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German Pages 218 [224] Year 1961
NIKOLAUS
VON
KUES
UND
RAIMUND
LLULL
QUELLEN UND STUDIEN ZUR GESCHICHTE DER PHILOSOPHIE HERAUSGEGEBEN
PAUL
VON
WILPERT
B A N D II
1961 W A L T E R
DE
G R U Y T E R
& CO.
/
B E R L I N
V O R M A L S G. J. G Ö S C H E N ' S C H E V E R L A G S H A N D L U N G - J. G U T T E N T A G , V E R L A G S BUCHHANDLUNG - GEORG REIMER - KARL J . T R C B N E R - V E I T & COMP.
N I K O L A U S VON K U E S UND R A I M U N D LLULL AUS HANDSCHRIFTEN DER K U E S E R
BIBLIOTHEK
VON EUSEBIO
COLOMER
S. J .
1961 W A L T E R D E G R U Y T E R & CO. / B E R L I N VORMALS G. J. GÖSCHEN'SCHE VERLAG SU AN DLUNG- J. GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG - GEORG REIMER - K A R L J. T R U B N E R - VEIT it COMP.
GEDRUCKT
MIT UNTERSTÜTZUNG
DES
KULTUSMINISTERIUMS
NORDRHEIN-WESTFALEN
Archir-Nr. 34 96 61/Q Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch ode* Teile daraus au/ photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vcrvieLfiltigea 1961 by Walter de Gruyter & Co., Berlin W 30 Printed in Germany Sau und Druck: Walter de Gruyter fle Co., Berlin W jo
VORWORT Die kulturellen Beziehungen zwischen Deutschland und Spanien bilden eines der eindrucksvollsten Beispiele der geistigen Einheit des Abendlandes. Obwohl beide Länder räumlich so weit voneinander entfernt liegen, daß sie Jahrhunderte hindurch die Grenzfesten des christlichen Abendlandes waren, stehen sie kulturell einander doch so nahe, daß man mit Recht von einer tiefen Verwandtschaft im geistigen Leben beider Völker hat sprechen können. In mannigfacher Beziehung ist in der fruchtbaren Begegnung beider Kulturen Deutschland der Geber und Spanien der Empfänger gewesen. Vor allem während der letzten hundert Jahre hat Deutschland einen so starken Einfluß auf Spanien ausgeübt, daß man ohne Übertreibung von einer Germanisierung der modernen spanischen Kultur sprechen könnte. Der Verfasser dieser Studie weiß sich selber zu einem guten Teil der großen deutschen Kulturtradition verpflichtet, an deren Reichtümern er während der drei Jahre seines Universitätsstudiums in Deutschland hat teilnehmen dürfen. Andererseits hat in verschiedenen Kulturepochen und -gebieten Deutschland wertvolle Einflüsse aus dem geistigen Leben Spaniens empfangen. Die vorliegende Arbeit möchte hiervon einen Einzelfall genauer darstellen, wenn sie die geistige Begegnung des großen deutschen Denkers Nikolaus von Kues mit dem spanischen Philosophen und Mystiker Raimund Llull untersucht. Die vielseitige Gestalt des Denkers, Dichters und Mystikers Meister Raimund hat seit meinen frühen Jugendtagen eine starke Anziehungskraft auf mich ausgeübt. Verband mich doch mit ihm nicht nur das gleiche religiöse Ideal, sondern auch die gleiche Muttersprache und die gleiche engere Heimat. Die Bekanntschaft mit dem ThomasInstitut in Köln, dem heutigen Sitz der Cusanusforschung, führte mir später die nicht weniger gewaltige und vielgestaltige Persönlichkeit des Denkers von Kues vor Augen. Als mich zu dieser Zeit mein Lehrer, Professor Dr. Paul Wilpert, auf die llullschen Manuskripte des deutschen Kardinals als ein mögliches Arbeitsfeld hinwies, bestimmte diese wertvolle Anregung das Thema meiner Forschung. Einem Hinweis des Llullforschers Prof. Dr. Joaquin Carreras y Artau zufolge erweiterte sich das Thema später noch, indem es auch eine Studie über die unveröffentlichen Werke des Heimeric van den Velde als Beitrag zum Problem der Ursprünge des Llullismus bei
VI
Vorwort
Cusanus miteinbezog. Auf diese Weise sollte das Thema seine endgültige Gestalt erhalten. Es umfaßte nun das Problem der Denkbeziehungen zwischen Raimund Llull und Nikolaus von Kues in seiner ganzen Vielschichtigkeit. Die Arbeit, die zu einem guten Teil während der unvergeßlichen Monate des Aufenthalts im St. Nikolaus-Hospital zu Kues aus dem gesammelten Material erwachsen ist, wurde Ende 1957 der philosophischen Fakultät der Universität Köln als Dissertation vorgelegt. Dem Referenten, Prof. Dr. Paul Wilpert, sei an dieser Stelle herzlichst gedankt für seine sachkundigen Hinweise wie auch für die Großzügigkeit, mit der er mir die Filme und Photokopien des Thomas-Instituts zur Verfügung stellte und nicht zuletzt dafür, daß er diesem Werk die Ehre der Herausgabe in einer von ihm geleiteten Sammlung erwies. Ebenso sei hier dem Korreferenten Prälat Prof. D. Dr. Josef Koch mein aufrichtiger Dank für seine wertvollen Hinweise ausgesprochen. Dank sei auch der philosophischen Fakultät der Universität Köln gesagt für ihre wirtschaftliche Unterstützung bei der Veröffentlichung dieser Arbeit. Mein Dank richtet sich schließlich an den verstorbenen Herrn Rektor des Cusanusstifts, Dr. A. Eismann, und an seinen Nachfolger, Hochw. Herrn J . Thomas, für ihre liebenswürdige Gastfreundschaft und ihr Entgegenkommen in der Benutzung der Cusanusbibliothek; an Prof. Dr. Fr. Stegmüller, der mir mit großer Liebenswürdigkeit die Llull-Bibliothek und -Filmothek des dogmatischen Seminars der Universität Freiburg i. Br. zur Verfügung stellte; an Prof. Dr. R. Haubst für seine freundliche Mitteilungen bezüglich des Llullismus bei Heimeric van den Velde und endlich an meine Mitbrüder vom Berchmanskolleg in Pullach bei München für die Durchsicht der deutschen Fassung dieser Arbeit. Barcelona, im Herbst 1960
EUSEBIO COLOMER S. J .
I N H A L T
Abkürzungen,
Quellen und
Literatur:
1. Abkürzungen
IX
2. Handschriftliche Quellen
X
3. Gedruckte Quellen
X
4. Literatur zu Raimund Llull
XI
5. Literatur zu Nikolaus von Kues
XV
6. Literatur aus Antike und Mittelalter
XVI
7. Sonstige zur Erklärung benutzte Literatur
XVII
Einführung Erster Teil: Die Herkunft
des Llullismus
6
beim Cusanus
I. Die Frage und ihre möglichen Lösungen
6
I I . Der Llullismus bei Heimeric van den Velde
9
1. Compendium divinorum
11
2. Quadripartitus quaestionum supra libros Sententiarum
12
3. Quaestiones supra libros philosophiae rationalis, realis et moralis Aristotelis 4. Theoremata totius universi fundamentalster doctrinalia
13 14
6. Ars demonstrativa
16
6. Tractatus de sigillo aeternitatis
17
7. Disputatio de potestate ecclesiastica
25
8. Colliget principiorum
29
9. Überblick und Ergebnis
39
I I I . Heimeric van den Velde als Vermittler zwischen Cusanus und Llull
. . . .
39
Zweiter Teil: Die Begegnung des Cusanus mit Raimund
Llull
I. Die Exzerpte aus dem Liber Contemplationis
47 47
I I . Die Exzerptenreihe aus verschiedenen Llull-Schriften
62
I I I . Die Randbemerkungen zu Schriften des Raimund Llull
60
IV. Die Notizen zur llullschen Kunst
62
VIII
Inhalt Dritter Teil:
Die Spuren des Raimund
Llull im Schrifttum
des Cusanus
I. Die Zitate
68 68
I I . Sachliche Zusammenhänge 1. Terminologische Übereinstimmungen 2. Historisch-methodische Parallele a) Glauben und Wissen
72 72 73 74
b) Die Methode des Aufstiegs und Abstiegs
76
c) Die Ars coniecturalis
82
3. Inhaltliche Zusammenhänge
86
a) Gott, der Eine und Dreiein e
85
b) Das Universum
98
c) Christus, der Gott-Mensch
104
I I I . Sonstige Abhängigkeitsbeziehungen zwischen Cusanus und Llull
113
Zusammenfassung
119
Anhang:
und Ergebnis
A : Die Lullus-Interpretation des Heimeric van den Velde in der Dispu-
tatio de potestate ecclesiastica. Cod. Cus. 106, 106 r 23—107r und 108r 17 bis 108v 19
121
B : Die in Cod. Cus. 83 enthaltenen Exzerpte des Nikolaus von Kues aus verschiedenen Schriften von Raimund Llull
125
C: Die Randbemerkungen des Nikolaus von Kues zu Schriften des Raimund Llull D : Notiz des Nikolaus von Kues im Cod. Cus. 86, 4 9 r
186 193
Indizes I. Handschriftenverzeichnis I I . Personenverzeichnis I I I . Sachverzeichnis
195 196 198
ABKÜRZUNGEN, QUELLEN UND
LITERATUR
1. Abkürzungen A AHDLMA AIEC ASF AST B BABLB BGPhM BGPhThM
Editio Argentin. (Straßburg 1651) der Ars ultima Archives d'histoire doctrinale et littéraire du Moyen Age, Paris Anuari de l'Institut d'Estudis Catalans, Barcelona Analecta Tertii Ordinis Regularium Sti. Francisci, Rom Analecta Sacra Tarraconensia, Barcelona Basler Ausgabe der Cusanus-Werke, Henr. Pétri 1565 Boletín de la Real Academia de Buenas Letras de Barcelona Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters, Münster Seit 1928: Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters, Münster BSAL Boletín de la Sociedad Arqueológica Luliana, Palma de Mallorca BSB Sitzungsberichte der Bayerischen AkademiederWissenschaften,München CF Collectanea Franciscana, Assisi CSEL Corpus Scriptonim Ecclesiasticorum Latinorum, Wien DTC Dictionnaire de Théologie Catholique, hrsg. von A. Vacant und E. Mangenot, forgesetzt von E. Aman, Paris EF Estudis Franciscans bzw. Estudios Franciscanos, Barcelona EL Estudios Lulianos, Palma de Mallorca EUC Estudis Universitaris Catalans, Barcelona H Heidelberger Ausgabe der Cusanus-Werke HJ Historisches Jahrbuch, Köln H SB Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philos.-hist. Klasse, Heidelberg LC Libre de Contemplació en Déu MABLB Memorias de la Real Academia de Bellas Letras, Barcelona ML Miscel-lània lul-liana, Barcelona 1935 MThZ Münchener Theologische Zeitschrift, München Mz Mainzer Ausgabe der Lullus-Werke ORL Obres de Ramon Llull, Palma de Mallorca P Pariser Ausgabe der Cusanus-Werke, Ed. Faber Stapulensis, Paris 1514 PG Migne, Patrologia Graeca PL Migne, Patrologia Latina RET Revista Española de Teología, Madrid RFe Razón y Fe, Madrid Rev. Filos. Revista de Filosofía, Madrid RL Revista Luliana, Barcelona RScPhTh Revue des sciences philosophiques et thcologiques, Paris RScRel Revue des sciences religieuses, Straßburg-Paris SFG Spanische Forschungen der Görresgesellschaft, Münster Stud. monogr. Studia monographica et recensiones edita a Maioricensi Schola LuUistica, Palma de Mallorca W Verdad y Vida, Madrid Wiss. Weish. Wissenschaft und Weisheit, Zeitschrift für augustinische und franziskanische Theol. und Phil., Freiburg i. Br.
Quellen und L i t e r a t u r
X
2. Handschriftliche Quellen Cusanus-Bibliothek1
Kues, Cod. Cus. Cos. Cus. Cod. Cus. Cod. Cus. Cod. Cus. Cod. Cus. Cod. Cus. Cod. Cus. Cod. Cus.
37: 81 : 82: 83: 85: 88 : 106: 118: 220:
Grammatica Speculativa eines u n b e k a n n t e n Lullisten (130 — 148) W e r k e des R a i m u n d Llull W e r k e des R a i m u n d Llull W e r k e des R a i m u n d Llull W e r k e des R a i m u n d Llull W e r k e des R a i m u n d Llull W e r k e des Heimeric v a n den Velde Ars magna praedicationis des R a i m u n d Llull (1 — 192) Die frühesten Predigten des Nikolaus von Kues
Mainz, Stadtbibliothek Cod. Mog. 610, 8 5 v —95v; 1 2 0 r - 1 7 6 r sowie Cod. Mog. 614, 2 0 9 r - 2 6 0 v : Heimeric v a n den Velde, Compendium divinorum
München, Bayerische Clm. Clm. Clm. Clm. Clm. Clm. Clm.
10 10 10 10 10 10 10
495: 630: 537: 664: 668: 676: 688 :
Werke Werke Werke Werke Werke Werke Werke
des des des des des des des
Raimund Raimund Raimund Raimund Raimund Raimund Raimund
Staatsbibliothek2 Llull Llull Llull Llull Llull Llull Llull
Paris, Bibliothèque Nationale3 Cod. lat. 16 116: Werke des R a i m u n d Llull Cod. lat. 16 616: Werke des R a i m u n d Llull
Rom, Biblioteca NazionaleCentraleVittorio Emmanuele Fondi Minori 1832, 6 1 9 r — 6 0 9 v : Liber de potentia, obiectu et actu*
3. Gedruckte Quellen a)
Lullus-Werke
Obras de Ramdn Llull, Ed. Rosselló, Bd. I - I V , P a l m a de Mallorca 1901—1903 I (1901, ed. M. Obrador): Libre del gentil e los tres savis. Libre de p r i m e r a e segona intenció. Libre de mil proverbis II (1901, ed. M. Costa i Llovera): Arbre de filosofia d ' a m o r . Libre de oració. Libre de Déu, Libre de coneixen^a de Déu, Libre del és de Déu. I I I — I V (1903, coed. M. Obrador): Fèlix de les meravelles del m o n Obres de Ramon Llull, l'alma de Mallorca, Bd. I - X X I , 1906ff. 6 I (1906, ed. M. Obrador i Benassar): Doctrina pueril. Libre del Orde de Cavalleria, Libre de clerecia, Art de confessió I I — V i l i ( 1 9 0 6 - 1 4 , ed. M. Obrador, M. Ferrà, A. M. Aleover, S. Galmés): Libre de contemplació en Déu I X (1914, ed. S. Galmés): B l a n q u e r n a mit Libre d'Amie e A m a t X (1915, ed. Galmés u. Ferrà): Libre de sancta Maria, H o r e s de s a n c t a Maria, Libre de Benedicta tu in mulieribus X I - X I I I ( 1 9 1 7 - 2 6 , ed. Galmés): Arbre de Sciència X I V (1928, ed. Galmés): Proverbis de R a m o n , Mil proverbis, P r o v e r b i s d'ensenyament
Quellen und Literatur
XI
XV (1930, ed. Galmés) : Libre de demonstracions XVI (1932, ed. Galmés) : Art demonstrativa, Réglés introductòries, Taula general X V I I (1933, ed. Galmés): Art amativa, Arbre de filosofia desiderai X V I I I (1935, ed. Galmés): Libre d'intenció, Arbre de filosofia d'amor, Oracions e contemplacions, Flors d'amors e flors d'entelligència, Oracions, Contemplatio Raymundi, Compendiosa contemplatio X I X - X X (1936 - 38 ed. Galmés): Rims X X I (1950, ed. M. Tous Gayà u. R. Ginard Bauçà): Libre de home, Libre de ànima racional. Libre dels angels Opera Latina, ed. Fr. Stegmüller, Palma de Mallorca I (1959, ed. J. Stöhr) 213—239 Opera Messanensia II (1960, ed J. Stöhr) 240—250 Opera Messanensia, 251—280 Opera Tuniciana Opera parva, Palma de Mallorca, Bd. I (1744), IV (1745) und V (1746) Beati Raymundi Lulli Opera, Ed. Mainz, Bd. I (1721), II (1722), I I I (1722), IV (1729), V (1729), VI (1737), I X (1740) u. X (1742) Opera ea, quae ad artem universalem pertinent, Straßburg 1651. Darin: Ars brevis p. 1—42. Ars generalis ultima p. 218—663 Consolatio venetorum, ed. B. H a u r e a u in : Notices et extraits de quelques Mss. latins de la Bibl. Nat., Bd. 4 (Paris 1892), 290 ff. Declaratio Raymundi per modum dialogi edita contra aliquorum philosophorum et eorum sequacium opiniones erroneas et damnatas a venerabili P a t r e Domino Episcopo Parisiensi, ed. O. Keicher, Raymundus Lullus und seine Stellung zur arabischen Philosophie, BGPhM VII 4/5, Münster 1909, 95—221 Disputatio Petri et Raymundi phantastici, ed. M. Müller in: Wiss. Weish. (1935), 311 ff. De quadratura et triangulatura circuii, ed. J. E. H o f m a n n in: R. Lulls Kreisquadratur, H S B 1942 Metaphysica nova et compendiosa, Paris 1616
b) C u s a n u s - W e r k e Opera, Basel (Henri Petrus 1565) Opera omnia (Leipzig, ed. iussu et auct. Academiae litt. Heidelbergensis 1932 ff.) I (1932, ed. E. Hoffmann et R. Klibansky) : De docta ignorantia I I (1932, ed. R. Klibansky) : Apologia doctae ignorantiae I V (1959, ed. P. Wilpert) : Opuscula I ; De deo abscondito, De quaerendo deum, De filiatione dei, De d a t o patris luminum, Coniectura de ultimis diebus V (1937, ed. L. Baur) : Idiota de sapientia, De mente, De staticis experimentis V I I (1959, ed. R. Klibansky et H. Bascour) : De pace fidei cum epistula ad Ioannem de Segobia X I I (1940, ed. L. Baur) : De beryllo X I I I (1951, ed. P. Wilpert): Directio speculante seu de non aliud X I V (1939—59, ed. G. Kallen) : De concordantia catholica I, II et I I I Cusanus-Texte in den H S B : I. Predigten 1. (1928/29, E. Hoffmann u. R. Klibansky): Dies sanctificatus vom J a h r e 1439 2 . - 5 . (1936/37, J. Koch) : Vier Predigten im Geiste Eckharts 6. (1938/39, J. Koch u. H . Teske): Die Auslegung des Vaterunsers in vier Predigten, mit 2 Abbildungen nebst Erläuterungen von D. Frey 7. (1940/41, J. Koch): Untersuchungen über Datierung, Form, Sprache und Quellen. Kritisches Verzeichnis sämtlicher Predigten. II. Traktate 1. (1935/36, G. Kallen) : De auctoritate presidendi in concilio generali
Quellen und L i t e r a t u r
XII
I I I . Marginalien 1. (1940/41, L . B a u r ) : N i c o l a u s C u s a n u s u n d P s . D i o n y s i u s im L i c h t e d e r Z i t a t e u n d R a n d b e m e r k u n g e n des Cusanus IV. Briefwechsel 1. S a m m l u n g (1943, J . K o c h ) (1948, J . K o c h ) : N i c o l a u s v o n Cues u n d seine U m w e l t , U n t e r s u c h u n g e n z u Cusan u s - T e x t e . I V Briefe, 1. S a m m l u n g 2. S a m m l u n g (1952, F . H a u s m a n n ) : D a s B r i x e n e r B r i e f b u c h 3. S a m m l u n g (1955, G. v o n B r e d o w ) : D a s V e r m ä c h t n i s d e s N i k o l a u s v o n K u e s . D e r Brief a n N i k o l a u s A l b e r g a n i n e b s t d e r P r e d i g t in M o n t o l i v e t o (1463) Schriften
des Nikolaus
von Kues
in deutscher
Übersetzung,
im Auftrage der Heidelberger A k a d e m i e der Wissenschaften, (hrsg. v. E . H o f f m a n n u. P . W i l p e r t ) I . P h i l o s o p h i s c h e S c h r i f t e n ( L e i p z i g - H a m b u r g 1936ff.) H . 1: D e r L a i e ü b e r die W e i s h e i t . V o n E . B o h n e n s t ä d t . Mit G e l e i t w o r t v o n E . H o f f m a n n : N . V. C. als P h i l o s o p h . 1936. 1954 3 . H . 2 : U b e r d e n Beryll. V o n K . F l e i s c h m a n n . M i t E i n f . v o n E . H c f f m a n n : D i e V o r g e s c h i c h t e d e r c u s a n i s c h e n r o i n c i d e n t i a o p p o s i t o r u m . 1938. H . 3 : V o m v e r b o r g e n e n G o t t . (De d e o a b s c o n d i t o — D e q u a e r e n d o d e u m — D e filiat i o n e dei). Von E . B o h n e n s t ä d t . 19 42*. 19 58 3 . H . 4 : V o n G o t t e s Sehen. V o n E . B o h n e n s t ä d t . 1942. 1944 2 . H . 6: D e r Laie über Versuche mit der Waage. Von H. Menzel-Rogner. H . 6: S i c h t u n g des A l k o r a n s . E r s t e s B u c h . V o n P . N a u m a n n . A n m e r k u n g e n v o n G . H ö l s c h e r . 1943. 1949 2 . H . 7 : S i c h t u n g des A l k o r a n s . Z w e i t e s u n d d r i t t e s B u c h . V o n G. H ö l s c h e r 1946. H . 8: U b e r d e n F r i e d e n im G l a u b e n . V o n L . M ö h l e r . 1943. H . 9 : V o m K ö n n e n - S e i n . V o m G i p f e l d e r B e t r a c h t u n g (De p o s s e s t — D e a p i c e t h e o r i a e ) . V o n E . B o h n e n s t ä d t . 1947. H . 1 0 : D e r L a i e ü b e r d e n G e i s t . V o n M. H o n e c k e r u n d H . M e n z e l - R o g n e r . 1949. H . 1 1 : M a t h e m a t i s c h e S c h r i f t e n . V o n J o s e p h a u n d J o s e p h E h r e n f r i e d H o f m a n n . 1952. H . 1 2 : V o m N i c h t a n d e r e n . V o n P . W i l p e r t . 1952. H . 1 3 : V o m Globusspiel. V o n G. v o n B r e d o w . 1952. I I . T h e o l o g i s c h e S c h r i f t e n ( H e i d e l b e r g 1949ff.) U b e r d e n U r s p r u n g . V o n M. F e i g l . V o r w o r t u . E r l ä u t e r u n g e n v o n J . K o c h . 1949. P r e d i g t e n 1430—1441. V o n J . S i k o r a u n d E . B o h n e n s t ä d t . 1952. D i e K a l e n d e r v e r b e s s e r u n g . V o n V. S t e g e m a n n u . M i t w i r k u n g v o n B. B i s c h o f f . 1955.
4. Literatur zu Raimund Llull A l g a i d a , S. de, C h r i s t o l o g i a l u l l i a n a seu d e m o t i v o i n c a r n a t i o n i s d o c t r i n a B . R a y m u n d i Lull, C F 1 (1931), 1 4 5 - 8 3 A l t a n e r , B., G l a u b e n s z w a n g u n d G l a u b e n s f r e i h e i t in d e r M i s s i o n s t h e o r i e d e s R a i m u n d u s LuUus, H J 48 (1928), 5 8 6 - 610 A s í n P a l a c i o s , M., M o h i d i n , i n : H o m e n a j e a M e n é n d e z y P e l a y o , M a d r i d 1899, II 2 1 7 - 5 6 A v i n y ó , J . , H i s t o r i a del L u l - l i s m e , B a r c e l o n a 1925 L e s o b r e s a u t é n t i q u e s d e R a m ó n Lull. R e p e r t o r i b i b l i o g r ä f i c , B a r c e l o n a 1 9 3 5 B a t l l o r i , M., R e c o r d s d e L u l l i V i l a n o v a a I t ä l i a , A S T 10 (1934), 11 — 43 R e l i q u i e s m a n u s c r i t e s del lul-lisme italiä, A S T 11 (1935) 1 2 9 — 4 1 E l l u l i s m o e n I t a l i a . E n s a y o d e síntesis, R e v . Filos. 2 (1943) 2 5 3 — 3 1 3 , 4 7 9 — 5 3 7 L a o b r a d e R a m ó n Lull e n I t a l i a , P a l m a d e M a l l o r c a 1 9 4 3 L e l u l l i s m e d e la R e n a i s s a n c e e t d u B a r o q u e . l ' a d u e e t R o m e , A c t e s d u X l é m e C o n g r . i n t e r n , d e Philos., B r ü s s e l 1953, 7 — 12
Quellen und Literatur
XIII
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Quellen und Literatur
XV
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5. Literatur zu Nikolaus von Kues B o h n e n s t ä d t . E . , Kirche und Reich im Schrifttum des Nikolaus von Kues, HSB 38/39 C a s s i r e r , E., Individuum und Kosmos in der Philosophie der Renaissance in: Studien der Bibl. Warburg X, Leipzig 1927 D e c k e r , Br., Nikolaus von Kues und der Friede unter den Religionen, in: Humanismus, Mystik und Kunst in der Welt des Mittelalters, hrsg. v. J . Koch, in: Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters Bd. 3, Leiden-Köln 1963, p. 94—121 D u h e m , P., Thierry de Chartres et Nicolas de Cues, RScPhTh 1909, p. 525—531 F e i g l , M., Vom incomprehensibiliter inquirere im 1. Buch von De docta ignorantia des Nikolaus von Kues, Divus Thomas, Bd. 22, 1944, p. 321—338 G a n d i l l a c , M. de, La philosophie de Nicolas de Cues, Paris 1941; deutsche Ubers, v. Fleischmann, K. Nikolaus von Kues, Studien zu seiner Philosophie und philosophischen Weltanschauung, Düsseldorf 1953 G l o s s n e r , M., Nikolaus von Cusa und Marius Nizolius als Vorläufer der neueren Philosophie, Münster 1891 H a u b s t , R., Johannes von Segovia im Gespräch mit Nikolaus von Kues und Jean Germain über die Beweisbarkeit der göttlichen Dreieinigkeit und ihrer Verkündigung vor den Mohammedanern, MThZ Bd. 2, 1951, p. 115—129 Zum Fortleben Alberts des Großen bei Heymerich von Kamp und Nikolaus von Kues, BGPhThM, Supplementband IV, 1962, p. 420—447 Das Bild des Einen und Dreieinen Gottes in der Welt nach Nikolaus von Kues, Trier 1952 Studien zu Nikolaus von Kues und Johannes Wenck. Aus Handschriften der Vat. Bibl., BGPhThM Bd. X X X V I I I 1, Münster 1955 Das Hoch- und Spätmittelalterliche „Cur Deus homo?", MThZ, Bd. 6, 1955, p. 302 bis 313 Die Christologie des Nikolaus von Kues, Freiburg i. Br. 1956 H o f f m a n n , E., Das Universum des Nikolaus von Kues, HSB 1930 Nikolaus von Kues. Zwei Vorträge, Heidelberg 1947 H o m m e s , J., Die philosophischen Grundlehren des Nikolaus Kusanus über Gott und das Verhältnis Gottes zur Welt, Augsburg 1926 K l i b a n s k y , R., Ein Proklosfund und seine Bedeutung, HSB 1929 K o c h , J., Die Ars coniecturalis des Nikolaus von Kues, Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, Heft 16, Köln-Opladen 1956
XVI
Quellen und Literatur
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6. Literatur aus Antike und Mittelalter A l a n u s ab Insulis, Regulae theologicae, P L 210, p. 617—684 A l b e r t u s Magnus, Opera omnia, ed. A. Borgnet, Paris 1890—99 A r i s t o t e l e s , Opera Impensa II,iussu Acad.Regia Borussica ed. I. Bekker, Berlin 1831 A u g u s t i n u s , Opera, P L 32—47 De ci vi tate Dei, CSEL 40 I — I I Epistulae, CSEL 57 B o n a v e n t u r a , Opera omnia, ed. studio et cura PPCollegii S. Bonaventurae ad Claras Aquas (Quaracchi) 1882ff. D i o n y s i u s A r e o p a g i t a , Opera, PG 3 J o h a n n e s Duns Scotus.Quaestiones in libros Sententiarum I — I V (Opus oxoniense) iuxta Ed. Waddingi a PP. Franciscanis recog., 8—21, Paris 1893—94 J o h a n n e s G e r s o n , Opera omnia, (ed. M. L. E. Du Pin, Antverpiae), Amsterdam 1706 J o h a n n e s de N o v a D o m o , De esse et essentia, ed. G. Meersseman in: Geschichte des Albertismus I, Paris 1933, p. 91—191 L i b e r X X I V P h i l o s o p h o r u m , ed.Cl. Baeumker in: BGPhM X X V , H 1—2 Münster 1927, p. 207-214
Quellen und Literatur
XVII
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7. Sonstige zur Erklärung benutzte Literatur A i m é F o r e s t , P., V a n S t e e n b e r g h e n , F., G a n d i l l a c , M. de, Le mouvement doctrinale du IXe au XlVe siècle, Histoire de l'Eglise depuis les origines j u s q u ' à nos jours, hrsg. von Fliche-Martin, V. 13, Paris 1951 A s í n P a l a c i o s , M., Abenmassarra y su escuela. Origines de la filosofía hispanomusulmana, Madrid 1914 El Islam cristianizado, Madrid 1931 B a e u m k e r , Cl., Der Piatonismus im Mittelalter, BGPhM XXV, 1—2, Münster 1927, p. 139—193 C o m b e s , A., Essai sur la critique de Ruysbroek par Gilson, I und II, Paris 1945 und 1948 G i l s o n , E., La philosophie de St. Bonaventure, Etudes de Philosophie médiévale 4, Paris 19432 La philosophie franciscaine, Paris 1927 La philosophie au Moyen-Age des origines patristiques à la fin du X l V e siècle, Paris 1947a L'esprit de la philosophie médiévale. Etudes de Philosophie médiévale 33, Paris 19482 G l o r i e u x , P., Répertoire de maîtres en Théologie de Paris au X l I I e siècle, I — I I , Etudes de Philosophie médiévale 17—18, Paris 1933 G r a b m a n n , M., Der lateinische Averroismus des 13. Jahrhunderts und seine Stellung zur christlichen Weltanschauung, BSB (1931) 2 Mittelalterliches Geistesleben 1—3, München 1926—1956 H o f f m a n n , E., Piatonismus und Mittelalter in: Vorträge der Bibl. Wartburg 1923 — 1924 (Leipzig 1926) 1 7 - 8 2 K l i b a n s k y , R., The continuity of the Piatonic tradition during the Middle Ages, Outlines of a Corpus Platonicum Medii Aevi, London 1939 K o c h , J., Piatonismus im Mittelalter (Kölner Universitätsreden, 4) Krefeld 1948 M a h n k e , D., Unendliche Sphäre und Allmittelpunkt, Halle 1937 M a n d o n n e t , P., Siger de Brabant et l'Averroisme latin au X l I I e siècle, I, Löwen 1911, I I Löwen 1908 M e e r s s e m a n , G., Les origines parisiennes de l'albertisme colonais, AHDLMA 7, 1932 (1933) p. 121—142 Geschichte des Albertismus, I : Die Anfänge des Kölner Albertismus, Paris 1933; I I : Die ersten Kölner Kontroversen, Rom 1935 R i t t e r , G., Via antiqua und via moderna auf den deutschen Universitäten des XV. Jahrhunderts (Studien zur Spätscholastik H S B 1922)
XVIII
Quellen and Literatur
1 Näheres zu den Kueser Kodizes siehe bei J.Marx, Verzeichnis der Handschriftensammlung des Hospitals zu Cues, Trier 1906 * Näheres zu den Münchener Lullus-Kodizes siehe: M. Obrador und E. Aguiló, Viatge d'investigació a les biblioteques de Munich i Milà, AIEC 2 (1908) 698ff. • Über die Pariser Lullus-Kodizes vgl. J. Tarré, Los códices lulianos de la Bibl. Nat. de Paris. AST 14 (1941) 166ff. 4 Näheres bei Ottaviano, Il perduto „Liber de potentia, obiecto et actu" di Lullo in un manuscrito Romano, EF 46 (1934) 267 — 268 ' Wir zitieren Llull nach dieser katalanischen Ausgabe, da sie die vollständigste, gesichertste und verbreitetste ist. Die katalanische Schreibweise ist: Ramon Llull im Gegensatz zur spanischen, die Ramón Llull hat. Es sei hier darauf hingewiesen, daß fast alle Llull-Werke neben der katalanischen eine lateinische Fassung haben. Doch die alten lateinischen Ausgaben sind unvollständig und unkritisch.
EINFUHRUNG Daß Nikolaus von Kues ein großes Interesse für Raimund Llull 1 gezeigt hat, läßt sich nicht bezweifeln. Davon zeugt die stattliche Zahl der Lullus-Handschriften in der Kueser Bibliothek. Dort sind nämlich 39 verschiedene Lullus-Werke in vollständigem, 6 in unvollständigem Text und 23 in Auszügen, insgesamt also 68 echte LullusSchriften vorhanden 2 . Kein anderer Denker ist in jener für die damaligen Zeitverhältnisse außerordentlich reichen Bücherei mit so vielen einzelnen Werken vertreten, wie eben unser Raimund Llull 3 . Wenn wir noch weiter bedenken, daß Nikolaus selbst alle dort vorhandenen Auszüge aus Lullus-Werken angefertigt und darüber hinaus, daß er eine bedeutende Zahl der Lullus-Abschriften mit eigener Hand geschrieben 4 , mit Randbemerkungen, längeren Notizen und sogar mit einem Verzeichnis von 77 Lullus-Werken versehen hat 5 , so dürfen wir daraus schließen, daß der deutsche Denker ein außergewöhnliches Interesse für die geistige Eigenart des genialen Mallorkiners und zugleich eine genaue Kenntnis von dessen eigenwilliger Lehre gehabt haben mußte. Dazu kommt noch die Tatsache, daß der junge Nikolaus sich gerade in seiner philosophischen Frühzeit stark mit Raimund Llull beschäftigte' und daß die Erinnerung an den Meister seiner philosophischen 1 Wir schreiben auf katalanisch Llull und nicht Lull. Der eigentliche Name der Familie soll Amat gewesen sein. Vgl. Miret i Sans, J., Lo primitiu nom de familia d'en Ramon Llull, B A B L B 8 (1916), 3 0 6 - 7 . C. F. Carreras I, 233, 239. Die lateinische Namensform wird dagegen der Tradition entsprechend mit einem L zu Beginn wiedergegeben, also: Lullus. 1 Vgl. Honecker, Lullus-Hs„ 290. » Vgl. Honecker, Lullus-Hs., 293. 4 Vgl. Honecker, Lullus-Hs., 291. Honecker schreibt von den Lullus-Abschriften nicht weniger als 36 mit mehr oder weniger Sicherheit der Hand des Cusanus zu. 6 Vgl. Honecker, Lullus-Hs., 277 ff. Das Verzeichnis findet sich im Cod. Cus. 86. 48 v. • Vgl. Cod. Cus. 83, 61 rff.: Extractus ex libris medidationum Raymundi . . . per me Nicolaum Cuse 1428 inceptum feria II post iudica in X L a . ; Cod. Cus. 94 im hinteren Deckblatt: 1428 8 die Julii habui somnium convivii, hinc timui de . . ., et illa die habui istum librum (Guillelmi Parisiensis Opera) et sermones Raymundi et textus Sententiarum. Vgl. darüber Honecker, Lullus-Hs., 294. Der Ausdruck „Sermones" bezieht sich auf die Ars magna praedicationis (Cod. Cus. 118, 1 r—192 r), die in ihrem zweiten Teil über 100 Predigten enthält. In S. 1, am 26. Mai 1431 in Koblenz gehalten, hat Cusanus seine Erklärung der Fides aus diesem Werk fast ad litteram entnommen. Vgl. Ars magna praed. (Cod. Cus. 118, 33 va—34 ra).
1
C o l o m c r , Nikolaus
Kues u. Raimund Llull
2
Einführung
Lehrjahre bis in das Alter hinein lebendig bei ihm geblieben ist 7 . Von da aus scheint uns der Schluß auf eine Einwirkung des Raimund Llull auf das Denken des Cusanus als höchst wahrscheinlich. Dennoch hat die Cusanusforschung die Bedeutung des Raimund Llull für die geistige Entwicklung des großen deutschen Denkers nicht immer genug beachtet. So hat z. B. die Heidelberger Ausgabe der Werke des Cusanus den Namen des Raimund Llull in ihren Fontes nicht aufgewiesen 8 . Zwar sind bekannte Cusanusforscher auf die Frage des Verhältnisses zwischen Nikolaus Cusanus und Raimund Llull eingegangen. So hat E. Vansteenberghe in seinem bekannten Cusanusbuch einen knappen, doch im ganzen für den damaligen Stand der Forschung sehr treffenden Aufriß der Abhängigkeitsbeziehungen zwischen beiden Denkern gegeben 9 . Auch P. Rotta 1 0 und J . Koch 1 1 haben in dieser Hinsicht wichtige Feststellungen gemacht. Dennoch haben alle genannten Arbeiten, zweifelsohne von großer Bedeutung für die Cusanusforschung, unsere Frage eigentlich nur am Rande behandelt. Es fehlte an Untersuchungen, die dies Problem eingehender ausarbeiten würden. Die Grundlage für eine solche Untersuchung gab M. Honecker in seinem wertvollen, 1937 erschienenen Aufsatz über die Lullus-Handschriften der Kueser Bibliothek. Honecker beabsichtigte, darüber hinaus eine zusammenfassende Arbeit über die gedanklichen Berührungspunkte und Zusammenhänge zwischen unseren beiden Denkern zu veröffentlichen 12 . Der frühe Tod verhinderte diesen Plan 1 3 . Nur über die Sonderfrage, inwiefern die llullsche Ars electionis auf den Kaiserwahlplan des Cusanus in De concordantia catholica eingewirkt habe, vermochte Honecker seine Feststellungen der Öffentlichkeit mitzuteilen 14 . Der erste, der die Anregung Honeckers übernahm, war M. Flori. Ausgehend von Honeckers Arbeit und von einer Vermutung Vansteenberghes 15 , untersuchte Flori bei Raimund Llull die Quelle des cusanischen Koinzidenzprinzips. Über diese Sonderfrage hielt er 1940 in 7 Vgl. den Brief vom 11. Juni 1463 an einen Novizen von Montoliveto (G. v. Bredow, Das Vermächtnis, H S B 1955, 47); Comp. c. 7 (B 244). 8 Darüber wundert sich mit Recht W. E. Platzeck, Lullsche Gedanken bei N. v. K. (Trier. Th. Ztschr. 1963, 357). • Vansteenberghe, Le cardinal N. d. C., 418ff. 1 0 L a bibl. del Cusano (Riv. Filos. Neo-Scolastica, 1927, 32ff ); II Cardinale N. d. C., 260 ff. 1 1 Vier Predigten (HSB 1937, 164ff.); Untersuchungen usw., (HSB 1942, 31). 1 2 Vgl. Honecker, R. Lulls Wahlvorschlag (HJ [1937] 572). 1 3 Aus dem Nachlaß Honeckers hat W. E. Platzeck, die Notizblätter über das obige Thema bekanntgegeben. Vgl. Platzeck, Los póstumos datos lulfsticos del Dr. M. Honecker y las glosas de Nicolás de Cusa sobre el Arte luliano (Stud. monogr., 14 Vgl. Honecker, R. Lulls Wahlvorschlag, 1 X - X , [1953—54] Iff.). 563ff. u Vgl. Le cardinal N. d. C„ 418.
Einführung
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Zaragoza einen Vortrag anläßlich eines wissenschaftlichen Kongresses 16 . Flori zog für seine Arbeit nur gedruckte Quellen heran. Ihm gebührt aber die Ehre, das Thema erstmals aufgegriffen und vielerlei Berührungspunkte zwischen Cusanus und Llullus gefunden zu haben. Ein J a h r später, 1941, veröffentlichte der deutsche Llullforscher W. E. Platzeck zwei Aufsätze über das Thema: Der Llullismus bei Nikolaus von Kues 1 7 . Platzeck, der zuerst von den zahlreichen Angaben des spanischen Llullisten Raimundo Pascual ausgeht, gibt dann auf Grund eigener Untersuchungen an den gedruckten Werken des Cusanus und Lullus die bis heute vollständigste Zusammenfassung über das Abhängigkeitsverhältnis des Cusanus zu Raimund Llull 18 . Der Mathematiker Jos. E. Hofmann veröffentlichte 1942 in den Heidelberger Cusanus-Studien den llullschen Traktat De quadratura et triangulatura circuli mitsamt einer Untersuchung über die Bedeutung des Traktates als Quelle der cusanischen Mathematik 1 9 . Hofmann findet bei beiden Denkern das gleiche Anliegen einer geometria intellectualis (bei Llull wohl noch sehr keimhaft und nicht unter dieser Benennung), in der allein die Kommensurabilität der Größen ermöglicht wird, welche auf der Ebene der geometria sensibilis unmöglich ist. Die bisher genannten Arbeiten wurden dann 1943 von den Brüdern Carreras Artau im zweiten Band ihrer Geschichte der spanischen Philosophie des Mittelalters zusammengefaßt 2 0 . Der Band bildet den ersten Versuch einer wissenschaftlichen Darstellung der Geschichte des Llullismus. Die Frage der Abhängigkeitsbeziehungen des Cusanus zu Raimund Llull wird von den Brüdern Carreras Artau bejaht. Im selben Jahre 1943 erschien in der Reihe: Schriften des Nikolaus von Kues in deutscher Ubersetzung die cusanische Schrift „Über den Frieden im Glauben" (De pace fidei). In einer ausgezeichneten Einführung weist L. Möhler auf die llullsche Schrift „Libre del gentil e los tres savis" hin, welche die wichtigste Vorlage für das cusanische Werk, nicht in der Übernahme des theologischen Inhalts, wohl aber der Idee nach, gewesen ist 21 . M Vgl. M. Florí, S. I., El principio de coincidencia de Nicolás de Cusa, inspirado en Ramón Lull? (Las Ciencias, Madrid 1942, 1 - 2 2 ) . 17 Vgl. Platzeck, El lulismo en las obras de N. Krebs de Cusa (RET 1, 1941, 731 ff.; 2, 1942, 257ff.). 18 Vgl. auch von Platzeck, Lullsche Gedanken bei N. v. K. (Trier. Th. Ztschr., 1953, 357 ff ). ™ Hofmann, R. Lulls Kreisquadratur als Quelle der cusanischen Mathematik, H S B 1942; vgl. auch von ihm die Einführung in: Die mathematischen Schriften des N. v. K., Leipzig 1951. » Carreras II, 177ff. 11 Über den Frieden im Glauben, übers, von L. Möhler, Leipzig 1943.
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Einführung
Endlich hat R. Haubst auf Grund seiner Untersuchungen über die Gotteslehre und die Christologie des Cusanus das Thema von neuem aufgegriffen Haubst hat Vorzügliches geleistet in der Erforschung der llullschen Quellen, die auf die cusanische Gotteslehre und Christologie eingewirkt haben. E r zog zum erstenmal für seine Untersuchung ungedruckte Quellen heran und wies ebenfalls erstmalig auf die Bedeutung des Kölner Lehrers des Cusanus, Heimeric van den Velde, der viel llullsches Gut in seinen Werken aufzeigt, für die geistige Entwicklung des Cusanus hin. Haubst hat naturgemäß von Cusanus her unser Thema behandelt. Überdies hat er einzelne Probleme, die damit zusammenhängen, eher angedeutet als eingehender verfolgt. Immerhin gebührt ihm die Ehre, einen neuen Weg der Lullus- und Cusanusforschung gezeigt zu haben. Auf diesem Wege wollen wir nun weitergehen. Damit sei eindeutig gesagt, daß wir keineswegs den Anspruch erheben, das Verhältnis des Nikolaus von Kues zu Raimund Llull im Ganzen aufzuklären. Dies wird erst dann möglich sein, wenn die Neuausgaben der beiden Meister im vollen Umfange vorliegen. Was Raimund Llull betrifft, denken wir vor allem an die kürzlich in Angriff genommene Ausgabe der lateinischen Werke. Wir bleiben also bewußt innerhalb der Grenze, die wir selbst uns festgesetzt haben. Wir wollen lediglich auf Grund eigener Forschungsarbeit in der Kueser Bibliothek der Klärung unserer Frage den Weg bahnen. Für dies Ziel kommen besonders in Frage sowohl die Werke des Heimeric van den Velde, wie auch die Randbemerkungen, Exzerpte und Notizen des Cusanus zu Raimund Llull. Wenn wir am Ende unserer Arbeit einige gedankliche Zusammenhänge zwischen Cusanus und Lullus hervorheben, so soll das nur ein Versuch sein, auf Grund eigener, wie auch der bisher geleisteten Forschung eine vorläufige philosophisch-geschichtliche Synthese zu skizzieren. Damit hoffen wir, wenigstens eine notwendige Vorarbeit für eine künftige, vollständige Klärung geleistet zu haben. a Haubst, Das Bild des Einen und Dreieinen Gottes in der Welt nach N. v. K., Trier 1962; Die Christologie des N. v. K., Freiburg 1966.
Erster Teil
DIE HERKUNFT DES LLULLISMUS BEIM CUSANUS D I E FRAGE UND IHRE MÖGLICHEN LÖSUNGEN Die erste Frage, die das Verhältnis des Cusanus zu Raimund Llull mit sich bringt, ist die der Herkunft des Llullismus bei Nikolaus 1 . Wie gelangt der junge Cusanus zur Kenntnis des Raimund Llull? Zwei Wege kommen hier in Frage: der eine führt über Padua, der andere über Paris. M. Batllori, dem wir eine Reihe von wertvollen Untersuchungen über den italienischen Llullismus verdanken 2 , hat sich bezüglich unserer Frage für Padua entschieden. Der italienische Llullismus hat eine reiche Geschichte. Sie erstreckt sich bis an die Lebenszeit des Raimund Llull selbst. Der unermüdliche Mallorkiner ist nicht weniger als fünfzehnmal nach Italien gereist und hat damit seine eigene Lehre selbst dorthin verpflanzt 3 . Am Anfang des 15. Jhdts. bestand in Padua um die Person des Fantini Dándolo, der zuerst Professor an der Paduaner Universität (1431), später päpstlicher Legat in Bologna (1431), Bischof von Kandia (1445) und endlich Bischof von Padua (1448) war, ein blühender llullistischer Kreis 1 . So weilte z. B. im September 1433 bei Fantini Dándolo ein Llullist aus Barcelona, namens Joan Bulons, und vollendete dort „in domo domini Fantini Dándolo" 5 seine „Lectura" über die Ars des Raimund Llull. Batllori interpretiert den Paduaner Llullismus als eine Reaktion auf den lateinischen Averroismus, der damals die Paduaner Universität beherrschte 8 . Nun, Nikolaus von Kues studierte sechs Jahre lang (1417 bis 1423) an der Paduaner Universität. Es ist durchaus möglich, daß 1 Wenn wir in unserer Untersuchung vom Lullismus bei Cusanus sprechen, so meinen wir keineswegs, daß Cusanus etwa ein Lullist gewesen wäre, sondern allein dies, daß bei ihm infolge einer langen Auseinandersetzung mit Raimund Llull gewisse llullsche Gedankengänge vorkommen. 2 Vgl. besonders zu unserem Thema folgende Untersuchungen: Reliquies manuscrites del lul-lisme italii (AST 11, 1935); El lulismo en Italia (Rev. Filos. 2, 2 6 4 - 3 1 3 u. 480 — 537); Le lullisme de la Renaissance et du Baroque, Padue et Rome (Actes du Xléme Congr. intern, de Philos., Brüssel 1953 7 — 12); EI lul-lisme del primer Renaixement (IV Congr. de Hist. de la Corona de Aragón, Mallorca 1955). " Vgl. Batllori, El lulismo en Italia, 266 ff. 1 Vgl. darüber Batllori, Le lullisme de la R. et du B., 7 ff. * Vgl. Clm. 105 661, Bayerische Staatsbibliothek, München • Vgl. Batllori, El lulismo en Italia, 484.
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Die Herkunft des Llullismus beim Cusanus
er schon während seines Studiums den späteren Freund Fantini Dandolo kennengelernt hat. Jedenfalls stehen die späteren Beziehungen des Cusanus zu Fantini Dandolo historisch fest. Wir wissen, daß der deutsche Kardinal um die Zeit nach 1448 eine Abschrift des llullschen Werkes Lectura super artem inventivam et tabulam generalem als Geschenk des Fantini Dandolo, damals schon Bischof von Padua, bekam 7 . Die angeführten Gründe veranlaßten Batllori zu der Meinung, daß die erste Bekanntschaft des Nikolaus von Kues mit der Lehre des Raimund Llull in Padua stattgefunden habe 8 . Gegen diese Theorie erhob neuerdings seine Bedenken J . Carreras Artau 9 . Tatsächlich stehen die Frühbeziehungen des Nikolaus von Kues mit dem Paduaner llull istischen Kreis historisch nicht fest. Überdies scheint der Kreis selbst etwa 10 Jahre nach dem Paduaner Aufenthalt des Cusanus erst bestanden zu haben 10 . So versucht Carreras, ausgehend von den letzten Forschungen R. Haubsts, einen neuen Weg zu finden, der an den Pariser Llullismus anknüpft. Die Geschichte des Pariser Llullismus hatten schon die Gebrüder Carreras Artau in einigen Hauptzügen geschildert 11 . Die Anfänge des Pariser Llullismus, gleich wie die des italienischen, reichen bis zu den Lebensjahren des Meisters Raimund selbst. Er hat nämlich wiederholt Paris besucht mit der Absicht, seine Lehre im damaligen geistigen Herzen des Abendlandes zu verbreiten. Es gelang ihm, drei Schülerkreise in Paris zu bilden, den ersten und wichtigsten im Kartäuserkloster von Vauvert, den zweiten in der Sorbonne, wo einige Magister und Studenten sich an Raimund anschlössen, und den dritten am französischen Hof. Die Beziehungen Meister Raimunds zu der Kartause von Vauvert sind in unserem Zusammenhang besonders hervorzuheben. Dort verfaßte Llull im Jahre 1298 das reizende Werk Arbor philosophiae amoris und später im Jahre 1310 den Traktat De modo naturali intelligendi. Als Zeichen seiner Dankbarkeit schenkte Raimund dem Kloster eine lateinische Abschrift mit eigenhändiger Widmung des Libre de Contemplacio en Deu mitsamt dem Blanquerna und dem kostbaren Libre d'amic e amat 1 2 . Weiter bezeichnete Raimund in seinem Testament elf seiner Werke, von denen ein lateinischer Vgl. Cod. Cus. 82, Vorblatt. • Vgl. Batllori, E l lulismo en Italia, 486; El lul-lisme del primer Renaixement, 12. 9 Vgl.: Influencia de Ramón Llull en el pensamiento filosófico-teológico de los siglos X I V y X V , Actes du 1 e r Congr. Intern, de Phil. méd. (Löwen-Paris 1960) 647 f. 1 0 Das erste sichere Datum ist der Aufenthalt des J o a n Bulons bei Fantini Dandolo. 1 1 Vgl. Carreras II, 14ff. Bezüglich des Pariser Llullismus wäre noch vieles zu erforschen. Die wenigen historischen Kenntnisse, die wir besitzen, erlauben nur eine sehr lückenhafte Darstellung dieser interessanten geistigen Bewegung. " Vgl. Carreras II, 15. 7
I. Die Frage und ihre möglichen Lösungen
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Text an die Pariser Kartause geschickt werden sollte 18 . So besaß die Kartause von Vauvert eine bedeutende Lullus- Sammlung. Die bekanteste Persönlichkeit des ersten Pariser Llullismus war ein persönlicher Freund des Raimund, Thomas Le Myesier. E r veriaßte 1325 mit propagandistischer Absicht eine Zusammenfassung der llullschen Lehre, das sogenannte „Electorium Remundi", und später noch zwei kleinere Synthesen desselben „Electorium", das „Electorium medium" und das „Breviculum". Le Myesier starb am 3. September 1336. Seine reiche Lullus-Sammlung ging gemäß seiner testamentarischen Anordnung in den Besitz der Sorbonne über. So erhielt der Pariser Llullismus eine neue, reichere llullsche Bibliothek, als es die der Kartause von Vauvert war 14 . Auffallenderweise hören nun die Nachrichten über den Pariser Llullismus vollständig auf. Doch daß die Bewegung inzwischen nicht erstorben war, davon zeugt der Feldzug gegen den Llullismus, den um die Jahrhundertwende die Pariser Theologische Fakultät und der berühmte Kanzler von Notre-Dame, Johannes Gerson, unternahmen 15 . Die Theologische Fakultät verbot um 1390 die Verbreitung der llullschen Lehren 1 ". An dieses Verbot der Fakultät anknüpfend, nahm Gerson eine schriftstellerische Kampagne gegen den Llullismus vor. Mit anderen neuplatonischen und mystischen Zeitströmungen verurteilt der Pariser Kanzler in mehreren Schriften die llullschen Lehren, besonders aber die neue Terminologie des Raimund und seine Fides- und Trinitätsauffassung17. So erschien 1402 1 4 Vgl. Fr. de Bofarull, El testamento de R . Lull y la escuela Iuliana de Barcelona 1 4 Vgl. Carreras I I , 20ff. ( M A B L B Bd. 6, 1896, 4 3 6 f f ) . u Vgl. darüber Carreras II, 8 8 f f . ; vgl. über Gerson die neuen Arbeiten von A. Combes, besonders: Essai sur la critique de Ruysbroeck par Gerson, Paris 1946 u. 1948. 1 1 Die offizielle Urkunde ist nicht erhalten. Doch findet man bei Gerson die Nachricht über das Verbot und dessen Inhalt. Im Brief von 1410 an einen Mönch aus der Kartause von Vauvert namens Bartholomeus Clantier, der ihm die Geistliche Hochzeit des J a n van Ruusbroec und die Ruusbroecsverteidigung des J a n van Schoonhoven geschickt hatte, schließt Gerson in seiner Kritik des Meisters von Groenendael die Lehre des Raimund Llull ein. Man beachte besonders folgenden T e x t : Sic nuper actum est Parisiis per sacram Theologiae Facultatem adversus illos, qui doctrinam quandam peregrinam Raymundi Lullii conabantur inducere; quae, licet sit multis altissima et verissima; quia tarnen in aliis discrepat a modo loquendi Doctorum sacrorum et a regulis doctrinalis suae Traditionis et unitate in Scholis, ipsa edicto publico repudiata, prohibitaque (Epist. ad Barth., Opera omnia, Antwerpen 1706, Bd. 1, 82). In De examinatione doctrinarum gibt uns Gerson den Inhalt dieses Verbots: Constituit protinus statu tum (quod Patribus Cartusiensibus prope Parisios significavit per litteram, habent enim copiam librorum dicti Lullii), quo statuta prohibebatur omnibus suppositis suis ne derelinquentes modum sanctorum Doctorum per Ecclesiam approbatorum et qui tentus est hactenus in sacra Theologiae Facultate, transirent ad hanc novam phantasiandi curiositatem (Opera omnia, Bd. 1, 13). Vgl. auch Carolus du Plessis d'Argentre, Collectio iuditiorum, Paris 1728, Bd. 1, 248; A. Combes, Essay I, 616f. 1 7 Vgl. über den Zusammenhang zwischen Nominalismus und Antiplatonismus bei Gerson: E . Gilson, La Philosophie au Moyen Age, 716.
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Die Herkunft des Llullismus beim Cusanus
die Lectio altera contra vanam curiositatem in negotio fidei 1 8 ; 1423 folgte De examinatione doctrinarum 19 und 1425 De libris caute legendis propter errores occultos 20 . Den Höhepunkt dieser Kritik Gersons an Raimund Llull bildete die im Jahre 1423 erschienene Schrift Super doctrina Raimundi Lullii, in welcher der Pariser Professor sich auf einer gemäßigten Weise mit Raimund Llull auseinandersetzt 21 . In der gleichen Zeit, in welcher die Pariser Theologische Fakultät und Gerson Stellung gegen Raimund Llull nahmen, bildete sich in der Artistenfakultät eine neue Lehrrichtung, die der Albertisten 2 2 . Ihr Urheber, Johannes de Nova Domo, bekannte sich gegen den Nominalismus und für die via antiqua, doch im Gegensatz zum zeitgenössischen Thomismus gab er Albert dem Großen den Vorrang vor seinem Schüler Thomas von Aquin. Das Kennzeichen dieser neuen Richtung ist vor allem der Neuplatonismus. Die Stellen Alberts des Großen, die Johannes de Nova Domo besonders bearbeitet, sind gerade diejenigen, welche Albert selbst aus Avicenna, dem Liber de Causis, oder aus anderen arabischen Neuplatonikern bezogen hatte 2 3 . Wir wissen nicht, welche Stellung Johannes de Nova Domo in der damaligen Kontroverse über Raimund Llull nahm. Sein Schüler, Heimeric van den Velde, der 1410 das Studium der Philosophie unter Magister Johannes de Nova Domo in Paris begann, hat jedenfalls die Ars des Raimund gekannt und viel llullsches Gut seinem neuplatonisch gefärbten philosophisch-theologischen Denken einverleibt 2 4 . Nun, Heimeric ist der Lehrer des Cusanus gewesen. Der junge Nikolaus besuchte in den Jahren 1425—26 die Kölner Universität und studierte dort Theologie bei Magister Heimeric, der zwei Jahre vor der Ankunft des Nikolaus von Paris nach Köln gekommen war. Drei Jahre später, im Jahre 1428, begann Nikolaus in seinem Heimat1 8 Opera Omnia, Bd. 1, 94 ff. ; eine Zusammenfassung des Werkes bei Gilson, L a Philosophie au Moyen Age, 714. " Opera omnia, Bd. 1, 13. M Opera omnia, Bd. 1, 117 ff. 2 1 Die Schrift wurde von E . Vansteenberghe gefunden und ediert. Un traité inconnu de Gerson „Sur la doctrine de Raymond Lulle" (RScRel, 1936, 441 ff.). 2 1 Über die Anfänge des Pariser Albertismus sind wir von Meerssemanns Geschichte des Albertismus 1, gut unterrichtet. Johannes de Nova Domo ist Verfasser zweier Schriften: De esse et essentia (vgl. Meersseman I, 91: Tractatus Magistri J . de Nova Domo de esse et essentia) und Tractatus universalium (vgl. Meersseman, Eine Schrift des Kölner Universitätsprofessors Heymericus de Campo oder des Pariser Professors Johannes de Nova Domo in: Jahrb. d. Köln. Geschichtsvereins, 1936, 144ff ). ° Vgl. Meersseman I, 47; vgl. auch ebenda 89: „Wenn das Skelett des albertinischen Systems aristotelische Teile aufweist, so treffen wir darin doch vorzüglich neuplatonische Ausdrücke und Gedankengänge an. Johannes hat diese hauptsächlich aus Alberts De causis et processu universitatis. Überhaupt sind die Lehrpunkte Avicennas stark berücksichtigt worden". M Vgl. Haubst, Das Bild, besonders S. 67; 265ff.; 333ff.
II. Der Llullismus bei Heimeric van den Velde
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ort Kues seine Exzerpte aus dem Liber Magnus contemplationis in Deum anzufertigen. Als Vorlage benutzte er den Pariser Kodex, den Raimund selbst einst der Kartause von Vauvert geschenkt h a t t e t s . Es folgt dann ein Zeitraum intensiver Beschäftigung mit Raimund Llull. Auch die Werke des Heimeric hat Nikolaus durchstudiert und vielfach mit Randbemerkungen versehen 26 . Wenn nicht alles täuscht, so ist man geneigt, den Llullismus des Cusanus aus der Pariser Tradition abzuleiten. Dabei würde Heimeric van den Velde die Rolle des Vermittlers spielen. Es bleibt nun eine wichtige Frage zu erörtern: Inwiefern darf Heimeric van den Velde als Anhänger des Raimund Llull angesehen werden ? Denn vorausgesetzt, daß der llullsche Einfluß tatsächlich bei Heimeric vorhanden war, inwieweit ist dieser Einfluß bei ihm wirksam gewesen, so daß man von einer vermittelnden Rolle des Kölner Professors in bezug auf die Begegnung des Cusanus mit Raimund Llull sprechen darf ? Auf diese entscheidende Frage wollen wir in der folgenden Untersuchung ausführlich eingehen. Von ihrer Beantwortung hängt nicht nur die Lösung des Problems über die Herkunft des Llullismus bei Nikolaus von Kues ab. Die Antwort selbst stellt darüber hinaus ein neues, bisher unbekanntes Kapitel in der reichen Geschichte des Llullismus dar. II. DER LLULLISMUS BEI HEIMERIC VAN DEN VELDE Man kann bei Heimeric van den Velde zweierlei Schriftgattungen unterscheiden. Wir meinen die von Meersseman veröffentlichten Kontroversschriften und die übrigen unedierten, dennoch weit bedeutsameren Werke, in denen der positive Aufbau des Denkens Heimerics deutlicher zum Vorschein kommt. Über die Kontroversschriften und die Kämpfe zwischen Albertisten und Thomisten, welche diese in der alten Universität Köln entfesselten, sind wir von Meersseman gut unterrichtet 2 7 . Im Jahre 1428 veröffentlichte Heimeric, damals Professor der Theologie an der Kölner Universität, die Schrift Tractatus problematicus, in welcher er bei der Behandlung 18 philosophischer Probleme die Lösungen des Thomas von Aquin und Alberts des Großen einander gegenüberstellt 28 . Dreiunddreißig Jahre später, als Heimeric längst die Kölner Professur aufgegeben und zur neugegründeten Universität Löwen übergesiedelt war, antwortete ihm der Kölner Thomist Geiliard de Monte mit einem versöhnlichen Tractatus concordiae. Heimeric reagierte heftig " Vgl. M Vgl. " Vgl. versen. 88 Vgl.
Honecker, Lullus-Hs„ 291. Cod. Cus. 106. Meersseman, Geschichte des Albertismus II: Die ersten Kölner KontroMeersseman II, 23ff.
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Die Herkunft des Llullismus beim Cusanus
mit einem kämpferischen Brief an die Kölner Universität, der wegen seines gereizten Tones den Namen „Invectiva" erhielt 29 . So spiegelten sich in Köln in Form einer Auseinandersetzung zwischen Albertisten und Thomisten jene erbitterten Kämpfe wieder, die einen Teil des philosophischen Lebens im Spätmittelalter ausmachen. Von einem llullschen Einfluß auf die oben benannten Schriften ist übrigens gar keine Rede 30 . Für unser Ziel kommen also allein die übrigen, bisher noch unedierten Werke des Heimeric in Frage. Von diesen Schriften ist das Compendium divinonim im Cod. Mog. 610 und 614 erhalten; die übrigen Werke finden sich im Cod. 106 der Kueser Bibliothek. Was nun die Datierung dieser Schriften betrifft, so besitzen wir einige sichere Anhaltspunkte. Das Compendium divinorum geht auf die Jahre 1420—22 zurück, als Heimeric an der Kapitelschule zu Dyest dozierte 31 . Zur Kölner Lehrzeit des Heimeric gehören der Quadripartitus quaestionum zu den Sentenzen und dem Decretum 32 , ferner die Quaestiones supra libros philosophiae rationalis, realis et moralis Aristotelis 33 , die Theoremata totius universi 34 und wahrscheinlich auch die Ars demonstrativa. Näheres kann man mit Sicherheit nicht feststellen. Aus der Art der darin zahlreich enthaltenen CusanusGlossen vermutet Haubst mit Recht, daß der Quadripartitus quaestionum die Mitschrift einer Vorlesung Heimerics an der Kölner Universität 1424—25 durch Cusanus darstellt 3 5 . Die Theoremata totius universi und die Ars demonstrativa sind ebenfalls der Schrift nach vor 1431 von Nikolaus Cusanus glossiert worden 36 . Zur Basler Aufenthaltszeit des Heimeric gehören endlich der Traktat De sigillo aeternitatis 3 7 , die Disputatio de potestate ecclesiastica 38 und das Colliget principiorum 39 , wobei der Traktat De sigillo vor Ostern 1433, die 2
» Vgl. Meersseman II, 67ff. Es geht auch bei beiden Schriften um ganz anderes. Sie besagen also beide (der Tract. probi, v. 1428 und die Invectiva v. 1456) nichts für oder gegen eine Llullkenntnis. al Vgl. Cod. Mog. 614, 260 v: Explicit Compendium divinorum magistri Emerici per eundem in Dyest datum et collectum una cum glossa eiusdem. 12 Vgl. Cod. Cus. 106, 13 r, 1 : Quadripartitus quaestionum a magistro Heymerico de Campo Coloniae collectarum. a Vgl. Cod. Cus. 106, 26 r: Quaestiones magistri Heymerici de Campo supra libros . . . in universitatibus Parisiensi et Coloniensi legi consuetos per propositiones syllogisticas epilogatae. ** Vgl. Cod. Cus. 106, 63 v : Editus Coloniae a magistro Heymerico de Campo. » Vgl. Haubst, Das Bild, 67 Anm. 26. " Vgl. Haubst, ebenda. " Vgl. Cod. Cus. 106, 77 r: Tractatus de sigillo aeternitatis . . . Basileae tempore Concilii editus. M Vgl. Cod. Cus. 106, 78 v ; in Concilio Basileensi collata. ** Vgl. Cod. Cus. 106, 254 v, 9: Hunc laborem a me . . . extra soli tarn mei studii bibliotecam in Synodo Basileense degente . . . scribi iubentis concludere.
II. Der Llullismus bei Heimeric van den Velde
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Disputatio in der Zeit von Ostern 1433 bis Ostern 1434 und das Colliget principiorum 1435 entstanden sein dürften 4 0 . Was nun unsere Frage betrifft, so ist eine deutliche Beziehung auf Raimund Llull in den ersten Schriften des Heimeric nicht zu finden. Es kommen wohl gewisse Anklänge und Zusammenhänge mitunter vor, welche auf einen llullschen Einfluß hindeuten. Diese Sachlage ändert sich dann völlig bei den drei letzten Schriften. Das Sigillum aeternitatis stellt den Versuch Heimerics dar, eine eigene Ars nach dem Muster der llullschen Ars zu bilden. In der Disputatio wird Llull zum erstenmal ausdrücklich zitiert und dessen Ars eingehend dargestellt. Den Höhepunkt des llullschen Einflusses zeigt das Colliget principiorum, wo die llullsche Prinzipienlehre das eigentliche metaphysische Gerüst des Traktates ausmacht. Bevor wir nun auf die Darstellung der Schriften des Heimeric eingehen, sei Folgendes vorausbemerkt: Wir wenden allein unsere Aufmerksamkeit auf diejenigen Stellen, die eine llullsche Einwirkung aufweisen. Der Gesichtspunkt unserer Darstellung ist folglich scharf begrenzt. Der Klarheit wegen schicken wir doch jeweils eine kurze Beschreibung der Schrift als Umrahmung voraus. Dem Ziel der Untersuchung entsprechend kommt in der folgenden Darstellung das Hauptgewicht den Texten des Heimeric zu. 1. C o m p e n d i u m d i v i n o r u m 4 1 Dies Jugendwerk des Heimeric steht im Bannkreis der ZTOiysicoais OEoXoyiKT] des Proclus. Die Schrift bietet eine typische neuplatonische Darstellung der ganzen Philosophie 42 , wobei das bekannte neuplatonische Schema, Gott als Urquell alles Seins, der Ausfluß aller Dinge von Gott her und ihre Rückkehr zu Gott hin, den metaphysischen Aufbau des Traktates ausmacht: Philosophiae flores hoc opusculo sub compendio colligere propono adiutorio illius, qui omnem mentem illuminat, quadripartitus prosecuturus tractatum. In quorum primo problemata quaedam preambula sequentibus firmitatem dantia ponam; in secundo quaedam specialiter de primo universitatis entium principio iuxta mei facultatem ingenioli discutiam; in tertio quaedam de exitu et progressu universorum a primo subiungam et in quarto circa proprias rerum entitates et de modo reductionis ipsorum ad unum finale principium considerationem extendam 4 3 . 40
Vgl. Haubst. Das Bild. 58 Anm. 25. Die Schrift findet sich im Cod. Mog. 610. 8 9 v - 9 6 v ; 120 r —176 r und Cod. Mog. 614, 209 r —260 r. 42 Vgl. Grabmann, Mitt. Geistesleben II, 384ff.: Haubst, Zum Fortleben Alberts des Großen (BGPhThM, Suppl. Bd. 4, 343ff.). « Cod. Mog. 614, 209 ra. 41
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Die Herkunft des Llullismus beim Cusanus
D a s C o m p e n d i u m zeigt einen g a n z a n d e r e n Heimeric als den d e r K ö l n e r K o n t r o v e r s s c h r i f t e n . I m C o m p e n d i u m erscheint d a s D e n k e n des H e i m e r i c i m L i c h t e d e r g r o ß e n n e u p l a t o n i s c h e n T r a d i t i o n , die das ganze Mittelalter d u r c h z i e h t z u der auch das Denken R a i m u n d Llulls gehört45. Ü b e r diese g e m e i n s a m e n e u p l a t o n i s c h e T r a d i t i o n h i n a u s weist die S c h r i f t einige L e h r e n a u f , die a u c h bei L l u l l i h r e E n t s p r e c h u n g f i n d e n . W i r d e n k e n z. B. a n die f ü r H e i m e r i c k e n n z e i c h n e n d e e x e m p l a r i s t i s c h t r i n i t a r i s c h e Sein sauf f a s s u n g 4 6 o d e r an den G e b r a u c h d e r T e r n a r e p r i m u m , m e d i u m , u l t i m u m 4 7 u n d scientia, p o t e n t i a , b o n i t a s 4 8 . A u c h t r i t t bei H e i m e r i c ä h n l i c h w i e bei L l u l l die a b s o l u t e I d e n t i t ä t G o t t e s sehr s t a r k h e r v o r 4 9 . Man d a r f j e d o c h solche v a g e Ä h n l i c h k e i t e n n i c h t o h n e w e i t e r e s auf einen llullschen E i n f l u ß z u r ü c k f ü h r e n , d a sie i h r e n U r s p r u n g e b e n s o g u t in d e r g e m e i n s a m e n m i t t e l a l t e r l i c h e n T r a d i t i o n h a b e n k ö n n t e n . Ein s i c h e r e r A n h a l t s p u n k t f ü r eine L l u l l - K e n n t n i s e r g i b t sich d a n n d e m n a c h a u s d e m C o m p e n d i u m nicht. 2. Q u a d r i p a r t i t u s q u a e s t i o n u m s y l l o g i s t i c e s u p r a l i b r o s S e n t e n t i a r u m et D e c r e t u m 5 0
quattuor
Die S c h r i f t e n t h ä l t eine Q u a e s t i o n e n s a m m l u n g , die w a h r s c h e i n l i c h eine V o r l e s u n g H e i m e r i c s an d e r K ö l n e r U n i v e r s i t ä t 1 4 2 4 — 2 5 w i e d e r 44 Zum Problem des Piatonismus im Mittelalter vgl. E. Hoffmann, Piatonismus und Mittelalter in: Vorträge der Bibliothek Warburg 1923—24, Leipzig 1926, S. 17—82; CI. Baeumker, Der Piatonismus im Mittelalter, in: Studien und Charakteristiken zur Geschichte der Philosophie, besonders des Mittelalters (BGPhM 25, 1/2) S. 139—193; R. Klibansky, The continuity of the Platonic tradition during the Middle Ages, Outlines of a Corpus Platonicum Medii Aevi, London 1939. — Eine treffliche Zusammenfassung bei J. Koch, Piatonismus im Mittelalter (Kölner Universitätsreden 4). 46 Den Neuplatonismus im Denken Raimund Llulls hat Platzeck einwandfrei dargetan. Vgl. besonders Die llullsche Kombinatorik und La figura ,,A" del „Ars" luliano. 44 Vgl. Cod. Mog. 614, 226 r a : Effectus suscipit influxum suae causae nedum ad esse sed ad posse et operari. Ergo habet vestigium trinae influentiae suae causae; ebd. 230 rb: Itaque cum haec (scientia, potentia, bonitas) perficiant primi operationem, per quam ad effectum ordinatur, sequitur quod in quolibet ente creato a primo vestigialiter relucet effectus horum principiorum. 47 Vgl. Cod. Mog. 614, 209 ra: Ubicumque est primum et ultimum, ibi est medium determinans distantiam primi ab ultimo. Ubicumque autem sunt haec tria, ibi est ordo. Vgl. Ars ultima II, 2 (A 223). 44 Vgl. Cod. Mog. 614, 230 ra—b: Unaquaeque causa per se relinquit in effectu vestigiales rationes suarum perfectionum, per quas esentialiter et per se ad talem effectum ordinatur in causando. Huiusmodi autem sunt principia perficientia eius causalitatem in agere . . . scientia, potentia et bonitas. Llull kennt den Ternar: potestas, sapientia, voluntas. Bonitas gehört bei ihm zum Ternar: bonitas, magnitudo, aeternitas. Vgl. Ars ultima II, 1 (A 220). 48 Vgl. Cod. Mog. 614, 227 rb: In primo idem est agere et esse . . . Primum est totaliter et simpliciter agens. Ergo suum agere est suum esse; ebd. 227 rb: In primo sunt omnium perfectiones in omnimoda identitate cum substantia eius . . . Quidquid igitur est in primo est ei prorsus idem. " Cod. Cus. 106, 13 r —22 r.
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gibt. Die Fragen werden in syllogistischer Form beantwortet. Eine gesicherte llullsche Einwirkung auf diese Schrift kann nicht bewiesen werden. Die Schrift enthält jedoch Stellen, die als ein wahrscheinlicher Anhaltspunkt für Llull-Kenntnis seitens des Heimerics angesehen werden dürften. Der Gebrauch der Ternars primum, medium, ultimum 51 ist zwar dem Mittelalter so geläufig, daß sich daraus kein sicherer Schluß auf eine Llull-Kenntnis ziehen läßt 5 2 . Anders verhält es sich vielleicht mit dem Ternar potentia, scientia, voluntas, der für die llullsche Kunst charakteristisch ist und den Heimeric auf die göttliche Dreifaltigkeit anwendet 53 . Auf Raimund Llull dürfte die Benennung Christi als Schöpfer und Geschöpf zurückgehen: Dei per incarnationem Verbi humanatio est per assumptionem carnis mediante Spiritu hominis deificatio . . . Qui, cum sit Creator et creatura, naturaliter utriusque predicata recipit communiter. Unde per prophetam recte dicitur, quod est simul in unum dives et pauper, id est, factus infectus, novus sempiternus, passibilis impassibilis, latriam et idolatriam salubriter adorandus 54 . Da aber diese Redeweise auch bei Augustinus vorkommt, läßt sich daraus eine eindeutige llullsche Einwirkung nicht feststellen 55 . 3. Q u a e s t i o n e s s u p r a l i b r o s p h i l o s o p h i a e r a t i o n a l i s , r e a l i s et m o r a l i s Aristotelis 5 ® Die Schrift stellt wiederum eine Quaestionensammlung dar. Den ersten aus Aristoteles herstammenden Quaestiones folgt am Ende (54r—55v) eine kürzere Quaestionenreihe aus dem Liber de causis. Damit bietet diese Schrift ein erneutes Beispiel jener für Heimeric " E M . 13 r, 18 : In quo processu gemino resultai originaliter primi, medii et ultimi opposita correlatio. M Über den Ternar principimi], medium, finis siehe Mahnke, Unendliche Sphäre und Allmittelpunkt. Mabnke verfolgt die Geschichte des Ternars zusammen mit der des Kreissymbols von der Neuzeit her über das ganze Mittelalter bis Plotin, Plato und einen Orphiker — Hymnus zurück. M Vgl. Ebd. 13 v, 4 ff. M Cod. Cus. 106, 16 r 4 ff. Die Benennung Schöpfer und Geschöpf kommt bei Llull oft vor. Vgl. z. B. Lib. de quinque sapientibus p. 4, dist. 2, cap. 1 : Maior magnitudo boni, ad quam Deus possit exaltare creaturam, est quod ipsam deificet in se ipso et assumat eam taliter, quod creatura sit Deus et Deus sit creatura (MzBd. 2) ; Disp. fidei et intellectus p. 3, n. 4 (Mz Bd. 4, S. 14); Arbre de sciència, Del arbre de Jesu Christ, 6 n. 23; gran veritat sia èsser creador creatura e creatura creador (ORL Bd. 12, S. 228); Ebd. n. 24: gran gloria és a creatura èsser unida ab lo creador en uni tat de persona qui sia creador e creatura (S. 229); ebd. n. 28: (Christus . . .) mijà en qui's conjunyen creador e creatura (S. 230) usw. Dazu Garcias Palou, Questiones de Psicologia y fisiologia humanas en Cristo (RET, 1943, 289ff.). u Vgl. Ep. 187 ad Dardanum: Unus Christus est Verbum et homo; proinde quod ad Verbum attinet, Creator est Christus . . ., quod vero ad hominem creatus est Christus (CSEL 67, 87ff.). M Cod. Cus 106, 25 - 56 v.
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eigentümlichen Denkrichtung, die unkritischerweise Aristotelismus und Neuplatonismus vermischt. Dem Inhalt der Schrift gemäß ist von einer Llull-Kenntnis keine Spur zu finden. 4. T h e o r e m a t a t o t i u s u n i v e r s i f u n d a m e n t a l i t e r doctrinalia® 7 Das knappe Werkchen bildet eine Syllogismenkette von 43 Gliedern, die vom Kontradiktionsprinzip als oberster Grundlage abhängt: Esse et non esse répugnant inmediate. At prius est ipsum esse naturaliter quam non esse. Primum ergo principium possidet esse purum 58 . Danach folgt der ganze philosophisch-theologische Aufbau der Schrift nach einem neuplatonisch gefärbten Schema: Gott, der Ausfluß der Dinge aus Gott, die göttliche Weltlenkung, die Rückkehr der Dinge zu Gott, die Vorsehung. Den Kerngedanken der Theoremata bildet eine exemplarische und trinitarische Seinsauffassung : Agens per se conformât eius opus suae essentialis bonitatis similitudini. Creatrix Dei bonitas est Trinitatis in unitate inseparabilis fecunditas. Quo fit fida ratione, quod in summa Trinitatis essentia sunt creabilium formae architypae vestigialiter triplificae 59 . In hac effluxus trinitate vires personarum relucent appropriate. Quarum insignia causalia sunt in qualibet creatura vestigialiter impressa. Quae, cum nequeant separari, non potest ipsa materia nuda prorsus essentiari, sed omne creatum originaliter exstat trinum 60 . Demgemäß durchkreuzen mehrere Ternare, als analogiae Trinitatis aufgefaßt, die ganze Schrift: esse, posse, agere (65v, 6; Ebd. 19); esse, vivere, intelligere (64v, 27); memoria, intellectus, voluntas (65r, 8); angelus, coelum, mundus (65v, 2); aer, aqua, terra (65v, 27). Ob und inwiefern diese Auffassung von Raimund Llull beeinflußt sei, ist schwer zu bestimmen. Denn Raimund selbst steht ebenfalls im Bannkreis derselben dionysisch-bonaventurischen Tradition. Auf Llull weisen jedenfalls der Ausdruck „agentia" 6 1 und das Motiv der göttlichen sich mitteilenden Güte und Fruchtbarkeit: " Cod. Cus. 106, 63 v—66 r. " Ebd. 63 v, 2 - 3 . " Cod. Cus. 106, 6 4 r , 2 2 - 2 4 . « Ebd. 64 v, 1 7 - 1 9 . " Vgl. Ebd. 65 v, 10: Quo simplicior essentia, eo virtualior potentia et difiusior agentia. Vgl. Llull, Lib. de maiori agentia Dei (Carreras I, 307 n. 109); De agentia maiore (Carreras I, 316 n. 172); Lib. de existentia et agentia Dei (Carreras I, 319 n. 194) usw. In einem anderen Zusammenhang leitet Heimeric die Dreieinheit Gottes aus der Tatsache, daß bei ihm „esse comprehendit agere" (Ebd. 63 v, 9). Der Gedanke dürfte auch auf eine Einwirkung Llulls zurückgehen. Vgl. z. B. Ars magna praedicationis (Cod. Cus. 118, 186 ra 26fi.): Natura in ipso non posset esse sine distinctione, productione et etiam a c t i o n e . . . , ut Deus in tanto Sit agens in quanto naturaliter est existens.
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Creatrix Dei bonitas est Trinitatis in unitate inseparabilis fecunditas 82 . Quorum vestigia resultant inseparabiliter in qualibet creatura. E x hoc nihil sterile, sed est bonum creatum omne' 3 . Diese Lehre führt Heimeric später 44 auf Raimund Llull zurück, obwohl sie ihren ersten Ursprung bei Pseudo-Dionysius hat. 5. Ars d e m o n s t r a t i v a 6 5 Diese interessante Schrift des Heimeric, die ihrer Überschrift nach an die gleichnamige Ars demonstrativa des Raimund Llull erinnert 84 , geht aus von dem Kontradiktionsprinzip als dem sichersten Fundament aller wissenschaftlichen Erkenntnis: Supponatur ergo pro evidentissimo nostrae cognitionis principio, quod idem simul eidem secundum idem ad idem in esse et non in esse principium impossibile67. Damit knüpft Heimeric bewußt an Aristoteles an, was übrigens die reichlichen Aristoteleszitate der Schrift auch beweisen, gleichzeitig aber deutet er bezeichnenderweise die aristotelische Lehre um und vermischt sie mit der negativen Theologie des Pseudo-Dionysius: Nos itaque quoniam, sicut sumus ex nihilo conditi, ita per umbram negationis a purae veritatis affirmatione naturaliter devii, idcirco non possumus naturali ductu nostrae rationis aliter ad cognitionem veritatis affirmatae nisi penetrando hanc umbram pervenire, ut, sicut voluntas non potest assequi bonum nisi declinando a malo, ad quod habet intrinsecam vertibilitatem, ita intellectus non potest invenire verum nisi declinando falsum sibi oppositum. Et hoc est quod innuit Philosophus 3° de Anima68, cum dicit quod, sicut bonum et malum eliciunt fugam et persecutionem in voluntate, ita verum et falsum causant affirmationem et negationem in intellectu. E x isto patet, quod licet demonstratio per se et directe veritatis affirmatae ostentiva sit simpliciter potior ad generandam scientiam quam demonstratio ad impossibile, quae manifestai veritatem indirecte per falsi abnegationem, tarnen demonstratio ad impossibile est evidentior et efficacior quoad nos, qui secundum nostrae originis exigentiam per negationem tendimus ad affirmationem, prius cognoscentes quid non « Ebd. 64 r, 23. M Ebd. 65 v. 8 - 9 . M Vgl. Colliget princ. (Cod. Cus. 106, 210 r I f f . ; 221 v. 37ff.). 6 5 Der vollständige Titel lautet: Ars demonstrativa a Heymerico de Campo ex ilio principio de quolibet esse vel non esse de nullo vero simul elicita. Die Schrift findet sich im Cod. Cus. 106, 65 v—76 v. M Vgl. Carreras I, 289 n. 17. Aus der Ars demonstrativa entstehen noch 10 weitere Lullus-Schriften. Vgl. die Nummer 19, 20, 21, 22. 23, 24, 25, 26. 27, 28 und 233 des Katalogs. " Cod. Cus. 65 v, 19ff. « De an. T 7, 431a 9ff.
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quam quid. Quod perpendens Dionysius 89 dicit, nos tanto perfectius ad cognitionem increatae veritatis attingere, quanto magis convenit nos de ea veritates creatas, quae sibi disconveniunt, abnegare 7 0 . Danach folgt eine Quaestionenreihe über die verschiedensten Gebiete der Philosophie und Theologie: die Frage um das Seiende und dessen Prinzipien und Grundformen, die Gotteslehre mit den Fragen über Trinität, Schöpfung und Menschwerdung, endlich die Heilsordnung werden nacheinander von Heimeric behandelt. Als Hauptschlüssel für die jeweilige Lösung fungiert der Satz des Widerspruchs. Ein tatsächlicher furor demonstrandi treibt Heimeric dazu, jede Aussage durch die Absurdität ihres kontradiktorischen Gegenteils zu beweisen. So kehrt am Schluß jedes Arguments der Satz wieder: quod impossibile bzw. quod implicat contradictionem. Aus dem Gesagten ergibt sich, daß die Ars demonstrativa des Heimeric und die des Raimund Llull sich trotz der gleichen Überschrift nicht decken. Llull wird überhaupt von Heimeric nie zitiert. Die Schrift wimmelt dagegen von Aristoteleszitaten, zu dessen Schule sich Heimeric feierlich bekennt 7 1 . Dazu kommen als Auctoritates der Pseudo-Dionysius, Proclus und der Liber de causis vor 7 2 . Einzelne lullistische Anklänge finden sich dennoch in der Schrift. Wir denken vor allem an das llullsche Motiv der Fruchtbarkeit, und zwar sowohl an die göttliche Fruchtbarkeit wie auch an jene analoge Fruchtbarkeit, welche jedem Seienden zukommt. So ist Gott für Heimeric kausal allmächtig „propter excedentem omnem possibilitatem rei 6 1 Inhaltlich steht dies in Ep. I ad Gaium (PG 3 1066); vgl. De myst. theol., c. 4 (PG 3 1040). , 0 Cod. Cus. 106, 66 v, 27 ff. 7 1 Ebd. 66 v, 13f.; Ideo sequendo veritatem inquisitionis philosophicae secundum principia peripateticorum, quorum archidoctor est Aristoteles. " Vgl. 66 r, 9ff.; 72 r, 2ff. Das Zitat aus Proclus und dem Liber de Causis lautet folgendermaßen: „Sed intelligere est inmaterialiter vivere, ac per hoc luciformiter et reflexive seu conversive se exercere, ut dicunt Proclus et auctor libri causarum". Ähnliche Zitate aus Proclus und dem Liber de causis kommen bei Eimerich ziemlich häufig vor. Ihre genaue Prüfung zeigt jedoch, daß der Kölner Magister nicht selten dieselben Sätze wiederholt. Dabei ist das am meisten vorkommende Zitat die prop. 83 der Elem. Theol.: iräv TÖ ¿airroü yvojcttiköv irpös iauTÖ nciirnj {TTKrrpFTrriKiv krriv (vgl. die lat. Übers, von G. deMoerbeke: „Omne suiipsius cognitivum ad seipsum omniquaque conversivum est", bei C. Vansteenkiste, Proeli Elemen. theol. usw. S. 296) bzw. die prop. 16 des Liber de causis: „Omnis sciens, qui seit essentiam suam, est rediens ad essentiam suam reditione completa" (§ 14; 177, 6). In der Determinatio casus alieuius (Cod. Cus. 106, 33 r 26—30) verbindet Heimerich die oben erwähnten Sätze mit der Lehre des Alanus ab Insulis von der „sphaera intelligibilis" (vgl. Alanus ab Insulis, Reg. theol., reg. 6, PL 210, 627). Der Satz des Alanus ist bekanntlich auf die prop. 2 des Liber X X I X Philosophorum zurückzuführen (ed. Baeumker, S. 208). Vgl. Mahnke, Unendliche Sphäre, 173ff. Über Alanus ab Insulis siehe M. Baumgartner, Die Philosophie des Alanus ab Insulis, BGPhM II, 4 (1896). Uber den Liber X X I X Philosophorum vgl. Baeumker, Das pseudo-hermetische 'Buch der 24 Meister', 1913.
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creabilis paternam bonitatem; nisi esset sie . . ., esset actus extra se exhauribilis et ita in ilio termino impotens et infecundus et ita non summe bonum" 73 . Diese göttliche Fruchtbarkeit wird auf analoge Weise von jedem Seienden wiedergespiegelt: Deinde quaeratur, propter quid ens est, et respondetur propter suae virtutis originalis ostensionem, alioquin esset non ens, quod est sterile et infecundum. Deinde procedatur quaesitive per ordinem admirationis primorum philosophantium et quaeratur primo, an sit non unum ens, et respondetur quod non, quia sic ens esset sterile et infecundum, non valens ex se producere alium, nec esset ordinatum, quod est proprium non enti 74 . 6. T r a c t a t u s de sigillo a e t e r n i t a t i s 7 5 Der Traktat stellt nach dem Urteil Haubsts „die originellste und in verschiedener Hinsicht beachtenswerteste Schrift" 76 des Heimeric dar. Die Schrift bildet tatsächlich eine ziemlich geglückte Synthese des philosophisch-theologischen Denkens des Heimeric: die verschiedenen Töne seiner oft allzu spielerischen Spekulation klingen in De sigillo zusammen. Von der Tradition der mittelalterlichen Ars ausgehend, versucht Heimeric eine Denkkunst auszuarbeiten, welche den Schlüssel zu aller wissenschaftlichen Erkenntnis bilden soll. Sie soll dazu helfen, zu den ersten Erkenntnisprinzipien, d. h. den göttlichen idealen Urbildern aufzusteigen : Quoniam Ars ut non dividitur contra scientiam est recta ratio vere seibilium, id est omnium intelligibilium per primas et proprias eorum causas demonstrabilium, suntque eiusmodi causae, ut inquit Augustinus 77 , ration es exemplares divinae sapientiae . . . ; idcirco recte dicit Sapiens78, quod vani sunt omnes filii hominum, inquibus non subest scientia Dei, horum scilicet exemplarium praecognitio, ad quorum instar adaptetur cuiuslibet scibilis partieipata imago, in quam resolvatur sua demonstrative notio; quem modum sciendi infidelis Plato tentavit, sed non potuit invenire, cum scriptum sit: ,Nisi credideritis, non intelligetis' 79 et Sapientia: ,Apparet autem 74 Cod. Cus. 106, 73 r, 2 ff. " Ebd. 66 v, 28ff.; vgl. auch 69 v, 24. Die vollständige Überschrift lautet: Tractatus de sigillo aeternitatlis omnium artium et scientiarum exemplari a magistro Heymerico de Campo Basileae tempore Concilii editus. Die Schrift De sigillo findet sich im Cod. Cus. 106, 774—86 r. '« Haubst. Zum Fortleben A. d. Gr., 431. Siehe auch Das Bild, 266ff. " Zum Beispiel De divers, quaest. L X X X I I I q. 46 2 (PL 40 30); De civ. Dei, XI 10 (CSEL 40, 1 628). Sap. 13, 1. Is. 7, 9 nach L X X : 'Eàv ttictteOcttite, où6è nf| ovviate. Das Zitat kommt in der Fides-Lehre des Raimund oft vor.
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C o l o m e r , Nikolaus • . Kues u. Raimund Llull
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aliquid eis, qui fidem habent in ilium' 80 , id est sapientiae fontem, et ideo sua idealis doctrina est iuste ab Aristotele reprobata tamquam scilicet falsigrapha, id est a verae demonstrationis principiis aberrans seu devia 81 . Nicht durch unmittelbare Schau gelangt also der Mensch zu den göttlichen Urbildern, sondern allein durch Vermittlung des Glaubens im oberen Anteil unseres Erkenntnisvermögens (intellectus) und durch eine spiegelartige Spur jenes urbildlichen Urtyps im unteren Anteil (ratio) : Ne ergo nobis ex huiusmodi divinae artis praecognitis ad scientiam cognoscibilium per ea pervenire studentibus illa reproba Piatonis obviet falsigraphia, sed per omnia deserviat doctrina Aristotelis demonstrativa, necesse est, ut ab arte exemplari praehabente veritates separatas scibilibus crcatis inconmiscibiles per medium fidei subfigurantis eius imaginem specularem in portione nostri intellectus divina et inmortali descendamus ad portionem intellectus inferiorem de noto ad ignoti notitiam discursive volubilem, quae dicitur ratio, quam Isaac diffinit esse vim de causa in causam discursivam 82 , depingendo in ea illius exemplaris architypi quoddam proportionatum intellectui humano ad imaginationem et sensum reflexo speculare vestigium, in quo velut in deiformae discursivae humanae principio praeexistit omnis scientiae humanitus investigabilis rationalis origo 83 . Diese spiegelartige Spur besteht nun auf symbolische Weise aus dem geometrischen Motiv des einem Kreis einbeschriebenen gleichseitigen Dreieckes nebst den Radien, die auf den Seiten senkrecht stehen, ihr rationaler Inhalt beruht aber darauf, daß Gott die eine, reine Wirklichkeit ( = Kreis), nach innen personal ( = Dreieck) und nach außen kausal dreieinig ( = Radien) sei: Hie principium est, quod Deus omnium artifex est in unitate, veritate et bonitate essentiae, vitae et intellectus purus actus, ad intra per terminos oppositionis relativae personaliter et extra per rationes originales operabilium causaliter terminatus, salvo originali hinc inde ordine confusionem praedicabilium prohibente et proprietates rationum essentialium, notionalium et causalium distinguente, cuius principii appropriatum phantasma est circulus per triangulum aequilaterum infra eius peripheriam contigue descriptum actualiter terminatus, et per tres lineas ab illis tribus angulis supra centrum eiusdem circuii perpendiculariter cadentes deorsum conversus . . . Cuius circulus significai perfectionum essentialium reci80
Sap. l , 2. Cod. Cus. 106, 77 r, 1 - 1 3 . " Vgl. etwa Isaac ben Salomon, Liber diffinitionum (Opera omnia, Lyon 1500): Ratiocioatio est faciens causam currere in causato. » Cod. Cus. 106, 77 r, 1 4 - 2 4 . 81
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procam seu convertibilem identitatem, triangulus in differentiis portionis circuii oppositis terminatus personarum trinitatem et tres funiculi ab illis angulis deorsum in centro terminati appropriatam tribus personis trium causarum activarum, scilicet eifectivae, exemplaris et finalis influentiam 84 . Siehe das geometrische Motiv des Sigills, wie es auf dem unteren Rande der ersten Folioseite des Traktates aufgezeichnet ist 8 5 .
Aus dem Gesagten geht genügend hervor, daß das Sigillssymbol den eigenen Kern des Traktates ausmacht, So ergibt sich für uns zunächst die Aufgabe, den begrifflichen Inhalt des Symbols näher darzustellen. Der Symbolismus des Sigills wird auf die dreifache Unterscheidung der essentiellen, notionalen und kausalen Ordnung in Gott aufgebaut (77r, 32). Das Kreissymbol bezeichnet die Identität der göttlichen essentiellen Eigenschaften (73r, 44ff.). Darunter zählt Heimeric folgende auf: Einheit, Wahrheit, Gutheit, Wesenheit, Leben und Intelligenz (73r, 28ff.; 83v, 18ff.). Das Dreieck bezeichnet die Dreieinheit der Personen (77r, 55f.). Andere Appropriationen finden sich noch über De Sigillo hin verstreut, wie z. B . memoria, intelligentia, voluntas (84r, 15ff.) und natura, gratia, gloria (81r, 24f.). Endlich stellen die drei Radien den Einfluß der göttlichen dreifachen Ursächlichkeit, efficientis, exemplaris et finalis, dar (77v, lff.). Auf solche Weise gelang es dem Heimeric, jene Reihe von Ternaren, welche E b d . 77 r, 2 8 - 7 7 V, 3. Die Figur findet sich ohne jede Beschriftung im Cod. Cus. 106, 77 r. Derselbe Kodex (186 v—187 r) enthält zwei ähnliche Figuren, welche dasselbe geometrische Motiv des einem Kreis eingeschriebenen gleichseitigen Dreiecks ausführlicher darstellen. Dazu kommen noch einige Halbkreise zwischen Sehne und Kreisumfang und eine reiche erklärende Beschriftung (vgl. Haubst, Das Bild, 225ff.). Von diesen beiden Figuren die zweite (187 r) ist ekklesiologischen Inhalts und dürfte sich auf die vorangehende Disputatio de potestate ecclesiastica beziehen. Die erste Figur dagegen (186 v) verhält sich eindeutig zu unserem Traktat, wie es sich aus dieser Notiz ergibt: Ista figura ostendit sigillum aeternitatis, quae est verum exemplar omnis scientiae et artis, prout introductorie patet in quodam tractatu de eius interpretatione supraposito. Die Eintragung beider Figuren im Cod. Cus. 106 geht nach Haubst mit Wahrscheinlichkeit auf Cusanus Hand zurück (vgl. Das Bild, 266—66). M
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in seinem trinitarisch bestimmten Denken immer neu vorkommen, im Symbol des Sigills zusammenzufassen. Was nun die theologische Deutung des Kreissymbols angeht, so hat R. Haubst bereits bemerkt, daß dessen Anwendung auf das GottWelt-Verhältnis zugleich nach der platonisch-theozentrischen und der aristotelisch-theopherischen Sicht geschieht88. Gemäß seinem neuplatonisierenden Aristotelismus drückt Heimeric nämlich durch die Kreissymbolik Gott aus, sowohl als den quellhaft-urbildlichen Mittelpunkt der Schöpfung, wie auch als ihre umgreifende Peripherie 87 . Dabei ist nur zu beachten, was auch Haubst seinerseits angedeutet hat, daß bei der Auslegung des Sigills durch Heimeric die aristotelisch-peripherische Betrachtungsweise überwiegt und dermaßen überspitzt wird, daß die drei Radien, welche nach der Sigillsymbolik die dreifache Gottursächlichkeit darstellen, aus der Peripherie zum Mittelpunkte herabfallen, während der trinitarische Lebensprozeß sich gewissermaßen bei der Peripherie abspielt 88 . M H a u b s t , Das Bild, 260 (f. Über die Vorgeschichte des Kreissymbols und dessen zwei Deutungen siehe Mahnke, Unendliche Sphäre und Allmittclpunkt, 203ff. " Das Nebeneinander beider Auffassungen wird in De Sigillo allenthalben bezeugt. So erscheint Gott einerseits als Kreisumfang ,,quia est forma subsistens in seipso originaliter e t ita per modum circuli ad semetipsum conversa" (83r, 11 — 12) und zwar so, d a ß E r sein Wesen sei ,,sicut patet in exemplari proposito, quod figura circularis est linea circularis" (83r 6—7; vgl. auch 83r, 24—25; 83r 36—37 usw.); andererseits aber in einer trinitarisch-urbildlichen Sicht erscheint Gott als Zentrum, aus dem mehrere Linien ausgehen: ,,sicut plures lineae egredientes idem centrum habent indivisionem originalis ordinis ad illud centrum; ergo sunt unum unitate processionis, de qua Ioquitur Dionysius" (78r, 26 — 28). Die beiden entgegengesetzten Perspektiven beherrschen auch das Gott-Welt-Verhältnis. Die Schöpfung geht aus dem quellhaftlichtstrahlenden Mittelpunkt hervor: ,,radii causales deferunt similitudinem suae lucis, unde descendunt" (83r, 39—40) und zwar so, daß wir aus dem Geschöpf zur Erkenntnis des Schöpfers aussteigen können: „radii linearum causalium manudueunt oculum videntis eos ad cognitionem originis, unde procedunt" (82v, 34—36). Doch in einer umgekehrten Sicht erscheint Gott auch als Kreisumfang, der die Schöpfung umgreift. Man vgl. z. B. folgende Stelle, welche die anfängliche platonisch-teozentrische Betrachtungsweise mit der aristotelisch-peripherischen verbindet: Deinde quaerit, quomodo multitudo intelligibilium est in Deo, et respondetur, quod sicut visibilia praeexistunt in uno fontali lumine radios causales eorundem originaliter praehabente et sicut plura particulariter formabilia praesunt in una universali forma artis formatricis; etenim unitas entis increati excedit pluralitatem entium creatorum, sicut ambitus circuli omnes figuras angulares sub eodem descriptibiles, ut inquit Albertus, et potest patere in figura proposita (83v, 46—84r 5). Beide Perspektiven fördern sich als Ergänzung, da Gott wegen seiner dreifachen Ursächlichkeit der Schöpfung gegenüber immanent uns transzendent bleibt, d. h. zugleich ihre Mitte und Umfang ist. Die synthetische Auffassung des Heimerics dürfte auf die Lehre des Alanus a b Insuüs über die „sphaera intelligibilis" zurückgehen, wie es sich aus folgendem Zitat im Compendium divinorum annehmen läßt: Manifestum est, quod omnia sunt in primo sicut in fönte effectivo, formali et finali . . . E t ab Alano (dicitur) esse sphaera, cuius centrum ubique, circumferentia nusquam (Cod. Mog. 610, 128v). Vgl. auch Determinatio casus alieuius (Cod. Cus. 106, 33 r 26—30). M
H a u b s t , Das Bild, 260.
II. Der Llullismus bei Heimeric van den Velde
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Wir haben bisher die Einleitung des Traktates dargestellt und erklärt. Der eigentliche Aufbau der Schrift, der nun folgt, soll die Symbolik des Sigills entfalten, und zwar nach der Rangordnung: Metaphysik, Logik, Theologie, die nach Heimeric der Einanderfolge der Seinstranszendentalien entspricht. Der Logik kommt noch eine neue Einteilung in Grammatik, Logik und Rhetorik zu 8 9 . Der Traktat mündet dann merkwürdigerweise in eine Erklärung der Summa contra Gentiles des Thomas von Aquin 90 , wobei nicht selten die Lehre des Thomas im Sinne der eigenen neuplatonischsymbolischen Konzeption von Heimeric umgedeutet wird 91 . Wenn man nun fragt, welchen Anteil Raimund Llull an der Konzeption des Sigills haben mag, muß man zunächst zwischen dem philosophisch-theologischen Inhalt des Traktates und dessen symbolischer Ausdrucksweise unterscheiden. Inhaltlich weist das Sigillum auf Albert den Großen zurück 92 . Aus ihm entnahm Heimeric die Unterscheidung der essentiellen, notionalen und kausalen Ordnung in Gott 9 3 , die den wesentlichen philosophisch-theologischen Inhalt des Sigills ausmacht 94 . Die häufigen Albertus-Zitate des Sigillum M Vgl. 78 r, 10—14: Procedendo ergo via demonstrate va a principiis ad principiata per medium aenigmatis praefigurati inquiratur primo de modo determinandi veritates scibiles metaphysicae, deinde logicae et ultimo theologicae, ex quo talis est ordo scientiarum qualis scibilium; est autem unum secundum ordinem rationis ante verum et hoc ante bonum. Vgl. über die Einteilung der Logik 78v, 32—34: Iam restai ex figura proposita elicere veram artem logicae communiter acceptae, quae comprehendit omnes scientias aeternales, scilicet grammaticam, logicam proprie dictam et rethoricam et versatur circa intentionis formales unius, veri et boni. Vgl. 82v, 10—13: Supposita figura thearchiae architypae universorum . . . satisfied potest pro ordine quaestionibus a beato Thoma in eius Summa contra Gentiles ordine qui sequitur notatis et hoc concorditer ad responsiones suas. Es handelt sich um CG I, 1 - 1 0 2 . n Man vgl. z. B. folgende Quaestio (aus CG 122): Deinde quaerit, an Deus sit suum esse, et respondit quod sic, quia est forma subsistens in seipso originaliter et ita per modum circuii ad semetipsam conversa, ut idem sit principium essendi, id est, essentia et finis existendi, id est, subsistentia seu existentia. Ubi enim haec differunt, essentia est potentia subiective respectu ipsius esse, quod intelligo de natura immateriali secundum hypothesim philosophorum dicentium, substantias spirituales per simplicem emanationem fluere a datore formarum et per reflexionem ipsius esse fluentis a termino suae quidditatis subsistentiam accipere, ad modum quo radius reflectitur supra se connectendo finem principio, prout dicit Albertus supra Dionysium (83r, 11 —18). , a Nur in diesem Sinne ist die Behauptung Haubsts richtig: „Heymeric führt seine Konzeption des Sigills nicht etwa auf Lull, sondern auf seinen Meister Albert d. Gr. zurück". Das Bild, 259; vgl. auch Haubst, Zum Fortleben A. d. Gr., 430—33. M Vgl. Albertus M., Comm. in De div. nom. (c. I ; n. 7): Dicendum, quod essentia divina tripliciter potest considerari: aut in se, aut secundum quod est in personis, aut secundum respectum ad causata. Essentia autem secundum se secundum rationem intelligendi est ante personas ; essentia autem respectu ad personas est ante essentiam secundum quod habet respectum ad creaturas. Siehe Haubst, Das Bild, 268. M Die Unterscheidung kommt in De Sigillo immer wieder vor. Vgl. z. B. 77r, 32; Ebd. 46ff. ; 77v, 30ff.; 78v, 26; 82v, 23; 83v, 14ff.
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bestätigen ebenfalls die obige Aussage 95 . Die symbolische Konzeption des Sigills wird aber von Heimeric selbst auf Raimund Llull zurückgeführt. In der Disputatio nennt Heimeric das Sigillum „meine ars" und meint, es sei der llullschen Ars ähnlich 94 . Heimeric fühlte sich offenbar in seiner Konzeption des Sigills Raimund Llull verpflichtet. Auf Grund dieses Selbstbekenntnisses und an Hand der Texte Heimerics versuchen wir nun, den Einfluß Llulls auf De Sigillo näher festzustellen. Auf die figura A der llullschen Ars dürfte vor allen Dingen das Kreissymbol und dessen Deutung zurückgehen 97 . Heimeric will nämlich durch das Kreissymbol die vertauschbare Identität der göttlichen Wesensvollkommenheiten, die bei ihm die Rolle der llullschen Dignitates spielen, ausdrücken 98 . Auf Grund dieser Konvertibilität macht Heimeric Aussagen über Gott, die an die llullschen Identitätsaussagen erinnern. Man beachte z. B. folgende Aussage: Unde haec est per se nota propositio: Essentia Dei est una, vita Dei est vera, intelligentia est bona propter inseparabilem subordinationum rationis subiecti et praedicati in illis locutionibus". Das Prinzip, wonach solche Aussagen sich ausrichten, wird nun von Heimeric folgendermaßen ausgedrückt: Non est verior praedicatio quam ubi idem praedicatur de se ipso, quae idcirco est omnium aliarum praedicationum metrum et mensura 1 0 0 . Heimeric geht sogar auf dem Wege der Vertauschbarkeit weiter als Llull selbst und wendet das Kreissymbol auf die Verhältnisse der drei Seinstranszendentalien untereinander an: Quia in circulo quaelibet portio unitur portioni identitate in essentia lineae circularis, ideo per motum eiusdem circuii quaelibet portio convertitur supra obiecta alterius portionis, ut de quibuscumque praedicetur qualitas unius portionis, appropriate de iis praedicentur •« Vgl. 79r, 37; 80r, 10; 83r, 18; 83v, 3. M Vgl. Cod. Cus. 106, 168r, 27: artis Lullii, artis meae; llOr, 2 7 f . : Deinde idem potest evidenter ostendi per artem quasi similem praedictae arti ( = arti Lullii), quam ego per modum quo imago separabiliter a sigillo ab arte aeterna . . . speculariter abstraxi et exemplariter figuravi. " Ob auch das Motiv des einem Kreise eingeschriebenen Dreiecks irgendwie von der figura T der llullschen Ars abhängt, bleibt dahingestellt. Die Deutung des Dreieckssymbols bei Llull und Heimeric ist jedenfalls verschieden. * 8 Vgl. z . B . 77r, 44f.; Cuius circulus significai perfectionum essentialium reciprocam seu convertibilem identitatem; 78r, 19ff.: Unde sie: quidquid est indivisum a suo essentiali principio, hoc vere est unum. Deus est huiusmodi, ut patet in figura alpha et omega circulariter concludente; 83v, 17: Prout d a r e indicat praeposita figura ratione circuii essentialia, scilicet essentiam, vitam, intelligentiam, unitatem, veritatem, bonitatem identificantis. n 79v, 1 - 4 . 1 0 0 78 V, 3 9 f. Vgl. Ars ultima I X , 26 (A 394 f.).
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qualitates aliarum portionum communiter et identice. Unde fit, quod intentiones unius, veri et boni essentialiter convertibilium sunt per actum discursivum rationis tarn in obiecta grammaticae, logicae quam rethoricae mobiles 101 . Anlehnung an Raimund Llull verrät auch die Farbensymbolik, die Heimeric mit seinem Sigill verbindet. E r läßt nämlich je ein Drittel des Kreisbogens mit zugehöriger Sehne und Radius in blauer, grüner und roter Farbe zeichnen 102 . Die Wahl der drei Farben und ihr ursprünglicher Symbolgehalt stimmen nun mit der Farbensymbolik der llullschen Ars überein: Color autem blaveus repraesentat faciem diaphani materialis caelestis substantiae; color viridis repraesentat germen sensibilis vitae et color rubeus effectum igniformen flammae ardentis in terrestri materia 1 0 3 . Heimeric führt diese Farbensymbolik weiter, indem er durch die Verwendung der Farben „aliquid mysticum" kennzeichnen will, wie z. B . durch Schwarz und Weiß die unbegreifbare Wahrheit Gottes und durch Blau, Grün und Rot den Ternar Wesen, Leben und Intelligenz 104 . Andere Deutungen kommen noch in De Sigillo vor 105 . Den Höhepunkt solcher Farbensymbolik bildet folgende Stelle, in der Heimeric das Sigillsymbol auf die theologische Lehre der beatitudo finalis anwendet: Supponatur igitur, quod finalis perfectio beatitudinis repraesentetur per colorem rubeum, eius initium per colorem blaveum et eius medium viaticum per colorem viridem; latus viride repraesentat processionem Filii, qui est via, veritas et vita a suo Patre, latus vero rubeum pro101 79 v, 7—13. Die Stelle erinnert an die Figur 4 der Ars ultima mit den drei beweglichen Kreisen. Vgl. auch 78v, 34: (Lógica . . .) versatur circa intentiones formales unius, veri et boni, secundum quod resolvuntur ad circularem seu reciprocam indivisionem ipsius esse fluentis ab essentia et ipsius quod est illud esse per modum subiecti enuntiabilis habentis; 84v, 11 — 13: Prout manifeste declarat proposita figura, in quantum convertit suo modo circulari bonum supra verum et unum et e converso. 104 77 r, 36 ff. 103 77v, 6—8. Vgl. bei Llull, Lectura artis compendiosae d. 1 (Mz Bd. 1 6b). 101 77v, lOff. 106 Man vgl. z. B. 80v, 3ff.: Die drei Farben Rot, Grün und Blau werden mit dem dreifachen Gute: honestum, utile et delectabile verbunden: 82v, 39, 82v, 43 und 82 v, 43 ff.: das Weiß, worin die Figur gezeichnet wird, bedeutet das reine Sein (purum esse) und das Schwarz das Nicht-Sein (tenebras negatíonis essendi); dieselbe Deutung wird 84v, 17ff. wiederholt: ut patet in figura praefata supra spatium album repraesentans purum esse coincidens cum uno, vero et bono depicta; 81 v, 44ff. bezieht die drei Farben des Kreisbogens auf eine dreifache materielle (— Kirche der Getauften), formelle ( = Kirche der Gläubigen) und finale ( = Kirche der Auserwählten) Einheit der Kirche; 83v, 34 wird der rote Teil des Kreisbogens mit der intellektuellen Gutheit und 84v, 4 die rote Sehne mitsamt dem roten Winkel mit der Liebe in Verbindung gebracht.
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cessionem Spiritus Sancti a Patre et Filio; et poterit constare exemplariter, quod verissima virtutum feliciter viaticarum media sint sapientiae aeternae notionalia vestigia, ut puta sacrae fidei catholicae dogmata, ex quo fides est veritatis procedentis ab illa sapientia rectitudo seu iustitia subiectiva, per quam intellectus humanus in suo desiderio et lumine naturali quasi deiformiter blaveus ascensionis salutaris scalam viridem erigit, qua ad rubeam visionis aeternae apicem assurgere queat et ita, regyrans ad suum principium, unde effluxit, quasi ex natura, gratia et gloria triangulum in circulo sui exitus (et) reditus terminatum aequaliter perficiat 106 . Endlich weist auf Raimund Llull der Ars-Charakter des Sigills hin. Heimeric glaubt, in ihm den Schlüssel zu aller Wissenschaft gefunden zu haben. Diese Überzeugung drückt sich bereits in der Überschrift aus: Tractatus de sigillo aeternitatis omnium scientiarum et artium exemplari. Heimeric betrachtet das Sigillum als eine spiegelartige Spur der göttlichen Urbilder, in welcher der geistige Ursprung jeder menschlichen erforschbaren Wissenschaft praeexistiert 107 ; als ein änigmatisches Bild, das gleichsam die Erfindungskraft zu aller Wissenschaft in sich birgt 108 ; kurz, als den Spiegel jeder Wahrheit 109 . Damit glauben wir, den Anteil Llulls an der Konzeption des Sigills genügend dargelegt zu haben. Heimeric hat keine bloße Nachbildung der llullschen Ars verfaßt. Er hat vielmehr, von Llull angeregt, eine eigene Ars entworfen. Diese Ars bleibt, was ihren philosophisch-theologischen Inhalt angeht, der neuplatonisch-albertinischen Richtung des Denkens Heimerics treu. Ihr Ziel aber und ihre symbolische Ausdrucksweise deuten auf Raimund Llull hin. 81 r, 1 4 - 2 5 . 107 Vgl. 77r, 21—24: Depingendo in ea (sc. in ratìone) illius exemplaris architypi quoddam proportionatum intellectui humano ad imaginationem et sensum rcflexo speculare vestigium, in quo velut in deiformi discursivae humanae principio praeexistit omnis scientiae humanitus inverstigabilis rationalis origo. 108 Vgl. 78r, 10: Aenigma praefiguratum; 77v, 25f. : Hac itaque imagine in memoria experimentaliter habitualiter adest omnium scientiarum humanitus discibilium facultas inventiva. 10« Vgl. 82v, 15f. : Sicut patet in dicta figura, quae est speculum omnis veritatis, cui dissimile est omne falsum. Vgl. auch 77r, 42: Illud mundi architypi paradigma sigillum aeternitatis recte dicitur, ex quo per ipsum Veritas aeterna suam in rationem humanam traduxit imaginem, in quam quaelibet eiusdem rationis indago discursive resolvitur. Man denke an die ähnlichen Behauptungen Llulls bezüglich seiner Ars. So z. B . Ars comp., De prologo (Mz Bd. 1, 1) : Per istas quinque figuras potest homo invenire veritatem sub compendio; Lectures artis comp., De prologo (Mz Bd. 1, l b ) ; Ars ultima X c. 43 (A 628) : Modo autem intendimus applicare hanc artem generalem ad artes particulares, ut declaretur per quem modum haec ars est generalis ad omnes alias artes, et ut scientes hanc artem alias artes facilius addiscere et habere possint; Ebd. c. 62 (A 638—39): Amplius logica est ars difficilis ad addiscendum; haec autem ars est multum facilis ratione mixtionis et concatenationis principiorum. E t ideo plus potest discere artista de hac arte uno mense quam logicus de logica uno anno. 1M
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7. D i s p u t a t i o de p o t e s t a t e e c c l e s i a s t i c a 1 1 0 Die Disputatio ist eine umfassende theologisch-juristische Schrift, mit welcher Heimeric in dem damaligen Streit zwischen Papst- und Konzilshoheit für die Sache des Konzils eintrat. Mit ungefähr 300 Argumenten, die allen Wissenschaftsbereichen entlehnt sind 111 , versucht er oft in einer allzu sophistischen bzw. spielerischen Weise die Konzilshoheit zu stützen. Dabei knüpft Heimeric auch an die llullsche Ars an, um aus deren Prinzipien neue Schlüsse zugunsten der Konzilshoheit zu ziehen112. Zugleich gibt er aber eine interessante Darstellung der Ars, wobei sie nun gemäß der Tendenz Heimerics mit seinem neuplatonisch geprägten Aristotelismus vermischt wird. Wir veröffentlichen die Lullus-Interpretation des Heimeric wegen ihrer Bedeutung für unser Thema im Textanhang. Hier beschränken wir uns darauf, kurz auf ihren Inhalt einzugehen. Heimeric teilt seine Darlegung der llullschen Ars in vier Abschnitte ein. Der erste behandelt die absoluten Prinzipien (106r, 23—40), der zweite die relativen Prinzipien (106 r, 40—45), der dritte die Fragen (106r, 45—106v, 14) und der vierte die Regeln (106v, 14—41). Die absoluten Prinzipien sind folgende neun: bonitas, magnitudo, duratio, potentia, scientia, voluntas, virtus, veritas und gloria. Heimeric unterstreicht ihre vertauschbare Identität und ihre analoge und transzendentale Bedeutung. Damit steht er ganz in der llullschen Tradition 113 . Selbst die Tatsache, daß Heimeric die Gruppe scientia, potentia, voluntas mit der memoria, der phantasia und dem appetitus der Tiere und der aptitudo, dem instinctus und der inclinatio der keiner Erkenntnis fähigen Materie in Beziehung setzt, um auch dieser Gruppe einen transzendentalen Sinn zu geben, findet sich bei Raimund Llull schon vorgezeichnet114. Neu ist bei Heimeric, daß er die drei Dreiergruppen der Grundwürden mit der substantia, dem posse und dem operari in Beziehung setzt. Die relativen Prinzipien sind folgende neun: principium, medium, finis, maioritas, aequalitas, minoritas, differentia, concordantia und Die Schrift findet sich im Cod. Cus. 106. 8 9 r - 1 8 8 v . Heimeric selbst faßt die Argumentenfolge folgendermaßen zusammen: Per discursum Septem artium liberalium, artis Lullii, artis meae, quae dicitur sigillum aeternitatis, et utriusque iuris necnon per auctoritates sacrae paginae . . . (168r, 27-29). 1 1 2 Die Prinzipien der llullschen Ars spielen in der Disputatio eine sehr wichtige Rolle. Außer der eingehenden Darstellung der Ars (10Gr, 2 3 — l l O r , 27) kommen Raimund und dessen Prinzipien noch mehrere Male zu Wort. Vgl. z. B . 112r, l f f . ; 162r, 3 2 f f . ; 162r, 3 8 f f . ; 158r, 27. 1 1 5 Vgl. Platzeck, Die luUsche Kombinatorik I, 31 ff. n« Vgl. Introductorium magnae Artis generalis: In entibus irrationalibus . . . sensualitas loco sapientiae, instinctus loco voluntatis et appetitus, delectatio loco gloriae, recolitus loco memoriae. Siehe Platzeck, L a figura A, 34 Anm. 10. 110
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contrarietas. Die Darlegung Heimerics folgt auch hier der klassischen llullschen Doktrin. Nur setzt er die drei Dreiergruppen der Grundwürden mit der essentia, der potentia und der facultas agendi in Beziehung. An die Darlegung der Prinzipien schließt sich die Darlegung der Fragen und der Regeln der llullschen Kunst. An Fragen kennt Heimeric ebenfalls neun: utrum, quid, de quo, quare, quantum, quäle, quomodo, ubi und quando. Mit ihnen sind neun Regeln verknüpft, nach denen die Antworten auf die Fragen zu geben sind 115 . Es ist im übrigen von Interesse, daß Heimeric hier zum erstenmal die Lehre Llulls von den Korrelativen einführt 118 , die später im Colliget Principiorum eine solche Bedeutung erlangen soll. Die Darlegung Heimerics schließt mit der Lehre von den neun Subjekten. Nach dieser grundlegenden Darstellung der llullschen Ars versucht dann Heimeric, durch theologische und juristische Spitzfindigkeiten zu beweisen, daß die absoluten Prinzipien des Raimund Llull besser im Konzil als im Papsttum verwirklicht werden (107r, 7—108r, 16). Dann geht er zu einer neuen Lullus-Interpretation über (108r, 17— 108v, 19). Heimeric baut nun seine Darstellung der llullschen Kunst auf den 12. Satz des Liber de causis: „Primorum omnium unumquodlibet est in altero secundum modum illius in quo est" 1 1 7 . Diesem Satz müssen sich auch die llullschen Grundwürden, die sich auf Grund ihrer vertauschbaren Identität wechselseitig einschließen, anpassen, und so ist dann z. B. die Gutheit in der Größe nach der Weise der Größe usw. Wenn aber jede Grundwürde ihre wesentlichen Korrelative mit sich bringt, dann ergibt sich weiterhin die Transformation der Korrelative der einen Würde in die der andern. Heimeric erläutert diesen letzteren Gedanken an einem Beispiel: Wie die Gutheit in der Größe die Größe selber ist, so fallen das bonificativum, bonificabile und bonificare zusammen mit dem magnificativum, magnificabile und magnificare usw. (108v 14—18). Hiermit hat Heimeric die llullsche Lehre von der wechselseitigen Vertauschbarkeit der Grundwürden und Korrelative bis in die letzte Konsequenz durchgeführt. Es ist dabei nicht uninteressant, daß Heimeric zur Kennzeichnung dieser Vertauschbarkeit an Stelle des llullschen Ausdrucks „convertuntur" die neue Formel „coincidunt" gebraucht, die später, wie bekannt, eine solche Bedeutung im Denken des Nikolaus von Kues erlangen soll 118 . l u Llull kennt zehn Fragen und Regeln. Die Differenz ergibt sich dadurch, daß Heimeric eine Frage ausläßt: cum quo. Vgl. Ars ultima, IV (A 229). Vgl. 106v, 19ff. 117 Vgl. prop. 12 (§ 11; 176 2). 118 Siehe darüber Haubst, Zum Fortleben, 437 ff.
II. Der Llullismus bei Heimeric van den Velde
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Heimeric zieht noch mit unermüdlichem Eifer aus den relativen Prinzipien (108 v, 19—42) und aus den Quaestionen und Regeln der Ars (108v, 42—110r, 24) andere Schlüsse für die Konzilshoheit heran. Triumphierend schließt er mit der Versicherung, das Konzil sei nach allen Prinzipien der llullschen Ars höher als der Papst (llOr, 24—27). Das grundlegend Neue an der Lullus-Darstellung Heimerics ist, abgesehen vom verschiedenen Stil, von den zahlreichen Aristoteleszitaten und der für den flämischen Meister so kennzeichnenden Mischung von Peripatetismus und Neuplatonismus, der analoge und transzendentale Sinn, den die llullsche Lehre von der Vertauschbarkeit der Prinzipien und Korrelative bei ihm enthält. In der Tat gilt die wechselseitige Vertauschbarkeit der Prinzipien bei Llull nur im göttlichen Bereich. Nur von Gott läßt sich sagen, daß seine Gutheit seine Größe ist und seine Größe seine G u t h e i t u 9 . Bei Heimeric hingegen wurzelt die vertauschbare Identität der Prinzipien in der transzendentalen Analogie des Seins und des Einen 120 . Infolgedessen ist die Vertauschbarkeit, von der Heimeric spricht, eine analoge Vertauschbarkeit, die bei aller Verschiedenheit doch vom ungeschaffenen und vom geschaffenen Sein gilt 121 . In diesem Punkte wird Nikolaus von Kues sich genauer an Llull halten als der flämische Meister 122 . Von welchem Werk Llulls hat Heimeric sich nun inspirieren lassen ? Diese Frage läßt sich schwerlich mit Genauigkeit beantworten, da der flämische Meister sich immer nur auf die llullsche Kunst im allgemeinen bezieht, ohne auf bestimmte Einzelwerke einzugehen. Auch erlaubt die Kürze und Gedrängtheit seiner Darlegung und ihr von Llull so verschiedener Stil keine geauere Bestimmung der unmittelbaren llullschen Quelle. Dennoch scheint es sicher, daß Heimeric auf der letzten Ars generalis fußt bzw. auf einem der von ihr sich herleitenden Werke wie z. B. der Ars brevis, einer Art Kompendium der ersteren. Denn die Zusammenfassung, die Heimeric uns von der llullschen Kunst gibt, entspricht im wesentlichen, in der Zahl und der Anordnung der absoluten und relativen Prinzipien, der Fragen und der Regeln, jener endgültigen Gestalt, die Llull seiner Kunst in der Ars ultima gegeben hat 1 2 3 . 111
Vgl. Ars ultima, II 1 (A 200). Vgl. 106 r 2 5 « . Vgl. 108r 22ff.. 122 Vgl. unten S. 56. m Die llullsche Kunst hat bekanntlich eine lange Entwicklungsgeschichte durchlaufen. Sie erstreckt sich von der Ars compendiosa inveniendi veritatem, auch Ars magna et maior genannt (1271 ?), über die Ars demonstrativa (1274 ?), die Ars inventiva (1289), die Tabula generalis (1293) und die Logica nova (1303) bis zur letzten Ars generalis (1308). In der ersten Ars magna führt Llull sechzehn göttliche Grundwürden oder absolute Prinzipien auf; die relativen Prinzipien haben hier noch keine endgültige Gestalt gefunden. In der Ars inventiva werden die absoluten Prinzipien endgültig auf 120 121
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Die Herkunft des LluUismus beim Cusanus
Unmittelbar nach der Darstellung der llullschen Ars knüpft Heimeric an das Symbol des Sigills an, das er als eine der llullschen Kunst ähnliche Ars bezeichnet 124 . Wir brauchen auf das Thema nicht näher einzugehen, da wir uns oben mit dessen Erklärung genügend beschäftigten. Heimeric wiederholt die dortige Darstellung des Symbols 145 und unterstreicht den Nutzen, der sich daraus für die Erforschung der Wahrheit ergibt 126 . Wir wollen nur zwei Stellen hervorheben, welche die theologische Ausdeutung des Symbols vertiefen. Die erste erklärt aus der Sigillsymbolik her den innertrinitarischen Lebensprozeß und das Gott-Welt-Verhältnis 127 . Die zweite Stelle geht wieder aus dem Sigillsymbolismus her auf die für Heimeric grundlegende Unterscheidung der essentiellen, notionalen und kausalen Ordnung in Gott 1 2 8 . Aus beiden Texten geht eindeutig hervor, daß die Anneun reduziert. In der Tabula generalis erscheinen dann die neun Subjekte und in der Logica nova die Fragen und Regeln. In der Ars ultima faßt Llull alle diese Elemente zu einer geordneten Einheit zusammen und gibt damit seiner Kunst die bleibende Gestalt. Vgl. zur Entwicklungsgeschichte der llullschen Kunst die hervorragenden Ausführungen der Brüder Carreras Artau I, 369 ff. Vgl. oben S. 22 Anm. 96. l a Vgl. besonders l l O r 3 1 - 1 1 0 v 24. 12» vgl. l l O r 31 f.: Quod quidem speculum est quasi Phantasma, in quo relucent humano modo omnium quomodolibet vere scibilium primaria principia; 169r 24f.: Quod memoriale dicitur per Sigillum aeternitatis eo, quod est verum totius perfectionis divinae simulacrum omnis veritatis. 1 2 7 Nam ibi virtus fontana ad intra activa, scilicet generativa Patris et spirativa Patris et Filii est magis in actu quam vis causalis ad extra, tum quia orta et terminata intra essentiam circuii repraesentantis substantiam Dei et ex hoc utriusque ex parte, scilicet principii et finis, infinita et aeterna, tum quia proprietas passiva terminorum huiusmodi intrinsecae actionis est inmaterialis, et ex hoc huiusmodi emanatio intrinseca repraesentata per lineas laterales trianguli non est vere sed nomine passio. Emanatio autem extrinseca figurata per lineas diametrales propositi speculi est desuper activa actione, quae oritur a principio essentialiter infinito in se, ut puta a circulo, attamen finibili seu terminabili relative ad extra propter correspondentiam ipsius ad centrum sui casus extrinseci; et finitur haec emanatio ad terminum vere passibilem, scilicet substantiam passivam potentiae subiectivae ( l l l r 41 — l l l v 8). 1M Sicut in praedicto speculo . . . impossibile est actum notionalem significatum per lineam trianguli aequari actui essentiali significato per lineam peripheriae circularis; aut actum causalem significatum per diametrum descendentem aequari actui essentiali vel notionali propter hoc, quod actus essentialis est reciprocus et ideo circularis, actus autem notionalis transitivus et ideo supra suum notionale principium non recirculabilis, propter quod neque Pater se ipsum generai, neque Pater et Filius sese conspirant; actus causalis est ad extra transitivus in hoc minor actui notionali, quod actus notionalis terminatur ad intra et implicai actum essentialem, quo reflectitur ad suum radicale principium, in signum cuius Pater generando redit ad se Deum, in quantum generai Filium, qui est idem Deus, qui ipse, actus autem causalis non sic revertitur ad suum principium, sed foras terminatur et finitur propter exstasim divinae bonitatis, ut inquit Dionysius (De div. nom. c. 4 § 13, P G 3 712). Si enim actus Dei causalis secundum quod huiusmodi adaequaretur actui notionali, sequeretur quod creatura, quae est terminus actus causalis, possit aequari Creatori terminanti emanationem actus notionalis, et ita esse sequens nihil possit aequari ipsi esse prae-
I I . Der Llullismus bei Heimeric van den Velde
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wendung der Kreissymbolik streng nach der aristotelisch-theopherischen Sicht geschieht. Zusammenfassend dürften wir sagen: Die Disputatio bedeutet wegen ihrer Darstellung der Ars und der Rückführung des Sigillsymbols auf Raimund Llull für die Geschichte des Llullismus bei Heimeric einen wichtigen Baustein. Die Llull-Kenntnis des Heimeric, das Vorhandensein eines llullschen Einflusses auf dessen Denken und das Nebeneinander von aristotelischen und neuplatonischen Zügen in dessen Lullismus werden von der Disputatio eindeutig bezeugt. Wir sind nun imstande, den Höhepunkt dieses eigenartigen Llullismus in der folgenden Schrift des Heimeric, im Colliget principiorum, zu verfolgen. 8. Colliget
principiorum18'
Dies Werk, nach der Disputatio das umfangreichste des Heimeric, entfaltet eine interessante metaphysische Prinzipienlehre, die sich auf alle Gebiete der Philosophie erstreckt. Die allgemeinen Seinsund Erkenntnisprinzipien, die Prinzipien des ungeschaffenen und geschaffenen Seins (principia naturae conditae, distinctae, ornatae) werden von Heimeric nacheinander behandelt. Die Schrift spiegelt jene eigentümliche, zwischen Aristotelismus und Neuplatonismus hin und her schwankende Denkweise des Heimeric am besten wieder. Die Grundlage dieser Prinzipienlehre bilden die Metaphysik des Neuplatonismus und eine trinitarische Seinsauffassung. Metaphysik heißt nach Heimeric jene göttliche Wissenschaft, welche auf die Wahrheit des Seienden im Hinblick auf das in ihm widerstrahlende, göttliche Sein hinschaut 130 . Das allgemeine Objekt der Metaphysik ist das ens in quantum ens, denn alles, was ist, ist entweder ungeschaffenes oder geschaffenes Seiendes 131 . Da nun das Nicht-Seiende dem Seienden widerspricht, ergibt sich, daß das erste unnachweisbare, weil immer schon vorherbekannte und vorausgesetzte Prinzip der Metaphysik venienti nihil. E t si actus notionalis secundum quod huiusmodi possit coaequari actui essentiali secundum quod huiusmodi, sequeretur quod incommunicabile et infinitum infinito, quodque triangulus descriptus in circulo possit commensurari eodem circulo. Excedit ergo actus essentialis notionalem sicut infinitum secundum essentiam et esse infinitum secundum essentiam sed finitum secundum esse, et ii duo excedunt secundum essentiam sui fluxus et secundum esse existentiae sive termini ad quem . . . actum causalem totaliter finitum, cum sit secundum essentiam sui fluxus et secundum esse existentiae sui termini ad quem temporalis (113v 20—46). 1 2 9 Die vollständige Überschrift lautet folgendermaßen: Colliget principiorum iuris naturalis divini et humani phiiosophice doctrinalium. Die Schrift findet sich im Cod. Cus. 106, 1 9 5 r - 2 7 3 v . 1 3 0 Metaphysica est scientia divina speculans veritates universorum entium, secundum quod in eis relucet esse divinum, quod in eo est inmateriale et efficienter, exemplariter atque finaliter causale, in causatis vero est vestigialiter (196v, 2f.). 1 5 1 Manifestum est quia Metaphysica habet pro obiecto ens in quantum ens eo, quod omne, quod est, est aut ens creatum aut increatum (196v, 3 f ).
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Die Herkunft des Llullismus beim Cusanus
der Satz des Widerspruchs sei: De quolibet esse vel non esse, de nullo vero simul 1SZ . Aus dem grundlegenden Widerspruchsprinzip entspringt nun eine Prinzipienreihe, die Heimeric durch die ganze Schrift hin verfolgt. Dabei räumt er der llullschen Prinzipienlehre einen wichtigen Platz ein. So lautet das 20. Erkenntnisprinzip des Colliget folgendermaßen : Vicesimum principium: Exigit intrinsecus entis analoge per substantiam, potentiam et operationem, sicut praehabitum est, distributi ordo in quolibet ente perfecto esse novem principia primitiva, scilicet tria essentialia, tria potestativa et tria operativa; ex quo ordo consistit in primi, medii et ultimi temario, qui ternarius iuxta praedicta supponitur in quolibet ente quantumcumque uno. Qui novem principia propter originalem unitatis analogicae indivisionem sunt, salva ratione propria, singulorum supra se invicem convertibilia, sicut praenotatum fuit in prima auctoris Libri causarum régula: Primonim quodlibet est in alterutro secundum modum suscipientis 133 . E x hoc necesse est iuxta aliam regulam praehabitam, quae dicit quod si quis recipitur communiter in multis non aequivoce, quod primum, scilicet Deus praehabeat ipsa novem principia per originalem eminentiam, prout tradit Philosophus 1° Coeli 134 , cum in translatione nova dicit, quod necesse est primum principium praeeminere proprietatibus omnium, quae sunt, praesertim cum qualis est effectus per similitudinem participatam, talis est causa per fontalem influentiam, et, teste eodem Philosopho 135 , illud primum principium sit Deus, a quo, sicut praehabitum est, dependet coelum et terra et tota natura. Unde patet quod in natura divina est ratio innotescendi omnium novenaria; totius proprium phantasma si depingatur in memoria humana, ad quam naturaliter reflectitur naturae humanae intelligentia, ut habetur I I I 0 de Anima 1 3 6 , constituitur in homine quidam doctrinalis omnium scibilium modo humano thesaurus ad intelligendum veritates divinas, naturales et humanas, sive manifestentur in lumine providentiae Dei naturalis sive legis naturae supernaturalis legibus figurae et gratiae proportionaliter uniformis l37 .
1 4 1 Cui enti quia contradicit non ens simpliciter, et eadem sit scientia oppositorum, ideo illud principium: de quolibet esse vel non esse, de nullo vero simul . . . cadit proprie in consideratione primi philosophi seu metaphysici (196v, 6—7). Est itaque primum omnium principium indemonstrabilium . . . ab omnibus praecognitum . . ., a b omnibus scientiae cupidis praesuppositum . . . hoc : de quolibet esse vel non esse, de nullo vero simul (207r, 36 - 38). m De causis prop. 10 in commento (§ 9; 174, 1 6 f f ) . De caelo A 9, 279a 30 ff. 1 J i De caelo A 9, 279a 22 ff. Welche Stelle aus De an. T Heimeric meint, konnte ich bisher nicht feststellen. 1 , 7 2 1 3 v 31—214r 6.
I I . Der Llullismns bei Heimeric van den Velde
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Im nächsten Prinzip legt Heimeric den Grund der Kombinatorik, die er später anwenden wird: Vicesimum primum principium: Huismodi principiorum extrinsecorum entis analogi novenarius propter relativam terminorum cuiuslibet ordinis distinctionem inconfusus et propter simplicitatem originalem eiusdem entis, ad modum quo unitas replicatur in quolibet numero, quamlibet cuilibet implicantem et haec supra se invicem reduplicantem, Verität es 81 ex dicto recirculari novem in seipsum resultantes originaliter potens gignere, id est, aptitudinaliter pariens . . . E t quia eadem sunt, quae eadem generatione generantur et eadem corruptione corrumpuntur secundum Philosophum V I I 0 Topicorum et VI 0 Metaphysicorum 1M , patet ex hoc ipso fundamento, quod de quocumque unum illorum novem principiorum negatur, de ilio impossibile est alterum affirmari. At per hoc, quia quot modis dicitur unum oppositorum totidem et reliquam, necesse est illis novem principiis de se invicem octogies et semel identice affirmabilibus e contrario correspondere totidem principia a se invicem toties negabilia, quae sunt proportionaliter principia cognoscendi omnium entium vere scibilium differentias, sicut eorum opposita sunt principia seu theoremata intelligendi universorum identificabilium coincidentias 139 . Nach diesen zwei ersten grundlegenden Stellen, welche bereits die Hauptzüge seiner Llull-Darstellung verraten, d. h. die analogische Interpretation der llullschen Prinzipienlehre und ihre Vermischung mit aristotelischem und neuplatonischem Gut, entfaltet nun Heimeric die ganze Folge der llullschen Prinzipien. Es kommen zuerst die absoluten Prinzipien, dann die relativen und am Schluß eine Anwendung der Kombinatorik an die Reihe. Den ersten Ternar der absoluten Prinzipien bilden die drei sogenannten dignitates essentiales: Gutheit, Größe und Dauer. Heimeric leitet sie aus der aktiven Fruchtbarkeit her, welche nach ihm jedem Seienden im Hinblick auf sein Sein (esse) zukommt, wobei die Gutheit sich mit der Wesensausgießung und die zwei anderen Grundwürden mit der Ausdehnung und Dauer solcher Ausgießung sich decken 140 . Die drei folgenden dignitates potestativae machen den zweiten Ternar aus: Macht, Weisheit und Wille. Heimeric schließt sie wiederum aus der Fruchtbarkeit des Seienden im Hinblick auf sein Können (posse) und versucht, sie auf die verschiedenen SeinsTop. H 1, 161b 36 —162a 4; Met. E 2, 1026b 22f. 214r, 6 - 2 0 . 1 4 0 Vicesimum secundum principium: essentiales entis analogi perfectiones, dignitates seu nobilitates per terminos originales prìncipii, medii et finis ordinatae sunt bonitas, magnitudo et duratio, ex quo bonitas habet vim originalem se diffundendi, cuiusmodi in natura essentiali diffusio est quaedam extensio, quae appellatione generali dicitur magnitudo et huiusmodi diffusionis essentialis intrinseca continuatio seu permanentia dicitur eius duratio (214r, 21 — 24). 1W
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Die Herkunft des IJullismus beim Cusanus
bereiche auf analogische Weise anzuwenden141. Endlich besteht der dritte Ternar aus den drei operativae dignitates: Tugend, Wahrheit und Ruhm. Sie werden ebenfalls aus der Fruchtbarkeit des Seienden im Hinblick auf sein Wirken (agere) hergeleitet142. Während der ganzen Darstellung bemüht sich Heimeric, die llullschen Grundwürden im Sinne der aristotelischen Lehre zu interpretieren143. Er schließt seine Erklärung der absoluten Prinzipien mit der Forderung ab, die llullsche Terminologie mit der traditionellen Schulsprache in Einklang zu bringen144. i*1 Vicesimum tertium principium: Potestativae entis analogi dignitates sunt potentia, scientia et voluntas communiter dictae. Nam omne ens aut est increatum, cuiusmodi est Deus, aut similitudine eius creatum. Si increatum, cum illud praeveniat negationem, quae est origo omnis imperfectionis, ipsum non potest (esse) quomodolibet imperfectum seu defectivum, nec per consequens materiale, corporeum aut passivum, sed in actu puro naturae intellectualis omnimode completum, sicut patet ex praehabitis, et per consequens suum posse est secundum omnes terminos ordinis potestativi intellectualiter consummatum, quare in seipso per memoriam, intelligentiam et voluntatem originaliter habituatum, quae fecunditas potestativa in memoria notatur facultas, potestas seu potentia intelligibiliter activa in intelligentia dicitur scientia et in appetì tu intellectivo voluntas; quae tria potestativa in natura intellectuali coniuncta corpori principia nominantur ab Aristotele I I I 0 de Anima intellectus agens, intellectus possibilis et voluntas; in creatura autem vitaliter et sensibiliter cognoscitiva vocantur memoria, phantasia, appetitus ibidem; et in creatura per essentiam non vitalem participative naturata dicuntur aptitudo, instinctus et inclinatio; in creatura vero vitali non cognoscitiva vigor, viror, virtus, vigor inquam sicut vis intus agens, viror quasi vis intus rorans sive ruens, id est pullullans sive germinans et virtus quasi ultima vis activa intus (214r, 33 -214v, 6). l u Vicesimum quartum: Operativae entis analogi nobilitates sunt virtus, Veritas et gloria communiter appelatae, prout evidenter patet attribuenti haec nomina suis significatibus principalibus pro quibus accipitur quodlibet analogum per se positum, ut aiunt logici. Nam ens acceptum in ratione totius originaliter completum supponit primo et principaliter pro ente increato et ad imaginem eius pro ente creato. Sed constat ex supradictis in Deo esse triplicem causalitatem operativam, scilicet effectivam, exemplariter formalem et finalem, quarum prima ultimai seu terminai fluxum fontalem potestatis intrinsecae in memoria intellectuali fundatae; secunda terminat fluxum fontalem scientiae; tertia terminat fluxum et refluxum bonifluum et amorosum 145 Vgl. 214r, 26ff.; 214v, Iff. voluntatis fontanae (214v 14-20). 1 M Ex quibus omnibus patet quod nedum bonitas, magnitudo et duratio, potestas, scientia et voluntas, verum et Veritas, virtus et gloria pertinent ad originalem uniuscuiusque entis in esse, posse et activitati perfecti naturam, licet hinc inde inaequaliter et diversimode secundum differentias multimodas naturae essentialis in sua transcendentia consideratae. Ex qua varietate graduum essendi necesse est proportionaliter nomina dignitates originales talis naturae significantia variari iuxta praeceptum Aristotelis I I 0 Topicorum dicentis quod loquendum est ut plures, sed sapiendum ut pauci (vgl. Top. B 2, 110a 1 4 f f ) , id est, quod principia essendi et cognoscendi transcendentia . . . debent secundum exigentiam materiae propriae, quam specialiter considerai quisque particularis philosophus, sicut in esse et veritate ita et in modo loquendi determinari ita, quod illud, quod nominatur in natura intellectuali scientia, vocetur in natura non cognoscitiva instinctus, et quod in illa nominatur gloria, vocetur delectatio vel refloritio, et consequens secundum quod congruit proportionaliter unicuique enti (214v 37—216r 7).
II. Der Llullismus bei Heimeric van den Velde
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Es folgen nun die relativen Prinzipien, die Heimeric Prinzipien des geschaffenen Seienden nennt und aus dem Ternar esse, posse, agere wiederum ableitet: Vicesimum quintum principium est, quod omnia, sub unitate entis analogi sursum indivisa, sunt per multitudinem huiusmodi unitati intrinsecus . . . oppositam in natura essendi conséquente nihil, unde trahit originem divisio versus inferius, originaliter divisa, et ex hoc novem sunt principia enti facto per creationem diversimode appropriata, quorum tria dividunt simplicitatem originalem essentiae, tria séparant integritatem virtualem potentiae et tria distinguunt facultatem tricausalem operationis extrinsecae. Prima nominantur principium, medium et finis, secundum quod haec inveniuntur in fieri, esse et bene esse per prius et posterius in natura situ, loco aut tempore distantia; secunda nominantur maioritas, minoritas et aequalitas, quae realiter distinguunt integritatem virtualem ipsius posse, quod extenditur quantitative, sicut innuit Philosophus X° Metaphysicae et II 0 Ethicorum 1 4 5 ; tertia nominantur differentia, contrarietas et concordantia, quae dividunt naturalem inter causam et effectum identitatem, ex quo causa est ad quam sequitur aliud 146 . Heimeric bestimmt weiter, welche von den relativen Prinzipien Gott zukommen 147 , und schließt wiederum mit der Bemerkung ab, die llullschen Fachausdrücke, welche dem traditionellen Schulgebrauch nicht entsprechen, sollen auf die aristotelische Terminologie angepaßt werden 148 . Vgl. Met. I 1, 1052b 20ff.; Ethic. Nic. B 5, 1106a 26ff. 216r 8 - 1 7 . 147 Vicesimum sextum principium: E x quo quidquid perfectionis est in causatis, id dependet a perfectione causae, ideo inter haec novem principia ea, quae plus sonant in perfectionem quam in defectum, sunt Deo universorum creatori eminenter attribuenda, cuiusmodi sunt principium, medium, finis secundum quod sunt termini essentialis ordinis; item maioritas, aequalitas, differentia et concordantia, prout maioritas dicit excellentiam virtutis, aequalitas unitatem virtualis quantitatis omnia Dei attributa intrinsece adaequantis, differentia tollit privativam potentiae confusionem et ponit distinctionis actualis claritatem, concordantia vero prout dicit naturaliter distinctorum in aliquo communi principio activo indifferentiam (216v 6—10). 148 Veruni quia iuxta praenotata loquendum est ut plures, praesertim in nominibus principiorum a quibus scientia principaliter dependet . . . . ne per diversos terminos in usu scholae peripateticae Aristotelis peregrinos et plerumque ab Aristotele reprobatos praesertim quoad acceptionem magnitudinis, maioritatis, minoritatis, aequalitatis et concordantiae, quae videntur modo loquendi Platonis magnum et parvum in contrarietatem principiorum naturalium, ut recitai et recitando reprobai Philosophus 1° Physicorum (Phys. A 4, 187a 17ff.), ponentis; Empedoclis, Democriti et Leucippi litem et amicitiam seu odium et concordantiam huiusmodi principia generationis et corruptionis appellantium et ab Aristotele in de Generatione (vgl. De gen. et corr. BG, 339 b 19 ff.; B 7 334 a 26 ff.. Die zitierten Stellen gelten nur fur Empedokles; Leukipp und Demokrit haben solche Lehre nicht doziert) redargutorum, condescendere et ita a via sana peripatheticorum in devia stoicorum et epicureorum declinare . . . 14S
3
C o l o m c r , Nikolaus r . Kuirs u. Raimund LIull
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Die Herkunft des Llullismus beim Cusanus
Heimeric versucht sogar, die llullische Kombinatorik nachzuahmen. Dafür bedient er sich als Grundlage der vertauschbaren Identität der göttlichen Grundwürden. Er sagt z. B. von der göttlichen Wahrheit aus, daß ihr alle diejenigen Prinzipien, die Gott zukommen, zugesprochen werden können149. Damit ist er imstande, auf echt lullistische Weise folgende Aussage zu machen: prima veritas est una, bona, magna, aeterna, potens, sciens, volens, virtuosa et gloriosa, principians, medians, finiens, maior, aequalis, differens et concordans, efficiens, forma et finis150. Offenbar hat hier Heimeric den sechzehn llullschen Grundwürden, welche Gott zukommen, noch vier weitere Prädikate zugefügt, nähmlich die Einheit und die dreifache Gottesursächlichkeit. In seinem Kombinatorikversuch zählt Heimeric noch eine andere göttliche Grundwürde, die memoria, auf. Aus der gegenseitigen Vermischung dieser einundzwanzig Prädikate entstehen nun 312 verschiedene Wahrheiten, die über Gott aussagbar sind 151 . Daraus kommt Heimeric weiter zu einer Reihe von Theoremata über die erste Wahrheit 152 . Wir geben als Beispiel den ersten Lehrsatz wieder, in welchem gemäß der Gewohnheit des Heimeric llullsches und eigenes Gut vermischt werden: Primum theoremata est una veritas, prima, summa, ultima, aeterna, operativa, omnipotens, omniscia, voluntaria, virtuosa, vera, gloriosa, effectiva, exemplaris et finalis omnium causa, in trinitate principii, medii et finis in se essentialiter, intra se fontaliter, extra se causaliter ordinata, omnium verificabilium distincta, aequalis et concors norma, maior omni veritate participata. Istud theoremata statim elicitur ex praehabitis eo, quod in ente perfectissimo concurrunt omnes dignitates perfectionales communiter identice, sicut omnímoda varietas perPropter quod quia verrim vero consonai 1° Ethicorum (Ethic. Nicom. A 8, 1098 b 11), reiecto dicto loquendi abusu, quidquid veritatis in eo resonat sub communi et accepto cunctis vere theologizantibus stilo Aristotelis prosequamur (216v 10—24). 14 * Unde sequi tur quod illa 8 praedicata primitiva, quae Raymundus connumerat ventati, scilicet bonitas, magnitudo, duratio, potestas, scientia, voluntas, virtus et gloria una cum aliis attributi^ distinctis in suis nominibus, ratione significandi impugnante Deo omniperfecto carentibus, cuiusmodi sunt prmcipium, medium, finis, maioritas, aequalitas, differentia et concordantia possunt recte dici accidentalia illius veritatis attributa (220v, 3 0 - 3 4 ) . 220v, 3 4 - 3 6 . Ul Unde sequitur quod inter 18 principia Artis Lullii 16 vere conveniunt Deo et tantum duo, scilicet minoritas et contrarietas propter hoc quod nominant imperfectionem eidem disconveniunt. Quae 16 principia si per discursivum circularem supra se invicem singillatim extendantur, resultant 196 a se invicem intelligibiliter distinctae veritates, quae iunctae tribus attributis causalibus et illi praememorato modo essentiali, scilicet unitati, et notionali sibi intellectualiter subordinato, scilicet memoriae, faciunt veritates 312 (221r, 7 - 1 1 ) . Ex iis velut quodam alphabeto componuntur ea quae sequuntur veritatis primae de se ipsa aeternaliter semel tantum repetitione dictata theoremata (221r 17 f. ).
II. Der Llullismus bei Heimeric van den Velde fectionum naler
36
vitalium cuiuslibet plantae f r u c t u o s a e p r a e h a b e t u r
origi-
in eius r a d i c e 1 5 3 .
H e i m e r i c bleibt im ü b r i g e n
seiner
Prinzipienlehre d u r c h a u s
treu
u n d w e n d e t sie a u f a n d e r e B e r e i c h e seiner S p e k u l a t i o n a n . W i r g r e i f e n a l s B e i s p i e l einige Stellen a u f . S o a n t w o r t e t H e i m e r i c a u f d i e F r a g e : a n c r e a t i o sit o p e r a t i o Dei a p p r o p r i a t a s u a e u n i t a t i , v e r i t a t i a u t b o n i t a t i 1 5 4 ? m i t d e m H i n w e i s a u f die ü b r i g e n G o t t e s e i g e n s c h a f t e n . Schöpfungstat infolgedessen
Gottes
setzt
in j e d e m
exemplaristischen
alle
seine
Geschöpf widergespiegelt
Schöpfungslehre
exemplaristische Naturrechtslehre. schaffen,
Grundwürden
entspricht
voraus,
werden158.
auch
eine
Nach dem göttlichen
soll j e d e s G e s c h ö p f s i c h a u f die g ö t t l i c h e n
Die die
Dieser
ebenfalls
Urbild
ge-
Vollkommen-
heiten mit der entsprechenden Haltung beziehen15*. Man findet s o g a r d e n i n t e r e s s a n t e n V e r s u c h , eine A r t v o n K o m b i n a t o r i k a u f d i e p r i n c i p i a n a t u r a e o r n a t a e a n z u w e n d e n . A u s d e r V e r m i s c h u n g d e r in d e r Schöpfung ihren
widergespiegelten
innerweltlichen
schaffenheiten
der
neun
Gegensätzen
Ausschmückung
göttlichen entstehen der
Eigenschaften
324
verschiedene
mit Be-
Welt15'.
221 r, 2 8 - 3 4 . 226r, 41. 155 Ad quod dicendum quod ex quo creatio est operatio Dei extrinseca, quae praeBupponit eius perfectionem intrinsecam, ideo necesse est quod Deus er eat non quia praecise unus aut bonus, sed etiam quia magnus, aeternus, potens, sciens, volens, virtuosus, verus, gloriosus, prineipium, medium, finis, different, concora, major, aequalis, efficiens, forma et finis. Unde fit quod creatio est appropiatus actus totius mandi archi typi seu thearchiae faciens in quolibet creato vestigium, imaginem vel spiri tu alem similitudinem totius appellati nomine tetragammaton iuxta gradum analogia« propriae cuiuslibet resultare, sigillari et relucere (226v, 6—10). 166 Hinc per ea, quae supra habita sunt, possunt elici plora correlativa iuris naturalis diffinitiva, quorum primum est, sub manu unius, veri et boni omnem creaturam humiliari eo, quod commune est omni creaturae in quantum est condita, suo subici Creatori earn per suam essentiam crea tri cem in conformi tate suae unitatis, veritatis et bonitatis vestigiantis. Secundum est, quamlibet creaturam divinam potentiam fremere, suam sapientiam venerali et eius voluntati oboedire (267r, 2—7). Tertium est, unamquamque creaturam Deo ut domino servire, ipsum ut exemplarem omnium artificem imi tari et eidem ut ultimo fini affectualiter inhaerere (267r, 16—17). Quartum est, quodlibet ens creatum divisionem sive mendatium, vitium, impotentiam, ignorantiam,mal'volenti am, tyrannidem, deformitatem et deordinationem naturali ter fugere (267r, 22f.). Die neun göttlichen Grundwürden oder Eigenschaften, die hier in Frage kommen, bilden eine Auswahl der früheren einundzwanzig göttlichen Vollkommenheiten. Dieselbe Auswahl, nämlich unitas, Veritas, bonitas, potentia, scientia,voluntas, efficiens, forma, finis kommt auch 261 v, 40—262r, 1 vor. Decimum: quia creatura oritur ex principiis oppositis, scilicet esse et non esse aut actu et potentia, ideo eius boniformis pulchritudo consistit in finali similium et dissimilium consonantia. Unde elicitur quod secundum novem pulchritudinis divinae originales in forma identitatis, aequalitatis et similitudinis differentias et totidem radicales naturae conditae in forma diversitatis, inaequalitatis et dissimilitudinis oppositiones resultant in universo condito decern et octo originales varietates, quarum is iuxta proprietatem conversivam finis, quodlibet illorum quilibet comparantis et 153
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Die Herkunft des Llullismus beim Cusanus
Als Krönung dieser Prinzipienlehre entwickelt Heimeric eine metaphysich-symbolische Spekulation über die Zahl neun: Hinc elici possunt pleraque dogmata, quorum prirnum est, quod ex quo totum coincidit cum perfecto . . ., ita proportionaliter distinguitur perfectio numeri, primo quidem in perfectionem formalem essentialem, quae consistit in ultima unitate terminante progressionem continuam et naturellem ipsius numeri ex unitate in unitatem, cuiusmodi est numerus nonagenarius eo, quod non sunt plures unitates perfectionales cuiuscumque entis essentialiter aut accidentaliter numerabilis, sicut patet inductive de novem prineipiis univocis et novem prineipiis aequivocis eis oppositis saepe superius repetitis. Item de novem universitatis entium generibus seu subiectis seibilibus, quae appellai Raymundus Deum, angelum, coelum, homines, animal imaginativum, animal sensitivum, animatum Vegetativum, ens dementale et ens instrumentale. Item de novem accidentibus ad instar novem attributorum divinorum esse extrinsecus numerabile ipsius substantiae, cui haec communiter insunt, sicut formae et actus distinguentibus. Item de novem quaestionibus et totidem regulis eis correspondentibus, quae sunt principia interrogativa et responsiva omnis veritatis scibilis. Quorum omnium ratio potissima est, quod originalis ordo, qui est Trinitas, ratione suae simplicitatis in seipsam conversa constituit novenarium circulariter et ita inaddibiliter perfectum l 5 8 . In enger Verbundenheit mit der bisher geschilderten exemplaristischen Prinzipienlehre begegnet man auch bei Heimeric einer trinitarischen Seinsauffassung. Die Dreieinheit des göttlichen Seins spiegelt sich im geschaffenen Sein wieder, da das letzte nach dem Bild des ersten vollendet wurde 159 . So ist die metaphysische Prinzipienlehre des Heimeric vom Rhythmus der Triade beherrscht. Ein für Heimeric grundsätzlicher Satz lautet folgendermaßen : Uno posito in natura vel ratione necessario ponuntur tria 160 . Er verweist damit supra singula reflectentis, alterum alteri singillatim iuxta vel contraponantur, resultant decies et octo oetodeeim raundani ornatus dispositiones (260v, 28—37). Cusanus hat am Rande geschrieben : Nota ! Ex prineipiis oppositis sunt omnia. »" 232v, 3 - 2 2 . u» Vgl. 214v, 9: Ens creatum per formam totius in similitudine Trinitatis et unitatis divinae completum. 160 Secundum prineipium est quod uno posito in natura vel ratione necessario ponuntur tria... Si ens in actu, ergo est aptum natumagere, quod innuitsubstantiae,potentiae et operationis trinitatem. Si ens inpotentia autest prineipium aut prineipiatum ; si prineipium habet ordinem originalem ad medium et ultimum; si prineipiatum habet huiusmodi ordinem originatum, ut praedictum est (208r, 28—32). Quartum prineipium est quod tria tantum sunt fiendi correlativa, scilicet movens tantum, movens prius motum et mobile tantum... Tria tantum principia essendi, scilicet prineipium exemplariter formativum quod est tantum formans, prineipium formale informans et potentia formalis formabilis. Tantum tria principia materialia prima seu existendi fundamenta, scilicet
I I . Der LluUismus bei Heimeric van den Velde
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auf eine Reihe von Ternaren, die in den verschiedenen Seinsbereichen zu finden sind. Daß eine dermaßen trinitarisch ausgeprägte Denkrichtung dem Geist der llullschen Tradition von Hause aus verwandt war, ist einleuchtend. Tatsächlich hat Heimeric mitsamt den Grundwürden auch das zweite Hauptelement der llullschen Prinzipienlehre in sein System eingefügt: die Korrelativenlehre. Die Grundlage dieser Lehre bei Heimeric wie auch bei Llull ist eine dynamische Seinsauffassung. Das Seiende ist auf Grund seiner Aktualität fruchtbar. Jede Trägheit oder Leere ist sowohl von Gott, wie auch von der Natur weit entfernt 1 6 1 . Mit einer solchen Seinsauffassung sind der Ternar principium, medium et finis und die Korrelativenlehre wesentlich verbunden. Man begegnet beim Colliget einem immer wiederkehrenden Satz: Ordo perfectus est consistens in tribus, scilicet principium, medium et finis 162 . Heimeric leitet ihn aus der Fruchtbarkeitslehre her : Ordinem esse et consistere in tribus requirit fecunditas activa originalis naturae a primo per medium ad finem pullullantis 193 . Hieraus entspringt auch die Korrelativenlehre 164 . So schreibt z. B. Heimeric von der göttlichen Wahrheit: E t nisi esset essentialiter in se, fontaliter intra se et causaliter extra se per gradus originales principii, medii et finis ordinata, non esset in sua substantia intransitiva, in sua potentia naturali intrinsece transitiva et in sua potestate causali extrinsece transitiva actualiter fecunda eo, quod talis fecunditas non potest intelligi sine principio se communicante, ubi tria dicuntur, scilicet principium supponens communicativum, per se supponens communicabile et communicans dicens actum communem utriusque. Quod considerans Raymundus Lullus dicit quodlibet principium primitivum perfici originaliter ex tribus correlativis, scilicet tivo, bili et re, ut puta veritatem ex verificativo, verificabili et verificare et ceteris 1 6 5 . participans esse, vivere et intelligere, ex quo esse est actus essendi iniimus, vivere actus essendi medius et intelligere actus essendi supremus (208r, 35 — 208v, 1). 1 . 1 Unde elicitur quod nullum ens creatum per formam totius in similitudine trinitatis et unitatis divinae completum potest esse prorsus sterile et infecundum (214v, 9f.). Vgl. auch folgende Stelle: Quartum principium est quod nihil est otiosum aut vacuum in natura eo, quod otium abnegatur a b actu et vacuum a potentia actui coniuncta . . . ; et ideo, cum natura consistât aut per actum tantum aut per actum coniunctum potentiae, quam perficit, et ita naturale sit actui agere seu active negotiari, id est otium negare, siquidem negotium dicitur quasi negans otium, sicut essentiale est luci lucere, etiam consubstantiale est potentiae per habitum actus primi aut exercitium actus secundi repletae abundare et per plenitudinem sui habitus vel actus vacuum declinare, profecto sicut proposita dicit régula: nihil est otiosum aut vacuum in natura (209v, 3 4 — 2 1 0 r , 2). 1 . 2 208r, Si. ; vgl. 208r, 21: principii, medii et finis ternarius; 209v, 2 : omnis multitudo, eo modo quo est una et finita, eo modo est ordinata, ex quo multitudo résultat
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Andere Anspielungen auf die Korrelativenlehre findet man über die Schrift hin verstreut 1 6 6 . Wir weisen nur auf eine Stelle hin, die uns für die eklektisch-spielerische Denkweise des Heimeric bezeichnend scheint. Dort trägt nämlich Heimeric in die Korrelativenlehre des Raimund Llull, auf welchen er sich ausdrücklich stützt 1 6 7 , den neuplatonischen Gedanken seines Pariser Lehrers Johannes de Nova Domo hinein, wonach das esse der actus essentiae sei 168 . Mit dem Gesagten glauben wir, den Nachweis einer bedeutenden llullschen Einwirkung auf das Colliget Principiorum des Heimeric ex consequent! processu unitatis primo per medium ad ultimum; 213v, 33: ordo consistât in primi, medii et ultimi ternario; 218r, 9: Omnis ordo periectus consistit in tribus, scilicet primo, medio et fine seu ultimo; 258v, 34f.: Ordo non habet esse perfectum nisi in trinario principii, medii et finis. Cusanus hat hier nebenan notiert :Ordo non sine trinario 1 1M 208r, 8 f . ; vgl. 231r, 4—6: Ad quod amplius intelligendum notandum est, quod ordo est prima rerum naturalium, ut inquit Philosophus, non potest abesse cuicumque enti naturato, id est, in fecunditate naturae constitute propter hoc, quod natura fugit otium, consistere in quadam communicativa fecundìtatis intrìnseche pulluliamone, quam generationem impossibile est sine ordine principii, medii et finis esse aut intelligi posse. 1M Auch bei Raimund Llull haben die drei Korrelative eine innere Beziehung zum Ternar Principium, medium, finis. Denn das Partizip Activ (z. B. intelligens) ist Anfang zugleich eines ontischen und eines logischen Bezuges, das Partizip Passiv (intellectum) ist das Ende und der Infinitiv (intelligere) die verbindende Mitte. Vgl. darüber Platzeck, Die lullsche Kombinatorik II, 386. " » 221 v, 3 6 - 4 2 . w« Vgl. 207 v, 34: Omne relatum aut referibile ad esse est essentians aut essentiatum aut essentiativum aut essentiabile; 208r, 36: Tria tantum sunt fiendi correlativa, scilicet mo ve ris tantum, movens prius motum et mobile tantum ; 218 r, 26 zählt Heimeric die differentiae formales des Einen und Guten auf: unitivum, unibile, unitum; bonificabile, bonificans et bonificatum sive appetìtivum, appetibile et boniformiter placens; 269 v, 37: In quocumque ordine reperitur distinguibile tantum, distinguens et distinctum, in ilio ordine reperitur distinetum tantum. » ' 210r, 7. I M Unde sequitur quod, cum locus opponatur vacuo sicut habitus privationi secundum Philosophum IV 0 Physicorum (vgl. Phys. A 8, 215a 11). et in omni fluxu tarn essentiali quam accidentali actus, sicut iam habitum est, ex fecunditate suae naturae proprie commumcabilis, requirantur tria correlativa, scilicet quod, quo et actus utriusque communis, ut puta gratia exempli fons, fluens et fluxus, fons quidam fundens aquam, aqua fluens et fluxus simul et indivisibiliter fontalis et fluvialis (210r, 2—5). Heimeric versucht dann, diese Lehre mit Aristoteleszitaten zu stützen. Was er damit meint, dürfte uns jedoch aus seiner Antwort auf eine aus Aristoteles herkommende Schwierigkeit, wonach die Formen nicht den Charakter des Ursprungs, sondern des Zieles haben, klar einleuchten. Heimeric schreibt : Quod tarnen non obstat ¿Ili dicto, ex quo nihil prohibet, idem esse terminum ipsius fieri et principium ipsius esse, ad cuius prineipationis complementum concurrunt necessario tria, scilicet essentia dans seu dativa, esse dabile et diffusio communis utriusque, in qua essentia fundente esse fluit et ens huiusmodi fluxum et fontem essentialiter seu quidditative aut participât aut intrinsece terminât (210r, 13—16). Vgl. Johannes de Nova Domo, De esse et essentia q. 1, prop. 1 (a. a. O. 94) : Sicut lucere est actus lucis a substantia lucis exercitus, ita esse est actus essentiae ab essentia exercitus.
III. Heüneric van den Velde als Vermittler
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einwandfrei geliefert zu haben. Damit haben wir auch unsere Untersuchung über die Llull-Kenntnis des Heimeric van den Velde positiv abgeschlossen. 9. Ü b e r b l i c k und Ergebnis Zusammenfassend läßt sich nun folgendes sagen: a) Heimeric van den Velde hat nicht nur die Ars des Raimund Llull gekannt, sondern darüber hinaus viel llullsches Gut in sein philosophisch-theologisches Denken aufgenommen. Es handelt sich besonders um den llullschen Gedanken der Ars generalis sciendi und um die llullsche Lehre von den absoluten und relativen Prinzipien und von den Korrelativen. Diese Lehren sind keine Nebensache im llullschen Denken, sie treffen vielmehr das Herz des llullschen Systems. b) Das bedeutet noch nicht, daß Heimeric ein Llullist gewesen sei. Der Llullismus tritt bei ihm neben anderen Denkrichtungen, vor allen Dingen neben Aristotelismus und Neuplatonismus hervor. Dazu ist bei Heimeric die Tendenz vorhanden, die llullsche Lehre nach dem Maßstab der aristotelischen Philosophie zu prüfen bzw. sie mit Aristoteles in Einklang zubringen. Solche Tendenz istgeradezu un 11 ullistisch, denn nichts lag Raimund Llull ferner, als seine Ars auf Aristoteles zurückzuführen. Er hegte dagegen das stolze Bewußtsein, mit seiner neuen materialen Logik die rein formale aristotelische Logik überwunden zu haben 149 . c) Der llullsche Einfluß auf Heimeric zeigt einen steilen Anstieg. Er setzt wahrscheinlicherweise mit der Schrift Quadripartitus Quaestionum (um 1424—25) an, tritt in den Theoremata totius universi und in der Ars demonstrativa (vor 1431) spärlich, dennoch eindeutig hervor und erreicht den Höhepunkt bei den drei Schriften der Basler Zeit (1432—35), dem Sigillum aeternitatis, der Disputatio de potestate ecclesiastica und dem Colliget principiorum. Der Grund für die anfängliche Zurückhaltung des Heimeric Llull gegenüber bleibt uns verhüllt. Die Abneigung der Pariser Theologischen Fakultät und des Kanzlers Gerson gegen den Lullismus, wovon Heimeric aus seiner Pariser Studienzeit ohne Zweifel wußte, dürfte damit eine Bewandtnis haben. III. HEIMERIC VAN DEN VELDE ALS VERMITTLER ZWISCHEN CUSANUS UND LLULL Aus unserer bisherigen Darstellung geht eindeutig hervor, daß Heimeric van den Velde der Einflußsphäre des Raimund Llull und dessen Ars generalis unterlag. Wir sind nun imstande, diejenige Frage zu beantworten, die wir am Anfang unserer Untersuchimg stellten: " » Vgl. Ars ultima, X c. 62 (A 638 - 6 3 9 ) ; siehe darüber Platzeck, Die laiische Kombinatorik II, 396ff.
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Ist Heimeric der Vermittler zwischen Nikolaus von Kues und Raimund Llull gewesen ? Der Klarheit zuliebe fassen wir zunächst den Sachverhalt zusammen: 1. Es steht historisch fest, daß Heimeric das System des Mallorkiners kannte und von ihm stark beeinflußt wurde. 2. Es steht ebenfalls historisch fest, daß Heimeric durch seine Kölner Lehrtätigkeit und darüber hinaus durch seine Schriften einen nicht zu unterschätzenden Einfluß auf den Cusanus ausgeübt hat 1 7 0 . Warum sollte er seinen Schüler nicht auch in das llullsche Denken einführen ? Eine eindeutige affirmative Antwort auf diese Frage dürfte als selbstverständlich erscheinen, wenn eine chronologische Schwierigkeit nicht im Wege stände. Daß dem Heimeric Llull bekannt war, ist für die Jahre 1432—35 mit voller Gewißheit und für die Jahre vor 1431 mit großer Wahrscheinlichkeit bezeugt. Einen näheren Anhaltspunkt für Llull-Kenntnis bei ihm zu finden, ist uns trotz unserer Bemühungen bisher nicht gelungen. Allein aus dem Compendium divinorum (1420—22) und noch mehr aus dem Quadripartitus Quaestionum, der in die Jahre 1424—25 zurückzugehen scheint, könnte man einen wahrscheinlichen, doch nicht gesicherten Nachweis von LlullKenntnis beziehen. Cusanus hat aber schon 1428 seine Exzerpte aus dem Liber Contemplationis angefangen. Wir sind also in eine äußerst merkwürdige Lage hineingeraten: Rein chronologisch gesehen ist eine historisch gesicherte Llull-Kenntnis früher beim Schüler als beim Lehrer feststellbar! Man könnte sogar die Schwierigkeit dermaßen verschärfen, daß unsere Fragestellung einfach auf den Kopf gestellt würde. Dürfte nicht eben die unersättliche Wißbegier des Schülers den Lehrer auf Raimund Llull hingewiesen haben ? Wir haben die soeben erwähnte Schwierigkeit absichtlich verschärft, um die daraus sich ergebende Sachlage in aller Ehrlichkeit klarzustellen. Die Vermittlungsrolle des Heimeric zwischen Cusanus und Raimund Llull bleibt eine Hypothese. Es fehlt bis heute noch das durchschlagende Argument, welches die Hypothese zur gesicherten Tatsache erheben würde. Es sind dennoch so viele Gründe und Sachverhalte, die für diese Hypothese sprechen, daß wir es wagen, ihr die größte Wahrscheinlichkeit beizumessen. 1. Es soll nicht vergessen werden, daß außer dem Quadripartitus Quaestionum, der — wie gesagt — auf die Jahre 1424—25 zurückgeht, die Theoremata totius universi und die Ars demonstrativa zwischen dem Compendium divinorum (1420—22) und dem Jahre 1431 zu liegen scheinen. Auch die dortigen Cusanusglossen dürften in die frühere Zeit fallen. 1 , 0 Heimeric hat seinen genialen Schüler in die Kreis-Dreieck-Symbolik und verschiedentlich in neuplatonisches Ideengut eingeführt. Siehe darüber Haubst, Das Bild, 314.
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2. Cusanus bemerkt am Anfang seiner Exzerpte aus dem Liber contemplationis, daß er als Vorlage ein llullsches Autograph im Besitz der Pariser Kartause von Vauvert benutzte. Honecker hat nun bewiesen, daß es sich nicht um ein Autograph, wohl aber um den Codex handelt, den einst Raimund der Pariser Kartause schenkte171. Andere Vorlagen für die übrigen Exzerpte dürften auch von den Pariser Kartäusern ausgeliehen worden sein. Wie sollte aber Cusanus zu einer solchen Beziehung mit dem Pariser Kloster gekommen sein ? Es ist mit einem Mittelsmann zu rechnen. Heimeric studierte in Paris und brachte von dort seinen Albertismus mit. Ob er nicht von dorther seinen Llullismus und die Bekanntschaft mit den Kartäusern mitbringen konnte ? 3. Tatsächlich besitzt der Lullismus des Heimeric Züge, die an die damalige Auseinandersetzung der Pariser Theologischen Fakultät und des Kanzlers Gerson mit der llullschen Lehre erinnern. Die Tendenz des Heimeric, den Llullismus mit der aristotelischen Philosophie in Einklang zu bringen, dessen Bemühung, die llullschen Fachausdrücke auf den traditionellen Schulgebrauch anzupassen, verraten beim Kölner Meister eine genaue Kenntnis der Gerson'schen Kritik an llullschem Denken und zugleich die vorsichtige Sorgfalt, jede verdächtige llullsche Eigenart zu vermeiden. Sätze des Heimeric, wie z. B. folgende: „Necesse est proportionaliter nomina dignitates originales talis naturae significantia variari iuxta praeceptum Aristotelis 1° Topicorum dicentis quod loquendum est ut plures, sed sapiendum ut pauci 1 7 2 "; „propter quod . . ., reiecto dicto loquendi abusu, quidquid veritatis in eo resonat sub communi et accepto cunctis vere theologizantibus stilo Aristotelis prosequamur 173 ", sind offenbar wegen der Gerson'schen Kritik an der Eigenart des llullschen Denkens geschrieben174. 4. Der frühe Llullismus des Cusanus zeigt seinerseits auch Züge, die an die Lullus-Interpretation des Heimeric anknüpfen. Wir meinen vor allen Dingen die Cusanus-Skizze am Anfang der Pseudonymen Ars generalis im Cod. Cus. 83 175 . Die dortige analoge Interpretation der llullschen Prinzipienlehre verrät ohne Zweifel den Einfluß des Heimeric. In diesem Zusammenhang dürfte auch die Notiz über die llullsche Ars, welche sich an dieselbe Pseudonyme Ars generalis anschließt, eine bedeutende Rolle spielen. Das Bedenken Haubsts 179 gegen die Niederschrift der Notiz durch Cusanus scheint uns wenig Vgl. Honecker, Lullus-Hs., 291. Colliget Princ., 216r. l f . 1 7 s Ebd. 215v, 21 ff. 1 7 1 Vgl. S. 7 Anm. 16. 175 Vgl. Anhang C n. 64. »• Das Bild, Anhang B 338. 171
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gewichtig. Haubst hat dagegen richtig dargetan, daß die Notiz Gedanken von Heimeric wiedergibt177. Wir gehen dennoch weiter als Haubst und meinen, die Abfassung der Notiz Heimeric selbst zuschreiben zu müssen. Nur auf diese Weise erklärt sich die frappante inhaltliche und stilistische Verwandtschaft der Notiz mit sämtlichen Texten des Heimeric. Die Notiz wäre dann, wie auch Platzeck meint, in der Art einer Schüler-Reportatio zu bewerten178. Um unsere Behauptung zu beweisen, geben wir hier den vollständigen Text 179 der Notiz wieder. Man vergleiche in den Fußnoten die verwandten Stellen aus den Schriften des Heimeric180. Fundatur praenotata Ars meo iudicio in veritatibus philosophiae subscriptis: Propter admirari inceptum est philosophari 1° Metaphysicae181. Decern sunt differentiae admirationis, id est quaestiones: utrum, quid, de quo, quare, quantum, quale, quomodo, quando, ubi, cum quo; ergo decern sunt regulae philosophandi, id est perveniendi de noto ad ignoti notitiam 182 . Eadem sunt principia essendi et cognoscendi, II 0 Metaphysicae et 1° Physicorum183. Novem sunt principia simpliciter essendi, scilicet bonitas, magnitudo, duratio, potestas, sapientia, voluntas, virtus, Veritas, gloria; et totidem principia particulariter seu secundum quid essendi, scilicet differentia, concordia, contrarietas, maioritas, aequalitas, minoritas, principium, medium, finis. Ergo duodeviginti sunt principia cognoscendi, ex quibus potest colligi ars omnia sciendi. Qaecumque convertuntur seu sunt eadem cum uno tertio, sunt eadem convertibiliter inter se. VII 0 Topicorum184. Sed ilia novem principia convertuntur cum ente simpliciter; ergo similiter convertuntur inter se, utputa secundum modum communitatis analogicae Ebd., 337. " » Platzeck, Lullsche Gedanken bei N. v. K., 361. 174 Haubst (Das Bild, Anhang B, 336) spricht irrtümlicherweise von einer kürzeren Notiz, die fol. 302v vorangehe. Es handelt sich tatsächlich um eine Fortsetzung derselben Notiz, die fol. 303r anfängt und fol. 302v abschließt. Unser Text gibt auch diesen von Haubst noch nicht veröffentlichten Teil der Notiz wieder. 1 U Viele dieser Nachweise bei Haubst, Das Bild, 333ff. 181 Met. A 2, 982b 12f. *** Vgl. Ars demonstrativa, 66 v 6—7: Cum igitur, teste Philosopho 1° Metaphysicae propter admirari sit inceptum philosophari, secundum ordinem quaestionum admirabilium disponitur numerus et ordo vere scibilium; Disputatio de pot. eccl. 106r 45—106v 1: Tertio ponit novem quaestiones, quae sunt motiva desiderii disciplinae secundum illud: Propter admirari inceptum est philosophari; Ebd., 109v 2: Idcirco more primorum philosophantium de admiratione progrediamur ad scientiam; Colliget princ., 207r 22: Propter admirari inceptum est philosophari. De sigillo aeteraitatis, 77r 19—21: Descendamus ad portionem intellectus inferiorem de noto ad ignoti notitiam discursive volubilem, quae dicitur ratio. " » Met. a 1, 993b 28f.; Phys. A 7, 190a 16f. " * Top. H 1, 162a 31 f. 177
III. Heimeric van den Velde als Vermittler
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illius entis analogice18S. Item illa conveniunt in ente increato, scilicet Deo, numeraliter identice, ut attribuuntur Deo, sic convertuntur ad se invicem reciproce. Ad quam identitatem reciprocae conversionis circulationis annotandum haec novem principia congrue describuntur in figura circolari 188 . De quolibet esse vel non esse, de nullo vero simul 187 . Contrarietas et minoritas includunt esse et non esse ; ergo de nullo simpliciter ente potest aliquid horum verificari. Unde fit, quod, cum solus Deus sit purum esse, ipse est absque contrarietate et minoritate 188 . Cumque omne creatum radicetur in nihilo seu non esse, in quod est naturaliter vertibile, omne tale minus est in entitate 189 . E t quoniam sola materialia, in quibus potentia vincit actum 190 , seu privatio, quae est radix contrarietatis, formalem habent contrarietatem, neque Deus nec angeli neque coeli sunt contrarietatis participantia. E x his patet correlative, quod sedecim sunt principia Deo et creaturae communia; scilicet novem convertibilia et septem inconvertibilia, quae sunt differentia, concordia, maioritas, aequalitas, principium, medium et finis191. E x quorum multiforme complexione resultant multimodae dignitates aut suppositiones demonstrativae. Quodlibet ens in actu ratione suae actualitatis est originaliter fecundum, quia sicut essentiale est lucere lucem, sic originale est us Vgl. Disputatio de pot. eccl., 108r 19—23: Cum ergo dicta novem principia sint primae dignitates seu nobilitates, repertae per analogiam in quolibet ente, inter se ratione tertii, in quo identificantur, convertibiles secundum illam regulam : Quaecumque sunt eadem uni tertio, sunt eadem inter se; Ebd., 108v 7—9: Quia illae dignitates ex hoc, quod sunt primitive convertibiles cum ente analogo, non possunt realiter ab invicem distingui; Colliget princ. 213v 34f. : Qui novem principia propter originalem unitatis analogicae indivisionem sunt, salva ratione propria singulorum, supra se invicem convertibilia; Ebd.. 214r 9—11: Quae, quia praedicantur de eodem subiecto, scilicet enti, in quo uniuntur convertibiliter, idcirco per regulam, quae dicit, quod quicumque sunt eadem, similia vel aequalia uni tertio, sunt eodem modo eadem, similia vel aequalia inter se, quo modo conveniunt in ilio tertio. M Vgl. De sigillo aeternitatis, I i i 44f. : Cuius circulus significai perfectionum essentialium reciprocam seu convertibilem identitatem. Über den Ausdruck conversio circularis bzw. identitas circularis vgl. De sigillo, 78v 36; Ebd. 80r 16. 1 , 7 Met. r4,1006a3ff. Vgl. Heimerics Ars demonstrativa ex ilio principio de quolibet esse vel non esse, de nullo vero simul elicita; Colliget princ. 196v 6; Ebd. 207r 38. im Vgl. dieselbe Interpretation beim Colliget princ. 216 v 7 ff. ; 221r 8. 18« Vgl. De sigillo, 82v 41 f.: In obscuritate nigredinis significantis tenebras negationis essendi, ex qua oritur omnis creatura; Disputatio, HOv 8—10: Describatur in spatio albo esse sive natura affirmata essendi, in spatio nigro nihil seu non esse ad innuendum, quod repraesentatum per illam figuram est ens increatum praeveniens umbram negationis, ex qua oritur omnis creatura. wo Vgl. Ars demonstrativa, 68 v 27: Ibi vincit actus potentiam (von den Geistsubstanzen gesagt); Ebd. 69r l f . : ordinata victoria actus supra potentiam; alioquin ibi materiarentur singularia; Colliget princ., 210 v 28: Ubi actus vincit potentiam, ibi esse, posse et agere est a materia separatum aut separabile. 1 , 1 Vgl. dieselbe Interpretation beim Colliget princ., 216v 5fi. ; Ebd. 221 r 7ff.
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Die Herkunft des Llullismus beim Cusanus
actui agere 192 . Sed illa praefata principia sunt proprietates naturales entis in actu. Ergo quodlibet iliorum est originaliter fecundum. Sicut ergo in pulluliamone germinis fecundi concurrunt tria, scilicet pullullans seu germinans, pullullabile et pullullare, ita in quolibet praedictorum principiorum sunt tria correlativa principia seu originalia, utputa in bonitate bonificativum, bonificabile, bonificare; et sie de ceteris1®3. Hinc est, quod quodlibet horum dupliciter diffinitur, scilicet per sua essentialia et per suam propriam agentiam 194 , utputa bonum est, quo quodlibet ens est et agit bonum etc. Ab eo quod res est vel non est, oratio dicitur vera vel falsa. 1° Praedicamentorum et 1° Perihermeneias 195 . Praedictorum principiorum nomina sunt apud Philosophum inusitata 1 8 6 ; et tarnen iuxta figmentum sui inventoris propositae Artis res veras significantia197. Ergo cum propter nostrum affirmare vel negare nihil mutatur in re (1° Perihermeneias) 188 et omne verum vero consonet (1° Ethicorum) 199 , praefata Ars non est repudianda propter suorum terminorum improprietatem, quin potius, ut possit facilis concordari cum sententiis aliis ad earundem terminos refiguranda dicente Philosopho II 0 Topicorum, quod loquendum est ut plures, sapiendum ut pauci 200 et VI 0 Metaphysicae, quod oportet disputantes de veritate in terminis convenire 201 . Quod etiam iubet Apostolus, cum reprobat inintelligibilem idiotis prophetae seu predicatorum sermonem 202 . Cui alludit (Philosophus) 203 dicens, quod 192 Vgl. zur Fruchtbarkeitslehre des Heimeric Theoremata, 65 v 8 f. ; Ars demonstrativa, 6 6 v 28ff.; Ebd., 6 9 v 24; Colliget princ., 208r 9; besonders Ebd. 209v 3 4 — 3 9 : ita naturale sit actui agere seu active negotiari, id est otium negare . . ., sicut essentiale est luci lucere; Ebd. 214v 9 : Nullum ens creatum per formam totius in similitudine Trinitatis et unitatis divinae potest esse prorsus sterile et infecundum; Ebd. 231 v 4 — 6 : Ordo non potest abesse cuicumque enti naturato, id est in fecunditate naturae constitute . . . consistens in quadam communicativa fecunditatis intrinsecae pulluliamone. 1 9 3 Zu den Worten pulluUatio bzw. pullullare und germinare, die häufig bei Heimeric vorkommen, vgl. besonders Colliget princ., 214v 5. 1 9 4 Zu dem Wort agentia vgl. auch Theoremata, 65r 10. 1 9 5 Perihermeneias c. 1 1 6 a ; Kategorien I 6, 4 b 8f. im Vgl. Colliget princ., 215 v 13: ne per diversos terminos in usu Scholae peripatheticae peregrinos et plerumque ab Aristotele reprobatos; Ebd. 18: Ne dico per talem terminorum abusum doctrinae Aristotelis, ubi supra, non proprie concordantem. 197 vgl. Colliget princ., 215v 22: Reiecto dicto loquendi abusu, quidquid veritatis in eo resonat usw. las Vgl. Perihermeneias c. 1 1 6 a 16f. 1 9 9 Etilica Nie. A 8, 1098b 11. Heimeric führt im Colliget princ. 215v 22 denselben Satz an. 2 0 0 Vgl. Top. B 2, 110a 14ff. Heimeric führt auch diesen Satz an, Colliget princ., 2 1 5 r 2; Ebd. 215v 11. Met. T 4, 1 0 0 6 b ; 1 0 0 8 a ; 5 1009a; 7 1012a. 2 0 2 I Cor. 14, 6 16 24. 2 0 3 Es scheint sich hier um eine freie Wiedergabe von Aristoteles' Perihermeneias c. 1, 1 6 a 1 zu handeln.
III. Heimeric van den Velde als Vermittler
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ad hoc datus est nobis sermo, ut mutuae voluntatis fiant nota inditia. Itaque nominentur illa principia correlativa iuxta modum dicendi Philosophi I o Coeli naturaliter apta nata sic facere 204 , utputa, quod bonum est ens aptum natum bonificare et sie de ceteris. Et dicuntur illa principia secundum modum loquendi auctoris Libri causarum nobilitates essentiales aut proprietates naturales aut condiciones causales aut attributa vel modi substantiates vel annuntiabiles absolute vel regulae reddendi singula singulis205. Et mutentur, nisi prima facie significativi spiritualiter et causas transcendentes; utputa . . . loco sapientiae, voluntatis et gloriae, quae primo significant perfectiones proprias naturae intellectuali ponantur (302 v) instinetus, inclinado et refloritio, quoniam significant idem, quod iste auetor praetendit significare per sapientiam, voluntatem et gloriam 206 . Item, loco horum nominum: maioritas et minoritas et aequalitas, quae secundum usum loquendi philosophorum important gradus comparativos magnitudinis corporeae . . . 207 transcriptive ponantur perfectio, defectio et conmensuratio. Item, quia quaestiones sunt aequales numero, his quae vere seimus (II o Posteriorum 208 ) reducantur illae decern quaestiones ad quattuor, scilicet quid est, si est, quia est et propter quid est 209 ; utputa quaestio utrum ad quaestionem si est, quaestiones quid et de quo ad quid est, quaestio quare ad quaestionem propter quid et reliquae quaestiones interrogantes de esse in parte seu de inhaerentia accidentali, scilicet quantum, quale, quomodo, quando, ubi et cum quo, reducantur ad quaestionem quia est. Item, regulae demonstrativae quaestionum vere demonstrabilium, cuiusmodi sunt quomodo, propter quid est et quid est materialiter (?), resolvantur ad leges prineipiorum propter quid demonstrativorum, cuiusmodi sunt de omni pro se et secundum quod ipsum. Et quaestio si est, quae quaerit de esse simpliciter, quod non est demonstrabile nisi per primum prineipium (?), resolvatur ad doctrinam Philosophi VII o Metaphysicae et I o Analyticorum (?), VIII o Physicorum (? . . .)210, ubi huiusmodi quaestionem demonstrat elenchice adducendo ad im204 Heimeric führt wiederholt denselben Satz an, und zwar im selben Zusammenhang. Vgl. Disputatio, 106v 21; Colliget princ. 210r 6. 804 Vgl. Ars demonstrativa, 65 v 23: reddendo singula singulis. w * Vgl. Colliget princ., 216r 6ff., wo Heimeric ähnlich schreibt: quod nominatur in natura intellectuali scientia, vocetur in natura non cognoscitiva instinetus, et quod in illa nominatur gloria, vocetur delectatio vel refloritio usw. 207 Vgl. Colliget princ., 215v 20—21, wo Heimeric dieselbe Schwierigkeit bezüglich der Größe anführt. 208 Heimeric zitiert wiederholt denselben Satz aus Aristoteles. Vgl. z. B. Ars demonstrativa, 66v 8. 209 Auch Heimeric befaßt sich mit der Erklärung der vier Fragen im Liber Problematicus (vgl. Meersseman, Gesch. d. Alb. II, 23ff.) und in der Ars demonstrativa (66 v 15ff.). «® Vgl. etwa Met. 9 4, 1047b; Analyt. prior. A 29, 45a; Phys. Q 5, 256a.
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Die H e r k u n f t des Llullismus beim Cusanus
possibile. Quaestio vero quia est, cum sit dialéctica et analectica, investiganda est demonstrative per medium proprium, quod est effectus, signum vel correlatum et topice per varios locos dialécticos, scilicet intrinsecum, extrinsecum vel medium etc. Tali quippe facta huius Artis ad doctrinam Aristotelis reductione, ipsa nedum declarabitur in se et apud homines, sed etiam videbitur doctrinam Aristotelis mirabiliter adiuvare. Jeder, der Heimeric kennt, wird zugeben müssen, daß diese Notiz seinen Geist atmet. Sie ist außerdem in ihrer Tendenz von den anderen Lullus-Notizen des Cusanus absolut verschieden. Ihr kommt deswegen auf jeden Fall eine außerordentliche Bedeutung für die Erhellung der frühen Beziehungen des Cusanus zu Raimund Llull zu. Als Ergebnis unserer Untersuchung dürften wir also zusammenfassend sagen: Wenn sie auch keine endgültige Antwort auf die Frage nach der Herkunft des cusanischen Llullismus gibt, so hat sie doch bereits mehrere Anhaltspunkte gefunden, welche eindeutig eine Pariser Herkunft desselben bezeugen. Daß dabei Heimeric van den Velde eine vermittelnde Rolle spielte, scheint uns geistesgeschichtlich höchst naheliegend. Der Gegensatz Padua—Paris, wovon wir am Anfang sprachen, dürfte auf jeden Fall als überwunden angesehen werden.
Zweiter Teil
DIE BEGEGNUNG DES GUSANUS MIT RAIMUND LLULL Die Beziehungen des Nikolaus von Kues zu Raimund Llull sind der Nachwelt durch mehrere geschichtliche Urkunden bezeugt. Die LullusCodices der Kueser Bibliothek sind immer noch das großartigste Zeugnis sowohl für die geistige Begegnung der beiden Denker, wie auch für ihre Bedeutung hinsichtlich der Entwicklungsgeschichte des cusanischen Systems. Die erste Aufgabe einer vergleichenden Untersuchung der beiden Denker scheint uns deshalb in einem sorgfältigen Studium der Lullus-Codices der Kueser Bibliothek zu bestehen. Dabei kommen die Exzerpte aus Lullus-Schriften, die Randbemerkungen und Notizen des Cusanus zu Raimund Llull besonders in Frage. Der Gesichtspunkt dieser Untersuchung ist von Anfang an eindeutig festgelegt. Es kommt nur darauf an, das Interesse des Cusanus an Raimund Llull näher zu bestimmen. Welche llullsche Lehren und Gedanken haben den jungen Nikolaus zu Raimund Llull besonders hingezogen? Die Frage ist gar nicht so unbedeutend, wie sie vielleicht auf den ersten Blick erscheinen möchte. Von ihrer Beantwortung her kann sich nämlich dann ein fruchtbarer Weg zu einer vergleichenden Betrachtung der beiden Denksysteme anbahnen. I. DIE EXZERPTE AUS DEM LIBER CONTEMPLATIONIS Die im Cod. Cus. 83 enthaltenen Exzerpte des Cusanus aus dem Liber Contemplationis des Raimund Llull bilden das erste datierbare Zeugnis der Begegnung der beiden Denker 1 . Nikolaus hat die Zeit und den Ort dieser ersten Begegnung genau bestimmt. Es war in seinem Heimatdorf Kues am Montag nach dem Passionssonntag, dem 22. März 1428 2 . Hat Cusanus vielleicht die Bedeutung jener Stunde als Anfang eines gemeinsamen Weges mit dem berühmten Meister Raimund geahnt ? 1 E s sind neun Handschriftblätter mit einer kleinen und dichten Schrift (Cod. Cus. 83, 51r—60v). 1 E x t r a c t u m ex libris meditationum Raymundi, quod propria manu scripsit et dedit fratribus cartusiensibus Parisius per me Nicolaum Cussae 1428 inceptum feria I I post Iudica in Quadragesima. Romanum dogma super omnia nitor habere. Si tarnen hic contra respicis, oro move (61 r, 1—3).
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Die Begegnung des Cusanus mit Raimund Llull
Jedenfalls fand der junge Nikolaus im Liber Contemplationis die beste Einführung zu Raimund Llull. Die verschiedensten, fast entgegengesetzten Aspekte der Persönlichkeit des großen Katalanen werden in diesem Jugendwerk zusammengefaßt. Das Buch enthält zugleich Theologie und Mystik, tiefe Denkspekulation und frische Dichtung, inbrünstiges Gebet und demütiges Selbstbekenntnis. Es ist vor allem das Meisterwerk der llullschen mystischen Theologie, ein Werk, welches seinen Verfasser zu einem Ehrenplatz neben den hl. Bonaventura in der Geschichte der franziskanischen Mystik des Mittelalters erhoben hat 3 . Nikolaus h a t nicht das ganze umfangreiche Werk exzerpiert. Seine Notizen setzen mit dem Vorwort an (51r, 4—20). Es folgen dann die Exzerpte aus dem ersten Buch (51r 21—56 v 27), die der Kapitelfolge des llullschen Originals genau entsprechen. Die Exzerpte aus dem zweiten Buch reichen nur vom Kapitel 30 bis zum Kapitel 49 des llullschen Werkes (56v 28—59r 5). Mit den Distinctiones 31 (59v 1—60r 35) und 32 (lîOv, 1—8) des dritten Buches schließt die Exzerpierungsarbeit des Cusanus ab 4 . ' Vgl. Longpré (DTC 1131b) : Le jour où enfin K. Lulle sera connu et où l'immense synthèse du Libre de contemplaciô aura été étudiée, la théologie mystique et la critique littéraire n'hésiteront pas à le mettre a côté du prince de la théologie contemplative, saint Bonaventure: R. Lulle a pleinement droit à ce rang d'honneur. Derselbe schreibt (a. a. O. 1090b): L'œuvre entière est soulevée par des effusions d'amour et d'adoration, des appels au martyre, des sanglots de douleur au souvenir des infidèles qui se perdent, au point que, après les Confessions de S. Augustin, il n'y a pas dans la littérature chrétienne d'ouvrage aussi pathétique et aussi débordant de lyrisme. * Wir geben die Kapitelreihe der cusanischen Exzerpte nach der Überschrift des Cusanus selbst und mit der Angabe ihres Ortes in der modernen Ausgabe des Libre de contemplaciö (ORL, Mallorca 1906ff.) Prima distinetio laetitiae. Qualiter quisque gaudere debet et reeipere maximum gaudium propter hoc, quia Deus est (d. 1 c. 1, Bd. 2, 6 — 11). Qualiter homo debet gaudere propter hoc, quod ipse est in esse (d. 1 c. 2, ebd. 11—14). Qualiter quisque gaudere debet propter esse sui proximi (d. 1 c. 3, ebd. 15—18). Secunda distinetio: de infinitate divina. Qualiter est infinitus in sua essentia (d. 2 c. 4, ebd. 19—22). Qualiter probatur quod quilibet homo est finitus (d. 2 c. 5, ebd. 23 — 26). Tertia distinetio: De aeternitate divina. Quod Deus est sine prineipio (d. 3 c. 6, ebd. 27—31). Quod Deus est sine fine (d. 3 c. 7, ebd. 3 2 - 3 6 ) . Quarta distinetio: D e unitate divina. Qualiter unus solus Deus est (d. 4 c. 8, ebd. 37 — 41). Qualiter essentia divina est t a n t u m una substantia (d. 4 c. 9, ebd. 42—45). Quod omnia sunt creata ab uno creatore (d. 4 c. 10, ebd. 45 — 50). Quinta distinetio, in qua tractatur de Trinitate. Qualiter in substantia divina, quae est una, est Trinitas personarum (d. 6 c. 11, ebd. 51 — 66). Quod très personae sunt una sola substantia divina (d. 5 c. 12, ebd. 67 — 61). Qualiter divina Trinitas est unum et idem in essentia, licet plura attribuantur D e o (d. 5 c. 13, ebd. 61 — 65). Incipit sexta distinetio: De potestate divina. Qualiter D e u s est omnipotens in sua essentia (d. 6 c. 14, ebd. 66 — 70). Qualiter potestas divina operatur contra cursam naturalem (d. 6 c. 15, ebd. 70—75). Qualiter Deus habet potestatem resuscitandi corpora hominum mortuorum (d. 6 c. 16, ebd. 76—81). Qualiter Deus est potens salvare, quos vult, et damnare, quos vult (d. 6 c. 17, ebd. 81—85). Qualiter Deus est potens omnia faciendi, postquam sunt de ratione facienda (d. 6 c. 18, ebd. 85—91). Incipit septima distinetio: De scientia divina. Qualiter
I . Die Exzerpte aus dem Liber Contempla.tionis
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Die Cusanus-Exzerpte geben nicht vollständige Sätze des llullschen Originals wieder. Sie enthalten vielmehr in der Form einer freien Zusammenfassung die Hauptgedanken des llullschen Werkes. Die Eigenart des llullschen Stiles bleibt in ihnen nicht selten erhalten, wie z. B. jene bildhafte und dichterische Ursprünglichkeit der llullschen Sprache6 oder die für den Liber contemplationis charakteristische Redeform eines Selbstbekenntnisses und Zwiegespräches mit Gott*.
Deus est sciens in sua divina essentia (d. 7 c. 19, ebd. 92— 96). Qualiter Dens seit omnia et omnium qualitates (d. 7 c. 20, ebd. 97—102). Qualiter Deus seit quidquid faciunt creaturae (d. 7 c. 21, ebd. 102—107). Qualiter Deus seit quantitatem et numerum omnium rerum (d. 7 c. 22, ebd. 107—111). Incipit octava distinetio: De veritate divina. Qualiter Deus est Veritas (d. 8 c. 23, ebd. 112—116). Qualiter opus divinum consistit in veritate (d. 8 c. 24, ebd. 117—121). Qualiter Dens vult, quod Veritas sit via salvationis (d. 8 c. 26, ebd. 122—126). Qualiter vivere in gloria sempiterna est vera vita (d. 8 c. 26, ebd. 126—130). Incipit nona distinetio: De bonitate divina (d. 9 c. 27, ebd. 131 —136). Qualiter Deus est bonus in suis operibus (d.9 c.28, ebd. 136—140). Qualiter omne bonum, quod est in hu mano genere, provenit a divina bonitate (d. 9 c. 29, ebd. 141—146). Explicit primus liber. Incipit decima distinetio, in qua tractatur de creatione. Qualiter Deus creat cuncta de nihilo (d. 10 c. 30, Bd. 2 146—161). Qualiter Deus creavit materiam primordialem (d. 10 c. 31, ebd. 162—166). Qualiter Deus creavit firmamentum (d. 10 c. 32, ebd. 166—161). Qualiter Deus creavit elementa (d. 10 c. 33, ebd. 161—166). Qualiter Deus creavit metalla (d. 10 c. 34, ebd. 166—170). Qualiter Deus creavit vegetabilia (d. 10 c. 36, ebd. 170—176). Qualiter Deus creavit a n i m a l i a (d. 10 c. 36, ebd. 176—180). Qualiter Deus creavit angelos (d. 10 c. 37, ebd. 180—186). Incipit undecima distinetio, in qua tractatur de ordinatione divina. Qualiter Deus ordinavit saeculum (d. 11 c. 38, ebd. 187—192). Qualiter Deus ordinavit humanuni corpus (d. 11 c. 39, ebd. 192—197). Qualiter Deus ordinavit in homine potentiam vegetativam (d. 11 c. 40, ebd. 197—203). Qualiter Deus ordinavit in homine potentiam sensitivam (d. 11 c. 41, ebd. 203— 209). Qualiter Deus ordinavit potentiam rationalem in homine (d. 11 c. 43, ebd. 216—221 ; es fehlt Cap. 42: de imaginativa). Qualiter Deus ordinavit in homine potentiam motivam (d. 11 c. 44, ebd. 221—227). Qualiter Deus ordinavit in homine duas intentiones (d. 11 c. 46, ebd. 227—232). Qualiter Deus ordinavit hominem inter duos motus (d. 11 c. 46, ebd. 232—238). Qualiter Deus ordinavit hominem inter voluntatem et posse (d. 11 c. 47, ebd. 238 — 243). Qualiter Deus ordinavit hominem, quod homo possit praeeligere inter veritatem et falsitatem (d. 11 c. 48, ebd. 243—249). Qualiter Deus ordinavit hominem quod possit eligere bonum vel malum (d. 11 c. 49, ebd. 249—263). E x distinctione 30, quae est de subtilitate (d. 31 c. 214ff. Bd. 5 S. 383if.). E x 32 distinzione (c. 120, ebd. 666if.). 4 Man lese z. B. folgende Auszüge aus den ersten zwei Kapiteln des Liber contemplationis: Deus omnipotens, si gaudium aeeipitur de inventione lapidis pretiosi vel margaritae propter eius nitorem et proprietates et virtutes, multo fortius totum genus humanuni in tuo esse tinnissimo, quod numquam venit in privationem, laetari debet propter suam infinitatem (ölr, 22—24; vgl. LC Bd. 2, S. 7 n. 1). Deus Pater omnipotens cui omnes debent subiiei creaturae, benedicatur nomen tuum, quia dedisti esse hominibus . . . Quia video, audeo et tango et scio me de non esse in esse per te venisse, totus plenus sum gaudio. Si homines recipiunt hilaritatem, quia vident arbores floridas, prata amoena etc., fortius de suo proprio esse . . . Si bruta de suo esse laetantur, saltant etc., si aves in aere et pisces in mari, cum tarnen suam bonitatem ignorent, quanto magis homo! (61r 5 0 - 6 1 v 9; vgl. ebd. c. 2 S. U f f . n. 1 - 4 und 11). • Wir geben einige Beispiele: O Deus, conserva me in hoc gaudio, nec in iram et ignorantiam cadem cum aliis multisi (61 v, 41 f.; vgl. LC c. 3, Bd. 2 S. 18 n. 26). O ego
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C o l o m c r , Nikolaus
Kues u. Raimund Llull
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Die Begegnung des Cnsanns mit Raimnnd LJull
Fragt man nun, was den jungen Cusanus am Liber contemplationis interessiert hat, so ist eine Antwort darauf gar nicht leicht. Wie die Kapitelüberschriften zeigen, behandeln die Cusanus-Exzerpte die Gottes- und Schöpfungslehre, womit freilich eine gewisse theologische Anthropologie mitbedingt ist. Die Kapitel über die eigentliche Menschenlehre (Buch 3), den Glauben und dessen Beziehungen zur Ratio (Buch 4), die Liebe und das Gebet (Buch 5) werden von Cusanus nicht exzerpiert, wenn man zwei Distinctiones aus dem Buch 3 über den Scharfsinn und den Mut ausschließt. Die Exzerpte geben in synthetischer Form die Hauptgedanken jedes betreffenden Kapitels wieder. Dabei ist zu bemerken, daß die Cusanus-Ausführungen allmählich knapper und somit auch allgemeiner werden. Dennoch findet man bei den Cusanus-Exzerpten einige Gedankengänge, die immer wiederkehren, welche ohne Zweifel dem jungen Nikolaus auffallen mußten. Wir denken besonders an die Gegenüberstellung von Gottes Unendlichkeit und endlicher Erkenntnis und an die Lehre von der Vertauschbarkeit der göttlichen Eigenschaften. Cusanus wird nicht müde, sich den oben genannten Gegensatz zwischen Gottes Unendlichkeit und endlicher menschlicher Erkenntnis aufzuschreiben. Man lese z. B. folgende Auszüge: Deus, Pater omnipotens, cui tam excellentis virtutis et tarn mirabilis dignitatis inest virtus, quod, si esset aliquid in esse, quod posset ita velox esse et currere sicut fulgur in medio loco mundi usque ad extremum firmamenti, et quod posset discurrere per omnes sex terminos ante, retro, sursum, deorsum, dextrorsum, sinistrorsum, nullo modo posset tantum currere nec ita velociter, quod posset invenire finem tui benedicti esse. E t ideo est ita mirabile, quod intellectus humanus non potest comprehendere, quia quanto plus nititur comprehendere, tanto plus hebetatur et minus intelligit7. Unde non miror, si tunc intellectus hebetatur, cum ad intelligendam aeternitatem pervenire non possit8. Stupet mens, cum te sinefine contemplatur propter defectum nostrae intelligentiae9. Cur, Deus, homines in tua Trinitate mirantur, qui in se ipsis habent corpus, animam et spiritum, qui sunt una substantia humana? Sed hoc est ideo, quia, quando intellectus vult intelligere ultra terminum, intra quem includitur, tunc admiratur 10 . miser, qui semper finita dilexi plus quam te infinitum! (62r 61; vgl. ebd. c. 6 S. 26 n. 22). O cor, cur tot amores et desideria cogitas, cum sit unus Deus tantum ? Ideo me ludico poena dignum, cum plus me quam te Deum dilexerim! (63r 19 u. 26; vgl. ebd c. 8 S. 40 n. 20 u. 29). ' 51 v 4 7 — 5 2 r 4; vgl. LC c. 4 (Bd. 2 S. 19 n. I f f . ) . 8 62v, lOf. ; vgl. LC c. 6 (Bd. 2 S. 27 n. 6). » 62v, 34f. ; vgl. LC c. 7 (Bd. 2 S. 32 n. 7). 10 63v, 3 9 - 4 1 ; vgl. LC c. 11 (Bd. 2 S. 54 n. 22ff.).
I. Die Exzerpte aus dem Liber Contemplationis
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Deus, licet tuam essentiam sciamus, tarnen virtutes infinitas tuas comprehendere nequimus. Infinitas enim tua super nostrum intellectum est sicut oleum super aquam. Et sic, quid tua essentia in se sit, comprehendere nequimus 11 . Nicht nur in bezug auf die Gotteserkenntnis ist unser Intellekt begrenzt, sondern überhaupt. So verbindet Cusanus wiederholt mit dem obigen ausgeführten Motiv eine kritische Betrachtimg unseres Erkenntnisvermögens : Cognosco, cum intellectus meus sit terminatus, quod ultra quaerere non debet, nisi elevetur per fidem. Ideo tunc, quando nititur ultra suum terminum vere diminuitur et debilitatur in virtute sua, quia non est de sua natura transire praefixum terminum suum 12 . Et sic, quid tua essentia in se sit, comprehendere nequimus. Non mirum, quia propriam meam animam ignoro in sua essentia, quid scilicet sit 13 . 0 Deus, si scientia nobis deficit ad sciendum, quid nos simus, quomodo te sciemus ? Deus, tu solus noscis temporis qualitates, quoniam ipsum inter principium et finem inclusisti. Nos autem non sufficimus ad intelligendum unum instans . . . Posset esse vilior scientia quam ista mea? Sed tu solus omnia in causa et effectu nostis, Deus. O Deus, licet homo omnium visibilium creaturarum sit nobilissima, tamen ita parva scientia in esse rerum et in causis etiam sui mali sicut infirmitatis etc. est, quod est valde mirabile. Putat enim saepe se scire, quod ignorai. O pomposi et superbi, advertite ad stultitiam et parvitatem scientiae vestrae et vere h um ili am ini 14 ! Sicut oculus non potest excedere suam visionem per totum aerem et sicut navis intra terminos maris terminatur, ita non potest subtilitas hominis terminos decern praedicamentorum comprehendere, sed intra terminos eorum terminatur. Nemo suam propriam substantiam scire potest, quoniam plura sunt in sua propria substantia, quae nequit scire ea, quae de illa percipit et cognoscit. Ideo a fortiori minus cognoscet omnia 15 . Die Lehre von der Vertauschbarkeit der göttlichen Eigenschaften kommt auch wiederholt vor. Dabei ist auffallend, daß Nikolaus den Text aus dem Liber contemplationis im Sinne der späteren llullschen Terminologie frei zusammenfaßt oder ergänzt. Daraus läßt sich vermuten, daß Cusanus von seinem Lehrer Heimeric oder aus eigener Lektüre anderer Schriften des Raimund die spätere llullsche Lehre zur Zeit schon kannte. Wir geben einige Beispiele: 11 12 13 14 15
65r, 52r, 55r, 65r, 60r,
25-27; 38 - 40; 27; vgl. 44-51; 15-19;
vgl. vgl. LC vgl. vgl.
I.C c. 19 (Bd. 2 S. 95 n. 20i ). LC c. 6 (Bd. 2 S. 23 n. 4 - 6 ) . c. 19 (Bd. 2 S. 95 n. 21). LC c. 20 (Bd. 2 S. 98 n. 9£f ). LC c. 219 (Bd. 5 S. 424 n. 3).
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Die Begegnung des Cusanus mit Raimund LIull
Omnia attributa cum Deo uno convertuntur et omnia sunt infinita. E t per combinationis attributorum ascendet contemplator dulciter et alte 1 «. Et fac contemplationem per concordantiam cum aliis attributis divinis 17 . Contemplari eam (bonitatem) per concordantiam cum aliis attributis l 8 . Trahe contemplationem ex concordantia bonitatis, potestatis, scientiae divinae etc. 1 9 . Quia potestas et voluntas tua convertuntur, quidquid vis potes 20 . Multiplica per concordantiam dignitatum et reprehensionem peccatorum contemplationem istam per praescripta 21 . Wir fassen zusammen: Die Exzerpte aus dem Liber contemplationis zeigen den jungen Cusanus in der Haltung einer aufgeschlossenen, rein rezeptiven Aufnahme des llullschen Denkens. Eine Auseinandersetzung des Nikolaus mit dem Lullismus ist dort nicht zu finden. Eigene Bemerkungen über die von ihm exzerpierten Gedanken erlaubt sich Nikolaus nicht, es sei denn, daß er ein paar Hinweise auf andere Lullus-Schriften macht 22 . II. D I E EXZERPTENREIHE AUS VERSCHIEDENEN LULLUS-SCHRIFTEN Außer dem soeben behandelten Exzerpt aus dem Liber contemplationis enthält Cod. Cus. 83 eine für uns wertvolle Exzerptenreihe aus kleineren Lullus-Schriften 23 . Nikolaus gibt diesmal keine Zeitangabe. Die Exzerpierungsarbeit dürfte aber in die Zeit nach 1428 fallen. Die Exzerpte zeugen davon, daß Cusanus sich intensiv mit Raimund Llull beschäftigt hat. Eine Angabe über die Herkunft der Lullus-Vorlagen ist bei den Exzerpten nicht zu finden 24 . 53r, 3 2 - 3 4 ; vgl. LC c. 9 (Bd. 2 S. 42 n. l f f ). 66v, 31. 18 66r, 47. 19 56 v, 1. 2 0 56 v, 39. 2 1 56v. 41 (. 2 2 Vgl. 58r, 6 : Applica ¿IIa, quae alibi de vegetativa per eundem scribuntur in multis libris; 58 r, 18: Quaere alibi de sensitiva in multis libris. Vgl. auch 69 v, 38: E t sie maior subtilitas adquiritur ascendendo de specialibus et particularia ad universalia et itenim descendendo quam ab universalibus tantum descendendo ad particularia (LC c. 215, Bd. 5 S. 392 n. 11). Cusanus schreibt am Rande: Pro isto nota Librum de ascensu et descensu intellectus! Die Bemerkung könnte jedoch auf eine spätere Zeit zurückgehen. a Es sind insgesamt 10 Handschriftenblätter (93r —102r). Anschließend fol. 102r eine Notiz: De memoria artificiaü secundum quosdam und fol. 102v eine Zusammenstellung von Gottesnamen, darunter mehrere llullsche Grundwürden. 2 4 Cusanus beruft sich für seine Exzerpte aus dem Liber de forma Dei auf ein llullsches Autograph, dessen Herkunft aber unbekannt ist. Vgl. Anhang B, 151 Anm. 64. 16 17
II. Die Exzerptenreihe aus verschiedenen Lullus-Schriften
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Unsere Exzerpte behandeln 24 authentische und 2 wahrscheinliche, doch unbekannte Lullus-Schriften. Der Klarheit wegen geben wir ihre Überschriften mit einer kurzen Angabe ihres Inhaltes 4 5 wieder: 1. Liber de consilio (214). Ethisch-politische Schrift. Anwendung der Ars auf die Regierungskunst. 2. Ars mixtiva theologiae et philosophiae (182). Anti-averroistisch. Beweise der Trinität und der Menschwerdung. 3. Metaphysica nova et compendiosa (59). Philosophie. Über das reale Seiende. 4. Liber de intellectu (40). Philosophie. 5. De ente absoluto (144). Theologie und Apologetik. 6. De infinita et ordinata potestate (149). Theologie und Apologetik. 7. De divinis dignitatibus infinitis et benedictis (146). Theologie. 8. Liber propter bene intelligere, diligere et possificare (147). Theologie. 9. De concordantia et contrarietate (158). Theologie und Apologetik. 10. Liber de causa causalissima (?). Unbekannte Schrift. 11. Liber de locutione angelorum (124). Theologie. 12. Liber de divina unitate et pluralitate (119). Theologie. Antiaverroistischer Charakter. Beweise der Einheit und Dreieinigkeit Gottes. 13. Liber facilis scientiae (120). Theologie und Apologetik. 14. Disputatio clerici et Raimundi phantastici (223). Dialog über die Missionspläne des Raimund Llull. 15. Liber de Deo ignoto et mundo ignoto (192). Anti-averroistisch. 16. Liber de forma Dei (193). Anti-averroistisch. 17. Liber de ente quod simpliciter per se est existens et agens (197). Anti-averroistisch. 18. Consolatio venetorum et totius gentis desolatae (228). Literarisch-ethisches Werk über die geistliche Tröstung. 19. Liber de est Dei (91). Theologie. Die Gotteslehre. 20. Liber correlativorum innatorum (118). Theologie. Anwendung der Prinzipienlehre auf Gott. 21. Liber de mixtionibus principiorum (81). Theologie und Philosophie. Anwendung der Prinzipien lehre auf die Theologie, Psychologie, Kosmologie und Ethik. 22. Liber de potentia, obiecto et actu (179). Philosophie. Anwendung der Prinzipienlehre. a Die Schriftenordnung ist die der Handschrift selbst. Die in Klammern gesetzten Nummern verweisen auf den Llull-Katalog von Carreras Artau. Eine ausführliche Beschreibung der Schriften siehe unten im Anhang B.
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Die Begegnung des Cusanus mit Raimund Llull
23. Scientia inquisitiva veri et boni in omni materia(P). Neue Fassung der Ars. 24. Quaestiones attrebatenses (36). Theologie und Philosophie. 25. Liber de memoria (42). Philosophie. 26. Liber de ente reali et rationis (61). Philosophie. Die obige Schriftenreihe bildet dem Inhalt nach eine gewisse Einheit. Die Schriften sind meistens theologischen, anti-averroistischen und philosophischen Charakters. Literarisch-ethische Schriften sind nur einzeln vertreten. Rein mystische und naturwissenschaftliche Werke sind völlig ausgeschlossen. Ihrer Bedeutung wegen veröffentlichen wir die Cusanus-Exzerpte im Anhang. Wir brauchen also hier auf ihren Inhalt nicht näher einzugehen und begnügen uns mit einer zusammenfassenden Darstellung der Exzerpte hinsichtlich ihrer Berührungspunkte mit cusanischem Denken. Nikolaus Cusanus zeigt in unseren Exzerpten jene für ihn charakteristische unersättliche Wißbegier. Die verschiedensten Themen der llullschen Philosophie und Theologie kommen darin zum Vorschein. Cusanus verfolgt aufmerksam die wechselnden Formulierungen der Prinzipienlehre und ihre verschiedenen Anwendungen auf fast allen Gebieten der Philosophie und Theologie (vgl. besonders die Exzerpte aus dem Liber de consilio, Liber correlativorum innatorum, Liber de mixtionibus principiorum und Liber de potentia, obiecto et actu). Er geht ebenfalls auf diffizile Fragen der Theologie (vgl. De infinita et ordinata potestate und De locutione angelorum) und der Philosophie ein (vgl. Liber de ente reali et rationis). Weiterhin notiert er sich die llullschen Lösungen auf die Einwände des Averroes (siehe Liber de ente quod simpliciter per se est existens et agens), wie die f ü r uns primitiv anmutenden Ausführungen des Raimund über das Gedächtnis (Liber de memoria) oder eine Reihe von ethischen und religiösen Gedanken (vgl. Disputatio clerici et Raimundi phantastici und Consolatio venetorum). Noch stärker zeigt sich endlich das Interesse des Cusanus für die oft verwickelten kosmologischen Lehren des Mallorkiners (vgl. Liber de forma Dei, Liber de mixtionibus principiorum, Liber de potentia, obiecto et actu, Quaestiones attrebatenses usw.). Die meisten dieser Lehren haben keine deutliche Spur im Schrifttum des Cusanus hinterlassen. Nikolaus hat sie wohl vergessen oder nicht berücksichtigt. Hin und wieder begegnet man aber einigen Gedanken, die sich oft wiederholen. Cusanus konnte sie nicht so ohne weiteres vergessen. Auf verschlungenem Wege sind sie in sein System eingegangen. Unsere Aufgabe wird es jetzt sein, solche Gedankengänge mit der möglichen Sorgfalt herauszuarbeiten. Es ist beinahe selbstverständlich, daß bei solchen Gedanken die llullsche Prinzipienlehre den Vorrang inne hat. Sie konnte von Cusanus
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nicht umgangen werden, denn sie bildet das logisch-metaphysische Gerüst der ganzen llullschen Spekulation. Aber wir wollen nicht auf die Prinzipienlehre im allgemeinen eingehen, sondern auf drei Lehren, die mit ihr verbunden sind. Wir meinen die Lehre von den göttlichen Grundwürden und ihre Konvertibilität und die llullsche Spekulation über die Trinität und die Menschwerdung. Die Lehre von den göttlichen Grundwürden und ihrer gegenseitigen Konvertibilität kommt in unseren Auszügen mit je verschiedenen Formulierungen immer wieder vor. Wir wählen einige bezeichnende Stellen aus: Qui tarnen (Deus) esse non potest sir t suis principiis veris et necessariis, inter quae quindecim numeramus, scilicet: Unitas unissima, operatio operalissima, bonitas optima, magnitudo maxima, aeternitas aeternalissima, potestas potentissima, intellectus intellectissimus, voluntas volissima, virtus virtuosissima, Veritas verissima, gloria gloriosissima, distinctio distinctissima, concordantia concordantissima, principium principialissimum, perfectio perfectissima. Sine istis enim principiis in superlativo permanentibus et insuper convertibilibus Deus in superlativo gradu esse non posset 26 . Ita procede per omnia principia advertendo ad praescripta, quomodo omnes superlativi sunt unum et idem aequaliter, scilicet unus Deus, et convertibiliter, et quod quilibet superlativus praescriptus potest esse subiectum et praedicatum; et facias multas mixtiones et rationes concludendi divinam Trinitatem etc. 4 '. Raymundus in hoc libello facit venationem suam cum causa causalissima per dignitates divinas, scilicet bonitatem, magnitudinem etc. E t dicit: altior praedicatio, quae potest fieri de subiecto, est quod praedicatum convertatur de eo, ut Deus est prima bonitas, prima bonitas est Deus 28 . E x suppositionibus oppositis et contrariis earum intellectus facit verum iuditium de Deo et mundo. E t procedit per principia, scilicet substantiam, infinitatem, unitatem, bonitatem, magnitudinem, aeternitatem, potestatem, intellectum, voluntatem, veritatem, gloriam, simplicitatem, naturam, conversionem divinarum rationum, multiplicationem, necessitatem et aequalitatem 29 . Conversio Dei et suarum dignitatum de nullo nisi de Deo dici potest. Deus est enim forma singularis et absoluta, in quo esse et essentia convertuntur 30 . 2 6 Wir zitieren die Cusanus-Exzerpte nach unserem Text-Anhang. Exz. aus der Ars mixtiva theol. et phil., S. 133 Z. 21ff. Interessant ist es hier, daß die obige Aufzählung der Grundwürden der unitas den ersten Platz einräumt. 2 ' Ebd. S. 136 Z. I f f . 2 3 Aus Liber de causa causalissima, S. 140 Z. 19 ff. 2 9 Aus Liber de Deo ignoto et mundo ignoto, S. 146 Z. 11 ff. 3 0 Aus Liber de forma Dei, S. 146 Z. 34ff.
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Quia Deus est infinitus, in eo non est maius et minus, ergo summa aequalitas, ergo omnia attributa sunt aequalia in Deo 31 . Mixtio attributorum Dei metaphorice sive similitudinarie secundum modum intelligendi debet fieri (ita), quod unum ipsorum ponatur in aliud sive omnia in unum et e converso et hoc circulariter et debet fieri per regulas Artis. Ponendo bonitatem in magnitudinen sgnificatur, quod bonitas Dei est magna et ceteris 38 . Principia secundae figurae in Deo principaliter et perfectissime in superlativo gradu sunt et cum Deo convertuntur33. Substantialis aequalitas est in Deo secundum omnia attributa eius". In Deo attributa sicut bonitas, magnitudo etc. sunt idem numero, quia, si non, esset bonitas magna per accidens, scilicet per magnitudinem et non per se 36 . Von hier aus erklärt sich folgende Gottesbestimmung: Quid est prim um ens ? Dicendum quod est ens, in quo suae rationes de se ipsis invicem et de ipso convertibiliter praedicantur, ut quando dicitur: optimitas est maximitas et ceteris et e converso34. Zusammenfassend stellen wir fest: 1. Im Anschluß an Raimund Llull spricht Nikolaus von Kues Gott mehrere Eigenschaften (dignitates) zu, die mit ihm und untereinander identisch (unum et idem) sind. 2. Folge und Ausdruck dieser Identität ist die kreisförmige (circulariter) Vertauschbarkeit (conversio, convertuntur) der Grundwürden in Gott. 3. Hierin gründet die höchste Aussage (altior praedicatio), die man von Gott machen kann und die Gottes Wesensbestimmung ist. Nach Raimund Llull und Nikolaus von Kues kommt die Konvertibilität der Grundwürden Gott allein zu. Der Gedanke einer analogen Konvertibilität, wie wir ihn bei Heimeric fanden, bleibt völlig ausgeschlossen37. Die Vertauschbarkeit der Grundwürden erscheint hier vielmehr als die „Signatur des Göttlichen" 38 . 4. Von hier aus läßt sich der Beitrag Llulls zu theologia circularis und zum Koinzidenzgedanken des Nikolaus von Kues andeuten. Darauf wollen wir aber im dritten Teil unserer Untersuchung näher eingehen. Aus Liber de ente quod simpliciter per se est existens et agens, S. 162 Z. 18f. Aus Liber mixtionis generalium principiorum, S. 158 Z. Iff. 3 3 Aus Scientia inquisitiva veri et boni in omni materia, S. 172 Z. 28ff. 3 « Ebd. S. 174 Z. 27f. 35 Aus ßuaestiones attrebatenses, S. 176 Z. 30 ff. Aus Metaphysica nova et compendiosa, S. 137 Z. 7 ff. Die Auszüge sprechen in bezug auf das geschaffene Sein von einer mixtio impropria, keineswegs aber von einer conversio principiorum. Vgl. aus dem Liber mixtionis generalium principiorum (168' Z . l l f f . ) : E t in angelo consideramus mixtionem, licet impropriam, scilicet quod sua bonitas sit magna per magnitudinem suam et e converso. Mixtio, quae est in Deo, est suprema, quia omnia attributa sunt unum et idem, sed in angelo non sic, quia ipse est finitus et compositus ex prineipiis suis substantialibus et accidentalibus. » Vgl. Haubst, Das Bild, 68. 31
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Neben der soeben geschilderten Lehre von der Vertauschbarkeit der göttlichen Grundwürden lenkt Cusanus seine besondere Aufmerksamkeit auf die Versuche Llulls, die Dreieinigkeit Gottes und die Menschwerdung rational zu beweisen39. Die llullsche Trinitätsspekulation gründet in der Korrelativenlehre. In den Exzerpten stoßen wir immer wieder auf diese Lehre. Wir zitieren wieder einige ausgewählte Stellen: Trinitatem investigare ex praedictis sie: Deus est operatio operalissima; ergo operalissimus agit operalissime. Sed operaüssimus non potest esse sine operalissimare, neque operalissimare sine operalissimante esse posset et operalissimato; neque ista tria esse possunt extra unissimare, unissimante et unimissibili, ut unitas unissima et operatio operalissima possint esse eaedem rationes idem per essentiam ab omni otiositate separatae. Sequitur ergo quod in ipsa agentia sunt tria correlativa in superlativo gradu permanentia et aeque existentia, scilicet operalissimans unissimans, operalissimatum unissimatum, operalissimare unissimare ab utroque processum, scilicet Pater, Filius et Spiritus Sanctus 40 . Probat Trinitatem, quia bonum est dicere divinam unitatem esse infinitam de uniente, imito et uniré 41 . 39 Vgl. folgende Cusanus-Bemerkungen: Item, Raymundus in libello de ente absoluto, in qno probat divinam Trinitatem et Incarnationem, procedit per superlativos (138' Z. 3£f.); E t istud mandatum totum hominem comprehendit, et ita nullus est excusatus, quod non agat secundum posse suum, ad cognoscendum divinam Trinitatem et Incarnationem (139' Z. 16ff.). Et in illo libello per concordantiam dignitatum probat Trinitatem et Incarnationem (139' Z.29f.); In libello de concordantia et contrarietate probat Trinitatem et Incarnationem (140' Z. lf.). Es ist nicht unsere Aufgabe, den Sinn dieser Beweise und der llullschen rationes necessariae zu bestimmen. Geistesgeschichtlich gesehen, stand Raimund Llull noch im Bannkreis jenes eigentümlichen Vernunftoptimismus, der für mehrere Autoren des X I I . Jhdts. charakteristisch ist. Raimund selbst beruft sich in diesem Zusammenhang auf Anselm von Canterbury und Richard von St. Victor (vgl. Liber mirandarum demonstrationum I, c. 24, Mz Bd. 2, 7). So sind die rationes necessariae und die Beweisfreudigkeit des Raimund ein Erbe der Vergangenheit, das bei ihm wegen seines Bekehrungseifers besonders wirksam wird. Llull ist deswegen noch nicht ein Rationalist, denn der Ausgangspunkt seiner Spekulation nach dem bekannten Spruch des Anseimus: Fides quaerens intellectum ist eben der Glaube. Es ist dennoch nicht zu leugnen, daß Raimund die Beweiskraft der rationes stark überschätzt und somit sich wenigstens den Verdacht des Rationalismus zugezogen hat. Siehe über diese heikle Frage außer Longpré (DTC, 9 1122ff.) und Carreras (I 614ff.) die modernen Untersuchungen von Benito Mendia OFM, Posición adoptada por Raimundo Lulio en el problema de las relaciones entre la fe y la razón ( W IV (1946), 29 - 62, 2 2 1 - 2 6 8 ) ; Bartolomé Xiberta OC, La doctrina del Doctor iluminado Beato Ramón Lull sobre la demonstrabilidad de los dogmas, juzgada a la luz de la Historia y de la Sagrada Teología (Stud. monogr., I (1947) 6—32); S. Garcías Palou, San Anselmo de Canterbury y el Beato Ramón Llull (EL I [1957], 63—89). Eine treffliche Zusammenfassung findet man bei Stöhr, J., Die Theologie des seligen R. LuUus nach seinen Spätschriften, 91 ff. 40 Aus Ars mixtiva theol. et phil., 134' Z. 12ff. 41 Aus De divinis dignitatibus infinitis et benedictis, 139' Z. 19f.
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Arguit sic: nulla unitas potest esse in superlativo gradu cum contrarietate; divina unitas est in superlativo gradu, ergo non cum contrarietate; erit ergo cum concordantia. Sed concordantia non potest esse sine pluribus invicem distinctis et in superlativo gradu permanentibus, quae sunt haec correlativa: unissimans, unissimatum, unissimare, quae sunt distincta personaliter et uniformiter sunt una concordantia concordalissima, quae est divina essentia, substantia et natura, unus Deus. Ipsa autem correlativa divinam Trinitatem vocamus et adoramus42. Die Korrelativenlehre wird von Llullus und Cusanus auf die Prinzipien des geschaffenen Seins ausgedehnt und mit dem Verhältnis: materia, forma, actus in Verbindung gebracht 43 . So sind auch in diesem Fall die Berührungspunkte unserer Exzerpte mit der cusanischen trinitarischen Seinsauffassung deutlich sichtbar. Cusanus verfolgt ebenfalls mit großem Interesse die Lehre Llulls über die Menschwerdung. Besonders die Versuche desselben, die Menschwerdung des Sohnes aus der vollkommenen Wirksamkeit und Einheit zwischen Ursache und Wirkung rationell abzuleiten, finden beim jungen Cusanus Gefallen. Man lese z. B. folgende Auszüge: Si Deus est incarnatus unissima creatura est creata in tantum, quod unissimitas Dei non intendit creare alium mundum, postquam in uno mundo est quietata. Sed si unissimitas Dei non est quietata, ipsa recedit unum mundum post alium et sic in infinitum ; et sic unissimitas Dei tan quam causa unissima caret subiecto sive effectu et non est quietata, quod est impossibile. Ergo Incarnatio est etc. Item: Deus operalissimus causat effectum operalissimum, ut per suum effectum cognoscatur ipsum esse operalissimum. Sed hoc sine Incarnatione esse non potest. Ergo etc. Ita consequenter arguitur de omnibus principiis. Entymematice : Si Creatur creatissimus est, creatura creatissima etc. ; si Creatur unissimus creatura unissima etc. Syllogistice : Omnis Creator creans operalissime et unissime habet creaturam sive signum crea tum unissimatum et operalissimatum44. Per concordantiam dignitatum probat creaturam unam perfectissimam a Creatore uno perfectissimo posse creari, quae non potest esse nisi Deus et homo45. Exemplum probandi: nulla unitas est causa unissima cum contrarietate etc., ut superius. Est ergo una concordantia concordalissima Aus De concordantia et contrarietate, 140' Z. 2 fi. Vgl. den Auszug aus Quaestiones attrebatenses, 179' Z. 9ff. : Quia mundus est unus per unitatem Dei creatus habet unam formam constitutam ex primis principiis (scilicet), ex tivis eorum, et materìam ex bilibus et per agere generale sunt coniuncta. Vgl. auch aus Liber de mixtionibus principiorum, 159' Z. 16ff. 4 4 Aus Ars mixtiva theol. et phil., 136' Z. 23ff. 45 Aus De infinita et ordinata potestate, 139' Z. 5ff. 42
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inter divinum effectum et eius causam; qui effectus sit in superlativo, sine quo divina unitas non potest esse unissima causa etc. Sic de aliis dignitatibus etc. 48 . Dieses llullsche Motiv hat deutliche Spuren im Schrifttum des Cusanus hinterlassen 47 . Zum Schluß möchten wir noch auf zwei Berührungspunkte zwischen Raimund und Nikolaus hinweisen, die viel stärker als eine bestimmte Lehre die gesamte Grundkonzeption des Cusanus betreffen. Der Leser hat ohne Zweifel bemerkt, daß die Cusanus-Exzerpte den Superlativ benützen, wenn sie von Gott und seinen Grundwürden reden. Das führt uns zu einer grundlegenden Anschauung bei Llull, welche von Cusanus nicht unbeachtet blieb. So schreibt er im Anschluß an Llull, daß der Superlative Grad Gott allein zukomme. Demgegenüber steht die Welt im komparativen und positiven Grade. Man lese z. B. folgende Auszüge: Utitur Raymundus in isto libro terminis inusitatis et inquirit in superlativo gradu Deum verum. E t omnia alia sunt per comparativum et positivum 48 . Principia secundae figurae in Deo principaliter et perfectissime in superlativo gradu sunt et cum Deo convertuntur; in creaturis autem per viam similitudinis vel imaginis in ordine ad ipsum Deum sunt in positivo et comparativo cum principiis maioritatis et minoritatis secundum graduationem a nobilissima creatura usque (ad) vilissimam, et de quanto similior est Deo creatura, de tanta cum maioritate in ea principia resplendent etc. Sic etiam est una magnitudo maior alia ascendens ab infimo rerum usque ad infinitam magnitudinem 49 . Hier ist offenbar eine grundlegende Gott-Welt-Anschauung ausgesprochen, welche zum cusanischen Gegensatz zwischen Comparatio und Superlatio, zwischen unserer Welt des mehr und minder und Gott als Maximum absolutum dürfte beigetragen haben 5 0 . Der andere Berührungspunkt betrifft die Lehre der concordantia und differentia, die dann ein Hauptelement der cusanischen Methode sein wird. Die Exzerpte geben uns über diese Lehre und ihre Bedeutung für die Formung der cusanischen Denkmethode manchen Fingerzeig. So bestimmt Cusanus im Anschluß an De concordantia et contrarietate die Dreieinigkeit Gottes als eine „concordantia concordalissima", die als solche die differentia der drei göttlichen Personen voraussetzt 51 . Die Exzerpte aus De forma Dei behandeln den Ternar: Aus Vgl. 49 Aus 4 * Aus "> Vgl. " Vgl. M
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De concordantia et contrarietate, 140' Z. 13ff. Anhang B, 136' Anm. 18. Ars mixtiva theol. et phil., 132' Z. 23ff. Scientia inquisitiva veri et boni in omni materia, 172' Z. 28ff. Anhang B, 132' Anm. 8 und 173' Anm. 110. Anhang B, S. 140.
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differentia, concordantia, contrarietas in seiner kosmologischen Bedeutung 58 . Schließlich sind in diesem Zusammenhang die Exzerpte aus der Scientia inquisitiva veri et boni in omni materia besonders hervorzuheben, welche die llullsche Lehre von der differentia et concordantia ausführlich wiedergeben 53 . Nikolaus von Kues fand bei Raimund folgende Leitgedanken: 1. Die zwei Prinzipien: differentia und concordantia gehören notwendigerweise zueinander: 2. sie sind zugleich Seins- und Erkenntnisprinzipien und ihr Geltungsbereich umfaßt das geschaffene und das ungeschaffene Sein; 3. die genaueste und höchste Ubereinstimmimg (concordantia) innerhalb der Verschiedenheit (differentia) findet sich im dreieinigen Gott. Man könnte noch andere Berührungspunkte zwischen Llullus und Cusanus aus unseren Exzerpten herausarbeiten. Der interessierte Leser wird sie in den Anmerkungen zum Textanhang reichlich finden. Das bisher Dargelegte wird aber genügen, um eine Vorstellung von der Bedeutung der Exzerpte für die Lullus- und Cusanusforschung zu geben. III. D I E RANDBEMERKUNGEN ZU SCHRIFTEN DES RAIMUND LLULL Die Randbemerkungen des Cusanus zu den Lullus-Schriften sind sparsamer, als es bei den Schriften andererer Autoren der Fall ist 5 4 . Es fehlt auch eine ernste Auseinandersetzung des Cusanus mit Llull. Nikolaus begnügt sich gewöhnlich mit der einfachen Feststellung derjenigen Lehren und Gedanken des Raimund Llull, die sein Interesse besonders erregten. Dazu gebraucht er meistens den Ausdruck „Nota!". Nicht alle Lullus-Schriften der Kueser Bibliothek bezeugen ein gleiches Interesse des Cusanus. Eine besondere Stellung kommt in dieser Hinsicht Cod. 83 zu. Die darin ziemlich reichlich vorkommenden Randbemerkungen des Cusanus sind, was unser Ziel betrifft, die wichtigsten und aufschlußreichsten. Die Codices 37, 81, 82 und 88 nehmen, was Häufigkeit und Wichtigkeit der Randbemerkungen angeht, eine sekundäre Stellung ein. Die übrigen Codices 84, 85, 86 und 87 kommen für unser Ziel weniger in Frage 5 5 . Dasselbe gilt vom Cod. 118, dessen zahlreiche, inhaltlich meist unbedeutende Randbemerkungen zur Ars magna praedicationis des R. Llull, nicht auf Vgl. Anhang B , S. 149'. Vgl. Anhang B, S. 173' und 175'. M Man vgl. z. B. die Randbemerkungen des Cusanus zu Pseudo-Dionysius. Siehe darüber L. Baur, N. C. und Ps. Dionysius im Lichte der Zitate und Randbemerkungen des Cusanus I H S B 1941). u Die unbedeutenden Randbemerkungen, die im Cod. 85 und 87 vorkommen, lassen sich nicht mit Sicherheit auf Cusanus zurückführen. 62
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Cusanus zurückzugehen scheinen 5 *. Wir geben im Anhang die Randbemerkungen aus Cod. 37, 81, 82, 83 und 88 wieder 57 . Ein aufmerksames Studium der Randbemerkungen mitsamt den Lullus-Stellen, auf welche sie hinweisen, zeigt, daß Nikolaus an den verschiedensten Gegenständen llullschen Denkens interessiert war. Es sind nicht nur die Ars und ihre Prinzipien und Regeln, sondern zugleich sämtliche Fragen der Theologie und der Philosophie, darunter viele psychologische und kosmologische Lehren des Raimund Llull. Das sei zur allgemeinen Charakterisierung der Randbemerkungen vorausgesetzt. Dennoch stößt man auch hier, wie bereits bei den E x zerpten, auf einige Gedankengänge, welche ein besonderes Interesse des Cusanus verraten. Es sind hauptsächlich jene Lehren, die wir auch bei den Exzerpten fanden, nämlich verschiedene Fragen um die llullsche Ars und die llullsche Spekulation über die Menschwerdung. Wir brauchen nicht auf alle jene Randbemerkungen einzugehen, welche sich auf die Ars beziehen (vgl. besonders n. 27, 34, 65, 71 und 72). Wir wollen lediglich ein paar Stellen hervorheben, welche uns besonders wichtig scheinen. So weisen einige Bemerkungen zum Arbor philosophiae auf eine Regel der Ars hin, die dort auf verschiedene Weise zum Vorschein kommt (vgl. n. 43, 46, 48). Es handelt sich um eine Regel, die im llullschen Vernunftoptimismus (cognoscere = esse) gründet. Cusanus nennt sie die Wurzel der Ars (n. 46). Weit wichtiger scheint uns eine Bemerkung des Cusanus zur llullschen Lehre von dem sogenannten „punctus transcendens" (n. 45). Der llullsche Text, auf den Cusanus hinweist, enthält eine klassische Definition dieser Lehre: Punctus transcendens est instrumentum intellectus humani, per quod seu cum quo suum attingit obiectum supra naturam potentiarum, quae sunt subtus, et per quod attingit supra naturam obiectum supernum 58 . Llull unterscheidet hier zwei Transcensus. Zuerst übersteigt der intellectus die Region der sinnlichen Erkenntnis, dann übersteigt er sich selbst und nur auf diese Weise gelangt er zur Gotteserkenntnis 89 . Die Berührungspunkte dieser Lehre mit dem cusanischen Koinzidenzprinzip und der Regionentheorie in De Coniecturis 60 sind naheliegend. Daß Cusanus die Ars magna praedicationis studiert hat, wissen wir jedoch aus der Cusanus-Nachricht im Cod. Cus. 94 (vgl. Einführung, S. 1 Anm. 6) und aus zwei Zitaten. " Den Cod. 82 erhielt Cusanus, als er bereits Kardinal war, wahrscheinlich zwischen 1448—1450 (vgl. Honecker, Lullus-Hs., 268 Anm. 26). Wann und wie die übrigen Codices in den Besitz des Cusanus gekommen sind, wissen wir nicht. " Cod. Cus. 83, 157r 29ff.; vgl. Arbre de Filosofia desiderat ( O R L Bd. 17, 415). u Vgl. Declaratio Raymundi (ed. Keicher, 100). , 0 Vgl. darüber J . Koch, Die ars coniecturalis des N. v. K . ' 35ff. Siehe unten S. 76 ff.
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Besonders aufschlußreich sind die Randbemerkungen des Cusanus zur Christologie des Raimund Llull. Wir begegnen zuerst dem llullschen Motiv der göttlichen Wirksamkeit als Beweisgrund für die Menschwerdung. So bemerkt Cusanus zum Liber de obiecto finito et infinito: Nota hic! Quia Deus est causa infinita, ergo habebit effectum infinitum, scilicet Christum etc. (n. 37). Er hat damit folgende Lullus-Stelle zusammengefaßt: Divina voluntas habet obiectum infinitum, ut probatum est in tertia distinctione; et quia vult esse causa infinita, vult habere obiectum infinitum et per hoc facit se hominem infinitum 81 . Die llullsche Lehre über die Finalität der Menschwerdung steht besonders im Mittelpunkt des cusanischen Interesses. So schreibt er zum Liber de centum signis Dei: Nota hic! Mundum creatum propter Christum (n. 61). Der llullsche Text erklärt die seit 1285 klassische Lehre Llulls, nach welcher die Schöpfung auf die Menschwerdung zielt: E t per hoc habetur signum, quod finis creationis mundi non sufficeret principiationi Dei, cum sit cum quantitate, loco et tempore. Patet ergo quod oportet habere meliorem finem et altiorem, scilicet Incarnationem Dei, in qua natura divina et humana sunt coniunctae per medium, scilicet incarnare, cum quo finis creationis mundi est in tantum elevata, quod magis elevari non potest 82 . Diese zwei Randbemerkungen sind für uns außerordentlich wichtig, denn sie beweisen den Beitrag Llulls zur cusanischen Christologie. Die christologische Spekulation des Mallorkiners ist für die des Cusanus augenscheinlich grundlegend gewesen83. Besonders jene großartige kosmische Konzeption, wonach in der Menschwerdung Gottes das Ziel, die Ruhe und die höchste Vollendung des Universums besteht 64 , wurde dem jungen Cusanus von keinem anderen Denker so früh und so tief eingeprägt wie eben von Raimund Llull. IV. DIE NOTIZEN ZUR LLULLSCHEN KUNST Außer den bereits behandelten Exzerpten und Randbemerkungen besitzen wir noch eine andere wertvolle Vorlage für unsere Untersuchung in den Notizen des Cusanus zur llullschen Kunst. Die Kueser " Cod. Cus. 83, 135v, 42—136r 2. » Cod. Cus. 83, 223v 22ff. M Über die cusanische kosmologisch-christologische Spekulation siehe Haubst, Christologie, 158ff. Der Einfluß Llulls wird besonders S. 185ff. behandelt. Wir überlassen eine ausführliche Erörterung dieses Themas dem dritten Teil unserer Untersuchung. M Vgl. besonders De doct. Ign. III, 3 (H 24ff ): Apologia (H 35 14); De visione Dei c. 21 (B 202ff.); S. 16 (HSB 32 1) usw. Siehe darüber Haubst, Christologie 166ff.; Hoffmann, Das Universum 24ff.; Rotta, Nie. Cusano, 246ff.
IV. Die Notizen zur llullschen Kunst
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Codices enthalten bekanntlich vier solche eigenhändigen Cusanusnotizen. Wir haben schon dargetan®5, daß die zwei Notizen im Cod. Cus. 83, 303r und 302v zusammengehören und daß ihre Auffassung wahrscheinlich auf den Kölner Lehrer des Nikolaus, Heimeric van den Velde, zurückgeht. Es bleiben also nur die zwei Notizen im Cod. Cus. 85, 49r und 55v für unsere Aufgabe übrig 84 . Beide Notizen gehören der Schrift und dem Inhalt nach zusammen. Die Notiz I behandelt die llullsche Lehre von der bonitas mundi und vergleicht am konkreten Beispiel des Menschen das Verhältnis der allgemeinen Weltgutheit zu ihren untergeordneten Gattungs- und Artgutheiten mit demAnalogieverhältnisderEinzelgutheit zu ihren untergeordneten Teilgutheiten. Die Notiz gibt uns ein bezeichnendes Beispiel dafür, daß der junge Nikolaus den Begriffsrealismus der llullschen Kunst verstanden und mit genauer Folgerichtigkeit die logische Ordnung der Prinzipien bis in die ontische Realität hineingetragen hat. Die Notiz I I enthält eine wertvolle Darstellung des Cusanus über die Hauptgedanken der llullschen Kirnst. Sie ist nicht nur der Größe, sondern auch dem Inhalt nach weit bedeutender als die viel kürzere und auf eine Einzelfrage der llullschen Kunst beschränkte Notiz I. Beide Notizen stimmen darin überein, daß sie die Reflexion des jungen Cusanus nach einem genauen Studium der llullschen Kunst wiedergeben. Im Gegensatz zur Notiz im Cod. Cus. 83, die eine freie, nicht immer echt llullistische Weiterführung der llullschen Kunst entwickelt, bleiben unsere Notizen dem llullschen Denken durchaus treu. Der einzige neue Denkansatz, den man darin findet, ist die skotistische distinctio formalis ex natura rei, die von der Notiz I I auf die Grundwürden und Korrelativenlehre angewendet wird 67 . Wie Platzeck bereits bemerkt hat, sollte diese skotistische Wendung nicht verwundern; denn Skotismus und Llullismus waren vor allem in Spanien eng miteinander verbunden. So tritt auch derselbe skotistische Ausdruck in den früheren Drucken der Ars als Randglosse auf 88 . " Vgl. oben S. 41 f. ** Die erste Notiz (Cod. Cus. 85, 49 r) geben wir im Anhang D wieder. Die zweite Notiz (Cod. Cus. 86, 66v) hat bereits R . Haubst in seinem Werk „Das Bild usw." (Anhang C, S. 339ff.) veröffentlicht. Die Transskription von Haubst ist im allgemeinen richtig. Man soll aber anstatt in „triplo rubeo" (a. a. O. 340, 22) „in triangulo rubeo" lesen. Cusanus bezieht sich nämlich auf die Figura T der llullschen Kunst die bekanntlich aus drei in einem Kreise eingeschriebenen Dreiecken besteht. Wir nennen die beiden Notizen nach ihrem Standort im Cod. Cus. 85 Notiz I und II. •7 Vgl. Notiz I I a. a. O. 339 24—28: Bonificativum est bonificativum per bonificativitatem et cum sua bonificativitate convertitur realiter; sed distinguitur ex natura rei et formaliter; 341, 11: Paternitas a Patre formaliter distinguitur; 341 22f.: Dignitates Dei . . . distinguuntur formaliter. M Lullsche Gedanken bei N. v. K. 61; Platonische Grundgedanken in der Analogia Trinitatis des N. v. K. (Fr. Stud. 35 (1953) 43).
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Die Begegnung des Cusanus mit Raimund Lluli
Die Notizen, vor allem Notiz II, geben uns manchen Hinweis über das Verhältnis des jungen Cusanus zur llullschen Kunst. Schon in ihrem Eingangssatz bezeichnet sehr treffend Notiz II die Exemplarismuslehre als das Fundament der ganzen llullschen Kirnst: Primum fundamentum Artis est, quod omnia, quae Deus creavit et fecit, creavit et fecit ad similitudinen suarum dignitatum89. Nikolaus charakterisiert auch sehr richtig die llullschen Grundwürden ihrem ontischen Sinn nach, und zwar sowohl in ihrem ursprünglichen identischen Ansichsein bei Gott, wie auch in ihrer verschiedenen Widerspiegelung in der Schöpfung: Dignitates Dei sunt id, per quod Deus est id, quod est, sine quibus Deus non esset Deus; et cum Deo convertuntur inter se remanente qualibet hoc, quod est, inconfuse et distinguuntur formaliter, quia Deus non potest esse bonus nisi per bonitatem 70 . Sed in creaturis bonitas, magnitudo (etc.) non convertuntur, quia non esset generatio nec corruptio, et creatura esset Creator, quando vellet 71 . Die Korrelativenlehre kommt auch in Notiz II trefflich zum Vorschein und wird von Nikolaus sowohl auf das innergöttliche Trinitätsverhältnis, wie auch auf das innerweltliche Materie-, Form- und Aktverhältnis angewendet: Bonificabile dicitur Filius a bonificativo Patre, quoniam proprietas passiva non potest esse nisi ab activa . . . A proprietate activa Patris et passiva Filii spiratur tertia persona bonificare, scilicet Spiritus Sanctus, multo melius quam a potentia visiva et obiecto oritur tertia proprietas passiva, scilicet videre72. Sicut Pater in divinis est ipsamet essentia ut activa sive patemalis et Filius eadem est essentia ut passiva et Spiritus Sanctus eadem essentia ut actualis, sic bonitas creata est una essentia, in qua bonificativum est bonitas ut activa, bonificabile ut passiva, bonificare ut actualis. Ita forma sustentatur in materia sicut forma sigilli in argento, in quo est, vel in alia materia sustentatur; et actus intrinsecus est proprietas formam et materiam coniungens in tali esse, sine qua coniunctione forma non informaret nec materia informaretur73. Im Anschluß an Raimund Llull, demzufolge die dignitates principia cognoscendi et essendi zugleich sind, scheut sich Nikolaus nicht, die Prinzipien der llullschen Kunst bis in die ontische Realität hineinzutragen. Darüber ergeben uns beide Notizen I und II manches interessante Beispiel. Notiz I behandelt ja die Frage des descensus der •» Notiz II, a. a. *> Notiz II, a. a. " Notiz II, a. a. 72 Notiz II, a. a. ™ Notiz II, a. a.
O. O. O. O. O.
339, 341. 339, 341, 339,
1-3. 20-24. 22-24. 13-19. 3-12.
IV. Die Notizen zur llullschen Kunst
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bonitas als allgemeines Weltprinzip durch Gattungs-, Art- und Einzelgutheit bis in die letzte Konkretisierung als Teilgutheit: Sicut est una bonitas principium generale in ista substantia mundi et ista subalternatur descendendo usque ad speciem specialissimam, sic est una bonitas communis in quocumque subiecto producto ab ista natura universali et etiam in quocumque alio subiecto creato. Et ista bonitas sie existens in isto subiecto individuato est tamquam genus ad omnes partes specificas in ipso subiecto existentes et deinde usque ad omnes partes individuatas ipsius subiecti 74 . Notiz II unterscheidet drei bonitates: eine prima bonitas, die allgemein und substantiell ist; eine bonitas secunda, die eingeschränkt und akzidentell ist, wie z. B. die bonitas der Größe oder irgend einer anderen Grundwürde; endlich eine bonitas tertia, die noch eingeschränkter und individuell ist, wie die Gutheit des Engels, des Menschen usw.: Bonitas unius istius mundi una est per totum mundum diffusa per caelum et cuncta creata; et omnes aliae partes mundi participant de sea, sicut magnitudo capit unam eius partem, duratio aliam etc. 75 . Bonitas substantialis existens in magnitudine per totam magnitudinem influii suam similitudinem magnitudine, sicut ignis calorem aquae; et sie bonitas prima substantialis est generalis, sed bonitas magnitudinis est subalternata et contracta. Sic de bonitate virtutis. Tertia bonitas est plus contracta et est communis bonitas aggregata ex istis omnibus; quae non est prima nec secunda, sicut bonitas hominis est humana et in leone leonina. Sic quodlibet principium in triangulo rubeo consideratur : quoad principium est unum tantum sicut bonitas substantialis; quoad medium est contracta ad unum ut bonitas magnitudinis vel virtutis; quoad finem est collectio omnium bonitatum contractarum in aliis prineipiis, sicut bonitas angeli, coeli etc.; in qua bonitate angeli bonitas prima et secunda quiescunt et copulantur in unum 78 . Die exemplaristische und trinitarische Sicht des llullschen Denkens kommt auch in Notiz II zum Wort. Cusanus drückt hier zum erstenmal einige Gedanken aus, die später als Lieblingsideen seiner Predigten auftreten : A Deo uno mundus unus. Deus per suam unitatem, quae est dignitas sive perfectio, creavit unitatem mundi; et per suam Trinitatem relativa tria sive correlativa tria omnium, quae sunt etc. 77 . " Notiz I, a. a. O. S. 193' Z. 1 - 7 . " Notiz II, a. a. O. 340. 3 - 6 . Notiz II, a. a. O. 340, 14—28. Man beachte den Begriff contractio, der später eine so große Rolle im Denken des Cusanus spielen sollte. Dasselbe Wort kommt auch in den Exzerpten aus dem Liber de forma Dei vor. Siehe Anhang B, S. 150' Z. 10. 77 Notiz II, a. a. O. 341, 7—10. Vgl. auch die Exzerpte aus den Quaestiones attrebatenses, Anhang B 179' Z. 9ff. Vgl. ebenfalls Senno 8 (Cod. Cus. 220, 29r 39); Scrmo 19 (Cod. Cus. 220, 56v 38ff.; 57v 27ff ). 5
C o l o m e r , Nikolaus v. Kues u. Raimund LlulJ
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Die Begegnung des Cusanus mit Raimund Llull
Deus omnia creavit ad instar et similitudinem suam. Creavit ergo in toto universo non habendo respectum ad substantias separatas et intellectuales unam bonitatem, unam magnitudinem etc., et ista principia subalternaliter usque ad speciem specificativam, ut humana, leonina etc. E t quodlibet principiorum habet similitudinem Trinitatis 7 8 . Item omnia principia Artis contrarietate dempta substantialia sunt, quia gerunt imaginem Creatoris, qui est purissima substantia 79 . Cusanus schließt seine Überlegung über die llullsche Kunst mit folgender Bemerkung ab: Sicut Deus omnia ad suarum dignitatum similitudinem creavit, ita dedit creaturae universali virtutem et doctrinam, quod produceret omnia particularia ad suam similitudinem, et de tota se ipsa et de ómnibus suis conditionibus substantialibus et accidentalibus; et hoc ideo, ut effectus suam supremam causam repraesentaret, quia, quidquid est causa causae, est causa causati 8 0 . Alles in allem zeigen die Notizen gegenüber den Exzerpten und Randbemerkungen insofern einen Fortschritt, als sie keine bloße Wiedergabe oder Zusammenfassung llullscher Sätze, sondern vielmehr eine überlegte Darstellung des Nikolaus von Kues über die Hauptgedanken der Uullschen Kunst enthalten. Cusanus bleibt, wie gesagt, in seiner Überlegung dem Geist des llullschen Systems durchaus treu. Eine echte Auseinandersetzung mit Raimund ist daher in den Notizen nicht zu finden. Vor allem aber zeugen die Notizen von dem lebendigen Interesse des Nikolaus von Kues an der llullschen Kunst und deren Hauptgedanken, der Grundwürden- und Korrelativenlehre. Das bestätigt auch die von Cusanus eigenhändig niedergeschriebene, im Cod. Cus. 83 enthaltene Lullus-Interpretation des Heimeric. Wir sind schon im Lauf unserer Arbeit beiden Lehren oftmals begegnet. Daß sie eine bedeutende Spur im Schrifttum des Cusanus hinterlassen haben, sollte uns daher keineswegs wundern 81 . Wir haben bisher den Weg geschildert, den Cusanus, getrieben von einer unersättlichen Wißbegier, durch das Wunderland der llullschen Spekulation einige Jahre hindurch gegangen ist. Vielleicht mag manchen dieser unermüdliche Eifer, mit dem Nikolaus sich in die Denkwelt des Raimund Llull vertieft hat, etwas merkwürdig, vielleicht sogar schwärmerisch anmuten. Es war ja eine eigenartige geistige Begegnung, die sich nur aus einer geheimen Geistesverwandtschaft zwischen dem jungen vorwärtsstrebenden Studenten von Heidelberg, '» Notiz II, a. a. O. 341, 2 5 - 3 0 . " Notiz II, a. a. O. 339, 13f. M Notiz II, a. a. O. 341, 3 1 - 3 7 . 1 1 Vgl. Anhang B, 134' Anm. 13 und 137' Anm. 21. Im dritten Teil unserer Untersuchung wollen wir auf das Thema gründlicher eingehen.
IV. Die Notizen zur llullschen Kunst
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Padua und Köln und dem alten mittelalterlichen Meister erklären läßt. Für uns kommt es aber nicht darauf an, die vollzogene Begegnung zu beurteilen, sondern allein ihre Folgen in der Entwicklung des cusanischen Denkens festzustellen. Ist die Begegnung unfruchtbar geblieben oder hat sie vielmehr deutliche Spuren in der cusanischen Denkwelt hinterlassen ? Nach dem vorher Gesagten dürfte die Antwort auf solche Frage eindeutig sein. Im Laufe unserer Untersuchung haben wir bereits auf jene llullsche Lehren hingewiesen, welche für die Entwicklung des cusanischen Systems von Bedeutung erscheinen. Es sind besonders neben dem Gedanken einer Ars generalis sciendi und der symbolisch-exemplaristischen Erkenntnismethode die Lehre von den Grundwürden als Ausdruck der vertauschbaren Identität der göttlichen Eigenschaften, die Korrelativenlehre mit der damit verbundenen Trinitätsspekulation und trinitarischen Seinsauffassung und die metaphysisch-kosmologische Sicht der llullschen Christologie, welche die Menschwerdung Gottes als die Verbindungsmitte zwischen Gott und Welt und damit als die höchste Vollendung des Universums betrachtet. Solche Lehren haben dem Cusanus eine bestimmte Denkrichtung eingeprägt. Es gilt nun zu untersuchen, inwiefern sie in das cusanische System eingebaut wurden und auf welche Weise sie, zusammen mit anderen Einflüssen, das cusanische Denken zu eigenen Ideen hinführten.
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Dritter Teil
DIE SPUREN DES RAIMUND LLULL IM SCHRIFTTUM DES CUSANUS I. DIE ZITATE Nikolaus von Kues hat Raimund Llull selten zitiert. In dieser Hinsicht bleibt Llull hinter fast allen von Cusanus angeführten Autoren weit zurück, um von den damals am meisten anerkannten Autoritäten wie Augustin oder Pseudo-Dionysius gar nicht zu sprechen. Ausdrücklich nennt Nikolaus den Mallorkiner mit seinem Namen nur zweimal. Die erste Zitation mit Namensnennung findet sich in Sermo 1, von Cusanus am Dreifaltigkeitssonntag 1431 in Koblenz gehalten 1 . Sie ist auch die weit bedeutendste Lullus-Zitation, die bei Nikolaus von Kues zu treffen ist. Eine Identifizierung des Zitates ist bisher nicht gelungen. Honecker verwies auf Cap. 63 der Ars ultima 4 . Ihm folgte auch Haubst, der bereits mehrere gedankliche Zusammenhänge zwischen unserem Zitat und dem obengenannten Kapitel der Ars ultima anführt 3 . Der Cusanus bezieht sich eindeutig auf die Ars magna praedicationis, wie wir nun mit der Gegenüberstellung der beiden Texte beweisen möchten 4 . Das Zitat lautet folgendermaßen : Raimundus: Fides est habitus bonus per bonitatem datam a Deo, ut per fidem restaurentur illae veritates obiectivae, quas intellectus attingere non potest 5 . Fides est magna per magnitudinem: ideo quanto maior tanto melior 6 . Magis autem credit christianus de Deo, quia credit Deum trinum et unum, incarnatum etc. et septem Sacramenta. Sed Incarnatio et huiusmodi videntur incredulo impossibilia 7 . Intellectus 1 Vgl. Honecker, Lullus-Hs. 295. Nach Honecker wäre diese die einzige Zitation mit Namensnennung. * Honecker, ebd. » Haubst, Das Bild, 19 ff. 4 Wir geben in Fußnoten die Lullus-Stellen aus der Ars magna praedicationis (Cod. Cus. 118, 33va—34ra). Der T e x t der Predigt 1 nach dem Cusanus-Autograph (Cod. Cus. 220, 18v, 20—32). s Ad verba in der Ars magna praedicationis (33va, 1—5). * Fides est magna per magnitudinem, et quia est bona per bonitatem, sequitur quod in quanto est magis magna, quod in tanto sit magis bona (ebd. 33va, 7—10). 7 Fides christianorum est vera eo, quod est magis magna quam hoc, quod credit infidelis de Deo. Quae fides est credere unum Deum trinum in personis, incarnatum et sie de septem Sacramentis. Sed infidelis credit unum Deum et non credit Trinitatem etc. eo, quia videtur ei esse impossibile (33va, 11—18).
I. Die Zitate
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potest habere habitum fidei et seientiae et habitum fidei, ut adquirat habitum scientiae, ut dicit Isaias : Nisi credideritis, non intelligetis ; et sic catholicus plus potest intelligere de Deo quam infidelis8. Fides est virtus cum iustitia, quoniam iustum est veritates illas credere de Deo, quas intellectus attingere non potest 9 . Plus ponit fides catholica de Deo vero quam alia fides: ergo verior 10 . Fides cum spe et cantate causat delectationem 11 . Fides est habitus cum quo catholicus credit distinctionem indivinis, utpraeparet lumen intellectui, ut intellectus intelligat dare et non confuse actus divinarum rationum et per hoc intelligat agentem et agibiliem12. Fides catholica dicit Deum tantum in se posse agere quantum existere, quia apud Deum omnia possibilia; hoc fides infidelium dicit impossibile, quare Trinitatem negat 13 . Fides catholica est medium intellectui melius, ut sit illuminatus ad attingendum Dei altitudinem, sicut aer per lumen solis est illuminatus, ut virtus visiva possit videre colorem et figuram 14 . Fides est quies intellectus per credere; et est secundaria quies, quia primaria est per intelligere 15 . Altior tamen fides est quam intelligere, quia plus credit quam intelligat. Intelligere est cum labore et succesione, non autem fides 16 . Die Gegenüberstellung von beiden Texten zeigt, daß Nikolaus von Kues seine llullsche Quelle fast wörtlich übernommen hat. Cusanus schließt die Reihe der von Llull abhängigen Sätze mit einem Vergleich ab, der wiederum llullsches Gut enthält, auch wenn er in der 8 Intellectus potest habere duos habitus, videlicet habitum fidei et habitum scientiae; habitum fidei habet, ut habitum scientiae habere possit, et hoc figuratum est per Isaiam, qui dixit : Nisi credideritis, non intelligetis. Catholicus plus potest intelligere de Deo quam infidelis eo, quia plus potest credere (33 va, 35—33 vb, 4). * Fides est virtus et est virtus cum iustitia, quoniam iustum est credere veritates illas de Deo, quas intellectus attingere non potest (33 vb, 10—14). 1 0 Fides catholica est vera per veritatem et magis vera quam fides infidelium. R a t i o huius est eo, quia plus ponit de vero de Deo quam fides infidelium ratione Trinitatis, Incarnationis et Septem Sacramentorum (33 vb, 19—24). 1 1 Fides causat delectationem cum spe et cantate (33vb, 28—30). 1 8 Ad verba in der Ars praedicationis (33 vb, 34—40). 1 3 Fides catholica concordat credendo divinam bonitatem, magnitudinem etc. et habitus earum, et sie ponit, quod apud Deum sunt omnia possibilia. Sed fides infidelium hoc non facit, et ideo infidelis ponit multa impossibilia apud Deum credendo, quod Deus non potest in se agere tantum, quantum est suum existere (34a, 6—14). 14 Fides catholica est sic et multo magis medium intellectui, ut per ipsam sit illuminatus et dispositus ad agendum de Deo altitudine, sicut aer per lumen solis est illuminatus, ut virtus visiva possit videre colorem et figuram (34ra, 41—34rb, 5). 1 5 Fides est quies intellectus per credere, sed est quies secundaria eo, quia sua quies primaria est per intelligere; et in isto passu apparet, quod fides est ut sit intelligere (34b, 8—12). 1 4 Fides minor est quam scientia eo, quia credere non est tantum, quantum est intelligere; tamen fides altior est quam intellectus, quoniam plus potest homo credere quam intelligere. Ratio huius est, quoniam intelligere est cum labore et succesione, fides autem non (34 va, 13—19).
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Die Spuren des Raimund I-lull im Schrifttum des Cusanus
oben angeführten Stelle aus der Ars magna praedicationis nicht zu belegen ist: Licet fides non habeat intellectum, tarnen praecedente fide ita per intellectual fides elevatur, sicut si aqua ad oleum infundetur: tunc elevatur oleum fidei per aquam intelligentiae 17 . Die zweite Lullus-Zitation mit ausdrücklicher Namensnennung findet sich in Sermo 12 (1. November 1432—38). Nikolaus erklärt dort die dritte evangelische Glückseligkeit: Beati lugentes, quoniam ipsi consolabuntur (Math. 5, 5) und kommt zu folgender Überlegung: De fletu Petri et Mariae Magdalenae ob conmissam culpam et non praecise quia timebant perdere gloriam, sed propter offensam in infinitum Deum, vide supra in sermone Raimundi etc. 1 8 . Cusanus bezieht sich wiederum auf die Ars magna praedicationis, und zwar auf die Predigt De tertia beatitudine 19 . Die übrigen Lullus-Zitate des Cusanus nennen den Mallorkiner nicht mit seinem Namen. In der am 23. Februar 1455 von Cusanus in Brixen gehaltenen Predigt 157 führt Nikolaus an, daß ein »vir religiosus« einen sechsten Sinn namens »affatus« angenommen habe. Die Pariser und Basier Ausgaben bemerken am Rande: Remundus eremita 20 . In De venatione sapientiae spricht Cusanus von einer gewissen »ars memorativa«21. Er meint wahrscheinlicherweise eine von den Schriften Llulls über das Gedächtnis, etwa den Liber de memoria, dessen Exzerpte aus der Hand des jungen Nikolaus in Cod. Cus. 83 vorliegen22. Wichtiger ist die Anspielung auf Raimund Llull, die im Compendium vorkommt. Sie beweist, daß Nikolaus von Kues das llullsche Ideal einer Ars generalis sciendi nie völlig vergessen hat. Cusanus erörtert dort die Möglichkeit, daß ein Mensch nach langem Suchen einen zusammenfassenden Begriff finden könne, durch dessen Hilfe man Verschiedenes zugleich verstehen könne, und fügt dann hinzu: 17 Cod. Cus. 220, 19r, 1—2. Vgl. Ars ultima, pars I X , c. 63 (A 454): . . . et sie fides ascendit supra intellectum sicut oleum ascendit supra aquam. 1 8 Cod. Cus. 220, 34r, 9—10. Diese SteUe ist jedoch im Cod. Vat. lat. 1244, 17 ra mit »va-cat« versehen, als für weitere Abschriften nicht mehr bestimmt (vgl. Haubst, Christologie, 13, Anm. 24). l f Die Uullsche Quelle lautet folgendermaßen: Sic beatus Petrus, qui abnegavit Jesum Christum, et sie beata Maria Magdalena, quae peccavit per luxuriam, et sie de aliis suo modo. E t quia peccatum est magis contra Deum eo, quia Deus est ens infinitum quam contra subiectum, in quo est limitatum, debet homo magis condolere et contristari propter hoc, quod contra Deum peccavit quam propter hoc, quod peccavit contra semetipsum (Cod. Cus. 118, 183va, 17—24). 1 0 P 93v und B 507: Verbum vocale est quasi coelum, in quo ratio omnia in se habens de omnibus rebus loquitur, et in sermone omnia sunt ut in signo ligata. E t quidam vir religiosus dicebat esse sextum sensum et ipsum nominavit affatum. 1 1 Memoria in ordinem redacta de facili reminiscitur, sicut in arte memorativa in ordine Iocorum fundata patet (De ven. sap., c. 31, B 324). a Vgl. Anhang B, S. 179 ff.
I. Die Zitate
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Alius vero adhuc praecisiorem speciem, magisque fecundam reperire posset: uti ille, qui ex novem speciebus priiicipiorum speciem unam artis generalis omnium scibilium nisus est extrahere 23 . Die Anspielung auf Raimund Llull und dessen Ars generalis ist so eindeutig, daß die Pariser Ausgabe wiederum am Rande bemerkt: Remundus24. Auf Raimund Llull dürfte sich schließlich eine Stelle aus dem Briefe beziehen, den Cusanus am 11. Juni 1463 an Nikolaus Albergati schrieb. Nachdem er dort die Korrelativenlehre des Raimund Llull für seine Trinitätsdarstellung zu Hilfe nimmt, bemerkt Nikolaus dann weiter: Sed haec omnia, quae ego aut alius maioris ingenii in his cogitamus, etiamsi ad hominem loquendo aliquid similitudinis in divinis praestent, nihil tarnen ad auctoritatem addunt Evangelii, quae cunctis quae cogitali et dici possunt incomparabiliter praefertur 25 . Man sollte die zwei letzten Anspielungen auf Raimund Llull nicht übersehen. Sie wurden von Cusanus ein Jahr vor seinem Tode niedergeschrieben, und infolgedessen zeugen sie davon, daß der deutsche Kardinal den alten Meister Raimund nie völlig vergessen hat. Sie dürften deswegen einen Beitrag leisten zur Erklärung jener merkwürdigen Tatsache, daß Nikolaus von Kues nämlich so selten Raimund Llull zitiert hat. Es ist nicht zu leugnen, daß man bei Cusanus so etwas wie eine gewisse Scheu spürt, den Namen Llulls anzuführen. Die tatsächlichen Spuren des Raimund Llull im Schrifttum des Cusanus sind ungleich zahlreicher, als es die paar Zitate vermuten lassen, die wir mit aller Sorgfalt zusammengestellt haben. Dazu sind die zwei einzigen Zitationen mit ausdrücklicher Namensnennung nur bei den ersten Cusanus-Predigten (S. 1 und 12) zu finden. Die übrigen Anspielungen auf Raimund sehen immer wie irgendwie versteckt aus. Honecker erklärt solche vorsichtige Haltung des Cusanus der llullschen Lehre gegenüber von der Tatsache her, daß Nikolaus zur Kenntnis des Directorium inquisitoris des Nikolaus Eymerich kam, dessen Auszüge in Cod. Cus. 88 vorliegen26. Das Verbot der Pariser Theologischen Fakultät sowie die Feindschaft ihres Kanzlers Gerson gegen den Llullismus dürften ebenfalls bei der Zurückhaltung des Cusanus mitgespielt haben 27 . Man sollte auch beachten, wie bereits W. E. Platzeck ° Comp. c. 7 ( B 244). » P 171r. " G. v. Bredow, Das Vermächtnis d. N. v. K. ( H S B 1955, S. 46 n. 47). " Honecker, Lullus-Hs., 298. Über Nikolaus Eymerich und dessen Kampagne gegen den Lullismus siehe Carreras Artau, I I , 30ff. ; J . Carreras Artau, Una aportació a la història deis origens doctrináis de l'antilullisme (ML 3 — 3 5 ) ; Vincke, J . , Lull nnd Eymerich (ML 242—56) ; J . Roura Roca, Posición doctrinal de F r . N. Eymerich, O. P., en la polémica luliana (Monogr. del Inst, de E s t . Gerundenses, 3), Gerona 1959. " Siehe oben S. 7.
72
Die Sporen des Raimund Llull im Schrifttum des Cusanus
bemerkt, daß die Zitierungsweise des Nikolaus von Kues oft in die Irre führt. Er übergeht nämlich nicht selten die eigentlichen Quellen und gibt allein diejenigen Autoren an, die Ähnliches früher schrieben oder die im zeitgenössischen Bewußtsein eine größere Autorität genossen28. Auf jeden Fall verbieten uns die obengenannten Anspielungen, von einer gewissen Abkehr des Cusanus aus seinem jugendlichen Enthusiasmus für Llull zu sprechen. Gewiß, Nikolaus hat begreiflicherweise die erste, unüberlegte Bewunderung im Laufe der Zeit auf ein kritisches Maß zurückgeführt; nichtsdestoweniger hat er die entsprechende Hochachtung vor der geistigen und denkerischen Persönlichkeit des großen Katalanen bis ins Alter bewahrt. II. SACHLICHE ZUSAMMENHÄNGE Es ist beinahe selbstverständlich, daß die Abhängigkeitsbeziehungen des Cusanus zu Raimund Llull sich nicht auf die paar Stellen beschränken können, die wir im letzten Kapitel zusammengestellt haben. Viel wichtiger als die Zitate scheinen uns die Parallelen und gedanklichen Zusammenhänge zu sein, die zwischen Raimund Llull und Nikolaus von Kues ohne Zweifel bestehen. Bei deren Erörterung unterscheiden wir der Klarheit halber drei verschiedene Stufen: die erste betrifft besonders die Terminologie; die zweite die historisch-methodische Stellung; die dritte den Inhalt der cusanischen Philosophie. 1. T e r m i n o l o g i s c h e Übereinstimmungen Die Cusanus-Forschung hat bereits auf solche terminologischen Übereinstimmungen zwischen Raimund Llull und Nikolaus von Kues hingewiesen. Man hat z. B. bemerkt, daß Cusanus llullsche Ausdrücke, wie etwa »venatio« »elementatum«, »possificare« und andere ähnliche verbalische Formen, gebraucht hat 2 9 . Man könnte noch andere Übereinstimmungen solcher Art aufweisen. Dazu gehören z. B. der Superlativgebrauch für die Gottesbenennung 30 ; ferner die Ausdrücke »mixtum«31, »elementativa«32, »correlativa innata«33 und der Ternar »potentia, obiectum, actus«34. Es kommen auch Ubereinstimmungen in der Überschrift einzelner Werke vor. So verweisen die cusanischen Schriften über die Kreisquadratur: De quadratura circuli I und I I und Caesarea quadratura circuli auf das gleichnamige Werk Llulls Platzeck, Lullsche Gedanken, 364. Vgl. Vansteenberghe, Le Cardinal N. d. C., 418; Rotta, II Cardinale N. d. C., 249; Carreras II, 183. 3 0 Anhang B, Anm. 9. 31 Vgl. Anhang B, Anm. 95. 3 2 Vgl. Anhang B, Anm. 55. 33 Vgl. Anhang B, Anm. 85. 34 Vgl. Anm. B , Anm. 100. 28 24
I I . Sachliche Zusammenhänge
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De quadratura et triangulatura circuli 35 . Ebenfalls erinnert uns die cusanische Schrift De venatione sapientiae an die ähnlichen Überschriften bei Llull De venatione medii inter subiectum et praedicatum und De venatione substantiae et accidentis. Schließlich dürfte auch die von Cusanus einmal erwähnte Schrift Libellus inquisitionis veri et boni in Zusammenhang mit dem Liber inquisitionis veri et boni in omni materia stehen 38 . Solche und andere terminologische Übereinstimmungen, die man noch aufzählen könnte, führen — mögen sie auch als auffallend erscheinen — dennoch nicht zum eigentlichen Kern der Denkbeziehungen zwischen unseren beiden Denkern. Wir sind also angewiesen auf die viel wichtigeren historisch-methodischen und inhaltlichen Zusammenhänge zwischen Cusanus und Lullus, die wir nun zu erörtern haben. 2. H i s t o r i s c h - m e t h o d i s c h e
Parallele
Die Denksysteme des Raimund Llull und des Nikolaus von Kues stehen im Bannkreis jener christlich-neuplatonischen Tradition, die, aus Plato und Plotin herkommend, durch zwei verschiedene Wege, nämlich einerseits über Porphyrius und Augustin, andererseits über Proklos und Pseudo-Dionysius Areopagita, das lateinische Mittelalter durchzieht37. Der Zusammenhang des cusanischen Denkens mit der neuplatonischen Geistesströmung wurde von der Cusanus-Forschung mehrmals unterstrichen 38 . Dies in bezug auf Llull getan zu haben ist ein Verdienst der jüngeren Forschung von E. W. Platzeck über die Vorgeschichte der llullschen Kunst 8 9 . Von diesem gemeinsamen Siehe darüber Jos. E. Hoimann, R . Lulls Kreisquadratur ( H S B 1942). Vgl. Conc. cath. I 12 (H 15f.). Siehe darüber Honecker, R . Lulls Wahlvorschlag. 573 Anm. 31. 3S 34
Vgl. J . Koch, Piatonismus im Mittelalter, 16. Wir verweisen auf die Arbeiten von E . Hoffmann, der allerdings den »genuinen« Piatonismus des Cusanus weit überschätzt hat, und besonders auf J . Hommes, Die philos. Grundlehren des N. v. K. über Gott und das Verhältnis zur Welt (München 1926) und D. Mahnke, Unendliche Sphäre und Allmittelpunkt (Halle 1937, 77ff.), die den Zusammenhang des cusanischen Denkens mit dem antiken und mittelalterlichen Neuplatonismus dargelegt haben. J . Koch, Die Ars coniecturalis des N. v. K . , hat auch die Bedeutung der neuplatonischen Einheitsmetaphysik für die Schrift De coniecturis hervorgehoben. Man vgl. auch die Einzeluntersuchungen von L. Baur, Nik. Cusanus und Pseudo-Dionysius ( H S B 1941) und R . Klibanskv, Ein Proklosfund und seine Bedeutung ( H S B 1929). 3 8 Siehe die oft genannten Artikel: Die lullsche Komb, und La figura A del Arte luliano. Die Llull-Forschung hatte bereits den Zusammenhang des llullschen Denkens mit der augustinisch-franziskanischen Richtung unterstrichen. So schreibt Longpré: »Dans l'ensemble de sa philosophie R. Lulle souscrit aux thèses fondamentales de l'augustinisme médiéval et se meut dans le sillage de saint Anselme, des victorins et de saint Bonaventura« (DTC 9, 1, 1114a). Man vgl. auch J . Propst, Caractère et origine des idées du b. R . L., S. 258 und Carreras Artau I, 268ff.; 461ff. ; 4 9 5 f f . ; 480ff und 514ff., wo die Verfasser die Abhängigkeit Llulls gegenüber R . von St. Victor, 37
38
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Die Spuren des Raimund Llull im Schrifttum des Cusanus
geistesgeschichtlichen Boden her, woraus beide Denksysteme hervorgegangen sind, möchten wir nun eine Reihe von methodischen Parallelen beleuchten, die zwischen Raimund Llull und Nikolaus von Kues zu bestehen scheinen. a) Glauben und Wissen
Der christlich-mittelalterliche Neuplatonismus nimmt bezüglich des Verhältnisses von Glauben und Wissen eine grundlegende Haltung ein, die im augustinisch-anselmischen »Credo ut intelligam« besonders zum Ausdruck kommt. Dies gilt auch für die Denkweise des Raimund Llull und Nikolaus von Kues: sie setzt den christlichen Glauben voraus. Zwischen Glauben und Wissen ist der Glaube nicht nur das Höhere, er ist auch der Anfang des Wissens. Hierzu gehört das Isaiaszitat, das Raimund und Nikolaus oftmals anführen: »Nisi credideritis, non intelligetis« (Is. 7, 9). Daß neben der gemeinsamen augustinischanselmischen Geistesrichtung auch ein direkter Einfluß des Raimund Llull zur Ausbildung der cusanischen Glaubenslehre beigetragen habe, davon gibt Sermo 1 mit dem oben angeführten Lullus-Zitat ein deutliches Zeugnis. Als Kennwort der dort von Cusanus übernommenen llullschen Glaubenskonzeption gilt das soeben angedeutete Isaiaszitat: Der Glaube geht dem Wissen voran. Er übersteigt die bescheidenen Grenzen des Wissens als ein Licht, das von oben kommt und den menschlichen Verstand zu jenen Wahrheiten über Gott hinführt, die er allein nicht erkennen kann. Dennoch liegt nicht in der Glaubensüberzeugung das vollständige Ziel des Intellektes. Wenn er also nur im Glauben zur Ruhe kommt, so ist dies eine »secundaria quies«, denn die endgültige Befriedigung des Intellektes liegt allein in der Einsicht. Cusanus schließt dann mit einer Gegenüberstellung von Glauben und Wissen ab, die den Vorrang des Glaubens hervorhebt: Der Glaube umfaßt mehr Wahrheiten als das Wissen; der Glaube ist leichter als das Wissen; der Glaube ist, wie das ö l im Wasser, das jeweils Höhere und wird von der Glaubenseinsicht selbst nicht überflügelt40. der Franziskanerschule und Anselm von Canterbury behandeln. Dazu kommt noch bei Llull der Einfluß der Araber, besonders AI Ghazzalis. Siehe darüber Asfn Palacios, Mohidin in: Homenaje a Menindez y Pelayo, Bd. 2, Madrid 1899, 217—256; derselbe, Ab6n Massarra y su escuela, Madrid 1914, 123—126 und 155—164; J . Ribera, Origenes de la Filosofia de R . L. in: Homenaje usw. a. a. O. 191—217; J . Keicher, Raymundus Lullus und seine Stellung zur arabischen Philosophie (BGPhM 7, 4—5, 1909, S. 95ff.) nimmt in dieser Hinsicht eine abwägendere Stellungnahme als die oben erwähnten spanischen Arabisten, welche die Abhängigkeit Llulls vom Islam zu stark hervorgehoben haben. 4 0 Cod. Cus. 220, 1 8 v 20ff. Vgl. auch die Exzerpte aus der Disputatio clerici et Raymundi, Anhang B , S. 143 Z. 17 ff. Keicher hat die Haltung Llulls bezüglich der Beziehungen von Glauben und Wissen sehr treffend charakterisiert: ». . . Was Rai-
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Die llullsche Fides-Lehre, wie sie in Sermo 1 vorliegt, wird dann von Nikolaus wiederholt. Sermo 32 betont wiederum die Vorrangstellung des Glaubens vor dem Wissen: Ante omnem perceptionem praecedit fides, neque intellectus noster percipit, nisi fides motus sit ad aprehensionem, sicut scribitur: Nisi credideritis, non intelligetis 41 . Predigt 186 übernimmt das llullsche Bild von dem öl, das im Wasser obenauf schwimmt, um damit das Obergewicht des Glaubens über die Glaubenseinsicht selbst zu erklären: Fides ita ratione in altum ducitur sicut oleum in vase per aquae impositionem: aqua quidem elevat, supernatat vero oleum. Non fit fides minor per rationes, sed altior 42 . Wir finden noch Spuren von der llullschen Fides-Lehre in der Docta Ignorantia und in De Filiatione Dei. Wenn Nikolaus in De docta Ignorantia unter dem Motto »fidem esse initium intellectus« schreibt: »Omnem enim ascendere volentem ad doctrinam credere necesse est his, sine quibus ascendere nequit. Ait enim Isaias: ,Nisi credideritis, non intelligetis' . . . . Dirigitur igitur intellectus per fidem, et fides per intellectum extenditur. Ubi igitur non est sana fides, nullus est verus intellectus« 43 ; und in de Filiatione Dei: »Nihil enim sine fide attingitur, quae primo in itinere viatorem collocat. In tantum igitur nostra vis animae potest sursum ad perfectionem intellectus ascendere, quantum ipsa credit« 44 ; so stimmt diese Einsicht mit der des Raimund Llull überein: »Isaias sagte, daß man nicht verstehen kann, wenn man nicht glaubt. Der Glaube ist also das Licht des Intellektes« 45 . b) Die Methode des Aufstiegs und Abstiegs
Die Philosophie des Raimund Llull und Nikolaus von Kues ist eine Metaphysik von oben. Für sie gilt, was der junge Cusanus im Anschluß an die Scientia inquisitiva veri et boni in omni materia schrieb: »Sicut primum ens est mensura cuiuslibet entis, ita et prima veritas est mensura omnis veritatis« 4S. Gott ist für unsere Denker das oberste mund also anstrebt, das ist durchaus nicht eine Verdrängung des Glaubens durch die Vernunft; aber ebensowenig soll auch die Vernunft vom Glauben verdrängt werden, sondern beide sollen sich gegenseitig durchdringen und zu einem ganzen organisch verbinden, ohne daß die Selbständigkeit beider aufgehoben wird« (Die Stellung, 66). 41 Excit. lib. IV (B 463). « Excit. üb. VI (B 544). « De doct. Ign. III, 11 (H 151, 26—152, 6). ** Fil. Dei (H 4 1 , 1 - 3 ) . 45 Arbre de Sciencia, Del arbre apostolical V, 4 (ORL, Bd. 12, 25): ... e per a dix Ysayas que no pot hom entendre, si no creu. Es, doncs, creen9a lum d'enteniment. Das Werk hat auch eine lateinische Fassung. Ausgaben: Barcelona 1482, 1505 und Lyon 1515, 1605, 1635, 1637. Sie sind jedoch nicht leicht zu haben. " Vgl. Anhang B. S. 176 Z. 10 f.
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Seins- und Wahrheitsprinzip zugleich, echter Grundstein des ganzen Denkgebäudes, Anfang, Mitte und Ende ihres ganzen Philosophierens47. Ein solches Denken gründet natürlicherweise im exemplaristischen Teilhabegedanken des christlichen Neuplatonismus. Sehr treffend hat Nikolaus selbst das ganze Fundament der llullschen Kunst darin gesehen, daß Gott alles kontingente Sein nach seinem Bild und Gleichnis schuf48. Dies gilt aber ebensosehr vom cusanischen Denken selbst 49 . Cusanus ist hierin, wie Llull selbst, Erbe einer alten Tradition der christlichen Weltschau, die in der Gottinnigkeit eines hl. Bonaventura ihren Gipfel fand. Im Rahmen des exemplaristischen Teilhabegedankens entwickelt nun Raimund Llull eine Methode des intellektuellen Auf- und Abstiegs, die gewisse Zusammenhänge mit einer ähnlichen Methode bei Cusanus aufzeigt50. Raimund entwickelt seine Aufstiegsmethode in Zusammenhang mit der Lehre der sogenannten »transzendenten Punkte«51. Der Aufstieg zu Gott geschieht durch einen doppelten 47 Die Existenz Gottes wird für Raimund und Nikolaus k a u m je zum Problem. Beide Denker nehmen fraglos den allgemein menschlichen Glauben an Gott als wahr. Die llullsche Kunst setzt den Gottesbegriff der drei großen mittelländischen Religionen voraus (siehe Platzeck, Die lullsche Kombinatorik, I, 59). Cusanus appelliert auch seinerseits in der Docta Ignorantia an den allgemeinen Glauben der Menschheit (De doct. Ign. I, 7, H 14, 24). Dementsprechend spielen die Gottesbeweise bei Cusanus und Lullus keine wesentliche Rolle. Man findet wohl in ihrem Schrifttum Ausführungen, die eine gewisse Art von argumentum a posteriori entwickeln (vgl. Llull, LC c. 169 n. 29—30; c. 176; c. 178 n. 4, 6; c. 227 n. 17—18 in: ORL, Bd. 5; De doct. Ign. I, 5, H 12; I, 6 H 13—14; De ven. sap. c. 2 u. 3, B. 300). Sie bevorzugen jedoch eine eigene Art des ontologischen Gottesbeweises (vgl. Art demonstrativa, Del prölec. Obres Bd. 16, 4; De doct. Ign. I, 6 H 14 1—6; Quomodo intelligi potest Maximum non esse posse, cum minimum esse sit maximum esse?; De possest B 255: Quomodo posset non esse, cum non esse in ipso sit ipsum ? In De Coniecturis hält Cusanus jede Frage über Gott für sinnlos, weil sie das Gefragte, d. h. Gott, schon voraussetzt (vgl. De coniec. I, 7, B 79). 49 Vgl. Notiz des Cusanus zur llullschen Kunst im Cod. Cus. 83 (Haubst, Das Bild, Anhang C, 339, 1—3). Siehe auch Comp, artis demonstr. d. 2, p. 1 (Mz Bd. 3, 74): Quaelibet creatura secundum magis et minus sui summi artificis portat Signum. 4 * Vgl. Conc. cath. I, 2 (H 37, 6): Trinitatis figuram gestant cuncta creata; De doct. Ign. II, Prolog. (H 59); ebd. II, 4 (H 72—73); De filiat. Dei (B 121—122); Idiota de sap. I (H 12, 1—3) usw. Das Thema der Widerspiegelung Gottes in der Welt wird besonders von den Cusanus-Predigten aufgegriffen. Vgl. z. B. Sermo 1 (Cod. Cus. 220, 18v 42): Relucet in creaturis vestigium Trinitatis; Sermo 10 (Cod. Cus. 220, 51 v 13): E s t mundus sensibilis quasi liber Dei digito scriptus; Sermo 18 (HSB 48 n. 19): Also hait eyn ytlich dinck das dae is, eyn bild goedes und der heiligen driualt in yme, durch welch bilde das dinck is; Sermo 19 (Cod. Cus. 220, 57 v 37f.): Gerit intra se omne creatum imaginem Trinitatis. 60 Llull h a t diese Methode des Auf- und Abstiegs, der Hinführung zum göttlichen Erstprinzip und der Herabführung vom Erstprinzip zur Welt in der Schrift De ascensu et descensu intellectus (Carreras I, 246 n. 48) besonders zur Darstellung gebracht. Cusanus besaß diese Schrift (vgl. Cod. Cus. 83, 229 r—273 v). " Vgl. Ars inventiva, reg. 8 (Mz Bd. 5, 47 b): Causatur punctus transcendens ex excessu, quem alia potentiarum hominis habet supra aliam, a u t aliquando supra
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transcensus. Llull geht von dem Standpunkt aus, daß die Sinnes- und Phantasieerkenntnis keine gültige Grundlage der Wissenschaft bilden kann. Sie bleibt an die obiecta sensibilia und imaginabilia verhaftet und vermag keineswegs, sie zu überschreiten52. Dies tut eben der Intellekt, indem er durch einen ersten transcensus die Sinnes- und Phantasieerkenntnis überschreitet und so zu den obiecta intelligibilia gelangt 58 . E r ist deswegen noch nicht zur letzten Wahrheit aufgestiegen. Nur durch einen zweiten Transcensus vermag der Intellekt sich selbst zu überschreiten und die ewige Wahrheit geistig zu berühren, und dann versteht er erst, daß diejenigen Begriffe, die ihm auf der Ebene der rein verstandesmäßigen Erkenntnis als entgegengesetzt erschienen, sich in Gott zur völligen Identität erheben, weil sie vom göttlichen Wesen nur im absoluten Superlativ ausgesprochen werden dürfen54. seipsam eo, quod confluentes ad obiectum quaelibet secundum propriam rationem attingunt inaequaliter ipsius obietti realitatcm, ita quod de natura cuiuslibet earum est ultra quantitatem suam attingendi negare. Itaque negat id, quod alia potentia per excessum attingit supra illam. Die Ars inventiva findet sich im Cod. Cus. 87, 3 r—99 v. Vgl. auch Arbre de filosofia desiderat (ORL Bd. 17, 415) : Punt transendent és estrument del human enteniment ab lo qual ateyn son object sobre les natures de les potències que estan depüs, e ateyn sobre natura lo subirà object. Cusanus kannte diese Stelle sehr wohl. (Vgl. Anhang C, n. 45.) 6 2 Innerhalb des Gebietes der Wissenschaft wird die Erkenntnis um so wahrer, je mehr sich der Intellekt »supra sensum et imaginationem« erhebt. Deswegen ist der ständige Vorwurf, den Raimund gegen Averroes einwendet, daß er über spekulative Probleme »secundum sensum et imaginationem« entscheide (vgl. Keicher, Raymundus Lullus und seine Stellung zur arabischen Philosophie, S. 74 u. 82). M Vgl. Declaratio Raymundi (Ed. Keicher, 99, 26—31) : Oportet etiam considerare in hac nostra disputatione unum alium modum, qui est secundum octavam regulam artis inventivae, quae est de punctis transcendentibus, videlicet quod intellectus per suam virtutem transcendat ad intelligendum rerum veritates, qua« potentiae quae sub ipsa sunt attingere non possunt. M Vgl. Declaratio Ramundi (Ed. Keicher, 100, 16—101, 4) : Est et alius modus punctorum transcendentium, videlicet cum intellectus mediante gratia Dei supra seipsum transcendit et in se ipso veritatem primae causae et eius operationem attingit, quam tarnen in se ipso, videlicet in sua natura, intelligere non potest, veluti quando intellectus coniunctus considerai, quod Deus diligit hominem iustum, sed quando ipse peccatum facit, Deus ipsum non diligit; unde intellectui videtur, quod operationes illius hominis, quae in uno tempore sunt bonae et in alio malae, divinam mutant voluntatem in hoc, quod ipsa unum et eundem hominem diligit in uno tempore et in alio non ; et sic intellectus implicat contradictionem affirmans, quod divina voluntas est inmutabilis, quia est aeterna, et est mutabilis, quia diligit unum et eundem hominem in uno tempore et non in alio . . . Unde intellectus motus a contradictione praedicta et a simili supra suam naturam transcendit ad intelligendum inmutabilitatem summae voluntatis, quamvis in uno tempore unum et eundem hominem diligit et in alio tempore non. Vgl. auch Ars inventiva (Mz Bd. 5 60a) : Est autem hic punctus super intellectum summe transcendens. Causantur ex hoc multa puncta transcendentia, nam in hoc, quod intellectus secundum rationem sui non potest attingere simul et semel aliam dignitatum esse in aliam et earum conversionem, facit ideo contradictionem aliquoties inter eas. Sicut patet cum quaeritur, utrum potestas possit facere id, quod sapientia
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Durch die zwei transzendenten Punkte scheidet also Raimund drei Objektsbereiche ab: den sinnenhaft-phantasiebezogenen, den geistigen, den göttlichen 55 . Dieser dreifachen Objektgliederung entsprechen auch die Stufen des Eigenschaftswortes in der Sprache: Grundstufe, Komparativ und Superlativ und die drei logischen Beweisformen: das Argument quia, propter quid und per aequiparantiam. Wenn z. B . die Objekte der Sinnenwelt groß, gut usw. sind, so sind jene der geistigen Welt größer und besser. Gott aber ist jedem Geschöpf gegenüber absolut der beste und der größte. Für den Sinnenbereich gilt nun das argumentum quia; für den geistigen Bereich das argumentum propter quid. Gott allein kommt das argumentum per aequiparantiam zu, welches in der vertauschbaren Identität der göttlichen Grundwürden gegründet wird 56 . Diese letzte Beweisform, deren symbolischer Ausdruck die Figur A der llullschen Kunst ist und die darin besteht, Gott mit jeder seiner Eigenschaften wie auch die Eigenschaften selbst kreisförmig zu konvertieren, ist zugleich ein logisches Verfahren und eine Methode zur geistigen Beschauung. Llull hatte zwei Seelen in einer Brust. So begegnet man in seinem Schrifttum einerseits dem Scholastiker und Polemiker, der aus Glaubenseifer unermüdlich gegen Ungläubige und Averroisten die Waffen des Syllogismus und des logischen Schlusses führt, andererseits aber dem Mystiker, der schweigend das unergründliche Geheimnis Gottes anbetet. Dem Verstand gehört wohl die Hinführung zu Gott 5 7 . Dann aber tritt er zurück zugunsten der Liebe. In jener lichtvollen Wolke des Libre de Amic e Amat schweigt der Disputierende, während der liebende Raimund mit unaussprechlichem Seufzen zu seinem Gott redet 58 . Am Ende der Philosophie öffnet sich für Raimund die Tür der Mystik. Vergleichen wir nun rückschauend den soeben geschilderten transcensus bei Raimund Llull mit der Aufstiegsmethode des Cusanus in seit non posse fieri, aut utrum sapientia sciat aliquid, quod potestas non potest facere . . ., quia tunc intellectus facit distinetionem, ubi non est distinetio nec advertit ad conversionem divinarum dignitatum; ebd. 6 1 a : E t sie intellectus attingit Deum inalterabilem alteratum . . . Oder: Transcendit autem hic intellectus se ipsum attingens ratione rei finem inalterabilem alterabilem sine contradictione. Die Überwindung der rationalen Gegensätze geschieht bei Llull im Lichte des Glaubens und führt ihn zu einer kritischen Beschränkung der rein verstandesmäßigen Erkenntnis. An der Gültigkeit des Satzes des Widerspruchs hat Raimund nie gezweifelt. Vgl. Ars inventiva (Mz Bd. 5 53b) . . . E t ex parte realitatis impossibilis est contradictio, quamvis esse possit in ratione intellectus. " Mit Recht weist Platzeck darauf hin, daß diese dreifache Stufung Allgemeingut der vom Neuplatonismus her beeinflußten Scholastik sei (Die lullsche Kombinatorik, I, 52 Anm. 49). Vgl. Platzeck, Die lullsche Kombinatorik, I, 50 ff.; derselbe, La figura T del arte luliano, 44 u. 82—83. « Vgl. Libre de Amic e Amat, n. 19 (ORL Bd. 9, 382). 4 8 Vgl. Libre de Amic e Amat, n. 123 (ORL Bd. 9, 396).
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der Docta Ignorantia. Nikolaus veranschaulicht seinen Gedanken durch geometrische Symbole. Aus einer gegebenen Geraden entfalten sich Dreieck, Kreis und Kugel. Auf der Ebene der sinnenhaft-phantasiebezogenen und verstandesmäßigen Erkenntnis scheint es uns durchaus unmöglich, daß die Gerade Dreieck, Kreis und Kugel sein kann59. Cusanus fordert deswegen von uns einen doppelten transcensus über die endlich sinnenhaft-verstandesmäßige Gerade hinweg zu der unendlichen intelligiblen Geraden, die zugleich Dreieck, Kreis und Kugel ist. Von da aus bewegt sich schließlich der Intellekt in einem dritten Schritt zum unendlichen Gott, in dem alle Gegensätze zusammenfallen40. Mit diesem dritten Schritt vollendet sich der Aufstieg. Das Hauptgewicht der Methode liegt offenbar im zweiten Schritt: gerade im Vergehen von sensus und imaginatio und der mit ihnen gebundenen ratio öffnet sich für den intellectus der Gedanke des Unendlichen, zuerst im zweiten Schritt in der Form einer unendlichen Figur, dann im dritten Schritt in der unbegreiflichen Sicht der Unendlichkeit Gottes selbst41. Trotz aller Verschiedenheit des Gesichtspunktes und der Durchführung spürt man jedoch bei beiden Aufstiegsmethoden dasselbe Anliegen eines transcensus der sinnenhaft-phantasiebezogenen und verstandesmäßigen Erkenntnis42. Die Aufstiegsmethode des Cusanus ist *• Vgl. De Doct. Ign. I, 14 (H 27, 23—25): Imaginativa, quae genus sensibilium non transcendit, non capit lineam posse triangulum esse, cum improportionabiliter ista in quantis diflerant. Erit tarnen apud intellectum hoc facile; ebd. 10 (H 20,11—13): Hinc constat, quomodo evoraere omnia imaginabilia et rationabilia necesse est philosophiam, quae unitatem maximum non nisi trinam simplicissima intellectione voluerit comprehendere. " Vgl. De doct. Ign. I, 12 (H 24, 16—23): Nam cum omnia mathematicalia sint finita et aliter etiam imaginari nequeant: si finitis uti pro exemplo voluerimus ad maximum simpliciter ascendendi, primo necesse est figuras mathematicas finitas considerare cum suis passionibus et rationibus, et ipsas rationes correspondenter ad infinitas tales figuras transferre, post haec tertio adhuc altius ipsas rationes infinitarum figurarum transsumere ad infinitum Simplex absolutissimum etiam ab omni figura; ebd. 10 (H. 20, 4—8): Sed ipsum (maximum) super omnia illa est, ita quod illa, quae aut per sensum aut imaginationem aut rationem cum materialibu9 apendiciis attinguntur, necessario evomere oporteat, ut ad simplicissimam et abstractissimam intelligentiam perveniamus, ubi omnia sunt unum. n Vgl. K. H. Volkmann-Schluck, Nicolaus Cusanus, 28ff. Volkmann-Schluck sieht die Schritte 2 und 3 als zwei Phasen eines einheitlichen Vorgangs. »Das Unendlichsetzen der begrenzten Figur und das Aufgehen des Unendlichen geschieht in eins und zumal, wenn andere darin die imaginatio und die ratio vergehen« (S. 31). Die Notwendigkeit eines transcensus des sensus und der imaginatio für das theologische Denken hat Cusanus in der Exzerptenreihe «Argumenta Averroys contra fidei articulos soluta per Raymundum in libro praetacto« oftmals unterstrichen. Er schreibt z. B.: »Solum. cum sensitiva et imaginativa hoc dicunt non probando; sed cum intellectiva potentia concluditur contra eos, ut ex multis locis manifestum est« (vgl. Anhang B, 163,8 ff.); oder »Solutio: verum per imaginationem et sensationem secundum cursum naturae, secus autem per intellectionem secundum potentiam Dei«
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jedoch viel feiner und ausgearbeiteter als die des Raimund Llull. Cusanus unterscheidet zwischen Verstand (ratio) und Vernunft (intellectus). Dies kennt eben Llull nicht und spricht anstatt dessen von einem transcensus des intellectus selbst. Das Wichtige liegt aber darin, daß sowohl für Nikolaus wie auch für Raimund der intellectus nach seinem doppelten transcensus eine neue Sicht gewinnt, in der die früheren Gegensätze als überwunden erscheinen. Für Llull bedeutet solche Überwindung der rationalen Gegensätze den Eintritt in die Mystik. An eine Beschränkung des Satzes des Widerspruches hat er nie gedacht. Cusanus dagegen sieht darin das Vergehen des Satzes des Widerspruchs, der damit auf die Weise des rationalen Vorstellens beschränkt wird, und das Aufgehen seines neuen Grundsatzes, daß Gott als Koinzidenz der Gegensätze zu denken sei83. Da aber in der koinzidentiellen Sicht jeder rationale Begriff aufhört, um dem überrationalen Sehen Platz zu machen 84 , bedeutet sie zugleich nach einer ausdrücklichen Aussage des Cusanus »den Anfang des Aufstiegs in die mystische Theologie«85. So ist der Parallelismus zwischen Cusanus (ebd. 164, 10ff.). Vgl. auch Anhang C, n. 34 und n. 38 mit Antn. Der Gedanke einer geometria intellectualis, welche diejenigen Gegensätze überwinden soll, die im Bereich der geometria sensibilis unüberwindbar sind, findet sich keimhaft in der Ilullschen Schrift De quadratura et triangulatura circuli: »Cum ita sit, quod mensurae rectarum linearum et mensurae linearum circularium non sint eiusdem rationis, et cum compassu homo non possit mensurare lineas circulares cum lineis rectis, igitur oportet mathematice in sua anima cum imaginatione mensuret rectas lineas et circulares recipiendo significata rectarum linearum et circularium in subiecto visibili sentitarum« (Ed. Hofmann, 22, 8—13). Wie Hofmann treffend bemerkt, verwandelt Cusanus das primitive llullsche Verfahren in ein besseres und feineres: es ist die sogenannte »visio intellectualis«, in deren Bereich das unendliche Dreieck gleichzeitig als Kreis angesehen wird (vgl. Hofmann, Die math. Schriften, Einführung X I V — X V ) . 43 Bekanntlich hat Cusanus in De coniecturis den Sinn des Koinzidenzprinzips anders dargelegt. Entsprechend den dortigen 4 metaphysischen Einheiten trennt Nikolaus auch 4 Erkenntnisregionen scharf voneinander. Wie das Prinzip vom Widerspruch nur für die Region des Verstandes (ratio) gilt, so gilt auch das Koinzidenzprinzip nur für die Region der Vernunft (intellectus). Gegenüber diesen beiden mittleren Regionen, worin die affirmatio und die negatio entweder disjunktiv (ratio) oder kopulativ (intellectus) zu verstehen sind, gibt es in der Region der Sinne (sensus) keine Verneinung und in der Region der absoluten Einheit keine Bejahung. In der Docta Ignorantia hatte Cusanus geglaubt, über Gott »intellectualiter« sprechen zu können und demgemäß ihm den Zusammenfall der Gegensätze zugesprochen. Nun will er von Gott »divinaliter« sprechen und sagt ausdrücklich von ihm aus, daß er über dem Zusammenfall der Gegensätze steht (vgl. Koch, Die ars coniec., 35ff.)- Es ist jedoch nicht zu vergessen, daß, wie Wilpert mit Recht betont, beide Ausdrücke (d. h. Zusammenfall der Gegensätze in Gott und Erhabensein Gottes über die Gegensätze), auch wenn sie dem Wortlaut nach nicht dasselbe bedeuten, dennoch im Sinne des Cusanus den gleichen Sachverhalt bezeichnen, nämlich daß in Gott kraft seiner reinen Aktualität alles eins ist (vgl. P. Wilpert, Das Problem der coincidentia oppositorum in: Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters, Bd. 3, 39).
Vgl. Volkmann-Schluck, Nicolaus Cusanus, 17ff. Vgl. Apol. doctae Ign. (H 6, 7—9): Unde, cum nunc aristoteüca secta praevaleat, quae haeresim putat esse oppositorum coincidentiam, in cuius admissionem est initium M
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und Lullus vollständig: Beide, jeder auf seine eigene Weise, vereinigen die beiden Wesenszüge des mittelalterlichen Denkens: Scholastik und Mystik. Dem bisher geschilderten Aufstieg zu Gott folgt der Abstieg von Gott zur Welt. Bei Llull geschieht dies um so leichter, denn in dessen System sind Logik und Ontologie so verflochten, daß die Denkprinzipien seiner Ars zugleich als Seinsprinzipien seiner exemplaristischen Metaphysik fungieren. Solche principia essendi simul et cognoscendi sind eben die göttlichen Grundwürden, an denen das geschaffene Sein teilhat48. Demgemäß entwickelt Raimund eine analog symbolische Methode des Auf- und Abstiegs, in der die drei Ternare der relativen Prinzipien: differentia, concordantia, contrarietas; principium, medium, finis; maioritas, minoritas, aequalitas als »scalae« gebraucht werden®7. Nikolaus von Kues geht auch im II. Buch der Docta Ignorantia aus der Erkenntnis Gottes zur Erkenntnis der Welt88. Die Grundlage dieser Methode findet sich auch im metaascensus in mystdcam theologiam. Siehe auch ebd. (H 14, 14—25) : Non enim advertit doctam ignorantiam versari circa mentis oculum et intellectibilitatem ; et hinc cessât ab omni ratiotinatione, qui ducitur ad visionem, et testimonium eius est de visu . . . Logica igitur et omnis philosophica inquisitio nondum ad visionem venit; (H 28, 15—17) : Nam illud principium (contradictionis) est quoad rationem discurrentem primum, sed nequaquam quoad intellectum videntem. Die Interpretation des cusanischen Prinzips ist sehr verschieden. Vansteenberghe interpretiert die koinzidenzielle Sicht im Sinne einer transrationalen mystischen Erhebung : La coincidence ne concerne pas la raison . . . ; son domaine est celui qui s'étend au delà des bornes que ne dépasse pas la raison; c'est le domaine de la mystique, où l'on ne raisonne pas, mais où l'on voit (Le cardinal N. d. C., 284). Lenz stimmt der Interpretation Vansteenberghes zu: für ihn ist das Koinzidenzprinzip »ein gefährlicher, aber doch ein einwandfreier und jedenfalls origineller mystischer Ausdruck des Unendlichkeitsgedankens« (Die docta ignorantia, 65). Ritter wendet sich gegen die mystische Interpretation der cusanischen Koinzidenz und rückt sie dagegen in die Nähe der hegelschen dialektischen Einheit (Die Stellung des N. v. K. in der Philosophiegeschichte, 120—121). Hommes setzt sich mit Lenz und Vansteenberghe ausführlich auseinander. Der Zusammenfall der Gegensätze bedeutet keine bloße Leugnung des Widerspruchsprinzips, wie es Vansteenberghe meinte (vgl. Le Cardinal, 108), sondern allein das Verschwinden jeder Möglichkeit zu dessen Anwendung : »Weil eben in der absoluten Wirklichkeitsfülle . . . alles eins ist, kann man nicht mehr sagen: .Quodlibet est vel non est'« (Die phil. Gründl., 145). Ausgehend von der Interpretation Hommes gibt P. Wilpert eine neue Übersetzung des für unsere Frage bedeutenden Satzes: Maximum cum Sit omne id, quod esse potest, est penitus in actu (De doct. Ign. I, 4 [H 10]). Nach der Deutung Wilperts bedeutet der Satz nicht, wie Vansteenberghe und Lenz betonten : das Größte ist alles, was sein kann, sondern er lautet: das Größte bzw. Gott ist alles, was er sein kann, d. h. er ist der reine Akt (Das Problem der coincidentia oppositorum, 47). Demgemäß besagt die coincidentia oppositorum, daß Gott die Koinzidenz all seiner Möglichkeiten ist, eben weil er die reine Wesenswirklichkeit ist (ebd. 54). " Carreras I, 484. " Carreras 1, 464. 69 Vgl. Kap. 4 (H 72ff.): Quomodo universum, maximum contractum tantum, est similitudo absoluti und 7 (H 81ff.) : De Trinitate universi. 6
C o I o m c r , Nikolaus v. K u e s u. R a i m u n d Llull
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physischen Teilhabegedanken: »Cum autem causatum sit penitus a causa et a se nihil et originem et rationem, qua est id quod est, quanto propinquius et similius potest, concomitetur: patet difficile contractionis naturam attingi exemplari absoluto incognito«69. Cusanus bedient sich dabei auch mehrerer relativer Prinzipien, wie z. B. des principium, medium und finis, maioritas, minoritas und besonders der differentia und concordantia70. So findet man in der Docta Ignorantia methodische Elemente, die eine gewisse Verwandtschaft mit der llullschen Methode aufweisen. Die folgende Schrift des Cusanus, De coniecturis, bildet den Versuch, auf Grand solcher Elemente und der in der Docta Ignorantia gewonnenen Sicht über die Unerreichbarkeit der genauen Wahrheit eine eigene Ars generalis sciendi zu entwerfen. c) Die Ars coniecturalis
Das Ergebnis der Docta Ignorantia war erkenntnis-theoretisch die Aussage, daß die Genauigkeit der Wahrheit für uns unerreichbar sei. Dies ist eben eine Folge des vergleichenden Charakters unserer Erkenntnis, die zur vollen Bestimmtheit der Sache nie gelangen kann 71 . Die Schrift De coniecturis stellt nun den Versuch dar, innerhalb der uns festgesetzten Grenzen einen Weg anzubahnen, auf denen der Mensch auf menschliche, d. h. auf coniecturale Weise die Wahrheit zu erkennen vermag72. E. Vansteenberghe hat bereits auf den llullschen Einfluß in De coniecturis hingewiesen73. Dieser Einfluß erstreckt sich jedoch nicht auf den Inhalt des Werkes, sondern nur auf dessen Ziel und Methode. Inhaltlich gesehen bildet ja De coniecturis eine neu platonisch gefärbte Einheitsmetaphysik, welche Intelligenz, Seele und Körper aus der ersten absoluten göttlichen Einheit hervorgehen läßt 74 . Nichtsdestoweniger steht der Ausdruck »ars generalis coniecturandi« oder einfach »ars coniecturandi«76, mit der Cusanus seine Theorie be•» De doct. Ign. II, Prologus (H 59, 6—9); vg . auch ebd. 4 (H 72, 26ff.). 7 0 Vgl. De doct. Ign. I I I , 1 (H 119«.). 7 1 Vgl. De doct. Ign. I, 3 (H 8£f ). Darüber siehe Volkmann-Schluck, Nie. Cusanus, Kap. 1: Das Begreifen des Unbegreiflichen, l f f . 72 Coniectura bedeutet nicht Vermutung oder eine unbewiesene Annahme, für die mehreres spricht, sondern eben die menschliche Weise, die Wahrheit in Andersheit zu erkennen. Vgl. De coniec. I, 13 (B 88): Coniectura igitur est positiva assertio in alteritate veritatem uti est partieipans. In diesem Zusammenhang ist es vielleicht angebracht zu bemerken, daß bereits Raimund Llull das Wort »coniecturare« im Sinne der Kreisdrehungen der vierten Figur gebraucht hat. Die Kombinationsergebnisse, die daraus entstehen, gelten für ihn jedoch als strenge, wissenschaftliche Beweise (vgl. Platzeck, Die Uullsche Kombinatorik, II, 402). 7 S Le Cardinal N. d. C., 419. 7 1 Vgl. J . Koch, Die ars coniecturalis, 15 ff. 7 5 Hinc ergo coniecturarum mearum secretum commodius elucidando primo quadam rationali omnibus notissima progressione conceptui apodigmatica exemplaria configu-
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zeichnet, und darüber hinaus der offen ausgesprochene Anspruch, in ihr ein Denkmittel zu besitzen, das uns Menschen, freilich innerhalb der in der Docta Ignorantia festgelegten Grenzen, über alles Erkennbare verfügen läßt 74 , in deutlichem Zusammenhang mit Raimund Llull, dessen Bemühungen um den Entwurf einer ars generalis sciendi der junge Cusanus mit offenem Interesse verfolgt h a t t e " . Nikolaus wurde auch wahrscheinlicherweise von Llull dazu angeregt, seine Gedanken durch Figuren zu veranschaulichen. Wir denken besonders an die Figur P 7 8 und an die figura universi79, welche Cusanus auf echt lullistische Weise mit Farben ausgeführt sehen wollte80. Zwar mindert Nikolaus am Anfang De coniecturis die Bedeutung der Symbole sehr stark herab und stellt sie als Mittel für die Anfänger, die das Anschauliche brauchen, um zum Unanschaulichen emporsteigen zu können81. Dann aber, im Verlauf der Abhandlung, verweist er wiederholt auf die Betrachtung der Figuren, damit man durch Anwendung der Symbole die konjekturale Kunst gebrauchen lerne82. An die llullsche Ars erinnert schließlich der ganze Aufbau der Schrift, die mit der Erklärung der Grundsätze und Symbole der Ars coniecturalis ansetzt und mit deren Anwendung auf eine Reihe von Einzelproblemen abschließt83. rabo, quibus noster discursus porgere queat ad generalem coniecturandi artem (De coniec. I, 2, B 76). Der Ausdruck »ars« als Bezeichnung für die eigene Theorie wird von Cusanus in De coniec. zwanzigmal verwendet (vgl. Vansteenbsrghe, Le Cardinal N. d. C., 417). Übrigens auch in De venatione sapientiae verwendet Nikolaus den Ausdruck «ars« als Bezeichnung für die eigene Theorie. Vgl. De ven. sap. c. 39 (B 330) : Verum quo in arte huius generalis venationis sapientiae per particularia firmius solidemur usw. " Vgl. De coniect. I, 13 (B 89) : Magna vis coniecturalis artis tibi haec via panditur, si hunc denarium explicatorium complicatone notaveris. Ars enim brevissima est, qua veritas ipsa indagatur; quae et si tribus lineis scribi possit in suae unitatis simplicis complicatione, tarnen sine alteritate modorum nec communicari poterit nec participari... ; besonders ebd. II, 1 (B 92) : . . . facile coniecturali arte ad cuncta deduceris. " Vgl. oben S. 64 u. 62. 78 De coniect. I, 11 (B 85). De coniect. I, 15 (B 91). 80 In der aus dem Dominikanerkloster zu Nürnberg stammenden Hs. hat Cusanus eigenhändig notiert, wie die Figur P ausgefärbt werden sollte (vgl. Koch, Die ars coniecturalis, 28). 81 De coniect. I, 2 (B 76) : Oportet autem quadara manuali ductione iuniores quosque experimentali luce carentes ad latentium ostensionera allicere, ut gradatim ad ignotiora erigantur. 82 Vgl. z. B. De coniect. II, 1 (B 92) : Omnes eüam figurae ad omnia inquirenda modo adhibitio subservient ; ebd. 3 (B 96) : Atque ut haec coniectura tua in universorum intueatur figura . . . ; ebd. 5 (B 98) : Ad hoc autem ut in coniectura iuveris, quomodo elementum in elementato existat, ad primam conspice figuram. Cusanus wendet sich mit solchen Hinweisen an seinen Adressaten, den Kardinal Cessarini, der gewiß nicht mehr zu den »iuniores« gehörte (vgl. Koch, Die ars coniecturalis, 14). 6*
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Wir möchten nun auf eine llullsche Einwirkung auf De coniecturis eingehen, die gerade den Kern der cusanischen Methode trifft. Wir meinen damit das Concordantia-Differentia-Prinzip, welches ohne Zweifel für die ars coniecturalis grundlegend ist 84 . Nun, Cusanus fand die beiden Begriffe concordantia-differentia und das Prinzip selbst, das in deren Vereinigung zum Vorschein kommt, nämlich daß alles von allem verschieden sei und zugleich mit allem übereinstimme, in der Figur T der llullschen Kunst; denn Begriffe und Prinzip bilden einen Bestandteil jener »Vergleichslogik«, die in der Lehre der relativen Prinzipien von Raimund Llull ausgebildet wurde8S. Für Llull ist die differentia das allgemeinste relative Prinzip86. Ihr steht an Allgemeinheit die concordantia etwas nach. Die Übereinstimmung nämlich setzt den Unterschied voraus: sine differentia non est concordantia 87 . Aus beiden Prinzipien erfolgt nun jener Grundsatz der llullschen Kunst: Es gibt kein Ding, das von allen anderen nicht verschieden sei, zugleich aber ist kein Ding von den anderen so völlig verschieden, daß es mit allen anderen nicht übereinstimme88. Cusanus hat diesen Grundsatz in De coniecturis aufgenommen und damit eine Methode zur vergleichenden Erforschung der endlichen Dinge ausgebildet89, die mit dem von der Docta Ignorantia bezeugten Verhältnismäßigkeitscharakter der menschlichen Erkenntnis zusammenhängt: Mens humana rationis medio investigans, infinitum ab omni aprehensionis suae circulo ejiciens, ait nullam rem dabilem ab alia quacumque per infinitum difiere, omnemque dabilem differentiam infinita minorem, atque ipsam infinitam non plus differentiam quam concordantiam esse, quodque de ipsa concipit concordantia. Quodlibet igitur cum quolibet concordat atque differt, sed aequaliter praecise hoc est impossibile, absoluta est enim haec praecisio ab universo. Si 83 In einem Brief vom Mai 1442 an Rodrigo Sánchez de Arévalo, den Gesandten des Königs von Kastilien, wendet Nikolaus die Kunst der Mutmaßungen auf die Frage nach der Stellung des Papstes in der Kirche an. (Vgl G. Kallen, De auctoritate praesidendi (HSB 1935—36, 106—112).) Cusanus schreibt dort: Vir doctissime . . ., ad hoc ut in his ecclesiae perturbationibus . . . ultimam verioremque coniecturam secundum regulas doctae ignorantiae venari valeas: notato (S. 106). M Vgl. Koch, Die ars coniecturalis, 25: »Für die ars coniecturalis selbst ist das concordantia-differentia-Prinzip grundlegend. Denn wenn alles mit allem übereinstimmt und von allem verschieden ist, dann kann alles für etwas anderes Symbol werden«. 95 Vgl. Platzeck, Die lullsche Kombinatorik II, 377: »Lulls Ars Magna ist grundsatzlich eine Vergleichslogik«. Daß Cusanus tatsächlich diese llullsche Lehre kannte, ist von dessen Exzerpten und Notizen bezeugt. 8a Ars ultima, I I c. 2 (A 223): Differentia est generalior quam concordantia et contrarietas; V I I I c. 11 (A 329). Ars ultima, V I I I c. 11 (A 329) . Concordantia non potest esse sine differentia. 8 8 Vgl. Platzeck, Die lullsche Kombinatorik II, 381; La figura T del arte luliano, 43-46. 8 * Vgl. Koch, Die ars coniecturalis, 24.
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igitur in sensibili mundo iuxta illius mundi naturam haec vera esse intelligis, patebit tibi omne sensibile cum quolibet universaliter quandam habere universalem concordantiam atque cum uno maiorem quam cum alio. Quanto igitur maior concordantia, tanto minor differentia et e converso 90 . Man sollte jedoch den grundsätzlichen Unterschied nicht außer acht lassen, der zwischen der llullschen Ars generalis und der cusanischen Ars coniecturalis besteht. Vansteenberghe hat bereits darauf hingewiesen: »Ce qui différencie son art de celui de Lulle, c'est qu'il ne prétend pas à être un procédé de démonstration et à procurer de certitudes. Pour Nicolas de Cues la vérité est une, mais elle se confond avec Dieu; la réprésentation unique de toutes choses, l'art réel et vivant, distinct de notre art logique et subjectiv, c'est le Verbe que forme tout« 91 . Von dieser Überzeugung ist Nikolaus nie abgewichen. Und wenn er im Compendium die llullsche Ars lobend erwähnt 92 , fügt er dann sofort hinzu: »Sed super omnes, qui unica specie, quam Verbum appellavit, omne intelligibile complexus est, precisissime punctum tetigit : est enim species artis omnia formantis« 93 . 3. I n h a l t l i c h e Z u s a m m e n h ä n g e Wir kommen damit zum wichtigsten Punkt unserer vergleichenden Untersuchung. Den Weg dazu haben uns bereits die im zweiten Teil dieser Arbeit gemachten Feststellungen gebahnt. Demnach wollen wir nun die wesentlichen inhaltlichen Zusammenhänge zwischen Cusanus und Lullus nach dem bekannten Schema der Docta Ignorantia: Gott, Welt, Christus darlegen. a ) Gott der Eine und DreUine
Die llullsche Einwirkung auf die Gotteslehre des Nikolaus von Kues umfaßt die Lehre von den Grundwürden und Korrelativen mitsamt einer gewissen Vorbereitung zum cusanischen Koinzidenzgedanken. Es handelt sich dabei um keine nebensächlichen Spekulationen, sondern um die Grundgefüge des llullschen und zum Teil auch des cusanischen Systems 94 . De coniect. II, 3 (B 96). Vgl. ebd. 10 (B 104). Dieselbe Lehre findet sich schon in De doct. Ign. I I I , 1 (H 119ff.), besonders S. 120, 2 4 — 2 5 : Connexio autem universorum per ipsum est, ut omnia, quamquam sint differentia, sint et connexa, und kommt in De ven. sap. wieder (c. 13, B 307) : Unde si respicis ad cuncta, quae post ipsum sunt, omnia sunt ad invicem differentia atque etiam ad invicem concordantia in genere entis aut specie, numero differentia. , l Le Cardinal N. d. C., 419. Vgl. auch Koch, Die ars coniecturalis, 14: » . . . für Nikolaus handelt es sich um eine ars generalis coniecturandi, während es Lull gerade auf strengste rationale Beweise ankommt«. M Vgl. Comp. c. 7 (B 244). 9 3 Comp. c. 7 (B 244). M Vgl. Platzeck, Lullsche Gedanken bei N. v. K., 359.
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Die Grundwürdenlehre bildet den eigentlichen Kern des llullschen Denkens. Dem Erkenntnisursprung nach sind die Grundwürden Transzendentalbegriffe, die auf allgemeingültige Weise von jedem Seienden, sei es geschaffen oder ungeschaffen, ausgesagt werden können. Dem Seinsursprung nach sind sie Eigenschaften Gottes, die mit dessen Natur identisch sind, vom geschaffenen Sein aber nur geschieden partizipiert werden 95 . Demnach sind die Grundwürden Relationsbegriffe, die, da sie Gott in bezug auf die Welt meinen, von Gott und von der Welt ausgesprochen werden können. Uns Menschen sind die Grundwürden nur in ihrer geschiedenen Widerspiegelung im geschaffenen Sein vorgegeben. Wir steigen aber von ihrer Vielheit im gegründeten Seienden bis zu ihrer Einheit im göttlichen Grunde selbst auf. In eben diesem Urgrund sind die Grundwürden mit dem göttlichen Sein und untereinander absolut identisch. Llull drückt diese Identität mit der Formel aus: »convertuntur circulariter«. Darin sieht er sogar die Wesensbestimmung Gottes 96 . Bildhaftes Symbol dieser ganzen Lehre ist die Figur A der llullschen Kunst, die aus einem Kreise besteht, in dessen Umfang die Grundwürden, durch Buchstaben vertreten, untereinander bezogen werden 97 . Diese Lehre des Raimund Llull, die Cusanus sehr gut kannte 98 , hat einen bedeutenden Niederschlag im Schrifttum des Kardinals gefunden, besonders in der Spätschrift De venatione sapientiae. Dort zählt Nikolaus zehn Gotteseigenschaften auf, die er »laudes Dei« oder »laudabilia« nennt und die sich durch die ganze Schrift hin verstreut finden 99 . Sie bilden ein »psalterium decachordum«, mit dem Cusanus das Gotteslob singt 100 . Ihre Namen sind folgende: bonitas, magnitudo, veritas, pulchritudo, delectabilitas, sapientia, perfectio, claritas, aequitas, sufficientia 101 . Eine einfache Gegenüberstellung zeigt ihren Zusammenhang mit den llullschen Grundwürden: » Vgl. Platzeck, ebd. 359—360. •• Vgl. Ars comp. (Mz Bd. 1, 45): Deus est illud ens, in quo Bonitas, Magnitudo, Aeternitas et aliae dignitates convertuntur in eodem numero; Ars ult. I X c. 26 (A 394): Deus est ens in quo suae rationes convertuntur; Liber de Deo et Jesu Christo, p. 1, q. 2 (Mz Bd. 6, 2): Deus est illa substantia, in qua quaelibet suarum dignitatum est alia, sicut sua bonitas, quae convertitur cum sua magnitudine, aeternitate etc. Über die Kenntnis dieser Lehre seitens des Cusanus siehe oben S. 55. " Vgl. Ars ult. I c. 1 (A 220): Prima figura est designata per A et est circularis . . . E t dicitur circularis, quia subiectum m u t a t u r in praedicatum et e converso, u t cum dicitur bonitas magna etc. »« Vgl. oben S. 64 u. 62. •• De ven. sap. c. 18 (B 311): Quid igitur sunt illa decem nisi laus Dei ? Quid laudatur per illa nisi laus illa, quae Deus est ? Nonne haec omnia laudantur ? Bonitas laudatur, magnitudo laudatur, veritas laudatur et singula sequentia ? 100 De ven. sap. c. 20 (B 313): Mandavit propheta psallere laudes Dei in psalterio decachordo. Hoc ego attendens decem laudis chordas t a n t u m sumpsi, videlicet bonitatem, magnitudinein, veritatem et alias praenominatas. 101 Vgl. De ven. sap. c. 15 (B 309); c. 16 (B 310).
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Laudabilia Dignitates Bonitas Bonitas Magnitudo Magnitudo Veritas Aeternitas Pulchritudo Potestas Delectabilitas Sapientia Sapientia Voluntas Perfectio Virtus Clarltas Veritas Aequitas Gloria Sufficientia Perfectio (aus der Ars mag. prim.) Von den zehn laudabilia hat Cusanus fünf, d. h. bonitas, magnitudo, sapientia, veritas, perfectio aus Llull entnommen; die übrigen gehen nach Platzeck auf Augustin102 und Bonaventura zurück103. Viel wichtiger als die Namen und der Gebrauch der laudabilia scheint uns ihre Interpretation durch Cusanus zu sein, die mit der llullschen Grundwürdenlehre übereinstimmt. Die zehn laudabilia sind auch für Nikolaus von Kues Relationsbegriffe, die Gott in bezug auf die Schöpfung meinen; sie gelten infolgedessen für das ungeschaffene und das geschaffene Sein104. Primär werden sie nur von Gott ausgesagt, da nur er sie wesentlich innehat; sekundär kommen sie auch der Schöpfung zu, da die geschaffene Welt an den Gotteseigenschaften teilhat 105 . Durch diese Teilhabe wird die Schöpfung zum Spiegelbild Gottes. Aus dieser geschaffenen Widerspiegelung steigt Cusanus zum 1 W Platzeck verweist besonders auf Kap. 7 de Trinitate, das auch die bedeutendste Quelle für die llullsche Grundwürdenlehre ist. Vgl. Platzeck, Die lullsche Kombinatorik I, 39ff. 1 0 3 Siehe Platzeck, El lulismo en las obras del C. N. K. de Cusa II, 283ff. im Vgl. De ven. sap. c. 34 (B 326) : E t quia de Deo et omni creatura verificantur, ut supra in campo de laudibus reperitar, applicemus eam (magnitudinem) ad sensibilia et intelligibilia, ut videamus si poterimus ipsam aut sensui aut intellectui captam ostendere ; siehe auch c. 15 (B 309) ; E x quo seit, quod nihil omnium, quae sunt, penitus potest esse expers boni, magni, veri, pulchri et sic consequenter de singulis praemissis; c. 17 (B 311); c. 18 (B 312) usw. los Vgl. De ven. sap. c. 35 (B 327) : Hoc igitur est quod venatione coepi, Deum meurn esse ilium, qui est per omnia laudabilia laudabili^, non ut partieipans laudem, sed ut ipsa absoluta laus per seipsam laudabilis et omnium laudabilium causa . . . Non solum in bonitate, qua se omnibus communicat, aut magnitudine, quam omnibus tribuit, aut pulchritudine, quam omnibus largitur, sive in ventate, qua nihil caret, sive sapientia, quae omnia ordinat, sive delectatione, qua omnia in seipsis deliciantur, sive perfectione, de qua cuncta gloriantur, sive claritate, quae omnia illustrat, sive aequitate, quae omnia purificai, sive sufficientia, qua omnia quiescunt et contentantur aut aliis divinis partieipationibus, sed ipsum Deum deorum in Sion laudant in revelato sui ipsius lumine ipsum contemplantes; ebd. c. 18 (B 312): Merito igitur quaelibet Dei factura Deum laudat, quia bonus : quia ipsa se fatetur bonam et laudabilem ipsius dono, sic magnam, sic veram et reliqua.
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göttlichen Grunde selbst empor106. In ihm sind die zehn laudabilia nicht mehr begrenzt und geschieden wie in der Schöpfung, sondern untereinander und mit dem einen Gott eins: Gaudet intellectus in hac venatione laetissima. Nam haec venatio bona, magna, vera, sapida, pulchra, delectabilis, perfecta, clara, aequa et sufficiens est. Videt enim cum bonum definitur, ipsa omnia praedicta magnum, verum et cetera esse ipsum bonum. E t dum magnum deffinitur, in ipso bonum, verum et cetera esse ipsum magnum. Et ita in quolibet ipsorum omnia sunt ipsum. Et quia in non alio, sunt ipsum non aliud; non est ibi bonum aliud a magno, a vero et ceteris, nam non aliud ipsa omnia facit esse non aliud. Sic aliud ipsa omnia facit aliud. Bonum enim in alio est aliud, ita magnum et verum. Cum igitur quodlibet sit aliud, non erit bonum tunc non aliud a magno nec a vero, sed sicut in ipso non alio non aliud, ita in ipso alio aliud . . . In non aliud, cum ipsum sit id, quod esse potest simplicissimum et perfectissimum, non cadit varietas. Ideo in aliud omnem cadere varietatem videt 107 . Aus dem Gesagten geht eindeutig hervor, daß Cusanus sich in De venatione sapientiae von der llullschen Grundwürdenlehre inspirieren ließ. Zwar handelt es sich dabei tun keine wörtliche Entlehnung, sondern vielmehr um den Geist der llullschen Theorie, die von Cusanus mit schöpferischer Freiheit an die Eigenart seines Denkens angeglichen wird. Wenn Nikolaus trotzdem Llull nicht zitiert, sondern Dionysius, obwohl seine Lehre ohne Zweifel mehr mit dem Katalanen übereinstimmt, so bestätigt dies, was wir über die Zitierungsweise des Cusanus bereits bemerkt haben108, daß sie nämlich oft irreführend sein kann. In unserem Falle könnte sich Nikolaus auf zwei ältere Quellen stützen, nämlich auf Augustins De Trinitate und besonders auf den PseudoDionysius, in dessen Buch von den Namen Gottes er ohne Zweifel die Bestätigung der eigenen Theorie sah 109 . Auf die Grundwürdenlehre und deren Veranschaulichung durch die Figur A geht auch der bei Cusanus oftmals wiederkehrende Gedanke der »Theologia circularis* zurück. Nikolaus von Kues führt zum erstenmal diesen Gedankengang in einer Stelle der Docta Ignorantia an, die über ihre llullsche Herkunft keinen Zweifel läßt: io« Vgl. De ven. sap. c. 35 (B 326) : Video igitur Posset causam bonitatis, magnitudinis, pulchritudinis usw. De ven. sap. c. 16 (B 310). Vgl. auch c. 15 (B 309) : . . . sicut in non alio sunt non aliud, sic in alio aliud . . . Hic venatur intellectus admirabilem atque sapidissimam scientiam, quando certissime intuetur, haec omnia in aeterno simplicissimo Deo ipsum Deum se et omnia definientem, hinc et in omni definito definii um, c. 23 (B 316); c. 34 (B 326). >«" Siehe oben S. 71 f. , 0 » Vgl. Platzeck, Die luUsche Kombinatorik I, 39—40.
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Multa hic de perfectione unitatis ex hac figura circulari trahi possent, quae, cum faciliter per unumquemque iuxta praemissa fieri possint, brevitatis causa transeo. Hoc autem notatum esse admoneo, quomodo omnis theologia circularis et in circulo posita existit, adeo etiam quod vocabula attributorum de se invicem verificentur circulariter : ut summa iustitia est summa veritas, et summa veritas est summa iustitia, et ita de omnibus. E x quo, si extendere inquisitionem volueris, tibi infinita theologicalia iam occulta manifestissima fieri poterunt110. Dasselbe gilt für folgende Stelle aus der Apologia: Nam omnia attributa divina coincidere in Deo et totam theologiam esse in circulo positam, sie quod iustitia in Deo est bonitas et e converso — ita de reliquis —, necessarium comperi et ita legi ; et in hoc concordant omnes sancii, qui ad infinitam Dei simplicitatem respexerunt111. Der Gedanke der »Theologia circularis« kommt noch in der Schrift Idiota de Sapientia112 und in De visione Dei113 vor und wird im folgendem Satz im Complementum theologicum zusammengefaßt : »Tota theologia est ut circulus ille, in quo omnia unum«114. Der Kreis, auf den sich Cusanus bezieht, dürfte nach dem bisher Gesagten die Figur A der llullschen Kunst sein115. Kein Wunder, wenn in De non aliud Nikolaus den Buchstaben A als Symbol des göttlichen Prinzips verwendet114. Die Grundwürdenlehre ist bei Raimund Llull mit der Korrelativenspekulation verbunden, die zum Bereich der »Grammatica speculativa«, d. h. der antik-mittelalterlichen Bedeutungslehre gehört117. Den Ternar der llullschen Korrelative bilden die sogenannten Nominalformen jedes transitiven Zeitwortes, also das Partizip Präsens als Tätigkeitsform (z. B. amans bzw. amativum), das Partizip Passiv als Leideform (z. B. amatum bzw. amabile) und der Infinitiv als Verbindung (z. B. amare). Die Korrelativenspekulation findet sich schon 1 1 0 De doct. Ign. I. 21 (H 44, 1 — 9 ) ; vgl. auch ebd. I I , 3 (H 72, 9f ): Si dicis: »Eius voluntas omnipotens causa est, et voluntas et omnipotentia sunt suum esse; nam tota est in circulo theologia . . .«. 1 1 1 Apol. doct. Ign. (H 23, 9—14). 1 1 1 Idiota de sap. I I (H 31, 2—8), besonders Z. 4f. : Tota theologia est in circulo posita, ut unum de attributis de alio verificetur. 1 1 3 De vis. Dei c. 3 ( B 183) : I t a tota theologia in circulo posita dicitur, quia unum attributorum affirmatur de alio. 1 1 4 Compi theol. c. 14 ( B 1119). 1 1 4 Nach Ritter (Die Stellung des N. v. K., 154 Anm. 27) verweist die theologia circularis auf Meister Eckhart. Die Stelle, die er anführt : »der zirkel, den die sèle umbeloufen hàt« (Pfeiffer 503), bezieht sich nur auf den Ursprung der Dinge aus Gott und ihre Rückkehr zu ihm. De non aliud c. 15 ( H 3 9 . 3 ) . Darüber siehe Vansteenberghe, LeCardinal N.d.C., 419 und Paul Wilpert, Nik. v. Kues, Vom Nichtanderen, 192 Anm. 5. 1 1 7 Vgl. Platzeck. La figura T del arte luliano, S. 37 ff.
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im Keime bei Piaton 118 und Plotin 119 und wurde bereits von Augustin auf die innertrinitarischen Beziehungen angewendet 120 . Dieser hat damit zu den plotinischen Erkenntniskorrelativen einen neuen, der Willenssphäre entsprechenden Korrelativenternar hinzugefügt. Die Korrelativenspekulation blieb jedoch bei ihm im Bereich der geistigen Tätigkeit (d. h. noscens, notum, noscere und amans, amatum, amare). Llull dagegen verwendet die Korrelative bei jedem transitiven Zeitwort und macht sie zu einem Grundstein seiner logisch-metaphysischen Prinzipienlehre. Selbst die Grundwürden und relativen Prinzipien bekommen einen entsprechenden Korrelativenternar (z. B. bonificans, bonificabile, bonificare oder principians, principiabile, principiare usw.). Llull macht ganz ernst mit dem Gedanken, daß Gott unendlich fruchtbar sei und daß folgerichtig dessen Grundwürden nicht untätig bleiben können. Dies gilt auch auf partizipierte Weise von jedem Geschöpf. Eine dynamische Seinsauffassung liegt so der Korrelativenlehre zugrunde. Die Beziehung der Korrelativen untereinander steht unter demselben Gesetz wie die der Grundwürden: Ihre Einheit ist um so größer, je näher das jeweils ihnen zugehörige Subjekt Gott, dem Ureinen, steht. In Gott selbst sind die Korrelative, obwohl persönlich verschieden, mit der göttlichen Natur eins121. Nikolaus von Kues hat die Korrelativenspekulation des Raimund Llull in sein trinitarisch bestimmtes Denken aufgenommen. Er war mit ihr bereits vor seiner ersten Predigt vertraut und hat sie in seinen Exzerpten und Glossen zu den Werken des Mallorkiners besonders bevorzugt122. Kein Wunder, wenn ihre Spuren im Schrifttum des Cusanus zahlreich sind123. Die früheren Cusanus-Predigten nehmen darin eine besondere Stellung ein. Bereits in Sermo 1 findet sich der Text: Fides est habitus cum quo catholicus credit distinctionem in divinis, ut intellectus intelligat clare et non confuse actus divinarum rationum et per hoc intelligat agentem et agibilem124. In Sermo 3 wird der llullsche Ternar von drei Prinzipien ausgesagt und als Hinführung zur Gottesdreieinigkeit verwendet: Dominus Deus infinitae bonitatis ab aeterno in sua essentia absque otio et torpore bonificavit bonificabile et amavit amabile et intellexit intelligibile. Habuit et bonificare et amare et intelligere in unitate essentiae. Quae Trinitas simplicissima unitas est unissima. Facile est 118 Rep. 508 c. 1 ff. » • E n n . B I X , 1 36ff. (Ed. Br6hier, I I 112—113). 120 De Trin. V I I I , 10 (PL 42, 960); ebd. I X c. 1 bis 5 (PL 42, 959ff.). 121 Vgl. Platzeck, Die lullsche Kombinatorik, II, 385ff. m Siehe oben S. 57 u. 64. 123 Wir verdanken R. H a u b s t eine lückenlose Darstellung dieser Spuren, D a s Büd, 69ff. 1M Cod. Cus. 220, 18v 26f.
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hoc credere cuiquam viventi. Quoniam, si Deus est bonus absque otio, hinc in sua essentia bonificans, quem Pater appellamus; et in eadem essentia est huius relativus, scilicet bonificabilis Deus, quem Filium dicimus et utriusque bonificare et amare, quem Spiritum Sanctum appellamus125. In Sermo 8 kehrt der Korrelativenternar wieder, diesmal auf die Erkenntnis- und Willenssphäre beschränkt: Necesse est enim, quod in ilia essentia divina, summa, perfectissima, sit summa intelligentia. Quare intelligens, intelligibile et intelligere; amans, amabile et amare 128 . Das Thema erreicht seinen Höhepunkt in Sermo 19, der allenthalben llullschen Geist atmet: Hic autem Deus summae vigorositatis nihil imperfecta parvi et minuti in sua essentia habens otium necesse est abhorreat. Alias summe otiosus Deus esset; et sie summa felicitas esset in pigritia et otio ; quod est impossibile. Et quoniam hoc sic est, quod apud divinam essentiam impossibile est otium reperiri, consequens est eam summae activitatis existere. In omni autem actione perfecta tria correlativa necessario reperiuntur, quoniam nihil in se ipsum agit, sed in agibile distinetum ab eo; et tertium surgit ex agente et agibili, quod est agere. Erunt haec correlativa in essentia divina tres personae; quare Deum trinum vocamus. Est enim Deus deificans, generans, iustificans, amans cum ceteris infinitis perfectionibus, quem Patrem vocamus. Est Deus deificabilis, generabilis, iustificabilis, amabilis etc., et hunc Filium a Patre procedentem vocamus. Est postea deificare deificantis et deificabilis, i. e. Patris et Filii, et sic iustificare, generare et amare amantis et amabilis, et hunc Spiritum Sanctum ab utroque procedentem nominamus127. Im übrigen Cusanus-Schrifttum wird der Ternar nicht aufgegeben, im allgemeinen jedoch auf den Bereich der geistigen Aktivität zurückgeführt. Wir begegnen ihm wiederum in der Docta Ignorantia, und zwar als Beispiel dafür, daß die größte Einheit notwendig dreieinig sein solle: Ut exemplis ad hoc utamur convenientibus : videmus unitatem intellectus non aliud esse quam intelligens, intelligibile et intelligere. Si igitur ab eo, quod est intelligens, velis ad maximum transferre et dicere maximum esse maxime intelligens et non adicias ipsum etiam esse maxime intelligibile et maximum intelligere, non recte de unitate maxima et perfectissima concipis. Si enim unitas est maxima et perCod. Cus. 220, 4 5 r 21—25. Cod. Cus. 220, 2 9 r 30—32. 1 2 7 Cod. Cus. 220, 56 v 1—15. Zum Ausdruck Deus deificans, deificabilis usw. vgl. Hulls Compendium (Mz Bd. 3, 77ff.). Andere Texte bei Koch, Vier Predigten ( H S B 1937, 164 ff.). 125
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fectissima intellectio, quae sine istis correlationibus tribus nec intellectio nec perfectissima intellectio esse potent, non recte unitatem concipit, qui ipsius unitatis trinitatem non attingit 128 . In De visione Dei wird der Ternar wieder in den Vordergrund gerückt. Im 12. Kapitel werden die Korrelativen auf Sehen Gottes angewendet. Nikolaus redet dort zu Gott folgendermaßen: Si videre tuum est creare tuum est non vides aliud a te, sed tu ipse es obiectum tui ipsius — es enim videns et visibile atque videre —, quomodo tunc creas res alias a te ? Videris enim creare te ipsum, sicut vides te ipsum 149 . Im 17. Kapitel erklärt Cusanus aus dem Korrelativenternar der Liebe, daß Gott nur als dreieiniger vollkommen erkannt wird. Er nimmt den Zugang dafür aus der endlichen Liebe: Quomodo enim possum concipere perfectissimum et naturalissimum amorem sine amante et amabili et unione utriusque ? Quod enim amor sit amans et amabilis et nexus utriusque experior in contracto amore esse de essentia perfecti amoris. Id autem, quod est de essentia perfecti amoris contracti, non potest deesse absoluto amori, a quo habet contractus amor, quidquid perfectionis habet 180 . Dementsprechend wird Gott so angesprochen: Ostendisti, Domine, te mihi adeo amabile, quod magis amabilis esse nequis: es enim infinite amabilis. Deus meus. Numquam igitur poteris a quoquam amari, sicut amabilis es nisi ab infinito amante. Nisi enim esses infinite amans, non esses infinite amabilis; amabilitas enim tua, quae est posse in infinitum amari, est, quia est posse in infinitum amare; a posse in infinitum amare et posse in infinitum amari oritur amoris nexus infinitus ipsius infiniti amantis et infiniti amabilis 131 . Cusanus verbindet dann weiter den Ternar in der Liebe mit dem Ternar in der Einheit: Infinitum non est autem multiplicabile. Tu igitur, Deus meus, qui es amor, es amor amans et amor amabilis et amor amoris amantis Dedoct. Ign. I, 10 (H 20, 17—25). De vis. Dei, c. 12 (B 192). Gottessehen ist also mit dem Akt der Welterschaffung identisch. Der Widerspruch des göttlichen Schaffens und Geschaffenwerdens wird von Cusanus so aufgelöst, daß Gott über der Koinzidenz des Erschaffens mit dem Geschaffenwerden stehe. Über diese Schwierigkeit der cusanischen Gotteslehre siehe Hommes, Die philosophischen Grundlehren des Nik. Cusanus über Gott und das Verhältnis Gottes zur Welt, 152ff. 130 De vis. Dei c. 17 (B 198). Cusanus greift hier auf Augustin zurück, der das Bild vom Liebenden, Geliebten und der Liebesverbindung beider bereits als Hinführung zu Gottes Dreieinigkeit verwendet hat. Vgl. De Trin. VIII, c. 10 (PL 42, 960): Amor autem alicuius amantis est, et amore aliquid amatur. Ecce tria sunt; amans et quod amatur et amor. Die Formel »amabilis« verweist jedoch auf den Korrelativenternar des Raimund Llull. 131 De vis. Dei c. 17 (B 197). m
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et amabilis nexus . . . Et ex eo, quia video in te amorem amantem et amorem amabilem, video utriusque amoris nexum, et hoc non aliud quam illud, quod video in absoluta unitate tua, in qua video unitatem unientem, unitatem unibilem et utriusque unionem. Quidquid autem in te video, hoc es tu, Deus meus182. Wie Raimund, so betont auch Nikolaus das Identischsein der drei göttlichen Korrelativen dem Wesen nach und ihr Verschiedensein der Person nach: Hinc in te amore non est aliud amans et aliud amabile et aliud utriusque nexus, sed idem tu ipse, Deus meus. Quia igitur in te coincidit amabile cum amante et amari cum amare, tunc nexus coincidentiae est nexus essentialis . . . Unde pluralitas, quae in te, Deo meo, per me videtur, est alteritas sine alteritate, quia est alteritas, quae identitas. Quando enim video amantem non esse amabilem et nexum esse nec amantem nec amabilem, non sie video amantem non esse amabilem, quasi amans sit unum et amabilis aliud, sed video distinctionem amantis et amabilis intra murum coincidentiae unitatis et alteritatis 133 . Zum Schluß betrachtet Cusanus die menschliche Selbstliebe als Hinführung zum Geheimnis der Einheit und Dreieinigkeit Gottes: Tu enim sie das, Domine, quod in te video amorem, quia me video amantem. Et quia video me amare me ipsum, video me amabilem et naturalissimum nexum me esse video utriusque. Ego sum amans, ego sum amabilis, ego sum nexus. Unus est igitur amor, sine quo non posset aliquod trium esse134. Der Korrelativenternar kommt noch einmal im 18. Kapitel De visione Dei vor. Dort legt Cusanus dar, daß, falls Gott nicht einig und dreieinig wäre, der menschliche Geist sein vollkommenes Glück in Gott nicht finden könnte: 13! De vis. Dei c. 17 (B 197). Hier zeigt sich eindeutig der llullsche Einfluß. Vgl. die Cusanus-Auszüge aus der Schrift De divinis diguitatibus infinitis et benedictis (Anhang B, S. 139 Z. 19 f.); dazu etwa Liber proverbiorum p. 1 c. 5 (Mz Bd. 6, 4); Magnitudo et nobilitas unitatis est, quod in se ipsa et de se ipsa habeat unientem, 133 De vis. Dei c. 17 (B 198). unibilem et unire. 1M De vis. Dei c. 17 (B 198). Cusanus knüpft hier wiederum an Augustin, De Trin. I X c. 2 (PL 42, 961) an: Ecce ego, qui hoc quaero, cum aliquid amo tria sunt: ego et quod amo et ipse amor. Non enim amo amorem, nisi amantem amem: nam non est amor, ubi nihil amatur. Tria ergo sunt: amans et quod amatur et amor. Doch dies gilt nicht für die Selbstliebe: Augustinus fährt nämlich fort: Quid, si non amem nisi me ipsum ? Nonne duo erunt: quod amo et amor ? Amans enim et quod amatur, hoc idem est, quando se ipse amat; sicut amare et amari eodem modo idipsum est, cum se quisque amat . . . Unde videtur non esse consequens, ut, ubicumque amor fuerit, iam tria intelligantur (ebd. 961—962). Hier konnte sich Cusanus nicht mehr an Augustin, wohl aber auf Llull stützen, für den keine Liebe, wie überhaupt keine Tätigkeit ohne den Ternar des tivum, bile, are durchgedacht werden kann (vgl. Haubst, Das Bild, 81).
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Quis igitur negare potest te Deum trinum, quando videt, quod neque tu nobilis, neque naturalis et perfectus Deus esses, nec spiritus liberi arbitrii esset, nec ipse ad tui fruitionem et felicitatem suam pertingere posset, si non esses trinus et unus ? Nam quia est intellectus intelligens et intellectus intelligibilis et utriusque nexus, tunc intellectus creatus in te Deo suo intelligibili unionem tui et felicitatem assequi potest 135 . Der Ternar kehrt schließlich im 19. Kapitel wieder: Sicut igitur ex te Deo amante generatur Deus amabilis, quae generatio est conceptio, ita procedit ex te, Deo amante, et conceptu tuo amabili a te genito actus tuus et tui conceptus, qui est nexus nectens et Deus uniens te et conceptum tuum, quemadmodum amare unit amantem et amabile in amore. Et hie nexus Spiritus nominatur; Spiritus enim est ut motus procedens a movente et mobili. Unde motus est explicatio conceptus moventis. Explicantur igitur omnia in te, Deo Spiritu Sancto, sicut concipiuntur in te, Deo Filio 138 . Kurz vor seinem Tode (1463) führt Nikolaus von Kues in einem reizenden Brief an Nikolaus Albergati, Noviz von Montoliveto, die Korrelativenspekulation noch einmal an. Wie in De Visione Dei verwendet er dazu das augustinische Bild vom Liebenden und Geliebten. Er erfüllt aber die augustinische Formel mit der Dynamik des llullschen Ternars, dem die Dreieinheit in der formalen Struktur und innerer Fruchtbarkeit der Liebe gesehen wird: Sic si respicio in amorem, in ipso reperio amorem amantem, amorem amabilem et amorem qui est amare utriusque. Si ad essentiam amoris Dei unitrini respicio ante quantitatem et omne accidens, quid me impedii fateri amorem amantem Patrem, amorem amabilem Filium, et utriusque amare Spiritum Sanctum? Nonne videmus quod amor amans de se generai amabilitatem, sicut amor paternus generat amabilitatem Filii, ex quibus procedit amoris nexus utriusque? Quid mirum si Pater amans voluit humanam naturam desponsari Filio suo amabili per Spiritum Sanctum, qui es nexus amoris utriusque, quando illam perditam et errantem naturam voluit ad suum 135
Vgl. dazu Aristoteles, Met. A 7, 1072 b 20: »co/röv
voei ö voüs
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HEräXrnfiv
toG voT)ToO vorjTÖs yctp yiyvrrai Öiyydvcov Ka! vocöv, coots tccutöv voüs Kai vor|TÖv. Die Verwandtschaft des Korrelativenternars mit der aristotelischen Darstellung der menschlichen Selbsterkenntnis entdeckte Nikolaus um 1455, als er die AristotelesÜbersetzung von Bessarion durchlas. So schreibt er z. B. zum X I I . Buch der Metaphysik: Deus est intellectus, idem Deus est intelligibilis et idem Deus est actus; sed Deus intelligens non est Deus intelligibilis et Deus intelligere seu actus utriusque non est Deus intelligens seu Deus intelligibilis; sunt enim distinctae illa relationes in Deo; in unitate itaque essentiae et identitate substantiae sunt illae correlationes (Cod. vat. lat. 1245, 1 1 4 r a ; Raubst, Das Bild, 77 Anm. 46). De vis. Dei c. 19 ( B 200).
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amorem revocare? Quod utique perfectius fieri nequivit quam quod in unione sui amabilis Filii per Spiritum Sanctum necteretur 137 . Aus dem llullschen Korrelativenternar her öffnete sich der cusanischen Trinitätsspekulation der Zugang zu anderen Ternaren, die den Korrelativen nahekommen. So wird z. B. in De mente das Dasein der Dinge (posse factum) auf ein absolutes Machenkönnen (posse facere) und ein absolutes Werdenkönnen (posse fieri) zurückgeführt, welche durch die absolute Verbindung geeint sind 138 . Dementsprechend wird Gott durch die Dreieinheit des absoluten posse facere ( = factivum), posse fieri ( = factibile) und des nexus beider ( = facere) bestimmt 139 . In De Possest steigt Cusanus aus der Möglichkeit (possibilitas) und Wirklichkeit (actualitas) der jeweiligen Kreatur zur absoluten Möglichkeit und Wirklichkeit empor, die in Gott mit der absoluten Verknüpfung (nexus) gleich ewig sind 140 . In De venatione sapientiae entfaltet Nikolaus aus dem Können (posse) einen Ternar, der wiederum in etwa dem llullschen entspricht. Das kreatürliche Werdenkönnen (posse fiere) und gewordene Können (posse factum) werden auf das göttliche Machenkönnen (posse facere) zurückgeführt141. Der Korrelativenternar ist keineswegs der einzige Ausdruck für die göttliche Dreieinigkeit, den Cusanus in seinem Schrifttum gebraucht hat. Die Versuche, immer neue und entsprechendere trinitarische Begriffe zu finden, durchziehen das ganze cusanische Werk. Er verwendet z. B. sehr oft die augustinischen Ternare Unitas, Aequalitas, Connexio142 und Mens, Notitia, Amor148. Dazu kommen auch die Begriffe: G. V. Bredow, Das Vermächtnis (HSB 1955, 46 n. 45—46). Idiota de mente c. 11 (H 94, 7ff.). 1 3 9 Idiota de mente c. 11 (H 95, 6—8) : Attende igitur, quomodo absolutum posse fieri et absolutum posse facere et nexus non sunt nisi unum infiniti absolutum et una deitas. 1 4 0 De possest (B 250) : Possibilitas ergo absoluta, de qua loquimur, per quam ea, quae actu sunt, actu esse possunt, non praecedit attualitatern neque etiam sequitur. Quomodo enim actualitas esse posset, possibilitate non existente ? Coaetema ergo sunt absoluta potentia et actus et" utriusque nexus. Neque sunt plura aeterna, sed sic sunt aetema, quod ipsa aeternitas. Vgl. auch ebd. (B 259ff.). 141 De ven. sap. c. 39 (B 330) : Quia nihil factum est, quod non potuit fieri, et nihil se ipsum facere potest, sequitur quod triplex est posse, scilicet posse facere, posse fieri et posse factum. Ante posse factum posse fieri ; ante posse fiere posse facere. Principium et terminus posse fieri est posse facere; posse factum per posse facere de posse fieri est factum. Das Verhältnis der drei Momente wird dann am Beispiel des dreifachen kreatiirlichen Warmmachenkönnens, Warmwerdenkönnens und warmgewordenen Könnens verdeutlicht (ebd. B 330). 148 Vgl. De doct. Ign. I, 7 (H 15—16) ; Idiota de sap. I (H 19—20) : Dies santific. (HSB 22ff.) usw. 143 Vgl. Haubst, Das Bild, 152 ff. 1,7
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hoc, id, idem oder unitas, iditas, identitas144 und mehrere trinitarische Analogien145. Andere Anwendungen des Korrelativentemars auf die Schöpfung werden wir später behandein. Zusammenfassend stellen wir nun fest: 1. Nikolaus von Kues hat die Korrelativenlehre des Raimund Llull teils unverändert, teils mehr oder minder abgewandelt in seine Trinitätsspekulation aufgenommen. Auf Augustin zurückgreifend, verwendet er vor allem den llullschen Ternar, um die dreieinige Struktur der Erkenntnis und der Liebe hervorzuheben. 2. Beim Gebrauch der drei Korrelativen kommt auch bei Cusanus die llullsche Sicht zur Geltung, daß sie nämlich die höchste Identität des Göttlichen auch innerhalb der persönlichen Verschiedenheit ausdrücken. 3. Der llullschen Korrelativenlehre kommt bezüglich der cusanischen Trinitätsspekulation eine grundlegende Bedeutung zu. Damit ist nicht nur der Sachverhalt gemeint, daß die llullschen Korrelativen in mehreren Schriften des Cusanus vorkommen. Wichtiger als dies scheint uns der Einfluß, den die Korrelativenspekulation auf die Formung des cusanischen Denkens ausgeübt hat. Die Korrelativen verleihen dem Denken des Raimund Llull den Rhythmus des trinitarischen Urlogos. Von diesem triadischen Rhythmus ist auch das cusanische Denken erfüllt148. Die llullschen, relativen Prinzipien werden auch von Cusanus in der Gotteslehre verwendet. In De Concordantia catholica schließt Nikolaus >" De doct. Ign. I, 9 (H 18). 145 Vgl. Haubst, Das Bild, 145 ff. n» Vgl. Haubst, Das Bild, 83: »Alles in allem ist die Trinitätslehre Lulls für die des Nikolaus von Kues insofern grundlegend geworden, als kein anderer diesem von früh an so stark den Rhythmus eines trinitarisch bestimmten Denkens einprägte und niemand dessen Trinitätsauffassung so sehr mit dem Geiste der dionysisch-bonaventurischen Tradition erfüllte wie Raimundus I.ullus«. Kürzlich ist dieser triadische Rhythmus des llullschen Denkens angezweifelt worden. Nach der Studie von Francés A. Yates, The Art of R. Lull, wäre die Auffassung Llulls eher quatemarisch. Die Verfasserin stützt sich in ihrer Behauptung auf die Tatsache, daß die Zahl der Grundwürden in den ersten Aufzählungen (vgl. Ars comp. Mz Bd. 1, 2) sechzehn beträgt, also das Quadrat von vier, und daß sowohl im Liber principiorum mediciuae wie auch im Tractatus novus de astronomía die Zahl vier eine bedeutende Rolle spielt. Aber diese Texte beweisen nur, daß das llullsche Denken, dessen reiche Entwicklung ja bekannt ist, in seinen Anfängen eine eher quaternarische als ternarische Grundlage besaß. Wir sagen eher quatemarisch, denn bereits in der ersten Ars magna fehlt es nicht an temarischen Elementen. Es sei hier beispielsweise an die Figur T erinnert, die aus fünf Dreiecken besteht, deren jedes eine Dreiergruppe von Prinzipien darstellt (vgl. Ars comp. Mz Bd. 1, 3). Auf jeden Fall steht außer allem Zweifel, daß die llullsche Kunst von der Ars inventiva ab, wo Llull zum erstenmal die Grundwürden auf neun, d. h. auf das Quadrat von drei, reduziert, eine ternarische, ja besser noch trinitarische Seinsauffassung zeigt. Solche Auffassung gipfelt in der Lehre von den Korrelativen, welche den Lebensrhythmus des dreieinen Gottes durch den Schöpfungsakt der Welt mitteilen. Siehe darüber J . Pring Mill, The Trinitarian World Picture of Ramón Lull (Romanist. Jahrb. VII, 229ff.), wo sich der Oxforder Professor mit der These Yates auseinandersetzt.
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im Anschluß an Raimund 147 jede contrarietas von Gott aus und sieht die göttliche Dreieinigkeit in der concordantia differentium : Et quia manifestissimum est omne esse et vivere per concordantiam constitui, tunc in illa divina essentia, ubi vita et esse unum sunt summa aequalitate, est summa et infinita concordantia. Quoniam ibi nulla contrarietas locum habere potest, ubi aeternitas vita est. Omnis autem concordantia differentiarum est. Et quanto minor contrarietas in differentiis, tanto fortior concordantia et longior vita. Et ibi aeterna tunc est, ubi nulla contrarietas . . . Ecce inexpressabilem concordantiam in Deo uno et trino, a qua concordantia volenti subtilius indagare, quomodo cuncta perfectionalia de Deo dicibilia et cogitabilia in summa concordantia unius essentiae et trium personarum sunt, maxima et incomprehensibilis veritas, quae ex hoc discursu oculis intellectus obicitur, elici potest 148 . Wir wiesen am Anfang des Abschnittes darauf hin, daß die llullsche Gotteslehre zur Vorbereitung des cusanischen Koinzidenzgedankens beigetragen habe 149 . Diese Vorbereitung besteht aus dreierlei Gründen : 1. Die llullsche Lehre von den transzendenten Punkten zusammen mit der kritischen Betrachtung des Liber contemplationis 150 über das Versagen jeder endlich-menschlichen Erkenntnis gegenüber dem unendlichen Gott dürfte den geistigen Blick des Cusanus über jedes sinnhafte und rationale Erkennen hinweg auf die Unendlichkeit Gottes erhoben haben, wo sich die Widersprüche unserer Erkenntnis als scheinbar zeigen; 2. in der Grundwürdenlehre fand Cusanus weiter einen logischen und realen Zusammenfall der unserer Erkenntnis nach verschiedenen göttlichen Prinzipien. Symbol dieser kreisförmigen Vertauschbarkeit der göttlichen Grundwürden ist die Figur A, die »Herrin und Kaiserin aller Figuren«161, die Gott in seiner absoluten Identität vertritt. Gewiß ist der Ausdruck »coincidentia« bei Llull nicht vorhanden. Nikolaus konnte ihn in der Darstellung der llullschen Kunst finden, die sein Lehrer Heimerich der Disputatio de potestate ecclesiastica beigelegt hat 152 ; 3. eine ähnliche Koinzidenz findet sich auch in der Korrelativenlehre. Auch dort fallen die drei Korrelative, obwohl sie der Person nach verschieden sind, mit der göttlichen Natur zusammen. Sehr treffend bemerkt Platzeck: »Wir stehen hier vor einer coincidentia oppositorum ganz besonderer Art, die der oppositio Vgl. oben S. 59. De con. cath. I, 1 (H. 33 19—34 12). Vgl. auch ebd. I, 2 (H 35—36). Vgl. oben S. 85. 160 Vgl. oben S. 50. 151 Taula general, dist. 1 (ORL Bd. 16, 301). 152 Vgl. Cod. Cus. 106, 108v 14—18. Dazu siehe auch oben S. 26f. Über den Beitrag Heimerichs zum cusanischen Koinzidenzgedanken siehe Haubst, Das Fortleben, 432 ff. 148
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C o l o r a c i , Nikolaus v. Kues u. Raimund Llull
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diversorum vorausgeht, weil sie die Koinzidenz bezeichnet zwischen dem Einen und dem Anderen schlechthin. Diese Koinzidenz ist offenbar nicht das einfache Zusammenfallen von vielem in Identitätseinheit, sondern die Bewahrung der Dreipersönlichkeit Gottes innerhalb der Identitätseinheit der Natur Gottes«153. Unseres Erachtens werden diese Gründe genügen, um Raimund Llull eine nicht unwichtige Rolle in der Vorgeschichte der cusanischen coincidentia oppositorum einzuräumen 154 . b) Das Universum
Raimund Llull und Nikolaus von Kues steigen von der Betrachtung Gottes zur Betrachtung der Welt herab 165 . Für sie ist die Welt ein Abbild des Schöpfers, ein wunderbares Buch, in dem der eine und dreieinige Gott sich offenbart hat 1 5 4 . Demgemäß bildet die cusanische Kosmologie den großartigen Versuch, im Buche der Schöpfung die Offenbarung des einen und dreieinigen Gottes abzulesen. Diese Idee ist ein Lieblingsgedanke des christlichen Neuplatonismus und braucht deswegen auf keinen besonderen llullschen Einfluß zurückgeführt zu werden. In deren Durchführung verwendet jedoch Cusanus mehrere Motive, die auf Raimund Llull eindeutig verweisen. Sie sind besonders in den Cusanus-Predigten reichlich zu finden. Die Hauptmotive durchziehen aber das ganze cusanische Werk. Wir wollen nun auf ihre Darstellung kurz eingehen. Gott schuf die Welt aus reiner Gutheit nach dem Bild und Gleichnis seiner Grundwürden. Diesen llullschen Gedanken führt Cusanus in Sermo 3 an: Placuit suae bonitati effluenti extra suam essentiam bonificare et creare . . . Ab optimo non nisi optima: quia ex nihilo ad similitudinem 1U
Platzeck, Lullsche Gedanken, 363f.; siehe auch Haubst, Das Büd, 68. Ernst Hoffmann, Die Vorgeschichte der cus. coincidentia oppositorum, versucht, den Koinzidenzgedanken, wie auch das cusanische Denken überhaupt aus der Antike herzuleiten. Die Koinzidenz habe Cusanus von niemandem übernommen, sondern er selbst habe sie gefunden (S. 31). Doch ihre Vorbereitung lag nach Hoffmann im antiken Denken: Die Koinzidenz in Gott ist neuplatonisch (areopagitisch) (S. 34 Anm. 39). Ohne den Zusammenhang des cusanischen Koinzidenzgedankens mit der neuplatonisch-areopagitischen Spekulation zu leugnen, meinen wir jedoch, daß Raimund Llull aus seiner Gotteslehre her der cusanischen coincidentia näherkommt. Llull selbst steht übrigens hier im Banne der neuplatonischen Tradition, im besonderen derCT