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German Pages 318 [324] Year 1871
romantisches Heldengedicht in zwölf Gesängen.
Von
C.
M. Wieland.
—«--,—
Stuttgart.
G. I. Göschen'sche Verlagshandlung. 1870.
DrrrÜ tet K.
ton L. (Brtintr in St«U-a«.
Mn Zksrmg.
Roch einmal sattelt mir dm hippogryphm, Ihr Musen
Zum Rttt inS alte romantische Land!
Wie lieblich um meinen entfesselten Busen Der holde Wahnsinn spielt! Wer schlang da- magische Band Um meine Stirne? Wer treibt von meinen Augen dm Rebel,
Der auf der Vorwell Wundem liegt?
Ich seh' in buntem Gewühl, bald fiegmd, bald besiegt, DeS Ritters gutes Schwert, der Heiden Hhtfcnbe Säbel.
Vergebens knirscht de- allen Sultans Zorn,
Vergebens dräut ein Wald von starren Lanzm:
Es tönt in lieblichem Ton das elfenbeineme Horn,
Und, wie ein Wirbel, ergreift sie Me die Wuth zu tanzen; Sie drehen im Kreise sich um, bis Sinn und Athem entgeht,
Triumph, Herr Ritter, Triumph! Gewonnen ist die Schöne. Was säumt ihr?
Fort! der Wimpel weht;
Rach Rom, daß euren Bund der heil'ge Batet kröne! !LicUnt), Oberon.
1
Nur daß der süßen verbotenen Frucht
Euch ja nicht vor der Zeit gelüste! Geduld! der freundlichste Wind begünstigt eure Flucht, Zwei Tage noch, so winkt Hesperiens goldne Küste.
O, rette, rette sie, getreuer Scherasmin,
Wenn's möglich ist! — Umsonst! die trunknen Seelen hören Sogar den Donner nicht.
Unglückliche, wohin
Bringt euch ein Augenblick! Kann Liebe so bethören?
In welches Meer von Jammer stürzt sie euch! Wer wird den Zorn des kleinen Halbgotts schmelzen?
Ach! wie sie Arm in Arm sich auf den Wogen wälzen! Noch glücklich durch den Trost, zum wenigsten zugleich
Eins an des Andern Brust zu sinken ins Verderben. Ach! hofft es nicht! Zu sehr auf euch erbost',
Versagt euch Oberon sogar den letzten Trost, Den armen letzten Trost des Leidenden, zu sterben!
Zu strengern Qualen aufgespart,
Seh' ich sie hülflos, nackt, am öden Ufer irren; Ihr Lager eine Kluft mit einer Hand voll dürren,
Halb faulem Schilf bestreut! und Beeren wilder Art,
Tie kärglich hier und dort an kahlen Hecken schmoren,
All ihre Kost! In dieser dringenden Noth Kein Hüttenrauch von fern, kein hülfewinkend Boot, Glück, Zufall und Natur zu ihrem Fall verschworen!
Und noch ist nicht des Rächers Zorn erweicht,
Noch hat ihr Elend nicht die höchste Stuf' erreicht, Es nährt nur ihre strafbar'» Flammen,
Sie leiden zwar, doch leiden sie beisammen. Getrennt zu sein, so wie in Donner und Blitz Der wilde Sturm zwei Bruderschiffe trennet,
Und ausgelöscht, wenn im geheimsten Sitz Der Hoffnung noch ein schwaches Lämpchen brennet:
Dieß fehlte noch! — O du, ihr Genius einst, ihr Freund!
Verdient, was Liebe gefehlt, die Rache sonder Gränzen? Weh' euch! Noch seh' ich Thränen in seinen Augen glänzen;
Erwartet das Aergste, wenn Oberon weint! —
Doch, Muse, wohin reißt dich die Adlersschwinge
Der hohen trunknen Schwärmerei?
Dein Hörer steht bestürzt, er fragt sich, was dir sei, Und deine Gesichte sind ihm geheimnißvolle Dinge.
Komm, laß dich nieder zu uns auf diesen Canapee, Und — statt zu rufen, ich seh', ich seh',
Was Niemand sieht, als du — erzähl' uns fein gelassen, Wie Alles sich begab.
Sieh', wie mit lauschendem Mund
Und weit geöffnetem Auge die Hörer alle Paffen,
Geneigt zum gegenseitigen Bund, Wenn du sie täuschen kannst, sich willig täuschen zu lassen. Wohlan! so höret denn die Sache aus dem Grund!
— 4 — Der Paladin, mit deffm Abenteuer»
Dir euch zu ergetzm (sofern ihr noch ersetzbar seid) Entschlossen find, war seit geraumer Zeit
Gebunden durch sein Wort, nach Babylon zu steuern. DaS er zu Babylon verrichtm sollte, war
Halsbrechend Werl, sogar in Äoril der Sroßm Lagen: In unsern würd' eS, nus gleiche Gefahr, Um allen Ruhm der Welt lein sunger Bitter wagen.
Sohn, sprach sein Oheim zu ihm, der heil'ge Vater in Bom,
Zu deffm Füßen, mit einem reichlichen Strom vußfert'ger ZLhrm angefeuchtch Gr, al- ein frommer Christ, erst seine Schuld gebeichtet ; Sohn, sprach er, als er ihm dm Ablaß segnend gab,
Zeuch hin in Frieden! CS wird dir wohl gelingen,
WaL du beginnst. Mein vor allm Dingen, Wenn du nach Joppen kommst, besuch' daS heil'ge Grab!
Der Bitter küffet ihm in Demut- den Pantoffel,
Gelobt Gehorsam au und zieht getrost dahin.
Schwer war daS Werk, wozu der Kaiser ihn Verurtheilt hatte; doch mit Gott und Sanct Chripophel Hofft er zu seinem Ruhm fich schon heraus zu -iehn.
Er steigt zu Joppen auS, tritt mit dem Pilgerstabe Die Wallfahrt an zum werthen heil'gm Grabe
Und fühlt fich nun an Muth und Glauben zwiefach kühn.
Drauf geht eS mit verhängtem Zügck
Auf Bagdad loS.
Stets batst er, kommt eS bald?
Mein, da lag noch mancher steile Hügel Und manche Wüstenei und mancher dicke Wald
Dazwischen.
Schlimm genug, daß in den Heidenlanden
Die schöne Sprache von Oc was Unerhörte- war: Ist dieß der nächste Weg nach Bagdad? fragt er zwar An jedem Thore, doch von keiner Seele verstanden.
Einst traf der Weg, der ebm vor ihm lag,
Auf einen tßaft.
Er ritt bei Sturm und Regen,
Bald links, -äld rechts, bat ganzen lang« Tag Und muß2 ofk erst mit seinem breiten Degen Durchs wilde Gebüsch sich einen Ausgang hau'n.
Er ritt bergan, um freier umzuschau'n.
Weh' ihm! der Wald scheint fich von allen Seiten, Je mehr er schaut, je weiter auSzubreiten.
WaS ganz natürlich war, bäucht' ihm ein Zauberspiel.
Wie wird Ihm erst, da in so wilben Gründen,
Woraus kaum möglich war bei Tage fich zu finden,
Zuletzt die Nacht ihn überfiel! Sein Ungemach erreichte nun bat Gipfel.
Kein Sternchen glimmt durch bte verwachSnen Wipfel:
Er führt sein Pferb, so gut er kann, am Zaum, Und stößt bei jebem Tritt btt Stirn an einen Bau«.
— 6 — Die dichte rabenschwarze Hülle, Die um den Himmel liegt, ein unbekannter Wald,
Und, was zum ersten Mal in seine Ohren schallt, Der Löwen donnerndes Gebrülle
Tief aus den Bergen her, das, durch die Todesstille Der Nacht noch schrecklicher, von Felsen wiederhallt:
Den Mann, der nie gebebt in seinem ganzen Leben, Den machte Alles dieß zum ersten Mal erbeben!
Auch unser Held, wiewohl kein Weibessohn
Ihn jemals zittern sah, fühlt doch bei diesem Ton An Arm und Knie die Sehnen sich entstricken,
Und wider Willen läuft's ihm eiskalt übern Rücken.
Allein den Muth, der ihn nach Babylon Zu gehen treibt, kann keine Furcht ersticken;
Und mit gezognem Schwert, sein Roß stets an der Hand, Ersteigt er einen Pfad, der sich durch Felsen wand.
Er war nicht lange fortgegangen,
So glaubt er in der Fern' den Schein von Feuer zu seh'n. Der Anblick pumpt sogleich mehr Blut in seine Wangen, Und zwischen Zweifel und Verlangen,
Ein menschlich Wesen vielleicht in diesen öden Höh'n Zu finden, fährt er fort, dem Schimmer nachzugehn,
Der bald erstirbt und bald sich wieder zeiget,
Sowie der Pfad sich senket oder steiget.
Auf einmal gähnt im tiefsten Felsengrund
Ihn eine Höhle an, vor deren finsterm Schlund Ein prasselnd Feuer flammt.
In wunderbaren Gestalten
Ragt aus der dunklen Nacht das angestrahlte Gestein,
Mit wildem Gebüsche versetzt, das aus den schwarzen Spalten Herabnickt und im Wiederschein
Als grünes Feuer brennt.
Mit lustvermengtem Grauen
Bleibt unser Ritter steh'n den Zauber anzuschauen.
Indem schallt aus dem Bauch der Gruft ein donnernd Halt! Und plötzlich stand vor ihm ein Mann von rauher Gestalt,
Mit einem Mantel bedeckt von wilden Katzenfellen, Der, grob zusammengeflickt, die rauhen Schenkel schlug;
Ein graulich schwarzer Bart hing ihm in grausen Mellen Bis auf den Magen herab und auf der Schulter trug
Er einen Cedernast, als Keule, schwer genug, Den größten Stier auf einen Schlag zu fällen.
Der Ritter, ohne vor dem Mann
Und seiner Ceder und seinem Bart zu erschrecken, Beginnt in der Sprache von Oc, der einzigen, die er kann, Ihm seinen Nothstand zu entdecken.
Was hör' ich? ruft entzückt der alte Waldmann aus: O süße Musik vom Ufer der Garonne! Schon sechszehn Mal durchläuft den Sternenkreis die Sonne, Und alle die Zeit entbehr' ich diesen Ohrenschmaus.
8 o-
Willkommen, edler Herr, auf Libanon, wipommen!
Wiewohl sich leicht erachten läßt, Daß ihr dm Weg in diese- Drachmneü
Ilm meinetwillen nicht genommen. Rammt, ruhet anS und nehmt ein leichte- Mahl für gut,
Wobei die Freundlichkeit des Wirth- da- Beste thut. Mein Wein (er springt au3 diesem Fefsenkeller) verdünnt da- Blut und macht die Augen heller.
Der Häd, dem dieser Gruß gar große Frmde gab,
Folgt ungesäumt dem Landsmann in die Grotte,
Legi traulich Helm und Panzer ah
Uyd steht entwaffnet da, gleich einem jungen Gotte. Dem Waldmann wird, als rühr' ihn AlquisS Stab,
Da jener jetzt den blanken Helm entschrmllet.
Und ihm den schlanken Rücken hinab Sein lange- gelbes Haar in großm Siegen wallet.
Wie ähnlich, rüst er, o, wie ähnlich, Stück für Stück! Sttrn',Auge,Mund undHaar!—Wem ähnlich ? fragtderRister. „Verzeihung, junger Mann! Es war ein Augenblick,
Ein Traum aus beff'rer Zeit! so süß und auch so bitter!
ES kann nicht sein! — Und doch, wie Euch dieß schöne Haar Den Rücken herunter steh, war mir'S, ich seh' ihn selber
Don Kopf zu Fuß. Bei Gott! sein Abdruck ganz und gar; Rur Er von brett'rer Brust, und Eure Locken gelber.
„Ihr seid, der Sprache nach, aus meine« Lande; vieLÄcht
Jst'S nicht umsonst, daß Ihr dem guten Herrn so gleicht.
Um den ich hier in diesem wilden Home, So fern von meinem Volk, schon sechszehn Jahre weine.
Acht ihn zu überlebe», war Mein Schicksal! Diese Hand hat ihm die Augen geschloffen,
Dieß Auge sein frühes Grab mit treuen Führen Legoffen, Und jetzt, ihn wieder in Euch zu sehn, wie wunderbar P
Der Zufall spielt zuweilen solche Spiele, Versetzt der Jüngling. — Sei eS dann,
Führt jener fort: genug, mein wackrer junger "Mann, Die Liebe, womit ich mich zu Euch gezogen sichle.
Ist, traun! kein Wahn; und gönnet Ihr dm Lohn,
Daß ScheraSmin bei Eurem Warnen Euch nenne?
»Mein Ram’ ist Hüon, Erb' und Sohn
Des bravm Siegewin, einst Herzogs von Trcherme."
O, rüst der Alte, der ihm zu Füßen füllt,
So log mein Herz mir nicht! O, tausendmal willkommm In diesem einsamen unwirthbar'n Theil der Welt,
Willkommm, Sohn des ritterlichen frommen, Preiswerthen Herrn, mit dem in meiner bestem Zeit
Ich manches Abmteu'r in Schimpf und Emst bestandmk
Ihr hüpftet noch im ersten Flügelkleid, M wir zum heil'gen Grab zu fahrm uns verbünden.
— ro — Wer Hütte vaMmal gedacht.
Dir würde» xnl in dies« Felsmschlünden Auf Libanon nach achtzehn Jahre» findend Verzweifle -einer je, dem in der trübsten Nacht Der Hoffnung letzte Sterne schwinden!
Doch, Herr, verzeiht, daß mich die Freude plaudern macht. Laßt mich vielmehr vor allen Dingen fragen, Was für ein Sturmwind Euch in dieses Land verschlagens
Herr Hüon l-ßt am Feuerherd
Auf einer Dank von MooS sich mit dem Mm nieder, Und als er drauf die reisemüden Glieder
Mit einem Tnmk, so frisch die Quelle ihn beschert, Und etwa- Honigseim gepärket,
Beginnt er ferne Geschichte dem Mrth erzählen, der sich Nicht satt an ihm sehm kann und stets noch war bemerket,
Worin fein dor'ger Herr dem jungm Mtter glich.
Der junge Mann erzählt, nach Art der lieben Jugend, Ein wenig breit: wie seine Mutter ihn
Bei Hofe (dem wahrm Ort, um Prinzen zu erzieh'»)
Gar fleißig zu guter Lehr' und ritterlicher Tugend Erzogen; wie schnell der Kindheit lieblicher Traum
Vorüber geflogen, und wie, sobald ihm etwas Flaum Durchs Kinn gestochen, man ihn zu Bordeaux, von dm Stufen Des Schlaffes, mü großem Pomp zum Herzog auSgerufm;
— 11 — Und wie sie drauf in eitel Lust und Bracht,
Mit Jagen, Tournierm, Banquetten, bauS und Brause,
Zwei dolle Jahre wie einzelne Tage verbrächt, DiS Amory, der Feind von seinem Hause, Beim Kaiser (dessen Huld sein Vater schon verscherzt)
Ihn hinterrücks gar böslich an geschwärzt;
Und wie ihn Karl, zum Schein in allen Suaden, Nach Hofe, gern Empfang der Lehen, vorgtladett;
Wie sein besagter Feind, der listige Baron Don Hohenblat, mit Scharlot, zweitem Sohn Des großen Karls, dem schlimmsten Fllrstenknabett
Im Christenthum,