsbau nicht die Regel. 4.3.4 Umfang der Betreuung – Anspruch und Wirklichkeit Mit den Mietern schloss man neben dem Mietvertrag zusätzlich einen Betreuungsvertrag ab. Unentgeltlich wurde die Rufanlage garantiert, die persönliche Betreuung bei Erkrankungen und die Vermittlung ärztlicher Behandlung und ambulanter Hilfen, die Verabreichung nicht rezeptpflichtiger Medikamente in zulässigen kleinen Mengen, die Einschaltung bei notwendiger Einweisung in ein Krankenhaus, Vorbereitungen zur Verlegung bei erforderlicher dauernder Heimbetreuung, Beratung der Bewohner in hygienischer Hinsicht, insbesondere in der Körperpflege, Hilfestellung in wirtschaftlichen Angelegenheiten und im Verkehr mit Behörden.128 In einigen wenigen Fällen garantierte man zudem eine zusätzliche kostenpflichtige Betreuung bei Pflege, die kurzfristig vermittelt werden sollte.129 Eine solche Möglichkeit gab es durch die räumliche und organisatorische Nähe von Altenwohnungen und Alten- und Pflegeheim. Wie das folgende Kapitel verdeutlicht, wurde diese Pflege jedoch keinesfalls stets kurzfristig bereitgestellt. Es gab ein ständig besetztes Betreuungsbüro. Kostenpflichtig konnten ein Wäschedienst, die Lieferung von Mahlzeiten aus der Küche des Altenheimes oder eine Anmeldung zum Essen im Altenheim (dies war nur möglich, wenn es sich um ein mehrgliedriges Altenzentrum handelte) gebucht werden. Einzelne Träger, wie der „Frankfurter Verband“, schrieben die Aufrechterhaltung des Kontaktes bei Krankenhausaufenthalt eines Bewohners fest.130 Ferner sah die Dienstanweisung an die Betreuerinnen regelmäßige Hausbesuche, mindestens einmal je Vierteljahr, bei allen Bewohnern vor, hinzu kamen 127 ISG, Fürsorgeamt 3996, Kopie: Haus Lotharstraße, Wohn- und Begegnungszentrum für ältere Bürger e. V., Bonn, Sozialamt, 18. März 1979. 128 ISG, Fürsorgeamt 3996, Vortrag des Magistrats an die Stadtverordneten-Versammlung 1977, Anlage: Vertrag. Diese Elemente waren auch Bestandteil des Vertrages zwischen der Stadt und den Trägern der Betreuung, siehe z. B. ISG, Fürsorgeamt 4039, Vertrag zwischen der Stadt und Frankfurter Verband für Altersfürsorge, 1. April 1969. 129 ZA, B 1/13, Nr. 946, Betreuungsvertrag zwischen der Jüdischen Gemeinde Frankfurt a. M. und den Mietern der Wohnung Nr. 41 in der Gagernstr. 44. 130 ISG, Fürsorgeamt 3996, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Vermerk, 14. März 1978.

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren

„Anlassbesuche“ zu Geburtstagen und Jubiläen. Diese Dienstanweisung zum Ende des Jahrzehnts ging über die im Betreuungsvertrag garantierten Dienste hinaus. Die Betreuerin solle in Gesundheitsfragen beraten und „vorbeugende Hilfen“ vermitteln. „Darüber hinaus versucht sie, sich über den Gesundheitszustand des Bewohners so frühzeitig wie möglich eine Meinung zu verschaffen. So kann es in einzelnen Fällen sinnvoll sein, sofern von den Betroffenen gewünscht, Kontakt zum jeweiligen Hausarzt aufzunehmen.“131 Injektionen durften nur nach schriftlicher Verordnung des Arztes ausgeführt werden. Krankenbesuche waren Teil der Betreuungstätigkeit, sowohl bei kurzfristigen Erkrankungen, die zweckmäßig und sachgerecht in der Wohnung behandelt werden könnten, als auch beim stationären Krankenhausaufenthalt. Krankenpflegedienste seien bei kurzfristigen Erkrankungen auszuführen, dabei müsse die Hygiene und Sauberkeit am Kranken und in den Wohnräumen gewährleistet sein. Die sogenannte „kulturelle Beratung“ umfasste die Beratung der älteren Bürger über Angebote im Stadtteil und die Motivierung der Bürger, sich Gruppen und Klubs anzuschließen.132 Die Stadt Frankfurt konkretisierte 1980 den Betreuungsvertrag mit den Trägern im Hinblick auf den Zugang zu den Wohnungen, der vorher nicht geregelt war: „Die Nachschau bei Bewohnern, die ohne Abmeldung längere Zeit durch das Betreuungspersonal oder Nachbarn nicht gesehen wurden erfolgt mit Hilfe eines General- oder Zweitschlüssels.“133 Es gab eine Notrufanlage in die Wohnung der Altenbetreuerin, die auch nachts gehört werden musste.134 Diese Technik war bedeutsam für die Bewohner, aber störanfällig: Eine Notrufanlage in einem Hochhaus meldete z. B. Fehl- und Daueralarme nach Regen. Vermutet wurde die fehlerhafte Isolierung der Kabel in der Erde, sie sei überaltert und nicht mehr zeitgemäß. Da es sich jedoch um „das A und O in einer Altenwohnanlage“135 handele und sich die alten Menschen darauf verlassen müssten, dass ihnen Hilfe zuteil werde, wenn sie diese brauchten, bat die Arbeiterwohlfahrt den Eigentümer um Renovierung bzw. gleich um eine neue Anlage, die über der Erde verlief; ideal wäre eine Gegensprechanlage. Die beste, wenn auch teuerste Lösung sei, dass die Betreuerinnen ein Sprechgerät bekämen, wie es in den Häusern des Wohnstifts Augustinum oder im Altkönigsstift in Oberhöchstadt – private Wohnstifte, die deutlich mehr finanziellen Einsatz erforderten  – üblich sei. Das kleine Gerät habe einen Radius von drei Kilometern, sei praktisch wartungsfrei bis auf den Batteriewechsel und garantiere die optimale Betreuung. Eine Gegensprechmöglichkeit gab es jedoch auch weiterhin nicht, so dass die 131 ISG, Fürsorgeamt 3996, Dienstanweisung Frankfurter Verband, undatiert (1978 gültig). 132 ISG, Fürsorgeamt 3996, Dienstanweisung Frankfurter Verband, undatiert (1978 gültig). 133 ZA, B 1/13, Nr. 946, Vertrag zwischen der Stadt Frankfurt a. M. und der Jüdischen Gemeinde Frankfurt M. (Betreuungsträger), 26. Juni 1980. 134 ISG, Fürsorgeamt 3996, Vermerk des Sozialamtes, Abt. Altenhilfe, betr. Altenbetreuungsdienst in der Altenwohnanlage Frankfurt a. M.-Nordweststadt, Frankfurt, 17. Juli 1970. 135 ISG, Fürsorgeamt 4037, Arbeiterwohlfahrt Frankfurt a. M., An die Stadt Frankfurt a. M., Magistrat Sozialamt, Abteilung Altenhilfe, 15. Februar 1971.

4.3 Altenwohnungen

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Altenbetreuerin in die Wohnung gelangen musste, aus der der Notruf kam.136 Im Dezember 1970 beklagten sich mehrere Bewohner der Altenwohnanlage am Lettigkautweg in Sachsenhausen schriftlich bei der Sozialstation, dass die Altenbetreuerin dauerhaft wegen Krankheit abwesend und die Aushilfe nicht an die „Notglocke“ angeschlossen sei. „Die Alten und Kranken leiden unter diesem Zustand sehr. Wir sind dadurch nachts in Lebensgefahr, da keine Hilfe indirekt im Notfall vorhanden ist.“137 Die Abteilung Altenhilfe beschwichtigte, dass dafür die Vertreterin den Mietern in ihrer Wohnung jederzeit zur Verfügung stehe und bei hilfsbedürftigen Mietern auch nachts Besuche vornehme. Ab Anfang Januar 1971 werde die Altenbetreuungsstelle wieder besetzt.138 Kurzzeitige oder längerfristige Pflegebedürftigkeit bereitete den Bewohnern der Altenwohnungen Sorgen. 1971 hatte die Sozialverwaltung die Absicht, in jeder Altenwohnanlage in einer Zweizimmerwohnung eine Krankenpflegestation, eine sogenannte Hauspflegestation, mit jeweils vier Betten einzurichten.139 Dort sollten alleinstehende Menschen, die keine Krankenhausbehandlung bräuchten, vorübergehend versorgt werden. Vorübergehend meinte höchstens ein paar Wochen. Die Aufnahme sollte erst nach ärztlicher Begutachtung durch die Abteilung Altenhilfe ermöglicht werden. Die Betreuung sollte einer zusätzlichen, examinierten Krankenschwester übertragen werden und nicht Aufgabe der Altenbetreuerin sein. Es sei ein Angebot auch für Menschen nach einem Krankenhausaufenthalt für die Zeit der Rekonvaleszenz, in der die Menschen sich nicht selbst in ihren Wohnungen versorgen könnten. Die Krankenhäuser würden so von diesen Fällen entlastet. Kostenübernahme sei durch die Krankenkassen möglich für Hauspflege, ansonsten könne das Sozialamt Kosten als Hilfe in besonderen Lebenslagen übernehmen. Hauspflegerinnen gebe es zu wenig. Die Abteilung Altenhilfe fragte bei der AOK wegen einer Kostenübernahme an, die Antwort fiel negativ aus: Die Fälle seien in aller Regel Pflegefälle und nicht Krankenhausbehandlungsfälle, daher gebe es keine Kostenübernahme der Hauspflege als Ersatzleistung in den Krankenpflegestationen in Altenwohnhäusern.140 Später räumte die AOK jedoch ein, dass sie sich an den Kosten im Rahmen der Reichsversicherungsordnung beteiligen könnte, wenn es sich um Hauspflege handle, die Krankenhauspflegebedürftigkeit vermeide und die vom Arzt beantragt werde. Sie müsse zweckmäßig und ausrei-

136 ISG, Fürsorgeamt 4037, handschriftlicher Vermerk in der Akte, 4. Februar 1977. 137 ISG, Fürsorgeamt 3993, Elf Bewohnerinnen und Bewohner der Altenwohnheime am Lettigkautweg, An den Vorstand der Sozialstation Frankfurt/M Sachsenhausen, Frankfurt, 1. Dezember 1970. 138 ISG, Fürsorgeamt 3993, Abteilung Altenhilfe an Frau Käthe K., 24. Dezember 1970. 139 ISG, Fürsorgeamt 4039, Protokoll der Besprechungen mit den Altenbetreuerinnen der Stadt Frankfurt a. M. am 21. September 1971, Frankfurt-Griesheim, 30. September 1971, S. 3 f. 140 ISG, Fürsorgeamt 9061, Allgemeine Ortskrankenkasse Frankfurt a. M., an die Stadt Frankfurt, Sozialamt Abt. Altenhilfe, 5. Juli 1971.

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chend oder aus einem wichtigen in der Person des Versicherten liegenden Grund statt Krankenhauspflege angebracht sein.141 Gegen die Einrichtung der Stationen in den Altenwohnhäusern gab es schon vor Beginn Bedenken der Altenbetreuerinnen: Im Winter reiche womöglich die Bettenzahl nicht, und dann gebe es eine „Auslese“142, wer in der hauseigenen Krankenstation bleiben könne und wer in ein Krankenhaus gehen müsse, was zu Missstimmungen der Bewohner führe. Die Bewohner hätten freie Arztwahl, es seien also viele verschiedene Hausärzte für die Bewohner zuständig, und es könne rechtlich nicht ein einzelner Arzt die Station betreuen. Eine Altenbetreuerin fürchtete, dass mit dem Angebot erst eine Pflegebedürftigkeit entstünde: Das Bedürfnis nach Pflege wachse bei den Bewohnern an, wenn sie wüssten, dass sie nach einigen Wochen wieder in ihre Wohnung zurückgehen könnten.143 Im (nicht ausgesprochenen) Umkehrschluss bedeutet ihre Annahme, dass Bewohner (bewusst) deshalb nicht pflegebedürftig würden, weil diese Bedürftigkeit mit einem Krankenhausaufenthalt oder dem Umzug in ein Heim verbunden war. Die Geschäftsführerin des Frankfurter Hauspflegevereins merkte 1976 kritisch an, dass die Bezeichnung „Hauspflegestation“ irreführend sei, da hier keine Versorgung im häuslichen Umfeld durch Hauspflegerinnen geleistet würde. Es seien eher „Pflegestationen“ oder „Krankenreviere“.144 In einer Altenwohnanlage in der Wilhelm-Eppstein-Anlage wurde Ende 1973 eine erste „Hauspflegestation“ eingerichtet.145 Es wurde versucht, Absprachen mit Hausärzten in der näheren Umgebung zur Verordnung zu treffen. Ärzte sollten die Aufnahme in die Hauspflegestation beantragen mit Angabe der Diagnose, der Notwendigkeit, der Art, des Umfangs und der voraussichtlichen Dauer der Hauspflege. Ferner erbat man die Bereitschaft der Hausärzte, ihre Patienten während der Verweildauer in der Hauspflegestation ärztlich zu betreuen, da dies eine der Voraussetzungen der Reichsversicherungs-

141 ISG, Fürsorgeamt 9061, AOK, Stadt Frankfurt, Sozialamt Abt. Altenhilfe, 20. September 1973. Die übrigen Kosten sollten wie bei der Hauspflege auch von Selbstzahlern beglichen werden oder vom Sozialamt (Sozialamt Abt. Altenhilfe, Frankfurt, 3. Oktober 1973). Zuschüsse betrugen nur höchstens 55 Prozent des Erwachsenenpflegesatzes in der Universitätsklinik, siehe ISG, Fürsorgeamt 9061, Richtlinien des Vorstandes der Allgemeinen Ortskrankenkasse Frankfurt a. M. für die Gewährung von Hauspflege bzw. Mutterschaftshauspflege. 142 ISG, Fürsorgeamt 4039, Protokoll der Besprechungen mit den Altenbetreuerinnen der Stadt Frankfurt a. M. am 21. September 1971, Frankfurt-Griesheim, 30. September 1971, S. 4. 143 ISG, Fürsorgeamt 4039, Protokoll der Besprechungen mit den Altenbetreuerinnen der Stadt Frankfurt a. M. am 21. September 1971, Frankfurt-Griesheim, 30. September 1971, S. 4. 144 ISG, Fürsorgeamt 3043, Hauspflege-Verein e. V. Frankfurt/M., Herrn Theo Bauer, Sozialamtsleiter, Dezernat Soziales und Jugend der Stadt Frankfurt a. M., Frankfurt, 5. Juli 1976. 145 ISG, Fürsorgeamt 9061, Abt. Altenhilfe an Allgemeine Ortskrankenkasse, Frankfurt, 23. August 1973.

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ordnung sei.146 Nur einer der angeschriebenen Hausärzte erklärte sich zur Zusammenarbeit bereit.147 Im Februar 1974 wurde eine Krankenschwester oder geprüfte Altenpflegerin für diese Station gesucht.148 Da kostendeckende Pflegesätze nicht verlangt werden konnten, wurden städtische Mittel von 68.000 DM an den „Frankfurter Verband“ gewährt.149 Die Krankenpflegestation wurde nie belegt150; ob die Einstellung einer Krankenschwester scheiterte oder es an der mangelnden Bereitschaft der Hausärzte zur Zusammenarbeit lag, ließ sich nicht ermitteln. In einer neuen Altenwohnanlage in der Mörfelder Landstraße wurde die Einrichtung im Frühjahr 1975 erprobt.151 Die umliegenden Ärzte hatten sich trotz Vorbehalten zur Mitarbeit bereit erklärt und wollten prüfen, ob im Erkrankungsfall eine Unterbringung in der Krankenpflegestation anstelle von Krankenhausbehandlung erfolgen könne. Patienten, die einer intensiven ärztlichen Überwachung und hoher pflegerischer Betreuung bedürften, wie Dauertropf, Infusionen und mehrmaligen Spritzen am Tag, sollten dort nicht behandelt werden.152 Auch sollten nur Patienten medizinisch versorgt werden, die keine besondere Diät brauchten. Zunächst sei es an den beiden Altenbetreuerinnen und der Urlaubsvertretung in der Wohnanlage, zu versuchen, die Patienten zu versorgen. Neue Pflegekräfte sollten nicht eingestellt werden, obwohl an sich extra Pflegekräfte, zwei Nachtwachen und eine Putzhilfe vorgesehen waren. Kurz darauf wurde die Krankenpflegestation aufgegeben.153 Als Gründe des Scheiterns nannte man in der Rückschau, dass die Station von den Bewohnern nicht angenommen worden sei; diese seien lieber ins Krankenhaus gegangen. Die Pflegekosten durch Einzelnachtwachen seien deutlich höher als die in einem Pflegeheim.154 Im Sozial- und Rehazentrum Marbachweg wurde von Beginn an eine Hauspflegestation für die Altenwohnanlage eingeplant, im Stellenplan waren zwei Stationsschwestern für die Haus-

146 ISG, Fürsorgeamt 9061, Abt. Altenhilfe, Rundbrief an Hausärzte, 5. Dezember 1973. 147 ISG, Fürsorgeamt 9061, Abteilung Altenhilfe, handschriftlicher Vermerk, 14. Januar 1974, und Brief Dr. med. Neubronner, An das Sozialamt Abt. Altenhilfe, 10. Januar 1974. 148 ISG, Fürsorgeamt 9061, Stellenanzeige aus der FR vom 27. Februar 1974. 149 ISG, Fürsorgeamt 9061, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Vermerk, Frankfurt, 11. Dezember 1974. 150 Die Zahlung wurde daher nachträglich beanstandet; sie sei nur erfolgt, weil vor Ende des Rechnungsjahres noch Mittel vorhanden gewesen seien, siehe ISG, Fürsorgeamt 9061, Schlussbericht des Revisionsamtes über die Prüfung der Jahresrechnung 1974, 5. Februar 1976. 151 ISG, Fürsorgeamt 9061, Frankfurter Verband für Altersfürsorge e. V., Frankfurt a. M., 21. Februar 1975, betr. Krankenpflegestation in der Altenwohnanlage Mörfelder Landstraße. 152 ISG, Fürsorgeamt 9061, Frankfurter Verband für Altersfürsorge e. V., Frankfurt a. M., 21. Februar 1975, betr. Krankenpflegestation in der Altenwohnanlage Mörfelder Landstraße. 153 ISG, Fürsorgeamt 4154, Sozialamt Sozialplanung, Entwurf, Geplante Altenwohnanlage Mittlerer Hasenpfad, Frankfurt a. M., 5. Dezember 1984, S. 3. 154 ISG, Fürsorgeamt 4154, Sozialamt Sozialplanung, Entwurf, Geplante Altenwohnanlage Mittlerer Hasenpfad, Frankfurt a. M., 5. Dezember 1984, S. 3.

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pflegestation, zwei Nachtwachen und zwei Stationshilfen vorgesehen.155 Im überarbeiteten Stellenplan von Mai 1975 wurden diese Positionen jedoch ersatzlos gestrichen. Zwei Stellen aus dem alten Stellenplan – „Stationshilfen“ – wurden in Stellen für Berufspraktikantinnen für Sozialarbeit umgewandelt, da sich gezeigt habe, dass der Bedarf an sozialpädagogischen Diensten in dem Zentrum umfassender sei als angenommen.156 Ob die kleinen Krankenpflegestationen in den Altenwohnanlagen je belegt waren und dort auch gepflegt wurde, ließ sich nicht ermitteln; schon wenige Jahre später wurde das Konzept offiziell aufgegeben. 1978 berichtete die Abteilung Altenhilfe, dass alle Versuche, eine solche Station einzurichten, an der mangelnden ärztlichen Versorgung gescheitert seien und die Stationen nach sehr kurzer Zeit wieder hätten aufgelöst werden müssen. Man rate daher von diesem Vorhaben dringend ab.157 Eine vorübergehende Betreuung bei Bettlägerigkeit war damit in den Altenwohnanlagen nicht mehr möglich. 4.3.5 Konflikte zwischen Bewohnern, Betreuerinnen und Behörden Die überlieferten Quellen, die etwas über den Kontakt der Bewohner untereinander und über das Verhältnis zwischen Bewohnern und Altenbetreuerinnen, Behördenmitarbeitern und Vermietern aussagen können, zeichnen ein überwiegend negatives Bild. Es sind ausschließlich Beschwerden in den Akten des Sozialamtes überliefert. Sie zeigen jedoch auch die vermittelnde Rolle der Abteilung Altenhilfe des Sozialamtes. Es liegt nahe, dass Bewohner, Betreuer und Behördenmitarbeiter eher negative Ereignisse schriftlich dokumentierten. Dies soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Mehrzahl der Beziehungen vermutlich positiv oder zumindest neutral war. Es gab Beschwerden über Nachbarn; häufig über solche, die nicht zur Zielgruppe der Altenwohnungen gehörten. Die Beschwerden entsprachen der Annahme der Stadt, dass alte Menschen zwar einerseits eingestreute Wohnungen in gewachsenen Stadtquartieren vorzögen, gleichzeitig jedoch Ruhe suchten, die nicht mit dem Zusammenleben mehrerer Generationen vereinbar sei.158 In 155 ISG, Fürsorgeamt 4069, Frankfurter Verband für Altersfürsorge – Geschäftsstelle –, Vorläufiger Stellenplan 1974 für das Sozialzentrum Marbachweg, 28. November 1973. 156 ISG, Fürsorgeamt 4069, Frankfurter Verband für Altersfürsorge – Geschäftsstelle –, Vorläufiger Stellenplan für das Sozialzentrum Marbachweg, 21. Mai 1975. 157 ISG, Fürsorgeamt 2554, Abt. Altenhilfe als Geschäftsstelle des Seniorenbeirates, Niederschrift über die Sitzung des Seniorenbeirates am Montag, dem 13. Februar 1978 in der Altenwohnanlage Goldstein, Frankfurt, 1. März 1978, S. 2. 158 ISG, Fürsorgeamt 2554, Abteilung Altenhilfe, Niederschrift über die Sitzung des Seniorenbeirates am Donnerstag, den 3. Juni 1976 in der Altenwohnanlage Roter Graben, Frankfurt, 21. Juni 1976, S. 4 f. Die Frankfurter Seniorenzeitschrift, die die Abteilung Altenhilfe seit 1975 vierteljährlich herausgab, nahm das Thema Generationenkonflikt redaktionell mehrfach auf, nicht jedoch in den Leserzuschriften. In Ausgabe 4/1975, S. 4–8, erschien ein mehrseitiger Artikel zu Nachbarschaftskontroversen um einen neuen Spielplatz in einer Frankfurter Wohnanlage unter dem Titel „Müssen Kinder still sein?“. In Reportageform wurde die Sicht von einigen älteren Bewohnern dargestellt, die sich

4.3 Altenwohnungen

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der damals schon einige Jahre bestehenden Altenwohnanlage Vatterstraße wurden 1975 angeblich Wohnungen an nicht sesshafte, alleinstehende Männer vergeben, insbesondere die kleinen, nur 18 Quadratmeter großen Wohnungen, die nicht mehr gut vermietet werden könnten, so die Altenbetreuerin; die alten Leute fühlten sich belästigt.159 Die Abteilung Gefährdetenhilfe des Sozialamtes stritt ab, dass es sich bei den (älteren) Männern um vorher Nichtsesshafte handle.160 In einem Altenwohnhaus wurde auf Veranlassung des Sozialamtes eine jüngere Frau mit ihrem achtjährigen Sohn eingemietet, um einen Wohnnotstand zu beheben. Dies störe nun die „wohlverdiente Ruhe der älteren Bürger“, wie die Abteilung Altenhilfe an die Wohnungsgesellschaft schrieb. Es gebe keinen Zweifel an der Wahrhaftigkeit der vorgebrachten Beschwerden mehrerer Bewohner, die von Belästigungen und Bedrohungen berichteten. Mutter und Sohn sollten möglichst rasch in einer anderen Sozialwohnung untergebracht werden.161 Eingegangen war zuvor im Amt ein Beschwerdebrief, der von mehreren Bewohnern unterschrieben worden war: „Über normale Kinder, auch wenn sie wild wären, würden wir uns freuen und hätten sie sicher auch gern, aber so viel Unerzogenheit u. Unverschämtheit kann von alten Menschen nicht verkraftet werden. Ich habe Angst u. alle anderen auch.“162 Die „Gemeinnützige Gesellschaft für Wohnheime und Arbeiterwohnungen“ konnte der Frau eine andere Wohnung vermitteln.163 Frau Elly B., Eduard-Bernstein-Weg 12, beschwerte sich im August 1970 über ihre Nachbarn, ein ebenfalls älteres Ehepaar, das die anderen „Leutchen“ unter Druck setze, ihnen drohe, so dass sie sich nicht trauten, sich im Garten auf eine Bank zu setzen; der Mann provoziere so lauten Streit, dass sie einen Herzanfall bekommen habe.164 Ihre Schilderungen wurden als schon von anderer Seite ausführlich beschrieben aufgenommen, es gebe übereinstimmend das Bild, dass die Nachbarn „in unerträglicher Weise das Gemeinschaftsleben der älteren Bürger in dieser Wohnanlage empfindlich stören“.165 Schritte würden eingeleitet. Beschwerden über Lärmbelästigung durch die Nachbarn gab es auch in den Altenwohnungen der Jüdischen Gemeinde.166

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durch den Lärm gestört fühlten und sogar Angst hatten, selbst mit den Kindern zu reden (S. 6). Einen ähnlichen Artikel gab es in der Ausgabe 2/1979, S. 9 (Rieck, Gisela: „Ältere Frankfurter haben mit Ausländerkindern nicht viel im Sinn“). ISG, Fürsorgeamt 3992, Sozialamt Abt. Altenhilfe, an das Amt für Wohnungswesen, Kommunale Wohnungsvermittlungsstelle, Frankfurt a. M., 13. August 1975. ISG, Fürsorgeamt 3992, Sozialamt, Abt. Gefährdetenhilfe an die Abteilung Altenhilfe, 11. August 1975. ISG, Fürsorgeamt 3992, Abt. Altenhilfe, an die Gemeinnützige Gesellschaft für Wohnheime und Arbeiterwohnungen mbH., 4. Mai 1971. ISG, Fürsorgeamt 3992, handschriftlicher Brief von Martha I., unterschrieben von mehreren Bewohnern, an Herrn See, Altenhilfe, Rödelheim, 20. April 1970. ISG, Fürsorgeamt 3992, Gemeinnützige Gesellschaft für Wohnheime und Arbeiterwohnungen mbH, an die Abteilung Altenhilfe, 21. Mai 1971. ISG, Fürsorgeamt 3992, Elly B. an die Abt. Altenhilfe, August 1970. ISG, Fürsorgeamt 3992, Abt. Altenhilfe, Amtmann See, An Frau Elly B., 20. August 1970. ZA, B 1/13, Nr. 946, Rud. G. an die Jüdische Gemeinde, 16. November 1979. Er beklagte sich über nächtlichen Lärm in den Wohnungen über ihm, der durch Badbenut-

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren

Die Beziehungen zwischen Altenbetreuerinnen und Bewohnern waren manchmal konfliktreich. Die Fachaufsicht über die Altenbetreuung in den Altenwohnungen lag bei der Abteilung Altenhilfe des Sozialamtes. In sehr unregelmäßigen Abständen gab es gemeinsame Besprechungen mit den Altenbetreuerinnen und den Verantwortlichen der Wohnungsbaugesellschaften, die Altenwohnungen vermieteten.167 Die Altenbetreuerinnen waren gehalten, sich einen Überblick über den gesundheitlichen Zustand und die finanzielle Situation der Bewohner der Altenwohnanlagen zu verschaffen und die Sozialstationen des Sozialamtes sowie die Fachstellen des Sozialamtes vertraulich zu informieren.168 Ob sie dies über jeden Bewohner taten, ist nicht zu ermitteln. In einigen Vorgängen wird jedoch deutlich, dass die Zusammenarbeit zwischen Altenbetreuerinnen und Sozialarbeiterinnen nicht eng und nicht organisatorisch geregelt war. Eine Altenbetreuerin in der Nordweststadt berichtete kurz nach Einzug in das Hochhaus mit Altenwohnungen über Schwierigkeiten, die mit dem Neueinzug zusammenhingen. Ihr Bericht macht deutlich, dass Probleme mit der für die alten Menschen zum Teil ungewohnten Wohnform Hochhaus entstanden, die jedoch im Laufe der Zeit vermutlich geringer wurden: Die Notrufanlage der Aufzüge war noch nicht an die Notdienstzentrale angeschlossen. Die Altenbetreuerin Annemarie S. schilderte die Dringlichkeit, indem sie die Bewohner mit pejorativen Worten beschrieb: „Die Dienststellen müssen sich daran gewöhnen, daß wir nicht irgendein Mietshaus sind sondern mit Mietern belegt sind, die dringend der Hilfestellung bedürfen. Sie sind alt, tappelig, sehen schlecht, hören schlecht, sind mit technischen Einrichtungen nicht vertraut usw. usw. Ihnen brauch ich das ja nicht sagen [sic!].“169 Die Mieter würfen den Abfall aus den obersten Stockwerken einfach über die Brüstung und träfen Bewohner aus unteren Stockwerken, Balkone und Laubengänge. Einer habe seinen Kühlschrank aus dem neunten Stock geworzung und Kleiderreinigungsmaschinen entstünde. Die Jüdische Gemeinde verwies auf die Hausordnung, auf die sie die Nachbarn schon aufmerksam gemacht hätte, ab und an sei eine gewisse Geräuschentwicklung jedoch nicht zu vermeiden (Antwortschreiben 18. November 1979). Der Mieter hatte sich vorher schon manches Mal beklagt, so auch über die Reaktion der Altenbetreuerin, die ihn als „pingelig“ bezeichnet habe (Stefan Szajak, Direktor, 19. März 1979). Das Ehepaar in der Nachbarwohnung wurde jedoch schriftlich gebeten, „ihr Verhalten zu überprüfen“ (Stefan Szajak, Direktor, An das Ehepaar A., 26. März 1979). 167 ISG, Fürsorgeamt 4039, Protokoll der Besprechungen mit den Altenbetreuerinnen der Stadt Frankfurt a. M. am 21. September 1971, Frankfurt-Griesheim, 30. September 1971. Anwesend vom Sozialamt Herr Dahlem, von der Abteilung Altenhilfe Herr See, Herr Schmidt, Frau Steigerwald. 168 ISG, Fürsorgeamt 4039, Protokoll der Besprechungen mit den Altenbetreuerinnen der Stadt Frankfurt a. M. am 21. September 1971, Frankfurt-Griesheim, 30. September 1971. Anwesend vom Sozialamt Herr Dahlem, von der Abteilung Altenhilfe Herr See, Herr Schmidt, Frau Steigerwald; Rundverfügung Nr. 7 des Dezernates Soziales und Gesundheit in Frankfurt, 9. März 1972. 169 ISG, Fürsorgeamt 4034, Annemarie S., Altenbetreuerin Eduard-Bernstein-Weg 2, an Herrn See, 12. Dezember 1970.

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fen. Weiter beschuldigte sie die Bewohner pauschal des Diebstahls: „Sie beklauen sich gegenseitig wie die Raben.“170 Einen Tag lang ging pausenlos der Alarm, weil niemand wusste, wozu die Schnüre im Bad gedacht waren, und alle dachten, es sei die Lüftungsklappe. Die Waschküche war noch nicht benutzbar. Bisher könne sie von einem Asthmaanfall, einem Schenkelhalsbruch und über eine eigentlich „unbeschreibliche“ Wohnung berichten. Bei ihrer Schilderung sparte sie nicht mit ironischer Übertreibung, die die mangelnde Sauberkeit des Bewohners anprangern sollte: „Die Bettwäsche müßte mal wieder frisch geteert werden, da an einigen Stellen das weiße [sic!] durchschimmerte.“ Durch die Unannehmlichkeiten kurz nach dem Einzug sei sie „kurz vor der Nervenklinik“.171 Ihre Schilderung lässt nicht nur auf Anpassungsschwierigkeiten der Bewohner und auch der Altenbetreuerin an ihr neues Wohnhaus schließen, sondern auch den Eindruck entstehen, dass die Bewohner nur noch mit großen Einschränkungen zu einer selbständigen Haushaltsführung in der Lage waren  – freilich stellte sie jedoch vermutlich Einzelfälle besonders heraus, um auf die Bedeutung ihrer Rolle als Altenbetreuerin hinzuweisen. Beschwerden gab es auch von Bewohnern über die Altenbetreuerinnen. Die Bewohner eines Altenwohnhauses beklagten sich bei der Abteilung Altenhilfe über eine Altenpflegerin aus dem nahen Julie-Roger-Altenheim, die auch im Altenwohnhaus wohnte. Die Stadt, Abteilung Altenhilfe, schrieb am 22. Juni 1971 an den „Frankfurter Verband“, der Träger der Betreuung war: „Wir legen allergrößten Wert darauf, daß die Betreuerin einen guten Kontakt zu den Bewohnern des Hauses unterhält, der frei von irgendwelchen despotischen Inhalten ist. Die Mieter von Appartements in Altenwohnanlagen sind freie Menschen und unterliegen keiner Haus- oder Heimordnung.“172 Nun waren allerdings auch die Bewohner von Altenheimen, die hier als negative Vergleichsfolie galten, nicht unfrei, und eine Hausordnung gab es in den Wohnanlagen des gemeinnützigen Wohnungsbaus durchaus. Wenn alte Bewohner in ihren Altenwohnungen starben, wurden sie zuweilen erst nach einer Weile dort gefunden. Dabei hätte der Zustand der Wohnungen schon vorher als problematisch erkannt werden können. Diese Einzelfälle führten zu Untersuchungen der Abteilung Altenhilfe mit Anhörung der Altenbetreuerin. Mieter des Altenwohnheims Wendelsweg beschwerten sich über die Altenbetreuerin Frau Th. Ihre Mitmieterin Frau D. sei tot in der Wohnung aufgefunden worden. Der Polizeiarzt habe festgestellt, dass der Tod schon vor zehn Tagen eingetreten sei. Die Altenbetreuerin habe gewusst, dass Frau D. krank war, stehe aber auf dem Standpunkt, „dass die Leute sich ge-

170 ISG, Fürsorgeamt 4034, Annemarie S., Altenbetreuerin Eduard-Bernstein-Weg 2, an Herrn See, 12. Dezember 1970. 171 ISG, Fürsorgeamt 4034, Annemarie S., Altenbetreuerin Eduard-Bernstein-Weg 2, an Herrn See, 12. Dezember 1970. 172 ISG, Fürsorgeamt 4039, Sozialamt Abt. Altenhilfe an den Frankfurter Verband für Altersfürsorge, Frankfurt, den 22. Juni 1971.

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren

genseitig selbst betreuen sollen“.173 Frau D. habe nachts geschellt, aber die Altenbetreuerin sei erst am Morgen gekommen. Weiter führten sie über ihre Altenbetreuerin aus: „In der Dienstzeit sitzt sie bei Freunden, bietet sich an Vorhänge für Leute zu nähen, ist in der Stadt zu treffen und auf Spaziergängen. Die Bewohner klagen über ihr Benehmen u. das Anschreien. Die alten Leute fürchten sich vor ihr, u. somit ist Frau Th. für uns nicht mehr tragbar. Wir bitten Sie herzlich doch in der Sache etwas zu unternehmen.“174 Die Polizei wusste nicht, dass es im Haus eine Rufanlage gab und eine Altenbetreuerin zur Verfügung stand, Ermittlungen wegen „unterlassener Hilfeleistung“ leitete man nicht ein.175 Auf Veranlassung der Stadt ging die Vermieterin, die „Gemeinnützige Gesellschaft für Wohnheime“, den Beschwerden nach und hörte die Altenbetreuerin an. Diese berichtete, dass die Verstorbene still und zurückgezogen gelebt habe und keinen Kontakt in dem Haus haben wollte, „da gerade in diesem Haus der häusliche Tratsch blüht“.176 Es sollte im Haus ein Informationsgespräch mit der Altenbetreuerin im Beisein von Vertretern der Altenhilfe zu Fragen und Problemen der Betreuungsarbeit stattfinden.177 In der Altenwohnanlage der Jüdischen Gemeinde gab es Konflikte mit Bewohnern, die mehr Betreuung wünschten: Heute morgen um 8.15 h teilte uns die Og., in der Altenwohnanlage wohnende, telefonisch mit, daß sie einen eingeklemmten Nerv habe, sich nicht anziehen und waschen könne und bat darum, von unserem Hause Verpflegung geliefert zu bekommen. Der Unterzeichnete sagte dieses sofort zu. Durch einen bei uns tätigen ZDL [Zivildienstleistenden] würde ab heute das Essen zugeschickt, jedoch mit der Bitte, die Gefäße aus ihrer Wohnung zu holen, da wir Gefäße aus unserer Küche nicht in ihre Wohnung schicken könnten, da wir davon ausgehen – was Frau K. auch bestätigte – daß ihr Haushalt nicht koscher geführt werde. Frau K. bedeutete uns, daß es jetzt aufgrund ihrer Bewegungsunfähigkeit notwendig wäre, von einer Pflegekraft aus unserem Hause betreut zu werden, woraufhin sofort angeboten wurde, bis zur Besserung ihres Gesundheitszustandes Aufnahme in unser Pflegeheim zu finden.178

173 ISG, Fürsorgeamt 3993, acht unterzeichnende Bewohner des Altenwohnheimes Wendelsweg 107 an Herrn Gesundheits-Dezernenten Martin Berg, Frankfurt, 9. Dezember 1972. 174 ISG, Fürsorgeamt 3993, acht unterzeichnende Bewohner des Altenwohnheimes Wendelsweg 107 an Herrn Gesundheits-Dezernenten Martin Berg, Frankfurt, 9. Dezember 1972. 175 ISG, Fürsorgeamt 3993, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Vermerk, Frankfurt, 18. Dezember 1972. 176 ISG, Fürsorgeamt 3993, Gemeinnützige Gesellschaft für Wohnheime und Arbeiterwohnungen mbH, An den Magistrat der Stadt Frankfurt, Sozialamt, Abteilung Altenhilfe, Frankfurt, 12. Februar 1973. 177 ISG, Fürsorgeamt 3993, Gemeinnützige Gesellschaft für Wohnheime und Arbeiterwohnungen mbH, An den Magistrat der Stadt Frankfurt, Sozialamt, Abteilung Altenhilfe, Frankfurt, 12. Februar 1973. Dies gab die Abteilung Altenhilfe an die Beschwerdeführer weiter und entlastete die Altenbetreuerin (Abt. Altenhilfe an die Bewohnerin Margarete G., 16. März 1973). 178 ZA, B 1/13, Nr. 946, Jüdische Gemeinde Frankfurt a. M., – Altenzentrum – Herrn Direktor Kornat, Aktennotiz vom 20. September 1978.

4.3 Altenwohnungen

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Pflege in ihrer Altenwohnung wurde ihr nicht gewährt, obwohl im Betreuungsvertrag mit den Bewohnern der Altenwohnanlage der Jüdischen Gemeinde die Vermittlung von Pflegekräften vorgesehen war (siehe Kapitel 4.3.4): Sie wurde am Telefon ausfallend und erklärte, in anderen Altenwohnanlagen sei diese Betreuung üblich. Hierzu können wir nur sagen, daß dieses bei 110 Wohnungen in der Altenwohnanlage bei mehreren solcher Fälle rund um die Uhr undurchführbar ist. Frau K. hörte sich diese Erklärungen nicht an und legte erbost den Hörer auf.179

Altenbetreuerinnen machten auf die (zunehmende) Pflegebedürftigkeit der Betreuten aufmerksam und wehrten sich gegen die damit verbundenen Belastungen. Doch setzten sie sich zuweilen auch für die Belange ihrer Bewohner ein, die einen Umzug in ein Altenheim scheuten: Die „Neue Heimat Südwest“, Eigentümerin der Altenwohnungen in der Nordweststadt, wünschte im April 1971, dass eine Mieterin vom Sozialamt anderweitig untergebracht werde, da sie unsauber sei, Exkremente in ihrer Wohnung und dem Laubengang vor der Wohnung verliere, ihre Unterkunft stinke und vernachlässigt sei.180 Die Abteilung Altenhilfe informierte die Altenbetreuerin über das Schreiben der „Neuen Heimat Südwest“ und fragte, ob es eine Zusammenarbeit mit der Sozialstation gebe und Frau M. mit der Unterbringung in ein Altenheim einverstanden sei.181 Die Altenbetreuerin der Altenwohnanlage schrieb, Frau M. mache einen etwas verwirrten und ungepflegten Eindruck, bräuchte vermutlich einen Augenarzt, sei jedoch sehr freundlich und wünsche keine weitere Hilfe. „Auch möchte sie sicher gerne weiter hier wohnen bleiben.“182 In einem Gespräch mit der Sozialarbeiterin des Sozialamtes erklärte die Altenbetreuerin, dass die Unsauberkeit krankheitsbedingt gewesen sei und sich nun nach entsprechender Medikation gebessert habe; die Angehörigen kümmerten sich nun mehr um die Sauberkeit der Wohnung. Frau M. habe Diabetes und sei sehbehindert. Ihre Wohnung sei nun nicht mehr sehr schmutzig, die Möbel jedoch abgewohnt und ungepflegt; die vorherigen Zustände seien mit einer Magen-Darm-Erkrankung zu erklären. Sie brauche dringend eine Putzfrau wegen ihrer Seherkrankung. Geprüft werde nun, ob ihr eine Krankenzulage und eine Zulage für Hilfe zur Haushaltsführung gemäß Paragraph 70 BSHG zustehe.183 Im Juni berichtete die Altenbetreuerin über die Situation: Die Mieterin habe immer noch Sehstörungen und müsse operiert werden. Sie (die Altenbetreuerin) bemühe sich um einen Platz in der Universitäts-Augenklinik. Die Mieterin leide unter den seltenen Verwandten179 ZA, B 1/13, Nr. 946, Jüdische Gemeinde Frankfurt a. M., – Altenzentrum – Herrn Direktor Kornat, Aktennotiz vom 20. September 1978. 180 ISG, Fürsorgeamt 4036, Abt. Altenhilfe an das Altenzentrum Nordweststadt, Frau Tilly W. (Altenbetreuerin), 6. April 1971. 181 ISG, Fürsorgeamt 4036, Abt. Altenhilfe an das Altenzentrum Nordweststadt, Frau Tilly W. (Altenbetreuerin), 6. April 1971. 182 ISG, Fürsorgeamt 4036, Antwortschreiben an Herrn See, 9. April 1971. 183 ISG, Fürsorgeamt 4036, Vermerk Weigel, Sozialarbeiterin der Sozialstation Nordweststadt, an die Fachstelle für Altenhilfe, Frankfurt a. M., den 11. Mai 1971.

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren

besuchen und weigere sich, mit ihrem Diabetes ins Krankenhaus zu gehen. Das Vertrauensverhältnis zur Bewohnerin schien der Altenbetreuerin durch die Wohnungsbegehung, bei der sie und der Vermieter anwesend waren, gestört: Die alte Bewohnerin sehe nun auch in ihr, der Altenbetreuerin, so etwas wie eine „amtliche Person“, seitdem die Neue Heimat die Wohnungsbegehung vorgenommen habe, und schäme sich für ihre unsaubere Wäsche. Man solle abwarten, so die Altenbetreuerin, was die Augenoperation bringe, und vielleicht überlegen, sie in eine Wohnung nach Sachsenhausen zu den Verwandten zu verlegen; jedoch setze in ihrem Alter (Jahrgang 1899) oft ein rapider Verfall der geistigen und körperlichen Kräfte ein, der Voraussagen schwierig mache. Ähnlich sei es bei Frau N., einer anderen Bewohnerin, die alle Kochplatten anlasse, Nachbarn des Diebstahls beschuldige und nur noch zu halten sei, weil die Tochter sich regelmäßig um sie kümmere und sie selbst „vielleicht bedingt durch ihren früheren Beruf (sie war doch auch Schwester) peinlich sauber ist“.184 Die Abteilung Altenhilfe bat im Interesse der alten Mieterin die Wohnungsvermieter, die „Neue Heimat Südwest“, keine rechtlichen Schritte gegen Frau M. zu unternehmen, eine zwangsweise Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder die Einrichtung einer Gebrechlichkeitspflegschaft zur Unterbringung in einem Pflegeheim könne vorübergehend ausgesetzt werden.185 1972 wurde im Fall einer Bewohnerin von der Abteilung Altenhilfe das „Versagen“ einer Sozialarbeiterin des Sozialamtes konstatiert. Diese Mitarbeiterin hatte man damit beauftragt, einen Hausbesuch bei der in einer Altenwohnung Lebenden zu machen, die sich bei Problemen mit dem Sozialhilfebezug trotz Aufforderung nicht bei der zuständigen Sozialstation meldete. Die Sozialarbeiterin versuchte offenbar mehrfach erfolglos, die Bewohnerin zu besuchen, und kontaktierte erst nach zwei Monaten die Altenbetreuerin der Altenwohnanlage, welche die alte Frau in sehr schlechtem Zustand in der Wohnung antraf und unter Einschaltung der Polizei- und Ordnungsbehörde wegen Gefahr im Verzug auf die geschützte Station des Alten- und Pflegeheimes bringen ließ. In einer Rundverfügung sollte nun ausdrücklich auf die Möglichkeit einer engen Zusammenarbeit zwischen Sozialstation und den Altenbetreuerinnen hingewiesen werden, da Letztere über einen Zentralschlüssel für jederzeitigen Zugang zu den Wohnungen verfügten und meist einen Überblick über den gesundheitlichen Zustand der Bewohner und ihre finanzielle Leistungskraft hätten.186 Eine Zusammenarbeit war zu diesem Zeitpunkt nicht etabliert. Bewohner selbst bemerkten die zunehmende Pflegebedürftigkeit ihrer Nachbarn und machten Vorschläge zur Verbesserung der Wohnsituationen, die von den städtischen Ämtern nicht immer positiv aufgenommen wurden. 184 ISG, Fürsorgeamt 4036, Altenwohnungen Arbeiterwohlfahrt, Tilly W. an Herrn Amtmann See, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Frankfurt, 15. Juni 1971. 185 ISG, Fürsorgeamt 4036, Abt. Altenhilfe an die Neue Heimat Südwest, 7. Juni 1971. 186 ISG, Fürsorgeamt 4036, Sozialamt Abt. Altenhilfe, gez. See, Herrn Magistratsrat Dahlem, Frankfurt, 23. Februar 1972.

4.3 Altenwohnungen

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Jenny M., die seit fünf Jahren in der Altenwohnanlage in der Nordweststadt lebte, wandte sich im Oktober 1975 an den Sozialdezernenten Martin Berg: Viele der Bewohner seien nicht mehr in der Lage, sich selbst zu versorgen; auch der zweimal wöchentlich Sprechstunde haltende Arzt sei dieser Ansicht, die er bei seinen Wohnungsbesuchen gewonnen habe, und schlage vor, vier junge Mädchen für die 200 Bewohner zum Einkaufen sowie zum Säubern der Wohnung einzustellen. Die Bewohner sollten sich, so schlug sie vor, bei der Wohnungsvergabe verpflichten, sich in ein Pflegeheim einweisen zu lassen, wenn die Versorgung in der eigenen Wohnung nicht mehr möglich sei.187 Eine solche verpflichtende Erklärung sei rechtlich nicht möglich, argumentierte das Wohnungsamt.188 Die Abteilung Altenhilfe hielt nichts von der Versorgung durch Jugendliche, sondern wollte mit der Arbeiterwohlfahrt absprechen, ob Betreuungsdienste oder mobile Dienste eintreten könnten.189 Für die Wohnungsreinigung könnten Hilfen vermittelt werden, deren Kosten das Sozialamt für die sozial Schwachen übernehme. Der Schreiberin des Beschwerdebriefes wurde das eigennützige Motiv unterstellt, dass sie von der Stadt Haushaltshilfe bezahlt haben wolle, da sie selbst über dem Sozialhilfesatz liege; es seien sonst keine Mieter unversorgt. Es sei jedoch unabdingbar, dass pflegebedürftige Personen nicht eingewiesen würden; dies führe ansonsten zu nicht bewältigbaren Problemen. Die Arbeiterwohlfahrt als Trägerin der Betreuung bestätigte die schwierige Situation in dem Altenwohnhaus und fügte in den Bericht Zitate der Altenbetreuerinnen ein: Diese berichteten am 28. November 1975, dass am Vortag auf Bitten eines Pfarrers und einer Bewohnerin die Wohnung eines dort Lebenden geöffnet wurde, der auf Klopfen und Rufen nicht reagiert habe. Er sei bewusstlos gewesen und der Notarzt verständigt worden. Als er wieder zu Bewusstsein gekommen sei, habe er sich geweigert, einen Arzt aufzusuchen und sich in die Klinik einweisen zu lassen; er habe auch keinen Hausarzt. Er leide an einem Dekubitus, der schon stark vereitert sei und starke Schmerzen verursache, verweigere aber die Behandlung. In der Wohnung herrsche ein fürchterlicher Gestank von der Wunde. „Es muss doch, bei aller Freiheit der Persönlichkeit, eine Möglichkeit geben, einen Menschen davor zu bewahren, wie ein Tier zu verrecken und so bitten wir Sie dringend so schnell als möglich etwas zu unternehmen und die maßgebenden Stellen zu informieren! Aber es eilt wirklich!“190 Der alte Mann, der im Rollstuhl saß, war von der Behindertenhilfe des Sozialamtes in die Wohnung vermittelt worden. Es wurde ihm nun eine Haushaltshilfe von der 187 ISG, Fürsorgeamt 4034, Jenny M. an den Sozialdezernenten Martin Berg, 13. Oktober 1975. 188 ISG, Fürsorgeamt 4034, Amt für Wohnungswesen an das Sozialamt Abt. Altenhilfe, Frankfurt 29. Januar 1976. 189 ISG, Fürsorgeamt 4034, Abt. Altenhilfe an die Arbeiterwohlfahrt, 19. Dezember 1975. 190 ISG, Fürsorgeamt 4034, Zitat eines Schreibens der Altenbetreuerinnen an die Behindertenhilfe der Stadt Frankfurt vom 28. November 1975 in einem Schreiben der Arbeiterwohlfahrt an den Magistrat der Stadt Frankfurt, Abt. Altenhilfe, 28. Januar 1976, gez. Medrisch, Geschäftsführer.

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren

Hauspflegeeinsatzstelle der Arbeiterwohlfahrt gewährt. Die Behindertenhilfe des Sozialamtes informierte man jedoch erst mit diesem Schreiben darüber, dass der Bewohner pflegebedürftig war und ärztliche Hilfe verweigerte. Kurzfristige Hilflosigkeit könne von der Stelle Behindertenhilfe und ihren nur zwei Sozialarbeitern für das gesamte Stadtgebiet nicht umgehend festgestellt werden. Man sei um eine „rechtzeitige Information“191 durch die Altenbetreuerinnen dankbar. Dieser Satz wurde von der Abteilung Altenhilfe rot markiert und darunter handschriftlich vermerkt: „Genau das trifft den Kern! Für was haben wir den Betreuungsdienst, wenn es erst so weit kommen muß?“ Der Mann wurde am 2. Dezember 1975 ins Krankenhaus eingewiesen, wo er einen Tag später starb.192 Die Altenbetreuerin führte in diesem Bericht einen weiteren aus ihrer Sicht beispielhaften Fall an, um ihre Hilflosigkeit und die mangelnde Mithilfe offizieller Stellen zu belegen, wie der Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt schrieb. Eine Hausbewohnerin, die 85 Jahre alt war, sei zunehmend geistig verwirrt und rufe die Polizei wegen angeblicher Einbrüche, beschuldige ihre Nachbarn, die sich über die Bewohnerin beklagten, laufe nachts im Flur auf und ab, klingele nachts an Türen der Nachbarn, die sich deswegen beschwerten.193 Die Beispiele zeigen, wie hilflos die Altenbetreuerinnen auch Mitte der 1970er Jahre noch in Fällen waren, in denen sie eigentlich zu einer Pflegeheimeinweisung tendiert hätten, die sie aber rechtlich nicht gegen den Willen der Bewohner durchsetzen konnten und vielleicht auch nicht wollten. Der Übergang in das Altenheim oder Pflegeheim gestaltete sich seitens der vermietenden Wohnungsbaugesellschaften holprig für die alten Bewohner. Auch zwischen den Wohnungsbaugesellschaften und ihren Mietern suchte die Abteilung Altenhilfe in diesen Fällen zu vermitteln. So kritisierte sie die Antwortschreiben der Wohnungsbaugesellschaft auf Kündigungen der Bewohner, die in ein Pflegeheim umzogen.194 Die Bewohner der Altenwohnungen wurden in diesen Schreiben der Wohnungsbaugesellschaft darauf hingewiesen, dass sie nicht termingerecht ihre Wohnungen kündigten, da es eine Frist von drei Monaten zum Monatsende gebe; sie hafteten weiter für die Zahlung der Miete, falls es keinen geeigneten Nachmieter gebe. Eine solche Formulierung konnte Menschen, die nur über ein begrenztes Einkommen verfügten oder vom Sozialamt unterstützt wurden, zweifellos aufwühlen. Auch die letzte Passage vermochte alte, nun pflegebedürftig gewordene Menschen

191 ISG, Fürsorgeamt 4034, Sozialamt Behindertenhilfe an Altenhilfe, Frankfurt, 10. März 1976. Hervorhebung im Original. 192 ISG, Fürsorgeamt 4034, Sozialamt Behindertenhilfe an Altenhilfe, Frankfurt, 10. März 1976. 193 ISG, Fürsorgeamt 4034, Zitat eines Schreibens der Altenbetreuerinnen an die Behindertenhilfe der Stadt Frankfurt vom 28. November 1975 in einem Schreiben der Arbeiterwohlfahrt an den Magistrat der Stadt Frankfurt, Abt. Altenhilfe, 28. Januar 1976, gez. Medrisch, Geschäftsführer. 194 ISG, Fürsorgeamt 3991, Abt. Altenhilfe, an die Gemeinnützige Gesellschaft für Wohnheime und Arbeiterwohnungen, 7. Februar 1972.

4.3 Altenwohnungen

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in Aufregung zu versetzen: „Ein Beauftragter unserer Gesellschaft wird Sie in Kürze aufsuchen, um den Zustand der Wohnung und deren Einrichtungen festzustellen und mit Ihnen alle sich vertraglich ergebenden Renovierungsverpflichtungen sowie Einzelheiten der Wohnungsrückgabe zu besprechen.“195 Die Abteilung Altenhilfe wies auf die „Beunruhigung“ hin, die ein solches, sicherlich rechtlich erforderliches Hinweisschreiben auslöse, da in den meisten Fällen nicht die Mittel zur Weiterzahlung der Wohnungsmiete vorhanden seien. Es wurde angeregt, das Schreiben inhaltlich umzugestalten und auf ältere Bürger abzustimmen.196 4.3.6 Altenwohnungen Ende der 1970er Jahre Das Ziel des zweiten Frankfurter Altenplans, bis 1980 vier Prozent der über 65-jährigen Einwohner mit Altenwohnungen zu versorgen, wurde nicht nur erreicht, sondern sogar überschritten. Ende 1978 gab es 3.861 Ein- bis Anderthalbzimmerwohnungen und 931 Zweizimmerwohnungen. Damit waren 5,2 Prozent der über 65-Jährigen oder 4,1 Prozent der über 60-Jährigen versorgt, berichtete der Magistrat, räumte aber ein, dass es erhebliche Unterschiede in der Versorgung der einzelnen Stadtteile gebe.197 Der Schwerpunkt der Bauprogramme für alte Menschen lag in jenem Jahrzehnt auf dem Neubau dieser Wohnform. Der im zweiten kommunalen Altenplan von 1970 noch angenommene Bedarf an reinen Altenheimplätzen wurde zum Ende des Jahrzehnts als überhöht bezeichnet.198 Wenngleich der Altenplan erfüllt wurde, war die Nachfrage nach Altenwohnungen damit nicht befriedigt. Der Bedarf war höher, als zu Beginn der 1970er Jahre angenommen, und mit dem Ausbau gestiegen. 1972 waren bei der Abteilung Altenhilfe 3.000 ältere Bürger gemeldet, die sich für eine Altenwohnung bewarben; monatlich stieg die Zahl um 100. Die Wartezeit verlängere sich laufend, da die Fluktuation sehr gering sei; dies schaffe „unerträgliche Zustände“.199 Auch im Juni 1979 lagen noch Bewerbungen von insgesamt 2.302 Personen vor, davon 1.442 Einzelpersonen und 430 Zweipersonenhaushalte. Eine geringere Zahl von Bewerbern kam auf eine nun deutlich größere Zahl an (noch belegten) Altenwohnungen, doch immer noch musste mit monatelangen, wenn nicht jahrelangen Wartezeiten

195 ISG, Fürsorgeamt 3991, Gemeinnützige Gesellschaft für Wohnheime und Arbeiterwohnungen mbH, an Frau Luise Sp., 19. Januar 1972, betr. Kündigung Ihrer Wohnung. 196 ISG, Fürsorgeamt 3991, Abt. Altenhilfe, an die Gemeinnützige Gesellschaft für Wohnheime und Arbeiterwohnungen, 7. Februar 1972. 197 ISG, Stadtgesundheitsamt – Sachakten 195, Bericht des Magistrats an die Stadtverordneten-Versammlung, betr. Zweiter Kommunaler Altenplan, B 947, 12. Oktober 1979, S. 23 f. 198 ISG, Stadtgesundheitsamt – Sachakten 195, Bericht des Magistrats an die Stadtverordneten-Versammlung, betr. Zweiter Kommunaler Altenplan, B 947, 12. Oktober 1979, S. 24. 199 ISG, Stadtverordnetenversammlung 3991, Sozialamt Abt. Altenhilfe, An den Leiter des Amtes für Wohnungswesen, Herrn OMR Zeyen, Frankfurt a. M., 23. März 1972, im Auftrag: See.

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren

gerechnet werden.200 Es ist daher unwahrscheinlich, dass eine Aufnahme zum Ende der 1970er Jahre so rasch erfolgen konnte, wie in der Frankfurter Seniorenzeitschrift, deren Redaktion bei der Abteilung Altenhilfe lag, dargestellt wurde: Hier beschrieb man den älteren Lesern 1977 in einem Artikel eine Bewerberin, die aus Sicht der städtischen Behörden die „idealen“ Eigenschaften einer künftigen Bewohnerin einer Altenwohnanlage Ende der 1970er Jahre verkörperte.201 Es ist unklar, ob die in dem Artikel beschriebene Seniorin eine reale oder eine (teilweise) erfundene Person war. So sieht sie aus, die typische Seniorin, die Anwärterin auf eine Altenwohnung: Sie ist 69 Jahre alt. Und noch recht rüstig. Sie macht jeden Tag ihren Spaziergang, und auch ihre Einkäufe macht sie noch selbst, meistens. Sie lebt allein in Frankfurt, die Tochter ist im Rheinland verheiratet. Sie wohnt noch immer in der Dreizimmerwohnung von damals, als ihr Mann noch lebte und die Tochter ein Schulmädchen war. So was gibt man nicht gerne auf. Aber – die Wohnung ist im dritten Stock und hat noch Ofenheizung. Manchmal wird es ihr schon ein bißchen viel, die drei Zimmer und die drei Treppen. […] die Leute im Haus sind überhaupt alle sehr nett zu ihr. Aber sie sind auch alle viel jünger. Ab und zu fühlt sie sich doch sehr allein […]. Wenn mir nun jetzt etwas passiert, hatte sie gedacht und ich bin ganz allein in dem Haus …202

Nun habe sie sich für eine neu gebaute Altenwohnanlage zwei Straßen weiter beworben: „‚Vor allem‘, hat sie neulich ihrer Nachbarin gesagt, ‚ich bleibe doch in unserer Gegend. Dieselben Straßen, dieselben Geschäfte, dieselben Leute. Sonst – so ganz woanders hin, ich weiß nicht, ob ich das auch gemacht hätte.‘“203 Es bleibt unklar, ob es den anderen umzugswilligen alten Menschen gelang, einen Platz in einer Altenwohnung in unmittelbarer Umgebung zu erhalten: Große, innenstadtnahe Stadtteile wie Bockenheim hatten zu diesem Zeitpunkt noch gar keine Altenwohnungen, andere wie das Nord- und Westend nur kleine Häuser.204 In anderen Frankfurter Stadtteilen wie Sachsenhausen waren die großen Anlagen am Rande des Viertels in nach dem Krieg gebauten Siedlungen anzutreffen.205

200 ISG, Stadtgesundheitsamt – Sachakten 195, Bericht des Magistrats an die Stadtverordneten-Versammlung, betr. Zweiter Kommunaler Altenplan, B 947, 12. Oktober 1979, S. 25. 201 Im Frühjahr zieht sie um … In die Altenwohnanlage, zwei Straßen weiter, in: Senioren­ zeitschrift, 2/1977, S. 5 f. 202 Im Frühjahr zieht sie um … In die Altenwohnanlage, zwei Straßen weiter, in: Senioren­ zeitschrift, 2/1977, S. 5 f., hier S. 6. 203 Im Frühjahr zieht sie um … In die Altenwohnanlage, zwei Straßen weiter, in: Senioren­ zeitschrift, 2/1977, S. 5 f., hier S. 6. 204 Seniorenzeitschrift, 2/1977, S. 7 f.: Übersicht Altenwohnungen in Frankfurt, 30. Juni 1977; ISG, Stadtgesundheitsamt – Sachakten 195, Bericht des Magistrats an die Stadtverordneten-Versammlung, betr. Zweiter Kommunaler Altenplan, B 947, 12. Oktober 1979, S. 24. 205 Seniorenzeitschrift, 2/1977, S. 7 f.: Übersicht Altenwohnungen in Frankfurt, 30. Juni 1977.

4.4 Begegnungsstätten für alte Menschen

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4.4 Begegnungsstätten für alte Menschen 4.4.1 Altenklubs und Altentagesstätten Betrachtet man die Ausgabenseite, dann machten in den 1970er Jahren die Zuschüsse an Altenklubs und -tagesstätten den größten Einzelposten der Ausgaben im Rahmen der offenen Altenhilfe aus. 1976 setzte die Stadt dafür  2.780.360  DM an.206 Die große Gründungswelle von Altenklubs lag in den 1960er und frühen 1970er Jahren.207 1971 gab es 47 Altenklubhäuser mit unterschiedlichen Öffnungszeiten und jeweils mehreren Klubs. Die meisten Häuser hatten an zwei bis drei Tagen geöffnet. Einige, die zwei bis vier Tage geöffnet hatten, beherbergten zwei oder drei Klubs.208 1975 wurde der 100. Klub des „Frankfurter Verbandes“ eröffnet, zudem gab es weitere 50 der Kirchengemeinden und freien Verbände. 6.000 Menschen kamen regelmäßig zusammen.209 Die Klubs der Kirchengemeinden trafen sich jedoch zuweilen nur 14-täglich oder sogar nur einmal monatlich zu „Altennachmittagen“ im Gemeindehaus, während es in den Klubs des „Frankfurter Verbandes“ üblicherweise zwei gemeinsame Nachmittage pro Woche gab.210 1985 waren über 5.200 alte Menschen Mitglieder in einem der 141 Klubs für ältere Bürger des „Frankfurter Verbandes“. Es existierten weitere 140 Klubs von freien Trägern.211

206 Seniorenzeitschrift, 3/1976, S.  5; bei Gesamtausgaben für die offene Altenhilfe inklusive persönlicher Hilfen nach § 75 des BSHG (aber exklusive der Hilfen zur Pflege nach §§ 68 und 69) in Höhe von 20.224.420 DM (während der Gesamthaushalt etwa 2,7 Milliarden betrug). Im selben Jahr (1976) wurden zudem 3.760.011 DM für Hilfe zur Pflege nach §§ 68 und 69 gezahlt (außerhalb von Anstalten) und 25.647.752 für Menschen in Anstalten; zusätzlich 160.914 DM als Hilfen zur Weiterführung des Haushalts (Statistisches Jahr­ buch Frankfurt 1977, S. 114). Die Ausgaben der Sozialhilfe beliefen sich auf 78.882.923 DM (Sozialhilfe außerhalb von Anstalten) und 40.495.581 DM (innerhalb von Anstalten). 207 Siehe Kapitel 3; ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/N 4572. 208 Übersicht über die Altenklubs und Altentagesstätten in Frankfurt a. M. des Frankfurter Verbandes für Altersfürsorge, in: Mitteilungen der Stadtverwaltung Frankfurt a. M., 1971, Nr. 28, S. 196. 209 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/N 25311, Presseausschnitt: Passivität der Alten soll begegnet werden. Berg eröffnete 100. Klub für Frankfurts ältere Bürger, in: FR, 15. Januar 1975, S. 12. 210 ISG, Fürsorgeamt 4136, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Frankfurt, 7. April 1976, gez. Lenski, betr. Etat Antrag E 151 der FDP-Fraktion. 211 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S  3/N  4572, Presseausschnitt: Senioren schätzen Altenklubs. Städtischer Verband betreut 5200 Mitglieder, in: FNP, 30. Juli 1985; siehe auch Mitteilung des Presse­ und Informationsamtes, 26. Juli 1985: mehr als 5.000 ältere Bürger in den Altenklubs.

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren

Abbildung 14: Altenklub Krifteler Straße, o. D., Fotograf: K. Meier-Ude, © ISG

Die Gründung von Altenklubs war ein Schwerpunkt des Altenhilfeprogramms in den 1960er Jahren, um alte Menschen vor Vereinsamung zu schützen. Dies spielte auch Anfang der 1970er Jahre eine Rolle und war Begründung für die Einrichtung weiterer Klubs in den bisher noch wenig versorgten Stadtteilen. So formulierte der zweite kommunale Altenplan deutlich: Der ältere Mensch lebe in der Gefahr zu vereinsamen, seine Kontakte zur Umwelt würden geringer. Dabei spiele auch die Einkommenssituation eine Rolle. Ein Anliegen des zweiten Altenplanes sei es, ältere Bürger im Rahmen der sozialen und kulturellen Hilfen im größtmöglichen Umfang am aktiven, gesellschaftlichen und kulturellen Leben zu beteiligen. Es sei erforderlich, in allen Stadtteilen Altentagesstätten einzurichten, die über ausreichend Raum verfügten, um ein vielfältiges Programm durchführen zu können. Die bestehenden Altentagesstätten seien so auszubauen, dass sie werktäglich offenstünden.212 Dagegen konnte man in den 1970er Jahren bereits auf Studien zurückgreifen, die belegten, dass gerade die vereinsamten alten Menschen mit Altenklubangeboten nicht erreicht wurden. Einsamkeit als Begründung spielte im Verlauf der 1970er Jahre nicht mehr so eine große Rolle wie in den 1960er Jahren. Die angenommene „Passivität“ in der Freizeitgestaltung blieb jedoch ein Argument, mit dem der Ausbau von Altenklubs begründet wurde. So unterstellte 1975 der Frankfurter Sozialdezernent Martin Berg Rentnern Probleme nach der Aufgabe des Berufs und Schwierigkeiten, die gewonnene Freizeit sinnvoll zu füllen. Eine Ausnahme sei die alternde Hausfrau, deren Aufgaben in einer

212 ISG, Stadtgesundheitsamt – Sachakten 195, Vortrag des Magistrats an die Stadtverordnetenversammlung, 5. Oktober 1970, M 432, betr. Zweiter Kommunaler Altenplan der Stadt Frankfurt a. M., S. 27.

4.4 Begegnungsstätten für alte Menschen

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Ehe nicht geringer würden, ihr jedoch immer schwerer fielen.213 Berg führte aus, dass nach einer Umfrage 64 Prozent der alten Menschen ihre Freizeit am liebsten vor dem Fernsehschirm verbrachten, was als Zeichen für „wachsende Passivität“, die es zu verhindern gelte, gewertet werden müsse.214 Die Grundlagen des Klubbetriebs änderten sich gegenüber dem vorangegangenen Jahrzehnt an den meisten Standorten nicht: Auch in den 1970er Jahren waren die meisten Altenklubs nur an einigen Nachmittagen geöffnet und wurden von einer Klubleiterin als Honorarkraft geleitet. Eine Ausnahme bildeten zunächst nur der Klub in der Rothschildallee, der von Beginn an täglich geöffnet hatte, und ein weiterer Klub im Neubaugebiet in der Nordweststadt. Dieses „Haus der Freizeit und Begegnung“ war montags bis freitags von 10 bis 12 Uhr und von 14 bis 18 Uhr und sonntags auf besonderen Wunsch geöffnet.215 Damit war eine zentrale Forderung des zweiten kommunalen Altenplans, der werktäglich geöffnete Altentagesstätten vorsah, stadtweit nicht erfüllt. Die FDP-Fraktion der Stadtverordnetenversammlung beantragte 1977, dass Begegnungsstätten für alte Menschen auch am Wochenende öffnen sollten. Versuche der Selbstorganisation seien zu fördern. Besonders an den Wochenenden empfänden viele ältere Bürger ihre Isolierung besonders stark.216 Ob diese Annahme von Gesprächen mit den älteren Bürgern gestützt war, bleibt in dem Antrag offen. Das Sozialamt ging davon aus, dass dies auch der Wunsch der älteren Bürger sei, wie auch die Besucherzahlen im Seniorentreffpunkt Römer zeigten, der an einem Wochenendtag geöffnet war. Dort verkauften ältere Besucher „in Selbsthilfe“ Getränke und Gebäck. Mehrere Altenklubräume in sieben Stadtteilen wurden vorgeschlagen, um werktäglich ganztags und an einem Wochenendtag geöffnet zu werden.217 Dabei komme es auf die Bereitschaft der Senioren an, selbst aktiv zu werden und für die Küchenbenutzung verantwortlich zu sein. Es entstünden damit Mehrkosten von etwa 1.700 bis 1.800 DM pro Jahr und Klub sowie Personalkosten von jährlich 83.170 DM.218 Die Stadtverordnetenversammlung beschloss, die Öffnungszeiten schrittweise auszudehnen.219 Der „Frankfurter Verband“ öffnete 1979 sieben seiner Altenklubs am Wochenende als Cafeteria.220 Der Magistrat stellte für die Umwandlung bestehender Altenklubs in ganztags geöffnete 213 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/N 25311, Presseausschnitt: Passivität der Alten soll begegnet werden. Berg eröffnete 100. Klub für Frankfurts ältere Bürger, in: FR, 15. Januar 1975, S. 12. 214 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/N 25311, Presseausschnitt: Passivität der Alten soll begegnet werden. Berg eröffnete 100. Klub für Frankfurts ältere Bürger, in: FR, 15. Januar 1975, S. 12. 215 Mitteilungen der Stadtverwaltung Frankfurt a. M., 1971, Nr. 28, S. 196. 216 ISG, Fürsorgeamt 4141, Antrag der FDP-Fraktion 315, 21. September 1977. 217 ISG, Fürsorgeamt 4141, Abt. Altenhilfe, Frankfurt, 5. Oktober 1977. 218 ISG, Fürsorgeamt 4141, Bericht des Magistrats B 587, Frankfurt, 26. Mai 1978. 219 ISG, Fürsorgeamt 4141, Protokoll-Auszug der Stadtverordneten-Versammlung Frankfurt a. M., IX. Wahlperiode, § 2208, Frankfurt, 21. September 1978. 220 ISG, Fürsorgeamt 4141, Frankfurter Verband für Alten- und Behindertenhilfe e. V., Vermerk, 3. Mai 1979.

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren

und mit hauptamtlichen Kräften besetzte Begegnungsstätten 500.000 DM in die Finanzplanung für die Jahre 1980 bis 1983 ein, für fünf Einrichtungen in verschiedenen Ortsteilen.221

Abbildung 15: Seniorentreffpunkt Römer, ca. 1976, Fotograf: K. Meier-Ude, © ISG

Damit wurden einige Altenklubs wieder zu umfassend geöffneten Aufenthaltsräumen wie die früheren Wärmehallen, jedoch nun nur für alte Menschen und mit speziellen Angeboten. Es gab auch Kritik an den erweiterten Öffnungszeiten, wie der „Seniorenbeirat“ berichtete: Die Bewohner der Altenwohnanlage Löwengasse protestierten gegen die wochenendliche Öffnung mit einer Unterschriftenaktion. Während der ganzen Woche fänden Veranstaltungen statt, die nicht auch noch auf das Wochenende ausgedehnt werden sollten, denn wenigstens dann wolle man Ruhe haben. Der Seniorenbeirat beschloss, den Versuch dort abzubrechen und an anderen Stellen durchzuführen.222 Die täglichen Öffnungszeiten wurden von den Bewohnern dieser Altenwohnanlage eher als Verpflichtung denn als Angebot verstanden. Die Bereitschaft, sich zeitlich festlegen zu lassen, hatte ebenfalls ihre Grenzen. Der zweite kommunale Altenplan sah vor, dass die künftigen Klubleiterinnen geschult werden sollten. Zudem wollte man auf sozialpädagogisch vorgebildetes Personal zurückgreifen. Ziel war nun nicht mehr nur eine abwechslungsreiche Programmgestaltung, sondern auch die Anregung der Besucher,

221 ISG, Fürsorgeamt 4141, Magistratsbeschluß B 961, Frankfurt, 12. Oktober 1979, Begegnungsstätten für ältere Bürger. 222 ISG, Fürsorgeamt 2555, Niederschrift über die Sitzung des Seniorenbeirates am Dienstag, dem 10. Juli 1979 im Alten- und Pflegeheim Rödelheim, Frankfurt, 13. Juli 1979, S. 2.

4.4 Begegnungsstätten für alte Menschen

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eigene Interessengruppen zu bilden wie Schachgruppen, Sprachgruppen, Literaturzirkel, Strick- und Handarbeitsgruppen, Kochgruppen und Wanderkreise.223 Seit Beginn der 1970er Jahre betreute eine Sozialarbeiterin beim „Frankfurter Verband“ die etwa 50 Altenklubleiterinnen.224 In den 1980er Jahren führte man Arbeitskreise für die Klubleiterinnen ein, die von einer Diplompsychologin geleitet wurden, und bot mehrere zweitägige Fortbildungen gemeinsam mit der Volkshochschule an.225 Die Klubleiterinnen hatten nun alle eine Fortbildung absolviert, mussten aber keine pädagogische oder pflegerische Ausbildung haben, obwohl ihre Aufgaben als „pädagogisch“ und in der Beratung in sozialen Angelegenheiten gesehen wurden.226 Kernelemente der Altenhilfe sollten Ende der 1970er Jahre nicht mehr die Klubangebote sein, sondern Bildung und Weiterbildung für ältere Menschen, die in die Klubs integriert werden konnten.227 Die Hauptzielvorgaben für die Altenhilfe, die zu diesem Zeitpunkt von der Bundesregierung formuliert wurden, nämlich „Integration in die Gesellschaft“ und „Hilfe zur Selbsthilfe“, schienen zumindest teilweise mit Bildung und Weiterbildung erreicht zu werden, worunter auch die „Vorbereitung auf das Alter“ mittels Kursen fiel: „Bildungsangebote für ältere Menschen müssen primär praktische Lebenshilfen sein; nur nachrangig sind sie auch Vermittler von Kultur- und Bildungsgütern und von theoretischem Wissen.“228 Zugleich stellte die Bundesregierung fest, dass die Gruppen alter Menschen, die der Lebenshilfe durch Bildungsangebote am dringendsten bedürften, bisher keine Veranstaltungen besuchten.

223 ISG, Stadtgesundheitsamt – Sachakten 195, Vortrag des Magistrats an die Stadtverordnetenversammlung, 5. Oktober 1970, M 432, betr. Zweiter Kommunaler Altenplan der Stadt Frankfurt a. M., S. 27. 224 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/N 4572, Presseausschnitt: Betagte Bürger vor Vereinsamung bewahren. Altenklubs  – Hilfe nicht nur in Notfällen, in: FR, 22. Oktober 1971. 225 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S  3/N  4572, Presseausschnitte: Senioren schätzen Altenklubs. Städtischer Verband betreut 5200 Mitglieder, in: FNP, 30. Juli 1985; Mehr als 5000 ältere Bürger in den Altenklubs, in: Mitteilungen des Presse­ und Informationsamtes, 26. Juli 1985. 226 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S  3/N  4572, Presseausschnitt: Senioren schätzen Altenklubs. Städtischer Verband betreut 5200 Mitglieder, in: FNP, 30. Juli 1985. 227 Deutscher Bundestag, 8. Wahlperiode, Drucksache 8/2303, Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der CDU/CSU-Fraktion, Lebenssituation älterer Menschen in der Bundesrepublik Deutschland, 17. November 1978. 228 Deutscher Bundestag, 8. Wahlperiode, Drucksache 8/2303, 17. November 1978, Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der CDU/CSU-Fraktion, Lebenssituation älterer Menschen in der Bundesrepublik Deutschland.

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren

Abbildung 16: Werken für ältere Bürger (VHS), 1972, Fotograf: H. Profe-Bracht

Das Programm in den Altenklubs des „Frankfurter Verbandes“ wurde wie im vorangegangenen Jahrzehnt überwiegend von der Frankfurter Volkshochschule gestaltet. Die Volkshochschule richtete einen eigenen „Fachbereich ältere Bürger“ ein, der 1977 drei Mitarbeiterinnen hatte, um die Veranstaltungen zu koordinieren. Etwa 100 Referenten standen zur Verfügung, die dies oft nebenamtlich machten. Pro Quartal gab es gut 400 Veranstaltungen in 120 Klubs (in erster Linie Vorträge).229 Neben diesem Programm bot die Volkshochschule pro Semester 150 Kurse speziell für Senioren an: Literatur, Psychologie, Frankfurter Bauwerke und Museen, Häusliche Krankenpflege, Wandern, Autogenes Training, Tanztee, Musizieren, Konzerte, Singen, Spiele, Werken, Fotografieren, Malen, Schneidern, Kosmetik, Gymnastik, Schwimmen und Sprachen. Im Sozial- und Rehazentrum Marbachweg (siehe unten) offerierten die Therapeuten und die Volkshochschule täglich von 9 bis 20 Uhr ihre Kurse: Schwimmen für ältere Bürger, Gymnastik, Keramik, Schwimmen für Behinderte, Kegeln für Behinderte, Schneidern, Englisch für Ältere, Gymnastik für Behinderte und für Ältere, Singen, Canasta, Rommé, Skat, Tischtennis und Tanztee.230 Ende der 1970er Jahre regte die Stadtverordnetenversammlung 229 Seniorenzeitschrift, 1/1977, S. 10 f. und S. 12–14, Programme der VHS. 230 ISG, Fürsorgeamt 4069, Sozialzentrum Marbachweg, Veranstaltungen und Kurse, o. D. (Anfang 1975). Der Deutsche Sportbund gab mit Mitteln des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit eine Schallplatte heraus: „Trimm Dich mit Musik  – Gymnastik und Tanz für ältere Menschen“. Diese Schallplatte sollte vor allem Übungsleitern und Altenbetreuern helfen, ältere Menschen für „freudvolle Bewegung durch Gymnastik und Tänze zu gewinnen und dabei aus freizeitpädagogischer wie medizinischer Sicht sachgemäß anzuleiten“ (Projektbeschreibung des Deutschen Sportbundes, o. D.). Die Produktion wurde medizinisch beraten. Ein Moderator erläuterte die Titel und leitete die Übung an. Dies war eine der sehr wenigen von der Bundesregierung geförderten Maßnahmen zur offenen Altenhilfe (BArch, B 189/27728).

4.4 Begegnungsstätten für alte Menschen

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Abbildung 17: Englischunterricht für ältere Bürger (VHS), 1972, Fotograf: H. Profe-Bracht

an, dem Vorbild Englands zu folgen und auch Kurse zur Vorbereitung auf den Ruhestand in den Volkshochschulen anzubieten. Erste Lehrgänge wurden für den Herbst 1979 geplant.231 Neben den Angeboten durch die Volkshochschule, die im Rahmen der Altenklubs stattfanden, organisierte die Altenhilfe des Sozialamtes ausschließlich für alte Menschen weitere Veranstaltungen, die sich nicht nur an Klubbesucher richteten. Im zweiten kommunalen Altenplan war vorgesehen, dass vor allem den sozial schwachen älteren Bürgern, die nach „wissenschaftlichen Untersuchungsergebnissen“232 besonders unter einem Mangel an Kontaktfreudigkeit und sozialer Isolation litten, der Zugang zu kulturellen Einrichtungen und Veranstaltungen erleichtert werden solle. Geplant waren Freikarten für Zoo- und Palmengartenbesuche durch das Sozialamt und die Ausgabe von Theaterkarten gegen eine Anerkennungsgebühr.233 Ab 1974 wurde eine Seniorenkarte als „freiwillige Sozialleistung“ ausgegeben. Sie enthielt Gutscheine für zwei kostenlose Besuche des Palmengartens, des Zoos und der Städtischen Bühnen sowie eine Fünferkarte für die Hallenbäder, zwei Gutscheine zur Teilnahme an Kursen beim Frankfurter Bund für Volksbildung oder anderen Einrichtungen der Erwachsenenbildung wie Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbände sowie zehn Fahrscheine je Monat für die städtischen Nahverkehrsmit-

231 ISG, Fürsorgeamt 3989, Der Magistrat, Bericht des Magistrats an die StadtverordnetenVersammlung, B 979, Frankfurt, 15. September 1978. 232 ISG, Stadtgesundheitsamt – Sachakten 195, Vortrag des Magistrats an die Stadtverordnetenversammlung, 5. Oktober 1970, M 432, betr. Zweiter Kommunaler Altenplan der Stadt Frankfurt a. M. 233 ISG, Stadtgesundheitsamt – Sachakten 195, Vortrag des Magistrats an die Stadtverordnetenversammlung, 5. Oktober 1970, M 432, betr. Zweiter Kommunaler Altenplan der Stadt Frankfurt a. M.

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren

tel.234 Anspruchsberechtigte waren ältere Bürger über 65 Jahre und erwerbsunfähige Frankfurter, deren Einkommen die Grenzen des Paragraphen  79 BSHG nicht überstieg. In der Vorweihnachtszeit organisierte die Abteilung Altenhilfe Theaterbesuche für Senioren; die Theaterveranstaltungen hatte man extra auf alte Menschen zugeschnitten. Die Mehrzahl der Seniorenbeiratsmitglieder wollte im Rahmen der Seniorenkarte sowohl Oper (besser noch Operette) als auch Volkstheatervorstellungen angeboten wissen.235 Seniorenpässe, die an das Einkommen gebunden waren, stellte auch Kiel 1975 aus. Andere Städte wie Lüneburg und Essen gaben gegen eine Schutzgebühr von 10 DM Seniorenpässe ohne Einkommensgrenzen aus. In Lüneburg besaßen so über 40  Prozent aller über 65-Jährigen einen Seniorenpass.236 1978 wurden in Frankfurt etwa 11.000 Seniorenkarten ausgegeben, bei voller Ausnutzung wären das 2.376.000 DM Fahrtkosten und 1.171.500 DM für den kulturellen Teil gewesen. Doch nur 7,5  Prozent nutzten dieses Angebot.237 Insgesamt reichte damit ein Haushaltsansatz von einer Million DM aus. Die Vorstellungen der Bundesregierung, den Senioren in erster Linie „praktische Lebenshilfen“ in Bildungsangeboten auf den Weg zu geben, wurden damit in Frankfurt nur zum Teil berücksichtigt, Bildung wurde gleichwohl umfassender verstanden. Die Kurse unterschieden sich von den Kursen für jüngere Menschen darin, dass sie tagsüber stattfanden und auf 32 Orte in den Frankfurter Stadtvierteln verteilt waren, darunter häufig in den Räumen der Altenklubs.238 Mit diesem räumlich, zeitlich und inhaltlich speziell auf alte Menschen zugeschnittenen Kursprogramm wurde jedoch die von der Bundesregierung proklamierte Integration älterer Menschen in die Gesellschaft, deren Kennzeichen das Zusammenleben mehrerer Generationen ist, gerade nicht erreicht.

234 ISG, Fürsorgeamt 2553, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Niederschrift über die konstituierende Sitzung des Seniorenbeirates am Freitag, den 15. März 1974, Frankfurt, 8. April 1974, S. 8. 235 ISG, Fürsorgeamt 2554, Abt. Altenhilfe als Geschäftsstelle des Seniorenbeirates, Niederschrift über die Sitzung des Seniorenbeirates am Montag, dem 13. Februar 1978 in der Altenwohnanlage Goldstein, Frankfurt, 1. März 1978, S. 4. 236 Gröttrup (1975), S. 614. 237 ISG, Fürsorgeamt 2554, Abt. Altenhilfe als Geschäftsstelle des Seniorenbeirates, Niederschrift über die Sitzung des Seniorenbeirates am Montag, dem 13. Februar 1978 in der Altenwohnanlage Goldstein, Frankfurt, 1. März 1978, S. 5. 238 Seniorenzeitschrift, 1/1977, S. 10 f. und S. 12–14: Programme der VHS.

4.4 Begegnungsstätten für alte Menschen

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Abbildung 18: Seniorentanz im Volksbildungsheim, ca. 1981, Fotografin: S. Brunk

4.4.2 Exkurs: halboffene Tagesheime – Tagespflegeheim Sozial­ und Rehazentrum Marbachweg239 Mit dem Tagespflegeheim im neu erstellten Sozial- und Rehazentrum Marbachweg wurde erstmals in der Stadt eine Form der „halboffenen“240 Betreuung und Begegnungsstätte geschaffen. Das Sozial- und Rehazentrum mit seinem Tagespflegeheim war ein Modellprojekt der Bundesregierung, die in den 1970er Jahren die Förderung von teilstationären Einrichtungen als zentral ansah, um die Selbständigkeit der älteren Menschen länger zu erhalten und einen Heimaufenthalt überflüssig zu machen.241 239 Modelleinrichtung, die es so noch nicht in anderen Städten gab, siehe BArch, B 189/ 11034, Schreiber, Torsten: Altenhilfe in den Ländern. – Altenpläne und Erhebungen der Länder; eine Analyse im Auftrag des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit, vom 1. Oktober 1973 (Auftragsdatum), S. 113. Dort schlägt der Autor neben dem Tagesheim auch das Ferienheim vor. Beides sei in Berlin gerade in der Entwicklungsphase: Verweis auf Seniorenplan Berlin, 1973, S. 48 ff. 240 Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge (1979), S. 28. Die Nomenklatur wollte die Einrichtungen der Altenhilfe nach ihrer „Intensität“ ordnen (S.  12); „Tagesheim und Tagespflegeheim“ war in der Nomenklatur des „Deutschen Vereins“ zwischen den offenen Altenhilfeangeboten und den stationären Formen angesiedelt. 241 BArch, B 189/11029, Entwurf eines Berichts über die Situation der älteren Menschen in der Bundesrepublik Deutschland (Altenbericht; nicht veröffentlicht, 1. Fassung 22. Juli 1975), Bl. 159.

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren

Das Tagespflegeheim war montags bis freitags von 8 bis 17 Uhr geöffnet, nicht jedoch an Feiertagen. Die Benutzer wurden mit dem Kleinbus morgens abgeholt und am Nachmittag wieder zurückgebracht. Aufgenommen wurde, „wer als älterer Bürger aufgrund eines Leidens oder einer Behinderung der Behandlung oder der Pflege bedarf“242, aber (noch) nicht auf dauernde stationäre Hilfe angewiesen war. Dauernde Bettlägerigkeit, Gefährdung anderer und Krankenhausbedürftigkeit waren Ausschlusskriterien. Voraussetzung war zudem, dass Pflege und Versorgung außerhalb der Öffnungszeiten gewährleistet waren. Bevorzugt wurden Patienten aufgenommen, die auch in der Rehabilitationsabteilung behandelt werden sollten. Der tägliche Pflegesatz betrug 34  DM einschließlich der Mahlzeiten, Sachaufwendungen wie Fußpflege, Hilfe zur sozialen Integration durch Fachkräfte, Teilnahme an Veranstaltungen und Beratung. Die Rehabilitationsmaßnahmen wurden zum Teil extra abgerechnet. Im BSHG sei dies als Eingliederungshilfe nach Paragraph 40 zu verstehen, in Einzelfällen als Altenhilfe gemäß Paragraph  75. Unterhaltspflichtige, in deren Haushalt der Pflegling lebte, sollten nicht herangezogen werden, da sie ihrer Unterhaltsverpflichtung durch die Aufnahme im Haushalt und die Pflege dort bereits nachgekommen seien.243 Ziel der im Tagespflegeheim stattfindenden Ergo- und Physiotherapie war, den „[a]lternden oder behinderten Menschen durch therapeutische Techniken aus dem handwerklich-musischen oder technisch-funktionellen Bereich physisch und psychisch zu fördern“.244 Man verstand die Therapie als Selbsthilfetraining mit dem Ziel der größtmöglichen Selbständigkeit und Unabhängigkeit. Einzelne Elemente waren Rollstuhl-, Haushalts- und Esstraining, Hilfen aus dem Bereich der körperlichen Hygiene, Lese-, Schreib- und Sprachtraining, Muskelkräftigung, Gelenkmobilisation, Sensibilitätstraining und Schulung der Feinmotorik, Hilfsmittelversorgung, Herstellung von Gebrauchs- und Lagerungsschienen, Vorbereitung auf die Umschulung und Hilfen zur psychosozialen Integration mit dem Mittel kreativer Technik in Einzel- und Gruppentherapie.245 Viele Elemente dieser Therapie, wie die Vorbereitung auf die Umschulung, kamen nur jüngeren Behinderten und nicht älteren Menschen zugute.246 Das Tagespflegeheim funktionierte nur bei familiärer Einbindung der alten Menschen, denn es war ein Angebot an diejenigen, die sich nicht mehr selbst versorgen konnten und außerhalb der Öffnungszeiten des Tagespflegeheims auf Hilfe und Pflege angewiesen waren; für die pflegenden Angehörigen bot es zeitliche Entlastung. 242 ISG, Fürsorgeamt 4069, Dezernat Soziales, Jugend und Wohnungswesen, Frankfurt, 10. Juni 1975, Rundverfügung, Tagespflegeheim mit Rehabilitation. 243 ISG, Fürsorgeamt 4069, Dezernat Soziales, Jugend und Wohnungswesen, Frankfurt, 10. Juni 1975, Rundverfügung, Tagespflegeheim mit Rehabilitation. 244 ISG, Fürsorgeamt 4069, May [Volkhard, Leiter des Zentrums] vom Sozialzentrum Marbachweg, als Information. 245 ISG, Fürsorgeamt 4069, May [Volkhard, Leiter des Zentrums] vom Sozialzentrum Marbachweg, als Information. 246 In welchem Umfang wirklich ältere Besucher des Tagespflegeheims an den Therapieformen teilnahmen, konnte nicht geprüft werden.

4.4 Begegnungsstätten für alte Menschen

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4.4.3 Altenberatungsstätten Beratung über die Sozialhilfe und in sonstigen sozialen Angelegenheiten wurde als eine Form der persönlichen Hilfe in Paragraph 8 des Bundessozialhilfegesetzes besonders herausgestellt, war aber für alle Altersgruppen und nicht ausschließlich für ältere Menschen gedacht.247 Im Paragraphen 75 BSHG wurde das Wort „Beratung“ nicht ausdrücklich als Hilfsmaßnahme genannt. Im dritten Gesetz zur Veränderung des Bundessozialhilfegesetzes 1974 nahm man jedoch im Paragraphen  75 zur Altenhilfe im zweiten Abschnitt zwei Hilfsmaßnahmen neu auf: Hilfe in allen Fragen der Aufnahme in eine Einrichtung, die der Betreuung alter Menschen dient, insbesondere bei der Beschaffung eines geeigneten Heimplatzes, und Hilfe bei der Inanspruchnahme altersgerechter Dienste.248 Die beiden Punkte seien als Resultat der Zunahme von Altenhilfeangeboten aufgenommen worden, interpretierte der „Deutsche Verein“. Der alte Mensch müsse über diese nun vielzähligen Dienste beraten werden, und ihm seien die Wege zu öffnen, diese Dienste überhaupt in Anspruch nehmen zu können. Wesentlich für die beiden neuen Hilfen sei ihr Charakter als persönliche Hilfe.249 Das Land Hessen förderte ab 1972 zunächst rund 50 Altenberatungsstellen mit 200.000 DM, denn vielen älteren Menschen falle es schwer, die vielen Möglichkeiten der Altenhilfe voll zu nutzen.250 Solchen Schwierigkeiten solle durch Altenberatungsstellen begegnet werden. Diese sollten ältere Menschen in Alltagsfragen beraten und im Einzelfall an andere Stellen verweisen. Die Altenberatungsstellen konnten sowohl stationär als auch mobil arbeiten und von einem Standort aus mehrere Stadtbezirke oder Landgemeinden bedienen. Die Beratungsstellen sollten in Altentagesstätten eingerichtet werden. Vorgesehen war eine Beratung durch ehrenamtliche Kräfte, nicht durch hauptberufliche, jedoch sollten sie über einschlägige Ausbildung und Erfahrung verfügen, ohne dass dieser Punkt genauer ausgeführt wurde.251 Umfang der Förderung waren bis zu 50 Prozent der Personal- und Sachkosten, die jedoch nur bis zu 7.200 DM bzw. 8.000 DM für mobile Altenberatungsstellen pro Haushaltsjahr berücksichtigten.252 1982 gab es hessenweit 81 Altenberatungsstellen.253 Ihr Ausbau in Hessen in den 1970er Jahren erfolgte im bundesweiten Vergleich nicht früh. Hamburg konnte zu Beginn der 1970er Jahre

247 BSHG vom 30. Juni 1961, in: BGBl. I, 1961, Nr. 46 vom 5.7.1961, S. 815–841, hier § 8, S. 817. 248 Drittes Gesetz zur Änderung des Bundessozialhilfegesetzes vom 25. März 1974, in: BGBl. I, 1974, Nr. 31 vom 28.3.1974, S. 777–784, hier S. 781. 249 Einzeldarstellungen der Vorschriften des Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundessozialhilfegesetzes, in: NDV 54 (1974), H. 5, S. 120–135, hier IX. Altenhilfe, S. 131 f. 250 Der Hessische Sozialminister (1972), Wiesbaden, 10. November 1971. 251 Der Hessische Sozialminister (1972). 252 Der Hessische Sozialminister (1972). 253 HHStAW, Abt. 508, Nr. 5849b, Der hessische Sozialminister, Pressemitteilung, Wiesbaden, 26. Juli 1982.

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren

auf fast ein Jahrzehnt Erfahrung in der Altenberatung zurückblicken: Seit 1961 gab es dort die ersten staatlichen Altenfürsorgerinnen, meist geprüfte Sozialarbeiterinnen, die auch Sprechstunden abhielten.254 In Frankfurt bot der Altenklub im innenstadtnahen Rothschildpark seit der Eröffnung in den frühen 1960er Jahren Beratungsstunden an. Erst in den 1970er Jahren folgten weitere Altenklubs mit regelmäßigen Beratungsstunden. Die Beratung im Altenklub im Rothschildpark wurde Anfang der 1970er Jahre räumlich und zeitlich ausgebaut.255 1973 suchten 174 Personen Rat in der Beratungsstelle, die jeden Mittwoch von 9 bis 11 Uhr geöffnet hatte.256 Der Schwerpunkt waren Renten- und Wohngeldfragen und Fragen nach einem Platz in einem Altenwohnheim.257 Leider seien die Wartezeiten auf eine Altenwohnung zu lang. Die Wohnstifte seien zu teuer für die Ratsuchenden, dort seien die „Menschen in dauernder Sorge um die Zukunft, wenn die Erhöhung des Einkommens mit der Erhöhung der Preise nicht Schritt hält“.258 Rentenbescheide und Wohngeldbescheide wurden in der Beratungsstelle geprüft und sogar verhandelt. Denn die Ratsuchenden hätten eine gewisse Scheu vor Behörden, auch gegenüber dem Sozialamt. Daher gab es Beratungen über Vergünstigungen wie Rundfunkgebührenbefreiung, Brennstoffbeihilfen, Straßenbahnscheine und Seniorenkarten. 1974 erwähnte die „Centrale für private Fürsorge“ als Trägerin der Einrichtung auch „sehr persönliche Schwierigkeiten“259 als Inhalt der 110 Beratungen: Darunter fielen ein nicht akzeptiertes Älterwerden, Beziehungsstörungen, Mangel an Betätigungsmöglichkeiten und das Gefühl, abseits zu stehen. Daneben gab es 1971 neun dezentrale Beratungsstellen der Abteilung Altenhilfe des Sozialamtes in Altenwohnhäusern, Altentagesstätten, Altenzentren, Bürgergemeinschaftshäusern und Nachbarschaftsheimen.260 In neu gebauten Klubräumen in Frankfurt wurde in den 1970er Jahren die Beratung im Raumprogramm berücksichtigt: Neben den Klub- und Hobbyräumen, Werkräumen, Küche und Büro war ein Beratungszimmer vorgesehen.261 Diese Beratungsstellen waren nicht dauerhaft besetzt, sondern für ein bis zwei Stunden kam ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin der Abteilung Altenhilfe des Frankfurter Sozialamtes in die Räumlichkeiten. Darüber hinaus gab es in 254 Grossner (1970). 255 ISG, Fürsorgeamt 2971, Centrale für private Fürsorge e. V., An den Magistrat der Stadt Frankfurt z. Hd. Herrn Stadtrat Gerhardt, Frankfurt, 9. Februar 1972. 256 ISG, Fürsorgeamt 2971, Nachrichten der Centrale für Private Fürsorge e. V., Frankfurt a. M., im März 1974. 257 ISG, Fürsorgeamt 2971, Nachrichten der Centrale für Private Fürsorge e. V., Frankfurt a. M., im März 1974. 258 ISG, Fürsorgeamt 2971, Nachrichten der Centrale für Private Fürsorge e. V., Frankfurt a. M., im März 1974. 259 ISG, Fürsorgeamt 2971, Nachrichten des Instituts für Sozialarbeit e. V., Frankfurt a. M., März 1975 [nun Institut für Sozialarbeit, 1974 noch Centrale für private Fürsorge, anlässlich des 75-jährigen Bestehens im Juni 1974 geändert]. 260 Mitteilungen der Stadtverwaltung Frankfurt a. M., 1971, Nr. 28, S. 196. 261 ISG, Fürsorgeamt 4136, Frankfurter Verband für Altersfürsorge e. V., an das Sozialamt, Frankfurt 28. März 1974.

4.4 Begegnungsstätten für alte Menschen

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Abbildung 19: Beratungsstelle Westend, 1975, Fotograf: W. Klar

der Abteilung Altenhilfe das Sachgebiet „Beratung und Altenpflege“. Hier waren fünf Sozialarbeiterinnen beschäftigt, die telefonisch zur Heimunterbringung berieten. Sie machten auch Hausbesuche und kamen zur Nachbetreuung in die Altenheime.262 Ende der 1970er Jahre kamen Beratungen zu Erholungsfahrten in der offenen Altenhilfe hinzu; alle Teilnehmer von Erholungsfahrten waren aufgefordert, sich im Vorfeld zu melden, um die für sie am besten geeignete Fahrt zu finden.263 Mitte der 1970er Jahre wurde vermerkt, dass die Zielgruppen der Beratung erweitert werden sollten um Menschen, die noch arbeiteten. Sie sollten zur Vorbereitung des Ruhestandes beraten werden. Eine Beratungstätigkeit in den Unternehmen sei daher besonders wirkungsvoll, es könnten dafür Rentner eingesetzt werden.264 Darüber hinaus gab es keinen Selbsthilfegedanken in der Beratungstätigkeit. 1977 berichtete ein kommunaler „Seniorenberater“ der Abteilung Altenhilfe in der Seniorenzeit­ schrift über seine Arbeit.265 Seit einem Jahr habe er zwei neue Beratungsstellen für ältere Bürger eingerichtet und zwei vorhandene ausgebaut. Über 1.000 Senioren kamen in diesem einen Jahr in die vier Beratungsstellen. Die Beratungen umfassten nach diesem Bericht vor allem sozialrechtliche Fragen: Oftmals sind die Probleme der Ratsuchenden gar nicht so schwer zu lösen – nur wissen die meisten Bürger gar nicht, welche Rechte und Ansprüche sie eigentlich haben, und sie schöpfen deshalb die Möglichkeiten, die ihnen offenstehen, gar nicht aus. [S. 20] […] Da ist zum Beispiel die ältere Frau, die schon seit Monaten ihren schwer pflegebedürftigen Ehemann betreut. Sie weiß nicht, daß ihr dafür eine erhöhte Pflegezulage gewährt 262 Seniorenzeitschrift, 4/1976. 263 ISG, Fürsorgeamt 4175, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Rundverfügung Nr. 2/80, Frankfurt, 12. Januar 1980. 264 ISG, Fürsorgeamt 4185, Sozialamt Abt. Altenhilfe, im Auftrag Lenski, Frankfurt, 3. November 1975, Vermerk: Vorbereitung auf das Alter. 265 Ein Seniorenberater berichtet (Hellmut Hladjk, Sozialberater), in: Seniorenzeitschrift, 2/1977, S. 19 f.

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren werden kann – oder wenn sie es weiß, dann kennt sie nicht den richtigen Weg, um zu dieser Zulage zu kommen. Der Berater setzt sich mit dem Hausarzt, mit dem Facharzt und – manchmal – mit einem der freien Wohlfahrtsverbände in Verbindung und schafft die Unterlagen herbei, die Voraussetzung für die Gewährung der Zulage sind. Eine fast blinde Frau lebt seit Jahren ohne Betreuung. Sie weiß gar nicht, daß ihr Hilfe zusteht. Der Berater kümmert sich darum, daß sie ein erhöhtes Blindengeld und einen Schwerbehinderten-Ausweis bekommt. […] Wenn Haushilfen oder Pflegehilfen benötigt werden, kann der Berater vermittelnd nützlich werden. Aber auch bei Fragen wie der Befreiung von Rundfunk- und Telefongebühren oder der Unterstützung bei der Einrichtung eines Telefons kann der Berater helfen […].266

Neben diesem vor allem finanziell bedeutsamen Service war der Anspruch, „allgemeine Lebensberatung“ zu geben. Die formulierten Ziele einer solchen Beratung gingen mit der Bewertung des angenommenen Lebensstils alter Menschen einher, der verändert werden sollte. Auch zum Ende des Jahrzehnts wurde den alten Menschen Einsamkeit und lethargisches Verhalten, das von außen aufgelöst werden sollte, unterstellt: Sie [die Beratung] ist besonders wichtig, weil damit der Gefahr der Isolierung und der Vereinsamung alter Menschen entgegengewirkt werden kann. Hierbei muß der Berater versuchen, dem älteren Mitbürger ein Ziel zu zeigen und zu setzen und ihn damit daran zu hindern, sich der Lethargie hinzugeben und sich einfach treiben zu lassen.267

Auch Wohlfahrtsverbände und religiöse Gemeinden bauten in den 1970er Jahren die Altenberatung aus. Die Jüdische Gemeinde in Frankfurt empfand ihren seit einigen Jahren bestehenden Altenklub 1970 als völlig unzureichend. In einer Besprechung der Sozialkommission der Gemeinde wurde die mangelnde offene Altenhilfe thematisiert: Die Juden in Frankfurt sind überaltert. Wir haben sehr viel [!] alte Leute über 70 Jahre, die in keinem Altersheim sind, weil kein Platz frei ist oder weil sie lieber zu Hause bleiben. […] Die Fürsorgerinnen der Sozialabteilung können nicht alle Juden in Ffm. aufsuchen, es bleibt ihnen kaum Zeit, in konkreten Fällen Hausbesuche zu machen, auch dann nicht, wenn es manchmal dringend nötig ist. Wir brauchen eine Altenpflegerin oder eine Altenhilfe. Der Altenklub hat in sozialer Hinsicht nicht viel Erfolg. Wieviel alte Leute hingehen, ist uns nicht bekannt. Sie trinken dort Kaffee, plaudern und gehen wieder weg. In so einen Klub gehört eine Fürsorgerin, die einen Plan, ein Programm hat und die alten Leute heranzieht. […] Die Wirklichkeit sieht jedoch so aus: Sie bekommen im Klub einen billigen Kaffee, spielen Karten oder Schach. Wir stellen uns vor, daß einmal in der Woche eine Sprechstunde für alte Leute im Klub abgehalten werden sollte, für solche, die nicht in die Sozialabteilung gehen wollen. […] Sozialarbeit besteht ja nicht nur darin, Geld zu geben oder den Kampf um mehr Geld abzuwehren, Sozialarbeit ist zum größten Teil psychologische Beratung in Fragen, wo sich der Betreffende selbst keinen Rat weiß, Verbindungen mit Ämtern und anderen Stellen für diese Menschen herzustellen und ihnen zu helfen, auf eigenen Füßen zu stehen.268 266 Ein Seniorenberater berichtet (Hellmut Hladjk, Sozialberater), in: Seniorenzeitschrift, 2/1977, S. 19 f. 267 Ein Seniorenberater berichtet (Hellmut Hladjk, Sozialberater), in: Seniorenzeitschrift, 2/1977, S. 19 f., hier S. 20. 268 ZA, B 1/13, Nr. 3602, Protokoll über die am 12. Mai 1970 stattgefundene Sitzung der Kommission für soziale Angelegenheiten der Jüdischen Gemeinde, Punkt 3 Altenbetreuung.

4.4 Begegnungsstätten für alte Menschen

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Nach der starken Kritik der Sozialkommission der Jüdischen Gemeinde an dem bestehenden Altenklub und der mangelnden Altenhilfe richtete die Gemeinde in Frankfurt 1971 eine Altenberatungsstelle in ihrem Gemeindehaus ein. Die Beratungsstelle war werktäglich von 8 bis 17 Uhr geöffnet und damit umfassender als die übrigen Beratungsstellen in der Stadt. Ab 1973 wurde sie vom Land Hessen jährlich gefördert.269 Sie war mit zwei hauptamtlichen Kräften besetzt: einer ausgebildeten Altenpflegerin und einer Schreibkraft. Die Besucherstunden erstreckten sich nach Angaben der Gemeinde auf etwa vier bis fünf Stunden dreimal wöchentlich. Die Altenpflegerin übernahm auch Hausbesuche. Menschen ab 59 Jahren suchten Rat. Zudem organisierte die Beratungsstelle im Gemeindehaus Veranstaltungen wie Kaffee- und Tagesfahrten; diese Ausgaben machten immerhin 8.000  DM aus, die Beratungsstelle übernahm also auch Klubaufgaben. Die Jüdische Gemeinde begründete den besonderen Beratungs- und Altenhilfebedarf mit den Bedürfnissen ihrer Gemeindemitglieder: In diesem Zusammenhang sei unsererseits besonders darauf hingewiesen, dass viele dieser alten Menschen, bedingt durch die jahrelangen KZ- und Lager-Aufenthalte während des Nazi-Regimes durch das Auslöschen ganzer Familien heute ohne Kinder dastehen, zum größten Teil aus ihrem eigentlichen Heimatland entwurzelt und krank sind, sodass sich schon allein aus diesem Grunde eine besondere Aufgabe unserer Altenberatungsstellen ergibt.270

Diese besonders schwere Lage der älteren jüdischen Gemeindemitglieder wurde auch 1981 noch hervorgehoben.271 Von der Beratungsstelle der Jüdischen Gemeinde und der Heimplatzberatung der Abteilung Altenhilfe abgesehen gab es wenig aufsuchende Beratung von alten Menschen oder Behinderten, obwohl 1974 das Ministerkomitee des Europarates eine Entschließung verabschiedete, dass nicht nur Beratungsorganisationen für alte Menschen zu schaffen seien, sondern auch „gemischte“ Teams aus Hauspflegern, Ärzten, Therapeuten und Sozialarbeitern die alten Menschen zu Hause besuchen soll-

269 ZA, B 1/13, Nr. 3318, Der hessische Sozialminister, An die Jüdische Gemeinde Frankfurt, 9. Oktober 1973, Zuwendungsbescheid. Es handelte sich nur um 3.600 DM, da das Land zwar bis zu 50 Prozent der zuwendungsfähigen Kosten erstattete, jedoch höchstens 7.200  DM Gesamtkosten je Einrichtung anerkannte. 1980 wurde dieser Zuschuss des Landes auf 4.500 DM erhöht (ZA, B 1/13, Nr. 3318, Der hessische Sozialminister, Landesverband der Jüdischen Gemeinden Frankfurt, Wiesbaden, 5. Mai 1980, betr. Förderung nichtinvestiver sozialer Maßnahmen, hier: Unterhaltung einer Altenberatungsstelle). Die Personalkosten hatten sich bis dahin allerdings auch erhöht von knapp 20.000 DM auf gut 30.000 DM; siehe ZA, B 1/13, Nr. 3318, Antrag auf Gewährung einer Zuwendung für den Betrieb einer Altenberatungsstelle, Jüdische Gemeinde, 7. Mai 1980. 270 ZA, B 1/13, Nr. 3318, Verwendungsnachweis Kosten Altenberatungsstelle 1973, 10. Juli 1974. 271 ZA, B 1/13, Nr. 3318, Jüdische Gemeinde Frankfurt an den Herrn Regierungspräsidenten Darmstadt, Förderung nichtinvestiver sozialer Maßnahmen, hier: Unterhaltung einer Altenberatungsstelle, 20. August 1981.

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren

ten, um sie dort über Angebote der Altenhilfe, aber auch über Verbesserungsmöglichkeiten im Wohnraum zu beraten.272 4.4.4 Altenwerkstätten In den 1960er Jahren wurde in Frankfurt keine Altenwerkstätte eingerichtet, auch bundesweit gab es diese Stätten kaum (siehe Kapitel 3). Im zweiten kommunalen Altenplan 1970 wurden Altenwerkstätten ebenfalls nicht in die Planung mit aufgenommen. 1971 richtete man jedoch im Stadtteil Bornheim eine Altentagesstätte ein, in der ältere Bürger ihre Hobbys wiederentdecken und intensiv betreiben konnten. Ziel sei die „eigenständige und sinnvolle Freizeitgestaltung“.273 Die Ausstattung bestand aus Werkbänken, Werkzeugschränken, Webstuhl, Staffelei, Arbeitstischen und Stühlen, Plattenspieler und Tonbandgeräten. Die Einrichtung wurde von der Stadt finanziert. Anleitung durch einen Beschäftigungstherapeuten und das Herstellen verkaufbarer Gegenstände waren nicht Ziel der Einrichtung.274 Eigenständige, räumlich von den Altentagesstätten getrennte Altenwerkstätten wurden nicht eingerichtet, sondern die Altentagesstätten teilweise ausgebaut, um dort werkend tätig zu sein – mit dem Ziel, Hobbys und Freizeitgestaltung zu fördern, nicht eine Tätigkeit, die noch mit Erwerbstätigkeit in Verbindung stand. Damit ging eine Andersbewertung des „Ruhestandes“ einher. In den Vordergrund wurde nicht mehr der Wegfall von Erwerbsarbeit gestellt, der möglicherweise zum Problem werden könnte, sondern der Gewinn an Freizeit, die gestaltet werden konnte.275 1977 beauftragte die Stadtverordnetenversammlung auf Antrag der SPDFraktion276 den Magistrat, die Einrichtung einer Altenwerkstatt zu prüfen277. Der Magistrat berichtete, dass der Wunsch von vielen älteren Bürgern geäußert wurde, an zentraler Stelle in der Stadt eine Seniorenwerkstatt zu haben 272 Über die Gesundheitsfürsorge und Sozialdienste für alte Menschen, die zu Hause leben  – Entschließung des Ministerkomitees des Europarates, in: NDV 56 (1976), H. 1, S. 16–20. 273 ISG, Stadtverordnetenversammlung 2370, Vortrag des Magistrats an die Stadtverordnetenversammlung M 540, Frankfurt, 8. November 1971, betr. Altentagesstätte „Haus der Freizeit und Begegnung“ und Altenbetreuungsdienst in der Altenwohnanlage Frankfurt a. M. – Löwengasse 33. Beschlossen von der Stadtverordnetenversammlung, siehe Protokoll-Auszug, VII. Wahlperiode, § 2909, Frankfurt, 16. Dezember 1971. 274 ISG, Stadtverordnetenversammlung 2370, Vortrag des Magistrats an die Stadtverordnetenversammlung M 540, Frankfurt, 8. November 1971, betr. Altentagesstätte „Haus der Freizeit und Begegnung“ und Altenbetreuungsdienst in der Altenwohnanlage Frankfurt a. M. – Löwengasse 33. Beschlossen von der Stadtverordnetenversammlung, siehe Protokoll-Auszug, VII. Wahlperiode, § 2909, Frankfurt, 16. Dezember 1971. 275 Vgl. Ehmer (2009). 276 ISG, Stadtverordnetenversammlung 3020, Antrag der SPD-Fraktion, 1. August 1977, Nr. 242, betr. Seniorenwerkstatt. 277 ISG, Stadtverordnetenversammlung 3020, Protokoll-Auszug der Stadtverordneten-Versammlung Frankfurt a. M., IX. Wahlperiode, § 572, Frankfurt a. M., 22. September 1977.

4.4 Begegnungsstätten für alte Menschen

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und neben den Altenklubs offene, formal nicht festgelegte Begegnungsangebote bereitzustellen. Dabei bezog sich der Magistrat auf das Ergebnis von (nicht zitierten) Studien: Das Freizeitverhalten der älteren Bürger wird formal und inhaltlich von seiner ehemaligen Berufstätigkeit, Bildung, Gesundheit sowie dem Familienstand, Geschlecht und sozialen Kontaktfeld (inner/außerfamiliär) bestimmt. Festzuhalten ist hier vor allem, daß die Mehrzahl der älteren Mitbürger über 65 Jahre Frauen sind. Dieses ist wichtig für die Ausgestaltung der Altersfreizeit sowohl unter dem Aspekt der Einkommensverhältnisse wie auch der Kontakt- und Kommunikationschancen. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, daß bereits 90 v. H. aller Hobbys mit dem 19. Lebensjahr ausgebildet sind, zudem wissen wir, daß die Einkommens- und Bildungssituation sich vor allem im Alter entscheidend auswirkt. Die Aktivierung des tendenziell in einer Situation verminderter Kontakte zur Außenwelt stehenden älteren Menschen ist daher am ehesten durch Kooperation in Gruppen und durch vermittelten Erfahrungs-, Meinungs- und Informationsaustausch möglich. Diesem müßte eine Werkstätte entsprechen können.278

Im Eingangsbereich sollten „zwangslose Begegnungsflächen“ in Form einer Cafeteria mit Leseecke und einem Bereich für Gesellschaftsspiele mit Ausstellungskästen eingerichtet werden, daran sollten sich mehrere Hobby- und Werkräume anschließen. Gedacht war die Einrichtung für ältere Bürger, die bereits einem Hobby nachgingen und sich darüber mit anderen austauschen wollten oder qualifizierte technische Geräte benötigten, und „Unentschlossene“, die sich allein bisher nicht trauten, Wünsche und Vorstellungen konkret werden zu lassen, aus Selbstzweifeln oder weil ihnen die Geräte fehlten. Deutlich distanzierte sich der Magistrat von reinen Bastelaktivitäten für den Basarverkauf: Die Relevanz und Effektivität des eigenen handwerklichen Handelns ist stark an Erfolgserlebnisse wie auch an die praktische Verwertbarkeit gebunden. Dieses ist uns hinreichend bekannt aus allen beschäftigungstherapeutischen Bemühungen in den stationären Einrichtungen. Das Anbieten von gebastelten Stücken ausschließlich anläßlich von Basaren, engt die Verwertbarkeit des Erschafften ausschließlich auf den Aspekt eines mildtätigen Kaufes ein und ist stark an den Festtagszyklus (Weihnachten) gebunden.279

Bis geeignete Räumlichkeiten gefunden und eingerichtet wurden, vergingen weitere Jahre280, obwohl sie 1976 schon vom damaligen Sozialdezernenten Martin Berg (SPD) geplant wurden und die Frankfurter Rundschau aus ihrem Spendenfonds der Altenhilfe dafür 40.000 DM gesammelt hatte281. Alle Parteien in Frankfurt befürworteten die Einrichtung einer Seniorenwerkstatt, die Ortssuche hatte aber keine Priorität. Es gab jedoch auch kritische Stimmen: So sprach Gerhard Haag, Referent für Altenhilfe im Deutschen Paritätischen 278 ISG, Stadtverordnetenversammlung 3020, Der Magistrat, Bericht des Magistrats an die Stadtverordneten-Versammlung, B 986, betr. Seniorenwerkstatt, Frankfurt, 16. Dezember 1977, S. 1. 279 ISG, Stadtverordnetenversammlung 3020, Der Magistrat, Bericht des Magistrats an die Stadtverordneten-Versammlung, B 986, betr. Seniorenwerkstatt, Frankfurt, 16. Dezember 1977, S. 3. 280 ISG, Stadtkämmerei 2543, Bericht des Magistrats an die Stadtverordneten-Versammlung, B 479, 1. Juni 1979. 281 ISG, Stadtkämmerei 2543, Presseausschnitt: Füssel, Ulrike; Stössinger, Jutta: Die Senioren sollen weiter Geduld haben. FDP: ein Skandal, in: FR, 23. Januar 1980.

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Wohlfahrtsverband, von der „Schein-Nützlichkeit“ einer solchen Einrichtung, die keinesfalls ein „karitativer Altentreff“ werden dürfe, denn in Zukunft müssten vor allem Rentnerorganisationen und Selbsthilfegruppen von alten Mitbürgern entstehen und gefördert werden.282 Im Jugend- und Sozialausschuss verwies ein CDU-Stadtverordneter darauf, dass zu einem „WerkstattHearing“ kaum alte Leute gekommen seien, und er sich frage, ob überhaupt Bedarf bestehe.283 Erst im Juli 1980 mietete der „Frankfurter Verband für Alten- und Behindertenhilfe e. V.“ Räumlichkeiten in zentraler Lage in der Stadt, um dort eine Seniorenwerkstätte einzurichten. Die Seniorenwerkstatt Oeder Weg wurde im Oktober 1980 eröffnet.284 Geleitet wurde sie von einer in Vollzeit angestellten Beschäftigungstherapeutin, eine weitere Mitarbeiterin war eine in Teilzeit angestellte Werklehrerin.285 Die Mitarbeiterinnen hatten die organisatorische Leitung und sollten Besucher motivieren, dort tätig zu werden. Besonders sollten sie versuchen, Kleingruppen unter den Besuchern zu bilden, um „der Vereinzelung und Vereinsamung des älteren oder behinderten Bürgers entgegenzuwirken“.286 Zudem kamen pensionierte Handwerker einige Stunden pro Woche in die Werkstatt, um Ratschläge aus ihrer handwerklichen Berufserfahrung zu geben.287 Die alten Menschen konnten auch ihre eigenen Werkzeuge mitbringen.288 In der Einrichtung waren Maschinen für Holz- und Metallarbeiten aufgestellt, in den kleineren Räumen im Obergeschoss konnte genäht und gebastelt, im Keller getöpfert, gebatikt und mit Keramik gearbeitet werden. Es gab eine elektrisch betriebene Töpferscheibe und einen Brenn282 ISG, Stadtkämmerei 2543, Presseausschnitt: Füssel, Ulrike; Stössinger, Jutta: Die Senioren sollen weiter Geduld haben. FDP: ein Skandal, in: FR, 23. Januar 1980. 283 ISG, Stadtkämmerei 2543, Presseausschnitt: Füssel, Ulrike; Stössinger, Jutta: Die Senioren sollen weiter Geduld haben. FDP: ein Skandal, in: FR, 23. Januar 1980. 284 ISG, Stadtkämmerei 2543, Bericht des Magistrats an die Stadtverordneten-Versammlung, betr. Seniorenwerkstatt, B 891, 13. Oktober 1980. 285 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S  3/N  14384, Presseausschnitt: Bisher einmalig: Den Senioren eine Werkstatt zur Ausübung ihrer Hobbies, in: Frankfurter Nachrichten, Donnerstag, 23. Oktober 1980. In dem Artikel wurde behauptet, die Einrichtung sei in der Bundesrepublik einmalig; dies kann allerdings bezweifelt werden, da in anderen Medien (NDV) schon von anderen Werkstätten berichtet wurde, siehe Kapitel 3. Hanna Maaß leitete die Werkstatt bis 1995. Sie wurde 1935 in Augsburg geboren und arbeitete seit 1975 als Beschäftigungstherapeutin im Frankfurter Verband für Alten- und Behindertenhilfe e. V. Die nachfolgende Leiterin wurde Claudia Munoz del Rio (ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/N 14384, Presseausschnitt: Die Seniorenwerkstatt ist „wie eine Familie“. Nach 15 Jahren gibt Hanna Maass die Leitung ab/Einrichtung einzigartig in Hessen, in: FR, 20. Juli 1995). 286 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S  3/N  14384, Presse- und Informationsamt Frankfurt a. M., 4. Juni 1980. 287 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/N 14384, Presseausschnitt: kv.: Neue Freizeitmöglichkeit für Alte und Behinderte. Erste Seniorenwerkstatt gestern eingeweiht, in: FNP, 16. Oktober 1980, S. 13. 288 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/N 14384, Presseausschnitt: Arbeitsplatz Oeder Weg: In der neuen Seniorenwerkstatt wird gehämmert, gefeilt, gesägt und genäht, in: Senio­ renzeitschrift, 1/1981, S. 14 f., hier S. 15.

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ofen.289 Die Werkstatt war für ältere und behinderte Menschen barrierefrei eingerichtet, allerdings nur das Erdgeschoss. Der Umbau des Gebäudes kostete die Stadt 100.000 DM. Insgesamt wurden für gut 70.000 DM Maschinen und Werkzeuge angeschafft.290

Abbildung 20: Seniorenwerkstatt Oeder Weg, 1983, Fotograf: K. Meier-Ude, © ISG

Die Werkstatt war eindeutig für die Geschlechter getrennt eingerichtet; das obere Stockwerk sei für die „Damen“ gedacht, die vor allem die „menschliche Wärme“ suchten, die Werkstatt unten für die Männer, so Leiterin Hanna Maaß: „Wenn sie einen Schrank für die Küche reparieren, die Weihnachtsgeschenke für die Enkel zusammenfügen, sind sie ‚unter Männern‘ und ihresgleichen.“291 Das Material für die Arbeiten gab es zum Selbstkosten289 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/N 14384, Presseausschnitt: Arbeitsplatz Oeder Weg: In der neuen Seniorenwerkstatt wird gehämmert, gefeilt, gesägt und genäht, in: Senio­ renzeitschrift, 1/1981, S. 14 f., hier S. 15. 290 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/N 14384, Presseausschnitt: kv.: Neue Freizeitmöglichkeit für Alte und Behinderte. Erste Seniorenwerkstatt gestern eingeweiht, in: FNP, 16. Oktober 1980, S. 13. 291 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/N 14384, Presseausschnitt: Arbeitsplatz Oeder Weg: In der neuen Seniorenwerkstatt wird gehämmert, gefeilt, gesägt und genäht, in: Senio­ renzeitschrift, 1/1981, S. 14 f., hier S. 15.

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren

preis.292 Es war ein offenes Angebot ohne feste Mitgliedschaften, das man während der Öffnungszeiten von 9:30 bis 17 Uhr montags bis freitags nutzen konnte. Es gab jedoch einige feste Angebote an Kursen, wie Bauernmalerei, Handpuppenherstellung, Schneiderei und Keramik. Diese Kurse wurden von den alten Frauen selbst geleitet.293

Abbildung 21: Seniorenwerkstatt Oeder Weg, 1983, Fotograf: K. Meier-Ude, © ISG

Eine zweite Seniorenwerkstatt wurde in Preungesheim von der evangelischen Kreuzgemeinde getragen. Wie auch in der ersten Seniorenwerkstatt im Oeder Weg solle nicht nur „gebastelt“ werden, „sondern es sollen alte handwerkliche Kenntnisse aufgefrischt, täglich neu angewandt werden. Da werden eigene oder fremde Sachen repariert. Die arbeitstherapeutische Bedeutung einer solchen Werkmöglichkeit ist unbestritten.“294 292 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/N 14384, Presseausschnitt: Arbeitsplatz Oeder Weg: In der neuen Seniorenwerkstatt wird gehämmert, gefeilt, gesägt und genäht, in: Senio­ renzeitschrift, 1/1981, S. 14 f., hier S. 14. 293 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/N 14384, Presseausschnitt: Arbeitsplatz Oeder Weg: In der neuen Seniorenwerkstatt wird gehämmert, gefeilt, gesägt und genäht, in: Senio­ renzeitschrift, 1/1981, S. 14 f., hier S. 15. 294 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/N 14384, Presseausschnitt: Neue Seniorenwerkstatt in Preungesheim eröffnet, in: Seniorenzeitschrift, 3/1981, S. 12.

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Im Gegensatz zu älteren Ansätzen in der Altenhilfe wurde hier kein Erwerbsgedanke verfolgt, sondern es handelte sich ausdrücklich um eine Einrichtung, um Hobbys zu pflegen. Gewünschte Aktivität im Alter war damit zu diesem Zeitpunkt deutlich vom Arbeitsleben entkoppelt, sie sollte aus selbstgewählten Tätigkeiten bestehen; der Renteneintritt war erst die Voraussetzung für die gewählten Eigenaktivitäten. Selbstorganisation der Rentner wurde als wichtiges Element betont. Diese übernahmen anleitende Aufgaben, bildeten Interessengruppen und gaben Kurse. Dennoch wurde das Angebot von einer „Arbeitstherapeutin“ betreut. 1984 resümierte die Leiterin der Altenwerkstätte die Unterschiede zu einer Altentagesstätte: „Bei uns sind Leute, die schon immer etwas mit sich anzufangen wußten, die selbständig und produktiv sind. Das ist ein völlig anderer Stil: Die erwarten nicht, daß man ihnen etwas ‚vorsetzt‘.“295 Etwa 50 Menschen nutzten die Werkstätte regelmäßig. Das Angebot hatte sich um einen Aquarellkurs und einen Webstuhl erweitert. Die Leiterin Maaß versuchte weitere Techniken einzuführen, diese wurden jedoch nicht angenommen. So lehnten die Frauen das Spinnen ab, da sie es mit harter Arbeit und der Kriegszeit verknüpften.296 Mitte und Ende der 1990er Jahre trat die Werkstatt außerdem als „professioneller Entrümpler“ von Haushalten auf und veranstaltete Flohmärkte. Es wurden nun auch Menschen angesprochen, die kurz vor dem Renteneintritt standen. Für sie gab es Abendveranstaltungen, damit sie als Neurentner sofort in der Seniorenwerkstatt beginnen konnten und nicht in „ein Loch“ fielen, wie die Leiterin Claudia Munoz del Rio formulierte.297 In der Seniorenwerkstatt sollten Ende der 1990er Jahre ältere deutsche Frauen und gleichaltrige Migrantinnen zusammengebracht werden. Ältere Einwanderinnen, deren Partner gestorben waren und die oft nur wenig Deutsch sprachen, wurden als besonders isolierte Gruppe angesehen. Gemeinsames Handwerken und Basteln sollte Kontakte auch bei fehlender gemeinsamer Sprache ermöglichen. Man sah aber auch Probleme: Ängste auf der Seite der Migrantinnen und Ausländerfeindlichkeit bei den älteren deutschen Frauen.298

295 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/N 14384, Presseausschnitt: Heinz, Jutta: In der Seniorenwerkstatt wächst das Angebot ständig: Töpfern, Schneidern, Weben. Sie suchen hier nicht nur einen gemütlichen Schwatz. „Veteraninnen“ ziehen eine positive Bilanz, in: FR, 5. Dezember 1984. 296 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/N 14384, Presseausschnitt: Heinz, Jutta: In der Seniorenwerkstatt wächst das Angebot ständig: Töpfern, Schneidern, Weben. Sie suchen hier nicht nur einen gemütlichen Schwatz. „Veteraninnen“ ziehen eine positive Bilanz, in: FR, 5. Dezember 1984. 297 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/N 14384, Presseausschnitt: Mit Trödel für Kreatives werben. Die Seniorenwerkstatt im Oeder Weg öffnet ihre Türen, in: FR, 11. Juli 1996. 298 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/N 14384, Presseausschnitt: Vorurteile entkräften – auch wenn die gemeinsame Sprache fehlt. Seniorenwerkstatt und „Infrau“ planen interkulturelles Projekt/Stadt bewilligt 9000 Mark, in: FR, 10. Dezember 1998.

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4.5 Seniorenbeiräte Im zweiten kommunalen Altenplan war die Bildung eines Seniorenbeirates vorgesehen, um Bürger stärker in Entscheidungsprozesse in der Kommune einzubeziehen. 1974 wurde beim Dezernat Soziales und Freizeit ein Seniorenbeirat gebildet. Im Vorfeld kritisierte die Rechtsabteilung, dass die Bildung eines Seniorenbeirates auch Forderungen anderer Bevölkerungsgruppen wie Frauen und Mütter nichtehelicher Kinder auslöse.299 Ein Seniorenbeirat sei eine Art Nebendeputation neben der Sozialhilfedeputation, und es stelle sich die Frage, ob diese nicht um ältere Bürger erweitert werden sollte. Zudem sei es fraglich, ob die Beiratsmitglieder mit ihrer Rolle der nicht entscheidungsbefugten Berater auf Dauer zufrieden sein würden.300 Außerdem verfüge die Sozialverwaltung für die Wahrnehmung der Interessen alter Menschen schon über fünf vollausgebildete Sozialarbeiterinnen.301 Mit diesem Einwand verkannte der Amtsjurist gerade die Zielsetzung, selbst Betroffene zur Mitsprache zu bringen. Die erste konstituierende Sitzung fand am 15. März 1974 statt.302 Neben den Seniorenbeiräten nahmen zwei Stadträte und zwei Mitarbeiter aus der Abteilung Altenhilfe an der Sitzung teil. Die Sitzung diente vor allem der Information der Mitglieder über den Altenplan und den Stand der Umsetzung sowie über konkrete Altenhilfemaßnahmen wie die Erholungsmaßnahmen und die Seniorenkarte. Die Seniorenbeiräte konnten so die Informationen in die Stadtteile tragen. Jeder der 15 Ortsbezirke in Frankfurt schlug einen Seniorenvertreter, der älter als 60 Jahre war, für den Beirat vor. Dieser wurde vom Sozialdezernenten zum Seniorenbeiratsmitglied berufen; die Berufung konnte jederzeit aus wichtigen, nicht näher definierten Gründen widerrufen werden. Die Amtszeit war identisch mit der der Ortsbeiräte. Die Beiräte waren ehrenamtlich tätig und erhielten ein Sitzungsgeld als Aufwandsentschädigung. „Sie sollen im Zuge der Verwirklichung einer bürgernahen Verwaltung und zur Förderung der Teilnahme der älteren Bürger an den Entscheidungen, die sie selbst betreffen, Einfluß nehmen.“303 Der Seniorenbeirat sollte die Interessen der älteren Bürger eines Ortsbezirkes im Ortsbeirat vertreten und beratend bei der Verwirklichung des zweiten kommunalen Altenplanes der Stadt mitwirken. Ein Re299 ISG, Fürsorgeamt 2553, Magistratsdezernent Flögel (Amtsjurist) an Stadtrat Berg, Frankfurt, 23. Januar 1973. 300 ISG, Fürsorgeamt 2553, Magistratsdezernent Flögel (Amtsjurist) an Stadtrat Berg, Frankfurt, 23. Januar 1973. 301 ISG, Fürsorgeamt 2553, Magistratsdezernent Flögel (Amtsjurist) an Stadtrat Berg, Frankfurt, 23. Januar 1973. 302 ISG, Fürsorgeamt 2553, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Niederschrift über die konstituierende Sitzung des Seniorenbeirates am Freitag, den 15. März 1974, Frankfurt, 8. April 1974. 303 ISG, Fürsorgeamt 2553, Geschäftsanweisung für den Seniorenbeirat bei den Ortsbeiräten, in: Vortrag des Magistrats an die Stadtverordneten-Versammlung M 120, 16. April 1973.

4.5 Seniorenbeiräte

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derecht wurde zunächst nicht in der Satzung verankert. Die Seniorenbeiräte hatten auch kein Rederecht in der Stadtverordnetenversammlung und kein Recht, dort Anträge zu stellen. Insbesondere erstreckte sich die Mitwirkung auf die Planung von Altenwohnungen und Altenwohnanlagen, die Versorgung heimpflegebedürftiger älterer Mitbürger mit Altenheim- und Pflegeheimplätzen und den Ausbau der Altentagesstätten, Häuser der Freizeit und Begegnung, des Frankfurter Mittagstisches, der Beratungsdienste, der Tageserholung, der Altenerholung, der kulturellen Veranstaltungen und der Freizeitgestaltung.304 Der Seniorenbeirat sollte ständigen Kontakt zur älteren Bevölkerung halten; in welcher Weise, wurde nicht ausgeführt. Der Beirat sollte mindestens zweimal jährlich zusammentreten (er tat es meist drei- bis viermal jährlich). Wenngleich der Seniorenbeirat kein Rederecht in der Stadtverordnetenversammlung hatte, etablierte sich, allerdings erst in der zweiten Legislaturperiode danach, dass er aufgefordert wurde, zu Entscheidungen Stellungnahmen zu verfassen, die den städtischen Körperschaften vorgelegt wurden. Dies betraf ebenfalls die Betreuungsträger von Wohnanlagen.305 Damit wird deutlich, dass der Seniorenbeirat ein Gremium war, das angehört werden sollte, jedoch keine Möglichkeiten hatte, direkt Anträge einzubringen und darüber in Ortsbeiräten oder der Stadtverordnetenversammlung abzustimmen. 1977 wurden die Seniorenbeiräte als „Lobbyisten der älteren Bürger“ bezeichnet.306 Sie waren keine „Sachbearbeiter des ehrenamtlichen Außendienstes“, sollten also nicht die örtlichen ehrenamtlichen Sozialbetreuer im Dienste der Sozialstationen ersetzen, unterhielten jedoch Kontakte zu den Sozialstationen.307 Die Vernetzung mit Vertretern und Verwaltung der Stadt war eng, da der Sozialdezernent oder sein Vertreter an den Sitzungen teilnahm und die Geschäftsstelle des Beirates die Abteilung Altenhilfe des Sozialamtes war. Der Leiter der Abteilung Altenhilfe referierte bei jeder Sitzung des Seniorenbeirates über aktuelle Altenhilfemaßnahmen aus den Bereichen Altenwohnen, Altentagesstätten, Erholungshilfe. Die Seniorenbeiräte gaben ihre Meinung dazu ab, machten außerdem Vorschläge. Wenn auch im Einzelnen nur selten konkret nachzuvollziehen ist, ob die Vorschläge des Seniorenbeira304 ISG, Fürsorgeamt 2553, Geschäftsanweisung für den Seniorenbeirat bei den Ortsbeiräten, in: Vortrag des Magistrats an die Stadtverordneten-Versammlung M 120, 16. April 1973, § 5. In dieser Studie wurden die Protokolle des Seniorenbeirates ausgewertet und dessen Stellungnahmen zu den einzelnen Punkten der Altenhilfe ggf. in die entsprechenden Unterkapitel eingearbeitet. 305 ISG, Fürsorgeamt 2554, Niederschrift über die konstituierende Sitzung des Seniorenbeirates am Dienstag, dem 22. November 1977 im Sozialzentrum Marbachweg, Frankfurt, 24. November 1977, S. 4. 306 ISG, Fürsorgeamt 2554, Niederschrift über die konstituierende Sitzung des Seniorenbeirates am Dienstag, dem 22. November 1977 im Sozialzentrum Marbachweg, Frankfurt, 24. November 1977, S. 5. 307 ISG, Fürsorgeamt 2554, Niederschrift über die konstituierende Sitzung des Seniorenbeirates am Dienstag, dem 22. November 1977 im Sozialzentrum Marbachweg, Frankfurt, 24. November 1977, S. 5.

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren

tes umgesetzt wurden – viele wurden es, so Vorschläge zur Vergabe der Karten für Erholungsfahrten308, zur Einrichtung einer Altenwerkstatt, zu täglich geöffneten Begegnungsstätten und Anmerkungen zu ungünstigen Verkehrssituationen; einige wurden es nicht, so zur Umwidmung von Wohnungen zu Altenwohnungen309  –, so ist anzunehmen, dass sie das Verwaltungshandeln beeinflussten. Allerdings hatte der Leiter der Abteilung Altenhilfe stets einen Informationsvorsprung. Die Seniorenbeiräte repräsentierten nicht den Durchschnittsrentner oder die Durchschnittsrentnerin. Sie waren zum Teil vorher schon politisch aktiv gewesen, so der ehemalige Stadtrat Karl Blum, der auch Vorsitzender wurde.310 Einige Seniorenbeiräte waren gleichzeitig Mitglieder in Ortsbeiräten. Sie waren in ihren Ortsbezirken zumeist bekannt. Die Vorschläge der Ortsbeiräte für zu wählende Seniorenbeiratsmitglieder waren meist nicht umstritten, sondern wurden sogar einstimmig angenommen, egal welche Partei den Vorschlag machte (manchmal schlossen sich alle Parteien zu einem Vorschlag zusammen). Oft jedoch stellten CDU und SPD Gegenkandidaten auf, so dass die Mehrheiten im Ortsbeirat entschieden.311 Die meisten Seniorenbeiräte gehörten einer Partei an. In der ersten Legislaturperiode waren es überwiegend SPD-Mitglieder, zum Teil FDP-Mitglieder, in der zweiten Legislaturperiode mehrheitlich CDU-Angehörige. Der Vorsitzende und seine Stellvertreterin gehörten jedoch verschiedenen Parteien an.312 Damit war der politische Einfluss der Seniorenbeiräte schon außerhalb ihrer Beiratstätigkeit größer als der der durchschnittlichen Altenbevölkerung, ihre Stellungnahmen damit auch parteipolitisch beeinflusst. Auch andere Städte gründeten Seniorenbeiräte.313 Der Deutsche Städtetag fasste 1975 die Ergebnisse einer Umfrage zusammen: Noch gebe es vielfach Forderungen nach Seniorenbeiräten in den Städten, jedoch nur in eini308 Siehe Kapitel 4.6.1. 309 ISG, Fürsorgeamt 2553, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Niederschrift über die Sitzung des Seniorenbeirates am Dienstag, den 18. Juni 1974, kleiner Sitzungssaal Braubachstraße, Frankfurt, 3. Oktober 1974, S. 3. 310 ISG, Fürsorgeamt 2553, Niederschrift über die konstituierende Sitzung des Seniorenbeirates am Freitag, den 15. März 1974, Frankfurt, 8. April 1974. 311 Siehe ISG, Fürsorgeamt 2554, Niederschriften über die Sitzungen der Ortsbeiräte Herbst 1977. 312 ISG, Fürsorgeamt 2554, Niederschrift über die konstituierende Sitzung des Seniorenbeirates am Dienstag, dem 22. November 1977 im Sozialzentrum Marbachweg, Frankfurt, 24. November 1977. 313 ISG, Fürsorgeamt 2553, Presse­ und Informationsdienst des KDA, Folge 33, Juni 1973 über den „Rat der Alten“ in Wolfsburg, der seit 1970 bestehe und beispielhaft sei; Presse­ mitteilungen des KDA, Juli/August 1974 über Hannover und Erlangen. Andere Städte planten eine Einrichtung und fragten in Frankfurt um Informationen und Erfahrungen an: ISG, Fürsorgeamt 2553, der Magistrat der Stadt Kassel, An den Magistrat der Stadt Frankfurt, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Frankfurt 16. Dezember 1974; Landeshauptstadt Düsseldorf, An die Stadt Frankfurt, 6. Mai 1975; Aufruf zur Umfrage des DST in MittDST, 5. August 1975, 777/75, S. 228; Anfrage der Stadt Gelsenkirchen, an die Stadt Frankfurt, Abt. Altenhilfe, 24. November 1975.

4.5 Seniorenbeiräte

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gen wenigen Kommunen schon bestehende Beiräte, um die Interessen der älteren Bürger zu beachten und sie zur aktiven Mitwirkung aufzurufen. Bedenken gegen die Seniorenbeiräte seien, dass andere Gruppen wie Jugendliche und Behinderte auch keine gesonderte Interessenvertretung neben den gewählten Vertretungskörperschaften hätten und ältere Mitbürger, anders als zum Beispiel Ausländer, wahlberechtigt seien und damit ohnehin Einfluss auf die parlamentarischen Vertretungskörperschaften hätten. Dennoch sei diese Form der Willensbildung für die ältere Generation sinnvoll, weil die älteren Mitbürger im Gegensatz zu jüngeren nicht den Weg der Bürgerinitiativen und Demonstrationen gingen, um gehört zu werden.314 Die Senioren selbst kritisierten zum Teil, dass sich eine solche Vertretung der älteren Generation nicht per Dekret „von oben“, sondern „von unten“ entwickeln solle.315 Einzelne Städte hatten gemischte Beiräte, in denen auch Vertreter der Wohlfahrtspflege oder des Stadtrates saßen. Manche ernannten die Beiräte aufgrund von Vorschlägen der freien Wohlfahrtspflege oder der Altenheime, andere wie Frankfurt auf Vorschlag der Ortsbezirke und bildeten den Beirat beim Sozialdezernat: „Hier geht es also in erster Linie um die Koordination des Magistrats mit den ortsteilbezogenen Interessen.“316 Nur in Hannover wurden alle älteren Mitbürger zur Wahl aufgerufen, es wählten jedoch überwiegend in den Altenbegegnungsstätten die ständigen Besucher dieser Altenkreise.317 Es gehe bei der Frage nach den Wahlmodi immer auch um die Frage des Rückhalts in der älteren Generation, resümierte der Deutsche Städtetag.318 1975 hatten mindestens acht Städte einen Seniorenbeirat.319 Sehr verbreitet schienen Altenbeiräte aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu sein, denn der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit fragte, informiert über den Fachausschuss Altenhilfe beim „Deutschen Verein“, bei der Stadt Frankfurt nach ersten Erfahrungen.320 Im November 1978 diskutierten die Beiratsmitglieder in Frankfurt über ein Rederecht der Seniorenbeiratsmitglieder im Ortsbeirat und wünschten übereinstimmend, das Rederecht in der Satzung des Ortsbeirates zu verankern.321 Dieses Recht kam allerdings nur dann zur Anwendung, wenn Seniorenprobleme beraten wurden.322 314 315 316 317 318 319

Gröttrup (1975), S. 614. Gröttrup (1975), S. 614. Gröttrup (1975), S. 615. Gröttrup (1975), S. 615. Gröttrup (1975), S. 615. ISG, Fürsorgeamt 2554, an die Städte Bielefeld, Erlangen, Frankfurt, Hannover, Karlsruhe, Koblenz, Marburg, Osnabrück, tabellarische Übersicht, Köln, 16. Januar 1976. 320 ISG, Fürsorgeamt 2554, Der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit (i. A. Dahlem), An den Magistrat der Stadt Frankfurt, Herrn Stadtrat Berg, Bonn, 18. März 1976. 321 ISG, Fürsorgeamt 2555, Niederschrift über die Sitzung des Seniorenbeirates am Montag, den 20. November 1978 im Budge-Heim, Frankfurt, 24. November 1978, S. 2. 322 ISG, Fürsorgeamt 2555, Niederschrift über die Sitzung des Seniorenbeirates am Dienstag, dem 7. Mai 1980 in der Altenwohnanlage Heinrich-Lübke-Straße 32, Frankfurt, 27. Mai 1980.

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren

Mitglieder des Seniorenbeirates waren seit 1976 als Mitarbeiter im erweiterten Redaktionsstab der Seniorenzeitschrift tätig. Dies wertete der Seniorenbeirat als „Durchbruch“ für mehr Mitsprache und als Möglichkeit, seine Ansichten einem größeren Publikum zu vermitteln.323 Die Seniorenzeitschrift wurde in Frankfurt seit 1975 vierteljährlich herausgegeben, die Redaktion lag bei der Abteilung Altenhilfe des Sozialamtes. Ausgelegt wurde die Zeitschrift in Altenklubs, in Apotheken, Drogerien, in den städtischen Dienststellen, den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege, Arztpraxen und auch in Reformhäusern.324 Man schuf eine Stelle für einen Redakteur bei der Abteilung Altenhilfe, und es ist anhand des einheitlichen Sprachstils zu vermuten, dass die ganz überwiegende Zahl der Artikel von diesem Redakteur geschrieben oder zumindest stark redigiert wurde, selten von den Senioren selbst. „Dranbleiben“, „Weiterbohren“, so beschrieb Martin Croll (SPD), Seniorenbeirat und ehemaliger Stadtverordneter, Betriebsschlosser und Gewerkschaftssekretär, seine Tätigkeit Ende der 1970er Jahre. Die Hauptaufgaben sah er zu diesem Zeitpunkt in Anregungen zum Wohnungsbau, zur Überwindung der Einsamkeit in der Altenwohnanlage Kohlbrandstraße und in dem Voranbringen der Altenwerkstatt. Gleichzeitig beschrieb er die Funktion des Seniorenbeirates als eng an die städtische Verwaltung gebunden: Er sei „eine Hand des Sozialdezernenten“.325 4.6 Erholungsaufenthalte für ältere Menschen 4.6.1 Tageserholungsfahrten Die Tageserholungsfahrten für ältere Menschen, die 1967 aus Kostengründen eingestellt worden waren, wurden erst 1970 wiederaufgenommen.326 Es standen nun 150.000 DM im Haushalt zur Verfügung, davon sollten 120.000 DM für die städtische Tageserholung verwendet und 30.000 DM an die Verbände verteilt werden, die eigene Fahrten durchführten.327 Auch an den städtischen Erholungsfahrten waren die freien Wohlfahrtsverbände maßgeblich beteiligt: 323 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/L 16169, Presseausschnitt: mk: Bei Altenproblemen mitreden. Fritz König wurde neuer Vorsitzender des Seniorenbeirats, in: FR, 30. Juli 1976. 324 Seniorenzeitschrift, 1975 ff., Impressum. 325 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/L 16169, Presseausschnitt: de: Der Seniorenbeirat will „weiterbohren“. Martin Croll schildert seine Aufgaben/Ziele: Pavillonbau und Werkstatt, in: FR, 2. Juli 1979. 326 ISG, Fürsorgeamt 4164, Antwort der Abt. Altenhilfe auf eine Anfrage der Stadt Düsseldorf vom 6. November 1969, Sozialamt, am 14. November 1969. 327 ISG, Fürsorgeamt 4165, Abt. Altenhilfe, Herrn Oberamtsrat Dahlem, betr. Vorschläge zur Organisation der Tageserholung älterer Bürger, Frankfurt a. M., 30. Januar 1970. Zum Vergleich siehe BArch, B 189/11034, Schreiber, Torsten: Altenhilfe in den Ländern. – Altenpläne und Erhebungen der Länder. Eine Analyse im Auftrag des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit, vom 1. Oktober 1973 (Auftragsdatum), S. 104 f., 109. Die Stadt München gab 1970 für Altenerholungsreisen und Tageser-

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Es wurden 50 Reisegruppen gebildet, die jeweils aus 39 älteren Bürgern und einer Begleitperson bestanden. Die Verbände der freien Wohlfahrtspflege benannten die Begleitpersonen, und sie nahmen ebenfalls wie schon in den 1960er Jahren die Zusammenstellung der Reisegruppen in die Hand. Es sollten nun auch Bewohner von Altenwohnhäusern und Altenheimen „in beschränktem Umfang“ berücksichtigt werden.328 Geplant war, dass jede Gruppe fünf Ziele in der näheren Umgebung anfuhr und dort in einem Restaurant Halt machte. Im Gegensatz zum vorangegangenen Jahrzehnt folgten die fünf Fahrten jedoch nicht mehr aufeinander, sondern man verteilte sie auf einen Zeitraum von drei Wochen. Sie wurden auch früher im Jahr durchgeführt, nämlich von Anfang Mai bis Mitte Juli.329 Pro Tag waren Bewirtungskosten von 8 DM pro Person vorgesehen. Wie schon in den 1960er Jahren mussten die Teilnehmer keine Kosten tragen und es gab keine Einkommensgrenzen bei der Platzvergabe. In die Verträge mit den Häusern wurde aufgenommen, dass sie an Regentagen nach dem Mittagstisch ein „kulturelles Programm“ anbieten sollten.330 Den freien Verbänden gab man einen Zuschuss von 3 DM pro Teilnehmer für eigene Erholungsmaßnahmen; insgesamt gingen 7.000 DM an den „Frankfurter Verband“, je 5.000 DM an die Arbeiterwohlfahrt, Caritas und Innere Mission, 3.000 DM ans DRK und 2.000 DM an die Jüdische Gemeinde.331 Die freien Verbände boten Tagesfahrten in den Odenwald, den Spessart, den Taunus, nach Rheinhessen und in die umliegenden Kurorte an. Auch die Altenklubs der Kirchengemeinden machten Ausflugsfahrten.332 Die Jüdische Gemeinde führte regelmäßig Fahrten durch, für die sie einen Eigenanteil von 10 DM pro Person erhob.333 Eine ältere Frau schlug der Stadt vor, auch Halbtagsfahrten anzubieten, da manche alten Menschen die Ganztagsfahrten nicht mehr verkraften würden. Auch diese Menschen sollten die Gelegenheit zum Beisammensein und Kennenlernen haben, um manche bleibende Bekanntschaft zu schließen und der Vereinsamung vorzubeugen.334 Der Vorschlag wurde von der Abteilung

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holung zusammen 387.000 DM aus und damit etwas mehr als Frankfurt insgesamt, jedoch pro Einwohner weniger. Dies war auch im Frankfurter Altenplan formuliert: ISG, Stadtgesundheitsamt – Sachakten 195, Vortrag des Magistrats an die Stadtverordnetenversammlung, 5. Oktober 1970, M 432, betr. Zweiter Kommunaler Altenplan der Stadt Frankfurt a. M., S. 31. ISG, Fürsorgeamt 4165, Abfahrtstage der Reisegruppen und Fahrtziele. ISG, Fürsorgeamt 4165, Verträge der Stadt Frankfurt mit den Gasthäusern, März 1970. ISG, Fürsorgeamt 4165, Abt. Altenhilfe, Herrn Oberamtsrat Dahlem, betr. Vorschläge zur Organisation der Tageserholung älterer Bürger, Frankfurt a. M., 30. Januar 1970. ISG, Fürsorgeamt 4165, Antragsformulare auf Zuschüsse der freien Wohlfahrtsverbände. ZA, B 1/13, Nr. 3202, Jüdische Gemeinde Frankfurt a. M.  – Sozialabteilung  – Hebelstraße 17, Frankfurt, 7. Juni 1972. Zunächst wurden diese Fahrten kostenlos angeboten, später ein Beitrag erhoben, siehe ZA, B 1/13, Nr. 3202, Komitee für Kulturelle Veranstaltungen, Frankfurt, im Mai 1975. ISG, Fürsorgeamt 4165, Magda S., An Herrn Stadtrat Gerhardt, Sozialdezernent, Frankfurt, 7. April 1970.

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Altenhilfe zwar als interessant bezeichnet335, jedoch in den folgenden Jahren nicht aufgegriffen. Die Nachfrage nach den Tagesfahrten war groß: Im Mai 1970 beantragte das Sozialamt beim Magistrat weitere 50.000  DM für die Tageserholung336, die bewilligt wurden337. Auch das Land Hessen beteiligte sich wie schon im vorangegangenen Jahrzehnt mit Zuschüssen. 1972 zahlte das Land auf Antrag 7 DM pro Tag und Teilnehmer. Insgesamt wurden vom Land über 100.000 DM für Fahrten Frankfurter älterer Bürger zur Verfügung gestellt. Die Arbeiterwohlfahrt erhielt mit 26.400 DM den größten Anteil.338 Voraussetzung für die städtischen Zuschüsse war, dass den Teilnehmern ein warmes Mittagessen und ein Kaffeegedeck serviert wurden.339 Ende 1971 beschloss man, dass nur noch drei Fahrten zwischen Anfang Mai und Ende Juli durchgeführt werden sollten. Dafür wurde zentrale Abschlussveranstaltungen geplant, die unter den Teilnehmern „menschliche Bindungen bewirkten, die einen längeren Zeitraum andauerten“.340 Diese Abschlussveranstaltungen wurden seit 1972 für mehrere Reisegruppen zusammen in Bürgerhäusern durchgeführt.341 Die Reisegruppen kamen geschlossen zu den Abschlussveranstaltungen, begleitet von den Reiseleiterinnen. Für einzelne, gehbehinderte Teilnehmer waren die Bürgerhäuser mit öffentlichen Verkehrsmitteln und im Gruppenverband nicht zu erreichen, die Taxikosten wurden jedoch übernommen. Einzelne Gruppen, die nicht gut angebunden waren, fuhr man mit dem Bus zu den Bürgerhäusern. Vertreter des Sozialamtes waren bei den Veranstaltungen dabei. Es sollten auf diese Weise „Gespräche mit den Senioren“ über ihre „Sorgen und Nöte, aber auch ihre Wünsche“ stattfinden.342 Bei den Veranstaltungen kamen bis zu 1.400 alte Menschen zusammen, Einzelgespräche gab es daher wohl nur in kleinem Umfang. Ein Interviewbogen wurde entwickelt, um die Familiensituation und soziale Situa-

335 ISG, Fürsorgeamt 4165, Antwortschreiben Stadtrat Gerhardt an Frau Magda S., 17. April 1970. 336 ISG, Fürsorgeamt 4165, Dezernat Soziales und Gesundheit an den Magistrat, betr. Kommunaler Altenplan, Tageserholung älterer Bürger, hier: Zuweisung von Verstärkungsmitteln, 25. Mai 1970. 337 ISG, Fürsorgeamt 4165, Magistratsbeschluß Nr. 1117, Frankfurt a. M., 1. Juni 1970. 338 ISG, Fürsorgeamt 4167, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Vermerk, Frankfurt, 28. Februar 1972. Die Arbeiterwohlfahrt war bundesweit sehr aktiv in der Erholungshilfe: 1969 wurden 25.000 Teilnehmer auf Erholungskuren für alte Menschen geschickt, siehe Kurznotiz in der Rubrik „Informationen“, NDV 51 (1971), H. 5, S. 140, und Holz (1987), S. 181. 339 ISG, Fürsorgeamt 4167, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Vermerk, Frankfurt, 28. Februar 1972. 340 ISG, Fürsorgeamt 4167, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Frankfurt a. M., 13. März 1972, Niederschrift über die Besprechung mit den Vertretern der Verbände der freien Wohlfahrtspflege am 1. März 1972. 341 ISG, Fürsorgeamt 4167, Stadt Frankfurt a. M., Abt. Altenhilfe, Rundschreiben an die Reiseleiterinnen, 18. April 1972. 342 ISG, Fürsorgeamt 4167, Stadt Frankfurt a. M., Abt. Altenhilfe, Rundschreiben an die Reiseleiterinnen, 18. April 1972.

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tion abzufragen.343 Zudem gab es ein Programm mit Musik und Darbietungen einer Altengymnastikgruppe.344 Die wenigen Rückmeldungen zu der Abschlussveranstaltung waren positiv.345 Das Budget für die Altenerholungsreisen sank Mitte der 1970er Jahre im Zuge der Rezession. 1975 und 1976 waren für die Reisen knapp 100.000 DM insgesamt vorgesehen, für die Tageserholung der Verbände 40.000 DM. Die Landeszuschüsse wurden auf 72.200 DM für die Tageserholungen der Stadt Frankfurt gekürzt.346 1975 und 1976 wurden jeweils 64 Reisegruppen mit je 42 Personen gebildet, die nun ihre drei Fahrten im Monat August durchführten. Eine der Fahrten war seit 1975 eine Schifffahrt auf einem Ausflugsschiff mainabwärts oder rheinaufwärts mit etwa zwei Stunden Landaufenthalt und Bewirtung an Bord. Die Fahrten dauerten bis in den frühen Abend. Die Gäste sollten während der Fahrt Reiseerläuterungen und zeitweilig Musikdarbietungen erhalten.347 Auf den Teilnehmerkarten wurden den alten Menschen Informationen und Empfehlungen zum Ablauf gegeben: Die Ausflugsziele eignen sich für Spaziergänge und kleine Wanderungen. Wir empfehlen Ihnen, festes Schuhwerk anzuziehen und einen Regenschutz mitzunehmen. An kühlen oder regnerischen Tagen stehen Ihnen in den Aufenthaltsräumen der Zielorte Unterhaltungsspiele der verschiedensten Art zur Verfügung. Regenwetter ist also kein Grund, daheim zu bleiben. Am Ausflugsziel kann außerdem durchaus schönes Wetter sein. Denken Sie an Ihre Medikamente.348

Der Text schloss mit einer Ermahnung: „Es liegt an Ihnen, diese Fahrten zu einer wirklichen Erholung und zu einem frohen Ereignis zu gestalten.“349 Die Ausgabe von Diätspeisen war nach wie vor ausgeschlossen. 1979 prüfte die Stadt, ob es möglich sei, auch Fahrten mit der Deutschen Bahn durchzuführen, und ließ Testfahrten von Begleitpersonen machen. Die Prüfung war negativ: Der Erholungseffekt sei schlecht, Gehbehinderte seien ausgeschlossen, die Abfahrt am Hauptbahnhof unzumutbar und die Kommunikationsmöglichkeiten verschlechtert.350

343 ISG, Fürsorgeamt 4167, Abt. Altenhilfe, An alle Reiseleiterinnen und Reiseleiter der Tageserholung 1972, 30. Juni 1972. Eine Auswertung des Fragebogens war nicht zu finden. 344 ISG, Fürsorgeamt 4167, Ablaufplan der „Gespräche mit den Senioren“, o. D. 345 ISG, Fürsorgeamt 4167, Aenne Kaulen (Begleiterin), An die Stadtverwaltung Abt. Altenhilfe, o. D. (Herbst 1972), und Charlotte Bayer, handschriftlich an die Stadt Frankfurt a. M. (Leiterin Reisegruppe 42), Frankfurt, 9. Oktober 1972. 346 ISG, Fürsorgeamt 4171, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Vermerk, Förderung der Altenhilfe, Frankfurt, 5. März 1976. 347 ISG, Fürsorgeamt 4171, Sozialamt Abt. Altenhilfe, An Fahrgastschiff Primus, 16. März 1976. 348 ISG, Fürsorgeamt 4171, Teilnehmerkarte 1976. 349 ISG, Fürsorgeamt 4171, Teilnehmerkarte 1976. 350 ISG, Fürsorgeamt 4175, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Vermerk Tageserholung für ältere Bürger, Disposition für 1980, Frankfurt, 24. Januar 1980.

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1980 wurden 70 Reisegruppen mit je 47 Personen gebildet. Der Seniorenbeirat hatte 1978 beschlossen, dass den Teilnehmern ein Unkostenbeitrag zuzumuten sei, so dass man ab 1980 einen Teilnehmerbeitrag von 3 DM je Fahrt erhob.351 Die Reisebegleiterinnen der freien Verbände durften selbst nicht „hilfsbedürftig“ sein, sie sollten vor allem Klubleiterinnen von Altenklubs sein und unter den Teilnehmern auch gleich für das Klubgeschehen werben. Die Aufwandsentschädigung betrug 1971 und 1972 10 DM je Fahrt, die freien Verbände stockten diesen Betrag auf 20 DM auf. Den Begleiterinnen wurde zuvor als Auftrag auf den Weg gegeben, aus den Teilnehmern, die sich untereinander nicht kennen würden, „bald eine fröhliche Gemeinschaft unbeschwerter Menschen“ zu machen, zumal die Teilnehmer alle aus der gleichen Wohngegend kämen und es genügend Anknüpfungsmöglichkeiten für Gespräche und persönliche Bekanntschaften gebe.352 Die Begleiterinnen waren für den organisatorischen Ablauf des Tages verantwortlich, sollten jedoch den einzelnen Teilnehmern darüber hinaus keine Ratschläge zum Tagesablauf geben. Nach einem Beschluss des Seniorenbeirats sollte ab 1978 mindestens eine Begleitperson je Reisegruppe in Erster Hilfe ausgebildet sein.353 Das DRK stellte nun einen Großteil der Begleiterinnen. Die Schwesternhelferinnen des DRK wurden von ihrem Bezirksverband diesen Fahrten zum Teil zum ersten Mal zugeteilt, und es gab Beschwerden über Kolleginnen. So beklagte sich eine Schwesternhelferin über ihre „Kameradin Anni W.“, sie sei herausfordernd und aggressiv aufgetreten, wollte den Ablauf bestimmen und nur das Mikrophon im Reisebus bedienen. Sie habe sich auch hygienisch nicht einwandfrei verhalten, indem sie „zum Entsetzen“ der Berichterstatterin ein Erfrischungstaschentuch unter die Nase der Senioren hielt. Eine ältere Dame, die eigene Medikamente für Kreislaufstörungen und Sauerstoffkapseln mitbrachte, habe sie unversorgt gelassen. Die Beschwerdeführerin berichtete, dass sie Rückenschmerzen der alten Dame mit Massage linderte und ihr das Fenster des Schiffes öffnete.354 Die Vergabe der Karten für die Fahrten war im gesamten Jahrzehnt konfliktreich: Ein älterer Bürger schrieb aufgebracht, die Karten würden nur an bestimmte Bürger („Genossen??“, vermutete er) ausgegeben, entscheidend sei wohl die Parteizugehörigkeit.355 Nachdem im Sommer 1970 nicht alle Nach351 ISG, Fürsorgeamt 4175, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Vermerk Tageserholung für ältere Bürger, Disposition für 1980, Frankfurt, 24. Januar 1980. 352 ISG, Fürsorgeamt 4165, Stadt Frankfurt a. M., Sozialamt Abt. Altenhilfe, An die freien Wohlfahrtsverbände, 25. März 1970. 353 ISG, Fürsorgeamt 4173, Abt. Altenhilfe, Vermerk, Tageserholung für ältere Frankfurter Bürger, 13. April 1978; ISG, Fürsorgeamt 2554, Abt. Altenhilfe als Geschäftsstelle des Seniorenbeirates, Niederschrift über die Sitzung des Seniorenbeirates am Montag, dem 13. Februar 1978 in der Altenwohnanlage Goldstein, Frankfurt, 1. März 1978, S. 3. 354 ISG, Fürsorgeamt 4173, Schwesternhelferin Katharina F. an den DRK Bezirksverband Frankfurt a. M., Frankfurt, 16. September 1978. 355 ISG, Fürsorgeamt 4165, handschriftliche Karte Gerhard K. an die Stadtverwaltung, Sozialamt, Herrn Otto Dahlem, 5. Juni 1970.

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fragen erfüllt werden konnten, wurden Ende August bis Ende September 1970 weitere 27 Reisegruppen auf jeweils vier Tagesfahrten geschickt.356 Der Teilnehmerkreis sei bei der großen Nachfrage auf „einsame Bürger“357 zu beschränken. Eine Frau bat die Abteilung Altenhilfe um eine Karte für ihre neu zugezogene Mutter, die noch niemanden in Frankfurt kenne und sich so erhoffe, eine andere ältere Dame kennenzulernen.358 Sie konnte zu diesem Zeitpunkt schon keine Teilnehmerkarte mehr bekommen, wurde aber auf die Warteliste gesetzt und auf die Altenklubs des „Frankfurter Verbandes“ hingewiesen, in denen die Mutter Bekanntschaften oder Freundschaften schließen könne.359 Die Verteiler wurden 1972 angehalten, die Teilnehmer „sorgfältiger“ auszuwählen: Ohne Rücksicht auf Einkommen sollten die älteren Menschen teilnehmen, die „einsam“ seien und denen die Entwicklung neuer Kontakte zur Umwelt schwerfalle.360 Es durften nur Interessenten berücksichtigt werden, die im gleichen Jahr nicht an einer Altenerholung teilnahmen. Damit wurde dem Eindruck Rechnung getragen, der sich in Studien zunehmend bestätigte, dass nämlich vor allem diejenigen älteren Menschen an Aktionen der Altenhilfe teilnahmen, die ohnehin aktiver und geselliger als andere waren.361 Die Abteilung Altenhilfe berichtete dem Seniorenbeirat, dass ab 1974 verstärkt Heimbewohner an den Tageserholungsfahrten beteiligt werden sollten. In Frage kämen nur Heime, die in der Nähe von Abfahrtsstellen lägen.362 Gehbehinderte und ältere Menschen, die Diätspeisen wünschten oder brauchten, blieben nach wie vor von den Fahrten ausgeschlossen.363 Unter den Alten gab es Klagen darüber, dass Teilnehmer aus dem Vorjahr erneut Karten erhielten, während andere leer ausgingen; es wurde auch bemängelt, dass manche Teilnehmer sogar zweimal Karten erhielten, die von verschiedenen Organisationen ausgegeben worden waren.364 Auch der Seniorenbeirat bemängelte 1975 die Vergabe und diskutierte darüber, wie man Doppelanmeldungen vermeiden könnte. Herr Funk von der Abteilung Altenhilfe schlug vor, möglichst frühzeitig die Teilnehmerlisten der Verbände in die Abteilung Altenhilfe zur Abgleichung zu geben.365 356 ISG, Fürsorgeamt 4165, Sozialamt Abt. Altenhilfe, An alle Sozialstationen, Frankfurt a. M., 2. Juli 1970. 357 ISG, Fürsorgeamt 4165, Abt. Altenhilfe, An die Freien Wohlfahrtsverbände, 22. Juli 1970. 358 ISG, Fürsorgeamt 4165, Susanne W., An das Sozialamt der Stadt Frankfurt Abt. Altenhilfe, Frankfurt, 25. August 1970. 359 ISG, Fürsorgeamt 4165, Abt. Altenhilfe an Frau Susanne W., 2. September 1970. 360 ISG, Fürsorgeamt 4167, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Vermerk, Frankfurt, 28. Februar 1972. 361 Vgl. Blume (1968), S. 114 f., zu den Altenklubs; Baumgartl (1997), S. 123. 362 ISG, Fürsorgeamt 2553, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Niederschrift über die konstituierende Sitzung des Seniorenbeirates am Freitag, den 15. März 1974, Frankfurt, 8. April 1974, S. 7 f. 363 ISG, Fürsorgeamt 4171, Teilnehmerkarte 1976. 364 ISG, Fürsorgeamt 4167, Annelie B., An das Sozialamt Abt. Altenhilfe, Frankfurt, 3. Oktober 1972. 365 ISG, Fürsorgeamt 2553, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Niederschrift über die Sitzung des Seniorenbeirates am Mittwoch, den 10. September 1975, Sitzungssaal der Sozialverwaltung, Frankfurt, 29. September 1975.

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1975 forderte die Stadtverordnetenversammlung daher auf Anregung von Ortsbeiräten, dass die ehrenamtlich im Außendienst der Sozialämter tätigen Sozialbezirksvorsteher in den einzelnen Stadtteilen die Teilnehmerkarten vergäben statt der Verbände, die ihre Mitglieder bevorzugten. Der Magistrat stimmte zu, dass die Sozialbezirksvorsteher zusätzlich zu den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege ein Kontingent von Karten zum Verteilen erhielten. Doppelbelegungen könnten nur zentral in der Abteilung Altenhilfe, die die Teilnehmerlisten spätestens drei Tage vor Fahrtantritt bekam, geprüft werden.366 Vom Kontingent pro Reisegruppe mit 40 Teilnehmern erhielten die Sozialstationen oder Abteilung Altenhilfe des Sozialamtes jedoch nur zwei Karten.367 Damit war die Verteilung weiterhin überwiegend in der Hand der Wohlfahrtspflege, wobei einige Verbände wie die Jüdische Wohlfahrtspflege gar nicht berücksichtigt wurden, die ihre Teilnehmer jedoch direkt bei der Abteilung Altenhilfe anmeldete.368 1977 versuchte die Stadt vor allem solche älteren Bürger anzusprechen, die bisher noch keine Verbindung zum „Frankfurter Verband für Alten- und Behindertenhilfe e. V.“ oder zu anderen Einrichtungen hatten, und veröffentlichte in der Seniorenzeitschrift die „Aktion Briefumschlag“, mit der sich Teilnehmer selbst und direkt anmelden konnten.369 Die Stadt wehrte dann mehrere Altenklubs ab, die sich über die Aktion beinahe geschlossen anmeldeten, denn es sei nicht im Sinne der Stadt, Altenklubs geschlossen teilnehmen zu lassen, da die Tagesfahrten für ältere Frankfurter Bürger gedacht seien, die keine Kontaktmöglichkeiten hätten.370 Die älteren Menschen sollten zwar auf den Fahrten mit den Klubleiterinnen in Kontakt kommen und danach im Idealfall auch einen Klub besuchen, die Klubmitglieder selbst suchte man aber nicht mehr zu erreichen, da sie als informiert und versorgt galten. Mehr Teilnehmer meldeten sich nun von sich aus mittels der „Aktion Briefumschlag“ an, so dass wesentlich weniger Karten an die Verbände verteilt werden konnten.371 Daraufhin beteiligten sich die Verbände nicht mehr an der Kartenverteilung und wollten auch keine Begleitpersonen mehr stellen, mit Ausnahme der Arbeiterwohlfahrt, die 27 der 66 Gruppen zu betreuen versprach. Für die restlichen Gruppen wurde das DRK verpflichtet.372 Die Verbände 366 ISG, Fürsorgeamt 4171, Vortrag des Magistrats an die Stadtverordnetenversammlung (Entwurf), Februar 1976; vorangegangen: Anregung des Ortsbeirats 11, Nr. 1395 vom 25. August 1975 und Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 16. Oktober 1975, § 3081. 367 ISG, Fürsorgeamt 4171, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Vermerk, Frankfurt, 5. April 1976. 368 ISG, Fürsorgeamt 4167, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Frankfurt, 28. Februar 1972, Vermerk. 369 ISG, Fürsorgeamt 4173, Antwort des Magistrats in der Fragestunde der Stadtverordnetenversammlung am 27. April 1978, Frage Nr. 156. 370 ISG, Fürsorgeamt 4173, Abt. Altenhilfe an fünf Klubleiterinnen, April 1978. 371 ISG, Fürsorgeamt 4173, Abt. Altenhilfe, an die Verbände und die Sozialbezirksvorsteher, April 1978. 372 ISG, Fürsorgeamt 4173, Abt. Altenhilfe, Vermerk, Tageserholung für ältere Frankfurter Bürger, 13. April 1978.

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protestierten gegen diese Form der Anmeldung. Auch die Abteilung Altenhilfe war nicht zufrieden, da das Ziel, andere Teilnehmer anzusprechen, nicht im erhofften Umfang erreicht wurde.373 Der Seniorenbeirat äußerte sich ebenfalls kritisch, und man beschloss, im nächsten Jahr wieder zum alten Verteilungsmodus zurückzukehren. Dabei stellte sich wie schon häufiger die Frage, wie Teilnahmen in zwei Jahren in Folge vermieden werden konnten. Herr Funk von der Abteilung Altenhilfe erklärte dazu, dass die Auswahl der Teilnehmer den Verbänden überlassen sei und in Fällen, in denen die Teilnahme an den mehrwöchigen Erholungsurlauben aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich sei, man durchaus eine jährliche Teilnahme an den Tagesfahrten vertreten könne.374 1980 wurde die Selbstanmeldung aufgegeben, und die Wohlfahrtspflege und die Sozialbezirksvorsteher verteilten wieder die Karten. Doch immer wieder wurden Menschen nicht berücksichtigt, die durch die Maschen des Verteilungssystems fielen. So schrieb eine alte Frau direkt an den Oberbürgermeister, sie würde sich sehr freuen, wenn sie auch in diesem Jahr wieder „so schöne Ausflüge“ mitmachen könne, sie lebe in einem Heim.375 Sie hatte aber die Verteilung in ihrem Haus verpasst.376 Ältere ausländische Bewohner wurden nicht in die Erholungshilfe eingebunden, mit der Argumentation, dass sie nach der hessischen Gemeindeordnung keine „Bürger“ seien. Die Altenerholungshilfe war nur für „Frankfurter Bürger“ bestimmt377, sie hatte zu diesem Zeitpunkt keinen ausländerintegrierenden Anspruch. 4.6.2 Erholungsaufenthalte In den 1970er Jahren wurden die mehrwöchigen städtischen Erholungsreisen für ältere Bürger wie in den 1960er Jahren fortgeführt.378 1971 waren Landeszuschüsse von 104.370 DM für Frankfurt vorgesehen, dies bedeutete pro Tag und Teilnehmer vom Land 8 DM. Dieses Geld wurde vor allem an die freien Verbände verteilt. Die Stadt gab dazu weitere Zuschüsse, pro Tag und Teilnehmer 4 DM (im Vorjahr waren es 3 DM). Man erwartete von den Verbänden 373 ISG, Fürsorgeamt 2555, Abt. Altenhilfe als Geschäftsstelle des Seniorenbeirates, Niederschrift über die Sitzung des Seniorenbeirates am Montag, 24. April 1978 in der Altenwohnanlage Kohlbrandstraße, Frankfurt, 8. Mai 1978, S. 3. 374 ISG, Fürsorgeamt 2555, Abt. Altenhilfe als Geschäftsstelle des Seniorenbeirates, Niederschrift über die Sitzung des Seniorenbeirates am Montag, 24. April 1978 in der Altenwohnanlage Kohlbrandstraße, Frankfurt, 8. Mai 1978, S. 3. 375 ISG, Fürsorgeamt 4175, Waltraud J. an den Oberbürgermeister, o. D. 376 ISG, Fürsorgeamt 4175, Stadtrat Karl H. Trageser an Frau Waltraud J., 18. Juni 1980. 377 ISG, Fürsorgeamt 4175, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Vermerk (gez. Reichert), Frankfurt, 10. Juni 1980. 378 Leider sind erst wieder städtische Akten zum Ende der 1970er Jahre erhalten, die allerdings vermuten lassen, dass die Teilnehmerzahlen, Bedingungen und Gesamtkosten sich kontinuierlich während der 1970er Jahre weiterentwickelt hatten und die Fahrten inhaltlich und konzeptionell denjenigen der 1960er Jahre ähnelten.

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einen Eigenanteil von 30 Prozent.379 Die Einkommensgrenzen sahen bei Alleinstehenden 400 DM plus Miete, bei Ehepaaren 600 DM plus Miete vor.380 Die Stadt Frankfurt und die freien Wohlfahrtsverbände in der Stadt schickten 1974 mit Landeszuschuss 846 Teilnehmer mit 17.718 Erholungstagen auf Reisen und ohne Landeszuschuss (ausschließlich auf Kosten der Stadt) weitere 1.426 Teilnehmer.381 Die Stadt gab dafür insgesamt 527.041 DM aus, hinzu kamen Eigenleistungen der Teilnehmer von 223.595 DM und 85.784,80 DM der Wohlfahrtsverbände. Damit war Frankfurt im Bereich der mehrwöchigen Altenerholungen in Hessen führend, weit vor Darmstadt, Wiesbaden und Offenbach (Wiesbaden schickte insgesamt nur knapp 600 Teilnehmer, Darmstadt gut 360).382 Von den ca. 840 vom Land geförderten Personen sandte der Caritasverband mit 228 die meisten in Urlaub, das Diakonische Werk 195, die AWO 103, das DRK 120 und der DPWV 44, die Stadt selbst konnte 147 ältere Menschen mit Landeszuschüssen reisen lassen.383 Die Jüdische Gemeinde Frankfurt hatte zudem die Möglichkeit, einige dreiwöchige Erholungsurlaube in einem eigenen Heim in Sobernheim für ältere Gemeindemitglieder anzubieten. Diese Aufenthalte wurden mit Zuschüssen der „Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland“ finanziert.384 Darüber hinaus meldete die Ge379 ZA, B 1/13, Nr. 3655, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Niederschrift über die Besprechung mit  den Vertretern der Verbände der freien Wohlfahrtspflege am 26. Februar 1971, Frankfurt a. M., 4. März 1971. Ebenfalls vorgesehen waren für die Maßnahmen der offenen Altenhilfe (also vor allem Altenklubs) 80.000 DM im Haushalt (1970: 75.000), die an die Verbände Arbeiterwohlfahrt, Caritas-Verband, Evangelischer Volksdienst, DRK, DPWV, Jüdische Gemeinde (2.300) verteilt wurden (in dieser Reihenfolge). Dazu waren 400.000  DM für den Frankfurter Verband, seine Altenklubs und seine Altenfürsorge vorgesehen. 380 ZA, B 1/13, Nr. 3655, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Niederschrift über die Besprechung mit den Vertretern der Verbände der freien Wohlfahrtspflege am 26. Februar 1971, Frankfurt a. M., 4. März 1971, S. 3. 381 HHStAW, Abt. 508, Nr. 5706a, Stadt Landkreis Frankfurt a. M., Gesamtverwendungsnachweis 10. Juni 1975. Im Folgejahr waren die Zahlen ähnlich, siehe HHStAW, Abt. 508, Nr. 5706b, Der Regierungspräsident in Darmstadt, Gesamtaufwand der Altenerholung 1975, Darmstadt, 19. August 1976. 382 HHStAW, Abt. 508, Nr. 5706a, Der Regierungspräsident in Darmstadt, Gesamtaufwand der Altenerholung 1974, Darmstadt, 23. Juli 1975. Wiesbaden hatte dabei mit 43.163 Einwohnern über 65 Jahre knapp die Hälfte von Frankfurt mit 102.977 und schickte damit, gemessen an der Bevölkerungszahl, weniger Menschen in Erholung; dasselbe gilt auch für Darmstadt mit 22.556 Einwohnern über 65 Jahre, siehe Wohnbevölkerung in den Verwaltungsbezirken und Planungsregionen am 31. Dezember 1973, in: HHStAW, Abt. 508, Nr. 5706b. 383 HHStAW, Abt. 508, Nr. 5706a, Stadt Landkreis Frankfurt a. M., Gesamtverwendungsnachweis 10. Juni 1975. Im Folgejahr waren die Zahlen ähnlich, siehe HHStAW, Abt. 508, Nr. 5706b, Der Regierungspräsident in Darmstadt, Gesamtaufwand der Altenerholung 1975, Darmstadt, 19. August 1976. 384 ZA, B 1/13, Nr. 3655. Diese Aufenthalte waren gedacht für Gemeindemitglieder, die „besonderen Wert darauf legen, ihren Urlaub in jüdischer Umgebung zu verbringen“. Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland, Frankfurt, 3. Juli 1970, an alle Landesverbände, die Gemeinden Berlin, Bremen, Frankfurt, Hamburg, Köln, Saarbrücken, Mainz, Neustadt. Die Altersgrenze lag bei 60 Jahren, die nur in Ausnahmefällen unter-

4.6 Erholungsaufenthalte für ältere Menschen

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meinde Teilnehmer für die städtischen Erholungsfahrten an.385 Im Jahr 1970 waren das 19 Personen, die in den städtischen Zahlen enthalten waren.386 Auch bei den Erholungsaufenthalten gingen die Landeszuschüsse Mitte der 1970er Jahre zurück, die Stadt kürzte jedoch in diesem Feld nicht wie bei den Tagesfahrten. 1976 sahen die Landeszuschüsse für Frankfurt nur noch 72.200  DM vor.387 Die Arbeiterwohlfahrt protestierte gegen die starke Kürzung. So sei auch bei ihr ein starkes Absinken der Teilnehmerzahl zu erwarten, und es treffe Personen, die ohne Hilfen der öffentlichen Hand nicht in der Lage seien, „einen dringend notwendigen Erholungsurlaub zu machen“.388 1976 schickten die Stadt Frankfurt und die Wohlfahrtsverbände 430 Teilnehmer mit Landeszuschuss auf Reisen, also deutlich weniger als in den Vorjahren, jedoch 1.801 auf Kosten der Stadt ohne Landeszuschuss, so dass die Gesamtzahl sich nicht so deutlich verringerte.389 Auch andere Städte führten mehrwöchige Erholungsreisen durch.390 In der öffentlichen Diskussion der Bundesrepublik in den 1970er Jahren kam auch die ältere Generation als Nutzerin von Touristikangeboten jenseits von subventionierten und organisierten kommunalen Erholungsaufenthalten in den Blick.391 Die organisierten Reisen von nicht kommerziellen Anbietern in

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schritten werden sollte. Sozialhilfeempfänger und Bezieher kleiner Renten genössen „absoluten Vorrang“ bei der Auswahl der Bewerber gegenüber pekuniär Bessergestellten. „Psychisch gestörte oder gemeinschaftsunfähige Personen sollten von den Gemeinden im Interesse eines erholsamen Gruppenaufenthalts nicht gemeldet werden. (Eine Erholungsbeihilfe für eine individuelle Erholungskur kann in diesen Fällen bei der ZWST beantragt werden.)“ Die Gemeinde Frankfurt konnte 1971 insgesamt 20 Menschen nach Sobernheim reisen lassen. Siehe ZA, B 1/13, Nr. 3655, Briefe an die Teilnehmer, z. B. an Frau Ernestine T., Frankfurt 18. März 1971. ZA, B 1/13, Nr. 3655, Jüdische Gemeinde Frankfurt a. M. – Sozialabteilung – R. Hacohen, Leiterin der Sozialabteilung, An das Sozialamt der Stadt Frankfurt, Abt. Altenhilfe, 5. Mai 1970. HHStAW, Abt. 508, Nr. 5707, Der hessische Sozialminister an die Herren Regierungspräsidenten in Darmstadt und Kassel, Wiesbaden 6. Februar 1976. HHStAW, Abt. 508, Nr. 5707, Arbeiterwohlfahrt Bezirksverband Hessen-Süd, an Herrn Staatsminister Dr. Horst Schmidt, Frankfurt 17. Februar 1976. Die Antwort war: Es sei nicht anders möglich, da alle öffentlichen Ausgaben zur Überwindung der Rezession beschnitten seien; beim Haushalt 1977/78 werde versucht, eine Erhöhung zu erreichen (Minister an die Arbeiterwohlfahrt, 12. März 1976). HHStAW, Abt. 508, Nr. 5707, Der Regierungspräsident in Darmstadt, Gesamtaufwand der Altenerholung 1976, Darmstadt, den 19. April 1977. ISG, Fürsorgeamt 2548, Bremen: Mitteilungen der Pressestelle, 14. Februar 1975: Seniorenurlaub im Weserbergland sehr beliebt. Feriensaison beginnt im Mai  – Über 1800 Plätze. ISG, Fürsorgeamt 2548, Presseausschnitte: Die Alten sind aktiver als Junge, in: FR, 21. Oktober 1978. Mehr als 4,5 Millionen über 60-Jährige hätten 1977 eine Urlaubsreise unternommen, über ein Drittel davon war über 70 Jahre alt. 58  Prozent blieben in Deutschland (Alpengebiet und Schwarzwald), pro Kopf gaben sie wie die Gesamtbevölkerung im Durchschnitt täglich 43 Mark für ihre Reise aus, reisten aber insgesamt länger als die jüngeren Jahrgänge. Nur wenige gingen in „Überwinterungsferien“. Allerdings machten nur 47  Prozent der 60- bis 69-Jährigen und 36  Prozent der über 70-Jährigen

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren

fernere Regionen nahmen ebenfalls zu: Der Evangelische Regionalverband bot Seniorenreisen an, die nicht an Einkommensgrenzen gebunden waren, sondern sich an Rentner mit höherem Einkommen wandten, so eine vierwöchige Winterreise mit Reisebegleitung nach Mallorca für gut 1.400 Mark.392 Zum Ende des Jahrzehnts wurde auch in Frankfurt bei den öffentlich geförderten Reisen versucht, entferntere Ziele anzubieten, um „dem erkennbaren Trend, den Wünschen und teilweisen Forderungen der Antragssteller Rechnung“ zu tragen.393 1979 fuhren mehr als 1.600 Teilnehmer der städtischen Erholungsfürsorge zu vier näheren oder zu vier Zielen in Bayern und im Schwarzwald.394 In den Orten im Schwarzwald gab es Kurmöglichkeiten, die vom Hausarzt verordnet werden konnten.395 1980 fuhren deutlich mehr Teilnehmer in die entfernteren Orte in Bayern und im Schwarzwald als in die nahe gelegenen Ziele.396 1981 sollte das erste Ziel im benachbarten Ausland angeboten werden. Deshalb machten Angestellte der Abteilung Altenhilfe im Oktober 1980 eine Dienstreise nach Österreich, um ein neues Vertragshaus auszuwählen. Sie kamen auf eine Pension in Lingenau im Bregenzer Wald, ein Erholungsort mit anerkanntem Kurbetrieb. Dort gebe es 29 Kilometer markierte Wanderwege, eine Wanderkarte, auch Bänke stünden zur Verfügung. Mit dem Verkehrsamt wurde ein Programm ausgearbeitet. Ein ortsansässiger Rentner sollte ständig als „Fremdenführer“ für die Teilnehmer zur Verfügung stehen. Es wurden im Juli und August durchgehend acht Doppelzimmer und 14 Einzelzimmer von der Stadt Frankfurt belegt. Zudem reservierte man Privatunterkünfte in der Hauptsaison. Auch die Mahlzeiten wurden mit ausgehandelt. Eine Diät war möglich. Es gab feste „Tischzeiten“. Um dort Kurbehandlungen zu ermöglichen, sollte mit der AOK verhandelt werden.397 Pensionen in der näheren Umgebung, die nicht mehr den gestiegenen Ansprüchen an Komfort in den Zimmern, an die Verpflegung und die persönliche Betreuung durch die Pensionswirte genügten, wurden hingegen aufgege-

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eine Urlaubsreise, hingegen 65  Prozent der Menschen im Alter zwischen 20 und 29 Jahren. Oft seien die Älteren, so behauptete der Artikel, im Urlaub aktiver als die jüngeren Leute: „Sie gehen mehr spazieren, machen mehr Ausflüge, besuchen mehr Veranstaltungen und besichtigen mehr Sehenswürdigkeiten.“ Vgl. auch Hartmann, Klaus Dieter: Reisen, um unter Menschen zu sein. In: Bild der Wissenschaft H. 8 (1976), S. 76 f.: Alte Menschen seien aktive Urlauber. Seniorenzeitschrift, 4/1980, S.  23: Aus den Verbänden, Reisen mit dem Evangelischen Regionalverband. ISG, Fürsorgeamt 4155, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Vermerk, Frankfurt o. D. ISG, Fürsorgeamt 4126, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Rundverfügung Nr. 79, Frankfurt 30. Januar 1979. ISG, Fürsorgeamt 4126, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Rundverfügung Nr. 79, Frankfurt 30. Januar 1979. ISG, Fürsorgeamt 4156, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Zusammensetzung der Belegungsübersicht, o. D. ISG, Fürsorgeamt 4175, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Reisebericht Hr. Funk und Fr. Reichert, Frankfurt, 24. Oktober 1980.

4.6 Erholungsaufenthalte für ältere Menschen

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ben.398 Das Sozialamt führte regelmäßig Reisen durch, um neue Häuser zu besichtigen, und achtete dabei darauf, dass die Häuser „altersgerecht“ waren; barrierefrei mussten sie jedoch nicht sein: So wurde bemängelt, dass Treppen und Gänge mit Marmor belegt und mit Teppichbrücken ausgestattet waren – beides eine Gefahr für ältere Menschen. Ein eigenes Bad im Zimmer wurde vorausgesetzt. Ebenso legte man auf eine persönliche Betreuung durch die Wirte und ein Programm in der Pension Wert. Gefordert und positiv gewürdigt wurden „Kaminabende“, ausleihbare Bücher, Spiele und Fernsehgeräte. Weitere Programmpunkte sprach man mit den Verkehrsvereinen im Urlaubsort ab, die zusätzlich Grillabende, Bunte Nachmittage, Malwettbewerbe, Ausflugsfahrten (mit Verpflegung), Schwimmbadbesuche, Dia-Abende und Heimatabende organisierten.399 Zusammen gab es 1980 in allen von der Stadt belegten Pensionen 208 Betten, davon 96 in Einzelzimmern.400 1979 setzte man für die Erholungsaufenthalte Kosten von knapp einer Million Mark an. Davon waren 675.000 DM im Haushalt vorgesehen, zusätzlich kalkulierte man immerhin knapp 300.000 DM an Eigenanteilen ein; 1980 beliefen sich die Kosten für die Stadt auf 710.000  DM und 1981 auf 750.000  DM.401 Die kostenlose Teilnahme war an Einkommensgrenzen gebunden, die 1980 bei 624  DM zuzüglich Miete bei Alleinstehenden und 874 DM zuzüglich Miete bei Ehepaaren lagen (dies entsprach den Einkommensgrenzen nach Paragraph 79 BSHG). Darüber hinaus zahlten die Reisenden eine Eigenbeteiligung bis hin zu den gesamten Pensionskosten, Fahrtkosten entstanden nicht. Da nun auch Heimbewohner mitreisen konnten, wurden die Heimkosten für die Dauer der Abwesenheit weiterberechnet. Den Bewohnern wurde die Differenz zwischen dem vollen Pflegesatz und dem üblicherweise zu berechnenden Bettengeld als zusätzliches Taschengeld vor Reiseantritt von der Heimleitung ausbezahlt.402 Damit waren die Erholungsaufenthalte ein bedeutender Posten im städtischen Etat und sehr viel kostspieliger für die Stadt als die Tagesfahrten. Die Stadt gab ihre Zuwendungen pro Teilnehmer an die freien Verbände auch dann, wenn das Einkommen leicht überschritten und obgleich eine Eigenbeteiligung bis 150 DM gefordert wurde. Das schlug man auch dem Land vor. Denn durch die gestiegenen Renten und die aber nur geringfügig angehobenen Sozialhilferegelsätze werde es für die Verbände der freien Wohlfahrtspflege immer schwieriger, Erholungsteilnehmer zu finden, deren Einkommen unter der Einkommensgrenze von Paragraph  79 BSHG liege. Bei vielen übersteige das Einkommen diese Grenze jedoch nur geringfügig, und 398 ISG, Fürsorgeamt 4155, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Vermerk, Frankfurt, o. D. 399 ISG, Fürsorgeamt 4155, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Reisebericht Greifenstein-Nenderoth, Frankfurt, 24. Oktober 1979. 400 ISG, Fürsorgeamt 4156, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Vermerk, Frankfurt 24. November 1980. 401 ISG, Fürsorgeamt 4157, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Presse- und Informationsamt, Frankfurt o. D., Erholungshilfe 1981. 402 ISG, Fürsorgeamt 4175, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Rundverfügung Nr. 2/80, Frankfurt, 12. Januar 1980.

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren

es sei eine besondere Härte, von der Bezuschussung ausgeschlossen zu werden.403 Insgesamt stellte das Land 1979 nur Mittel von 660.000 DM für ganz Hessen zur Verfügung. Davon entfielen auf Frankfurt 83.290 DM, es war also gemessen am Umfang der durchgeführten Aufenthalte von gut 1.600 allein seitens der Stadt Frankfurt nur ein Bruchteil und weniger als zu Beginn des Jahrzehnts.404 1982 wurde die Zahl der Teilnehmer an den städtischen Fahrten von fast 1.700 im Vorjahr auf 1.584 reduziert, da weniger Haushaltsmittel zur Verfügung standen und eine 20-prozentige Haushaltssperre zu erwarten war. Die Veranstaltungen im Urlaubsort, die das Sozialamt der Stadt Frankfurt trug, wurden pro Person und Aufenthalt auf einen Betrag von höchstens 18  DM begrenzt.405 1979 bot man zum ersten Mal eine „Weihnachtsmaßnahme“ für „alleinstehende, einsame alte Menschen“ an. Die 14-tägigen Fahrten führten insgesamt 85 Teilnehmer in verschiedene Pensionen, unter anderem in den Schwarzwald.406 Dieser Gruppenurlaub sollte alleinstehende ältere Bürger davor bewahren, das Weihnachtsfest und das Jahresende ganz allein zu verbringen.407 1982 wurde der Weihnachtsurlaub schon 130 Teilnehmern gewährt.408 1981 fand zum ersten Mal eine „Wintererholung“, und zwar im Februar, statt.409 1978 wurden einzelne Fahrten im Seniorenurlaubsprogramm der Stadt Frankfurt als „Modellurlaub“410 neu konzipiert. Geleitet wurde das Projekt von einem bei der Stadt angestellten Sozialarbeiter. Anders als bei den anderen Reisen war vorgesehen, dass nun ältere Bewohner eines Stadtteiles, die sich vorher kennengelernt hatten und nachher weiter treffen sollten, drei Wochen zusammen verreisen. Das „Experiment“, wie die Seniorenzeitschrift über den ersten Urlaub dieser Art im Herbst 1978 in Schönbach im Westerwald schrieb, „sollte Leute zusammenführen, die allein leben und sich zuvor kaum gekannt haben. Das Ziel: die geschaffenen Kontakte sollten nach drei Wochen, bei der Rückkehr, so stark sein, daß man auch fürderhin aufeinander

403 ISG, Fürsorgeamt 4155, Abt. Altenhilfe an den hessischen Sozialminister, 26. Januar 1979. 404 ISG, Fürsorgeamt 4155, Der hessische Sozialminister, an die Regierungspräsidenten in Darmstadt und Kassel, Wiesbaden, 28. Februar 1979. 1980 waren es 700.000 DM, davon 87.300 für Frankfurt; ISG, Fürsorgeamt 4156, Der hessische Sozialminister, den Regierungspräsidenten Darmstadt/Kassel, Wiesbaden, 14. Februar 1980. 405 ISG, Fürsorgeamt 4158, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Frankfurt, 10. Dezember 1981. 406 ISG, Fürsorgeamt 4155, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Frankfurt, 10. Oktober 1979, Altenerholung – Weihnachtsurlaub für alleinstehende, einsame alte Menschen. 407 ISG, Fürsorgeamt 4155, Sozialamt Abt. Altenhilfe, an das Presse- und Informationsamt, Frankfurt, o. D. 408 ISG, Fürsorgeamt 4158, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Frankfurt, 28. September 1982. 409 ISG, Fürsorgeamt 4157, Sozialamt Abt. Altenhilfe, An Dezernatsverwaltungsamt, Frankfurt, 5. Januar 1981. 410 Der hessische Sozialminister Armin Clauss besuchte die Reisegäste im Westerwald, da es sich um den ersten Urlaub dieser Art in Hessen handelte, siehe Hessische Senioreninformation, 1/78, o. S.; Mehr als ein paar Tage Erholung, in: ISG, Fürsorgeamt 2548.

4.6 Erholungsaufenthalte für ältere Menschen

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zugeht.“411 Im Vergleich mit den üblichen dreiwöchigen Erholungsaufenthalten gab es ein umfangreiches Beschäftigungsprogramm mit Gesellschaftsspielen, Tanzen, Diskussionen, Musik (eigene Platten durften mitgebracht werden), Rundfahrten, Wandern, morgendlicher Gymnastik, Baden, Schwimmen und Filmabenden.412 Das alles seien nur Vorschläge, so Sozialarbeiter Friedl. Seine Annahme war, dass die alten Menschen weniger wegen der Erholung mitführen, sondern vielmehr wegen des Tapetenwechsels und der Kontaktsuche.413 Für ein Vortreffen im August sollten die Teilnehmer ihre Wünsche und Vorstellungen notieren.414 Ein erstes Nachtreffen fand im November statt. Es gab nicht nur diese, sondern die Teilnehmenden wurden sogar über den Tod und die Beerdigung einer Teilnehmerin informiert.415 In einem Interview mit dem Hessischen Rundfunk erzählten der verantwortliche Sozialarbeiter Friedl und zwei Teilnehmerinnen, Frau S. und Frau K., über ihren Urlaub416: Frau S. berichtete: „Es war eine sehr große Freude. Es hat mir viel Spaß gemacht. Ich bin dahin gefahren und habe da Menschen kennengelernt und wir treffen uns auch jetzt noch und ich habe auch einen Herrn kennengelernt, mit dem bin ich jetzt noch in Verbindung.“ Frau K.: „Mir war es eigentlich mehr darum, bisschen diese gymnastischen Sachen und Schwimmen mitzumachen. Überhaupt so’n bißchen Kontakte und so, dann wollten wir Skat spielen zusammen; das hat auch ganz schön geklappt immer.“ Redakteurin Ulrike Holler: „Was war Ihnen denn wichtig an diesem Urlaub?“ K.: „Eigentlich auch das Zusammentreffen mit Menschen, weil ich ja zuhause immer alleine bin.“ […] Friedl: „Das Wort Betreuer läßt vielleicht auch den Schluß zu, alte Leute sollten gegängelt werden. Dies könnte auch ein Argument sein, dies abzulehnen. Dann würde ich das auch ablehnen. Wir wollten aber Betreuer mehr verstanden wissen im Sinn von Anregung geben, im Sinne von Koordination – oder Animateur zu sein.“417

Für Frau K. war aber etwas anderes entscheidender, wie sie auf die Frage der Redakteurin „Die haben Ihnen Anregung gegeben?“ antwortete: 411 Vetter, Lothar: Experiment Westerwald, in: Seniorenzeitschrift, 2/1979, S. 15 f., hier S. 15. 412 ISG, Fürsorgeamt 2548, Liste mit Filmen, o. D., die vor dem Urlaub vom zuständigen, 30-jährigen Sozialarbeiter für seine Reiseteilnehmer ausgeliehen wurden: Der Untertan, Feuerzangenbowle, Angst essen Seele auf, Erziehung zum Ungehorsam, Der Mann muß hinaus ins feindliche Leben, Die Ferien des Monsieur Hulot; Ersatztitel: Viva Zapata, Warum ist Frau B. glücklich, Der Glöckner von Notre Dame, Der zerbrochene Krug, Gefühle – was soll man da groß drüber reden, Sie küßten und sie schlugen sich, Vier Familien – Eine vergl. Studie von M. Mead. Es gab keine Erhebungen über die Wünsche der Teilnehmer zu den Filmen und es kann angenommen werden, dass der Sozialarbeiter Friedl die Liste nach eigenem Interesse und Ermessen zusammenstellte. 413 Vetter, Lothar: Experiment Westerwald, in: Seniorenzeitschrift, 2/1979, S. 15 f., hier S. 15. 414 ISG, Fürsorgeamt 2548, Peter Friedl, Thomas Friedrich, an alle Teilnehmer, August 1978. 415 ISG, Fürsorgeamt 2548, P. Friedl, an die Teilnehmer, 1. Dezember 1978. 416 ISG, Fürsorgeamt 2548, Seniorenurlaub der Stadt Frankfurt. Wörtliche Niederschrift des Rundfunkgespräches mit Ulrike Holler zum Thema „Seniorenurlaub der Stadt Frankfurt“, aufgenommen am 8. Juni 1979, gesendet von HR I am 13. Juni 1979. 417 ISG, Fürsorgeamt 2548, Seniorenurlaub der Stadt Frankfurt. Wörtliche Niederschrift des Rundfunkgespräches mit Ulrike Holler zum Thema „Seniorenurlaub der Stadt Frankfurt“, aufgenommen am 8. Juni 1979, gesendet von HR I am 13. Juni 1979.

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren Ja, das schon, aber auch hilfsbereit bei den älteren Leuten. Wir hatten ja welche dabei, die konnten nur mit zwei Stöcken gehen und die haben sie mit dem Auto hingefahren, wo wir hingelaufen sind, damit sie mit dabei sein konnten immer. Also das hab’ ich sehr schön gefunden.418

Das Zitat zeigt, dass möglicherweise einige ältere Menschen wegen der fehlenden (körperlichen) Hilfen und damit verbundener Sorgen von den übrigen Erholungsaufenthalten abgehalten wurden. Teilnehmer mit Einschränkungen in der Gehfähigkeit waren nämlich von den anderen Fahrten ausgeschlossen (siehe unten). Nicht bei allen stieß der Modellurlaub auf Begeisterung. So wurde in der Seniorenzeitschrift ein anonymer Leserbrief veröffentlicht: Wir finden diese Idee einfach furchtbar!!! Jahrelang und ständig sind wir mit unseren Mitbewohnern mit mehr oder weniger Sympathie zusammen, jetzt endlich, man freut sich ein paar Wochen auf fremde Menschen, neue Umgebung, neue Eindrücke, statt dessen – der alte Ballast wird einem wieder aufgezwungen. Wir sind doch die ganzen Jahre ständig zusammen, dieselben Gesichter, derselbe Quatsch!419

Die Redaktion betonte in ihrer Antwort auf den Leserbrief, dass auch die bisher üblichen Seniorenfahrten nicht aufgegeben und durch gemeinsame Stadtteilfahrten ersetzt werden sollten. Es sei nur ein „Experiment“, aus dem eventuell eine zusätzliche Einrichtung entstehen könne. Zudem belehrte sie den anonymen Leser, er müsse sich der „Intoleranz zeihen lassen“, die Bedürfnisse seien nun einmal verschieden.420 Der begleitende Sozialarbeiter Friedl übte in einem Artikel in der Senioren­ zeitschrift Kritik an dem Freizeitverhalten der Reiseteilnehmer, die seine eigenen Vorstellungen von einem ideal verlaufenden Seniorenurlaub verdeutlichte: Abends sei es schwer, Gruppenaktivitäten zu initiieren, es gebe eine „Flucht zum Fernseher“.421 Tanzen hingegen war „in“ bei den Teilnehmern. „‚Dennoch sehe ich unsere Rolle im Nachhinein so, daß wir doch immer als die ‚Anführer‘ gesehen und mit Beschlag belegt worden sind. Daraus konnten wir uns eigentlich nie so ganz befreien‘, sagte Friedl. Dieses ‚nun betreut uns mal schön‘ sei halt auf Schritt und Tritt zu spüren gewesen.“422 Aus diesen Fehlern solle künftig bei den Wiederholungen gelernt werden.423 Die Teilnehmer an allen Erholungsurlauben der Stadt mussten für die entfernteren Fahrten noch „rüstig und aktiv“ sein424, für die Fahrten in die nähere Umgebung galt dies nur eingeschränkt. Sie wurden in ihren Wohnun418 ISG, Fürsorgeamt 2548, Seniorenurlaub der Stadt Frankfurt. Wörtliche Niederschrift des Rundfunkgespräches mit Ulrike Holler zum Thema „Seniorenurlaub der Stadt Frankfurt“, aufgenommen am 8. Juni 1979, gesendet von HR I am 13. Juni 1979. 419 Seniorenzeitschrift, 3/1978, S. 33. 420 Seniorenzeitschrift, 3/1978, S. 33. 421 Während es in den 1960er Jahren noch als Errungenschaft galt, Altenklubs mit Fernsehern auszurüsten, wurde dieser zunehmend zum negativen Ruhestandsattribut, ein Ausweis von „Nicht-Aktivität“, vgl. Denninger/Dyk/Lessenich/Richter (2014), S. 89. 422 Vetter, Lothar: Experiment Westerwald, in: Seniorenzeitschrift, 2/1979, S. 15 f., hier S. 15. 423 Vetter, Lothar: Experiment Westerwald, in: Seniorenzeitschrift, 2/1979, S. 15 f., hier S. 15. 424 Seniorenzeitschrift, 1/1979, S. 6.

4.6 Erholungsaufenthalte für ältere Menschen

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gen abgeholt und von dort in die Pensionen gebracht; zu den weiter entfernten Zielen mussten sie jedoch erst über eine Sozialstation kommen.425 Zivildienstleistende halfen beim Transport der Koffer.426 Um ihre Reisefähigkeit zu belegen, mussten die Teilnehmer eine ärztliche Bescheinigung einreichen, die über Behandlungen, Diagnosen und die Geh- und Reisefähigkeit Auskunft gab. Eine der Fragen lautete, ob der Patient auf ständige ärztliche Betreuung angewiesen sei. Weiter sollte der Arzt Auskunft geben, ob der Reiseteilnehmer „tragbar für die Gemeinschaft“ sei: In Klammern waren mögliche ausschließende Diagnosen wie „psychisches Verhalten, Cerebralsklerose, Inkontinenz“ aufgeführt.427 An den Fahrten in den Westerwald, die in Begleitung des Sozialarbeiters stattfanden, nahmen Senioren mit unterschiedlichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen teil. Von den 20 Antragstellern hatten mindestens acht Teilnehmer Diagnosen wie Herzmuskelschwäche, Kreislaufstörungen, Diabetes, Bluthochdruck und auch Cerebralsklerose; sie durften dennoch teilnehmen.428 Eine Teilnehmerin wurde eigentlich abgelehnt, weil sie im letzten Jahr an einer Seniorenfreizeit der Stadt teilgenommen hatte und nun nur als Selbstzahlerin hätte teilnehmen dürfen, trotz eines Einkommens unter den festgesetzten Grenzen. Der Sozialarbeiter besuchte sie zu Hause: Die Seniorin benötige einen Vierbein-Stock wegen eines komplizierten Oberschenkelbruches im Jahr 1974, sie sei verwitwet, die Kinder lebten außerhalb Frankfurts. „Durch diese Behinderung ist Frau Sch., deren geistige Beweglichkeit zu bestaunen ist, in ihrer Mobilität eingeschränkt, d. h. sie konnte am Leben in der Gemeinschaft nur sehr reduziert teilnehmen. Daher rührt auch ein erhöhtes Kommunikationsbedürfnis.“429 Es wurde daher vorgeschlagen, sie erneut kostenlos auf Grundlage ihres Einkommens teilnehmen zu lassen und die letztjährige Teilnahme bei der Kostenberechnung nicht zu berücksichtigen.430 Die Frankfurter Rundschau unterstützte aus ihrer Sammlung zur Altenhilfe Erholungsaufenthalte. Die Stadt bat um Beihilfen für Teilnehmer, die knapp über den Einkommensgrenzen lagen und daher Eigenbeteiligungen leisten mussten oder bereits im Vorjahr teilgenommen und deshalb im folgenden Jahr kein Anrecht hatten, jedoch einen Aufenthalt nach Ansicht der zuständigen Behörde benötigten. Die Abteilung Altenhilfe schickte Vorschläge an die Rundschau, die deutlich machen, dass die Vorgeschlagenen teilweise zu größe-

425 ISG, Fürsorgeamt 4175, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Rundverfügung Nr. 2/80, Frankfurt, 12. Januar 1980. 426 ISG, Fürsorgeamt 4157, Abt. Altenhilfe an Sozialzentrum Marbachweg, betr. Transporte der Reisekoffer, Frankfurt, 17. Dezember 1980. 427 ISG, Fürsorgeamt 2548, Ärztliche Bescheinigung für die Teilnahme an der Altenerholungshilfe der Stadt Frankfurt a. M. 428 ISG, Fürsorgeamt 2548, Anmerkungen auf den Teilnehmeranträgen hinten, 1978. 429 ISG, Fürsorgeamt 2548, Sozialamt, Frankfurt, 12. Juli 1978, Friedl. Handschriftlich: „einverstanden Bauer, 13. 7“. 430 ISG, Fürsorgeamt 2548, Sozialamt, Frankfurt, 12. Juli 1978, Friedl. Handschriftlich: „einverstanden Bauer, 13. 7“.

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren

ren finanziellen Opfern bereit waren, um an einem solchen Erholungsurlaub teilzunehmen: Herr V. (8.11.04) lebt von Sozialhilfe. Er hat sich DM 500,– geliehen, damit er mit der Altenhilfe in Erholungsfahrten kann. Den geliehenen Betrag will er in kleinen Raten langsam abzahlen. 1979 fuhr Herr V. auf Kosten der Stadt in Urlaub. Frau D. (22.02.02) fällt die Finanzierung schwer, da die Rente nach Abzug d. Miete klein ist. Der gesundheitliche Zustand von Frau D. ist nicht gut. Eine Erholung ist dringend zu befürworten. 1979 Erholungsaufenthalt auf Kosten der Stadt. Frau St. (20.03.00) ist eine sehr bescheidene Frau u. sehr erholungsbedürftig. Bei der Antragsstellung äußerte sie, daß sie ihre goldene Uhr verkauft um als Selbstzahler dieses Jahr mit uns in Urlaub fahren zu können. 1979 fuhr sie mit einer Eigenbeteiligung v. 35,– mit uns in Urlaub. Sie fährt am 16.07.1980 nach Pleystein/Oberpfälzer Wald.431

Anders als bei den Tageserholungsfahrten überstieg die Nachfrage nach den Altenerholungsurlauben jedoch zumeist nicht das Platzangebot: Im September 1979 wurde in der Presse bekanntgegeben, dass sogar noch Plätze für das laufende Jahr frei seien.432 4.7 Ambulante Pflege: Gemeindekrankenpflege, Hauspflege und hauswirtschaftliche Versorgung Das Angebot an häuslicher Pflege und weiteren hauswirtschaftlichen Dienstleistungen, gegen Ende des Jahrzehnts mobile soziale Hilfsdienste genannt, wurde in den 1970er Jahren ausgebaut und ausdifferenziert. Zunächst ging die Zahl der Beschäftigten in der ambulanten Gemeindepflege jedoch wie auch schon in den 1960er Jahren weiter zurück.433 Die Zahl der Vollzeitbeschäftigten in den Gemeindekrankenpflegestationen und Sozialstationen hatte sich von 1970 bis 1975 um 10,3  Prozent vermindert und in der Haus- und Familienpflege sogar um 26 Prozent.434 Danach stieg die Zahl wieder. 1970 gab es 8.719 Gemeindekrankenpflegestationen der freigemeinnützigen Verbände mit 10.163 Mitarbeitern, 1981 waren es noch 3.058 mit 3.191 Vollzeitmitarbeitern; Hauspflegestationen gab es 1970 1.179 mit 2.356 Mitarbeitern in Vollzeit (und 7.423 in Teilzeit), 1981 nur noch 1.632 Vollzeitmitarbeiter in 992 Stationen sowie 4.808 Teilzeitmitarbeiter. Bemerkenswert ist hier besonders der Rückgang der Gemeindekrankenpflegestationen. Dafür existierten 1981 1.021 Sozialstationen mit 7.395 Mitarbeitern in Vollzeit und 5.266 Mitarbeitern in Teilzeit.435 Dennoch blieb die Versorgung mit ambulanten pflege431 ISG, Fürsorgeamt 4156, Abt. Altenhilfe an FR, Altenerholungshilfe, 25. April 1980, gez. Cowan. 432 ISG, Fürsorgeamt 4155, Pressenotiz in der FR und der FNP vom 6. September 1979. 433 Siehe Grunow (2007), S. 851. 434 Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit (1977), S. 18. 435 HHStAW, Abt. 508, Nr. 5870, Rückert, Willi, KDA, Institut für Altenwohnbau, Hilfe- und Pflegeabhängige Deutsche und ihre Helfer in der Bundesrepublik Deutschland – ergänzt durch einen skizzenhaften Vergleich mit dem Altenhilfesystem Dänemarks, Willi Rückert, Stand: März 1983 (Manuskript, nicht zur Veröffentlichung), S. 21. Nicht berück-

4.7 Ambulante Pflege

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rischen Diensten, verglichen mit dem benachbarten Ausland, gering. In den Niederlanden, so Willi Rückert, gab es 1982 über 100.000 Mitarbeiter in der Familienhilfe, meist in Teilzeit436, obwohl das Land nur ein Viertel der Einwohner der Bundesrepublik hatte und ein Vielfaches an Heimplätzen und Tagespflegeheimplätzen. Auch im Vergleich mit Dänemark und mit der Schweiz schnitt Deutschland schlecht ab.437 Die Versorgung im ambulanten Bereich unterschied sich dabei noch gravierender von der Situation im Ausland als im stationären Bereich. Den Angeboten an ambulanter Pflege stand eine steigende Zahl alter Menschen gegenüber.438 In Frankfurt war der prozentuale Anteil alter Menschen noch höher als im Bundesgebiet: 1970 gab es 97.107 Menschen über 65 Jahre, 31.467 über 75 Jahre und davon 13.996 Menschen über 80 Jahre in der Stadt, bei einer Gesamtbevölkerungszahl von 667.110 Einwohnern.439 1980 zählte man bei einer Gesamtbevölkerung von 631.548 Frankfurtern 110.565 Menschen über 65 Jahre, davon 72.288 Frauen. 43.051 Menschen waren über 75 Jahre alt, davon 19.618 über 80.440 Die Kosten für die Hilfe zur Pflege außerhalb von Anstalten stiegen in Frankfurt in den 1970er Jahren weitaus stärker als die innerhalb von Anstalten. Zwischen 1969 und 1976 verzehnfachten sich die Ausgaben, danach stiegen sie nicht mehr ganz so schnell an bis 1980.441

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sichtigt ist hier die Zahl der kommunalen Dienste, die höchstens 25 Prozent ausmache. Siehe zu den Zahlen von 1970, nun verglichen mit 1984, auch Rückert (1992), S. 148. HHStAW, Abt. 508, Nr. 5870, Rückert, Willi, KDA, Institut für Altenwohnbau, Hilfe- und Pflegeabhängige Deutsche und ihre Helfer in der Bundesrepublik Deutschland – ergänzt durch einen skizzenhaften Vergleich mit dem Altenhilfesystem Dänemarks, Willi Rückert, Stand: März 1983 (Manuskript, nicht zur Veröffentlichung), S. 29. HHStAW, Abt. 508, Nr. 5870, Rückert, Willi, KDA, Institut für Altenwohnbau, Hilfe- und Pflegeabhängige Deutsche und ihre Helfer in der Bundesrepublik Deutschland – ergänzt durch einen skizzenhaften Vergleich mit dem Altenhilfesystem Dänemarks, Willi Rückert, Stand: März 1983 (Manuskript, nicht zur Veröffentlichung), S. 40. https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Bevoelkerung/Bevoelke rungsstand/Tabellen_/lrbev01.html?cms_gtp=151914_list  Prozent253D3&https=1 (letzter Zugriff: 12.10.2016), lange Reihen: 1970 17,5 Prozent 60- bis 80-Jährige im Gebiet der ehemaligen Bundesrepublik, 1,9 Prozent über 80-Jährige; 1980 16,8 Prozent 60- bis 80-Jährige und 2,7 Prozent über 80-Jährige; 1985 17,1 60- bis 80-Jährige und 3,3 Prozent über 80-Jährige; weiter Jahr für Jahr ansteigend auf 21,7 Prozent 60- bis 80-Jährige und 5,4  Prozent über 80-Jährige 2013 im gesamten Bundesgebiet (Ausgangspunkt 1950: 13,0 Prozent 60- bis 80-Jährige und 1,0 Prozent 80-Jährige in der BRD). Statistisches Jahrbuch Frankfurt 1971, S. 7. Der prozentuale Anteil der alten Menschen in Frankfurt, insbesondere der über 80-Jährigen, lag damit stets noch deutlich über dem der gesamten Bundesrepublik, machte er doch 1980 3,1 Prozent und 1985 schon 3,9 Prozent aus. Statistisches Jahrbuch Frankfurt 1981, S. 8. 1965 betrugen die Ausgaben für Hilfe zur Pflege nach §§ 68 und 69 außerhalb von Anstalten 303.462 DM, 1976 hatte sich die Summe mehr als verzehnfacht auf 3.760.011 DM (Statistisches Jahrbuch Frankfurt 1977, S. 114); 1980 waren es 6.476.797 DM (Statistisches Jahrbuch Frankfurt 1981, S. 118).

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren

Das Jahrzehnt war geprägt davon, dass die pflegerische Versorgung weiterhin von verschiedenen Stellen geleistet wurde. Es gab Hauspflegedienste und Gemeindekrankenpflegestationen. Ab Mitte der 1970er Jahre kamen weitere Einrichtungen hinzu, die unterschiedliche pflegerische und hauswirtschaftliche Dienste und keine ganztagsweise Versorgung mehr anboten. Ende der 1970er Jahre gab es Versuche, die Abrechnung zu klären, ohne in diesem Jahrzehnt wirkliche Änderungen in der Finanzierung herbeizuführen. In diesem Zeitraum wurde auch die finanzielle Absicherung des Pflegefalles bundesweit diskutiert. Die Debatten führten zu keiner sozialrechtlichen Kodifizierung auf Bundesebene; dennoch wurde der Schub und Ausbau der ambulanten Dienste und der Infrastruktur in den 1970er Jahren nun auch vom Bund mit angestoßen. Dieser förderte Modelleinrichtungen und nahm Einfluss auf die Entwicklung neuer Organisationsformen der ambulanten Pflege wie der „Sozialstationen“.442 4.7.1 Lebensrisiko Pflegefall – keine Finanzierung der Pflege Die Fragen des Ausbaus und der Finanzierung waren eingebettet in eine bundesweite Diskussion innerhalb der Politik und der Fachverbände über die künftige Finanzierung von Pflegeleistungen, die schließlich Jahrzehnte später, 1995, darin mündete, die Pflegeversicherung als neuen, eigenständigen Zweig in der Sozialversicherung zu etablieren. In den 1970er Jahren setzte sich auf breiter Ebene in den Verbänden die Erkenntnis durch, dass Pflege ein allgemeines „Lebensrisiko“ sei, das nicht zuletzt einschneidende finanzielle Folgen für die Pflegebedürftigen hatte und sie zumeist zu Sozialhilfeempfängern machte. Peter Galperin publizierte 1973 im Nachrichtendienst des Deutschen Vereins einen Beitrag zur Finanzierung von Pflegekosten in Heimen und sprach sich für eine „soziale Heimversicherung“ aus.443 1974 verfasste das KDA ein Gutachten über die stationäre Behandlung von Krankheiten im Alter und die Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen.444 Eingangs wurde geschildert, dass die oft zufällige Einweisung eines alten Menschen nach einem Schlaganfall in ein Krankenhaus oder in ein Pflegeheim mit ganz unterschiedlichen sozialen Folgen einherging: Entweder werde dieser im Krankenhaus auf Kosten der Krankenkassen behandelt oder er müsse im Pflegeheim als Empfänger von Sozialhilfe nicht nur die eigene Rente, sondern auch seine Ersparnisse hergeben und Unterhaltsleistungen der Kinder in Anspruch nehmen.445 In dem Gutachten wurde die Kostenübernahme durch 442 Grunow (2007), S. 816. 443 Galperin (1973). 444 Kuratorium Deutsche Altershilfe (1974), Gutachten über die stationäre Behandlung von Krankheiten im Alter und die Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen, Nachdruck in Kiesau/Balassa (1976), S. 242, 405–432. 445 Kuratorium Deutsche Altershilfe (1974), Gutachten über die stationäre Behandlung von Krankheiten im Alter und die Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen, Nachdruck in Kiesau/Balassa (1976), S. 242, 405–432, hier S. 405.

4.7 Ambulante Pflege

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die gesetzlichen Krankenkassen auch im Pflegeheim eingefordert, denn Pflegebedürftigkeit im Alter sei nach heutigem medizinischem Wissen nicht mehr als ein von der Behandlungsbedürftigkeit abzugrenzender Zustand anzusehen. Das KDA formulierte daher die These: „Es gibt keine Pflegebedürftigkeit allein auf Grund des Alters.“446 Demnach sollte die stationäre Behandlung alter Menschen in allen Einrichtungen, die zu dieser Behandlung geeignet seien, als Krankenhauspflege anerkannt werden, unabhängig davon, ob die Einrichtung Krankenhaus oder Pflegeheim heiße. Die häusliche Pflege wurde in dem Gutachten nicht berücksichtigt. Obwohl man im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit eine solche Ausweitung grundsätzlich befürwortete447, lehnte das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung eine Ausweitung der Krankenversicherung oder eine eigene Heimversicherung aus Kostengründen ab.448 Auch die Arbeiterwohlfahrt veröffentlichte 1976 Überlegungen zur Finanzierung der Pflegekosten und sprach sich dafür aus, dass diese, jedoch nicht die Heimkosten, von den Krankenkassen zu tragen seien; dies gelte auch für die häusliche Pflege.449 Eine Projektgruppe im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit (BMJFG) wurde Ende 1976 eingerichtet.450 Sie

446 Kuratorium Deutsche Altershilfe (1974), Gutachten über die stationäre Behandlung von Krankheiten im Alter und die Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen, Nachdruck in Kiesau/Balassa (1976), S. 242, 405–432, hier S. 426. 447 Das Gutachten bekam positive Presseresonanz und wurde auch im Ministerium für Jugend, Familie und Gesundheit positiv aufgenommen: BArch, B 189/11053, Dahlem an Frau Minister, Bonn-Bad Godesberg, 9. Mai 1974, Bl. 48–51. Otto Dahlem sah hier eine rasche Lösungsmöglichkeit und einen Kompromiss, der vom Bundesministerium für Arbeit, das von „weiteren gravierenden Leistungsverbesserungen“ (Bl. 50) abrate, akzeptiert werden könne. Dahlem hatte schon im Sommer 1973 verschiedene Möglichkeiten zur Absicherung des Pflegerisikos zusammengetragen (BArch, B 189/11053, Bl. 87–92, RD Dahlem, An Frau Minister, Bonn-Bad Godesberg, 10. August 1973) und vorgeschlagen, ein eigenständiges Pflegegesetz zu erlassen, das auch die häusliche Pflege absichere, oder alternativ die Reichsversicherungsordnung zu ändern. 448 Protokolle des Deutschen Bundestages, 7. Wahlperiode, 106. Sitzung, 11. Juni 1974, S. 7204 f., Fragen 31 und 32 des Abgeordneten Conradi. Buschfort, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, antwortete, dass eine Heimversicherung mit zusätzlichen Belastungen des Beitragszahlers zur jetzigen Zeit abgelehnt werde. Eine Ausdehnung des Krankenversicherungsgesetzes sei gegenwärtig nicht beabsichtigt und auch finanziell nicht vorstellbar. 449 BArch, B 189/11052, Arbeiterwohlfahrt Bundesverband, 3. März 1976, Überlegungen der Arbeiterwohlfahrt zur Neuordnung der Finanzierung der Pflegekosten in der stationären, teilstationären und ambulanten Versorgung Pflegebedürftiger. 450 BArch, B 189/11052, Bl. 108, Ergebnisprotokoll über die Vorbesprechung zur Gründung der Projektgruppe „Pflegekosten“ am 18. November 1976, Bonn-Bad Godesberg, 24. November 1976. Teilnehmer aus dem BMJFG Frau Dr. Gorges, Herr Dahlem, Frau Leppers, Herr Kursawe, Herr Dr. Paul, Herr Dr. Scholz, Herr Dr. Stein, Herr Grönert. Künftig sollten auch Teilnehmer aus dem BMA eingeladen werden. Später war auch die Gerontologin Margret Dieck vom „Deutschen Zentrum für Altersfragen“ (DZA) in der Projektgruppe.

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren

formulierte Zielvorgaben451, trug die bisherigen Vorschläge zusammen, stellte Kostenschätzungen an und erstellte 1977 einen Bericht über das Problem der Pflegebedürftigkeit.452 In diesem Bericht wurde geschätzt, dass vier von fünf älteren Menschen in stationärer Pflege auf Sozialhilfe angewiesen seien. 1975 waren dies 130.786 über 65-Jährige in Heimen und 106.719 ältere Pflegebedürftige, die zu Hause lebten.453 Die Ausgaben in der Hilfe zur Pflege für die über 65-Jährigen stiegen von 1970 bis 1975 von 1,1 auf 2,9 Milliarden DM. Der Anteil der Pflegebedürftigen unter den Menschen über 65 Jahre beruhte nur auf Schätzungen und schwankte zwischen fünf und neun Prozent, damit waren es geschätzt 400.000 bis 714.000 Menschen im Jahr 1970 und hochgerechnet 463.000 bis 833.000 ältere Menschen im Jahr 1980.454 Von ihnen lebte nur ein Teil in Heimen und die Mehrheit (geschätzt bis 616.000455) zu Hause. Die bis dahin vorliegenden Vorschläge zur Absicherung der Pflegekosten wurden vorgestellt und Beispielrechnungen ausgearbeitet. Bei den Kosten ging man von durchschnittlich 25 DM täglichen Pflegekosten sowohl stationär als auch ambulant aus. Man hatte dabei die deutlich höheren Stundenlöhne von ausgebildeten Haushaltshilfen durchaus im Auge456 und wandte selbst ein, das sei knapp kalkuliert. Genauere Informationen und Untersuchungen über die Kosten der ambulanten Pflege seien für die weitere Planung dringend notwendig. Würden nähere Untersuchungen ergeben, dass die ambulante Pflege gar nicht billiger als die stationäre sei, könnte sich die Bevorzugung ambulanter Pflege nicht mehr auf finanzielle, sondern allein auf soziale und humanitäre Gründe stützen.457 Damit wurde das Argument der Kosteneinsparung durch ambulante Versorgung schon angezweifelt, auf fundierte Berechnungen konnte die Bundesregierung sich jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht stützen. Die Kosten einer versicherungsrechtlichen Lösung wurden höher eingeschätzt als die Einsparungen der Sozialhilfe. Eine Realisierung der 451 BArch, B 189/11052, Bl. 172 f., Ergebnisprotokoll der Sitzung der Projektgruppe vom 24. Februar 1977, Ziele: Verhindern von Sozialhilfeabhängigkeit allein durch Pflegebedürftigkeit; Kontinuität der Lebensführung wahren, indem das Leben zu Hause ermöglicht wird; Kommunikation mit der bisherigen Umwelt und Selbständigkeit auch in Pflegeeinrichtungen; auf ein bedarfsgerechtes Angebot an ambulanten Diensten, teilstationären und stationären Pflegeeinrichtungen hinwirken; auf die Wirtschaftlichkeit der angebotenen Leistungen hinwirken; Finanzierbarkeit der Kosten sichern und die Kosten für Pflegeleistungen „sinn- und zweckentsprechend im Netz der sozialen Sicherheit zuordnen“. 452 BArch, B 189/11052, Bl. 278–319 (mit Rückseiten), Pflegebedürftigkeit älterer Menschen und Pflegekosten. Zwischenbericht der gemeinsamen Projektgruppe des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit und des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Diese Fassung wurde veröffentlicht: Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit (1977). 453 Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit (1977), S. 1. 454 Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit (1977), S. 11. 455 Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit (1977), S. 13. 456 Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit (1977), S. 61. 457 Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit (1977), S. 62.

4.7 Ambulante Pflege

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Lösungsvorschläge, die man seit 1974 erarbeitet habe, sei aus Kostengründen daher kurzfristig nicht möglich.458 Da es zu viele offene Fragen gab, sollte eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe gebildet werden. 1977 verfasste Otto Dahlem, Ministerialrat im Familienministerium, Referat Altenpolitik, einen ausführlichen Artikel zur sozialen Absicherung der Pflegebedürftigkeit im Nachrichtendienst des Deutschen Vereins.459 Darin behandelte er die verschiedenen Möglichkeiten, den Pflegefall zu versichern. Er sprach sich für eine eigenständige Sozialversicherung für Pflegebedürftigkeit aus, die auch jüngere Pflegeversicherte berücksichtigt.460 Grundlage solle die Versicherungspflicht für alle Berufstätigen, Arbeitslosen sowie Rentner und Pensionäre sein. Die Beseitigung des Pflegekostenrisikos, so betonte der Ministerialrat, dürfe nach seiner Auffassung nicht mehr jahrelang hinausgeschoben werden. Aus der Pflegeversicherung sollten auch die Hauspflege, die teilstationäre Pflege und die Heimpflege bezahlt werden; ausgenommen werden sollte nur kurzzeitige Pflegebedürftigkeit von bis zu zwei Monaten. Für Hauspflege stellte sich Dahlem ein gestaffeltes Pflegegeld entsprechend dem Grad der Pflegebedürftigkeit vor. Die Bundesregierung selbst verwies am Ende des Jahrzehnts auf die Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die Ergebnisse erarbeite461, und wollte sich nicht auf die Diskussion über eine mögliche Pflegeversicherung einlassen.462 458 Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit (1977), S. 4. Zunächst sollte ein ausführlicher „Altenbericht“ veröffentlicht werden, dann eine „Analyse der sozialen und gesundheitlichen Situation Hilfs- und Pflegebedürftiger älterer Menschen“. Doch dieser Entwurf (BArch, B 189/11027) wurde nie veröffentlicht, wofür neben qualitativer Kritik wohl Folgendes entscheidend war: „Aus ihm ergeben sich trotz abgeschwächter Formulierungen Unzulänglichkeiten in der sozialen Sicherung der hilfs- und pflegebedürftigen älteren Menschen. Der finanzielle Spielraum ist in der Bundesrepublik – auch auf absehbare Zeit  – so gering, daß realistische Perspektiven zur raschen Lösung der Probleme nicht aufgezeichnet werden können. Die Veröffentlichung des Berichtes erscheint daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht sehr sinnvoll.“ (BArch, B 189/11027, Briefentwurf aus dem Bundesministerium für Familie an den Chef des Bundeskanzleramtes Bl. 217, Bonn-Bad Godesberg, 21. April 1976. Der gesamte Abschnitt wurde in dem Briefentwurf rot durchgestrichen.) Vorangegangen war ein Gespräch Dahlems mit dem Kanzleramtsmitarbeiter Steinkamp, der deutlich machte, dass der Kanzler kein Interesse an dem Bericht habe, der nicht durch Gesetz oder Parlamentsbeschluss verlangt sei und zu der Frage herausfordere, was die Bundesregierung zu tun gedenke, um die Schwierigkeiten eines Personenkreises zu vermindern (BArch, B 189/11026, Bl. 208, Brief von Dahlem an MR. Goller, Btr. Altenbericht, handschriftlich, ohne Datum). 459 Dahlem (1977). 460 Dahlem (1977), S. 331. 461 1980 lagen die Ergebnisse vor, siehe Deutscher Bundestag, 9. Wahlperiode, Drucksache 9/2046, Schriftliche Fragen mit den in der Woche vom 18. Oktober 1982 eingegangenen Antworten der Bundesregierung, 22. Oktober 1982, S.  13: Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Frau Karwatzki vom 20. Oktober [auf eine Anfrage des Abgeordneten Stutzer, CDU/CSU]. Die verschiedenen Lösungen zur sozialen Sicherung des Pflegerisikos wurden hier nur vorgestellt. 462 Plenarprotokoll 8/148, 26. April 1979, S.  11791–11811, URL: http://dipbt.bundestag. de/doc/btp/08/08148.pdf (letzter Zugriff: 12.10.2016). Auf dem Redeentwurf der Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit, Antje Huber, in BArch, B 189/11044

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren

Trotz der seit den frühen 1970er Jahren laufenden Diskussionen über die Finanzierung der Pflege hatte sich an der Finanzierungssituation bis auf kleine Veränderungen, die die ambulante Pflege im Krankenversicherungsgesetz § 185 RVO betrafen, in diesem Jahrzehnt nichts verändert. Dies galt auch für das kommende Jahrzehnt, in dem mehrere Gesetzesentwürfe zur Pflegeversicherung vorgelegt wurden. 4.7.2 Gemeindekrankenpflege im Umbruch In den 1970er Jahren veränderte sich die Organisation der Gemeindekrankenpflegestationen. Waren es vorher zumeist nur mit einer Schwester besetzte Stationen, existierten zum Ende des Jahrzehnts größere Organisationseinheiten, die Sozialstationen (in Frankfurt „Zentralstationen“) genannt wurden. Diese Entwicklung vollzog sich regional sehr unterschiedlich. In Hessen gab es 1960 insgesamt 1.522 Gemeindekrankenschwestern, 1971 nur noch 1.083, während die Bevölkerung gewachsen war.463 Die Mehrzahl der Stationen war kirchlich gebunden. 1967 wurden insgesamt 303.200 Personen in Hessen von der Gemeindekrankenpflege betreut, davon waren 154.800, also die Mehrheit, über 65 Jahre alt. Die Leistungen der Gemeindekrankenpflege 1967 umfassten Hausbesuche, Injektionen, Verbände, Einreibungen, Nothilfe, Spülungen, Nachtwachen (nur 0,1  Prozent), Transporte (0,1  Prozent) und Sozialhilfeberatung. Die Patienten gehörten folgenden Gruppen an: Nachbehandlung bei chirurgischen Eingriffen 17,5 Prozent, innere Krankheiten 53,8 Prozent, Rheuma und Gelenke 13,4 Prozent, Alterskrankheiten 12,4  Prozent464, Neurologie 1,7  Prozent, Multiple Sklerose 1,2 Prozent. Erbracht wurden insgesamt 3.448.400 Einzelleistungen, auf 330 veranschlagte Tage waren das 10.450 Leistungen am Tag, bei 1.212 Schwestern also 8,6 Leistungen pro Schwester und Tag. Der Versorgungsgrad lag hessenweit 1970 bei zwei Krankenpflegepersonen auf 10.000 Einwohner, in Frankfurt waren es 2,4 Pflegende auf 10.000 Einwohner. Die Frankfurter Bevölkerung war also etwas besser als der Durchschnitt der hessischen Bevölkerung versorgt, hatte jedoch auch einen relativ hohen Anteil hochaltriger, allein lebender Bewohner. In Frankfurt gab es 1970 98 Gemeindekrankenpflegestationen, 78 der Kirche, 20 der freien Verbände, mit insgesamt 161 Krankenpflegepersonen. Mitgezählt wurden in dieser Statistik die Hauspflegeeinrichtungen. Die Lage bezeichnete der hessische Sozialminister als „bedenklich“465, da die Versorgung zum Teil nicht mehr gesichert sei. Daher plante zu der Debatte wurde handschriftlich von der Ministerin angemerkt: „Pflegekosten mit Zurückhaltung behandeln“ (Bl. 123). 463 Für die folgenden Ausführungen: HHStAW, Abt. 508, Nr. 5854a, Situationsbericht Gemeindekrankenpflegestationen in Hessen, Auftrag vom 27. November 1972 III, Wiesbaden, 15. März 1973, gez. Kroll. 464 Es wurde nicht ausgeführt, was unter Alterskrankheiten subsumiert wurde. 465 HHStAW, Abt. 508, Nr. 5854a, Situationsbericht, S. 8.

4.7 Ambulante Pflege

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man die Neuorientierung der Gemeindekrankenpflege und Zentralisierung in sogenannten Sozialstationen nach dem Vorbild von Rheinland-Pfalz. Die Stationen sollten in Rheinland-Pfalz die Gemeindekrankenpflegestationen ersetzen und einen größeren Einzugsbereich abdecken. Anfang der 1970er Jahre wurden dort erste Sozialstationen eingerichtet, das Land förderte die Investitionen und den laufenden Betrieb.466 Die Stationen sollten „Einsatzzentrale“467 für einen Einzugsbereich von etwa 15.000 Einwohnern mit einem Angebot von offenen Hilfsdiensten in der Kranken-, Alten-, Haus- und Familienpflege werden. Zur personellen Mindestausstattung gehörten vier examinierte Krankenpflegerinnen, ein bis zwei Familienpflegerinnen (Dorfhelferinnen) und ein bis zwei Altenpflegerinnen. Vorteile sah man gegenüber den alten Gemeindepflegestationen darin, dass in den Sozialstationen, die mehr Personal zusammenfassten, geregelte Arbeitszeiten, Urlaubs- und Krankheitsvertretung möglich waren. Man versprach sich davon gleichmäßige Belastung, bessere Vergütung sowie Ausbildung und die Differenzierung der Pflegearbeit; so könne zum Beispiel die Krankenschwester bei grundpflegerischen Diensten durch die Altenpflegerin entlastet werden.468 Es folgte die Einrichtung von Sozialstationen in Bayern und Baden-Württemberg, beides Modellmaßnahmen, die vom Land gefördert wurden.469 Hessen plante vergleichbare Einrichtungen für das Jahr 1974, wofür eine Million  DM im Haushalt zur Verfügung standen. Für sechs „Zentren Bürgerhilfe“ sah die Landesregierung unterschiedliche räumliche Regionen vor, die überwiegend ländlich waren; Frankfurt war nicht darunter.

466 HHStAW, Abt. 508, Nr. 5854a, Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge, Niederschrift über die Sitzung des Fachausschusses V am 21. Juni 1972 zu Fragen der Fürsorge auf dem Gebiete des Gesundheitswesens, Anlage 2: „Sozialstationen in Rheinland-Pfalz“, S. 9. 467 HHStAW, Abt. 508, Nr. 5854a, Rheinland-Pfalz, Ministerium für Soziales, Gesundheit und Sport, Sozialstationen – Grundzüge einer Neuorganisation der ambulanten Pflegedienste – Stand: 1. Juni 1971. 468 HHStAW, Abt. 508, Nr. 5854a, Rheinland-Pfalz, Ministerium für Soziales, Gesundheit und Sport, Sozialstationen – Grundzüge einer Neuorganisation der ambulanten Pflegedienste – Stand: 1. Juni 1971. 469 Siehe BArch, B 189/11034, Schreiber, Torsten: Altenhilfe in den Ländern. – Altenpläne und Erhebungen der Länder; eine Analyse im Auftrag des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit, vom 1. Oktober 1973 (Auftragsdatum), S.  108, zitiert Geißler, Heiner: Altenpolitik in Rheinland-Pfalz, in: Konrad-Adenauer-Stiftung (Hg.): Anpassung oder Integration – Zur gesellschaftlichen Situation älterer Menschen. Bonn 1973, S. 125. In Bayern entstanden 1973 bis 1975 etwa zehn Modellstationen mit Hilfe des Landes, in Baden-Württemberg zwölf (siehe BArch, B 189/11034, Schreiber, Torsten: Altenhilfe in den Ländern. – Altenpläne und Erhebungen der Länder; eine Analyse im Auftrag des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit, vom 1. Oktober 1973 (Auftragsdatum), S.  109). Auch Berlin versuchte, die häuslichen Dienste zu bündeln, und zwar Beratung, Vermittlung, Koordinierung, die Ausleihe von Hilfsmitteln in jedem Bezirk einer Stelle zu übertragen (S. 111) und mit Mitarbeitern der Abteilungen Sozialwesen zu besetzen.

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren

In den Zentren sollten Gemeindekrankenpflege, Altenpflege, Haus- und Familienpflege inklusive Dienste wie „Essen auf Rädern“ organisiert und Beratungsdienste unter anderem für alte Menschen angeboten werden.470 Man wollte mit diesen Zentren eine Verbindung von gesundheits- und sozialpflegerischen Diensten schaffen. Damit war das hessische Modell umfassender als die Sozialstationen, die nur pflegerische Dienste konzentrierten. Über die dreijährige Förderung von Modellen hinaus entstanden keine Zentren. Hessen förderte im Anschluss daran die mobile Krankenpflege in Landgemeinden. Die Träger der ersten Sozialstationen waren meist „Zweckverbände“ der Kirchengemeinden oder das Diakonische Werk.471 1979 wurde ein zweites Initiativprogramm zur Förderung der mobilen Krankenpflege aufgelegt, mit dem insgesamt 70 weitere Sozialstationen zu den nun bestehenden 47 finanziert werden sollten. Das Grundkonzept sah drei staatlich geprüfte Krankenpflegekräfte für einen Einzugsbereich von mindestens 10.000 und höchstens 50.000 Einwohnern vor, je nach örtlicher Situation. Damit war man zu diesem Zeitpunkt aber von den „Zentren für Bürgerhilfe“ abgekommen, in denen ambulante gesundheitspflegerische und sozialpflegerische Dienste vereinigt werden sollten.472 Im Vergleich zu den früher geförderten Gemeindepflegestationen unterschieden sich die nun eingerichteten Stationen nur darin, dass sie mindestens drei Mitarbeiter haben sollten, die auch Vertretungen und feste Dienstzeiten ermöglichten. Umfassende Sozialstationen, die auch hauspflegerische Dienste vermittelten, waren damit nicht geschaffen. Die Modellförderung in Hessen bezog sich wie erwähnt in erster Linie auf den ländlichen Raum; in Frankfurt wurden im Rahmen der mobilen Krankenpflege keine neuen Einrichtungen geschaffen. Die Gemeindekrankenpflege in Frankfurt war auch während der 1970er Jahre überwiegend konfessionell geprägt, die Träger waren der Evangelische Regionalverband und der Caritasverband. Neben den konfessionellen Trägern gründeten sich Ende der 1970er Jahre kleine private Trägervereine.473 Von den etwa 160 Krankenschwestern und Pflegern in den Stationen waren jedoch immer weniger Diakonissen oder Ordensschwestern. 1967 unterhielt das Diakonissenmutterhaus Frankfurt noch 17 Stationen mit 29 Mutterhaus- und zwei Verbandsschwestern in Frankfurt474, 1979 waren es nur noch elf Stationen mit 14 Diakonissen

470 HHStAW, Abt. 508, Nr. 5854a, Internes Papier „Zentrum Bürgerhilfe“, o. D. 471 HHStAW, Abt. 508, Nr. 5854b, Der hessische Sozialminister, Pressemitteilung Initiativprogramm „Mobile Krankenpflege“, Wiesbaden, 12. August 1977. 472 HHStAW, Abt. 508, Nr. 5854 c, Presseausschnitt: Hessen will kein starres Schema. Forum-Interview mit dem hessischen Sozialminister Clauss, in: Forum Sozialstation, Nr. 8, September 1979, S. 25–27, hier S. 25. 473 ISG, Fürsorgeamt 3045, Sozialamt Gesundheitshilfe, Finanzierung der Hauspflege, hier: Abgrenzung zur Gemeindekrankenpflege (häusliche Krankenpflege nach § 185 RVO/§ 37 BSHG), Vermerk über das Gespräch im Stadtgesundheitsamt am 21. Mai 1980, Teilnehmer Herr Hartwig vom Stadtgesundheitsamt, Herr Humbert und Herr Hölscher vom Sozialamt, Frankfurt, 22. Mai 1980. 474 Blätter aus dem Diakonissenhaus zu Frankfurt a. M., H. 280, 1968, S. 17 (Jahresbericht).

4.7 Ambulante Pflege

213

und einer Verbandsschwester475. Personalmangel und Rückgang der Ordensschwestern gab es auch in anderen Städten.476 Unabhängig von den geförderten Einrichtungen des Landes Hessen begann zunächst der Caritasverband der Stadt, Stationen zusammenzulegen. Die ersten beiden Zentralstationen des Caritasverbandes entstanden 1974 in zwei Stadtteilen Frankfurts.477 1979 arbeiteten die etwa 160 Schwestern und Pfleger in sechs Zentralstationen, drei jeweils katholisch und evangelisch, und 83 Gemeindestationen, davon 30 katholisch. Die überwiegende Zahl der Krankenpflegestationen war damit in Frankfurt auch Ende der 1970er Jahre mit nur einer oder zwei Schwestern besetzt. Pfleger arbeiteten überwiegend in der für das gesamte Stadtgebiet zuständigen „Männlichen Krankenpflege“ des Evangelischen Regionalverbandes.478 Der Caritasverband plante die Zentralstationen von Beginn an als ökumenische Einrichtungen.479 Im Gegensatz zum Caritasverband wehrten sich jedoch die Frankfurter Diakonissen gegen die Zusammenlegung zu zentraleren Stationen und begründeten das Festhalten an dem System der mit einer oder höchstens zwei Schwestern besetzten Gemeindestationen mit dem Wesen der Diakonissenschaft, das im Dienst an der Gemeinde liege und nicht nur Pflege, sondern auch Seelsorge umfasse. Sie betonten auch die Bedeutung des Rückhalts der Gemeinde: Obwohl wir die Zusammenarbeit benachbarter Gemeindestationen befürworten und zum Teil auch praktizieren, haben wir Bedenken gegen die Bestrebungen, Zentralen für ambulante Krankenpflege anstelle der bisherigen Gemeindepflegestationen einzurichten. Diakonie sollte Aufgabe der Gemeinden bleiben. Unsere Diakonissen verbinden ihre pflegerischen Aufgaben mit seelsorgerlichem Dienst. Die Zahl der Hausbesuche ist gestiegen. Sie arbeiten mit im Kindergottesdienst (22), in der Jugendarbeit (5) und in der Frauenarbeit (22). Pflege, Seelsorge und Mitarbeit im Gemeindeleben gehört für unsere Schwestern untrennbar zusammen. […] Die Mitarbeit unserer Schwestern in einer Zentrale für ambulante Krankenpflege ist nur möglich, wenn sie dabei, ihrer Berufung gemäß, die Pflegearbeit mit Seelsorge und Gemeindedienst verbinden können.480

475 Getrost und freudig. Blätter aus dem Diakonissenhaus Frankfurt a. M., H. 327, Januar/März 1980, Jahresbericht S. 4–11, hier S. 8. 476 Siehe BArch, B 189/11034, Schreiber, Torsten: Altenhilfe in den Ländern. – Altenpläne und Erhebungen der Länder; eine Analyse im Auftrag des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit, vom 1. Oktober 1973 (Auftragsdatum), S. 65. Stuttgart, 1960 führend im Bereich der Hauspflege, hatte 1971 noch 22 Hauspflegerinnen und 130 Schwestern in der Gemeindekrankenpflege, während es 1960 noch mehr als doppelt so viele gewesen waren. 477 ACVF, ACVF-6120/01, Jahresbericht Zentralstation 1983 (mit Überblick über die Geschichte 1974–1983). 478 Seniorenzeitschrift, 4/1979, Übersicht über die Krankenpflegedienste, S. 17–20. Aufgeführt wurden nur katholische und evangelische Gemeindepflegestationen, deren Dienste jedoch allen Bürgern offenstünden, gleich welcher Konfession oder Nationalität (S. 17). 479 ACVF, Unveröffentlichtes Manuskript Klaus Reimers, Geschichte des Caritasverbandes Frankfurt, Kapitel „Von der ambulanten Pflege zur Zentralstation“, o. S.; ACVF-1311, CVF-Vorstand vom 7. November 1973. 480 Getrost und freudig. Blätter aus dem Diakonissenhaus Frankfurt a. M., H. 311, Januar/März 1976, S. 11 f.

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren

Einzelne Gemeindeschwestern hingegen beurteilten den Zusammenschluss von mehreren Gemeindestationen zu Zentralstationen in internen Berichten zuweilen positiver. So schrieb Schwester Elisabeth, allerdings schon im letzten Jahr ihrer Tätigkeit, in ihrem handschriftlichen Jahresbericht: Zentralstation gut begonnen in meiner Abwesenheit. Jeden Mittwochmittag 2.45 Uhr haben wir gemeinsame Arbeitsbesprechung, mit der Leiterin. Sie ist noch sehr jung 25 Jahre, sehr nett und höflich, kontaktfreudig, […] Wir sind 8–9 Shs. […] Nun gibt es ganz ordnungsgemäß eine Vertretung. Alle 14 Tage ein freies Wochenende. Sie haben alle ein Auto, außer wir beiden nicht, ich komme da nicht in Frage.481

Auch gegen eine Abrechnung von Einzelleistungen mit Krankenkassen wehrte sich die Leitung des Diakonissenmutterhauses. 1979 schrieben dazu die Oberin Anneliese Oehler und der Pfarrer Kürth-Landwehr in dem Organ des Diakonissenhauses Frankfurt: Mit Sorge verfolgen wir die Entwicklung der Gemeindepflegestationen. Es wird angestrebt, die Krankenkassen an ihrer Finanzierung zu beteiligen. Das ist richtig und sinnvoll, da durch den Dienst der Gemeindeschwestern Krankenhausaufenthalte vermieden oder verkürzt werden können. Bisher haben einige Krankenkassen einen Pauschalbetrag gezahlt. Nunmehr sollen die Leistungen einzeln erfaßt und berechnet werden. Dazu sind umfangreiche und umständliche Verwaltungsarbeiten nötig, von unseren Schwestern wird eine ausführliche Buchführung über jede einzelne Leistung verlangt. Dabei wird übersehen, daß die meisten Dienste der Gemeindeschwestern nicht in den Bereich ambulanter Krankenpflege gehören, für den die Krankenkassen eintreten sollen, sondern in den Bereich der Altenpflege. Für Altenpflege und Pflege von Dauerkranken zahlen die Krankenkassen nach ihrem derzeitigen Rechtsstatus nichts; sie können nur für pflegerische Maßnahmen aufkommen, die ärztlich verordnet sind. Die seelsorgerische und beratende Tätigkeit der Schwestern ist erst recht nicht erfaßbar.482

481 Frankfurter Diakonissenhaus Archiv, Nr. 94, Heilandsgemeinde 1955–1977, Schwester Elisabeth an das Mutterhaus, 20. Januar 1977. 482 Jahresbericht 1978, in: Getrost und freudig. Blätter aus dem Diakonissenhaus Frankfurt a. M., H. 324, April/Juni 1979, S. 3–15, hier S. 12 ff.; siehe Gruppeninterview im Frankfurter Diakonissenhaus, Juli 2011 (Interviewerin Kristina Matron), Transkript vom 14. September 2011, S. 10 f.: Es sei der Umbruch von der Gemeindestation zur zentralen Diakoniestation gewesen, nach dem alles „in Zeiten gepreßt“ werden musste. „Sr. Gertrude: Sag ich, ,wie konnten Sie da zustimmen?‘ [zum Pfarrer] Ich sag jetzt mal, da mussten ja auch Konzepte entwickelt werden und mussten Bezahlungen ermöglicht werden. Da haben sie mal für eine Insulinspritze 1 Minute und so viel Sekunden bewilligt. Habe ich gesagt, ‚Herr Pfarrer, wie stellen Sie sich das vor?‘ Sag ich, ‚also, die Leute stehen vor der Haustür, haben sich schon bisschen freigemacht und wir schießen also mit der Spritze da rein, gell.‘“ Siehe dazu auch Dreßke/Göckenjan (2007), S. 671 ff.: Eine Diakonisse schilderte im Interview, dass sie sich hatte ablösen lassen, nachdem sie 1979 in einer Sozialstation eingesetzt werden sollte. Da sei es nur noch darum gegangen, Pflege mit den Krankenkassen abzurechnen (S. 672): „Da durfte ich nicht mehr Kaffee kochen und bei den Senioren helfen, denn das konnte nicht abgerechnet werden. Es war alles auf einmal kaputt. Ging nicht mehr. […] Weil ich es mit meinem Gewissen und mit meinem Glauben nicht mehr vereinbaren konnte.“ In Frankfurt war es hingegen zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich, einzelne Pflegeleistungen mit der Krankenkasse abzurechnen, dies wurde erst erarbeitet. Möglicherweise bezog sich die Diakonisse in dem Interview auch auf spätere Jahre.

4.7 Ambulante Pflege

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Der Dienst an den Gemeindemitgliedern wurde im Selbstverständnis der Diakonissen hochgehalten. Dabei betonten diese, sehr viel umfassender als nur pflegerisch tätig zu werden: Dieser diakonische Auftrag der Gemeinde, der durch die Gemeindeschwester hauptberuflich ausgeführt wird, kann von keiner staatlichen Instanz oder von Versicherungen finanziert werden, zum mindesten darf er nicht von der finanziellen Unterstützung nichtkirchlicher Instanzen abhängig werden. Gemeindediakonie muß verwurzelt sein im Gottesdienst der Gemeinde, im gesamten Gemeindeleben; sonst bleibt nur noch ambulante Krankenpflege übrig oder Sozialarbeit, die nicht mehr im Namen Jesu geschieht.483

Nach einer Schilderung leistete die Gemeindeschwester auch Sozialarbeit: Die Arbeit der Schwestern beschränkt sich aber nicht nur auf Pflege und medizinische Betreuung. Sie werden in einer Vielzahl von Problemen und Alltagsfragen um Rat und Hilfe gebeten. So helfen sie Anträge auszufüllen, verhandeln mit städtischen Ämtern, helfen bei der Suche nach einem Platz in einem Altersheim oder versuchen persönliches Leid zu trösten.484

Hauswirtschaftliche Tätigkeiten wurden nach den gedruckten Berichten aus der Gemeindepflege der Diakonissen in den 1970er Jahren hingegen nicht mehr übernommen oder nicht mehr beschrieben. 4.7.3 Hauspflegedienste Neben den Gemeindepflegestationen betreuten wie im vorangegangenen Jahrzehnt Hauspflegedienste ältere Menschen. Neben den Hauspflegeverein traten weitere Träger. Die Bedeutung des Hauspflegevereins, der in den 1960er Jahren die Hauspflege dominierte, ging zurück. Statt ausschließlich tageweiser Versorgung nahmen stundenweise Einsätze zu. Seit 1969 vermittelte das Deutsche Rote Kreuz „Alten- und Familienpflegerinnen“, die nur acht Wochen angelernt wurden.485 Damit waren sie deutlich kürzer geschult als die Pflegerinnen des Hauspflegevereins, die zwei Jahre die Hauspflegeschule besuchten. Der Hauspflegeverein hatte 1973 nur noch 19 Hauspflegerinnen, die die Ausbildung zur Hauspflegerin durchlaufen hatten und festangestellt waren. Darüber hinaus waren jedoch weitere 30 Pflegekräfte für den Verein tätig, die auf Honorarbasis arbeiteten. Diese Pflegekräfte waren zum Teil examinierte Krankenschwestern und Krankenpfleger, die Pflegedienste übernahmen, „die 483 Jahresbericht 1978, in: Getrost und freudig. Blätter aus dem Diakonissenhaus Frankfurt a. M., H. 324, April/Juni 1979, S. 3–15, hier S. 12 ff. 484 Vom Dienst unserer Gemeindeschwestern, in: Getrost und freudig. Blätter aus dem Diako­ nissenhaus Frankfurt a. M., H. 303, Januar/März 1974, S. 9–19, hier S. 11. 485 ISG, Fürsorgeamt 3043, Flyer des DRK Frankfurt. Das DRK setzte 1969 20 Frauen in der Haus- und Altenpflege ein, neun davon hatten die Berufsausbildung zur Alten- und Familienpflegerin bereits absolviert oder begonnen, 1970 folgten weitere (DRK an die Sozialverwaltung der Stadt Frankfurt a. M., Sozialamt, Abteilung Gesundheitshilfe, 7. Januar 1970).

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren

über das Arbeitsgebiet der Hauspflegerin hinausgehen: Nachtwachen, schwere Krankenpflegen, langdauernde Pflegen usw.“.486 Stundeneinsätze wurden weiterhin nicht übernommen. Insgesamt leistete der Hauspflegeverein nur noch 14.985 Pflegetage, davon 4.250 Halbtagspflegen.487 Der Caritasverband listete für das gleiche Jahr 904 Ganztagspflegen und 605 Halbtagspflegen bei 88 Personen auf und stellte fest, dass es sich nun überwiegend um Altenpflegen handelte (45 von 88 Gepflegten). Es gab eine halbtags beschäftigte Einsatzleiterin, vier Vollzeitfamilienpflegerinnen und zwei stundenweise Beschäftigte.488 Die Arbeiterwohlfahrt pflegte zu diesem Zeitpunkt schon stundenweise: Sie gab in ihrem Bericht nicht mehr die geleisteten Tage, sondern die Stunden an; es waren 1973 ca. 15.000, in denen 196 verschiedene Personen gepflegt wurden. Davon seien zwölf Langzeitpflegen über das ganze Jahr hinweg gewesen. Es handelte sich bei den Langzeitpflegefällen um MS-Kranke, Blinde oder Gelähmte. 69 der übrigen Pflegefälle seien „Alte und Kranke“, davon 17 „Endstadiumspflege“ gewesen. Die Arbeiterwohlfahrt stellte 1971 die erste Hauspflegerin fest ein, 1973 gab es drei festangestellte Hauspflegerinnen; insgesamt arbeiteten jedoch 45 Pflegerinnen auf Honorarbasis oder ehrenamtlich für den Verein. Gezahlt wurden die Pflegen überwiegend vom Sozialamt. Nur wenige alte Menschen waren Selbstzahler, in 28 Fällen zahlten die Krankenkassen.489 Das DRK listete 1973 nur 5.474 Einsatzstunden auf. Die einzelnen Einsätze hätten zwei bis fünf Stunden gedauert. In der „Haus- und Altenpflege“ waren insgesamt 20 Einsatzkräfte beschäftigt.490 Die Hauspflege wurde also von den vier Vereinen ganz unterschiedlich durchgeführt, mit divergierenden Anteilen an Festangestellten. Insgesamt galt nicht mehr, wie noch in den 1960er Jahren, dass Hauspflege überwiegend als Ganztagspflege für einen begrenzten Zeitraum von etwa vier Wochen durchgeführt wurde und damit (begrenzte) stationäre Aufenthalte ersetzen konnte. Gerade die AWO betreute Anfang der 1970er Jahre schon einige Patienten dauerhaft ambulant in Form von Stundeneinsätzen. Der Hauspflegeverein hingegen hielt an zeitlich begrenzten Ganztagseinsätzen fest und übernahm keine Stundeneinsätze, „da sie entweder in das Arbeitsfeld der Gemeinde-

486 ISG, Fürsorgeamt 3043, Hauspflegeverein an Magistratsdirektor Theo Bauer, 17. April 1974. 487 ISG, Fürsorgeamt 3043, Hauspflegeverein an Magistratsdirektor Theo Bauer, 17. April 1974. 488 ISG, Fürsorgeamt 3043, Caritas-Verband Frankfurt e. V., Stadt Frankfurt Abtl. Gesundheitshilfe, 11. April 1974. 489 ISG, Fürsorgeamt 3043, Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Frankfurt, an Stadt Frankfurt, Sozialamt, Abt. Gesundheitshilfe, 27. März 1974. 490 ISG, Fürsorgeamt 3043, Deutsches Rotes Kreuz, Bezirksverband Frankfurt, An das Sozialamt der Stadt Frankfurt, Abt. Gesundheitshilfe, Frankfurt, 18. April 1974. Das Deutsche Rote Kreuz informierte in den Jahresberichten ab 1975 nicht mehr über „Hausund Altenpflege“, sondern ausschließlich über „ambulante Altenpflege“.

4.7 Ambulante Pflege

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schwester fallen oder es sich lediglich um Reinigungsarbeiten handelt“.491 Zu 90 Prozent übernahm auch der Hauspflegeverein 1974 bei akut, Unfall- und chronisch Kranken pflegerische Aufgaben. Nur noch zehn Prozent der Einsätze dienten der Mütter- und Säuglingspflege oder sollten die abwesende oder kranke Mutter ersetzen. Von den Kranken waren die meisten chronisch krank, nämlich 136 Fälle, nur 40 litten an akuten Krankheiten. 84 wurden aufgrund „altersbedingter Hinfälligkeit“ gepflegt. Als Folgerung würden die pflegerischen Unterrichtsfächer in der Hauspflegeschule verstärkt.492 Stundenweise Dienste konnten eher über einen langen Zeitraum hinweg aufrechterhalten werden als Ganztagspflegen. Der Geschäftsführer der AWO Frankfurt zeichnete 1977 in der Zeitschrift Altenpflege ein sehr umfassendes Bild der ambulanten Pflege der AWO, die er als Alternative zum Pflegeheim verstand: „Durch den Umzug in ein Altenpflegeheim, der weitgehend als ein ‚Abschieben‘ verstanden wird, können wesentliche Elemente des vorhandenen Lebensmutes zerstört werden. Immerhin wird das Altenpflegeheim allgemein als ‚letzte Station‘ angesehen.“493 Er folgerte daraus: „Festzuhalten ist jedenfalls, daß Patienten solange wie möglich in ihrer eigenen Wohnung bleiben sollten, wenn eine ununterbrochene medizinische oder pflegerische Versorgung erforderlich ist.“494 Häusliche Pflege sei meistens kostengünstiger als der Aufenthalt im Krankenhaus oder Altenheim. Diese Hauspflege umfasse das Helfen bei der Körperpflege (insbesondere die Ganzwäsche), das Helfen beim Anziehen, beim Stuhlgang, die pflegerische Behandlung von Wunden und Gebrechen, die kontrollierte Einnahme von Medikamenten, das Kochen der entsprechenden Diät und gegebenenfalls das Begleiten beim Arztbesuch. Auch gehörten nach diesem Artikel Massagen und Bewegungstherapie dazu, um den Patienten zum Beispiel nach Schlaganfall oder Fraktur wieder „hilfeunabhängig“ zu machen, sofern die Hauspflegerin dazu durch besondere Ausbildung in der Lage sei. Hauspflege sei Krankenpflege, kein Putzdienst, der Haushalt werde jedoch nebenher instand gehalten. Da die AWO viele angelernte Kräfte beschäftigte, ist es fraglich, ob tatsächlich therapeutische Maßnahmen in der ambulanten Pflege durchgeführt wurden und die Tätigkeiten der Pflegerinnen so umfassend waren, wie der Autor es hier darstellte. In dem Artikel beschrieb er eine auf Dauer angelegte ambulante Pflege, die es vormals nicht gab: Seit über vier Jahren, also seit 1973 schon, pflege die AWO zum Beispiel Frau A., die spastisch gelähmt war. In vier Stunden täglich wurden die Körperpflege, die Zubereitung des Frühstücks, Mittagessens und das Vorbereiten des Abendessens, welches Frau A. später selbst verzehre, übernommen. Daneben würden auch Einkäufe erledigt, Medikamente be-

491 ISG, Fürsorgeamt 3043, Hauspflegeverein an den Magistrat der Stadt Frankfurt/M., 5. August 1976. 492 ISG, Fürsorgeamt 3043, Hauspflege-Verein e. V. Frankfurt/M., Arbeitsbericht für 1974, Dezember 1974. 493 Heinz (1977), S. 30. 494 Heinz (1977), S. 30.

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren

sorgt und die Einnahme kontrolliert sowie Frau A. bei notwendigen Wegen begleitet.495 Die Pflegekosten für Frau A. trug das Sozialamt, sie beliefen sich 1977 auf etwa 1.350 DM monatlich. Als kostendeckenden Stundensatz, der sich am Bundesangestelltentarif orientierte, rechnete die AWO mit etwa 21 DM (inklusive aller Verwaltungskosten) und räumte gleichzeitig ein: „Ein solcher Stundensatz ist jedoch hinsichtlich seiner Durchsetzbarkeit bei Krankenkassen, Sozialämtern oder auch bei selbst zahlenden Pflegestellen illusorisch.“496 Der Einsatz der teilzeitbeschäftigten Hauspflegerinnen, die nur für ihre Stunden und die Wegzeiten bezahlt würden, sei jedoch wesentlich günstiger, obwohl auch hier Sozialversicherung, Unfallversicherung, Lohnfortzahlung und Urlaub gewährt würden. Für eine große Zahl der Hauspflegerinnen sei die Teilzeittätigkeit zudem angenehmer. Festangestellte Hauspflegerinnen seien jedoch sofort und auch für besonders schwierige Fälle einsetzbar. In Frage kämen Krankenschwestern, Krankenpfleger, Schwesternhelferinnen, „Altenbetreuerinnen“ oder examinierte bzw. anerkannte Hauspflegerinnen, daneben außerdem Personen aus der praktischen Kranken-, Alten- oder Hauspflege ohne Examen, aber mit der nötigen Erfahrung. Es wurden Schulungen beim Bundesverband der AWO durchgeführt. Die Einsatzleiterin war Sozialarbeiterin, um den „Hauspflegerinnen Methoden der Sozialarbeit auf den Weg zu geben, die es ihnen ermöglichen die verschiedenen Verhaltensformen erkennen und verstehen zu können“.497 Zum Ende des Jahrzehnts bot der Hauspflegeverein ebenfalls stundenweise Pflegen an, die sich über eine längere Dauer erstreckten.498 In einer Statistik zu sechs Wochen im Juli und August 1979 führte der Verein 16 Hauspflegeeinsätze auf, die in diesem Zeitraum durchgeführt wurden: Es waren fast ausschließlich akut und chronisch Kranke, nur ein einziger Einsatz diente der Entlastung einer Familienmutter. Die Kranken waren überwiegend älter: Vier der Patienten waren zwischen 50 und 59 Jahre, drei zwischen 60 und 69 Jahre, fünf zwischen 70 und 79 Jahre und vier zwischen 80 und 89 Jahre alt. Die Krankheitsbilder des Personenkreises im Alter zwischen 50 und 70 Jahren seien besonders schwer und chronisch: Krebserkrankungen, Querschnittslähmung, MS, Sklerosen, hochgradiger Diabetes. Daher werde ein hoher Aufwand an pflegerischer Leistung zur Durchführung der täglichen Körperpflege und von prophylaktischen Maßnahmen gegen zusätzliche Beschwerden und Verschlechterung erbracht. Die Einsätze dauerten drei bis fünf Stunden pro Tag. Zum Teil müsse nach einem Diätplan aufwendig gekocht werden. Die Patienten der höheren Altersgruppen hatten laut Bericht folgende Leiden: Zustand nach Schenkelhalsfraktur, Parkinsonismus, allgemeine Hinfälligkeit mit Arteriosklerose, Herz- und Niereninsuffizienz, apoplektischer Insult mit geistigem Gestörtsein. Die Bedingungen, unter denen die Pflegen geleistet

495 496 497 498

Heinz (1977), S. 32. Heinz (1977), S. 32. Heinz (1977), S. 35. ISG, Fürsorgeamt 3045, gedruckter Arbeitsbericht des Hauspflegevereins, 1979.

4.7 Ambulante Pflege

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wurden, seien sehr unterschiedlich: In fünf Fällen gab es „alle notwendigen Erleichterungen zur Pflege (Krankenbett, Rollstuhl)“, in zwei Fällen fehlten sie vollkommen, nämlich „in den dringendst renovierungsbedürftigen Altbauwohnungen (mit ‚Örtchen‘ im Hof)“.499 In den übrigen neun Fällen wurden die Möglichkeiten zur Durchführung einer fachgerechten Pflege als ausreichend bezeichnet. In der Winterzeit kämen jedoch stets noch zusätzliche Belastungen durch ungenügend geheizte oder heizbare Wohnungen hinzu. Angestellt waren 1979 13 Hauspflegerinnen, davon vier in Vollzeit; sie führten 880 Tagespflegen (sechs bis sieben Stunden) und 3.110 Teilpflegen (zwei bis fünf Stunden) durch. Während zu Beginn der 1960er Jahre vom Hauspflegeverein noch ein stundenweiser „Altershilfsdienst“ vor allem zur hauswirtschaftlichen Versorgung noch nicht pflegebedürftiger alter Menschen angedacht war, ging der Hauspflegeverein am Ende der 1970er Jahre nun dazu über, auch stundenweise zu pflegen, was vorher undenkbar war. Der Caritasverband hatte 1979 nur noch eine Einsatzleiterin, fünf Familienpflegerinnen, zwei Altenpflegerinnen, eine Altenpflegerin als Aushilfe und führte 730 Ganztags- sowie 280 Halbtags- und stundenweise Pflegen durch.500 Die AWO leistete 34.429 Einsatzstunden501, das DRK fast 34.000 Stunden502. Weitere hauswirtschaftliche Dienste wie Reinigungsdienste und Einkaufsdienste außerhalb der Besuche von Hauspflegerinnen entwickelten sich nur langsam, obwohl zeitgenössische Umfragen eine große Kluft zwischen der Versorgung in Heimen und der Versorgung von alleinstehenden Alten zu Hause feststellten: In Hannover wurde eine Befragung von älteren Menschen durchgeführt, die das 68. Lebensjahr vollendet hatten. So sollte notwendige Hilfe ermittelt werden. 303 Menschen antworteten. 11,5 Prozent der Befragten benötigten irgendeine Hilfe im Haushalt; „Essen auf Rädern“ wünschten sich 2,6  Prozent. Am häufigsten wurde Hilfe beim Reinigen der Wohnung, beim Reinigen des Treppenhauses und Fensterputzen erwähnt, gefolgt vom Wunsch, Kohlen und Öl in die Wohnung getragen zu bekommen. Einkaufen, Wäschewaschen, Teppichklopfen, Renovierungen, Reparaturen und Hilfe bei Behördenwegen wurden ebenfalls genannt.503 Diese Dienste boten Zivildienstleistende in Frankfurt ab 1972 im Rahmen des „Frankfurter Modells“ in kleinem Umfang an (siehe unten). Ab Mitte der 1970er Jahre nahmen Einrichtungen ihre Arbeit auf, die pflegerische und hauswirtschaftliche Dienste aus einer Hand offerierten. Diese Dienste wurden zum Teil vom Land als Modelle gefördert. Umfassende Dienste bot das vom evangelischen Alten499 ISG, Fürsorgeamt 3045, gedruckter Arbeitsbericht des Hauspflegevereins, 1979. 500 ISG, Fürsorgeamt 3045, Caritas-Verband Frankfurt e. V., An die Stadt Frankfurt/Main, Abt. Gesundheitshilfe, 29. April 1980. 501 ISG, Fürsorgeamt 3045, Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Frankfurt a. M. e. V. an Stadtrat Trageser, 2. Juni 1980. 502 ISG, Fürsorgeamt 3185, Sozialamt Gesundheitshilfe, Frankfurt a. M., 27. November 1980, Förderung der Hauspflege. 503 Wollenzien: Aufbau (1974), S. 147.

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heim Hufeland-Haus ausgehende „Gesamtversorgungssystem Bornheim/Seckbach“ an, jedoch nur für Teile der Stadt. In einem Presseartikel wurde das angebotene Versorgungssystem mit dem Ziel in Zusammenhang gebracht, eine Heimeinweisung zu umgehen. Dabei wurde der Heimleiter des Hufeland-Hauses wie folgt zitiert: Das Kuratorium Deutsche Altershilfe, das die gute Tat der evangelischen Kirche jetzt unter die Lupe nahm, meinte begeistert: „Unbedingt nachahmenswert!“. Herkömmliche Altersheime sind in der modernen City am Main ein alter Hut. Weil reife Menschen in den üblichen Altenhäusern „mit diesem schrecklichen Endstationscharakter“ (Hilfsdienst-Initiator Siegried Gößling) „völlig passiviert“ werden, baute die Kirche einen rollenden Samariterdienst auf. Ein Heer von guten Feen umsorgt die alten Herrschaften in der eigenen Wohnung, der gewohnten Umwelt. Gößling: „Wir versuchen, die betagten, hilfsbedürftigen Menschen so lange wie möglich im eigenen Haushalt zu halten; denn nur so bleiben sie aktiv, wird ein rapider Alterungsprozeß gestoppt.“504

Der mobile Hilfsdienst des Hufeland-Hauses des „Evangelischen Vereins für Innere Mission“ hatte 1975 rund 3.000 Einsätze bei 700 alten Menschen. Die Betriebskosten betrugen 85.000 DM, davon waren 70.000 DM Personalkosten.505 Der Hilfsdienst bot Haushaltshilfen, handwerkliche Hilfen, Einkaufshilfen, Begleit- und Fahrdienste auf Arztverordnung, die er in Rechnung stellte. Besuchsdienste, Beratung und Hilfevermittlung wurden nicht abgerechnet. Jeder Einsatz umfasste etwa zwei Arbeitsstunden. Eine Kostenübernahme durch das Sozialamt war möglich. Das Land Hessen gab einen Zuschuss von 30.000 DM, die Stadt Frankfurt 25.000 DM.506 Man betonte, dass man keinen billigen Ersatz für Hausangestellte bieten wolle. Es gebe keine Werbung, „so daß das Leistungsangebot kaum zusätzliche Nachfrage wecken kann“.507 Das Team bestand aus zwei hauptamtlichen Mitarbeitern, die pflegerisch ausgebildet waren, und sechs bis zehn Zivildienstleistenden, hinzu kamen Verwaltungskräfte. Ehrenamtliche Helfer wurden nur im Besuchsdienst eingesetzt. Man begründete den seltenen Einsatz der Ehrenamtlichen mit negativen Erfahrungen mit der Regelmäßigkeit und Kontinuität.508 1980 wurde

504 ISG, Fürsorgeamt 4150, Presseausschnitt: Ibel, Wolfgang: Probleme  – Anruf genügt! Frankfurter Modell will den alten Menschen helfen. Mobiler Hilfsdienst putzt und wäscht für 16 Mark die Stunde, in: Neue Rhein Zeitung vom 10. Juni 1976. 505 ISG, Fürsorgeamt 4150, Hufeland-Haus des Ev. Vereins für Innere Mission, An Landeshauptstadt Düsseldorf (Antwort auf eine Anfrage), Frankfurt, 20. Juli 1976 (Kopie Sozialamt). 506 ISG, Fürsorgeamt 4188, Hufeland-Haus des Ev. Vereins für Innere Mission, An den Herrn hessischen Sozialminister, 3. Januar 1975. Das Land gab eine grundsätzliche Zusage auf Übernahme von 50 Prozent der ungedeckt bleibenden Betriebskosten für drei Jahre, siehe Hufeland-Haus, An das Sozialamt, Frankfurt, 17. März 1975. 507 ISG, Fürsorgeamt 4150, Hufeland-Haus des Ev. Vereins für Innere Mission, An Landeshauptstadt Düsseldorf (Antwort auf eine Anfrage), Frankfurt, 20. Juli 1976 (Kopie Sozialamt). 508 ISG, Fürsorgeamt 4150, Hufeland-Haus des Ev. Vereins für Innere Mission, An Landeshauptstadt Düsseldorf (Antwort auf eine Anfrage), Frankfurt, 20. Juli 1976 (Kopie Sozialamt).

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der mobile Hilfsdienst vom Hufeland-Haus mit 20 DM je Einsatz abgerechnet.509 Es wurden fast 34.000 Stunden geleistet.510 Die Einrichtungen rechneten mit den Krankenversicherungen ab, überwiegend wurde die Hauspflege aber bis zum Ende des Jahrzehnts mit städtischen Subventionen finanziert, die pauschal nach abgeleisteten Pflegetagen oder -stunden gezahlt wurden. Zusätzlich trug die Stadt die jährlichen Defizite der Verbände.511 1977 wurde das Krankenversicherungsgesetz geändert.512 Hauspflege war bisher eine Kannleistung nach Paragraph 185 RVO, nun nach Änderung und Ergänzung der Paragraphen 182 und 185 RVO eine Mussleistung, wenn Krankenhausaufenthalte verhindert wurden oder wenn die Pflege zur Sicherung der ärztlichen Behandlung nötig war. Allerdings musste sie von qualifizierten Fachkräften (aufgeführt wurden Krankenpfleger und -schwestern, Krankenpflegehelfer und Kinderkrankenschwestern) durchgeführt werden. Vorrangig galt jedoch, dass der zu Pflegende von im Haushalt lebenden Personen versorgt werden sollte. Sei keine Fachkraft zu bestellen, könne eine selbst beschaffte Person die Pflege übernehmen, angemessene Kosten würden übernommen. Relevant wurde dieses Gesetz für die Finanzierung der Hauspflege in Frankfurt in den kommenden Jahren kaum, da keiner der anbietenden Vereine seine Leistungen komplett mit den Krankenkassen abrechnete. Anfang 1978 stimmte die Stadtverordnetenversammlung jedoch einem Nachtragshaushalt zur Finanzierung der Hauspflege der AWO nur mit dem Zusatz zu, dass die Träger der Hauspflege nachweisen müssten, dass nur ausgebildete Kräfte, hauptamtlich angestellt, dort arbeiteten. Als anerkannte Fachkräfte führte die Stadtverordnetenversammlung Krankenpfleger, Krankenschwestern, Krankenpflegehelfer, Kinderkrankenschwestern, Altenpfleger und examinierte Hauspfleger auf.513 Damit hatte der Hauspflegeverein zunächst keine Probleme, die übliche Subventionierung der Stadt zu erhalten, wohl aber die AWO. Letztere verwies darauf, dass von den 1976 geleisteten 37.764 Pflegestunden 24.955 Stunden von hauptamtlichen Fachkräften mit anerkannter Ausbildung geleistet worden 509 ISG, Fürsorgeamt 3045, Sozialstation Bornheim, Wirtschaftliche Sozialhilfe, an das Hufeland-Haus, Frankfurt, 12. Mai 1980. Die Sozialstation wollte aber nach Rücksprache mit der Grundsatzabteilung des Sozialamtes diese Entgelte so nicht übernehmen und bat um eine Gegenüberstellung von Aufwendungen und Erträgen. 510 ISG, Fürsorgeamt 3185, Sozialamt Gesundheitshilfe, Frankfurt a. M., 27. November 1980, Förderung der Hauspflege. 511 ISG, Fürsorgeamt 3185, Sozialamt Gesundheitshilfe, Frankfurt a. M., 27. November 1980, Förderung der Hauspflege. 512 Gesetz zur Dämpfung der Ausgabenentwicklung und zur Strukturverbesserung in der gesetzlichen Krankenversicherung (Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz  – KVKG) vom 27. Juni 1977, in: BGBl. I, 1977, Nr. 39 vom 30.6.1977, S. 1069–1085, hier § 185. 513 ISG, Fürsorgeamt 3044, Vortrag des Magistrats an die Stadtverordnetenversammlung, Förderung der Hauspflegeeinrichtungen, M 459, 16. Dezember 1977; Protokollauszug der Stadtverordneten-Versammlung, IX. Wahlperiode, § 1346, Frankfurt, 23. Februar 1978; Magistratsbeschluß Nr. 830, Frankfurt, 10. März 1978.

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seien.514 Sie wehrte sich dagegen, dass sie künftig bei Subventionen schlechtergestellt werden solle, weil sie „nicht examinierte Hauspflegehelferinnen“ beschäftige.515 Die AWO mobilisierte auch ihre Kunden: Anna H. äußerte in einem Brief an die Stadt die Befürchtung, dass sie von einer ausgebildeten Krankenschwester schlechter versorgt würde als von der jetzigen Mitarbeiterin der AWO, die kein Examen hatte. Wie ich in Erfahrung gebracht habe, haben Sie vor, die Hauspflegerin abzuschaffen, und dafür Krankenschwestern einzustellen, d. h. Sie wollen den Zuschuss für dieselben streichen. Ich bitte Sie von ganzem Herzen das nicht zu tuen [sic!], denn die Schwestern machen nur Pflege. Ich habe meine Pflegerin 2 Jahre und bin sehr zufrieden. Sie weis [sic!], das [sic!] mein Mann nur 1000 DM hat, und ich Herzkrank bin. Sie hilft mir wo sie kann. Ich nutze sie nicht aus. Als sie krank war, bekam ich von der AVW [sic!] für diese Zeit eine Schwester, sie führte mein gebehinderte Mann nict [sic!] aus. Wenn sie die Betten machte und fertig war, setzte sie sich hin. Wir kleine Rentner sind doch so arm, nehmen Sie uns doch bitte nicht im Alter diese Hilfe.516

Die Angestellten protestierten ebenfalls und führten aus, dass sie sich im Rahmen ihrer mehrjährigen Tätigkeit so viele pflegerische Kenntnisse angeeignet hätten, dass sie ihre Aufgaben auch ohne Examen erfüllen könnten: Wir empfinden diese Maßnahme als eine soziale Härte für die alten und hilfsbedürftigen Mitbürger der Stadt Frankfurt. Diese sind doch auf die Hilfe und Betreuung durch uns angewiesen, damit sie möglichst lange in ihrer gewohnten Umgebung zu Hause verbleiben können und nicht in ein Alten- und Pflegeheim müssen. […] Dafür geeignete Personen müssen nicht unbedingt examinierte Kräfte sein, sondern können, wie die Praxis bis heute bewiesen hat, erfahrene Hausfrauen machen [sic!].517

Eine andere Hauspflegerin wehrte sich mit der Aufzählung ihrer Aufgaben ebenfalls gegen die Forderung, es müssten ausgebildete Fachkräfte sein: Es handelt sich ja bei diesen alten Menschen um Betreuung und Aufsicht. Meine Tätigkeit ist, sie nur zur Toilette zu führen, die Kranken zu waschen, wenn nötig, für das Mittagessen Sorge zu tragen, die Wohnung bzw. das Krankenzimmer sauber zu halten, Einkäufe zu erledigen, sowie an ihrer Stelle mit den Behörden (Krankenkasse, Sozialamt, Behindertenhilfe) zu verhandeln. Wie aus den geschilderten Fakten zu ersehen ist, ist es mir unvorstellbar, daß für diese Hilfeleistungen examiniertes Pflegepersonal zur Verfügung stehen muß.518

Auch die Gewerkschaft ÖTV hielt die Entlassung der 14 nicht examinierten Angestellten für „untragbar“.519 Der Magistrat sah keine Möglichkeit, von die514 ISG, Fürsorgeamt 3044, Arbeiterwohlfahrt, an die Stadt Frankfurt, Frankfurt, 28. Februar 1978. 515 ISG, Fürsorgeamt 3044, Arbeiterwohlfahrt an die Stadt Frankfurt – Sozialamt –, Frankfurt, 28. Juni 1978. 516 ISG, Fürsorgeamt 3044, Anna H., An den Magistrat der Stadt Frankfurt, 1. Juli 1978. 517 ISG, Fürsorgeamt 3044, Charlotte J. für die Hauspflegerinnen der Arbeiter-Wohlfahrt an den Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt W. Wallmann, Frankfurt, 11. Juli 1978. 518 ISG, Fürsorgeamt 3044, G., An den Magistrat der Stadt Frankfurt a. M. zu Händen von Herrn Oberbürgermeister Dr. Wallmann, Frankfurt, 6. Juli 1978. 519 ISG, Fürsorgeamt 3044, ÖTV-Kreisverwaltung, Herrn Stadtrat Martin Berg, Frankfurt, 20. Juli 1978.

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sem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung abzuweichen.520 Jedoch teilte der Sozialdezernent Martin Berg der AWO mit, dass es keinen Grund für Kündigungen gebe, sondern die sozialen Dienstleistungen neu geordnet und neue Kostenregelungen gefunden werden sollten. Außerdem sei der Einsatz von nicht examinierten Pflegerinnen weiterhin im Rahmen der Hilfe zur Pflege nach den Paragraphen  68 und 69, der Hilfe zur Weiterführung des Haushaltes nach Paragraph 70 BSHG oder auch der Haushaltshilfe im Sinne des Paragraphen 185 b der Reichsversicherungsordnung möglich. Denn es sei der Wille des Gesetzgebers, dass die Sozialhilfeträger auf die Sicherstellung pflegerischer Leistungen dieser Art durch Nachbarschaftshilfe und nahestehende Angehörige hinwirkten. Dabei handele es sich meist um Personen, die keine besondere Ausbildung dafür hätten.521 Damit machte Berg deutlich, dass er im Grunde kein Problem in der Beschäftigung nicht examinierter Pflegekräfte sah, ja sogar auf die stets geforderte „Nachbarschaftshilfe“ durch völlig unausgebildete Laien verwies. Er machte in dem gleichen Schreiben zudem deutlich, dass die pauschalen städtischen Zuschüsse für die nicht examinierten Kräfte nicht mehr galten, sondern künftig kostendeckende Stundensätze gebildet werden sollten.522 Die Stadt versuchte schon seit 1977, kostendeckende Sätze einzuführen, die von den Sozialleistungsträgern und den Krankenkassen übernommen werden und damit das System der städtischen pauschalen Subventionierung zu überwinden helfen sollten. Sie forderte die Vereine auf, kostendeckende Stundensätze zu erarbeiten, die künftig in Einzelabrechnungen aufzuführen seien.523 Beim Versuch, einen Pflegesatz festzulegen, konnten im September 1977 die unterschiedlichen Anbieter der Hauspflege keine Übereinstimmung erzielen. Die AWO errechnete einen kostendeckenden Pflegesatz von etwa 17 DM pro Stunde, über den sie mit den Krankenkassen verhandeln wollte. Der Hauspflegeverein war grundsätzlich nicht zu stundenweisen Abrechnungen bereit.524 Eine pauschale Förderung durch die öffentliche Hand sei unabdingbar.525 1979 erarbeiteten der Hessische Städtetag und die Wohlfahrtsverbände mit den Landesverbänden der Krankenkassen einen Rahmenvertrag über die Finanzierung der häuslichen Leistungen. Der Vertrag sah neben der grund520 ISG, Fürsorgeamt 3044, Sozialamt Gesundheitshilfe, Antwort am 11. Juli 1978 anlässlich der 11. Fragestunde der Stadtverordnetenversammlung am 13. Juli 1978, Frage Nr. 207, Qualifikation der in der Hauspflege tätigen Mitarbeiter der AWO. 521 ISG, Fürsorgeamt 3044, Bürgermeister Martin Berg an die Arbeiterwohlfahrt, Kreisverband Frankfurt a. M. e. V., Frankfurt, 30. August 1978. 522 ISG, Fürsorgeamt 3044, Bürgermeister Martin Berg an die Arbeiterwohlfahrt, Kreisverband Frankfurt a. M. e. V., Frankfurt, 30. August 1978. 523 ISG, Fürsorgeamt 3044, Stadt Frankfurt, Amt 50, Gesundheitshilfe, an Arbeiterwohlfahrt, Caritasverband, Deutsches Rotes Kreuz, Hauspflegeverein e. V., 10. Juni 1977. 524 ISG, Fürsorgeamt 3044, Sozialamt, Behindertenhilfe, i. A. Guth, Vermerk, Frankfurt, 14. September 1977. 525 ISG, Fürsorgeamt 3044, Hauspflegeverein Frankfurt/M., Schellhorn, An Bürgermeister Berg, Frankfurt, 3. August 1977.

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pflegerischen Behandlung abzurechnende Einzelleistungen in der „Behandlungspflege“ vor: A. Grundpflege: 20 DM je Pflegetag.526 B. Tag- und Nachtwache: 20 DM (sofern nicht bereits A gezahlt wird). C. Behandlungspflege 1. Injektionen 3 DM 2. Verband anlegen, wechseln, einschließlich Dekubitusbehandlung und Wundversorgung 3,50 DM 3. Katheterisierung, einschließlich Spülung 4,50 DM 4. Einlegen eines Verweilkatheters 5,50 DM 5. Einlauf/Spülung 3,10 DM 6. Sonstige Leistungen: 2,20 DM a) Tropfen b) Einreibungen c) Blutdruckkontrolle d) Spülungen (Auge, Nase, Ohr, Vagina) e) Pflege bei Anus praeter in besonderen Fällen f) Trachealkanülwechsel in besonderen Fällen g) Infrarotbestrahlung. Sonstige Leistungen der gleichen Art sind nur einmal pro Besuch abrechnungsfähig. Bei gleichzeitiger Abrechnung der Grundpflegepauschale sind die sonstigen Leistungen gemäß Ziffer 6 a und b mit der Vergütung der Grundpflegeleistung abgegolten. D. Wegepauschale: 2,70 DM. Diese ist maximal 2 × täglich berechnungsfähig.527

Voraussetzung für die Abrechnung war, dass die Tätigkeit von pflegerischen Fachkräften ausgeführt wurde und eine kassen- oder vertragsärztliche Verordnung vorlag. In diesem Rahmenvertrag waren keine hauswirtschaftlichen Leistungen vorgesehen. Relevant sollte der Vertrag vor allem auch für Gemeindekrankenpflegestationen werden. Den Mitgliedsstädten empfahl man, Einfluss auf die freien Träger, die von ihnen bezuschusst wurden, geltend zu machen, damit diese sich dem Vertrag anschlössen. Die Vertreter der Hauspflege in Frankfurt wehrten sich gegen die Kostensätze und Definitionen der Krankenkasse, da hauswirtschaftliche Arbeiten nicht vorgesehen und berücksichtigt waren. Die Grundpflege müsse auch solche Leistungen enthalten und deshalb „erheblich erhöht“ werden. Mit dem vereinbarten Vertrag sei Hauspflege nicht tragbar.528 Auch die Anbieter der Gemeindekrankenpflegestationen (Caritasverband und evangelischer Regionalverband) wünschten weiterhin eine Pauschalabgeltung, da sie den mit Einzelabrechnungen verbundenen Verwaltungsaufwand als so erheblich einschätzten, dass er einen Großteil der Kosten verbrauche – eine Einschätzung, die die Stadt teilte. Auch die AOK Frankfurt a. M., in der die überwiegende 526 In der Anlage werden als Bestandteil der Grundpflege diese Leistungen aufgeführt: Waschungen, Bäder, Mundpflege, Haarpflege, Nagelpflege, Augen-, Ohren-, Nasenpflege; Betten, Umbetten und Lagern, Wäsche wechseln; Prophylaxe im Blick auf Dekubitus, Pneumonie, Thrombose, Kontrakturen; Versorgung der Ausscheidungen, Inkontinenzversorgung; Beobachtung von Puls, Körpertemperatur, Atmung, Aussehen, Verhalten, Ausscheidungen, Gewichtskontrolle; Verabreichung von Medikamenten, Überwachung der Medikamenteneinnahme, Anlegen von Umschlägen. 527 ISG, Fürsorgeamt 3045, Hessischer Städtetag, An die Magistrate der Mitgliedstädte, betr. Finanzierung der häuslichen Krankenpflege, Abschluss der Vertragsverhandlungen mit den Landesverbänden der Krankenkassen, Wiesbaden, 25. Mai 1979, Anlage 1 zum Rahmenvertrag zur Erbringung der häuslichen Krankenpflege im Rahmen der §§ 185 RVO/18 KLVG zwischen den Wohlfahrtsverbänden, dem Hessischen Städtetag, den Landesverbänden der Krankenkassen, 1. September 1979, tritt in Kraft rückwirkend zum 1. Januar 1979. 528 ISG, Fürsorgeamt 3045, Sozialamt Gesundheitshilfe, Vermerk: Rahmenvereinbarung zur Erbringung der häuslichen Krankenpflege im Rahmen der §§ 185 RVO/18 KVLG, 1. August 1979.

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Anzahl der Betreuten versichert war, beabsichtigte nicht, dem Vertrag beizutreten, sondern wollte weiterhin Pauschalen pro Krankenschwester zahlen529 – eine Regelung, die vermutlich kostengünstiger für die Krankenkasse war. Die Stadt sorgte sich, dass erhöhter finanzieller Druck auf die Träger nur dazu führe, dass die freien Träger Leistungen einstellten, die dann als Pflichtaufgaben aus dem BSHG von der Kommune übernommen werden müssten.530 Die Stadt versprach sich von einer Abrechnung mit den Krankenkassen also keine Ersparnis im städtischen Sozialhaushalt  – wohl davon ausgehend, dass sehr viele pflegerische Leistungen weiterhin über den Sozialetat entgolten werden mussten. Die Sätze in der Rahmenvereinbarung seien nicht kostendeckend.531 In einem Versuch erfassten zwei Gemeindekrankenpflegestationen in Frankfurt ihre Leistungen nach einer Gebührenordnung, um aus den Durchschnittswerten einen pauschalen Vergütungssatz zu errechnen.532 Insgesamt blieb die Finanzierung der Haus- und auch der Gemeindekrankenpflege in Frankfurt bis 1980 nahezu unverändert: Die städtischen Zuschüsse zur Durchführung der Hauspflege betrugen für das Haushaltsjahr 1979 500.000 DM, für 1980 wurde die gleiche Summe im Haushaltsplan angesetzt.533 Im Vorfeld des dritten kommunalen Altenplanes 1980 erfolgte eine Bestandsaufnahme der ambulanten Dienste, die sowohl die ambulante Pflege als auch die hauswirtschaftliche Versorgung und sonstigen Dienste umfasste.534 Zu diesem Zeitpunkt wurde die ambulante Behandlungspflege von 74 Kirchengemeinden durchgeführt, die dafür freie Krankenschwestern oder -pfleger, Diakonissen oder Ordensschwestern beschäftigten, in seltenen Fällen auch Altenpflegerinnen. Die Jüdische Gemeinde hatte ebenfalls Krankenschwestern und Altenpflegerinnen. Hauspflege wurde vom Hauspflegeverein, dem DRK, der Arbeiterwohlfahrt und dem Caritasverband angeboten. Haushaltshilfe, Fahr- und Begleitdienste, Besuche, Beratung und „Essen auf Rädern“ waren daneben erwähnte, ebenfalls ambulante Hilfen. Sie wurden überwiegend von Zivildienstleistenden ausgeführt, die für unterschiedliche Träger tätig waren. Auch einzelne Kirchengemeinden beschäftigten Zivil-

529 ISG, Fürsorgeamt 3045, Sozialamt Gesundheitshilfe, Vermerk: Rahmenvereinbarung zur Erbringung der häuslichen Krankenpflege im Rahmen der §§ 185 RVO/18 KVLG, 1. August 1979. 530 ISG, Fürsorgeamt 3045, Stadt Frankfurt, Der Magistrat, an den Hessischen Städtetag, Frankfurt, 20. Oktober 1979. 531 ISG, Fürsorgeamt 3045, Dezernat IX, Soziales Jugend und Wohnungswesen an Dezernat X, Gesundheit und Sport, Stadtrat Trageser, Finanzierung der häuslichen Krankenpflege in Hessen, Frankfurt, 25. September 1979. 532 ISG, Fürsorgeamt 3045, Sozialamt Gesundheitshilfe, Finanzierung der Hauspflege, hier: Abgrenzung zur Gemeindekrankenpflege (häusliche Krankenpflege nach § 185 RVO/§ 37 BSHG), Vermerk über das Gespräch im Stadtgesundheitsamt am 21. Mai 1980. 533 ISG, Fürsorgeamt 3045, Sozialamt Gesundheitshilfe, Frankfurt a. M., 20. Dezember 1979. 534 Der Dezernent für Soziales, Jugend und Wohnungswesen, Karl-Heinz Trageser (1981), S. 74–83; daran schloss sich die Bewertung der Versorgungssituation an. Dabei wurde der Stand im Frühjahr 1980 erhoben und auf Zahlen aus dem Jahr 1979 zurückgegriffen.

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dienstleistende.535 Daneben boten zwei Drittel der Kirchengemeinden hauswirtschaftliche Tätigkeiten mit ehrenamtlichen Mitarbeitern an. Vor allem aber übernahmen Ehrenamtliche Fahrdienste zu Veranstaltungen der Gemeinde wie Altenklubs, Altennachmittage und Gottesdienste. Mit der Bestandsaufnahme wurde im dritten kommunalen Altenplan außerdem eine Bewertung des Versorgungsgrades in den einzelnen Bezirken vorgenommen. Man machte überdurchschnittlich, durchschnittlich und unterdurchschnittlich versorgte Stadtteile aus. Damit wurde jedoch nur die Versorgung in Relation zum Frankfurter Durchschnitt beschrieben. Von 38 Stadtteilen galten sechs als pflegerisch unterdurchschnittlich und 13 mit sonstigen mobilen Diensten unterdurchschnittlich versorgt. Die ambulanten Dienste wurden nicht nur als unzureichend empfunden, sondern nach Einschätzung der Anbieter auch für viele ältere Menschen als unerreichbar, denn: „Das Netz des Angebotes an ambulanten Diensten ist unübersichtlich, Trägerschaft (Kirchengemeinden, sonstige freie Träger, kommunale Träger, Nachbarschaftshilfen) und jeweilige gebietsmäßige Zuständigkeiten sind für die Nachfrager nicht problemlos herausfindbar.“536 Die Notwendigkeit dieser Dienste stand außer Frage. 4.7.4 Zivildienstleistende, „Essen auf Rädern“ und hauswirtschaftliche Dienste In Frankfurt gab es in den 1970er Jahren Bestrebungen, neben der bis dahin geleisteten Hauspflege und der Gemeindekrankenpflege auch einzelne ambulante Dienstleistungen anzubieten, um damit ältere Menschen zu erreichen, die noch nicht pflegebedürftig, jedoch mit einzelnen Haushaltstätigkeiten überfordert waren. Diese Dienste wurden zu einem großen Teil von Zivildienstleistenden, die ab 1972 in Frankfurt in der offenen Altenhilfe eingesetzt wurden, getragen.537 1971 wurde auf Anregung des Arbeitsministeriums der Bundesrepublik Deutschland der Einsatz von Ersatzdienstleistenden in der offenen Altenhilfe geplant.538 Man dachte daran, die Ersatzdienstleistenden (ab 1973: Zivildienstleistenden) in den Altenwohnanlagen einzusetzen und die Bewohner 535 Der Dezernent für Soziales, Jugend und Wohnungswesen, Karl-Heinz Trageser (1981), S. 76. 536 Der Dezernent für Soziales, Jugend und Wohnungswesen, Karl-Heinz Trageser (1981), S. 97. 537 Im Ersatzdienstgesetz von 1960 wurde als Aufgabe der Ersatzdienstleistenden noch an erster Stelle der Dienst in Kranken-, Heil- und Pflegeanstalten genannt; weitere Dienstorte waren nur vorgesehen, falls in Ersteren nicht genügend Beschäftigungsmöglichkeiten vorhanden seien (Gesetz über den Zivilen Ersatzdienst vom 13. Januar 1960, BGBl. I, 1960, Nr. 3 vom 19.1.1960, S.  10–16, hier S.  10, § 1). Im Zivildienstgesetz von 1973 (BGBl. I, 1973, Nr. 68 vom 18.8.1973, S. 1015–1035, hier S. 1017, § 1) wurde diese Festlegung nicht mehr gemacht. 538 ISG, Fürsorgeamt 4039, Protokoll der Besprechungen mit den Altenbetreuerinnen der Stadt Frankfurt a. M. am 21. September 1971, Frankfurt-Griesheim, 30. September 1971. Bis 1972 hieß der Dienst „Ziviler Ersatzdienst“, siehe „Gesetz über den zivilen Ersatzdienst“ vom 13. Januar 1960, in: BGBl. I, 1960, Nr. 3 vom 19.1.1960, S. 10–16.

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und älteren Bürger der umliegenden Wohngegend mit Hilfeleistungen zu unterstützen. Ziel war es, die „Selbständigkeit gebrechlicher Menschen“539 zu verlängern, was bedeutete, dass sie trotz körperlicher Einschränkungen in der eigenen Wohnung bleiben konnten, indem ihnen notwendige Arbeiten zum Führen eines eigenen Haushaltes abgenommen würden. Man hatte dabei besonders Einkäufe, Beschaffen von Brennmaterial, Durchführung der Hausordnung und Erledigung anderer Gänge – alles unter Anleitung der Altenbetreuerinnen der Altenwohnungen  – im Auge. Eventuell sollten die Ersatzdienstleistenden Hilfsgruppen von Jugendlichen organisieren. Dienststelle war das Büro der Altenbetreuerin, die Dienstaufsicht lag damit bei den Trägern der Altenbetreuung, dem „Frankfurter Verband für Altersfürsorge“ und der AWO.540 Bei den Altenwohnanlagen wurden im Frühjahr 1972 zehn Stellen für Ersatzdienstleistende geschaffen.541 Dieser Einsatz war ein Modellprojekt des für den Zivildienst zuständigen Arbeitsministeriums und wurde als „Frankfurter Modell“ bezeichnet.542 Das „Frankfurter Modell“ stand zeitlich am Beginn eines großen Ausbaus der Kapazitäten im Zivildienst in neuen Tätigkeitsfeldern.543 Statt vormals vor allem im stationären Bereich sollten sie nun in anderen, offenen Hilfsfeldern eingesetzt werden. Der Einsatz in den später so genannten mobilen sozialen Hilfsdiensten wurde dabei forciert.544 Mit „mobile soziale Hilfsdienste“545 war ein 1978 vorgelegtes Programm des 539 ISG, Fürsorgeamt 4039, Protokoll der Besprechungen mit den Altenbetreuerinnen der Stadt Frankfurt a. M. am 21. September 1971, Frankfurt-Griesheim, 30. September 1971. 540 ISG, Fürsorgeamt 4039, Protokoll der Besprechungen mit den Altenbetreuerinnen der Stadt Frankfurt a. M. am 21. September 1971, Frankfurt-Griesheim, 30. September 1971. 541 ISG, Fürsorgeamt 4150, Magistratsbeschluß Nr. 1169, Frankfurt, 29. Mai 1972, betr. Zweiter Kommunaler Altenplan, hier: Offene Altenhilfe. 542 Bernhard (2005), S. 361, 371. Der Modellstatus bedeutete zunächst nur den vollständigen Kostenerlass, nicht jedoch ein ausgearbeitetes Konzept. 543 Bernhard (2005), S. 259–266 und S. 269–273. 544 Bernhard (2005), S. 371–375. Grundlage des starken Ausbaus waren arbeitsmarktpolitische Überlegungen und Kostenüberlegungen auf Bundesebene im Arbeitsministerium. Siehe auch Strube, Franz (Mitarbeiter des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung): Mobile soziale Hilfsdienste, in: Buff/Hoffmann (1981), Dokumentation, S. 136– 141, hier S.  141. Die arbeitsmarktpolitische Bedeutung der mobilen Hilfsdienste liege darin, dass hier vor allem Laienkräfte eingesetzt werden könnten: Zivildienstleistende, Teilzeitarbeit suchende Frauen, ausländische Jugendliche. Vgl. auch Beher/Cloos/Galuske/Liebig/Rauschenbach (2002), S. 263–265, die folgende Motive für den Einsatz der Zivildienstleistenden in den mobilen Hilfsdiensten ausmachen: die gestiegene Zahl von Verweigerern, die untergebracht werden musste, die so überhaupt mögliche Finanzierung von ambulanter Versorgung sowie den Versuch, in der damaligen wehrpolitischen Diskussion den Zivildienst anspruchsvoller oder, kritisch gesprochen, „lästiger“ zu gestalten. 545 Der Begriff hat sich durchgesetzt und findet auch heute noch Verwendung. Die Angebote gelten Hilfsbedürftigen im häuslichen Bereich, durchgeführt nicht von Fachkräften, sondern von geschulten Helfern unter Anleitung von Fachkräften, „unterhalb“ von Pflege, siehe zum Beispiel http://www.pflegekompass.marburg-biedenkopf.de/versorgungu-pflege/haeusliche-versorgung-haeusliche-pflege/mobile-soziale-hilfsdienste/ (letzter Zugriff: 12.10.2016).

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Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung, das Dienstleistungen abdecken sollte, die unterhalb der Pflegegrenze lagen, überschrieben. Insbesondere meinte man damit die Unterstützung zur Erhaltung des eigenen Haushaltes und Dienstleistungen in der Wohnung der alten Menschen oder Behinderten.546 Das Bundesamt für Zivildienst war an diesem Programm besonders beteiligt. Darunter fielen durchaus auch pflegerische Hilfeleistungen, die als von Nichtfachkräften durchführbar angesehen wurden, sowie „kommunikative“ Hilfen.547 Im Jahr 1981 konnte das Arbeitsministerium 290 Einrichtungen im Bereich der mobilen Hilfsdienste mit 1.700 Zivildienstplätzen auflisten.548 Bis zum Ende der 1970er Jahre hingegen wurden zunächst nur in wenigen Städten Zivildienstleistende in der offenen Altenhilfe eingesetzt. Auf Frankfurt folgten Hannover, Hamburg seit 1974 und München.549 Im Rahmen des Modellversuchs „Mobile soziale Hilfsdienste“ kamen 1978/79 gut 20 weitere Träger dazu.550 Es wurden seit Anfang der 1970er Jahre auch neue Formen der (Kurz-)Ausbildung für Zivildienstleistende entwickelt.551 Die Frankfurter Zivildienstleistenden erhielten 1972 ein Moped und einen Werkzeugkasten, woraus deutlich wird, dass kleinere Reparaturen einen großen Teil der Tätigkeiten ausmachten. Weitere Dienste waren vom Sozialamt vorgegeben: Hilfe bei Umzügen, Boten- und Einkaufsgänge, Aufräumen der Wohnungen und das Baden von Behinderten. Pro Tag waren etwa zehn Dienstleistungen vorgesehen, die von den Altenbetreuerinnen der Altenwohnanlagen beaufsichtigt wurden. Die Arbeitszeit betrug 42 Wochenstun-

546 Buff/Hoffmann (1981); Strube, Franz (Mitarbeiter des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung): Mobile soziale Hilfsdienste, in: Buff/Hoffmann (1981), Dokumentation, S. 136–141. 547 Buff/Hoffmann (1981), S. 23. 548 Bernhard (2005), S. 371. Das Projekt wurde jährlich verlängert, und im Jahr 1985 wurde der Modellstatus aller Projekte von der Bundesregierung für erfolgreich abgeschlossen erklärt (Bernhard (2005), S. 375). Im Jahr 2000 gab es 13.065 genehmigte und 6.286 belegte Zivildienstplätze in den mobilen sozialen Hilfsdiensten (Beher/Cloos/Galuske/Liebig/Rauschenbach (2002), S. 267, Tab. 10.1). 549 Siehe Grundler (1975); Raichle (1992) für evangelische Einrichtungen in Baden-Württemberg, S. 160 f., 191. 550 Strube (1979), S. 7, Adressenliste. 551 Bernhard (2005), S.  345 ff. 1971 konzipierte und baute man vierwöchige Einführungslehrgänge aus, die von den Wohlfahrtsverbänden oder vom Staat durchgeführt wurden. Die staatlichen Lehrgänge wurden vor allem für Zivildienstleistende bei einer Dienststelle angeboten, die keinem der Spitzenverbände angeschlossen war. Die Ausbildungsquoten blieben jedoch zunächst niedrig (S. 345). Die Kosten teilten sich Staat und Verbände. Ein differenziertes Angebot entwickelten dabei vor allem die Wohlfahrtsverbände mit Lehrgängen für Krankenhausdienst, Behindertenhilfe, Altenhilfe, Sozialarbeit, Verwaltung und soziale Dienste, Jugendherbergen, Unfallrettung, Umweltschutz etc. Kurse sollten die Teilnehmer fachlich vorbereiten, aber auch über Wesen und Aufgaben des Zivildienstes und über ihre Rechte und Pflichten als Zivildienstleistende unterrichten; sie gerieten zum Teil in die Kritik, weil manchem Kursleiter vorgeworfen wurde, zu „politisieren“.

4.7 Ambulante Pflege

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den.552 Das Bringen von Essen des Frankfurter Mittagstisches war anfangs nur in Ausnahmefällen vorgesehen.553 Wenige Jahre später war es die Hauptaufgabe. In den 1960er Jahren erreichten warme Mahlzeiten in Frankfurt im Gegensatz zu anderen Städten noch nicht die Menschen in ihrer Häuslichkeit. Es war im zweiten kommunalen Altenplan vorgesehen, in den 1970er Jahren Depotstellen zur Ausgabe eines warmen Mittagessens in Einweggeschirr auszubauen, also Stellen, dezentral in den Stadtvierteln verteilt, an denen das Essen abgeholt werden konnte. Daneben sollte auch die Zahl der städtischen Essenslokale erhöht und mit Depotstellen kombiniert werden. Sobald diese Stellen eingerichtet seien, so die Annahme in der Abteilung Altenhilfe, sei der Bedarf an Essenslokalen und Essensmöglichkeiten für die älteren Frankfurter Bürger gedeckt und die Frage nach der Einrichtung eines fahrbaren Mittagstisches habe keine Relevanz mehr.554 Die Essen sollten im „Wege der Nachbarschaftshilfe durch Angehörige oder Bekannte“ oder vom Bezieher selbst abgeholt werden; das Bringen war noch nicht vorgesehen555, auch wenn Anfang der 1970er Jahre einzelne ältere Bürger oder ihre Angehörigen nach der Möglichkeit fragten, ein warmes Mittagessen in die Wohnung geliefert zu bekommen.556 Sie wurden an die Essenslokale oder Depotstellen verwiesen.557 Die Jüdische Gemeinde lieferte schon an einige wenige Gemeindemitglieder Mahlzeiten aus, wollte sogar diesen Mahlzeitendienst gern ausbauen, „da die Alterspyramide unserer Gemeinde auf dem Kopf steht“.558 Zurzeit hätten 42 Menschen aus der Gemeinde Interesse an einem koscheren „Essen auf Rädern“. Die Gemeinde beantragte beim KDA einen Zuschuss zur Anschaffung eines Fahrzeuges. Die Stadt Frankfurt ließ erst ab 1972 das Essen durch Zivildienstleistende abholen und ausliefern, zunächst nur in Einzelfällen, bald in

552 ISG, Fürsorgeamt 3981, Presseausschnitt: Altenbetreuung als Ersatzdienst. Modellversuch in Frankfurt  – die Arbeit wird selbst eingeteilt, in: Trierischer Volksfreund, 16.–18. Juni 1972. 553 Saller (1972), S. 20. 554 ISG, Fürsorgeamt 4150, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Vermerk, Einrichtung von Depotstellen zur Versorgung der älteren Bürger mit einem warmen Mittagessen in Einweggeschirr, Frankfurt, 1. April 1971. 555 ISG, Fürsorgeamt 4150, Stadtrat Ernst Gerhardt an Stadtrat Bachmann, Frankfurt, 25. Februar 1971. 556 ISG, Fürsorgeamt 4150, Frau H. handschriftlich an das Sozialamt für Altenhilfe, Frankfurt 27. Juni 1971. Sie fragte für ihre gehbehinderte, 82-jährige Bekannte, die seit Jahren schon nicht mehr aus dem Haus gehen konnte. Siehe auch Prof. Dr. Karl D. (bzw. seine Frau), an das Sozialamt der Stadt Frankfurt, Frankfurt, 11. September 1971, handschriftlich, 85-jährige herzleidende Frau. 557 ISG, Fürsorgeamt 4150, Abt. Altenhilfe, An Frau Caroline W., Frankfurt a. M., April 1971; Abt. Altenhilfe an Frau H., 5. August 1971. 558 ISG, Fürsorgeamt 4150, Jüdische Gemeinde Frankfurt a. M., An die Stadt Frankfurt a. M., Abtl. Offene Altenhilfe, 3. Juli 1972, betr. koscheres Essen auf Rädern für jüdische Mitbürger.

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mehreren Hundert Fällen.559 Anfang 1974 gab es 17 Depotstellen, die zwischen vier und 75 Essen täglich ausgaben, zusammen täglich 443 Mahlzeiten.560

Abbildung 22: Mittagstisch für Alte, 1994, Fotograf: G. Kumpfmüller, © ISG

Eigentlich sollten sämtliche Depotstellen von den Städtischen Küchenbetrieben beliefert werden; dies war auch Voraussetzung für die finanzielle Förderung von karitativen Organisationen. Doch die Abteilung Altenhilfe war 1975 von den Städtischen Küchenbetrieben enttäuscht: „Unsere Erwartungen hinsichtlich der Qualität des Essens wurden von den Küchenbetrieben zu unserem Bedauern nicht erfüllt.“561 Die Annahme der Essen sei daher in einzelnen Depotstellen gering. Die Städtischen Küchenbetriebe hätten zwei dieser Einrichtungen ohne Absprache mit der Abteilung Altenhilfe wieder geschlossen. Es werde bisher kein Essen für Diabetiker angeboten. 1972 wurde von den evangelischen Kirchengemeinden in Frankfurt-Höchst die „Arbeitsgemeinschaft Sozialarbeit West“ gegründet, die ein „Essen auf Rädern“ in den westlichen Stadtteilen initiierte und täglich 175 Menüs auslieferte. Sie war zunächst nicht gefördert worden, da sie ihre Mittagessen nicht von den Städtischen Küchenbetrieben bezog. Gleichwohl wurde das Essen selbst für Bezieher, die unter den Einkommensgrenzen des Paragraphen  79 BSHG lagen, bezuschusst. Auch war die Einrichtung in das „Frankfurter Modell“ einbezogen und setzte Zivildienstleistende ein. Angeboten wurden vier verschiedene 559 ISG, Fürsorgeamt 4150, Dezernent für Soziales und Freizeit, an Herrn Stadtverordneten Rolf Menzer, Frankfurt 14. Juli 1972. 560 ISG, Fürsorgeamt 4150, Städtische Küchenbetriebe, An das Sozialamt Abt. Altenhilfe, Frankfurt, 5. Februar 1974. 561 ISG, Fürsorgeamt 4150, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Vermerk, betr. Frankfurter Mittagstisch, Frankfurt, 17. März 1975, gez. Lenski.

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Menüs, darunter eine „Zuckerdiät“. Die Qualität war laut Abteilung Altenhilfe besser als die Menüs der Küchenbetriebe.562 Die „Arbeitsgemeinschaft Sozialarbeit West“ erhielt ab 1975 ebenfalls städtische Zuschüsse, um Aufwandsentschädigungen für ihre ehrenamtlichen Mitarbeiter zu zahlen.563 1976 belieferte man nur noch sechs Depotstellen mit Warmfolienessen, die übrigen mit Kühlkost, die in den Depotstellen erwärmt wurde. Ordnungsamt und Staatliches Veterinäramt fanden die Warmkost, die zum Teil bereits ab 6 Uhr morgens aufbereitet und über Stunden warmgehalten wurde, hygienisch bedenklich.564 Ab 1977 gab es auch die Möglichkeit, ein Essen an Sonnund Feiertagen zu liefern, wovon vor allem ältere Bürger Gebrauch machten.565 In Not- und Ausnahmefällen konnte bei rechtzeitiger Anforderung noch am gleichen Tag geliefert werden.566 In einer Umfrage waren die Bürger insgesamt zufrieden, jedoch gab es vereinzelt Kritik von alten Menschen: Das Essen sei zu stark und zu scharf gewürzt, das Fleisch oft zäh, die Schonkost unterscheide sich kaum und sei nicht „altersgerecht“ und nicht nach Krankheitsbildern differenziert.567 Im Gegensatz zu privaten Anbietern lieferten die Städtischen Küchenbetriebe 1978 zwar sogenannte Schonkost, jedoch keine Diätkost für Diabetiker, obwohl dies zunehmend gefordert wurde, auch von Stadtverordneten.568 Auf eine Bedarfsumfrage in der Frankfurter Seniorenzeitschrift 1978 meldeten sich zusammen 107 Interessierte.569 Dies galt den Küchenbetrieben als zu geringer Bedarf, der personell und technisch zu aufwendig sei: Es müsste extra eine Diätassistentin eingestellt werden, die die Küchenbetriebe bislang nicht beschäftigten.570 Ein Diabetiker schaltete sogar die BILD-Zeitung ein („BILD kämpft für Sie“).571 Der Betroffene wurde im Tagespflegeheim des Sozialzentrums Marbachweg aufgenommen und dort auch mit für Diabetiker geeigne-

562 ISG, Fürsorgeamt 4150, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Vermerk, betr. Frankfurter Mittagstisch, Frankfurt, 17. März 1975, gez. Lenski. 563 ISG, Fürsorgeamt 4150, Abt. Altenhilfe an die Arbeitsgemeinschaft Sozialarbeit, Frankfurt, 22. Mai 1975, gez. Humbert; Abt. Altenhilfe an die AG Sozialarbeit, 30. Dezember 1975. 564 ISG, Fürsorgeamt 4150, Städtische Küchenbetriebe, An das Sozialamt, 25. Mai 1976. 565 ISG, Fürsorgeamt 4150, Städtische Küchenbetriebe, An das Sozialamt, 15. Juni 1977. 566 ISG, Fürsorgeamt 2554, Abteilung Altenhilfe, Niederschrift über die Sitzung des Seniorenbeirates am Dienstag, den 15. Februar 1977 in den Diensträumen der Städtischen Küchenbetriebe, Frankfurt, 17. Februar 1977, S. 2. 567 ISG, Fürsorgeamt 2554, Sozialzentrum Marbachweg, An die Geschäftsstelle z. Hd. von Herrn Stern, Frankfurt, 14. Februar 1977. 568 ISG, Fürsorgeamt 4151, Anfrage der CDU-Fraktion, A-693, 1. März 1978. 569 ISG, Fürsorgeamt 4151, Der Magistrat, Zwischenbericht, B 540, Diabetesdiät bei „Essen auf Rädern“, Frankfurt, 12. Mai 1978. 570 ISG, Fürsorgeamt 4151, Der Magistrat, Bericht B 212, Diabetesdiät bei „Essen auf Rädern“, Frankfurt, 2. März 1979. 571 ISG, Fürsorgeamt 4151, Friedrich Wilhelm P., An den Herrn Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt, 29. Januar 1979; Bild Redaktion Frankfurt, An die Altenhilfe, 6. Februar 1979.

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tem Essen versorgt.572 Noch 1981 war die Belieferung der älteren, gehbehinderten Diabetiker nicht möglich. Für diese Personen sei damit häufig die Einweisung in ein Altenpflegeheim notwendig, wenn sie nicht mehr selbständig kochen könnten, bemängelte der Chefarzt des Nordwestkrankenhauses.573 Die Stadt gab die Kritik jedoch zurück und machte die „durchweg kürzere Verweildauer“ im Nordwestkrankenhaus dafür verantwortlich, dass die Patienten nach der Entlassung im häuslichen Bereich unterversorgt seien. „Wenn eine Heimaufnahme nur wegen der fehlenden Diätkost vorgenommen wurde, wäre dies allerdings bedenklich.“574 In der Seniorenzeitschrift 2/81 gab es eine erneute Bedarfsabfrage575, aber erst ab dem 2. Juli 1984 war es für Diabetiker möglich, Diätkost im Rahmen des „Essens auf Rädern“ zu bestellen576. Bevor ältere Menschen das Essen durch Zivildienstleistende erhielten, wurde durch den ehrenamtlichen Außendienst der Sozialämter (die Sozialbezirksvorsteher und ihre -pfleger) überprüft, ob die Essenszustellung unbedingt nötig war oder ob nicht ein Essenslokal des Frankfurter Mittagstisches aufgesucht werden konnte, mit einem zusätzlichen „therapeutischen Effekt“ gegen Vereinsamung und Isolierung. Die Frage war also, ob Bettlägerigkeit oder Wegeunfähigkeit vorliege und ob nicht Nachbarn oder Angehörige den alten Menschen versorgen könnten.577 Nicht jeder, der es wünschte, erhielt „Essen auf Rädern“, auch nicht, wenn er es selbst bezahlte.578 1978 wurde an 1.015 Frankfurter Bürger „Essen auf Rädern“ in 22 Touren mit 16 Dienstwagen, zwei Privatwagen und vier Mofas ausgegeben.579 Es gab organisatorische Probleme: Wiederholt wurden Essensteilnehmer „in der Eile des Ausfahrens“ übergangen. Die Auslieferung sollte eigentlich zwischen 11 und 14 Uhr erfolgen, jedoch würden häufig Essen schon um 10 Uhr ausgegeben. Die Nachbestellungen in dringenden Fällen waren nicht zeitnah möglich, da die Küchenfrauen und die Zivildienstleistenden nur schwer telefonisch zu erreichen waren. Die Möglichkeit, zwischen einzelnen Kostformen zu wechseln, erwies sich als schwierig. Die Teilnehmer wurden von den Sozialbezirksvorstehern kontrolliert, jedoch ergab eine Nachüberprüfung der Abteilung Altenhilfe, dass etwa 15 Personen gar nicht anspruchsberechtigt 572 ISG, Fürsorgeamt 4151, Entwurf Der Oberbürgermeister, An Herrn Friedrich Wilhelm P., Frankfurt, Frühjahr 1979. 573 ISG, Fürsorgeamt 4151, Krankenhaus Nordwest der Stiftung Hospital zum heiligen Geist, Chefarzt Prof. Dr. W. Rösch, An Herrn Humbert, Berliner Straße 33–35, Frankfurt, 4. August 1981. 574 ISG, Fürsorgeamt 4151, Der Amtsleiter, Krankenhaus Nordwest, Herrn Rösch, Frankfurt, 27. August 1981. 575 Seniorenzeitschrift, 2/1981. 576 Seniorenzeitschrift, 3/1984, S. 5: „Endlich Diabetiker-Diätkost“. 577 ISG, Fürsorgeamt 4151, Abt. Altenhilfe an Frau Gudrun B., Aktion Nachbarschaftshilfe, Frankfurt, 19. Oktober 1978. 578 ISG, Fürsorgeamt 4151, handschriftlicher Vermerk: über Herrn R., Gehbehinderter unter 60 Jahren, solle die Stellungnahme des Sozialbezirksvorstehers eingeholt werden, o. D., Ende der 1970er Jahre. 579 ISG, Fürsorgeamt 4151, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Frankfurter Mittagstische – Essen auf Rädern – Einsatz der Zivildienstleistenden, Frankfurt, 29. November 1978.

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waren. Die Abteilung Altenhilfe schlug vor, eine zentrale Einsatzstelle unter Leitung eines hauptamtlichen Sachbearbeiters einzurichten. Es bedürfe dann auch einer zentralen Depotstelle, die die Aufgabe hätte, das Essen für alle Touren zu wärmen und abzupacken.580 Die Anmeldestelle verlegte man von der Abteilung Altenhilfe zu den Städtischen Küchenbetrieben.581 Das Essen wurde seit 1980 nicht mehr in den dezentralen Depotstellen, sondern direkt bei den Städtischen Küchenbetrieben abgeholt.582 Die zentrale Essensbestellung und -ausgabe koordinierte zunächst ein Zivildienstleistender. 1980 forderte man aus Gründen der Verantwortung und der Kontinuität eine Planstelle.583 Die Zivildienstleistenden mussten damit Arbeiten übernehmen, für die eigentlich Sachbearbeiter zuständig waren.584 Sie wurden auch 1982 noch in der Zentrale der Städtischen Küchenbetriebe eingesetzt, um die Durchführung des „Essens auf Rädern“ zu organisieren. Die Zivildienstleistenden kritisierten, dass sie gleichzeitig den Dienst organisieren und die Bestellungen telefonisch entgegennehmen müssten, und dies in einem renovierungsbedürftigen Kellerraum.585 1976 gab es 60 Zivildienstleistende.586 1979 wurden vom „Frankfurter Verband“, der AWO, der „Arbeitsgemeinschaft Sozialarbeit West“ und der evangelischen Bethaniengemeinde 73 Zivildienstleistende eingesetzt, die über 2.100 ältere und behinderte Bürger betreuten.587 Zusätzlich zu den Essenstouren, die von etwa 10 bis 14:30 Uhr dauerten, wurden die Zivildienstleistenden im Jahr 1980 zu fast 5.000 weiteren Leistungen eingesetzt: An erster Stelle standen Hilfen beim Einkaufen (1.819), gefolgt von Haushalts- und Raumpflegehilfen (1.134), Besuchsdiensten (685), Bringdiensten für Brennstoff (677), Begleitung zu Ärzten, Ämtern und Behörden (348), Spaziergängen (247), Hilfen beim Baden (31), Bücherdiensten (fahrbare Bücherkiste, 29) und Sonstigem (17).588 Die Leistungen waren überwiegend hauswirtschaftlicher Art oder Hilfen bei der Alltagsbewältigung; das Baden hingegen fiel in den Bereich der Körperpflege. Weitere pflegerische Aufgaben wurden von den Frankfurter Zi580 ISG, Fürsorgeamt 4151, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Frankfurter Mittagstische – Essen auf Rädern – Einsatz der Zivildienstleistenden, Frankfurt, 29. November 1978. 581 ISG, Fürsorgeamt 4151, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Umstellung eines Telefonanschlusses, Frankfurt, 17. Januar 1979. 582 ISG, Fürsorgeamt 4151, Frankfurter Verband für Alten- und Behindertenhilfe e. V., Dezernatsverwaltungsamt Soziales, Jugend und Wohnungswesen, Frankfurt, 19. März 1981. 583 ISG, Fürsorgeamt 4151, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Städtische Küchenbetriebe, Frankfurt, 24. Januar 1980. 584 ISG, Fürsorgeamt 4151, Städtische Küchenbetriebe, An die Abteilung 76.3, Frankfurt, 25. Februar 1982. 585 ISG, Fürsorgeamt 4151, Essen auf Rädern, An die städtischen Küchenbetriebe, z. Hd. Herrn Schwestka, Frankfurt, 24. Februar 1982. 586 ISG, Fürsorgeamt 4151, Anfrage der SPD-Fraktion, A 2199, betr. Offene Altenhilfe, Essen auf Rädern, 11. Februar 1981. 587 ISG, Stadtgesundheitsamt – Sachakten 195, Bericht des Magistrats an die Stadtverordneten-Versammlung, betr. Zweiter Kommunaler Altenplan, B 947, 12. Oktober 1979. 588 ISG, Fürsorgeamt 4151, Frankfurter Verband für Alten- und Behindertenhilfe e. V., Dezernatsverwaltungsamt Soziales, Jugend und Wohnungswesen, Frankfurt, 19. März 1981.

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren

vildienstleistenden im ambulanten Bereich in diesem Jahrzehnt nicht übernommen.589 Mit Besuchsdiensten und Spaziergängen hatten die Zivildienstleistenden zudem Aufgaben, in denen es eher um Kontakte und Gespräche ging und nicht um konkrete Hilfsdienste. Sie beurteilten diese Kontaktmöglichkeiten positiv: So schrieb Friedrich Mentzen 1976 nach seinem Zivildienst in seiner Diplomarbeit: „Der intensivere Kontakt und die Bekanntheit auf beiden Seiten steigt, so daß auf der Basis von Vertrauen zwischenmenschliche Beziehungen entstehen können. Und gerade das ‚Menschliche‘ mit allem was der einzelne darunter versteht, vermag m. E., daß der Dienst als ein sinnvoller erscheint.“590 Doch gerade diese Kontakte konnten auch als belastend empfunden werden, wie ein Zivildienstleistender, der nach dem Vorbild des „Frankfurter Modells“ in Hamburg in der Altenbetreuung eingesetzt wurde, berichtete: „Die Gespräche sind für mich ziemlich anstrengend und belasten mich manchmal ganz schön. Die Trostlosigkeit und Einsamkeit im Leben dieser Menschen ist manchmal erdrückend, und ich kann vieles nicht auffangen.“591 Kritik wurde auch von den Trägervereinen geäußert: Die drei Zivildienstleistenden der Arbeiterwohlfahrt für die Altenwohnanlage in der Nordweststadt seien im Rahmen des „Frankfurter Modells“ zu 50 Prozent der Zeit mit der Essensverteilung beschäftigt; es würden so viele Essen verteilt, dass einige davon erst zum Kaffee ausgegeben werden könnten.592 Die Arbeiterwohlfahrt bemerkte, dass sich oft die Notwendigkeit von Gesprächen mit älteren Menschen ergebe und dies nicht immer problemfrei sei: Wir müssen allerdings deutlich darauf hinweisen, daß sich dies einfacher anhört, als es tatsächlich ist. Es ergibt sich oft ein Gesprächsinhalt, der Zivildienstleistende einfach überfordert oder in tiefe Ratlosigkeit stürzen kann. […] Besteht zu Beginn oftmals eine durchaus positive Einstellung zu ihren Aufgaben, so wirken Problemverdrängung und Fließbandaspekt der Essensverteilung dem konträr entgegen und können eine „Job“Einstellung bewirken.593

589 Vgl. dazu die bundesweite Auflistung von Tätigkeiten der Zivildienstleistenden in BArch, B 189/11029, Bl. 209, erster Entwurf eines Berichts über die Situation der älteren Menschen in der Bundesrepublik Deutschland, Juli 1975, wonach als Tätigkeit der Zivildienstleistenden auch „Hauskrankenpflege inkls. pflegerische Versorgung und Bewegungstherapie“ aufgeführt war. Zu diesem Zeitpunkt gab es etwa 745 Beschäftigungsstellen mit 2.377 Dienstplätzen für Zivildienstleistende in der offenen und stationären Altenhilfe; hinzu kämen jedoch Dienstplätze in Kirchengemeinden und bei Wohlfahrtsverbänden, in denen sie nur teilweise mit Aufgaben der Altenhilfe befasst seien. Insgesamt war damit die Zahl der Zivildienstleistenden in der offenen Altenhilfe bundesweit gering, in Frankfurt wurden überproportional viele von ihnen eingesetzt. 590 Mentzen (1976), S. 61. 591 Sablautzki (1975), S. 4. 592 ISG, Fürsorgeamt 4034, Schreiben der Arbeiterwohlfahrt an den Magistrat der Stadt Frankfurt Abt. Altenhilfe, 28. Januar 1976, gez. Medrisch, Geschäftsführer, betr. Betreuungsdienst. 593 ISG, Fürsorgeamt 4034, Schreiben der Arbeiterwohlfahrt an den Magistrat der Stadt Frankfurt Abt. Altenhilfe, 28. Januar 1976, gez. Medrisch, Geschäftsführer, betr. Betreuungsdienst.

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Die dezentrale Verteilung der Zivildienstleistenden auf die Büros der Altenbetreuerinnen der Altenwohnanlagen gab man Mitte der 1970er Jahre auf, da die Altenbetreuerinnen nicht immer in der Lage gewesen waren, eine anleitende Funktion wahrzunehmen.594 Die Zivildienstleistenden wurden auf zwei zentrale Stützpunkte verteilt. Dort stand nun ein Sozialarbeiter zur Verfügung, der sie bei Problemen, die sich aus der täglichen Praxis ergaben, beriet und anleitete: „Damit sollen die Zivildienstleistenden Hilfen erhalten, mit der oft schwierigen sozialen Situationen [sic!] älterer und behinderter Menschen in ihrer häuslichen Umgebung fertig zu werden, richtig einzuschätzen und die notwendigen Hilfen und Maßnahmen mit dem Sozialarbeiter abzuklären und einleiten zu lassen.“595 Probleme, mit denen sie konfrontiert würden, seien Altersabbau, Hinfälligkeit, Pflegebedürftigkeit, Behinderung, Vereinsamung und Hilflosigkeit im lebenspraktischen Bereich. Darüber hinaus seien Hilfsangebote zur Verbesserung der Lebenssituation und Aktivierung des älteren und behinderten Bürgers zu unterbreiten, einzuleiten und zu ermöglichen, so zum Beispiel der Besuch von Altenklubs, Bildungsangeboten, Altenerholung und Seniorentreffen.596 Die Zivildienstleistenden fühlten sich den von ihnen Betreuten verpflichtet.597 Sie erklärten sich 1981 solidarisch mit den Interessen der alten Menschen, die sie belieferten, und protestierten gegen eine Preiserhöhung der Mahlzeiten. Sie machten die Belieferten mit ihrer Unterschriftenaktion zum Teil erst auf die als ungerecht empfundenen geplanten Änderungen aufmerksam: Das Weihnachtsgeschenk der Stadt Frankfurt an ihre älteren Bürger. Preiserhöhung!!! bei „Essen auf Rädern“. […] Dies trifft die älteren und behinderten Bürger, die zu einem großen Teil von diesem Service abhängig sind, in besonderem Maße. Oftmals ist der Zivildienstleistende, der das Essen überbringt, der einzige Kontakt dieser Menschen zur Außenwelt. Gerade an solchen Leuten will die Stadt sich anscheinend schadlos halten. […] So mancher dieser Menschen gerät angesichts der drastischen Preiserhöhung in echte Existenznöte. […] Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, daß laut Aussage vieler Essensempfänger ein solch hoher Preis für die gebotene Qualität zu viel ist (Aussage: Was? Das ist das doch gar nicht wert). Wir, die Zivildienstleistenden, halten es unserem Selbstverständnis entsprechend für unsere Pflicht, auf solche Mißstände aufmerksam zu machen. Deshalb haben wir von den alten Menschen, die „Essen auf Rädern“ beziehen, Unterschriften gegen die Preiserhöhung gesammelt. In diesem Zusammenhang muß noch gesagt werden, daß nur die Couragiertesten unterschrieben haben.598 594 ISG, Stadtgesundheitsamt – Sachakten 195, Bericht des Magistrats an die Stadtverordneten-Versammlung, betr. Zweiter Kommunaler Altenplan, B 947, 12. Oktober 1979. 595 ISG, Stadtgesundheitsamt – Sachakten 195, Bericht des Magistrats an die Stadtverordneten-Versammlung, betr. Zweiter Kommunaler Altenplan, B 947, 12. Oktober 1979. 596 ISG, Stadtgesundheitsamt – Sachakten 195, Bericht des Magistrats an die Stadtverordneten-Versammlung, betr. Zweiter Kommunaler Altenplan, B 947, 12. Oktober 1979. 597 Vgl. dazu auch Bernhard (2006), der zeitgenössische Beobachtungen zitiert, wonach sich die Zivildienstleistenden als „Anwälte der Betreuten“ verstünden (S. 146), hier bezogen auf die stationäre Pflege. Dies wurde vor allem von den Trägern der Altenheime kritisch gesehen und den Zivildienstleistenden Unerfahrenheit und zu hohe Identifikation mit den Betreuten unterstellt; in den späteren 1970er Jahren jedoch wurde die Kritik der Zivildienstleistenden in der stationären Altenhilfe zunehmend angenommen (S. 147 f.). 598 ISG, Fürsorgeamt 4151, o. D., eingegangen im Sozialamt Abt. Altenhilfe 4. Januar 1982, maschinenschriftlich.

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4. Offene Altenhilfe in den 1970er Jahren

Gegen die Zivildienstleistenden wurde wegen der Unterschriftensammlung ein Disziplinarverfahren eingeleitet und im März 1982 mit einem schriftlichen Verweis beendet, begründet mit der „schuldhaften Verletzung“ der Dienstpflicht. Gegenüber der Presse bewerteten die Zivildienstleistenden ihre Aktion dennoch positiv, da das Verhältnis zwischen ihnen und den Essensempfängern noch herzlicher geworden sei und sie viel Unterstützung erhalten hätten.599 Später wurde vermerkt, dass es zwar einen „Hagel von Protestanrufen bei der Annahmestelle“ wegen der Preiserhöhungen gegeben habe, jedoch nur fünf bis sechs Abbestellungen.600 Das neue Aufgabenfeld der Zivildienstleistenden in Frankfurt fand von Beginn an eine auch überregionale Presseresonanz.601 Das Modell und die Tätigkeit der Zivildienstleistenden wurden überwiegend positiv dargestellt. Zu Beginn und auch in der Mitte des Jahrzehntes überwog dabei der Optimismus, die Selbständigkeit der alten Menschen zu erhalten. 1975 wurden die Einsätze der Zivildienstleistenden in der Seniorenzeitschrift vorgestellt.602 Auf Probleme mit dem Zeitplan oder auf schwierige Lebenssituationen der Belieferten findet sich in diesem Kontext kein Hinweis – immerhin wandte sich die Seniorenzeitschrift an die Betroffenen selbst und versuchte, die Tätigkeit der Stadt sowie die Lebenslagen der Älteren in der Stadt positiv darzustellen. Die Zivildienstleistenden lieferten die Mahlzeiten zu diesem Zeitpunkt nicht mehr mit Motorrollern, sondern mit gelben Autos aus und wurden als zum Stadtbild dazugehörig beschrieben, auch wenn es tatsächlich nur gut 30 junge Männer waren, die diese Tätigkeit ausübten.603 Ganz anders verband 1979 die Frankfurter Rundschau eine Reportage über die Arbeit der Zivildienstleistenden mit der Schilderung eines trostlos erscheinenden Alters. 1.300 Essen auf Rädern täglich, das sind 1.300 Altenschicksale: Einsamkeit und Resignation. Oft liegen zwei Ketten an der Tür […] „Oft weiß man so gut wie nichts über die Leute“, sagt Thomas Brandstein, Zivildienstleistender bei der Arbeiterwohlfahrt, Lieferant des „Essens auf Rädern“. Die FR fuhr eine Tour mit. […] „Essen auf Rädern“, sagt er, sei eine „relativ unverbindliche Sache“. Und er benutzt, um die Situation zu beschreiben, das Wort von der „Schwachstelle“ in der Altenhilfe, obwohl er weiß, daß es vor allem dieser Service ist, der schwache und kränkliche alte Leute vor einem Leben im Heim bewahrt. […] „Es ist schwierig, wenn die Leute von ihren Krankheiten erzählen“, sagt der junge Zivildienstleistende, der  – ohne außer Atem zu kommen  – treppauf, treppab läuft, „man kann das so schwer nachvollziehen.“ Dennoch ist er froh, wenn sich beim Reden über die Krankheiten ein Anknüpfungspunkt ergibt. Viele kapseln sich ab,

599 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/V 16931, Presseausschnitt: Verweis für Protest gegen Preiserhöhung. Nach ZDL-Aktion bei „Essen auf Rädern“, in: FNP, 8. März 1982. 600 ISG, Fürsorgeamt 4151, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Vermerk, Frankfurt, 10. März 1982. 601 ISG, Fürsorgeamt 3981, Presseausschnitt: Altenbetreuung als Ersatzdienst. Modellversuch in Frankfurt  – die Arbeit wird selbst eingeteilt, in: Trierischer Volksfreund, 16.–18. Juni 1972; Wollenzien: Einsatz (1974). In Hannover wurden die Zivildienstleistenden nach dem Frankfurter Vorbild seit August 1973 in der offenen Altenhilfe beschäftigt. 602 Seniorenzeitschrift, 3/75, S. 14 f. 603 Seniorenzeitschrift, 3/75, S. 14 f.

4.7 Ambulante Pflege

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viele legen gleich zwei Ketten an die Türe und drehen den Schlüssel zweimal um. Und darunter leiden sie am allermeisten selbst.604

Der Zivildienstleistende schilderte seinen Dienst als deprimierend, da er der Einsamkeit nichts entgegensetzen könne. Den alten Menschen unterstellte er Resignation: „Bei der nächsten Adresse gibt es kaum Kontakt: ‚Da konnte ich noch nie mehr als ein paar Worte reden‘. Tür auf, Essen rein, Tür zu.“605 Ein anderer berichtete in den Blättern der Wohlfahrtspflege von seiner Tätigkeit in der offenen Altenhilfe. Auch er zeichnete dabei ein Altenbild, das von Passivität und Isolation geprägt zu sein schien. Er kam zu dem Schluss: „Und bei vielen Alten muß man sich heute noch fragen, ob es wirklich besser für sie ist, zu Hause zu bleiben, oder ob es nicht nur billiger ist.“606 Zum Ende des Jahrzehnts wurden sowohl die Grenzen der ambulanten Hilfstätigkeit als auch die der Zivildienstleistenden betont. Zwar wahrten die älteren Menschen länger ihre Selbständigkeit, dies jedoch um den Preis der Isolation und Einsamkeit – und der zumindest zeitlichen Überforderung der Zivildienstleistenden.607 Der Optimismus, der sich mit dem Ausbau der ambulanten Dienste durch Zivildienstleistende verbunden hatte, schien gesunken – jedoch vor allem in der Presse, nicht in den offiziellen Verlautbarungen von Ministerien und Ämtern, denn Bund und Kommunen setzten sogar auf den Ausbau von Kapazitäten bei den ambulanten Diensten.608 Doch schon in den frühen 1980er Jahren mehrten sich auch bei den kommunalen Verantwortlichen Zweifel, ob nicht die finanziellen und inhaltlich begründeten Grenzen des ambulanten Ausbaus erreicht seien.

604 ISG, Fürsorgeamt 4151, Presseausschnitt: Füssel, Ulrike: 1300 Essen auf Rädern täglich, das sind 1300 Altenschicksale: Einsamkeit und Resignation. Oft liegen zwei Ketten an der Tür, in: FR, 10. November 1979, Nr. 263. 605 ISG, Fürsorgeamt 4151, Presseausschnitt: Füssel, Ulrike: 1300 Essen auf Rädern täglich, das sind 1300 Altenschicksale: Einsamkeit und Resignation. Oft liegen zwei Ketten an der Tür, in: FR, 10. November 1979, Nr. 263. 606 Müller-Schöll (1984), S. 242. 607 Vgl. dazu auch ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/V 16931, Presseausschnitt: Mit sechzig Portionen im Auto gegen die Uhr. Essen auf Rädern: Die Tour läßt kaum Zeit für ein Gespräch/Zivildienstleistende im Einsatz, in: FAZ, 25. April 1985. 608 Auf Bundesebene wurde gerade zu diesem Zeitpunkt der Ausbau der mobilen Hilfsdienste mit Zivildienstleistenden geplant, vgl. Bernhard (2005), S.  366 ff. Bernhard spricht sogar von einem „Paradigmawechsel in der sozialliberalen Zivildienstpolitik“ am Ende des Jahrzehnts. Statt die Zahl der Verweigerer nach unten zu korrigieren, erkannte man nun vor allem die Bedeutung für den sozialpolitischen Bereich und erhoffte sich auf Bundesebene Kostenvorteile. Auf lokaler Ebene lobten die verantwortlichen Stadträte den Essensbringdienst weiterhin als Erfolgsmodell, vgl. ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/V 16931, Presseausschnitt: Essen auf Rädern: Bald kann jeder Esser selbst „kochen“. Neues Gerät im Testversuch: Leicht zu bedienen/Testesser Daum, in: FNP, 12. Januar 1984. Kritik gab es jedoch auch von der SPD-Fraktion, die seit 1977 in der Opposition war: Das Essen sei oft zu kalt, und es bleibe keine Zeit für ein kurzes Gespräch, siehe ISG, Fürsorgeamt 4151, Anfrage der SPD-Fraktion, A 2199, betr. Offene Altenhilfe, Essen auf Rädern, 11. Februar 1981.

5. Ausblick 1980–1985 5.1 Einleitung Die späten 1970er und 1980er Jahre waren von einem positiven Altersbild aus der Gerontologie geprägt, das die differenzierten Lebensläufe berücksichtigte. Gleichzeitig wurden aber mit den hochaltrigen Menschen in den politischen Diskussionen und der Altenhilfeplanung zunehmend Probleme assoziiert. Zielgruppe der Altenhilfe waren nicht mehr wie in den 1970er Jahren die selbständigen, aktiven Senioren, sondern wieder die pflegebedürftigen, deren Zahl zunahm. Der Frankfurter Altenplan und die übrige Altenplanung im Bundesgebiet betonten den Vorrang ambulanter Hilfen.1 Seitens der Bundespolitik wurde untermauernd das Kostenargument angeführt – auf kommunaler Ebene jedoch bald angezweifelt. Der Ausbau der sozialen Dienste und damit auch der Dienstleistungen für alte Menschen verlangsamte sich Ende der 1970er Jahre und zu Beginn der 1980er Jahre wegen der Finanzierungsengpässe.2 Auch der Regierungswechsel 1982 ging mit Sanierungsbemühungen und Kürzungen im Sozialbudget einher, begründet mit einer „konservativen Wende“3 zu „weniger Staat“ und Rückbesinnung auf die Familie4. Die Zahl der alten Menschen stieg weiter und mit ihr die Ausgaben für Pflegeleistungen im Rahmen der Sozialhilfe: Der Anteil der Hilfe zur Pflege als eine der Leistungen im Rahmen der Hilfen in besonderen Lebenslagen machte zum Ende des Jahrzehnts ein Drittel des gesamten Sozialhilfeaufwands aus.5 In der (links)liberalen Die Zeit erschien 1982 ein langer Artikel zur Sozialhilfe, der vor allem die Ausgaben für das Pflegegeld kritisierte. Darin wurde unterstellt, dass das Pflegegeld so mancher Tochter zum Zweitwagen verhelfe. Auch sei Deutschland im Vergleich mit anderen Ländern zu kritisch gegenüber privater Wohltätigkeit. Aus „Liebe zur Perfektion“ wolle der Staat nur professionelle Kräfte mit mehrjähriger Berufsausbildung und einem Examen mit Pflegeaufgaben betrauen, statt „einfache pflegerische Tätigkeiten“ oder gemeinsames Spazierengehen Ehrenamtlichen 1 2

3

4 5

Vgl. Baumgartl (1997), S. 182. Grunow (2008), S. 820 f., hier S. 821, Übersicht 2. Nach dieser Übersicht nahmen zwischen 1975 und 1982 die Zahl der Krankenhausbetten ab und auch die Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege, nicht jedoch das Sozialbudget, das wie die Zahl der Personen in den sozialen Berufen zunahm. Einrichtungen der Altenhilfe wurden in diesem Zeitraum, betrachtet man die Situation in Frankfurt und Hessen, zahlenmäßig ausgebaut (siehe Kapitel 4), trotz Einsparungen in einzelnen Bereichen und Jahren, z. B. im Bereich der Erholungshilfe (siehe Kapitel 4). Stüwe (2005), S.  320. Kohl sprach 1980 von der „geistig-moralischen Wende“, in der Regierungserklärung dann von „Erneuerung“ statt „Wende“. Er beschwor gleichzeitig eine Demographie-Katastrophe und begründete damit eine grundlegende Rentenreform; zur Diskussion um eine nun als „katastrophal“ empfundene demographische Entwicklung seit den späten 1970er Jahren siehe Torp (2015), S.  274–280. Vgl. DoeringManteuffel/Raphael (2012), S. 63–70. Vgl. Wehler (2008), S. 266. Grunow (2005), S. 662; Süß (2010), S. 128.

5.1 Einleitung

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zu überlassen.6 Damit wurde implizit wieder der unentgeltliche Einsatz von (weiblichen) Familienmitgliedern und der Nachbarschaft gefordert, nun als „Ehrenamt“ deklariert. Kritik gab es auch an den großen Wohlfahrtsverbänden als bisher beinahe alleinigen Trägern von stationärer und ambulanter Pflege: Freiwillige Dienste und kleine Organisationen würden ignoriert, so wurde Sigrid Lohmann, Geschäftsführerin des KDA, zitiert; alte Leute würden an die großen, teuren Organisationen verwiesen. Bürokratien, folgerte die Autorin des Zeit-Artikels, arbeiteten am liebsten mit Bürokratien zusammen. Stattdessen forderte sie „Mut zu innovativen Lösungen“7: Empfänger von Sozial- und Arbeitslosenhilfe könnten für Betreuungsaufgaben eingesetzt werden. Das würde den Unterstützten das schlechte Gewissen nehmen und die anderen abschrecken. Kritik an den etablierten Wohlfahrtsverbänden als alleinigen Trägern der Altenhilfe und -pflege gab es sowohl in diesem Artikel wegen der hohen Kosten und der unterstellten Ineffektivität als auch von „unten“, aus der Selbsthilfebewegung.8 Auf kommunaler Ebene konnte diese konservative Rückbesinnung nicht vollzogen werden, da die tatsächlichen Problemlagen alter Menschen damit nicht zu lösen waren.9 Der Ausbau ambulanter Dienste war unumkehrbar, die (auch finanziellen) Grenzen wurden jedoch deutlicher als im Jahrzehnt zuvor gesehen. Eine Lösung für stark pflegebedürftige Menschen boten diese Dienste nicht (siehe Kapitel 5.5). Alte Menschen, die (noch) nicht pflegebedürftig waren, sollten in ihrer Selbständigkeit durch neue technische Errungenschaften bestärkt werden (siehe Kapitel 5.2). In den 1980er Jahren gründeten sich Universitäten des dritten Lebensalters und ergänzten damit die Altenbildungsangebote aus dem vorangegangenen Jahrzehnt um ein Modell, das sehr viel stärker auf Eigeninitiative beruhte und ein hohes wissenschaftliches Niveau anbot (siehe Kapitel 5.4). Während die Altenhilfe ansonsten auf die „bewährten“ Elemente aus dem vorangegangenen Jahrzehnt setzte (vor allem Altenklubs und Erholungsfahrten, Ausbau von Altenwohnungen, siehe Kapitel 4)10, formierte sich nun auch in Frankfurt wie im vorangegangenen Jahrzehnt schon in anderen Städten eine Seniorenbewegung, die mit für alte Menschen bisher eher ungewohnten Protestformen Verbesserungen für Senioren einforderte und dabei vor allem gegen die „Abschiebung“ in Heime und die als mangelhaft empfundene Unterbringung dort protestierte (siehe Kapitel 5.3). 6

Mayer-List, Irene: Der bürokratische Samariter. Mit zu viel Geld bewirkt die Sozialhilfe zu wenig, in: Die Zeit, Nr. 50, 10. Dezember 1982, S. 25 f. 7 Mayer-List, Irene: Der bürokratische Samariter. Mit zu viel Geld bewirkt die Sozialhilfe zu wenig, in: Die Zeit, Nr. 50, 10. Dezember 1982, S. 25 f., Tabelle S. 26, Quelle: Statistisches Bundesamt. Von den 14,8 Milliarden Mark für Sozialhilfe war die Hilfe für Altenund Behindertenpflege der größte Posten mit 5,581 Milliarden DM. 8 Grunow (2005). 9 Vgl. Baumgartl (1997), S. 174. 10 In Kapitel 4 wurden in einigen Unterkapiteln schon Entwicklungen über das Jahr 1980 hinaus betrachtet, in diesem Kapitel werden daher die Einzelmaßnahmen „Erholungsfürsorge“, „Altenbegegnungsstätten“ und „Essen auf Rädern“ nicht mehr behandelt.

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5. Ausblick 1980–1985

5.2 Notrufsysteme Im vorangegangenen Jahrzehnt wurde schon mehrfach die Einrichtung eines Notrufsystems für daheim lebende ältere Bürger angedacht, jedoch erst in den 1980er Jahren verwirklicht. Der „Frankfurter Verband für Alten- und Behindertenhilfe e. V.“, der Träger des Systems werden sollte, stellte fest, dass eine Untersuchung über Wohnen in Altenwohnanlagen ergeben habe, dass sich die Motive zum Umzug in eine Wohnanlage in den letzten zehn Jahren gewandelt hätten: Zunächst sei die Verbesserung der Wohnsituation zentrales Motiv für den Umzug gewesen, nun sei es der Versorgungsaspekt. Die Kontakte dort liefen nicht so problemlos wie erwartet. Die meisten Befragten fühlten sich in ihrer alten Umgebung sozial wohl und erwögen nur aus Sicherheitsaspekten den Umzug in eine Altenwohnanlage. Diese Sicherheit könne durch Einrichtung eines dezentralen Hausnotrufsystems erreicht werden.11 Im dritten kommunalen Altenplan wurde ein Probelauf angekündigt: Mit der Entwicklung eines Funknotrufsystems werde es künftig möglich sein, nicht nur die eingestreuten Altenwohnungen, sondern auch modernisierte seniorenfreundliche Wohnungen und bei Bedarf jede Wohnung mit einem Pflegenotruf auszustatten. Zusammen mit den vorhandenen mobilen Diensten könne damit für ältere und behinderte Menschen der gleiche „SicherheitsEffekt“ erzielt werden wie mit dem Betreuungsdienst in den Altenwohnanlagen und damit die Erhaltung einer möglichst langen Selbständigkeit: „Der Aufbau eines solchen Funk-Notrufsystems im Rahmen des Angebotes ambulanter und mobiler Dienste stellt eine konkrete Alternative zum Einzug in eine Altenwohnanlage oder ein Heim dar.“12 In Neu-Isenburg gab es zu diesem Zeitpunkt einen ersten Versuch mit einem Notrufsystem. Die Stadt Frankfurt besichtigte dieses System, bemängelte jedoch die technische Ausführung: Das System bot keine Gegensprechmöglichkeit, die Senioren bekamen ein relativ großes Gerät mit einer Schleppantenne. Es gab zu diesem Zeitpunkt schon andere Hersteller mit kleineren Geräten.13 In den Haushaltsplan von 1981 wurden vorsorglich Mittel in Höhe von 280.000 DM eingestellt, eingerichtet wurde ein Hausnotrufsystem für ältere und behinderte Menschen in akuten Notlagen in Frankfurt jedoch erst 1982.14 Erste handschriftliche Aufzeichnungen zeigen, dass die Stadt anfangs unsicher war, wie ein solches System zu organisieren sei, zumal es keine Vorbilder gab. Man überlegte, welche Daten erhoben werden mussten, wer verständigt werden sollte  – und dachte dabei zunächst an Nachbarn oder den Hausarzt. Auch stellte sich die Frage, wer den nächtlichen Bereitschaftsdienst 11 ISG, Fürsorgeamt 4182, Frankfurter Verband für Alten- und Behindertenhilfe e. V., Modellversuch mit dem Haus-Notruf-System der Firma AEG-Telefunken, 15. Dezember 1980. 12 Der Dezernent für Soziales, Jugend und Wohnungswesen, Karl-Heinz Trageser (1981), S. 115. 13 ISG, Fürsorgeamt 4182, Dezernat Soziales, Jugend und Wohnungswesen, Sozialamt Altenhilfe, An den Ortsbeirat 9, Notrufsystem für betagte Bürger, Frankfurt, 2. Juni 1980. 14 ISG, Fürsorgeamt 4152, Rundverfügung Nr. 19 des Dezernats Soziales, Jugend und Wohnungswesen, 26. August 1982.

5.2 Notrufsysteme

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übernehmen könnte; man plante dafür zunächst Medizinstudenten ein. Eine erste Abfolge sah vor: Maßnahmen, wenn Notruf ausgelöst wird: Notruf bestätigen, versuchen, Sprechkontakt herzustellen. Angegebene Vertrauensperson in die Wohnung schicken, aus der Situation heraus entscheiden, ob Arzt (Notarzt, Krankenwagen, Feuerwehr, Polizei) gerufen werden muß oder andere Hilfen ausreichen. Ggf. Angehörige verständigen, Informationen an Helfer weitergeben. Wann soll, kann, darf der Notruf sonst betätigt werden?15

Geplant wurde eine erste testweise Ausbaustufe ab August 1982 mit 500 Teilnehmer-Anschlüssen aus den Stadtteilen Westhausen und Riederwald. Jeder Teilnehmer erhielt eine Teilnehmerstation für seine Wohnung, die mit dem Telefon und mit einer zentralen Einrichtung, der Notrufzentrale, verbunden war. Angesprochen wurden in der Seniorenzeitschrift und in der Tagespresse Bürger ab 75 Jahre und Behinderte, die alleinstehend waren und an chronischen Krankheiten, körperlichen Einschränkungen oder Altersgebrechen litten. Selbstzahler sollten monatlich eine kostendeckende Gebühr von immerhin 115 DM entrichten. Hinzu kamen noch eine Postgebühr in Höhe von 3 DM und eine einmalige Anschlussgebühr in Höhe von 40 DM. Es konnte ein separater Antrag auf Übernahme der Telefonanschluss- und Grundgebühren gestellt werden, falls noch gar kein Telefonanschluss vorhanden war.16 Es war vorgesehen, dass in „Einzelfällen bei besonderer Hilfsbedürftigkeit“ die Einrichtungskosten übernommen würden; dies galt bei chronisch Kranken, deren Krankheit das sofortige Herbeirufen eines Arztes erforderlich mache (Attest) und bei Gefahr von lebensbedrohenden Krisen und Anfällen. Eine Kostenübernahme war auch möglich als Maßnahme der Hilfe zur Pflege (nach Paragraph 68 Abs. 2 BSHG), dies besonders für alleinstehende Pflegebedürftige in häuslicher Pflege. Ebenfalls war eine Kostenübernahme im Rahmen der Altenhilfe nach Paragraph  75 BSHG möglich, wenn Altersgebrechlichkeit in Verbindung mit besonderer Hilfsbedürftigkeit vorlag. Hier galten jeweils die Einkommensgrenzen für die Hilfen in besonderen Lebenslagen nach Paragraph 79 BSHG.17 Die tatsächlichen Kosten für die Technik waren hoch: Für nur 100 Teilnehmerstationen, „Funkfinger“ und für eine Notrufzentrale mit zwei Amtsleitungen, Dokumentation und Softwaresystem stellte AEG-Telefunken insgesamt 551.633 DM in Rechnung.18 Ein Notrufgerät kostete ungefähr 4.500 DM, konnte aber gegen Gebühr geliehen werden.19 Einen Notruf absetzen konnten die älteren Teilnehmer über den „Funkfinger“ aus jedem Raum in ihrer Wohnung, Gespräche mit der Zentrale waren nur im Raum möglich, in dem sich das Telefon befand. Technisch war kein direkter Rückruf der Zentrale 15 ISG, Fürsorgeamt 4182, handschriftliches Papier, o. D. [unterstrichen im Original]. 16 Seniorenzeitschrift, 1/1982, S. 10. 17 ISG, Fürsorgeamt 4182, Konzeptpapier Notrufsystem als Modellversuch im großstädtischen Bereich, o. D. 18 ISG, Fürsorgeamt 4182, AEG-Telefunken, an Frankfurter Verband für Alten- und Behindertenhilfe e. V., Auftragsbestätigung 10. August 1981. 19 ISG, Fürsorgeamt 4182, Presseausschnitt: Stössinger, Jutta: Frankfurt testet ab 1982 Notrufsystem für Behinderte, in: FR, 27. Januar 1981, S. 13.

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5. Ausblick 1980–1985

möglich. Diese sollte eine Organisation in nächster Nähe informieren oder den Notarzt. Die Zentrale wurde im Julie-Roger-Altenheim eingerichtet, ein Heim des Trägers „Frankfurter Verband“. Man nahm an, dass in den wenigsten Fällen der zentrale Rettungsdienst in Anspruch genommen werden müsse; zwischen diesem und der Notrufzentrale sollte es jedoch eine direkte telefonische Verbindung geben.20 Das Ziel des zunächst auf zwei Jahre angelegten Versuchs war, danach zu prüfen, ob Heimeinweisungen aufgrund des Notrufsystems in Verbindung mit ambulanten Hilfen vermieden werden konnten. Dann sollte das System ausgeweitet werden. Die Kriterien, wer an den ersten geplanten Anschlüssen teilhaben dürfte, waren zunächst sehr eng gefasst. Die Stadtverordnetenversammlung beschloss im September 1982, im Probelauf zunächst nur Bürger der höheren Altersklassen ab 75 Jahre und Behinderte zu berücksichtigen, die alleinstehend waren oder Alleinstehenden gleichzustellen seien und infolge chronischer Krankheiten, körperlicher Behinderungen oder sonstiger Altersgebrechen auf pflegerische oder sonstige persönliche Hilfen angewiesen waren oder im Akutfall einen sofortigen Hilfeeinsatz brauchten (Anfallsleiden, lebensbedrohliche Krisen). In begründeten Fällen könnten auch jüngere Teilnehmer aufgenommen werden.21 Da die Nachfrage nach einem Anschluss an das System jedoch nicht groß war (siehe unten), ist zu vermuten, dass Bewerber nicht abgelehnt wurden. Es gab einige wenige Interessenten außerhalb der Testbereiche, die selbst aktiv wurden und sich auf Zeitungsmeldungen bei der Stadt meldeten  – so etwa ein pensionierter Beamter, der schon von dem Versuch in Neu-Isenburg gehört und sich selbst bei Delta 7 erkundigt hatte und an einem etwaigen Versuch in Frankfurt teilnehmen wollte. Sein Anlass war der plötzliche Tod seiner Frau, der ihm Angst machte: Ich bin völlig alleinstehend. Meine Frau ist am 16. Oktober 1981 gestorben, wegen Herzversagen, wenige Sekunden vor Eintreffen des Notarztes. Ich möchte nicht das gleiche Schicksal erleiden, und frage daher an, wie die Voraussetzungen in Frankfurt liegen, da ich wegen etwaiger Zeitverluste nicht über Neu-Isenburg, sondern über Frankfurt, an dieser Einrichtung teilnehmen möchte. Ich bin kein Fürsorgeempfänger, sondern Ruhestandsbeamter mit einer Pension von ca. 2.500,– DM.22

Der große Ansturm, der Auswahlverfahren nötig gemacht hätte, blieb jedoch aus: Bis April 1982 gab es nach den Presseartikeln und auch der Veröffentlichung in der Seniorenzeitschrift nur unverbindliche 135 Interessensbekundungen.23 Trotz mehrerer Aufrufe wurden im ersten halben Jahr nur etwa 100 20 ISG, Fürsorgeamt 4182, Konzeptpapier Notrufsystem als Modellversuch im großstädtischen Bereich, o. D. 21 ISG, Fürsorgeamt 4182, Protokoll-Auszug der Stadtverordneten-Versammlung Frankfurt a. M., X. Wahlperiode, Frankfurt a. M., 16. September 1982. 22 ISG, Fürsorgeamt 4182, Karl N., Frankfurt a. M., Gallusviertel, An das Sozialamt, Abteilung Altenhilfe, 14. Dezember 1981. 23 ISG, Fürsorgeamt 4182, Frankfurter Verband für Alten- und Behindertenhilfe e. V. – Geschäftsstelle  –, An das Sozialamt, Abteilung Altenhilfe z. H. Herr Funk, Frankfurt, 29. April 1982.

5.2 Notrufsysteme

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Teilnehmer im gesamten Stadtgebiet an das System angeschlossen.24 Im Februar 1983 nahmen 140 Haushalte teil. Viele Interessenten hatten ihre Anträge mit der Begründung zurückgezogen, dass ihre gesundheitliche Situation zu diesem Zeitpunkt noch nicht so gravierend sei, andere vermutlich wegen der hohen Kosten. Zögerlich waren vor allem alte Menschen, denen die Kosten wahrscheinlich erstattet worden wären: Bedauerlich ist vor allem, daß gerade bei älteren Antragsstellern, die Anspruch auf volle oder teilweise Kostenübernahme nach dem BSHG hätten, die Tendenz zum Sparen voll durchschlägt und dieser Personenkreis seinen Antrag mit der Begründung wieder zurückzieht, daß er nicht die allgemeinen öffentlichen Sozialausgaben erhöhen wolle und deshalb mit seinem Antrag noch länger warten möchte.25

Dennoch wurde das Projekt als Erfolg gewertet: Im Sommer 1983 gab es gut 200 Teilnehmer, 60 Prozent davon waren Selbstzahler. „Von den zur Zeit etwas über 200 angeschlossenen Teilnehmern sind 23 konkrete Fälle bekannt, für die ohne Anschluß an das Hausnotrufsystem eine Heimunterbringung erforderlich gewesen wäre. Von den 23 Teilnehmern sind 14 Sozialhilfeempfänger.“26 Damit sei das Hausnotrufsystem in Verbindung mit der ambulanten Pflege und den mobilen Diensten ein wirkungsvolles Instrument, um dem älteren und behinderten Bürger die „sonst so oft notwendige Heimunterbringung zu ersparen“.27 Die Krankenkassen beteiligten sich nicht an den Kosten.28 Aus einem der Probebezirke (Westhausen) gab es gar keine Anfragen, woraus der Schluss gezogen wurde, dass dort ein Notrufsystem überflüssig sei, weil noch eine Nachbarschaftshilfe bestehe. Allerdings, so räumte man ein, zeige sich auch, dass viele die Höhe der monatlichen Gebühren abschrecke.29 Seit Anfang 1984 wurden in Frankfurt auch Bürger aus umliegenden Gemeinden angeschlossen. Damit erhöhte sich die Teilnehmerzahl, wenngleich während des Probelaufes nie die geplanten 500 Menschen teilnahmen. Die SPD-Fraktion wies in einer Anfrage im Januar 1984 auf die geringere Teilnehmerzahl hin 24 ISG, Fürsorgeamt 4182, Stellungnahme des Dezernates Soziales, Jugend und Wohnungswesen, Sozialamt, an den Ortsbeirat 7, betr. Versorgung der Senioren mit „ambulanten und mobilen Diensten“ in den Stadtteilen Rödelheim und Praunheim/Westhausen, 25. Januar 1983 (hier: Entwurf). 25 ISG, Fürsorgeamt 4183, Frankfurter Verband für Alten- und Behindertenhilfe e. V., An das Sozialamt Abt. Altenhilfe, Frankfurt, 16. März 1983. 26 ISG, Fürsorgeamt 4183, Frankfurter Verband für Alten- und Behindertenhilfe e. V., An den hessischen Sozialminister, Wiesbaden, 5. Juli 1983. 27 ISG, Fürsorgeamt 4183, Frankfurter Verband für Alten- und Behindertenhilfe e. V., An den hessischen Sozialminister, Wiesbaden, 5. Juli 1983. Diese Haltung trat möglicherweise auch bei anderen Formen des Sozialhilfebezuges auf und führte dazu, dass alte Menschen unter Umständen materiell unterversorgt blieben; vgl. Torp (2015), S. 252, zur „verdeckten Armut“. 28 ISG, Fürsorgeamt 4183, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Li, Vermerk: Vorstellung des Hausnotrufsystems in einer Sitzung des Seniorenbeirates, Frankfurt, 26. Januar 1983. 29 ISG, Fürsorgeamt 4183, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Li, Vermerk: Vorstellung des Hausnotrufsystems in einer Sitzung des Seniorenbeirates, Frankfurt, 26. Januar 1983.

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5. Ausblick 1980–1985

und sah die Gebühren als Hemmschwelle.30 Es gebe eine Ungleichbehandlung älterer Bürger: Bewohner von Altenwohnanlagen könnten den Betreuungsdienst wegen der Zuschüsse der Stadt unentgeltlich in Anspruch nehmen, die Teilnehmer des Hausnotrufsystems müssten kostendeckende Beiträge leisten. In Vorbereitung der Antwort auf die Anfrage schrieb der „Frankfurter Verband“ an Stadtrat Trageser, dass in den beiden Probestadtteilen eine homogene Bewohnerschaft sei, die ein „subjektives Gefühl der Sicherheit“ vermittle. Ob der Teilnehmerbetrag eine Hemmschwelle sei, könne nur vermutet werden, vielleicht für die Interessenten, deren Einkommen nur knapp über der Einkommensgrenze liege.31 Beworben wurden in diesem Zeitraum von anderen Anbietern Geräte, die mit Bewegungsmeldern ausgestattet waren und so nach einem vorher bestimmten Zeitraum ohne gemessene Bewegung einen Notruf absetzten.32 Damit waren die Geräte in Frankfurt nicht ausgerüstet. Jedoch sollten sich die Teilnehmer in 24 Stunden einmal durch Betätigung einer Ruftaste bei der Hausnotrufzentrale melden.33 Zusätzlich zur Notfallfunktion gab es eine Sicherheitsuhr in den Teilnehmerstationen; diese löste Alarm aus, wenn nicht innerhalb von 24 Stunden eine Anwesenheitstaste gedrückt wurde. Es war somit möglich, auch alte Menschen ohne tägliche Kontakte zumindest nach einer gewissen Zeit zu finden, wenn sie verunglückt oder gestorben waren. Der Träger des Notfalldienstes nahm in seinen Ausführungen eventuelle Mutmaßungen, dass diese Einrichtung Kontakte durch Technik ersetze, gleich vorweg: Durch den Anschluß an das Haus-Notruf-System sollten nicht die sozialen Beziehungen und die Kontaktpflege durch Familie und Nachbarschaft verringert werden. Vielmehr sollte erreicht werden, daß für die Umgebung dieser Dienst als Entlastung und Unterstützung nachempfunden wird.34

Damit gehe auch die Aktivierung nachbarschaftlicher Hilfen und ehrenamtlicher Mitarbeit einher. Denn wenn nicht der Notarzt informiert werden müsse, würden im Einvernehmen mit dem Teilnehmer von der Zentrale bekannte Nachbarn oder freiwillige Helfer angesprochen, die sich zur Mitarbeit bereit erklärt hatten, oder es werde der Hausarzt informiert. Hauptmotiv der Teilnehmer war jedoch die Hoffnung auf rechtzeitige Hilfe in lebensbedrohender Situation, meist nach einer vorangegangenen Notfallerfahrung.35 30 ISG, Fürsorgeamt 4183, Anfrage der SPD-Fraktion an den Magistrat, Nr. 941 vom 17. Januar 1984 zum Erfolg des Hausnotruf-Systems. 31 ISG, Fürsorgeamt 4183, Frankfurter Verband für Alten- und Behindertenhilfe e. V. an Stadtrat Trageser, 15. März 1984, Ergänzung zum Zwischenbericht. 32 ISG, Fürsorgeamt 4182, Anbieterprospekte, o. D. 33 ISG, Fürsorgeamt 4183, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Li, Vermerk: Vorstellung des Hausnotrufsystems in einer Sitzung des Seniorenbeirates, Frankfurt, 26. Januar 1983. 34 ISG, Fürsorgeamt 4183, Abschlussberichte im März 1985 des Frankfurter Verbandes für Alten- und Behindertenhilfe e. V., S. 5. 35 ISG, Fürsorgeamt 4183, Abschlussberichte im März 1985 des Frankfurter Verbandes für Alten- und Behindertenhilfe e. V., S. 7.

5.2 Notrufsysteme

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1984 hatten unter anderem wegen der positiven Erfahrungen mit dem zunächst bundesweit größten Modellversuch in Frankfurt weitere Städte ein System eingeführt: Karlsruhe, Gießen, Kassel, Essen, Mönchengladbach, Starnberg, Wiesbaden und Mainz.36 In Köln plante der „Arbeiter-SamariterBund“ ebenfalls die Einrichtung eines Behinderten-Hausnotrufes. Der Magistrat fragte nach Erfahrungen aus Frankfurt und betonte, dass er selbst im Gegensatz zu Frankfurt auf dem Standpunkt stünde, dass eine finanzielle Einzelfallhilfe nach den Vorschriften des BSHG nicht möglich sei. Es könne höchstens als freiwillige Aufgabe der Gemeinde erfolgen, was wegen der angespannten Haushaltssituation in Köln nicht vertretbar sei.37 In Hessen wurden Hausnotrufdienste statistisch nicht erfasst und vom Land nicht finanziell gefördert.38 Im Abschlussbericht im März 1985 wertete die Stadt die Anrufe aus: Am 31.  Dezember 1984 waren es 384 Teilnehmer, davon 326 aus Frankfurt. 70 Prozent der Teilnehmer waren über 75 Jahre alt, weitere 15 Prozent zwischen 70 und 75 Jahre, sieben Prozent unter 60 Jahre alt. Über 80 Prozent waren weiblich.39 80 Prozent der Teilnehmer hatten „komplexe Krankheitsbilder“, damit gemeint waren Beeinträchtigungen, die mehrere Bereiche umfassten, wie das Kreislaufsystem, Skelett, Muskeln und Körperbehinderungen.40 673 Notrufe über Notruftaste seien seit Inbetriebnahme eingegangen, daneben gab es eine steigende Zahl an Gesprächen über die Anlage: Im Dezember 1984 waren es 456 Gespräche gegenüber 53 im Januar 1953. Es gab 32 Alarme, weil die 24-Stunden-Taste nicht gedrückt worden war. Damit lag einer relativ großen Zahl von Anrufen kein Notruf zugrunde, sondern ein anderer Gesprächsbedarf. Viele Teilnehmer nutzten zwar den Notruf für soziale Gespräche, die auch Testcharakter gehabt haben mochten, hatten sich jedoch ursprünglich aus einer als lebensbedrohlich erlebten Notsituation heraus für eine Teilnahme entschlossen.41

36 ISG, Fürsorgeamt 4183, Auflistung der Abt. Altenhilfe auf eine Anfrage der Stadt Gelsenkirchen, Frankfurt, 30. Januar 1984. 37 ISG, Fürsorgeamt 4183, Stadt Köln an Stadtverwaltung Frankfurt, betr. BehindertenHaus-Notruf, 9. März 1983. 38 Hessischer Landtag, 11. Wahlperiode, Drucksache 11/508, Kleine Anfrage der Abg. Schmidt (Schwalmstadt-Treysa) und Weiß (CDU) betreffend Hausnotrufdienst für alte und kranke Menschen, 26. Januar 1984, URL: http://starweb.hessen.de/cache/DRS/ 11/8/00508.pdf (letzter Zugriff: 12.10.2016); Hessischer Landtag, 11. Wahlperiode, Drucksache 11/770, Antwort des Sozialministers auf die Kleine Anfrage der Abg. Schmidt (Schwalmstadt-Treysa) und Weiß (CDU) betreffend Hausnotrufdienst für alte und kranke Menschen, 7. März 1984, URL: http://starweb.hessen.de/cache/DRS/11/ 0/00770.pdf (letzter Zugriff: 12.10.2016). 39 ISG, Fürsorgeamt 4183, Abschlussberichte im März 1985 des Frankfurter Verbandes für Alten- und Behindertenhilfe e. V., S. 8 ff. 40 ISG, Fürsorgeamt 4183, Abschlussberichte im März 1985 des Frankfurter Verbandes für Alten- und Behindertenhilfe e. V., S. 10. 41 Hessischer Landtag, 11. Wahlperiode,Drucksache 11/770, Antwort des Sozialministers auf die Kleine Anfrage der Abg. Schmidt (Schwalmstadt-Treysa) und Weiß (CDU) betref-

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Obwohl sich „echte soziale Beziehungen“ laut Bericht nach Einrichtung des Notrufs nicht verschlechtert hätten, wurde jedoch Folgendes eingeräumt42: Die häufigen Sozialrufe der Teilnehmer seien ein Zeichen dafür, dass es Lücken in der familiären Unterstützung und der Nachbarschaftshilfe gebe. Die Lücken entstünden nicht durch den Hausnotrufdienst, würden aber dadurch deutlich. Daher müssten im Rahmen des Ausbaus auch Nachbarn angesprochen werden, die sich bereit erklärten, als Bezugspersonen zu fungieren. Nur in wenigen Fällen sei dies nicht möglich: „Zumeist handelte es sich hierbei um Teilnehmer, die aufgrund ihrer Persönlichkeit bereits eine langjährige Negativgeschichte in ihrem Verhältnis zu ihren Nachbarn hatten.“43 Es bleibt in dem Bericht offen, ob diese Menschen besonders oft „Sozial-Anrufe“ tätigten und ob sie in dem Notrufprojekt verblieben. 38 Prozent der Teilnehmer in Frankfurt hatten Kontakte zu oder erhielten Hilfen von ambulanten Diensten oder Zentralstationen.44 132 Teilnehmer waren Sozialhilfeempfänger.45 Bundesweit gab es mittlerweile unterschiedliche Teilnehmerbeiträge.46 Am 1. September 1984 konnte der Satz in Frankfurt auf 87 DM gesenkt werden, danach stieg das Interesse an dem Notrufsystem. Auch diese Summe, so räumte der Träger in seinem Abschlussbericht ein, stellte noch eine Härte besonders für die Teilnehmer dar, deren Einkommen die Einkommensgrenzen im Sozialhilfegesetz nur knapp überstieg.47 Insgesamt zeichnete der Abschlussbericht ein positives Bild. Das Notrufsystem ermögliche eine längere selbständige Lebensführung, es sei für alte Menschen auch ein beruhigendes Kommunikationsmittel inklusive rascher Vermittlung von Hilfen; es mindere das Risiko bei zu Hause lebenden Kranken. Das System könne auf bis zu 3.000 Anschlüsse ausgeweitet werden. Die Zusammenarbeit mit ambulanten Diensten, Sozialstationen und Ärzten sei nach anfänglichen Schwierigkeiten gut, die Zentrale rund um die Uhr von medizinisch ausgebildeten Mitarbeitern besetzt.48 Der Sozialdezernent behauptete, 40 Teilnehmer müssten ohne dieses Notrufsystem im Alten- und Pflegeheim untergebracht werden. Was diese Teilnehmer charakterisierte,

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fend Hausnotrufdienst für alte und kranke Menschen, 7. März 1984, URL: http://starweb. hessen.de/cache/DRS/11/0/00770.pdf (letzter Zugriff: 12.10.2016). ISG, Fürsorgeamt 4183, Abschlussberichte im März 1985 des Frankfurter Verbandes für Alten- und Behindertenhilfe e. V. ISG, Fürsorgeamt 4183, Abschlussberichte im März 1985 des Frankfurter Verbandes für Alten- und Behindertenhilfe e. V. ISG, Fürsorgeamt 4183, Abschlussberichte im März 1985 des Frankfurter Verbandes für Alten- und Behindertenhilfe e. V., S. 14. ISG, Fürsorgeamt 4183, Abschlussberichte im März 1985 des Frankfurter Verbandes für Alten- und Behindertenhilfe e. V., S. 11. ISG, Fürsorgeamt 4183, Abschlussberichte im März 1985 des Frankfurter Verbandes für Alten- und Behindertenhilfe e. V., S. 15. ISG, Fürsorgeamt 4183, Abschlussberichte im März 1985 des Frankfurter Verbandes für Alten- und Behindertenhilfe e. V., S. 15. ISG, Fürsorgeamt 4183, Abschlussberichte im März 1985 des Frankfurter Verbandes für Alten- und Behindertenhilfe e. V., S. 12.

5.3 Selbstorganisation

247

führte er nicht aus. Ob seine Einschätzung stimmte, kann daher nicht überprüft werden.49 Altenwohnungen wurden durch das System nicht obsolet: Trotz der ersten Einrichtung eines Notrufsystems in der Stadt stieg die Zahl der Altenwohnungen in den Altenwohnanlagen. Wesentlich mehr ältere Menschen waren Mitte der 1980er Jahre in einer solchen Altenwohnung mit Betreuungsdienst und Notrufmöglichkeit untergebracht als in einer normalen Wohnung an das Notrufsystem angeschlossen.50 5.3 Selbstorganisation In Frankfurt gab es in den 1970er Jahren keine „Seniorenpartei“, die Interessen der alten Menschen sollten durch die Einrichtung von Seniorenbeiräten vertreten werden (siehe Kapitel 4.5). Wie schon im vorangegangenen Jahrzehnt wurde auch in den 1980er Jahren Kritik an den Seniorenbeiräten geübt. Sie kam unter anderem von den Wohlfahrtsverbänden. Die Arbeiterwohlfahrt argumentierte gegen die Seniorenbeiräte aus eigenem Interesse an einem möglichst großen, unkontrollierten Handlungsspielraum im Bereich der Altenhilfe: Sie betonte die Rolle der Verbände der freien Wohlfahrtspflege als Träger in der Altenarbeit, die ihnen nicht von Seniorenbeiräten streitig gemacht werden dürfe. Ein Vorwurf, der nicht zutraf, denn die Seniorenbeiräte traten nicht als Träger auf. Diese Beiräte dürften – so wurde auch argumentiert – kein Ersatz für parlamentarische Gremien sein. Überörtliche Gremien seien überhaupt abzulehnen, sie dürften keinesfalls zu Aufsichtsgremien für Altenhilfeeinrichtungen werden. Es bestehe zudem die Gefahr, dass sie zu parteipolitischen Selbstdarstellungen missbraucht würden.51 Aufsicht und Kontrolle von Altenhilfeeinrichtungen durch Beiräte würden nur „die Beziehungen zwischen den alten Menschen und den freien und öffentlichen Trägern der Altenhilfe komplizieren“.52 Die kritische Sicht auf Seniorenbeiräte überwog nicht nur bei Wohlfahrtsverbänden, die Einfluss und Kontrolle fürchten mochten, sondern auch beim Volkswirt Wolfgang Plum vom Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik in Köln, der die demokratische Legitimierung der Beiräte in Frage stellte.53 Nur ein Seniorenbeirat, nämlich der 49 ISG, Fürsorgeamt 4183, Frankfurter Verband für Alten- und Behindertenhilfe e. V., HausNotruf, Presseinformation August 1984. 50 Statistisches Jahrbuch Frankfurt 1981, S. 117, Heime für alte Menschen zum 31. Dezember 1980: Altenwohnheime/-anlagen 4.975 Plätze; Statistisches Jahrbuch Frankfurt 1986, S. 123, Heime für alte Menschen zum 31. Dezember 1985: 76 Einrichtungen von Altenwohnheimen und -anlagen mit insgesamt 7.385 Plätzen. Auch wenn das Notrufsystem auf bis zu 3.000 Teilnehmer ausgeweitet würde, wären damit deutlich mehr Menschen in Altenwohnungen versorgt. 51 Altenhilfe, 2/1981, Seniorenbeiräte, S. 7. 52 Altenhilfe, 2/1981, Seniorenbeiräte, S. 7. 53 Plum, Wolfgang: Zur Situation der kommunalen Seniorenbeiräte, in: Altenpflege, Oktober 1982, S. 375–378.

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in Aachen, sei aufgrund der Initiative eines Bürgervereins alter Menschen gegründet worden, der Rest auf Initiative der Stadt- und Gemeinderäte oder von Trägern der freien Wohlfahrtspflege. Der Autor bescheinigte, dass Seniorenbeiräte nur selten nach demokratischen Grundsätzen konstituiert würden, worunter er die Beteiligung der von ihnen vertretenen Teile der Bevölkerung verstand – ein Vorwurf, der auch auf den Seniorenbeirat in Frankfurt zutraf. Ihre Tätigkeit sei überwiegend koordinierend und beratend, nur selten veranstalteten sie politische Aktionen für ältere Bürger wie Veröffentlichungen, Protestaktionen und überregionale politische Proteste. Sie verfügten häufig über keinen eigenen Etat, Ziele und Zuständigkeiten seien oft vage formuliert. Für Senioren seien sie schwer erreichbar, und sie verfügten nicht über eigene Medien. Hier bildete der Frankfurter Seniorenbeirat eine positive Ausnahme, da er in der Redaktion der Seniorenzeitschrift vertreten war. Plums Fazit, dass Seniorenbeiräte nur „Aushängeschilder für die durch die jeweilige Kommune angeblich ernst genommenen Belange ihrer älteren Bürger“54 seien, war sicherlich nicht unbegründet.

Abbildung 23: Seniorenbeirat, 1991, Fotograf: K. Meier-Ude, © ISG

Das Land Hessen förderte den landesweiten Zusammenschluss von Seniorenbeiräten lange Zeit nicht. Die Seniorenbeiräte in Hessen wurden daher selbst aktiv und trafen sich auf einer Tagung „Mitbestimmung und Mitwirkung in der kommunalen Altenpolitik“ im März 1983. Sie forderten eine stärkere gesetzliche und damit verpflichtende Verankerung der Bildung von Beiräten, ein Anhör- und Mitspracherecht, eine Vertretung auf Bundesebene und Landes-

54 Plum, Wolfgang: Zur Situation der kommunalen Seniorenbeiräte, in: Altenpflege, Oktober 1982, S. 378.

5.3 Selbstorganisation

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seniorenvertretungen.55 Hessen bekräftigte zu diesem Zeitpunkt seine Auffassung, dass die Gründung eines Landesseniorenbeirats von „unten“ kommen müsse und die Landesregierung einen Landesseniorenbeirat nicht fördern wolle.56 Erst 1987 hatten sich die Seniorenbeiräte in Hessen auch landesweit in der „Arbeitsgemeinschaft hessischer Seniorenbeiräte“ organisiert57, die „Arbeitsgemeinschaft Bundesdeutsche Seniorenvertretung“ gab es schon seit dem 3. Mai 198658. Die Kritik blieb: Die Stadt Bremen bemängelte die „Altensegregation“ durch die Bildung von Seniorenbeiräten; die Älteren sollten sich dort engagieren, wo alle Bürger politischen Einfluss nehmen könnten, zum Beispiel in den politischen Parteien.59 Neben den Seniorenbeiräten gab es zunehmend Selbsthilfeorganisationen Älterer, so in Hessen die „Lebensabendbewegung“ (1958 in Kassel gegründet)60, den „Bundeskongreß der älteren Generation e. V.“ und den Seniorenschutzbund „Graue Panther e. V.“61. Auch in Frankfurt bildeten sich 55 HHStAW, Abt. 508, Nr. 5850, Hein Riechers, Seniorenbeirat Itzehoe, Rudolf Rohs, Seniorenrat Braunschweig, Ingeborg Seldte, Seniorenvertretung Berlin-Wilmersdorf (und unterschriftlich weitere Seniorenbeiräte, jedoch nicht aus Frankfurt), An den Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl, Bundesminister Norbert Blüm, Bundesminister Heiner Geißler, Ministerpräsidenten der Länder, abschriftlich an die Fraktionen der Bundestagsparteien, der Landtagsparteien, Gummersbach, 10. März 1983. Der Bund erklärte seine Nichtzuständigkeit, jedoch sein Interesse, und verwies auf Rentnerbünde, die „Lebensabendbewegung“ und den Bundeskongreß für die ältere Generation, mit denen er laufend in Kontakt sei, und an Ministerialrat Dahlem, Leiter des Referates „Politik für ältere Menschen“ (Antwort, Der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit an die Seniorenbeiräte, Bonn, 11. April 1983). 56 HHStAW, Abt. 508, Nr. 5850, Entwurf Antwort, abgesandt am 16. Juni 1983. 57 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S  3/L  16169, Presseausschnitt: Eine selbstbewußte Lobby für die Alten. Die Idee der Frankfurter Seniorenbeiräte greifen auch andere hessische Gemeinden auf, in: FR, 23. Juli 1987. 58 Altenhilfe, 9/1986, S. 34. 59 HHStAW, Abt. 508, Nr. 5850, Senator für Jugend und Soziales Bremen, An den Bundesminister für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit, Bremen, 9. Oktober 1986. 60 Die „Lebensabendbewegung“ wurde als erste sogenannte Selbsthilfeorganisation alter Menschen bezeichnet, die wenige Jahrzehnte später schon stark institutionalisiert war und als Träger von Altentagesstätten usw. auftrat (Gronemeyer (1979), S. 140 f., 156). Aus ihr organisierten sich die Bundes-Altenkongresse für die ältere Generation, die seit 1962 alle drei Jahre stattfanden. Zur Frage, ob es sich um eine Selbsthilfebewegung handelte, siehe Kapitel 3.4. Sie ging nicht aus örtlichen Zusammenschlüssen von Rentnern hervor, sondern wurde angeregt vom Bundestagsabgeordneten Erich Meyer, geführt von einem jüngeren Generalsekretär in Kassel. Von dort aus gründeten sich Ortsgruppen. Zunächst sah man die Aufgabe in der Betreuung (ISG, Fürsorgeamt 376, Lebensabend Bewegung, Generalsekretariat für Deutschland, Grundsatz-Arbeitsrichtlinien für die Gründung und Betreuung von LAB-Altenklubs; ISG, Fürsorgeamt 376, Satzungen der LebensabendBewegung, Kassel 24. Mai 1960: Zweck und Ziel: „Materielle Hilfe in Not und ideelle Lebenshilfe“, Einrichtung von Betreuungsräumen und Häusern für bedürftige Personen), später in der „Altenentfaltung“ (LAB­Informationsdienst, Nr. 2 und 3, 1961). 61 HHStAW, Abt. 508, Nr. 5850, Der hessische Sozialminister an das Universitäts-Krankenhaus Eppendorf, medizinische Soziologie, Hamburg, Wiesbaden, 17. Juli 1986. Schon in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren beschäftigten sich (soziologische) Untersu-

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Selbstorganisationen von älteren Menschen in den 1980er Jahren, damit jedoch erst einige Jahre nach der Gründung des „Seniorenschutzbundes Graue Panther“ durch Trude Unruh im August 1975, die sich von der amerikanischen Altenbewegung „Grey Panthers“ inspirieren ließ.62 1982 gab es im Bundesgebiet schon etwa 4.000 Mitglieder der „Grauen Panther“, die sich für eine Grundrente und eine gesetzliche Höchstpension aussprachen, gegen unpersönliche, große Altenheime, gegen schlechte Pflegebedingungen in den Heimen, entmündigende Heimordnungen und für alternative Wohnformen.63 In einer ersten soziologischen Studie untersuchte Gronemeyer 1979 die „Krisenerfahrungen“, die der Gründung von Altenselbsthilfeorganisationen zugrunde lägen: Er machte Einsamkeit, Sinnentleerung und Angst vor Abhängigkeit aus, die alte Menschen dazu motivierten, sich in Gruppen zusammenzuschließen und (politische) Mitbestimmung zu suchen.64 Die Initiativen hatten dabei ganz unterschiedliche organisatorische Formen: Manche entstanden in konkreten Situationen und zeitlich befristet als Bürgerinitiativen, zusammen mit jüngeren Menschen, zum Beispiel gegen Mietervertreibung oder für Umweltschutz. Andere waren reine Alteninitiativen, die versuchten, gleichermaßen ihre „kommunikativen, sozialen und politischen Probleme“65 zu bewältigen, vom Klub in Selbstverwaltung über Telefonketten, Seniorenwohngemeinschaften bis hin zum bundesweit politisch auftretenden Altenverband66. Der „Seniorenschutzbund Graue Panther“ vereinte sowohl eine bundesweite Ausrichtung mit hoher „Konfliktorientierung“67 als auch den Zusammenschluss auf örtlicher Ebene in selbstverwalteten Altenklubs.

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chungen mit Altenselbsthilfeorganisationen, siehe Gronemeyer (1979); Donicht-Fluck (1984); Dürscheid (1984); in Reportageform Meier/Seemann (1982). Unruh übernahm erst später den Namen „Grey Panthers“ bzw. „Graue Panther“ aus den USA, siehe Donicht-Fluck (1984), S. 19, die in ihrer Studie auch die Unterschiede zur amerikanischen Bewegung betont. Die US-Bewegung setzte mehr auf generationenübergreifendes Engagement, was in Deutschland so kaum zum Tragen kam, und die US-Bewegung hatte zum Teil andere Ziele und Organisationsformen. Die soziale Lebenslage der US-Senioren war insgesamt schlechter und stärker von Armut geprägt, in Deutschland gab es hingegen große Unterschiede zwischen Sozialrentnern und Pensionären (die sich auch von der Seniorenbewegung nicht immer auflösen ließen; ihre Forderungen nach einer Grundrente von 1.400 DM musste bei vielen wohlhabenden Rentnern und Pensionären eine Verschlechterung bedeuten und auf Ablehnung stoßen). So spielte für die deutsche Bewegung die Heimsituation eine sehr viel größere Rolle, in der US-Bewegung war die persönliche Selbstverwirklichung ein großes Ziel des Engagements; in Deutschland machte die Autorin eher eine gewerkschaftlich-sozialdemokratische Traditionslinie aus und den „abgesicherten Lebensabend“ als besonderes Leitbild. Damit ging eine eher lobbyistische Altenpolitik einher (S. 91). ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/P 17644, Presseausschnitt: Plischke, Wolfgang: Beißen statt basteln: Die „Grauen Panther“ wollen in Frankfurt eine Gruppe aufbauen. Ein Symbol für Protest und Vitalität. Anlaufstelle vorhanden, in: FR, 1. April 1982, Nr. 77. Gronemeyer (1979), S. 103. Gronemeyer (1979), S. 128. Gronemeyer (1979), S. 127 ff. Gronemeyer (1979), S. 128.

5.3 Selbstorganisation

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Abbildung 24: Bundesvorsitzende der „Grauen Panther“ Trude Unruh und Marianne Langen, 1982, Fotograf: H. Winkler, © ISG

1982 wollte Werner Richter aus Frankfurt eine örtliche Gruppierung des Seniorenschutzbundes „Graue Panther“ gründen. Richter war CDU-Mitglied, früher Kameramann und Aufnahmeleiter und damals 71 Jahre alt. Seine Motive, eine Ortsgruppe der „Grauen Panther“ zu gründen, waren die Preiserhöhung von „Essen auf Rädern“ (siehe Kapitel 4.7.4) und der Streit um Kürzung des Taschengeldes für Heimbewohner. Auch sprach er sich gegen „anonyme Ein-Zimmer-Wohnungen“ für alte Menschen und für eine Grundrente aus.68 Richter wollte sich abgrenzen von Treffen in Altenklubs und stattdessen politischer sein sowie für die Belange älterer Menschen kämpfen. Im Mai 1982 trafen sich etwa 50 ältere Menschen zu einer Gründungsveranstaltung. Plan war, einen eigenen, großen Treffpunkt einzurichten, in dem auch Rechtsanwälte, Ärzte und Sozialexperten beratend tätig werden sollten. Die Gründungsveranstaltung misslang, da es unter anderem Kontroversen um die Namensgebung gab.69 Vorgeschlagen wurde schon bei dieser Veranstaltung, eine Seniorenpartei zu gründen, die laut Einschätzung der Anwesenden die Fünfprozenthürde mit Leichtigkeit überspringen würde. In der Frankfurter Senio­ 68 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/P 17644, Presseausschnitt: Plischke, Wolfgang: Beißen statt basteln: Die „Grauen Panther“ wollen in Frankfurt eine Gruppe aufbauen. Ein Symbol für Protest und Vitalität. Anlaufstelle vorhanden, in: FR, 1. April 1982, Nr. 77. 69 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/P 17644, Presseausschnitte: Schwieriger Anfang für Frankfurter „Graue Panther“. Senioren-Gruppe hatte Probleme mit der Namensgebung, in: FR, 5. Mai 1982; Die „Grauen Panther“ suchen ein Programm, in: FNP, 5. Mai 1982. Werner Richter, Initiator der Gründungsveranstaltung, schlug vor, auf den Namen „Graue Panther“ zu verzichten, um nicht mit einer Gruppe rechtsradikaler türkischer „Grauer Wölfe“ in Verbindung gebracht zu werden, zudem nahm er Trude Unruh übel, nicht zu der Gründungsveranstaltung gekommen zu sein; er konnte sich aber nicht durchsetzen.

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renzeitschrift kritisierte man dieses Vorhaben spöttisch. Damit wurde deutlich, dass die „Grauen Panther“ in der Verwaltung, der Abteilung Altenhilfe des Sozialamtes und möglicherweise auch vom Seniorenbeirat, der in der Redaktion der Seniorenzeitschrift vertreten war, nicht positiv aufgenommen wurden: „Das fehlte gerade noch. Neben der (auch in Frankreich verunglückten) Steuerzahlerpartei eine Seniorenpartei? Eine Verzettelung der Stimmen, was höchstens den Falschen zugute käme? Hier schien sich die ‚Pantherversammlung‘ wirklich ins Nebulös-Graue zu verirren.“70 Treffpunkt der „Grauen Panther“ in Frankfurt wurde nach einer erneuten Gründung wenige Monate später das Nachbarschaftsheim in Bockenheim, Leiterin wurde Marianne Langen. Schwerpunkte der Frankfurter Gruppierung waren der Kampf gegen die Entmündigung älterer Bürger, gegen Heimordnungen, gegen Nachrüstung, gegen Gebührenerhöhungen von infrastrukturellen Angeboten in der Stadt und für höhere Mindestrenten, gegen eine Heranziehung der Kinder und Enkel bei den Heim- und Pflegekosten.71 1983 fand in Frankfurt die Bundesvertreterversammlung der „Grauen Panther“ mit Trude Unruh im Haus der Jugend statt; der „Frankfurter Verband“ hatte zu diesem Zeitpunkt schon 80 Mitglieder von bundesweit 6.000. Eine Resolution wurde verabschiedet, die sich gegen „Sippenhaftung“ von Kindern und Enkeln bei der Finanzierung von Heimkosten und Sozialhilfe im Alter aussprach, für eine gesetzliche Grundrente von 1.500 DM monatlich und für eine Pflegegeldversicherung, die an den Betroffenen, nicht an den Träger ausgezahlt werden sollte. Man forderte mehr Mitbestimmung in Heimen als zentrales Element einer „Alterswürde bis zum Tod“. Von den geladenen Parteimitgliedern aus Hessen stimmten nur die Grünen mit allen Forderungen der „Grauen Panther“ überein. Sie hatten mit den „Grauen Panthern“ aus Frankfurt einen „Sprachrohrvertrag“ geschlossen, um ihre Forderungen im Landtag einzubringen.72 Die Frankfurter „Grauen Panther“ wollten ebenso wie der von Trude Unruh ins Leben gerufene Wuppertaler Dachverband „öffentlichkeitswirksam“ und laut auftreten.73 Sie veranstalteten Demonstrationen, zu denen sich alte Frauen Plakate umbanden mit der Aufschrift: „Wacht auf, wacht auf, ihr dummen Alten!“ Eine dieser Demonstrationen richtete sich gegen die Wohlfahrts-

70 „Graue Panther“ nur Wölfe im Schafspelz?, in: Seniorenzeitschrift, 2/1982, S. 11. Weiter sprach man von „Fauchtönen“, die aber letztlich angesichts der Gründungsveranstaltung wohl eher zu „harmlosen Wölfen im Schafspelz“ gehörten  – ein Bild, das sprachlich falsch war, da „Wölfe im Schafspelz“ nicht für Harmlosigkeit stehen. 71 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S  3/P  17644, Presseausschnitt: Graue Panther mit Schwung. Der neue Senioren-Schutzbund kämpft für seine Interessen, in: FR, 8. Dezember 1983; vgl. Donicht-Fluck (1984), S. 20 ff. 72 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S  3/P  17644, Presseausschnitt: Für eine „neue Alterswürde bis zum Tod“. Nur die Grünen unterstützen die Forderungen der „Grauen Panther“, in: FAZ, 14. September 1983. 73 Vgl. Meier/Seemann (1982), mit Bildern.

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verbände, die sich an „alten Menschen einen goldenen Hintern verdienen“74, für Erhöhung der Grundrente, für Sozialwohnungen, in denen Junge und Alte zusammenleben könnten, gegen Bevormundung. Die Zeitung schrieb über sie: „Sie sind die Alten, die wie die Jungen reden aber ‚die Alten‘ ausdrücklich sein wollen. Sie sind die Alten in Schlabberpulli und Cordjeans und ohne Blatt vorm Mund.“75

Abbildung 25: Protest der „Grauen Panther“ vor der Senioren-Residenz-Westend, 1986, Fotograf: H. Winkler, © ISG

Im Herbst 1984 machte der Frankfurter Seniorenschutzbund „Graue Panther“ eine Ausstellung in der Stadtteilbücherei Rödelheim, um neue Mitglieder zu gewinnen, legte den Schwerpunkt auf die zu geringen Renten, widmete sich aber auch nicht altersspezifischen Themen und sprach sich beispielsweise gegen eine Raketenstationierung aus.76 1985 hatte der Seniorenschutzbund in Frankfurt 140 Mitglieder und eröffnete einen zweiten Treffpunkt in Frankfurt, ein „Kaffee-Eck“ in einem östlichen Stadtteil. Hauptmieter der Räume war „Kontakt e. V. Verein für Alten- und Krankenpflege“.77 Die „Grauen Panther“ finanzierten die Treffpunkte mit Mitgliederbeiträgen. Diese wurden auch 74 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/P 17644, Presseausschnitt: In Frankfurt zeigten die „Grauen Panther“ ihre Krallen: Demonstration in Bockenheim. Weg von Muff und Muttchen. Generationen annähern, in: FR, 20. Mai 1983. 75 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/P 17644, Presseausschnitt: In Frankfurt zeigten die „Grauen Panther“ ihre Krallen: Demonstration in Bockenheim. Weg von Muff und Muttchen. Generationen annähern, in: FR, 20. Mai 1983. 76 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/P 17644, Presseausschnitt: „Graue Panther“ zeigen scharfe Krallen. Informative Ausstellung des Seniorenschutzbundes in der Stadtteilbücherei Rödelheim, in: FR, 22. November 1984. 77 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/P 17644, Presseausschnitt: Neuer Treff für Senioren. Anlaufstelle der „Grauen Panther“ im „Kaffee-Eck“ eröffnet, in: FR, 7. November 1985.

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Ende des Jahrzehnts noch nicht mit städtischen Mitteln gefördert.78 In ihren Treffpunkten wollten sich die „Grauen Panther“ von anderen Altenklubs absetzen: Ihre Treffen würden nicht so ablaufen, dass die Trägerorganisation eines Altenklubs vorne ein Programm für die hinten sitzenden Senioren anbiete, sondern die Mitglieder selbst würden das Programm erarbeiten und auftreten, inklusive Kabaretteinlagen.79 1988 hatte der Seniorenschutzbund 200 Mitglieder, davon waren fünf Sechstel Frauen.80 Marianne Langen, die Vorsitzende, sagte dazu: „Viele Männer kommen nur zu uns, um sich ihre Hemden bügeln zu lassen.“81 Im Seniorenschutzbund hätten viele ältere Frauen ihre ersten politischen Erfahrungen gemacht. Marianne Langen war Vorsitzende der Frankfurter „Panther“ und Mitglied im Bundesvorstand der „Grauen Panther“ seit 1985. Sie war bis zur Pensionierung 1977 im Schulamt und bei AEG tätig gewesen. Langen schilderte gegenüber der Presse, dass ihr Leben nach der Pensionierung erst so richtig angefangen habe: Plötzlich ertappte ich mich bei dem Gedanken‚ jetzt hockst du daheim und guckst in die Glotze, und da wußte ich, es muß sich was ändern. Dann habe ich die Trude Unruh im Fernsehen gesehen […] und ich habe gemerkt, daß das wichtig ist, was sie sagt.82

Sie machte deutlich, dass sie den Seniorenschutzbund bewusst als unbequeme Gruppierung mit Öffentlichkeitswirkung verstand: „Wir haben einen ‚guten schlechten Ruf‘ zu verlieren, und den möchte ich gern behalten.“83 Ein weiteres Mitglied war von Beginn an Helene Weiskopf, die im Rückblick als Vorbild die von Maggie Kuhn in Amerika gegründete Organisation „Grey Panthers“ und ihren Kampf gegen Altersarmut beschrieb. Sie war ehemals Hausfrau und führte nach ihrer Verwitwung ein Geschäft weiter, arbeitete dann bis zur Rente als Sekretärin. Weiskopf blickte im Jahr 2000 stolz auf ihr Engagement zurück: Sie habe sich Plakate umgehängt, sei auf die Straße gegangen, es sei immer um soziale Belange gegangen. Sie nahm an einem „Wohnexperiment“ teil und bewohnte eine Seniorenresidenz in einer Villa in Fechenheim zusammen mit vier anderen „Grauen Panthern“. Diese Altenwohngemein78 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/P 17644, Presseausschnitt: Mit scharfen Krallen gegen Bevormundung. Die „Grauen Panther“ arbeiten seit fünf Jahren in Frankfurt / Sorge um festes Domizil, in: FAZ, 14. Januar 1988. 79 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S  3/P  17644, Presseausschnitt: Seniorenschutzbund feierte: Manch „blümiger“ Panther-Traum. Jetzt auch ein Treffpunkt in Bornheim, in: FNP, 24. Oktober 1985. 80 Vgl. dazu auch die ganz ähnlichen Zahlen zur Geschlechterverteilung aus den frühen 1980er Jahren in selbst organisierten Gruppen (darunter der Seniorenschutzbund) in Wuppertal: Dürscheid (1984), S. 156. Es überwogen die Verwitweten, die im Seniorenschutzbund Wuppertal 63,2 Prozent ausmachten, 24,5 Prozent waren verheiratet (S. 158). 81 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S  3/P  17644, Presseausschnitt: Ein „Grauer Panther“ mit ansteckender Energie, in: FNP, 5. Januar 1987. 82 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S  3/P  17644, Presseausschnitt: Ein „Grauer Panther“ mit ansteckender Energie, in: FNP, 5. Januar 1987. 83 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S  3/P  17644, Presseausschnitt: Ein „Grauer Panther“ mit ansteckender Energie, in: FNP, 5. Januar 1987.

5.4 Universität des dritten Lebensalters

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schaft scheiterte jedoch aus persönlichen Gründen. Nun, hochaltrig, lebte sie in einer Altenwohnanlage der Arbeiterwohlfahrt und schätzte den Notrufknopf. „Dem FR-Fotografen sagt sie, man solle lieber nicht so alt werden.“84 Auf die Parteigründung „Die Grauen“ durch Trude Unruh am 12. Juli 1989 reagierten viele Mitglieder im Frankfurter Seniorenschutzbund verhalten, da sie sich als überparteilich verstanden. Frankfurter Mitglieder der „Grauen Panther“ empfanden das Auftreten der Bundesvorsitzenden als bevormundend. Marianne Langen, mittlerweile Stadtverordnetenmitglied über die Liste der Grünen (parteilos), wollte den „Grauen“ nicht beitreten.85 Dennoch gründete sich auch in Frankfurt ein Kreisverband der „Grauen“, dessen etwa 30 Mitglieder zum Teil aus dem Seniorenschutzbund hervorgingen.86 Mitglieder des Seniorenschutzbundes sorgten sich, in einen Topf mit der Partei geworfen zu werden; für ihre Abgrenzungsbemühungen ernteten sie Kritik von der Partei „Die Grauen“.87 Dies zeigt, dass es sich nicht um ein homogenes Lager handelte, sondern von den Mitgliedern im Seniorenschutzbund ganz unterschiedliche Wünsche an die Organisationsformen der Altenselbsthilfe gestellt wurden. 5.4 Universität des dritten Lebensalters In den 1980er Jahren erweiterte sich das Angebot an „Altenbildung“ in der Stadt quantitativ und qualitativ stark mit der Gründung einer „Universität des dritten Lebensalters“. Hunderte, schließlich Tausende Menschen jenseits der Berufstätigkeit nutzten die Möglichkeit, in diesem Rahmen an der Universität zu studieren. Die Gründung der „Universität des dritten Lebensalters“ begann 1978 mit der Bildung einer Arbeitsgruppe von Professoren und Professorinnen zur Förderung der Gerontologie und der Forschungsgruppe „Soziale Gerontologie“ unter Leitung von Anitra Karsten. Diese war Honorarprofessorin am Institut für Sozialpädagogik und Erwachsenenbildung sowie Lehrbeauftragte für Gerontologie und Altenhilfe am Fachbereich Erziehungswissenschaften.88 Seit 1980 war auch Gerd Iben im Fachbereich Erziehungswissenschaften engagiert. Initiiert wurde diese Universität von (emeritierten) Profes84 ISG, Sammlung Personengeschichte, S 2/P 17713, Presseausschnitt: Den Traum von der Gemeinschaft hat sie auch im Alter bewahrt, in: FR, 13. April 2000. 85 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/P 17644, Presseausschnitt: Seit der Parteigründung sind viele „Graue Panther“ verunsichert, in: FR, 2. August 1989. 86 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/P 17644, Presseausschnitt: Ein Achtungserfolg für die „Grauen“, in: FR, 4. Dezember 1990. 87 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/P 17644, Presseausschnitt: Die Revolte niederschlagen. Wie die „Grauen“ die „Grauen Panther“ ins Gebet nehmen, in: FAZ, 10. Oktober 1989. Schon vor der Gründung der Partei gab es Kontroversen zwischen einzelnen Ortsgruppen und der Zentrale des Seniorenschutzbundes in Wuppertal und Klagen über einen „diktatorischen Führungsstil“ in Wuppertal, insbesondere von Trude Unruh. Vgl. Donicht-Fluck (1984), S. 88. 88 Nachruf Anitra Karsten, in: Uni­Report, 17. November 1988, S. 4.

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soren89, es forderten jedoch auch alte Menschen außerhalb der Professorenschaft eine solche Einrichtung. So schrieb Editha Cappel 1979 einen offenen Brief an Frankfurts Oberbürgermeister, der in der Seniorenzeitschrift veröffentlicht wurde. Sie war Gasthörerin in der Musikwissenschaft und bezweifelte, dass es alten Menschen gerecht würde, Altenklubs zu besuchen. Wichtiger sei es, „geistig und sozial rege zu bleiben“, an wissenschaftlichen Diskussionen teilzunehmen und Kontakte untereinander zu finden. Damit Letzteres in der Anonymität der Universitäten möglich sei, wollte sie eine Altersuniversität eingerichtet wissen. Die Wissenschaft der Gerontologie hätte damit zugleich „Studienobjekte“. Sie dachte an Menschen, die die Voraussetzungen erfüllten, dem „wissenschaftlichen Niveau zu entsprechen“.90 Der Sozialdezernent Trageser äußerte sich in seiner Antwort skeptisch und verwies auf die Möglichkeiten der Gasthörerschaft91, gegen die die Schreiberin allerdings mit ihrem Hinweis auf die anonyme Massenuniversität argumentiert hatte. Verwiesen wurde in der Seniorenzeitschrift auf Altenuniversitäten in anderen Ländern wie Belgien, der Schweiz, Polen und der DDR; die älteste war die Universität des dritten Lebensalters in Toulouse von 1973. Erste Ansätze ließen sich Ende der 1970er Jahre in der BRD in Oldenburg, Dortmund92 und Marburg beobachten, aber auch in Skandinavien93 sowie in England94. Der hessische Sozialminister Armin Clauss sprach sich im Gegensatz zum Sozialdezernenten der Stadt Frankfurt 1980 für eine Gründung von Seniorenuniversitäten aus.95 Die Frankfurter Seniorenuniversität startete mit einer Ringvorlesung im Sommer 1982 zu den „Veränderungen im Alter“.96 In dieser Ringvorlesung wurden psychische und physische Veränderungen im Alter behandelt, aber es 89 Füssel, Ulrike: Andrang zur „Alten-Universität“ ist groß. Weder Zulassungsbeschränkungen noch Altersgrenzen. Auch die Jungen können profitieren, in: Seniorenzeitschrift, 1/1983, S. 10. 90 Seniorenzeitschrift, 3/1979, S. 7, Brief von Editha Cappel an den OB. 91 Seniorenzeitschrift, 3/1979, S. 7, Antwort auf (Leser-)Brief. 92 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/M 14604, Presseausschnitt: Keil, Siegfried: Universität für Alte, in: Senioren heute, 4. April 1985, Nr. 4, S. 27–31. In Dortmund gründete sich 1975 schon die Altenakademie, die zunächst nur die Räume der Hochschule nutzte, bis sich immer mehr Hochschullehrer beteiligten. 93 Seniorenzeitschrift, 3/1979, S.  7, Antwort auf (Leser-)Brief. 1992 schaute sich der Abteilungsleiter des Goethe-Instituts in Neu-Delhi, Pritam Lal Aneja, die Seniorenuniversität sechs Wochen lang an, um in einigen Jahren in seiner Heimatstadt eine Seniorenakademie zu gründen, und gab als Beweggrund das Auseinanderfallen der Familien in den indischen Großstädten an und dass Altenarbeit nicht stattfinde: ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/M 14604, Presseausschnitt: Indische „Universität des 2. Lebensalters“ geplant, in: o. A., Samstag, 11. Juli 1992, Nr. 159. 94 Laslett/Flügel (1995), S. 295–298. Die Universität des dritten Lebensalters in Cambridge hatte den Grundsatz, dass die Gruppe aus Personen, die sie bildet, selbst lernt und anderen hilft zu lernen, also unterrichtet, lernt und gleichzeitig forscht. 95 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/M 14604, Presseausschnitt: Armin Clauss für Senioren-Universität, in: FR, 27. März 1980. 96 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/M 14604, Presseausschnitt: An der Frankfurter Uni starten Professoren ein außergewöhnliches Vorhaben. Universität des dritten Lebensalters, in: FR, 12. Juni 1982.

5.4 Universität des dritten Lebensalters

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gab auch Vorlesungen zur sozialen Verarmung im Alter, zum Wohnen und der Selbstversorgung. Es wurde insgesamt ein positives Bild des Alters vermittelt und die These aufgestellt, dass der Ruhestand ein „Aktivstand“ sei.97 Die interdisziplinäre Besetzung der Ringvorlesung kam aus den Fachbereichen Jura, Gesellschaftswissenschaften, Kunstpädagogik und Erziehungswissenschaften. Daneben öffneten sich einige Fachbereiche für die Teilnahme der Senioren an regulären Veranstaltungen. Im Rahmen des Seniorenstudiums sollten weitere Arbeitsgruppen gebildet werden. Es wurde ein Gasthörerbeitrag von zunächst 50 DM pro Semester erhoben, der ermäßigt werden konnte. Es gab keine die Vorbildung betreffenden Zulassungsbeschränkungen und keine Altersgrenzen, weder nach oben noch nach unten.98 Erste Arbeitsgruppen in Seminarform waren „Sinnfindung im Alter“, „Altersprobleme von Frauen“ und die „Wohnsituation von alten Frauen“.99 Presseartikel betonten von Beginn an die rege Teilnahme, das Fragen und Mitdiskutieren, auch in den Vorlesungen.100 In den Arbeitsgruppen, geleitet von Wissenschaftlern der Universität und Gastdozenten, wurden Referate gehalten und Arbeitspapiere erstellt, so zum Beispiel zum „Übergang in den Ruhestand“. Eingeladen hatte man auch Vertreter von Parteien und Verbänden zu Diskussionsrunden. Außerdem fanden Exkursionen in verschiedene Betriebe statt.101 Eine Arbeitsgruppe erstellte eine Studie zu den Lebensbedingungen älterer Frauen und erhielt dafür einen Zuschuss der Stadt in Höhe von 300 DM.102 1984 beteiligten sich schon zwölf Fachbereiche und öffneten ihre Veranstaltungen für die Seniorenstudenten.103 Daneben gab es weiterhin die Ringvorlesung, nun zur „Entwicklung der Lebensbedingungen im Ballungsraum Frankfurt“. Senioren interessierten sich insbesondere für Seminare und Vorlesungen in Geschichte, Medizin, Psychologie, Theologie und Kunstgeschichte. Mitte bis Ende der 1980er Jahre wurden jeweils über 20 Arbeitsgruppen geplant, zu Fragen des Alters wie „Kreativität im Alter“, „Arbeit und Identität in der dritten Lebensphase“, zu Lernen und Gedächtnis im Alter, aber auch allgemein zur Geschichte, zur Kultur und zur Literatur.104 Weniger Arbeitsgruppen im Vergleich mit vorangegangenen Jahren befassten sich mit sozialen Fragen. Einige Seminare waren sehr praktisch ausgelegt, so ein Kurs zu Alter, Sport und Gesundheit, in dem sportme97 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S  3/M  14604, Presseausschnitt: Altwerden kann man auch lernen, in: FR, 6. November 1982. 98 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/M 14604, Presse- und Informationsdienst, Dienstag, 31. August 1982. 99 Füssel, Ulrike: Andrang zur „Alten-Universität“ ist groß. Weder Zulassungsbeschränkungen noch Altersgrenzen. Auch die Jungen können profitieren, in: Seniorenzeitschrift, 1/1983, S. 10. 100 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S  3/M  14604, Presseausschnitt: Altwerden kann man auch lernen, in: FR, 6. November 1982. 101 Seniorenzeitschrift, 1/1984, S. 8 f. 102 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/M 14604, Presse- und Informationsdienst, 18. September 1984. 103 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S  3/M  14604, Presseausschnitt: Die Senioren gehen jetzt ins vierte Semester, in: FR, 25. April 1984. 104 ISG, Universität des dritten Lebensalters, VS/126, Seminarübersichten.

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dizinische Aspekte behandelt werden sollten, der jedoch auch der Vermittlung aktueller Seniorensportangebote diente. In dem Seminar zu Wohn- und Lebensformen älterer Menschen wurden Fragebögen zu den Vorstellungen der älteren Teilnehmer der Seniorenuniversität, einen neuen Stadtteil betreffend, entwickelt und ausgewertet und 1987 in einem Bericht für den Sozialdezernenten zusammengestellt.105 Die Stadt beteiligte sich 1988 mit 34.000 DM zur Sicherung des Programms. Damit wurden die Arbeitsplätze in der Organisation finanziert. Die Gasthörergebühr betrug 60 DM.106 Mit der Gründung der Seniorenuniversität zielte man darauf ab, das Selbstbewusstsein bei den alten Menschen zu fördern, mehr Dialog zwischen den Generationen und eine Stärkung der Altersforschung an der Universität zu erreichen, um so den sozialen Problemen des Alters näherzukommen. Dazu sollten vor allem Arbeitsgruppen dienen, in denen es um aktuelle Probleme, die Lebensumwelt und die Anwendung wissenschaftlicher Methoden in der Erforschung aktueller lebensumweltlicher Probleme ging.107 Daneben gab es den Anspruch, mit der Öffnung der Fachbereiche ein „Studium generale“ zu schaffen, und zwar mit einem umfassend verstandenen Bildungsbegriff ohne Zweckorientierung.108 Die Öffnung von allgemeinen Seminaren für Senioren würdigte man als generationenübergreifendes Element der Seniorenuniversität, das den älteren Menschen ein Zusammentreffen mit der jüngeren Generation ermöglichte (die wiederum nicht in größerem Umfang die Ringvorlesung der Universität des dritten Lebensalters besuchte).109 Der Austausch zwischen den Generationen im Rahmen der Universität wurde als Aufeinandertreffen von „Lebenserfahrung“ und „Wissenschaft“ verkürzt.110 Ein Ziel der Begegnung zwischen den Generationen in den Seminaren sollte es sein, dass auf diese Weise einige Studierende auf ihre spätere berufliche Arbeit mit alten Menschen vorbereitet würden.111 Alten Menschen kam damit quasi die Funk105 ISG, Universität des dritten Lebensalters, VS/126, Protokoll der Beiratssitzung am 4. Juli 1988, zur Ausarbeitung der Arbeitsgruppe „Wohnprojekte“. Betraf das Neubaugebiet Preungesheim. 106 ISG, Universität des dritten Lebensalters, VS/126, Protokoll der Beiratssitzung am 4. Juli 1988. 107 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S  3/M  14604, Presseausschnitt: Ohne Altersgrenzen nach oben und unten, in: FAZ, 7. Juni 1982. 108 Böhme (2010), S. 8. 109 Füssel, Ulrike: Andrang zur „Alten-Universität“ ist groß, in: Seniorenzeitschrift, 1/1983, S. 10; ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/M 14604, Presseausschnitte: „Uni 3“ – jung und alt begeistert dabei. Umfrage ermittelte die Meinung zum Studium im dritten Lebensalter, in: FNP, 20. Februar 1985; Begegnungen zwischen den Generationen. Zwölf Fachbereiche an der Universität des dritten Lebensalters, in: FAZ, 17. Oktober 1984. 110 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S  3/M  14604, Presseausschnitte: Austausch zwischen Lebenserfahrung und Wissenschaft, in: FR, 13. Oktober 1983; Böhme, Günther: Universität des dritten Lebensalters. Lebenserfahrung, Bildung und Wissenschaft, in: IHK, Frankfurt a. M., Mitteilungen, 1. März 1986, S. 16 f. 111 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/M 14604, Presseausschnitt: Begegnungen zwischen den Generationen. Zwölf Fachbereiche an der Universität des dritten Lebensalters, in: FAZ, 17. Oktober 1984.

5.4 Universität des dritten Lebensalters

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tion eines Studienobjektes zu. Die Teilnahme der älteren Studierenden an Seminaren und Vorlesungen der Universität wurde einige Jahre später vom ersten Vorsitzenden des Beirates der „Universität des dritten Lebensalters“, Professor Günther Böhme, problematisiert: Die Alten seien oft besser vorbereitet, „drängelten“ sich deshalb jedoch manchmal vor, gelegentlich fühlten sich Studenten oder Dozenten sogar von „Altersgeschwätzigkeit“ belästigt.112 800 alte Menschen aus Frankfurt und der Umgebung bis hin nach Heidelberg interessierten sich im ersten Jahr für das Angebot. Die Beratung, die zweimal wöchentlich stattfand, wurde stark in Anspruch genommen.113 Zunächst nahmen nur 200 alte Menschen teil, fünf Jahre später waren es über 400114, zehn Jahre später 1.200 Teilnehmer115. Zielgruppe der Seniorenuniversität waren alle Schichten, die Teilnehmerschaft entsprach aber nie der Zusammensetzung der älteren Bevölkerung in Hinsicht auf die Bildungsabschlüsse und das Geschlecht. In Dortmund entstand aus der Altenakademie ein viersemestriger Studiengang mit Abschlussprüfung, der Senioren zu „Animateuren und Multiplikatoren“ in der Altenarbeit ausbilden wollte. Es handelte sich dabei um einen geförderten Modellversuch des Bundes, der daher wissenschaftlich begleitet wurde116: Ein Viertel der älteren Studierenden hatte das Abitur, die übrige Gruppe zu etwa gleichen Teilen Volksschul- und Realschulabschlüsse und Abschlüsse anderer weiterführender Schulen wie Fachschulen oder Handelsschulen. Damit war der Anteil der Abiturienten aber weitaus höher als in der Dortmunder Gesamtbevölkerung der über 65-Jährigen, von denen nur ein Prozent Abitur hatte und 84 Prozent den Volksschulabschluss.117 Mittlere und höhere Angestellte machten den Großteil der Seniorenstudenten aus. 80 Prozent waren in irgendeiner Form in Gewerkschaften, Vereinen, Kirchen und ähnlichen Gruppierungen organisiert und engagiert. Das Durchschnittsalter lag bei 59 Jahren. Während zunächst noch Frauen und Männer annähernd gleich stark vertreten waren, stieg der Frauenanteil bald 112 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/M 14604, Presseausschnitt: Senioren studieren am liebsten Geschichte, in: Gießener Anzeiger, 14. Oktober 1992, Nr. 239. Die Kritik an den Seniorenstudenten nahm Anfang des 21.  Jahrhunderts zu, als deutlich mehr als 2.000 von ihnen an die Hochschule kamen und Dozenten und jüngere Studenten über Platzmangel, aber auch Mangel an Redezeit in Veranstaltungen klagten. Es wurde neben dem Gasthörerbeitrag ein zusätzlicher Beitrag für jede weitere Veranstaltung von 50 Euro pro Semester erhoben (siehe Artikel 2005–2006 in: ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/M 14604). 113 Füssel, Ulrike: Andrang zur „Alten-Universität“ ist groß. Weder Zulassungsbeschränkungen noch Altersgrenzen. Auch die Jungen können profitieren, in: Seniorenzeitschrift, 1/1983, S. 10. 114 Uni des 3. Lebensalters besteht fünf Jahre. Orientierungskurs möglich, in: Senioren­ zeitschrift, 3/1987, S. 6. 115 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/M 14604, Presseausschnitt: Senioren studieren am liebsten Geschichte, in: Gießener Anzeiger, 14. Oktober 1992, Nr. 239. 116 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/M 14604, Presseausschnitt: Keil, Siegfried: Universität für Alte, in: Senioren heute, 4. April 1985, Nr. 4, S. 27–31. 117 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/M 14604, Presseausschnitt: Keil, Siegfried: Universität für Alte, in: Senioren heute, 4. April 1985, Nr. 4, S. 27–31, hier S. 30.

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auf 85 Prozent. Motive, die überwiegend von Frauen genannt wurden, waren das Finden einer neuen gesellschaftlich wichtigen Aufgabe und die fundierte Vorbereitung darauf. Daneben gaben sie zu 15 Prozent „persönliche“ Gründe an, wie der Autor der Studie schrieb, darunter der Wunsch nach neuen Kontakten, die Lust, neues Wissen erwerben, und die Hoffnung, verpasste Möglichkeiten nachholen zu können. Manchmal war eine Lebenskrise wie der Tod des Partners ein Anlass. In den Selbsteinschätzungen gaben die Betroffenen an, dass ihr Selbstwertgefühl gestiegen sei und die Sicherheit im Umgang mit Autoritäten.118 Diese Zahlen sind nicht ganz mit der Situation in Frankfurt vergleichbar, da es sich hier nicht um einen Studiengang mit dem Ziel einer Abschlussprüfung handelte und auch die Zusammensetzung der Altenbevölkerung anders als in Dortmund war. In Frankfurt überwogen ebenfalls die Frauen im Altenstudium, 1988 stellten sie drei Viertel der 600 Teilnehmer. Die Seniorenstudenten waren zwischen 43 und 89 Jahre alt, die meisten zwischen 60 und 70 Jahre, die Frauen durchschnittlich jünger als die Männer.119 1992 waren die 1.200 Teilnehmer zwischen 45 und 92 Jahre alt und zwei Drittel von ihnen Frauen.120 1988 hatte mehr als die Hälfte der Teilnehmer kein Abitur, und 60 Prozent der Studenten waren keine Akademiker; damit war sowohl der Anteil der Abiturienten als auch der Akademiker unter den Seniorenstudenten weitaus höher als unter der älteren Bevölkerung insgesamt.121 Die Gründe von alten Menschen in Frankfurt, die sich gegenüber der Presse äußerten und in Presseartikeln zitiert wurden, an Veranstaltungen der Seniorenuniversität teilzunehmen, lauteten: Austausch, Horizonterweiterung, der Wunsch, mit der jüngeren Generation besser klarzukommen und Vorurteile auf beiden Seiten abzubauen122, die eigenen Erfahrungen aus der Ge118 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/M 14604, Presseausschnitt: Keil, Siegfried: Universität für Alte, in: Senioren heute, 4. April 1985, Nr. 4, S. 27–31, hier S. 30. 119 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/M 14604, Presseausschnitt: Dabo, Silvia: Studieren im 3. Lebensalter, in: Uni­Report, Mittwoch, 10. Februar 1988, S. 3. 1991 wurde berichtet, dass die Frauen auch andere Vorlieben an der Universität hatten als die Männer: Diese seien meist Einzelgänger, die sich allein fortbilden wollten, die Frauen arbeiteten gern in Gruppen. Frauen interessierten sich eher für Sprachen, die Männer für Computer und neue Technologien (was einige Jahre vorher noch gar keine Rolle spielte), siehe ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S  3/M  14604, Presseausschnitt: „Omas“ wollen mehr hinzulernen. Geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Senioren-Universität, in: FR, 22.  Februar 1991. Es ist fraglich, ob diese Unterschiede schon zu Beginn der 1980er Jahre in dieser Weise bestanden. 120 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/M 14604, Presseausschnitt: Senioren studieren am liebsten Geschichte, in: Gießener Anzeiger, 14. Oktober 1992, Nr. 239. 121 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/M 14604, Presseausschnitt: Verlangt wird allein das Interesse am Studieren, in: FAZ, 26. März 1988. Einige Jahre später hatten nur noch 25 Prozent der älteren Studierenden einen Hochschulabschluss und 55 Prozent kein Abitur; möglicherweise lagen hier jedoch andere Definitionen zugrunde (ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S  3/M  14604, Presseausschnitt: Ältere studieren das Alter. Universität des dritten Lebensalters besteht zehn Jahre, in: FAZ, 13. Oktober 1992). 122 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S  3/M  14604, Presseausschnitt: Koch, Angela: „Die Masse an freier Zeit muß man ordnen“. Die Zahl der Senioren, die eine Universität besuchten, nimmt zu, in: FR, 17. Mai 1985.

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schichte weiterzugeben123, mit einer zeitlich festgelegten Tätigkeit in der Phase des Ruhestandes den Tag zu strukturieren124 und die Angst, den Anschluss an das öffentliche Leben zu verlieren125. Es war manchmal auch der Wunsch, Studienerfahrung, die früher nicht möglich war, nachzuholen.126 Einige Jahre nach der Einrichtung wurde von einem 65-jährigen Studierenden, der Diplom-Meteorologe war, angegeben, dass er die Vorlesungen über Geographie, Politik und Literatur als „sinnvolle Ergänzung“ seiner Interessen wahrnähme, da er daneben seinen Motorflugschein vorbereite.127 Er hatte selbst früher studiert und nahm nun das Studienangebot als Möglichkeit wahr, aktiv im Ruhestand Bildungs- bzw. Freizeitangebote auszuwählen aus Bereichen, mit denen er sich im Berufsleben nicht beschäftigt hatte. Viele Teilnehmer berichteten nach Besuch der Veranstaltungen von gestiegenem Selbstbewusstsein und einer positiveren Einstellung zum Altern.128 In Dortmund konnten sich im Gegensatz zu Frankfurt alte Menschen an der Universität gezielt mit universitärer Ausbildung auf eine ehrenamtliche Tätigkeit in der Altenarbeit vorbereiten. In Frankfurt wurde die Bedeutung des Seniorenstudiums zunächst darin gesehen, dass junge Studierende auf eine spätere Tätigkeit mit alten Menschen vorbereitet würden. Das Tätigwer123 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/M 14604, Presseausschnitt: An der Frankfurter Uni starten Professoren ein außergewöhnliches Vorhaben. Universität des dritten Lebensalters, in: FR, 12. Juni 1982. 124 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S  3/M  14604, Presseausschnitt: Opitz, Helmut: Viele sind erstaunt, was sie alles können, in: FAZ, 26. März 1988. 125 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S  3/M  14604, Presseausschnitt: Koch, Angela: „Die Masse an freier Zeit muß man ordnen“. Die Zahl der Senioren, die eine Universität besuchten, nimmt zu, in: FR, 17. Mai 1985. 126 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/M 14604, Presseausschnitt: ma: Nachholen, wofür der Beruf keine Zeit ließ. Über die Arbeit der Universität des dritten Lebensalters / Im Oktober beginnt das neue Semester, in: FAZ, 20. September 1986. Hildegard Neufeld, Autorin der Seniorenzeitschrift, betonte den „Sinn“, den ihr das Studium nach Beruf, Hausfrau- und Mutterpflichten biete: Neufeld, Hildegard: Freiraum für neue Initiativen, in: Seniorenzeitschrift, 2/1988, S. 25. 127 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/M 14604, Presseausschnitt: Heyn, Sibylle: Senioren stillen Wissensdurst seit fünf Jahren in den Hörsälen, in: FNP, 16. Oktober 1987. 128 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/M 14604, Presseausschnitt: Das Alter als Herausforderung und Gewinn. Die Universitäten des dritten Lebensalters vermitteln nicht nur Fachwissen, in: FAZ, 14. Oktober 1990, S. 19. In einer Studie, die im Jahr 2010 veröffentlicht wurde, ermittelten die Autoren, ob sich geistige Vitalität, körperliche Beweglichkeit und körperliche Gesundheit nach einem Besuch von Veranstaltungen positiv entwickelten; angenommen werden kann, dass dies nun wichtige Ziele waren und das Steigern des Selbstbewusstseins in den Hintergrund getreten war, siehe Brauerhoch/Dabo-Cruz (2010), S. 41–44. Auch ermittelt wurde jedoch das Erreichen eines schon lange bestehenden Ziels, nämlich das Knüpfen neuer Kontakte (Brauerhoch/Dabo-Cruz (2010), S. 51). Als Gewinn aus dem Studium gaben die älteren Studierenden selbst insbesondere „neue Horizonte“, „soziale Kontakte“, Erneuerung bestehenden Wissens an (S. 72–74); soziale Kontakte waren für beide Geschlechter und für Menschen mit unterschiedlichen Bildungsabschlüssen gleichermaßen bedeutsam, „neue Horizonte“ wurde häufiger von Frauen als von Männern genannt, die gleichzeitig durchschnittlich niedrigere Bildungsabschlüsse hatten. Brauerhoch/Dabo-Cruz (2010).

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5. Ausblick 1980–1985

den alter Menschen im Ehrenamt (nicht nur als „Objekte“ von Ehrenamtlichen) thematisierte man in Frankfurt 1991 in der Arbeitsgruppe „Neue gesellschaftliche Handlungsfelder für ältere Bürger“, in deren Rahmen ein Überblick über Aufgabenfelder gewonnen werden sollte.129 Die Vorbereitung auf ein Ehrenamt nahm an Bedeutung zu, es sollte 1992 auch in Frankfurt aus Mitteln des Bundesaltenplans ein „Seniorenbüro“ eingerichtet werden, in dem Senioren Angebote für ehrenamtliche Tätigkeiten fänden.130 In Frankfurt konnten laut eines Presseartikels zu diesem Zeitpunkt in Kurzstudiengängen schon Diplome im Bereich der Sozialen Gerontologie erworben werden, die die älteren Menschen auf die Altenarbeit vorbereiteten.131 Damit wurde das Studium der älteren Menschen zweckorientierter. Neben dem individuellen Zugang zur Bildung war nun eine Befähigung zu einer Tätigkeit (implizites) Ziel der Seniorenweiterbildung. 1993 wurde von Teilnehmern an der Seniorenuniversität ein „Büro Aktiv“ eröffnet, das ehrenamtliche Tätigkeiten an Rentner vermitteln wollte.132 Etwa im Jahr 1990 entstand die „Initiative Sterbebegleitung“, die aus einer Arbeitsgruppe hervorging.133 Ab 1993 gab es eine Studienberatung für die älteren Studierenden durch ältere Studierende zu Beginn des Semesters, die vorher nur im Geschäftszimmer von den angestellten Mitarbeitern angeboten worden war; Ziel war es, bei den Neustudierenden Hemmschwellen abzubauen.134 Wenngleich die Beteiligung der älteren Studierenden in den Arbeitsgruppen groß war, übernahmen Senioren nur selten eine Lehrtätigkeit. Hildegard Neufeld war 1995 von einer Studierenden zur Lehrenden geworden und sprach über die Rolle des älteren Menschen in der Werbung.135 Insgesamt wurde damit die eingangs zitierte Forderung des englischen Historikers und Altenforschers Peter Laslett zur Gründung der

129 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S  3/M  14604, Professor Günther Böhme, Universität des dritten Lebensalters, Brief an Einrichtungen mit Fragebogen. 130 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S  3/M  14604, Presseausschnitt: Selbständigkeit erhalten, in: FAZ, 17. Oktober 1992, Nr. 242, S. 47. 131 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S  3/M  14604, Presseausschnitt: Indische „Universität des 2. Lebensalters“ geplant, in: o. A., Samstag, 11. Juli 1992, Nr. 159. Ein weiterer Hinweis auf ein solches Diplom war jedoch nicht zu finden. 132 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/M 14604, Presseausschnitt: Die Ironie der späten Jahre. Lesung mit Arbeiten eines Seminars der Senioren-Universität, in: FR, 19. März 1993. 133 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/M 14604, Presseausschnitt: Wieder die hungrigen grauen Zellen trainieren. An der Frankfurter Universität des dritten Lebensalters beginnt dieser Tage das Wintersemester, in: FR, 19. Oktober 1995. 134 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/M 14604, Presseausschnitt: Rat für die Senior-Studenten. Universität des dritten Lebensalters bietet gezielte Einführung an, in: FR, 5. April 1993. 135 ISG, Sammlung Ortsgeschichte, S 3/M 14604, Presseausschnitt: Wieder die hungrigen grauen Zellen trainieren. An der Frankfurter Universität des dritten Lebensalters beginnt dieser Tage das Wintersemester, in: FR, 19. Oktober 1995. Neufeld war (ehrenamtliche) Redakteurin der Seniorenzeitschrift und ehemalige Redakteurin einer Wirtschaftszeitung.

5.5 Pflegebedürftigkeit und Versuch der Neuordnung der Pflege

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„University of the Third Age“ in Cambridge nicht erfüllt, dass die Lernenden und Lehrenden die Gleichen waren.136 5.5 Pflegebedürftigkeit und Versuch der Neuordnung der Pflege 5.5.1 Diskussion einer Pflegeversicherung auf Bundesebene 1980 gab das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit einen Bericht zur Zahl der zu Hause lebenden Pflegebedürftigen heraus, für den erstmals bundesweite Zahlen erhoben worden waren.137 Der Bericht teilte mittels Fragebögen je nach Schweregrad der Hilfsbedürftigkeit138 zu Hause versorgte Personen jeden Alters in vier Gruppen ein: A, B, C und D, wobei A die Gruppe mit dem höchsten Pflegebedarf kennzeichnete. Die Zahlen wurden im Jahr 1978 erhoben und ermittelten in einer Hochrechnung insgesamt 2.530.000 hilfsbedürftige Menschen, davon 935.000 in Gruppe C, die auf leichtere Grund- und zeitweise Behandlungspflege angewiesen seien, und 965.000 in Gruppe D, die nur „intensive Betreuung“ und Haushaltshilfe benötigten. Über 65 Jahre alt waren von allen Hilfsbedürftigen 1.650.000 und von diesen gut eine Million in den Schweregraden A, B und C. Das waren elf Prozent aller über 65-Jährigen und 28,4 Prozent der Menschen über 80 Jahre.139 Unter Berücksichtigung der Kategorie D waren es 18 Prozent aller über 65-Jährigen und schon 53 Prozent der über 80-Jährigen. Der Anteil der hilfsbedürftigen älteren Menschen, die zu Hause versorgt wurden, war damit bisher erheblich unterschätzt worden.140 Die zu Hause lebenden Hilfsbedürftigen wurden, wie eine Hochrechnung ergab, überwiegend von Haushaltsangehörigen versorgt, daneben von außerhalb des Haushalts lebenden Angehörigen, Verwandten, Bekannten, Nachbarn, jedoch nur zu zwölf Prozent von Institutionen (ambulanten Diensten) und professionellen freiberuflichen Hilfsund Pflegekräften, fünf Prozent besuchten (zeitweise) teilstationäre Einrichtungen (Doppelnennungen).141 Umgerechnet auf Frankfurt würden diese Zahlen bedeuten, dass beinahe 20.000 Menschen über 65 Jahre in der Stadt zumindest auf Betreuung und Haushaltshilfe und über 12.000 von ihnen auch auf (leichte bis ständige) Pflege angewiesen waren – eine Zahl, die bis dahin 136 Laslett/Flügel (1995), S. 295–298; vgl. zu dem in Großbritannien stärkeren „Selbsthilfe“Gedanken bei der Organisation der Universitäten des dritten Lebensalters auch Midwinter (1984). 137 Brög (1980). 138 Die Verfasser verwendeten den Begriff „Hilfebedürftigkeit“ und wollten damit nicht nur die in den unterschiedlichen Gesetzen wie dem BSHG, der RVO und im Lastenausgleichsgesetz als „pflegebedürftig“ definierten Personen erfassen: Brög (1980), S. 21. 139 Brög (1980), S. 41. 140 Blume u. a. (1974), S. 79; dort wurde für NRW von acht bis zehn Prozent ausgegangen. Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit (1977), S.  11 f.; siehe Kapitel 4.7.1. 141 Brög (1980), S. 60.

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5. Ausblick 1980–1985

durch kein öffentlich getragenes Angebot erreicht wurde.142 Ausgegeben wurden in der Stadt für die Hilfe zur Pflege nach den Paragraphen  68 und 69 BSHG außerhalb von Heimen 6.476.797 DM und für Hilfe zur Weiterführung des Haushaltes 285.534 DM (innerhalb von Heimen 19.658.203 DM)143, insgesamt empfingen 1980 6.474 Personen Hilfe zur Pflege144. Der Bedarf an Pflege wurde nach dem Bericht des Bundesministeriums nicht immer erfüllt. Insbesondere sei der Bedarf an leichterer Pflege und hauswirtschaftlicher Versorgung in den Gruppen C und D häufig nicht erfüllt, was die Studie damit erklärte, dass eine schwere Pflegebedürftigkeit eine Heimeinweisung oder den Aufbau eines Leistungsnetzes „provoziere“, in dem auch leichte Pflege und hauswirtschaftliche Versorgung enthalten sei, während Hilfsbedürftige, die nur in wenigen Bereichen Bedarf hätten, lange (leicht) unterversorgt lebten.145 In dieser Untersuchung wurden über die Zahlenerhebung hinaus Interviews mit Hilfsbedürftigen und ihren Pflegern geführt und die spezifischen Schwierigkeiten und Defizite in der Pflegesituation unterschiedlicher „Situationsgruppen“ dargestellt. Alleinstehende Hilfsbedürftige litten dabei insbesondere unter einem Mangel an sozialen Kontakten.146 Nur ein Viertel dieser Gruppe nutzte ambulante Dienste, drei Viertel konnten sich unter diesen Diensten nichts vorstellen oder hatten (finanzielle) Vorbehalte. Die meisten dieser Hilfsbedürftigen benötigten vor allem hauswirtschaftliche Versorgung und Betreuung, nur etwa 20 Prozent Grund- oder Behandlungspflege. In der Situationsgruppe der älteren Hilfsbedürftigen, die in einem Zwei- oder Mehrpersonenhaushalt lebten, litten häufig die Pflegepersonen an körperlicher und seelischer Überlastung.147 Als Maßnahmen zur Abhilfe wurden finanzielle Hilfen für altersgerechte Umbauten, Umzüge in altersgerechte Wohnungen und ambulante Dienste vorgeschlagen, um so den Pflegenden zu entlasten. Zeitweise Entlastungsangebote müssten ausgebaut werden. Man forderte jedoch keinen generellen Ausbau ambulanter pflegerischer Versorgung.148 Aussagen über die weitere finanzielle Absicherung des Pflegerisikos wurden in dieser Untersuchung im Auftrag des Bundesministeriums nicht gemacht. Die Finanzierung der Pflege und einer eigenständigen Pflegeversicherung wurde in den 1980er Jahren bundesweit diskutiert und mündete in erste Gesetzesvorlagen. Die Lücke im System der sozialen Sicherung war unbestritten, Kosten im Bereich der Sozialhilfeaufwendungen (Hilfe zur Pflege) bestimm142 Siehe Zahlen Kapitel 4.7.4 zum „Essen auf Rädern“ und zu den Hilfsdiensten; es waren knapp 2.000 Menschen, die damit versorgt wurden. 143 Statistisches Jahrbuch Frankfurt 1981, S. 119. 144 Statistisches Jahrbuch Frankfurt 1982, S. 119; die Personenzahl wurde leider nicht differenziert nach Hilfe zur Pflege in Heimen und außerhalb. 1978 waren es noch 5.607 Empfänger; Ausgaben 1985 (Statistisches Jahrbuch Frankfurt 1986, S.  120): Hilfe zur Pflege 11.803.791  DM außerhalb von Einrichtungen, 16.540.107  DM innerhalb von Einrichtungen an 6.485 Empfänger. 145 Brög (1980), S. 76, 83 f. 146 Brög (1980), S. 130. 147 Brög (1980), S. 158, 171, 181 ff. 148 Brög (1980), S. 234 f.

5.5 Pflegebedürftigkeit und Versuch der Neuordnung der Pflege

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ten die Diskussion. Auch der Ausbau von pflegerischer Infrastruktur stand in diesem Jahrzehnt im Mittelpunkt, ohne dass jedoch bis zu dessen Ende pflegebedürftige Menschen Leistungen aus der Sozialversicherung in Anspruch nehmen konnten.149 Die 1977 einberufene Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Pflegeproblematik legte in ihrem Bericht neben einer Darstellung der Situation 1980 Lösungsmöglichkeiten zu einer besseren sozialen Sicherung vor. Diese sahen entweder eine Erweiterung der gesetzlichen Krankenversicherung, eine besondere Pflegeversicherung oder ein Pflegegesetz ähnlich dem Wohngeldgesetz vor. Der Bericht stellte auch Kostenschätzungen an und schlug einen schrittweisen Beginn im häuslichen Bereich vor.150 Nur wenige Jahre später stellte die Bundesregierung in ihrem Bericht zu Fragen der Pflegebedürftigkeit 1984 klar, dass „derzeit eine umfassende Neuregelung oder eine grundlegende Änderung des sozialen Sicherungssystems nicht in Betracht“ komme.151 Begründet wurde diese Ablehnung mit den Kosten, die entstünden (sowohl für den Staat als auch für die Beitragszahler), und einer möglichen „Sogwirkung“152 in die stationäre Pflege. Stattdessen wolle die Bundesregierung die Situation der Pflegebedürftigen mit „Einzelmaßnahmen“ fördern, die vor allem den Ausbau der häuslichen Pflege umfassten, „weil es nach Auffassung der Bundesregierung menschlich und vernünftig ist, daß Pflegebedürftige die Zuwendung ihrer Angehörigen erfahren […]. Die Versorgung in der häuslichen Umgebung ist darüber hinaus im Allgemeinen auch kostengünstiger.“153 Die personelle Situation von ambulanten Diensten wollte die Bundesregierung durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Einsatz von Zivildienstleistenden und Absolventen eines freiwilligen sozialen Jahres unterstützen. In dieser Richtung startete die Bundesregierung 1984 auch einen Modellversuch154: Über vier Jahre förderte man 16 Sozialstationen in den Ländern mit zehn Millionen DM. Zusätzlich zu zwei Fachkräften wurden je bis zu zehn Zivildienstleistende finanziert, die sich vor allem um die Grundpflege kümmern sollten (Aufstehen, Anziehen, Einkaufen, Essenmachen, Eingehen 149 Igl (2005), S. 428, bezeichnet die Politik der Bundesregierung im Bereich der Pflegeversicherung als „Politik der ‚kleinen Schritte‘“. Eine (erste) Ausnahme bildete das Gesundheits-Reformgesetz 1989, das im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung ab 1991 Leistungen zur häuslichen Pflege für Schwerpflegebedürftige vorsah: Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen (GRG), in: BGBl. I, 1988, Nr. 62 vom 29.12.1988, S. 2477–2597, §§ 53–57 (S. 2496). Schwerpflegebedürftige konnten ab dem 1. Januar 1991 auf Kosten der Krankenkasse notwendige Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung erhalten, die jedoch auf 25 einstündige Pflegeeinsätze im Monat und 750 DM im Monat begrenzt blieben (§ 55, Absatz 1). Zudem wurden für bis zu vier Wochen zusätzliche Kosten übernommen, wenn die eigentliche Pflegeperson verhindert war (§ 56). 150 Grönert (1981). 151 Deutscher Bundestag, 10. Wahlperiode, Drucksache 10/1943, Bericht der Bundesregierung zu Fragen der Pflegebedürftigkeit, 5. September 1984, S. 13. 152 Deutscher Bundestag, 10. Wahlperiode, Drucksache 10/1943, Bericht der Bundesregierung zu Fragen der Pflegebedürftigkeit, 5. September 1984, S. 13. 153 Deutscher Bundestag, 10. Wahlperiode, Drucksache 10/1943, Bericht der Bundesregierung zu Fragen der Pflegebedürftigkeit, 5. September 1984, S. 14. 154 Informationsblatt Bundespresseamt, 3/1984, S. 2–4.

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auf Probleme und Fragen). Es gab zu dieser Zeit in der Bundesrepublik ungefähr 1.500 ambulante Dienste und Sozialstationen, von denen sich 200 für das Modellprojekt beworben hatten. In Hessen wurde eine Station in der Kleinstadt Dieburg ausgesucht.155 Der „Deutsche Verein“ kritisierte den Bericht zu Fragen der Pflegebedürftigkeit der Bundesregierung stark: Er setze zu sehr auf die ambulante Pflege und sogar auf die Stärkung der Familie und zu wenig auf das Pflegeheim, obwohl die Kosten der häuslichen Fremdpflege für mehrere Stunden täglich höher als Heimkosten seien. Er gehe nicht auf die vielen früheren Vorschläge zu einer Neuordnung der Pflegekosten ein und verkenne den Handlungsbedarf: „Wenn nicht bald gehandelt wird, werden immer mehr Pflegebedürftige in den großen Sog der Aussonderung und Deklassierung hineingezogen, der den sozialen Ausgleich in unserer Gesellschaft bedroht.“156 Der „Deutsche Verein“ hatte im Januar 1983 zusammen mit den kommunalen Spitzenverbänden, der „Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe“, der „Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege“ und dem KDA einen Vorschlag ausgearbeitet. Dieser sah die Einrichtung einer Pflegeversicherung mit organisatorischer Anbindung an die gesetzliche Krankenversicherung vor. Es sollte zunächst nur die Pflegebedürftigkeit alter Menschen versichert werden.157 Ein eigener Vorschlag des „Deutschen Vereins“ baute darauf auf und stellte heraus, dass die Versicherung für die Versicherten nicht mehr als nur einen Prozentpunkt der gegenwärtigen Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung ausmachen sollte.158 Der Vorrang ambulanter Hilfen vor der stationären Pflege sollte in einem etwaigen Gesetz festgeschrieben sein. Das Pflegegeld war nicht gedacht, um den Gesamtbedarf an Hilfeleistungen abzudecken, sondern um einen finanziellen Ausgleich zu bieten. Zweck sei vor allem Entlastung der pflegenden Angehörigen.159 Die Sozialhilfeträger könnten einen Teil der durch die Pflegeversicherung eingesparten Mittel einsetzen, um das Angebot bei den ambulanten Hilfen auszubauen. Ergänzend müssten auch die teilstationären Behandlungs- und Rehabilitationseinrichtungen (Tageskliniken, Tagespflegeheime) ausgebaut werden. Diese seien in Deutschland kaum entwickelt: 1983 habe es nur 250 Plätze insgesamt gegeben (davon war ein Teil in Frankfurt), im benachbarten Ausland – in Dänemark, den Niederlanden, der Schweiz – gebe es ein Vielfaches. Für Behandlungs- und Rehabilitationsmaßnahmen auch bei alten Menschen sei weiterhin die Krankenversicherung verantwortlich. Nach Berechnungen des „Deutschen Vereins“ würden mit diesen Vorschlägen etwa 50 Prozent der Sozialhilfeempfänger in Heimen unabhängig vom Sozialhilfebezug.160 155 156 157 158

Informationsblatt Bundespresseamt, 3/1984, S. 2–4, hier S. 3. Fichtner, Otto: Einführung, in: NDV 65 (1985), H. 1, S. 1 f., hier S. 2. NDV 63 (1983), H. 3, S. 70 f.; Neseker (1984), S. 144 f. Neseker (1985), S. 3. Nach diesem Text war wirklich nur ein Prozentpunkt der Beiträge zur Krankenversicherung gemeint, nicht ein Prozentpunkt des Bruttoeinkommens, das bedeutete damit eine sehr geringe Summe. 159 Nöldeke (1985), S. 7. 160 Nöldeke (1985), S. 8.

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Einen ersten Gesetzesentwurf zu einem Bundespflegegesetz legte die Bundestagsfraktion der Partei „Die Grünen“ Ende 1984 vor.161 Diese forderten darin ein steuerfinanziertes Pflegegeld für die Gesamtbevölkerung und planten eine Abschaffung der Pflegeheime bis 1995, die komplett durch ambulante Pflegehilfen ersetzt werden sollten – ein Gesetzesentwurf, der mit seiner radikalen Ablehnung stationärer Unterbringung sowohl im „Deutschen Verein“162 als auch in der kommunalen Altenhilfe der Stadt Frankfurt auf Ablehnung stieß (siehe unten). 5.5.2 Ambulante Krankenpflege und mobile Dienste in Frankfurt – Versuch der Neuorganisation Im dritten kommunalen Altenplan formulierte die Stadt Frankfurt das Leitziel, die selbständige, unabhängige Lebensführung älterer Bürger zu fördern; sollten sie jedoch zu einer selbständigen Lebensführung nicht mehr in der Lage sein, träten Heime ein, in denen die „aktivierende Pflege“ zentral sei.163 Offene und teilstationäre Formen der Altenhilfe könnten jedoch in weiten Bereichen stationäre Formen ersetzen und den Übergang ins Heim so lange wie möglich aufschieben. Auf den Ausbau der offenen Altenhilfe im vergangenen Jahrzehnt sollte aufgebaut werden, eine grundlegende Neuorientierung war nicht geplant. Es wurde weiterhin auf einen Ausbau von Altenwohnungen gesetzt, während die Altenheimplätze, die eine Zwischenstufe in der Versorgung zwischen Altenwohnung und Pflegeheim boten, zurückgingen.164 161 Deutscher Bundestag, 10. Wahlperiode, Drucksache 10/2609, Gesetzentwurf der Fraktion DIE GRÜNEN, Entwurf eines Gesetzes zur Finanzierung einer besseren Pflege (Bundespflegegesetz), 12. Dezember 1984. Es folgten jenseits des Untersuchungszeitraumes dieser Studie Gesetzesentwürfe der Länder Rheinland-Pfalz (1985), Hessen und Bayern (1986). Hessen sah das Modell einer eigenständigen, obligatorischen Pflegeversicherung für die Gesamtbevölkerung mit Versicherungsschutz ohne Altersgrenzen vor; Bayern und Rheinland-Pfalz sahen die Sicherung der Pflegebedürftigkeit nur im Alter vor, Bayern im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung. Rheinland-Pfalz plante nur Leistungen für Pflegebedürftige ab 60 Jahren, bezog stationäre und häusliche Pflege mit ein und sah auch Leistungen an Pflegepersonen im häuslichen Bereich wie Alterssicherung vor; das Gesetz sollte aus Steuermitteln finanziert werden. Nach dem bayerischen Gesetzesentwurf waren sogar nur schwer- und schwerstpflegebedürftige Versicherte nach dem vollendeten 65. Lebensjahr bezugsberechtigt. Die Leistungen sollten im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung bei häuslicher, teilstationärer und stationärer Pflege als Festbeträge gewährt werden; vgl. Igl (2005), S. 429–432. 162 Frank (1985), S. 13. 163 Der Dezernent für Soziales, Jugend und Wohnungswesen, Karl-Heinz Trageser (1981), S. 13. 164 Statistisches Jahrbuch Frankfurt 1981, S. 117, Heime für alte Menschen zum 31. Dezember 1980: Altenwohnheime/-anlagen 4.975 Plätze, Altenheime 668 Plätze, Altenpflegeheime 37 Plätze, Plätze in mehrgliedrigen Einrichtungen 3.118. Statistisches Jahrbuch Frankfurt 1986, S. 123, Heime für alte Menschen zum 31. Dezember 1985: 76 Einrichtungen von Altenwohnheimen und -anlagen mit insgesamt 7.385 Plätzen, elf Altenheime mit 289

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Der dritte Altenplan stellte fest, dass die ambulante Pflege und die ambulanten Dienste von einer Vielzahl unterschiedlicher Träger angeboten wurden und dies für eventuell bedürftige ältere Bürger undurchschaubar war. Künftig sollte es Zentralen geben, die über die Dienste informierten, sie vermittelten und unter Umständen auch selbst anboten. Dabei dachte man an verschieden leistungsfähige Zentralen: Im ersten Modell sollte die Koordination bei den Zentralen für ambulante Krankenpflege selbst liegen, die auch über die übrigen ambulanten Dienste informierten und diese Dienste vermittelten, sie selbst jedoch nicht unbedingt anboten.165 Eine zweite Möglichkeit wurde darin gesehen, dem ehrenamtlich tätigen Sozialbezirksvorsteher die Koordination zu übertragen  – gleichzeitig jedoch einschränkend eingewandt, dass er tagsüber, da überwiegend berufstätig, nur schwer erreichbar sei.166 Damit wäre mit diesem Modell weiterhin keine vermittelnde Zentrale geschaffen. Das dritte Modell sah vor, Sozialstationen des Sozialamtes in die Vermittlung der ambulanten und mobilen Dienste einzubeziehen und diesen Außenstellen des Sozialamtes zudem ergänzende Angebote aufzutragen. Diese ergänzenden Angebote sollten möglichst durch ehrenamtliche Nachbarschaftshilfe geschaffen werden. Die ambulanten mobilen Dienste wurden in Frankfurt zu diesem Zeitpunkt überwiegend von den Wohlfahrtsverbänden getragen. Ende der 1970er Jahre entstanden erste kleine, unabhängige Vereine (z. B. „Kontakt. Alten- und Nachbarschaftshilfe e. V.“), private gewerbliche Anbieter gab es im ambulanten Bereich nicht. In anderen Regionen sah das anders aus: Im Frühsommer 1983 warnte der Landeswohlfahrtsverband Hessen die Sozialämter, es entstehe gerade ein „gefährlicher Wildwuchs im Heimbereich und bei den ambulanten mobilen Diensten“.167 Auch das KDA wies auf die Problematik hin und erstellte eine Umfrage zu privaten Pflegediensten, privaten Pflegestellen und Kleinstheimen.168 Die Stadt Frankfurt antwortete, es gebe keine Anzeichen, dass private Pflegeangebote im Raum Frankfurt zunähmen; es bestehe auch kein Bedarf, da ein flächendeckendes öffentliches Angebot existiere.169 Die Gemeindekrankenpflege blieb in konfessioneller Hand, das Personal bestand jedoch zum Ende des Jahrzehnts nicht mehr aus Ordensfrauen und Diakonissen. 1984, als nur noch sechs Diakonissen in der Gemeindepflege

165 166 167 168 169

Plätzen, mehrgliedrige Einrichtungen mit 1.045 Altenheimplätzen und 2.414 Pflegeheimplätzen. Der Dezernent für Soziales, Jugend und Wohnungswesen, Karl-Heinz Trageser (1981), S. 99. Der Dezernent für Soziales, Jugend und Wohnungswesen, Karl-Heinz Trageser (1981), S. 100. ISG, Fürsorgeamt 4154, Arbeitsgemeinschaft nach § 95 BSHG, Liga der freien Wohlfahrtspflege und Dezernat für Soziales, Jugend und Wohnungswesen, Frankfurt a. M., Ergebnisprotokoll Sitzung vom 26. Mai 1983, 8. Juni 1983. ISG, Fürsorgeamt 4154, KDA an die Sozialämter ausgewählter Städte und Landkreise, 16. Februar 1984. ISG, Fürsorgeamt 4154, Entwurf, Im Auftrag Humbert, Magistratsdirektor, an das Kuratorium Deutsche Altershilfe, Frankfurt, 22. Juni 1984.

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tätig waren, wurden die positiven Aspekte der Gemeindekrankenpflege in früherer Zeit in den Blättern aus dem Diakonissenhaus ein letztes Mal beschworen: Wie viele Sterbefälle hatten wir doch früher, und wie schön war es, wenn wir Auferstehungslieder an den Sterbebetten singen konnten! Heute werden die meisten Patienten zum Sterben ins Krankenhaus gebracht, oft nur für einen Tag oder eine Nacht. Das macht uns oft sehr traurig. […] In den Landgemeinden werden mehr als in der Stadt die alten Menschen in den Familien gepflegt; hier können die Schwestern oft jahrelang dieselben Patienten besuchen und sie bis zum Sterben begleiten. Alte alleinstehende Menschen sind besonders dankbar für ihren Besuch.170

Neuerungen im Bereich der Abrechnung häuslicher Krankenpflege begegnete man weiterhin skeptisch: Die zunehmende Bürokratisierung der Gemeindepflege macht einigen Schwestern zu schaffen. Damit die Krankenkassen zur Finanzierung der häuslichen Krankenpflege herangezogen werden können, müssen alle pflegerischen Maßnahmen aufgeschrieben werden. Diese Umstellung auf mehr Schreibarbeit, wie sie ja im Krankenhaus schon längst notwendig ist, erfordert viel Zeit und Mühe. Ein pauschaler Zuschuß der Krankenkassen für die Gemeindekrankenpflege wäre für alle Beteiligten weniger aufwendig. Die Gemeindeschwestern haben auch die Aufgabe zu trösten und zu heilen, wenn Unglück und Unfrieden die Familien belastet.171

Wie im vorangegangenen Jahrzehnt wurde die umfassende Gemeindepflegearbeit als eigentlich unvereinbar mit modernen Abrechnungsmodalitäten beschrieben. Die Bedeutung der Gemeindepflege wurde betont – zu einem Zeitpunkt, als es kaum noch Diakonissen gab. Zum Ende des Jahrzehnts arbeitete in Frankfurt keine Diakonisse mehr als Gemeindeschwester, die letzte Gemeindestation wurde an andere Mitarbeiter übergeben.172 Man bedauerte den Wegfall des missionarischen Aspekts und den Verlust dieser Verbindung zur Gemeinde.173 Die katholischen Gemeindepflegestationen und Zentralstationen beschäftigten 1982 noch elf Gemeindekrankenschwestern, 1986 war es nur noch eine und im Jahr 1989 keine Ordensfrau mehr, sondern 62 Fach-

170 Getrost und freudig. Blätter aus dem Diakonissenhaus Frankfurt a. M., H. 347, Januar/Juni 1985, Jahresbericht 1984, S. 26 f. 171 Getrost und freudig. Blätter aus dem Diakonissenhaus Frankfurt a. M., H. 347, Januar/Juni 1985, Jahresbericht 1984, S. 26 f. 172 Getrost und freudig. Blätter aus dem Diakonissenhaus Frankfurt a. M., H. 365, Januar/März 1990, Jahresbericht, S. 14; Frankfurter Diakonissenhaus Archiv, Nr. 88, Gemeinde Dreikönig, 1876–1989, Schwester Dagmar an Oberin Oehler, 21. März 1989 betr. Ihren Abschied. Vorher hatte sich die Gemeindepflegestation schon der Zentrale für ambulante Krankenpflege in Frankfurt-Sachsenhausen angeschlossen und dabei die Zustimmung der Gemeindeschwester Dagmar eingeholt, die den Anschluss „recht nüchtern“ sah. Sie sollte nur „nicht in das 40-Stunden Arbeitsschema eingebunden sein. Sie hat als Diakonisse die Freiheit, auf alle Fälle nachmittags Hausbesuche zu machen.“ (Frankfurter Diakonissenhaus Archiv, Nr. 88, Gemeinde Dreikönig, 1876–1989, Brief der Vorsteherin Anneliese Oehler an Pfarrer Günter Werk, Kirchenvorstand der Dreikönigsgemeinde 15. Februar 1984.) 173 Getrost und freudig. Blätter aus dem Diakonissenhaus Frankfurt a. M., H. 365, Januar/März 1990, Jahresbericht, S. 6.

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kräfte für Kranken- und Altenpflege, ein Sozialarbeiter, acht Hauspflegerinnen und fünf Zivildienstleistende.174 Wie am Ende des vorangegangenen Jahrzehnts begonnen, versuchte die Stadt, verordnungsfähige Krankenpflege und hauspflegerische und hauswirtschaftliche Dienste getrennt abrechenbar zu machen. Am 12. November 1981 vereinbarte die Stadt in einer Sitzung der „Liga der freien Wohlfahrtspflege“ mit den Trägern175, dass die häusliche Krankenpflege nach den Paragraphen  37 BSHG und 185 RVO (ärztlich verordnet) ab 1. Januar 1982 nicht mehr Teil der Hauspflege, sondern ausschließlich Aufgabe der Gemeindekrankenpflegestationen sein solle. Die Hauspflege biete nur noch Hilfe zur Pflege im Sinne der Paragraphen 68 und 69 BSHG von Schwerbehinderten und alten Menschen an, zweitens Haushaltshilfen im Sinne der Paragraphen 70 BSHG und 85 b RVO und drittens sonstige mobile Dienste im Sinne der Paragraphen 40 Abs. 1 Nr. 8 und 75 BSHG.176 Jedoch wurde schon ein knappes Jahr später auch in der Abteilung Altenhilfe im Sozialamt festgestellt, dass die Grenzen zwischen häuslicher Altenpflege und häuslicher Krankenpflege fließend seien. Denn oft sei nicht das Alter, sondern doch die Krankheit verantwortlich. „Alter ist keine Krankheit, alte Menschen sind für Krankheiten anfälliger.“177 Meist sei es eine Bündelung von Krankheiten mit chronischem Verlauf, die Gebrechlichkeit und damit Abhängigkeit erzeugten. Mit diesen Überlegungen knüpfte die Abteilung Altenhilfe an die Überlegungen aus den frühen 1970er Jahren an, die auch dem Gutachten des KDA zugrunde lagen (siehe Kapitel 4.7.1). Die sonstigen Dienste sollten künftig mit pauschalen, aber kostendeckenden Vergütungssätzen pro Einsatz, getrennt nach Art der Leistungen, abgerechnet werden. Man plante, die Mischfinanzierung durch Teilpflegesätze und jährliche Förderungsbeträge der Stadt nach einer Erprobungsphase aufzugeben.178 Die Verbände berichteten im September 1982 von ersten Erfahrungen mit dem neuen Pflegesatzsystem.179 Sie rechneten mit einem erheblichen Defizit und beklagten sich über eine Sonderregelung mit dem Hauspfle174 Zahlen nach ACVF, Klaus Reimer, Geschichte des Caritasverbandes Frankfurt (unveröffentlichtes Manuskript). 175 ISG, Fürsorgeamt 4152, Abt. Gesundheitshilfe an Hauspflegeverein e. V., Caritas-Verband Frankfurt a. M. e. V., Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Frankfurt a. M., Deutsches Rotes Kreuz, Frankfurt, 23. November 1981, betr. Neuorganisation der Hauspflege, Kostendeckende Vergütungssätze ab 1. Januar 1982. 176 § 40 umfasste die Hilfen für Behinderte, darunter auch ambulante Behandlung und ärztlich verordnete Maßnahmen zur Verhütung, Milderung und Beseitigung von Behinderung. 177 ISG, Fürsorgeamt 4152, Sozialamt, Abteilung Altenhilfe, Vermerk: Beschreibung der Aufgabengebiete für den Bereich mobile/ambulante Dienste, 28. Oktober 1982. 178 ISG, Fürsorgeamt 4152, Sozialamt, Gesundheitshilfe am 1. Juni 1981 an Stadtrat Trageser, betr. Förderung der Hauspflege in Frankfurt a. M., hier: Vorstellung des Amtes 50 über die künftige Neuregelung der Finanzierung für das beabsichtigte Gespräch mit den Organisationen. 179 ISG, Fürsorgeamt 4152, Niederschrift über das Treffen der Arbeitsgemeinschaft nach BSHG § 95 am 8. September 1982, Frankfurt, 21. Oktober 1982.

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geverein, die weiterhin eine Mischfinanzierung mit Defizitabrechnung vorsah.180 Bisher gebe es erhebliche Schwierigkeiten bei der Abrechnung mit den Kassen. Die Krankenkassen würden nur zum Teil die in den ärztlichen Verordnungen aufgeführten Leistungen zahlen. Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der ärztlichen Verordnung stünden, wie Wäschewechsel, würden gar nicht erstattet. Ein eindringlicher Einzelfall vom Oktober 1982 zeigte, dass trotz der positiven Schilderungen im dritten kommunalen Altenplan mitnichten schnelle ambulante Versorgung für viele ältere Bürger zur Verfügung stand: Die Mitarbeiterin einer Sozialstation machte mit einer Gemeindeschwester zusammen einen Hausbesuch bei einem alten Mann, der nicht mehr von seinen Nachbarn versorgt werden konnte. Sie trafen im August 1982 einen pflegebedürftigen 84-jährigen Mann an, der in unhaltbaren hygienischen Verhältnissen lebe und einer Heimeinweisung nicht zustimme.181 Die Gemeindepflegerin könne die sonstige Pflege nicht übernehmen, und andere Träger lehnten wegen „Unzumutbarkeit“ ab, denn der Mann reiße sich die Windeln ab. Der Arzt wolle nicht ins Krankenhaus einweisen, da es ein reiner Pflegefall sei. Am 1. September wurde die Polizei eingeschaltet, die den Pflegebedürftigen einem Facharzt des Gesundheitsamtes und dem Richter eines Amtsgerichts vorstellte, eine vorläufige Unterbringung wurde jedoch abgelehnt. Gleichzeitig reichte man einen Antrag der Vormundschaftshilfe auf Errichtung einer Gebrechlichkeitspflegschaft ein und setzte am 17.  September einen Vormund ein, der die Heimunterbringung zum 22. September veranlasste. Die unzureichende Versorgungssituation war damit erst nach über drei Wochen durch Vormund und Heimunterbringung gelöst. Beschrieben wurde in diesem Fall, dass die Gemeindeschwester nur einen zeitlich begrenzten Hilfeeinsatz leisten konnte und das nicht mehr unter als unakzeptabel geschilderten hygienischen Bedingungen tat; andere Hilfen im ambulanten Bereich standen aber entweder nicht so schnell zur Verfügung oder wurden wegen „Unzumutbarkeit“ wieder eingestellt: Begrenzter Einsatz erfolgte lediglich durch Zivildienstleistende des Sozialzentrums Marbachweg, die die verschmutzte Wäsche in eine Spezialwäscherei brachten und wieder holten sowie einmal das Badezimmer putzten, um damit Voraussetzungen für das Tätigwerden der Gemeindeschwester zu schaffen. Danach wurde auch von dieser Einsatzstelle eine Wiederaufnahme der Arbeit wegen Unzumutbarkeit abgelehnt. Wir meinen, daß sich eine solche Situation jederzeit wieder zutragen kann und denken dabei besonders an Alleinstehende.182

Die leitende Dienststelle des Sozialamtes warf der Sozialstation vor, sich nicht genug bemüht zu haben, das flächendeckende ambulante Hilfenetz in An180 ISG, Fürsorgeamt 4152, Niederschrift über das Treffen der Arbeitsgemeinschaft nach BSHG § 95 am 8. September 1982, Frankfurt, 21. Oktober 1982. 181 ISG, Fürsorgeamt 4152, Sozialstation Eschersheim, Familienfürsorge „Ältere Bürger“, Sossenheimer, an das Sozialamt, 29. Oktober 1982. 182 ISG, Fürsorgeamt 4152, Sozialstation Eschersheim, Familienfürsorge „Ältere Bürger“, Sossenheimer, an das Sozialamt, 29. Oktober 1982.

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spruch zu nehmen; die Einrichtungen im Bereich der Hauspflege seien umfassend und ausreichend.183 Die Abteilung Altenhilfe des Sozialamtes hingegen hatte mehr Verständnis für die Situation der Sozialstation Eschersheim und sah Lücken im „umfangreichen Versorgungssystem“.184 Menschen, die nicht nur pflegebedürftig, sondern auch mit einer selbständigen Haushaltsführung überfordert waren, fielen durch die Maschen des ambulanten Netzes. 1983 wurde in der Abteilung Altenhilfe ein Diskussionspapier für die Neuordnung der ambulanten und mobilen Dienste in Frankfurt erstellt.185 Eigentliche Hilfen im Haushalt seien noch nicht ausreichend abgedeckt. Auch seien bei den pflegerischen Leistungen noch keine Unterschiede herausgearbeitet worden, die Dienste den unterschiedlichen Kostenträgern Krankenversicherung oder Sozialhilfe zuordnen ließen. Die Träger selbst könnten dies nicht, weil die „Grenzen zwischen häuslicher Krankenpflege und häuslicher Altenpflege – besonders bei älteren Menschen – fließend sind“.186 Damit war der 1982 gestartete Versuch, mit kostendeckenden, differenzierten Pflegesätzen abzurechnen, gescheitert. Ziel sei ein kosten- und bedarfsgerechtes Angebot, das Kostenniveau solle übersichtlich und durchschaubar für den Bürger sein, gleichzeitig allerdings sollten „überzogene Anspruchshaltungen abgebaut werden“.187 Um die Pflege neu zu organisieren, wurde ein Aufgabenkatalog erstellt, der sich an den Einzelmaßnahmen orientierte, die die Krankenkassen abrechneten. Der Aufgabenkatalog unterschied erstens und zweitens zwischen Grund- und Behandlungspflege und drittens Hilfen zur Haushaltsführung. Die meisten Einzeltätigkeiten fielen in den Bereich der Grundpflege. Die Einzelauflistungen zeigten, so wurde in dem Diskussionspapier selbst eingeräumt, dass eine Abgrenzung zwischen Grund- und Behandlungspflege schwierig war; insbesondere traf das auf die Tätigkeiten zur Wundversorgung wie das Anlegen von Umschlägen und Verbänden zu, auch auf die Spülungen, die sich an die grundpflegerischen Waschungen anschlossen. Die Hilfen zur Haushaltsführung umfassten Putzdienste, Brennstoffversorgung, Einkaufsdienste, Wäschedienste und Mahlzeitenlieferungen. Träger gab es zu diesem Zeitpunkt im Bereich der Haushaltsführung zehn; es kamen nur langsam neue hinzu, einige Jahre später waren es 13 Träger.188 Eine Kostenübersicht zeigte die Bandbreite, mit der die Träger ihre Leistungen in der häuslichen Altenpflege und bei der Haushaltshilfe zu diesem Zeitpunkt abrechneten: Der „Frankfurter Verband für Alten- und Behindertenhilfe“ rech183 ISG, Fürsorgeamt 4152, Sozialamt, Humbert, an Sozialstation Eschersheim, 28. Dezember 1982. 184 ISG, Fürsorgeamt 4152, Sozialamt Abteilung Altenhilfe, LI, an Sozialstation Eschersheim, Familienfürsorge, Frankfurt, 21. Dezember 1982. 185 ISG, Fürsorgeamt 4152, Diskussionspapier für die Neuordnung der ambulanten/mobilen Dienste in Frankfurt a. M., aufgestellt Frankfurt, 20. Mai 1983, gez. Funk, List. 186 ISG, Fürsorgeamt 4152, Diskussionspapier für die Neuordnung der ambulanten/mobilen Dienste in Frankfurt a. M., aufgestellt Frankfurt, 20. Mai 1983, gez. Funk, List. 187 ISG, Fürsorgeamt 4152, Diskussionspapier für die Neuordnung der ambulanten/mobilen Dienste in Frankfurt a. M., aufgestellt Frankfurt, 20. Mai 1983, gez. Funk, List, S. 2. 188 ISG, Fürsorgeamt 4154, Adressliste Dienstleistungen Haushaltsführung, o. D. (ca. 1985).

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nete mit dem „Frankfurter Modell“, getragen von Zivildienstleistenden, 0 DM die Stunde für Hilfen zur Haushaltsführung ab, der teuerste Anbieter nahm 32 DM für eine Stunde Altenpflege. Der kleine Verein „Kontakt e. V. “ nahm auch für Altenpflege nur 20 DM in der Stunde, jedoch ebenso viel bei den Hilfen zur Haushaltsführung. „Kontakt e. V.“ grenzte sich in seiner Zielsetzung zu diesem Zeitpunkt von den anderen Institutionen ab: „Hier wird Pflege so verstanden, daß auf alle Fälle eine Einweisung in ein Alten- und Pflegeheim vermieden werden soll. Das führt dazu, daß Pflegeleistungen in einem Umfang erbracht werden, die bei anderen Organisationen nicht mehr durchführbar sind.“189 In einigen Pflegefällen des Vereins wurde von der Sozialstation Bornheim eine Übernahme der Kosten für vier- bis fünfstündige tägliche Pflege beantragt und bezahlt. Kosten von 2.000 DM und mehr im Monat waren die Folge, was in dem städtischen Diskussionspapier abgelehnt wurde: „Wir können dieser Entwicklung nicht tatenlos zusehen, da wir Pflegeleistungen in einem solchen Umfang nicht als unbedingt notwendig ansehen.“190 Man schlage daher ein Gespräch mit „Kontakt e. V.“ vor. Das Diskussionspapier bemängelte das uneinheitliche und verwirrende Verhalten der Krankenkassen. Meist werde keine Grundpflege übernommen, wohl aber Behandlungspflege; damit würden alte Menschen zum Teil schlechtergestellt, da sie als „nicht mehr behandlungsfähiger Pflegefall“ eingestuft wurden.191 Die AOK Frankfurt vergütete die Grundpflege mit 16  DM die Stunde und die Behandlungspflege nach ihrem Gebührenverzeichnis. Hauskrankenpflege und Hilfsdienste wurden nur mit 21 DM pro Tag anerkannt. Andere Kassen vergüteten noch niedriger. Die Folge seien vermehrte stationäre Aufnahmen. Eine Lösung wurde langfristig nur in der Einführung einer Pflegeversicherung gesehen.192 189 ISG, Fürsorgeamt 4152, Diskussionspapier für die Neuordnung der ambulanten/mobilen Dienste in Frankfurt a. M., aufgestellt Frankfurt, 20. Mai 1983, gez. Funk, List, S. 9; siehe dazu auch ISG, Fürsorgeamt 4152, Anlagen: Zeitungsartikel aus Bornheimer Brück vom 20. Januar 1983: Alten- und Nachbarschaftshilfe: Statt Pflegeheim Pflege daheim. Betreuung in den eigenen vier Wänden. Der Verein betreute mit 17 Mitarbeitern aus der Altenpflege, der Sozialarbeit und Krankenpflege 30 bis 40 Menschen im Schichtdienst und im System der „Ganzheitsversorgung“. Sämtliche anfallenden Arbeiten würden von derselben Person erledigt und umfassten Pflege, Haushaltshilfen, Behördengänge und Einkäufe. 190 ISG, Fürsorgeamt 4152, Diskussionspapier für die Neuordnung der ambulanten/mobilen Dienste in Frankfurt a. M., aufgestellt Frankfurt, 20. Mai 1983, gez. Funk, List, S. 9. 191 ISG, Fürsorgeamt 4152, Diskussionspapier für die Neuordnung der ambulanten/mobilen Dienste in Frankfurt a. M., aufgestellt Frankfurt, 20. Mai 1983, gez. Funk, List, S. 15. 192 Eine Analyse der Abrechnungen des Deutschen Roten Kreuzes von 1982 bestätigte, dass die Abrechnung mit den Krankenkassen hohe Defizite für die Träger bedeutete, siehe ISG, Fürsorgeamt 4153, Sozialamt Abteilung Altenhilfe, 50.31 Li, Frankfurt a. M., 12. Juli 1983, Untersuchung über das Kostengefüge ambulanter/mobiler Dienste im Vergleich zu den Kostenerstattungen der einzelnen Kostenträger (mit Tabelle über die 124 Einzelfälle). Auch bei den relativ hohen Stundensätzen der AOK von 16 DM für die Grundpflege entstanden Verluste von durchschnittlich 13,60 DM stündlich. Damit sei die häus-

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5. Ausblick 1980–1985

Um das System zumindest für den Übergang bis zu einer etwaigen Pflegeversicherung kosteneffizienter und übersichtlicher zu machen, wurde vorgeschlagen, die Gemeindekrankenpflegestationen auszubauen und dort die Leistungen zur Haushaltsführung und häuslichen Altenpflege zu integrieren, indem mehr Personal, auch an Pflegekräften für die häusliche Altenpflege, Zivildienstleistende, „Freiwilliges Soziales Jahr“- und ehrenamtliche Helfer für die Unterstützung bei der Haushaltsführung eingestellt würden.193 Mit diesen Plänen aus der Abteilung Altenhilfe wäre eine Reihe von Anbietern aus dem Bereich der Hauspflege und der hauswirtschaftlichen Dienste zugunsten vergrößerter Gemeindepflege- bzw. Zentralstationen weggefallen – möglicherweise lagen diese Vorschläge auch darin begründet, dass die zum Teil neuen, kleinen Anbieter im Bereich der häuslichen Pflege nicht wohlwollend begrüßt wurden. Die Zentralstation Nordend des Caritasverbandes führte in den kommenden Jahren eine solche Aufgabenerweiterung probeweise durch; das Ergebnis wurde schon 1985 als enttäuschend bezeichnet: Das zusätzliche Hilfsangebot komme nur dem bereits mit pflegerischen Leistungen versorgten Personenkreis zugute, es führe zu keiner Bedarfsdeckung im Stadtteil.194 Trotz Wunsch der Stadt wurden keine Koordinationsaufgaben von der Zentralstation übernommen. Die Zentralstation hatte also die zusätzlichen Kräfte und Mittel dazu verwendet, die Situation für den schon versorgten Kreis zu verbessern, und sah sich nicht in der Lage, darüber hinaus weitere Menschen umfassend zu betreuen. Ein 1983 angestellter Kostenvergleich ambulanter/mobiler Dienste mit Alten- und Pflegeheimen bestätigte die Annahme der Abteilung Altenhilfe, dass kostendeckend abgerechnete ambulante Pflege meist teurer als ein Heimaufenthalt war. Drei Frankfurter Heimeinrichtungen unterschiedlicher Größe wurden zum Vergleich ausgewählt. Die Pflegesätze lagen pro Tag in den höheren Pflegegruppen III und IV bei 53,15 DM bis 107,10 DM. Der Pflegesatz für das teilstationäre Tagespflegeheim im Hufeland-Haus betrug 1983 56,50 DM je Pflegetag. Bei den ambulanten und mobilen Diensten wurde von kostendeckenden Sätzen von 28 DM bis 32,60 DM pro Stunde ausgegangen. Nur wenn es sich um ein- bis zweistündige tägliche Pflege handelte, sei diese „noch immer kostengünstiger und humaner“195 als die Unterbringung in eiliche Pflege kostenmäßig keine Alternative zu einer Pflegeheimunterbringung, da dort die Tagessätze mit 70 bis 90  DM günstiger seien als häusliche Pflegefälle mit durchschnittlich drei bis vier Pflegestunden. Die 124 der Analyse zugrundeliegenden Einzelfälle waren überwiegend, aber nicht ausschließlich Menschen über 65 Jahre, darunter auch Menschen über 90 Jahre, und diese wurden täglich zwischen einer Stunde und sieben Stunden gepflegt. Eine 84-Jährige wurde insgesamt 1.182 Stunden lang, drei bis fünf Stunden täglich, gepflegt. 193 ISG, Fürsorgeamt 4152, Diskussionspapier für die Neuordnung der ambulanten/mobilen Dienste in Frankfurt a. M., aufgestellt Frankfurt, 20. Mai 1983, gez. Funk, List, S. 15. 194 ISG, Fürsorgeamt 4154, Sozialamt, Abteilung Altenhilfe, List, An die Amtsleitung, Situationsbericht über ambulante/mobile Dienste in Frankfurt a. M., 22. März 1985. 195 ISG, Fürsorgeamt 4153, Sozialamt Abteilung Altenhilfe, 50.31 Li/kr, Kostenvergleich ambulante und mobile Dienste, Alten- und Pflegeheime, Frankfurt a. M., 28. Juli 1983.

5.5 Pflegebedürftigkeit und Versuch der Neuordnung der Pflege

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nem Alten- und Pflegeheim. Nur so weit stimmte die kommunale Verwaltung mit der Auffassung der Bundesregierung überein. Wenn sich diese pflegerischen Leistungen jedoch ausweiteten, seien die ambulanten Dienste finanziell keine Alternative zum Alten- und Pflegeheim. „Die Praxis hat ergeben, daß oftmals eine 4-stündige Versorgung erforderlich ist, die dann in jedem Fall kostenmäßig über den Sätzen für einen Heimaufenthalt liegt.“196 Herr List aus der Abteilung Altenhilfe resümierte angesichts eines Einzelfalles, der von der Sozialstation Bornheim geschildert wurde: „Der Unterzeichner kann nicht oft genug wiederholen, daß nicht nur die finanziellen Belastungen durch ambulante/mobile Dienste für die Kommune ständig steigen, sondern der Hilfsbedürftige wird  – wie im Heimbereich  – immer mehr von der Sozialhilfe abhängig.“197 Die Zahlen waren nicht völlig auf andere Gemeinden übertragbar: Der ambulante Versorgungsbereich in Frankfurt habe ein Niveau erreicht wie in Hessen in keiner anderen Gemeinde oder Stadt. Es seien daher zwei Drittel aller Pflegeheim-Bewohner in den beiden höchsten Pflegegruppen III und IV eingestuft – eine in Hessen einmalige Situation. Die Dienste waren in Frankfurt vergleichsweise teuer. In Hannover konnten die Sozial- und Diakoniestationen mit 15,50 bis 25 DM in der Stunde kostendeckend pflegerische Leistungen anbieten, und die Abrechnung mit den Kassen funktionierte besser als in Frankfurt.198 Um die Kosten in Frankfurt jedoch zu senken, wurde ausdrücklich von der Stadt keine weitere Diversität der Träger gewünscht: Wir halten eine sich anbahnende Entwicklung wie in Berlin mit freien Initiativgruppen, die dann ebenfalls Entgelte erheben, wie das Beispiel Kontakt für Frankfurt a. M. zeigt, nicht für sinnvoll. Eine Konkurrenz zur bewährten Arbeit der kirchlichen Institutionen und der freien Verbände der Wohlfahrtspflege sollte nicht entstehen. Wir halten eine Ausweitung der ehrenamtlichen Kräfte der Familien- und Nachbarschaftshilfe für besser und aufgrund der allgemeinen Finanzlage für den einzig beschreitbaren Weg.199

Dennoch bildeten sich in Frankfurt weitere kleinere Vereine, die im Bereich der Alten- und Behindertenhilfe aktiv wurden. Neben „Kontakt e. V.“ trat „CeBeeF (Club Behinderter und ihrer Freunde in Frankfurt am Main)“. Beide Vereine lehnten es ab, Hilfsbedürftige ab einem bestimmten Hilfebedarf 196 ISG, Fürsorgeamt 4153, Sozialamt Abteilung Altenhilfe, 50.31 Li/kr, Kostenvergleich ambulante und mobile Dienste, Alten- und Pflegeheime, Frankfurt a. M., 28. Juli 1983. 197 ISG, Fürsorgeamt 4154, Sozialamt Abteilung Altenhilfe, List, AL 50, Herrn Humbert, Frankfurt, 4. Januar 1984, betr. Zentralstationen für ambulante Krankenpflege. 198 Die Einschätzung, dass in Frankfurt die Vergütungssätze im Bereich der ambulanten Dienste eher hoch lagen, wurde auch durch eine Umfrage des Deutschen Städtetages gestützt, deren Ergebnisse Anfang 1985 veröffentlicht wurden. Frankfurt und Krefeld lagen hier bei den Sätzen an der Spitze im Bereich Pflege, nicht jedoch im Bereich Hilfen zur Haushaltsführung. Siehe ISG, Fürsorgeamt 4154, Sozialamt Abt. Altenhilfe, Vermerk, 3. Januar 1985. 199 ISG, Fürsorgeamt 4153, Sozialamt Abteilung Altenhilfe, 50.31 Li/kr, Kostenvergleich ambulante und mobile Dienste, Alten- und Pflegeheime, Frankfurt a. M., 28. Juli 1983; vgl. dazu auch: ISG, Fürsorgeamt 4153, Presseausschnitt: Kosten bestimmen die Debatte. Diskussion über Altenheime und ambulante Pflege, in: FAZ, 5. August 1983, Nr. 179, S. 41.

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5. Ausblick 1980–1985

stationär unterzubringen, und boten umfangreiche Pflegeleistungen an, die zum Teil mehr als 3.000  DM im Monat kosteten.200 Private, kommerzielle Dienste hingegen spielten weiterhin keine Rolle. Günstig war nur die Versorgung durch die Zivildienstleistenden. Deren Zahl nahm zu, jedoch nicht so stark wie die Zahl der eigentlich zu besetzenden Plätze: 1978 gab es 760 Plätze, davon waren 551 besetzt; bis 1985 stieg die Zahl der Plätze auf 1.365, von denen jedoch nur 765 besetzt werden konnten. Die Anträge auf Kriegsdienstverweigerung gingen drastisch zurück; ein Grund wurde in der Verlängerung des Zivildienstes auf 20 Monate im Januar 1984 vermutet, es gab aber auch einen „Stau“ mit unbearbeiteten Anträgen.201 Da Mitte der 1980er Jahre für das Sozialamt feststand, dass ambulante Pflege bei schwerer Pflegebedürftigkeit teurer als ein Heim war, befasste sich die Stadt mit der rechtlichen Frage des Wunsch- und Wahlrechts des Pflegebedürftigen, der manches Mal nicht in einem Heim, sondern ambulant gepflegt werden wollte.202 Im Haushaltsentlastungsgesetz, das zum 1. Januar 1984 in Kraft trat, wurde auch das Bundessozialhilfegesetz geändert.203 Ein neuer Paragraph 3a des BSHG sah vor, dass der Träger der Sozialhilfe darauf hinwirken solle, dass die erforderliche Hilfe so weit wie möglich außerhalb von Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen gewährt werden könne. Der Bund ging hier bei der Gesetzgebung noch von einer Kostenentlastung durch Vermeiden stationärer Hilfen aus. Den Wünschen des Hilfeempfängers solle Rechnung getragen werden, soweit sie angemessen seien; der Träger brauche Wünschen nicht zu entsprechen, deren Erfüllung mit „unverhältnismäßigen Mehrkosten“ verbunden seien. Es wurde in der Praxis der städtischen Verwaltung vorgeschlagen, alle Fälle zu prüfen, bei denen Kosten von 3.300 DM überschritten wurden. Bei Überschreitungen und wenn der ambulante Dienst nicht in eine Kostensenkung einwillige, solle dem Pflegebedürftigen nahegelegt werden, einen kostengünstigeren Pflegedienst in Anspruch zu nehmen. Wenn er dies nach Ablauf einer Frist nicht getan habe, müsse die stationäre Versorgung zur Auflage gemacht werden. Ansonsten sollte die Kostenübernahme abgelehnt werden. Bei kurzfristigen Hilfen gebe es keine Kostenbeschränkung, falls temporär gar keine andere Versorgungsmöglichkeit gefunden werden könne.204 Damit 200 ISG, Fürsorgeamt 4154, Sozialamt, Abteilung Altenhilfe, List, An die Amtsleitung, Situationsbericht über ambulante/mobile Dienste in Frankfurt a. M., 22. März 1985. 201 ISG, Fürsorgeamt 4154, Statistik des Bundesamtes für den Zivildienst, Regionalbetreuer Frankfurt, Wiesbaden, 5. September 1984. 202 ISG, Fürsorgeamt 4154, Sozialamt, Abteilung Altenhilfe, List, An die Amtsleitung, Situationsbericht über ambulante/mobile Dienste in Frankfurt a. M., 22. März 1985. 203 Gesetz über Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte und zur Stabilisierung der Finanzentwicklung in der Rentenversicherung sowie über die Verlängerung der Investitionshilfeabgabe (Haushaltsbegleitgesetz 1984) vom 22. Dezember 1983, in: BGBl. I, 1983, Nr. 54 vom 28.12.1983, S. 1532–1569, § 26 (S. 1563). 204 Dazu bemerkte die Grundsatzabteilung des Sozialamtes: Es seien die jüngeren Pflegebedürftigen, wie richtig hervorgehoben, nicht adäquat mit Einrichtungen versorgt, so dass es keine Alternative zur ambulanten Pflege gebe, man also auch nicht von „unvertretba-

5.5 Pflegebedürftigkeit und Versuch der Neuordnung der Pflege

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wurde in diesem Papier der Grundsatz „ambulant vor stationär“ aufgehoben und hatte nur so lange Geltung, solange die ambulante Versorgung nicht kostspieliger wurde. Der Ausbau der ambulanten Dienste im kommunalen Bereich hatte hier, in einer Stadt mit einem relativ großen Angebot, dazu geführt, dass eine umfassende ambulante Versorgung zu diesem Zeitpunkt von den Kostenträgern kritisch gesehen wurde. 5.5.3 Fazit – „Stationär vor ambulant“? Gab es in den frühen 1980er Jahren schon einen Paradigmenwechsel, der die im vorangegangenen Jahrzehnt postulierte Bedeutung der ambulanten Versorgung in Frage stellte? Auf der Ebene der bundesweiten Gesetzgebung und parlamentarischen Debatten kann das nicht bejaht werden. Der Bundespolitik galt „ambulant vor stationär“, und zwar als kostengünstige Kombination von privater häuslicher Pflege, ehrenamtlichem Engagement und professionellen Pflegekräften.205 Auch der hessische Sozialminister Clauss, der die Einführung einer Pflegeversicherung befürwortete und ebenfalls in der ambulanten Pflege die Gefahr sah, die Menschen zu Sozialhilfeempfängern zu machen, ging 1982 noch von deutlich niedrigeren Sätzen in der ambulanten Pflege aus.206 1984 vereinbarten in Hessen SPD und Grüne den Ausbau ambulanter Dienste für alte und behinderte Menschen. Es müsse sichergestellt werden, dass nicht aus betriebswirtschaftlichen Interessen der Träger Einweisungen in stationäre Einrichtungen erfolgten. Diese Gefahr bestehe besonders bei gemeinsamer Trägerschaft von ambulanten und stationären Diensten. Bei Landesprogrammen für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen seien ambulante Dienste besonders zu berücksichtigen.207 Die Liga der freien Wohlfahrtspflege, in der die Träger von stationären Einrichtungen vertreten waren, äußerte daraufhin die Befürchtung, die ambulanten Dienste würden einseitig ausgeweitet werden zu Lasten der stationären.208 Zu diesem Zeitpunkt gab es bei den Wohlfahrtsverbänden in Hessen noch ein höheres Interesse an der Auslastung der in den vergangenen

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ren“ Mehrkosten sprechen könne. ISG, Fürsorgeamt 4154, Sozialamt Grundsatzabteilung, An 50.31, z. Hd. Herrn List, Frankfurt, 26. Juni 1985, im Auftrag Lenski. Vorgestellt im Modellprogramm „Ambulante Dienste für Pflegebedürftige“ des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit, in: NDV 63 (1983), H. 11, S. 376–378, hier S. 376. HHStAW, Abt. 502, Nr. 13826, Protokoll des Gesprächs des Ministerpräsidenten mit der Liga der freien Wohlfahrtspflege am 7. Oktober 1981. Die angenommenen Tagessätze von 30 DM bei einer ambulanten Vollzeitpflege waren zu diesem Zeitpunkt jedoch unrealistisch niedrig. HHStAW, Abt. 502, Nr. 13827, Auszug Vereinbarungen SPD/Grüne, Sozialpolitik, Herbst 1984. HHStAW, Abt. 502, Nr. 13827, Gespräch des Ministerpräsidenten und des Ministers für Arbeit, Umwelt und Soziales mit der Liga der freien Wohlfahrtspflege in Hessen am 24. Oktober 1984, Wiesbaden, den 26. Oktober 1984.

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5. Ausblick 1980–1985

Jahrzehnten ausgebauten stationären Infrastruktur als an einem großflächigen Ausbau der ambulanten Versorgung. Auf kommunaler Ebene jedoch hatte sich in den frühen 1980er Jahren bei den städtischen Beamten in der Abteilung Altenhilfe die Erkenntnis durchgesetzt, dass ambulante Pflege nur bei leichter und mittlerer Pflegebedürftigkeit sinnvoller als Heimpflege war. Argumentiert wurde dabei vor allem, aber nicht ausschließlich, mit den Kosten. Sehr negativ reagierten sie daher auf den ersten Gesetzesentwurf zur Pflegeversicherung der Bundestagsfraktion der Grünen, besonders auf das formulierte Ziel, die Pflegeheime bis 1995 abzuschaffen. Zu dieser Forderung schrieb die Abteilung Altenhilfe auf Anforderung des Stadtrates Trageser eine Stellungnahme209: „Der geforderte Abbau stationärer Plätze (bis hin zu deren gänzlichem Wegfall) ist nicht realistisch. Auch neue Formen (Pflege in Wohngruppen) werden das nicht auffangen können, ebenso wenig wie die an sich begrüßenswerten ambulanten und mobilen Dienste.“ Positiv sei an dem Gesetzesentwurf allein die Forderung nach Einführung einer Pflegeversicherung. Aber auch über den Kostenaspekt hinaus wurden die negativen Elemente der ambulanten Pflege betont und der Heimpflege positive Aspekte zugeschrieben, die in den vergangenen Jahrzehnten in den Hintergrund getreten seien. Bei der Planung einer neuen Altenwohnanlage wurde im Vorfeld auf die dortige pflegerische Versorgung von Pflegefällen eingegangen. Grundsätzlich erfolge sie ebenso wie in anderen Wohnungen auch durch die entsprechenden ambulanten Institutionen. Bedenklich sei jedoch Folgendes: Bei den in der Regel in ihrer Mobilität stark eingeschränkten Personen würde die Tatsache der Versorgung in der eigenen Wohnung eine Art sozialer Isolierung darstellen, da, einerlei wie dicht das Betreuungsnetz gezogen und wie intensiv der Personaleinsatz ist, jeweils nur für kurze Zeit im Verlaufe eines Tages durch einen Mitarbeiter für die Betroffenen Kommunikation in der eigenen Wohnung möglich wäre.210

Diese Sichtweise, in der die Einsamkeit alter Menschen dominierte, findet sich nicht nur bei den städtischen Verwaltungsangestellten in Frankfurt, sondern auch in der Presse. Im September 1984 erschien ein langer Artikel zur ambulanten Pflege in der Frankfurter Rundschau unter dem Titel „Die Wiederentdeckung der Nächstenliebe. Wachsen uns die Kosten für die Altenpflege über den Kopf?“.211 Die ambulante Pflege sei nur kostengünstiger als ein 209 ISG, Fürsorgeamt 4154, Sozialamt Abteilung Altenhilfe, Funk, Über Amt 50, Herrn Stadtrat Trageser, Große Anfrage der Fraktion Die Grünen im Bundestag, 6. Mai 1985. 210 ISG, Fürsorgeamt 4154, Sozialamt Sozialplanung, Entwurf, Geplante Altenwohnanlage Mittlerer Hasenpfad, Frankfurt a. M., 5. Dezember 1984, S. 2. Siehe auch ISG, Fürsorgeamt 4154, Sozialamt, Abteilung Altenhilfe, List, An die Amtsleitung, Situationsbericht über ambulante/mobile Dienste in Frankfurt a. M., 22. März 1985: Das Betreuungsangebot in Altenwohnanlagen sei in der seitherigen Form nicht mehr aufrechtzuerhalten, da völlig unzureichend angesichts einer Bewohnerschaft, die nun weitgehend über 75 Jahre alt sei. 211 ISG, Fürsorgeamt 4154, Presseausschnitt: Miehe, Renate: Die Wiederentdeckung der Nächstenliebe. Wachsen uns die Kosten für die Altenpflege über den Kopf?, in: FR, Samstag, 22. September 1984.

5.5 Pflegebedürftigkeit und Versuch der Neuordnung der Pflege

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Heim, „wenn in die Kalkulation die billige Barmherzigkeit von Angehörigen einfließt. Und zwar von Frauen.“ Pflegequalität zu Hause sei nicht immer gegeben, die Pflege sei nicht immer „human“. Der möglicherweise schlechten Qualität der Pflege zu Hause wurden die Möglichkeiten einer therapeutischen Pflege im Heim gegenübergestellt: Wer eine Pflege „solange wie möglich in den eigenen vier Wänden“ fordert, macht das oft unentbehrliche Heim vollends zum Vorzimmer des Grabes, in dem wohl niemand mehr arbeiten oder gar leben möchte. Dies aber wäre für das von allen angestrebte Ziel des Alterns in Wohlbefinden wenig wünschenswert. An kaum einem anderen Ort nämlich kann Pflege in Gestalt von Therapie so konzentriert und damit kostengünstig angeboten werden wie in einem Heim.212

Hier wurde die Situation ganz anders bewertet als im eingangs in diesem Kapitel zitierten Zeit­Artikel. „Billige Barmherzigkeit“ der Töchter (und Frauen) stützten das System der häuslichen Pflege, statt dass das System diesen Töchtern den Zweitwagen finanziere. Der im Lauf der letzten Jahrzehnte entwickelten Professionalität in den Heimen, die von geriatrischen Konzepten beeinflusst wurde, stellte man eine verwahrende Pflege zu Hause durch unausgebildete Angehörige gegenüber. Diese positive Bewertung der Heimpflege musste sich jedoch nicht decken mit der Sicht der Betroffenen – gerade die starke Kritik von Seniorenselbstorganisationen wie den „Grauen Panthern“ an der stationären Unterbringung machte deutlich, dass viele alte Menschen diese kritisch sahen, wenn auch die Suche nach neuen Wohn- und Lebensformen nur von einer Minderheit geführt wurde.

212 ISG, Fürsorgeamt 4154, Presseausschnitt: Miehe, Renate: Die Wiederentdeckung der Nächstenliebe. Wachsen uns die Kosten für die Altenpflege über den Kopf?, in: FR, Samstag, 22. September 1984.

6. Resümee In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in der Bundesrepublik Deutschland eine Reihe von pflegerischen und hauswirtschaftlichen Diensten und Freizeitangeboten, die speziell an alte Menschen adressiert waren, eingerichtet. Ziel war es, einen Heimaufenthalt möglichst lange hinauszuzögern oder gänzlich zu vermeiden. Von stationärer Unterbringung war nur ein kleiner Prozentteil alter Menschen betroffen. Wenngleich von den kommunalen, offenen Altenhilfeangeboten mehr alte Menschen erreicht wurden, war auch dies nur eine Minderheit. Zahlenmäßig am bedeutendsten war die Einrichtung von Altenklubs. Um 1960 herum wurden die ersten Klubs eröffnet. Darin versammelten sich in den 1970er und 1980er Jahren in Frankfurt regelmäßig über 5.000 alte Menschen. Erholungsaufenthalte und Erholungstagesfahrten waren ebenfalls ein kontinuierliches Angebot mit hoher Inanspruchnahme. Die Seniorenuniversität sprach in den 1980er Jahren ebenfalls relativ viele alte Menschen an, jedoch nie so viele wie die Altenklubs. In speziellen, kommunal geförderten Altenwohnungen lebten schließlich mehr alte Menschen als in den Pflegeheimen der Stadt; Altenheime ohne Pflege gab es in den 1980er Jahren gar nicht mehr. Die häufigste hauswirtschaftliche Dienstleistung waren Mahlzeitendienste, die jedoch nur etwa zwei Prozent aller Menschen über 65 Jahre versorgten. Der Ausbau offener Angebote für alte Menschen im kommunalen Bereich war nach 1945 und in den 1950er Jahren zunächst eine Reaktion auf den Wohnungs- und Nahrungsmangel in der Nachkriegszeit. Er geschah im Kontext der Fürsorge- und Sozialhilfegesetzgebung; städtische Verwaltungsbeamte entwickelten aber darüber hinaus zusammen mit den örtlichen Trägerinstitutionen, in die sie zum Teil auch personell eingebunden waren, Eigeninitiative. Der Ausbau offener Angebote war auf kommunaler Ebene nicht umstritten und wurde parteiübergreifend gefordert. Auf bundespolitischer Ebene stand dagegen noch relativ lange allein die materielle Situation der Rentner im Mittelpunkt. Die massive Heimkritik seit den späten 1960er Jahren ging mit einer Idealisierung des Zuhausebleibens alter Menschen einher, zunächst jedoch ohne die Bereitstellung von Dienstleistungen, die ein Zuhausebleiben erleichtert hätten. Der Ausbau hauswirtschaftlicher und hauspflegerischer Leistungen erfolgte schleppend und wurde zunächst in Frankfurt und in anderen Städten ganztagsweise von Hauspflegevereinen getragen. Die kommunalen Verwaltungen befanden es noch Anfang der 1960er Jahre für überflüssig, darüber hinaus weitere Dienste anzubieten. In den 1970er Jahren kann von einem Paradigmenwechsel gesprochen werden, der die offene Altenpflege vor der stationären priorisierte. Andere Träger wie die Arbeiterwohlfahrt, das Deutsche Rote Kreuz, der „Frankfurter Verband für Alten- und Behindertenhilfe“ und schließlich auch kleinere Vereine traten in den 1970er Jahren zu den etablierten Gemeindekrankenpflege-

6. Resümee

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stationen und der traditionellen Hauspflege hinzu und diversifizierten das Angebot im häuslichen Bereich. Sie weiteten es aus, boten längerfristige stundenweise Versorgung anstelle von ganztägigen Pflegen über wenige Wochen an, wie sie Hauspflegevereine seit den 1950er Jahren übernommen hatten. Andernorts entdeckte in den 1970er und 1980er Jahren schon eine Reihe privater Träger die häusliche Pflege als Markt. In Frankfurt war dies noch nicht der Fall. Neben die großen Wohlfahrtsverbände als Träger traten jedoch auch in Frankfurt kleinere Vereine, die sich auf die Alten- und Behindertenhilfe spezialisierten und gegen die finanziellen Interessen der Sozialbehörden eine zeitlich unbegrenzte häusliche Pflege favorisierten. Die Bundespolitik setzte sich für den Ausbau ambulanter Dienste ein, weil man sich Kostenersparnisse erhoffte. Einen Schub im Ausbau dieser Dienste bedeutete der Einsatz von Zivildienstleistenden. Ihre Hauptaufgabe war die Verteilung von warmen Mahlzeiten an alte Menschen. Weitere hauswirtschaftliche Dienste entwickelten sich nur langsam. In den 1980er Jahren versuchte die städtische Verwaltung, die hauspflegerischen und hauswirtschaftlichen Dienste neu zu organisieren und die Modi der Abrechnung zu verbessern. Insbesondere sollten die Krankenkassen stärker in die Finanzierung eingebunden und städtische Subventionen abgebaut werden. Dies gelang jedoch kaum. Ganztägige Einsätze über Wochen hinweg waren in den 1970er Jahren nicht mehr üblich und wurden nicht mehr finanziert, stattdessen stundenweise Einsätze über mehrere Monate hinweg. Die Hauspflege des Hauspflegevereins verlor damit an Bedeutung, ihre Besonderheiten, die gerade in der ganztägigen, umfassenden hauswirtschaftlichen und pflegerischen Versorgung lagen, waren nicht mehr abrechenbar. Der Frankfurter Hauspflegeverein löste sich demzufolge in den 1990er Jahren auf. Versorgende und Anleitende in der Altenhilfe sowie der häuslichen Altenpflege waren im Untersuchungszeitraum Kranken- und Altenpflegerinnen, Hauspflegerinnen und Gemeindeschwestern, Klubleiterinnen, Altenbetreuerinnen in den Altenwohnanlagen, Zivildienstleistende und die wachsende Zahl der Mitarbeiter in den Fachabteilungen der Sozialämter. Die Gemeindeschwestern waren beinahe während des gesamten Untersuchungszeitraumes mit der ambulanten Pflege älterer Menschen betraut. Diese Pflege war vor allem in den 1960er und 1970er Jahren personellen Veränderungen unterworfen: Die Zahl der Ordensfrauen und Diakonissen ging zurück. Deren Tätigkeit wurde von „weltlichem“, tariflich angestelltem Krankenpflegepersonal übernommen. Statt in kleinsten Gemeindestationen tätig zu sein, organisierte man sich zunehmend in größeren Sozialstationen bzw. Zentralstationen – eine Entwicklung, die in Frankfurt und Hessen, verglichen mit anderen Regionen, relativ spät begann. In den 1960er Jahren wurde vom „Deutschen Verein“ und vom Hauspflegeverein angestrebt, Hauspflegerin zu einem Beruf mit eigener Ausbildung zu machen und die Bedeutung der Hauspflege auch mit dem BSHG zu stärken. In Frankfurt gründete sich eine von mehreren Hauspflegeschulen bundesweit, die eine zweijährige Ausbildung mit pflegerischen, hauswirtschaftlichen und

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6. Resümee

pädagogischen Lehrinhalten anbot. Mit dem Bedeutungsverlust des Hauspflegevereins verlor die Ausbildung ebenfalls an Bedeutung. Die stundenweisen Einsätze wurden Ende der 1970er Jahre von Frauen mit Krankenpflegeausbildung, aber auch ohne pflegerische Ausbildung geleistet. Zivildienstleistende wurden aus mehreren Gründen eingesetzt: Es mussten neue Tätigkeitsfelder erschlossen werden, um die wachsende Zahl der Wehrdienstverweigerer unterzubringen, und es sollten möglichst kostengünstig mit ihnen Versorgungslücken geschlossen werden. In Frankfurt wurden die Zivildienstleistenden im Rahmen eines Modellprojekts schon seit 1972 in der offenen Altenhilfe beschäftigt, andere Städte folgten nur langsam. Ende der 1970er Jahre und Anfang der 1980er Jahre trugen fast ausschließlich Zivildienstleistende die sogenannten mobilen sozialen Hilfsdienste, welche Mahlzeitendienste, hauswirtschaftliche Unterstützung und auch körperpflegerische Tätigkeiten umfassten. Die große Zahl der Zivildienstleistenden, die nur angelernt alte Menschen in ihrer Häuslichkeit versorgten, konterkarierte ebenfalls die zunächst verfolgte Verberuflichung in der Hauspflege und trug mit zum Niedergang des Hauspflegevereins bei. Altenbetreuerinnen in den Altenwohnanlagen sollten aus der Krankenpflege kommen, hatten zuweilen jedoch keine entsprechende Ausbildung. Zwischen ihnen und den alten Menschen gab es im räumlichen Kontext von Altenwohnhäusern Konflikte, die vor allem aus der Angst der Bewohner und Bewohnerinnen resultierten, in Heime übersiedeln zu müssen. Altenbetreuerinnen fühlten sich mit der Pflegebedürftigkeit der Bewohner überfordert, da sie aufgrund des Betreuungsschlüssels und der Stellenbeschreibung nicht dafür eingesetzt waren, die Menschen in ihren Altenwohnungen auch zu versorgen. Betreuung in einer Altenwohnung bedeutete nur, dass eine Altenbetreuerin über den Notruf  – wenn er technisch funktionierte  – erreichbar war, Sprechzeiten für die Bewohner anbot und diese in hygienischen und hauswirtschaftlichen Fragen anleitete. Die Betreuung umfasste keine Hilfe bei der Haushaltsführung oder bei der Körperpflege und auch keine regelmäßigen Besuche. Große Selbständigkeit war erforderlich – bis dahin gehend, dass alte Menschen in den 1960er Jahren aus Personalmangel sogar Betreuungsdienste übernahmen. Die Einrichtung von Kurzzeitpflegestationen in Altenwohnhäusern scheiterte. Die medizinische und pflegerische Versorgung in Notlagen blieb konfliktreich und rechtlich problematisch.1 Alte Menschen, die nicht mehr selbständig einen Haushalt führen konnten oder gar pflegebedürftig 1

Die rechtliche Problematik besteht bis heute, siehe Göpfert (2014): „Eine 82-jährige Frau verweigert mehrere Jahre die Versorgung in ihrem Zimmer in einer Altenwohnanlage. Jetzt haben Richter die medizinische Hilfe durchgesetzt, obwohl sie keine betreute Person im Sinne des Betreuungsgesetzes sei.“ Die alte Frau habe seit Jahren niemanden in ihr Zimmer gelassen, es sei verwahrlost, und sie litt schließlich an offenen, mit Maden verseuchten Wunden, bis sie von einem Richter unter Betreuung gestellt und zur Notversorgung ins Krankenhaus eingewiesen wurde. Die BILD-Zeitung skandalisierte gleichzeitig diesen Fall, indem sie nicht darauf hinwies, dass es sich um eine Altenwohnung handelte, in der sich die Menschen selbst versorgten, sondern behauptete, der Fall sei in einem Pflegeheim geschehen: Steuer (2014).

6. Resümee

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wurden, waren auf weitere Dienste angewiesen, deren Ausbau in den 1970er Jahren nur langsam voranschritt. Die Übersiedlung in ein Pflegeheim war damit für viele Bewohner zwingend, wohl entfiel aber die Übersiedlung in die Zwischenstufe „Altenheim“.2 Die Abteilung Altenhilfe im Sozialamt vergrößerte sich personell im Untersuchungszeitraum, und es wurden zunehmend Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen eingesetzt. Welche Rolle spielten neben den bezahlten Kräften die Ehrenamtlichen in der offenen Altenhilfe? Diese Gruppe, die in der Weimarer Republik noch einen großen Teil der Mitarbeiter der Fürsorgeämter ausmachte, nahm zahlenmäßig ab. Ihre Aufgaben wurden zunehmend von Verwaltungsangestellten übernommen. Dennoch setzte die Fürsorge und Hilfe für alte Menschen stets auf Ehrenamtliche. Zunächst wurde der alte Mensch idealerweise in der Familie verortet. Großstädte in der Nachkriegszeit konnten diesem Ideal jedoch nicht mehr entsprechen, sondern begegneten den örtlich zerrissenen Familienverhältnissen und der Wohnungsnot mit einem großangelegten Ausbau von Heimplätzen. In der Versorgung noch zu Hause lebender alter Menschen wurde jedoch die Unterstützung durch den gleichfalls alten Partner gefordert oder die „Nachbarschaftshilfe“, die zunächst einen Ausbau an hauswirtschaftlichen Angeboten überflüssig zu machen schien. Die städtischen Verwaltungsbeamten betonten weiter die Bedeutung des Ehrenamtes, während sich eine Hauspflege mit ausgebildeten Kräften etablierte. In den 1970er und 1980er Jahren wurde versucht, das Ehrenamt zu stärken. Familiäre und nachbarschaftliche Beziehungen wurden nicht mehr als gegeben angenommen, sondern sollten, angeleitet durch Sozialpädagogen und Sozialpädagoginnen, aufgebaut werden. Im Zuge des Aufbaus eines Hausnotrufsystems sollten Nachbarn gefunden werden, die Verantwortung für allein lebende alte Menschen übernahmen. In diesem Kontext stand außerdem die Stärkung der „Selbstorganisation“ durch Erholungsurlaube, die die Rentner eines Stadtteiles zusammenführten, die auch vor und nach dem Urlaub zu organisierten Treffen kamen – eine von außen angeleitete Form des Kennenlernens. Bundespolitisch wurde in den 1980er Jahren im Zuge des Sozialabbaus erneut die Bedeutung der Familie betont. Ambulante Dienstleistungen und Tagespflegeheime wurden damit auch Entlastungs- und Ergänzungsangebote für pflegende Angehörige. Welchen Einfluss hatten die Betroffenen selbst auf die Entwicklung der Altenhilfe? Alte Menschen waren stets in politischen Organisationen der Stadt aktiv. In den 1970er Jahren wurden als spezielle, altersspezifische Organisationsform die Seniorenbeiräte eingerichtet – von Kritikern als scheindemokratisches Element ohne politische Entscheidungsmacht abgelehnt, aber als beratendes Gremium mit enger personeller Verwobenheit in die politischen Parteien der Stadt nicht einflusslos. Nur ein sehr kleiner Teil der städtischen Altenbevölkerung war in diesem Gremium aktiv. Es handelte sich dabei 2

Vgl. die Kritik an den Altenwohnheimen von Tews (1994), S. 54.

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6. Resümee

um Menschen, die zumeist schon in jüngeren Jahren parteipolitisch eingebunden waren. In den späten 1970er und den 1980er Jahren gründeten sich Gruppen und schließlich eine Partei, die sich nur der Interessenvertretung alter Menschen widmete. Auch in diesen Organisationen engagierte sich nur ein sehr geringer Anteil alter Menschen. Sie traten jedoch öffentlichkeitswirksam auf und entwickelten Protestformen, die in der medialen Wahrnehmung vorher jüngeren Generationen vorbehalten schienen. Die Bewegung der „Grauen Panther“ fand mit ihren als altenuntypisch empfundenen Methoden der öffentlichen Skandalisierung medial ein großes Echo und erlangte zunächst über „Die Grünen“ parlamentarischen Einfluss.3 Diese Selbstorganisation im politischen Bereich wurde von den städtischen Beschäftigten in der Abteilung Altenhilfe zunächst eher kritisch gesehen und im Gegensatz zu Altenklubs von der Stadt finanziell nicht unterstützt. Altenorganisationen wie die „Grauen Panther“ vereinigten Menschen mit unterschiedlichen Zielen und Vorstellungen. Sie zerstritten sich häufig und waren im Untersuchungszeitraum nicht die treibende Kraft bei Reformen im Bereich der Altenhilfe.4 Angestoßen und vorangetrieben wurden diese Reformen von Fachleuten aus Verwaltung und Ministerien. Welche Leitvorstellungen bestimmten die kommunale Altenhilfeplanung? Ging es um gesellschaftliche und politische Integration in den Stadtraum? Viele der Altenhilfemaßnahmen dienten damals nicht der Integration alter Menschen in die Stadt, sondern setzten den räumlichen Ausschluss aus der Stadt(-Gesellschaft) voraus. Der Ausbau von Altenwohnungen bedeutete für 3

4

In den letzten Jahren wurde ein stark zunehmendes zivilgesellschaftliches Engagement älterer Menschen konstatiert, das sich diversifizierte; dies vor allem nach der Jahrtausendwende. Angestoßen wurde es oft durch staatlich initiierte, kommunale Programme, siehe Kocka (2010), S. 293 f. Vgl. Rudloff (2010), der für die organisierten Behindertenverbände zu anderen Schlüssen kommt. Interessenverbände in der Behindertenbewegung vertraten zum Teil auch alte Menschen, so z. B. die Interessenverbände der Kriegsbeschädigten, die in der Nachkriegszeit artikulationsmächtig waren und in den Parlamenten und in der vorparlamentarischen Entscheidungsfindung Einfluss hatten; sie waren „top down“ und nicht „bottom up“ organisiert (S. 144). Diese Bewegung hatte auch Einfluss auf die Entwicklung von Sozialversicherungsleistungen. Bedeutsam für alte Menschen wurden auch die ausgeweiteten Leistungen der Rehabilitation in mehreren Teilfeldern der Sozialpolitik, die maßgeblich von Behindertenverbänden vorangetrieben wurden (S. 145); jedoch wurde die Bedeutung der Rehabilitation auch für alte Menschen in den 1970er Jahren zwar zunehmend proklamiert, in den offenen und teiloffenen Formen der Altenhilfe fand sie aber nur selten Eingang. In der Behindertenpolitik wurde eine Generation von akademischen Experten zum Reformmotor der psychiatrischen Versorgungsstrukturen. Experten als Reformmotor spielten in der Altenhilfe zunächst keine so große Rolle, der Einfluss der Gerontologie wurde jedoch mit dem Antritt Ursula Lehrs als Bundesfamilienministerin 1988 größer. In den 1980er Jahren übernahmen neue Gruppen der Selbstorganisation von Behinderten wie der „Club Behinderter und ihrer Freunde“ (CeBeeF) auch Aufgaben in der ambulanten Versorgung von alten Menschen, die sich besonders dem Überwinden von Abhängigkeitsverhältnissen und der Förderung von Selbständigkeit verschrieben hatten.

6. Resümee

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viele alte Menschen den Wegzug aus ihrem Stadtteil und dem gewohnten Umfeld. Zu Beginn des Altenwohnungsbaus in den 1960er Jahren spielte dieser Ausschluss aus dem gewohnten Umfeld noch keine große Rolle in der Wahrnehmung der Betroffenen und der städtischen Verantwortlichen: Damals bedeutete der Altenwohnungsbau noch für viele Evakuierte, überhaupt in die Stadt zurückkehren zu können. Sie wurden in Altenwohnungen untergebracht, die häufig am Rande von Stadtteilen oder in Neubaugebieten errichtet worden waren – zunächst in kleineren Einheiten, bald in großen Altenwohnhochhäusern. Dies wurde unter dem Eindruck der Wohnungsnot nicht als negativ empfunden, weder im städtischen Verwaltungsdiskurs noch in der Presse noch von alten Menschen selbst – obwohl schon seit den 1960er Jahren in überregionalen Expertenzeitschriften wie dem Nachrichtendienst des Deutschen Vereins vor „Altenghettos“ gewarnt wurde. Dass es Wohnungen speziell für alte Menschen geben müsse, war in den 1960er Jahren unumstritten. Grund war die prekäre Wohnsituation vieler alter Menschen in Räumen, die aufgrund ihrer schlechten Ausstattung mit nachlassenden körperlichen Kräften kaum noch zu bewohnen waren. In späteren Jahrzehnten entfiel dieser Grund für größer werdende Teile der alten Bevölkerung. Der Verbleib in der eigenen Wohnung trat als Alternative neben den Umzug in eine Altenwohnung. Diese Alternative wurde sowohl von der städtischen Verwaltung als auch, soweit es sich ermitteln ließ, von der Altenbevölkerung selbst gewollt  – hier allerdings ganz abhängig vom bisherigen Lebensstandard, der Wohnung und dem Wohnumfeld. Ein Umzug in eine Altenwohnung am Stadtrand bedeutete für die meisten Umziehenden den Verlust des bisherigen Wohnumfelds und die Aufgabe von nachbarschaftlichen Beziehungen zu Menschen anderen Alters. In der Altenwohnung gab es dann Angst vor erneutem Ausschluss, dem Umzug in das Pflegeheim. Altenklubs und Altenbildung boten keine Integration in die „Gesellschaft“, sondern nach Alter organisierte Sondertreffpunkte. Dies trifft gleichfalls auf die Erholungsurlaube und Tagesfahrten für alte Menschen zu. Viele von ihnen hatten damit erstmals die Möglichkeit, Urlaub zu erleben. In den kommenden Jahrzehnten verreisten auch alte Menschen in größerer Zahl mit kommerziellen Anbietern zu weiter entfernten Zielen. Die städtischen Erholungsurlaube boten als Reaktion darauf sogar Ziele im (benachbarten) Ausland an. Zunächst verband man mit den längeren Erholungsurlauben die Hoffnung, dass in den Pensionen verschiedene Altersgruppen zusammenkämen. In den späten 1970er Jahren ging es darum, möglichst viele alte Menschen aus einem Stadtteil in den Pensionen unterzubringen, um die Verbindungen der alten Menschen untereinander zu stärken, nicht jedoch die Beziehungen zwischen den Generationen. Die „Universität des dritten Lebensalters“ verfolgte einen anderen Ansatz als die Altenklubs: Zwar war auch sie ein Sonderraum für alte Menschen, aber auch für Jüngere offen. Sie ermöglichte überhaupt erst ein Zusammentreffen von Alten und Jungen im universitären Raum. Der Anspruch war, dass die Veranstaltungen der „Universität des dritten Lebensalters“ ebenfalls auf

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6. Resümee

Forschungen im Bereich der Gerontologie rückwirkten. Die „Universität des dritten Lebensalters“ in Frankfurt entstand jedoch nicht auf Initiative der Teilnehmer und in Selbstorganisation, wie es im angelsächsischen Raum der Fall war, sondern auf Initiative von (ehemaligen) Professoren. Alte Menschen mit höheren Bildungsabschlüssen waren in der Seniorenuniversität überrepräsentiert. Obwohl die Mehrzahl der Angebote der offenen Altenhilfe keinen generationenübergreifenden Charakter hatte, wurden die speziell für alte Menschen konzipierten Fahrten und Treffpunkte von einigen Tausend Menschen in der Stadt angenommen. Welche Wahrnehmungen des Alters prägten die kommunale Altenhilfepolitik und wie wandelten sie sich? Im gesamten Untersuchungszeitraum wurde das Alter als mit der „sozialen Frage“ verbunden wahrgenommen. Zunächst galt eine große Gruppe der Altenbevölkerung als von Armut betroffen; eine Armut, die mit den Verbesserungen in der Rentenversicherung 1957 gelindert wurde. Später rückte die Gruppe der Pflegebedürftigen in den Fokus von Wohlfahrtsverbänden, Verwaltungsangestellten, dem KDA und den Medien. Die Pflegebedürftigen wurden zu einem großen Teil von Sozialhilfe abhängig. Die Diskussion um Pflegekosten und um eine Rückverlagerung von sozialen Ausgaben auf die Bundesebene mit einer Pflegeversicherung wurde von Experten schon in den frühen 1970er Jahren angestoßen. Dennoch blieb die Frage, wie die Pflege alter Menschen, die nicht als krank, sondern nur als pflegebedürftig galten, abgerechnet werden konnte, bis in die 1980er Jahre hinein ungelöst. Entscheidend war hier die Angst der Bundesregierung vor weiteren Kosten im Sozialversicherungssystem. Eine Leitvorstellung hinter der kommunalen Planung blieb über die Jahrzehnte hinweg die Verhinderung der Alterseinsamkeit – eine Vorstellung, die unter sich verändernden äußeren Umständen konstant blieb bzw. wiederkehrte: In den 1970er Jahren trat sie in den Hintergrund; es wurde als Ziel gesehen, dass alte Leute möglichst lange allein zu Hause blieben und der Einsamkeit durch den Besuch von Altenklubs und Gruppenfahrten entflohen. In den 1970er Jahren war das erklärte Ziel der Altenhilfe, die Selbständigkeit zu fördern. Selbständigkeit als Ideal wurde auch dann betont, wenn es eigentlich um Kosten ging. Gesundheit als zu stärkendes Element spielte bei den Erholungsfahrten, die als gesundheitsfördernde Maßnahmen verstanden wurden, zunächst eine große Rolle. In den 1970er Jahren hingegen war das Hauptziel der Erholungsfahrten die Überwindung der Einsamkeit, aber auch die Unterbrechung der alltäglichen Routine und angenommener „Passivität“ in der Freizeitgestaltung. Dies gipfelte Ende der 1970er Jahre in dem Versuch, Menschen aus Stadtteilen zu Fahrten zusammenzufassen und dort ein sozialpädagogisch angeleitetes Programm anzubieten. Im Zuge dieses Versuchs wurde Kritik an den alten Menschen und deren „Passivität“ laut. Auch in den Altenklubs sollten sie in den 1970er Jahren zur Aktivität angeregt werden: Sie sollten eigene Interessengruppen bilden und in Beratungsstunden über weitere Aktivitäten informiert werden. In den späten 1950er und frühen 1960er

6. Resümee

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Jahren wurde der Rückzug alter Menschen von Aktivitäten hingegen noch als natürlich und unterstützenswert angesehen.5 Gegen Ende des Jahrzehnts und in den 1980er Jahren wurde die Einsamkeit wieder stärker als Problem wahrgenommen und auch mit dem längeren Verbleib in der eigenen Wohnung, umsorgt von häuslichen Diensten, in Verbindung gebracht. Zwar boten gerontologische Studien eine positive Sicht auf das Alter mit seinen Chancen- und Gestaltungsmöglichkeiten, doch in der öffentlichen Darstellung in der Presse dominierte Ende der 1970er Jahre ein resignatives, negatives Bild vom hohen Alter und den Möglichkeiten der Altenhilfe, das in den 1980er Jahren auch in den kommunalen Ämtern Einzug fand. Die Grenzen der offenen Altenhilfe wurden aufgezeigt, auch in finanzieller Hinsicht: Offene Altenhilfe, so die Erkenntnis der Verwaltungsfachleute, war, wenn sie den Heimaufenthalt herauszögern oder gar vermeiden sollte, nicht kostengünstiger als die stationäre Hilfe. Im Gegenteil wurde deutlich, dass ambulante Pflege bei schwerpflegebedürftigen Menschen über einen längeren Zeitraum hinweg teurer als ein Heimplatz war. Zudem wurde erwähnt, wie einsam alte, zu Hause versorgte Menschen waren, zu denen nur stundenweise Dienstleister kamen. Jahre vor Verabschiedung der Pflegeversicherung mehrten sich Zweifel an der Priorisierung von „ambulant“ vor „stationär“; der weitere Ausbau der ambulanten Pflege ging dennoch weiter und erhielt mit der Einführung der Pflegeversicherung noch einen Schub.6 Die Zweifel bezogen sich auf die pflegebedürftigen Menschen. Die (noch) nicht pflegebedürftigen alten Menschen galten in den 1980er Jahren längst als besser zu Hause untergebracht als in einem Heim, solange die Kommune sie entsprechend in Aktivitäten einband. 5

6

Siehe Kapitel 3.4; Gerfeldt (1961), S.  380. Für die vergangenen 30 Jahre konstatieren Denninger/Dyk/Lessenich/Richter (2014) einen Paradigmenwechsel vom „verdienten Ruhestand zur Aktivierung des Alters“ (S. 360), weisen jedoch auch auf die Deutungsoffenheit des Begriffes „Aktivität“ hin und darauf, dass die von ihnen interviewten alten Menschen ein sehr vages Konzept von Aktivität vertreten, das nicht dem Produktivitätsdispositiv unterworfen sei, sondern ein allgemeines „keeping up with the world“ umfasse (S. 368) und individuell ganz unterschiedlich gestaltet und bewertet wird. Wie in dieser Studie gezeigt, wurde Aktivität jedoch schon in den 1970er und frühen 1980er Jahren als positives Konzept einem zunehmend abgewerteten „passiven“ Ruhestand gegenübergestellt. Im April 1999 gab es in Deutschland zwei Millionen „Pflegebedürftige“ im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes, davon wurden beinahe drei Viertel, nämlich 1,44 Millionen Menschen, zu Hause gepflegt. Schwerstpflegebedürftige wurden eher im Heim versorgt. Der Anteil der Pflegebedürftigen der Stufe III (höchste Pflegestufe) betrug im Heim 23 Prozent – bei den zu Hause Versorgten zwölf Prozent, siehe Statistisches Bundesamt (2002), S. 15. Die Mehrzahl der zu Hause lebenden Pflegebedürftigen wurde und wird von Angehörigen versorgt, siehe Statistisches Bundesamt (2009), S. 4: 504.000 Menschen wurden durch ambulante Pflegedienste versorgt. Von den insgesamt 11.500 zugelassenen ambulanten Pflegediensten befand sich die Mehrzahl in privater Trägerschaft (60  Prozent); der Anteil der freigemeinnützigen Träger betrug 38 Prozent, diese versorgten jedoch 53 Prozent der Pflegebedürftigen. 2011 waren es 2,5 Millionen Pflegebedürftige, von denen 70 Prozent zu Hause versorgt wurden, die Mehrzahl davon, 1,18 Millionen Menschen, von Angehörigen, siehe Statistisches Bundesamt (2013), S. 5.

Abbildungen Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4: Abbildung 5: Abbildung 6: Abbildung 7: Abbildung 8: Abbildung 9: Abbildung 10: Abbildung 11: Abbildung 12: Abbildung 13: Abbildung 14: Abbildung 15: Abbildung 16: Abbildung 17: Abbildung 18: Abbildung 19: Abbildung 20: Abbildung 21: Abbildung 22: Abbildung 23:

Rentenauszahlung, 1956, Fotograf: K. Weiner, © ISG Wärmestube, 1956, Fotograf: K. Weiner, © ISG Lehrgang in der Diätküche, 1959, Hauspflegeverein, © ISG Lehrgang im Nähen und Flicken, 1959, Hauspflegeverein, © ISG Hauspflegerin bei einem alten Paar, ca. 1960, Hauspflegeverein, © ISG Rentenauszahlung in der Zahlstelle der Post im Thurn-undTaxis-Palais, 1964, Fotograf: H. Winkler, © ISG Altenwohnhaus Alexanderstraße, ca. 1964, © ISG, Nachlass R. Menzer Altenwohnhaus Jaspertstraße, Preungesheim, ca. 1964, © ISG, Nachlass R. Menzer Einweihung des Altenklubs St. Leonhard, 15.12.1964, Fotograf: G. Helding Senioren hören einem Musikduo zu, 1966, Fotograf: K. Weiner, © ISG Schülerinnen der Hauspflegeschule im Wilhelm-PolligkeitInstitut des DPWV, ca. 1965, Hauspflegeverein, © ISG Weihung des 1. Bauabschnittes des Altenzentrums der Jüdischen Gemeinde, ca. 1975, Fotograf: H. Winkler, © ISG Einweihung der Altenwohnanlage in der Seumestraße 2 durch die evangelische Luthergemeinde in Bornheim, 1975, Fotograf: H. Meisert, © ISG Altenklub Krifteler Straße, o. D., Fotograf: K. Meier-Ude, © ISG Seniorentreffpunkt Römer, ca. 1976, Fotograf: K. MeierUde, © ISG Werken für ältere Bürger (VHS), 1972, Fotograf: H. ProfeBracht Englischunterricht für ältere Bürger (VHS), 1972, Fotograf: H. Profe-Bracht Seniorentanz im Volksbildungsheim, ca. 1981, Fotografin: S. Brunk Beratungsstelle Westend, 1975, Fotograf: W. Klar Seniorenwerkstatt Oeder Weg, 1983, Fotograf: K. MeierUde, © ISG Seniorenwerkstatt Oeder Weg, 1983, Fotograf: K. MeierUde, © ISG Mittagstisch für Alte, 1994, Fotograf: G. Kumpfmüller, © ISG Seniorenbeirat, 1991, Fotograf: K. Meier-Ude, © ISG

Abbildungen

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Abbildung 24: Bundesvorsitzende der „Grauen Panther“ Trude Unruh und Marianne Langen, 1982, Fotograf: H. Winkler, © ISG Abbildung 25: Protest der „Grauen Panther“ vor der Senioren-ResidenzWestend, 1986, Fotograf: H. Winkler, © ISG

Quellen und Literatur Quellen Bundesarchiv (BArch) B 189 (Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit) B  189/11026, B  189/11027, B  189/11029, B  189/11034, B  189/11044, B  189/11052, B  189/11053, B  189/11398, B  189/11408, B  189/11409, B  189/11411, B  189/11412, B 189/11413, B 189/27728

B 106 (Bundesministerium des Innern) B 106/20652, B 106/20653

Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden (HHStAW) Abt. 502 (Der Hessische Ministerpräsident – Staatskanzlei) Nr. 13826, Nr. 13827

Abt. 508 (Sozialministerium) Nr. 2142, Nr. 2174, Nr. 2180, Nr. 3152, Nr. 3153, Nr. 3154, Nr. 3155, Nr. 3156, Nr. 3158, Nr.  3159, Nr. 3160, Nr. 5155, Nr. 5706a, Nr. 5706b, Nr. 5707, Nr. 5849b, Nr. 5850, Nr. 5854a, Nr. 5854b, Nr. 5854c, Nr. 5855a, Nr. 5870

Institut für Stadtgeschichte (ISG) Fürsorgeamt 3, 5, 16, 17, 18, 19, 213, 376, 383, 494, 495, 859, 860, 861, 862, 863, 873, 2548, 2553, 2555, 2971, 3042, 3043, 3044, 3045, 3161, 3183, 3185, 3697, 3981, 3982, 3983, 3991, 3992, 3993, 3994, 3996, 3997, 4012, 4029, 4030, 4031, 4033, 4034, 4035, 4037, 4039, 4041, 4045, 4046, 4050, 4065, 4069, 4084, 4109, 4113, 4126, 4136, 4141, 4149, 4150, 4151, 4152, 4153, 4154, 4155, 4156, 4157, 4158, 4162, 4163, 4165, 4167, 4171, 4173, 4175, 4182, 4183, 4185, 4188, 9061

2554, 3989, 4036, 4138, 4164,

Sammlung Ortsgeschichte (Thematische Presseauswertung) S 3/L 4352, S 3/L 16169, S 3/M 14604, S 3/N 4572, S 3/N 11558, S 3/N 14384, S 3/N 25279, S 3/N 25311, S 3/P 3472, S 3/P 17644, S 3/V 10611, S 3/V 16931

Quellen und Literatur

Universität des dritten Lebensalters VS/126

Bestand Harheim 156

Magistratsakten 2512, 2620, 2648, 8712, 8966

Rechneiamt IV 60, IV 61

Stadtkämmerei 2543

Sammlung Personengeschichte S 2/P 17713

Stadtverordnetenversammlung P 998, 1819, 2350, 2369, 2370, 3020, 3991

Stiftungsabteilung 508

Stadtgesundheitsamt – Sachakten 195, 209, 210

Wohlfahrtsamt 68, 911

291

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Quellen und Literatur

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Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland (ZA) Bestand B 1/13 (Jüdische Gemeinde Frankfurt) Nr. 145, Nr. 428, Nr. 946, Nr. 1666, Nr. 1667, Nr. 3202, Nr. 3318, Nr. 3602, Nr. 3655

Frankfurter Diakonissenhaus Archiv Nr. 25, Nr. 88, Nr. 94, Nr. 101 Gruppeninterview im Frankfurter Diakonissenhaus mit den Bewohnerinnen des Mutterhauses sowie den Schwestern Ulrike, Elisabeth, Marlene, Gertrude, Roswitha, Gertrude II und Christel, Juli 2011 (Interviewerin: Kristina Matron), Transkript vom 14. September 2011

Gedruckte Quellen aus dem Frankfurter Diakonissenhaus Blätter aus dem Diakonissenhaus zu Frankfurt a. M. (seit 1970: Getrost und freudig. Blätter aus dem Diakonissenhaus Frankfurt a. M.)

Archiv des Caritasverbandes Frankfurt (ACVF) ACVF-1311, ACVF-6120/01 Unveröffentlichtes Manuskript Klaus Reimers (Archivar des Archives des Caritasverbandes Frankfurt): Geschichte des Caritasverbandes Frankfurt

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medizin, gesellschaft und geschichte



beihefte

Herausgegeben von Robert Jütte.

Franz Steiner Verlag

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57.

ISSN 0941–5033

Alois Unterkircher Jungen und Männer als Patienten bei einem Südtiroler Landarzt (1860–1900) 2014. 392 S. mit 18 Abb., 29 Graf. und 41 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10612-2 Marion Baschin Ärztliche Praxis im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts Der Homöopath Dr. Friedrich Paul von Bönninghausen (1828–1910) 2014. 318 S. mit 5 Abb., 33 Graf. und 61 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10782-2 Anja Faber Pflegealltag im stationären Bereich zwischen 1880 und 1930 2015. 251 S. mit 2 Abb. und 40 Graf., kt. ISBN 978-3-515-10685-6 Sylvelyn Hähner-Rombach (Hg.) Geschichte der Prävention Akteure, Praktiken, Instrumente 2015. 256 S. mit 8 Abb., 8 Graf. und 3 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10998-7 Melanie Ruff Gesichter des Ersten Weltkrieges Alltag, Biografien und Selbstdarstellungen von gesichtsverletzten Soldaten 2015. 281 S. mit 44 Abb. und 3 Tab., kt. ISBN 978-3-515-11058-7 Florian Mildenberger Verschobene Wirbel – verschwommene Traditionen Chiropraktik, Chirotherapie und Manuelle Medizin in Deutschland 2015. 344 S. mit 12 Abb., kt. ISBN 978-3-515-11151-5 Nicole Schweig Suizid und Männlichkeit Selbsttötungen von Männern auf See, in der Wehrmacht und im zivilen Bereich, 1893 – ca. 1986 2016. 126 S. mit 2 Tab., kt. ISBN 978-3-515-11176-8

58. Martin Dinges / Andreas Weigl (Hg.) Gender-Specific Life Expectancy in Europe 1850–2010 2016. 217 S. mit 2 Abb., 63 Graf. und 25 Tab., kt. ISBN 978-3-515-11258-1 59. Jenny Linek Gesundheitsvorsorge in der DDR zwischen Propaganda und Praxis 2016. 242 S. mit 7 Abb. und 3 Tab., kt. ISBN 978-3-515-11281-9 60. Philipp Eisele Pluralismus in der Medizin aus der Patientenperspektive Briefe an eine Patientenorganisation für alternative Behandlungsmethoden (1992–2000) 2016. 497 S. mit 4 Abb., 43 Schaubildern und 34 Tab., kt. ISBN 978-3-515-11255-0 61. Nina Grabe Die stationäre Versorgung alter Menschen in Niedersachsen 1945–1975 2016. 425 S. mit 13 Abb., 30 Graf. und 2 Tab., kt. ISBN 978-3-515-11332-8 62. Susanne Kreutzer / Karen Nolte (Hg.) Deaconesses in Nursing Care International Transfer of a Female Model of Life and Work in the 19th and 20th Century 2016. 230 S. mit 6 Abb. und 9 Tab., kt. ISBN 978-3-515-11355-7 63. Pierre Pfütsch Das Geschlecht des „präventiven Selbst“ Prävention und Gesundheitsförderung in der Bundesrepublik Deutschland aus geschlechterspezifischer Perspektive (1949–2010) 2017. 425 S. mit 24 s/w-Abb., 22 Farbabb. und 64 Tab., kt. ISBN 978-3-515-11638-1 64. in Vorbereitung

ISBN 978-3-515-11659-6