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German Pages 375 Year 2004
Beiträge zum Informationsrecht Band 8
Netzzugang in der Telekommunikation Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 33 TKG
Von Sonja Kallmayer
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
SONJA KALLMAYER
Netzzugang in der Telekommunikation
Beiträge zum Informationsrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Hansjürgen Garstka, Prof. Dr. Michael Kloepfer, Prof. Dr. Friedrich Schoch
Band 8
Netzzugang in der Telekommunikation Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 33 TKG
Von Sonja Kallmayer
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität des Saarlandes hat diese Arbeit im Wintersemester 2002 / 2003 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2004 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1619-3547 ISBN 3-428-11253-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Meinen Eltern
Geleitwort Die vorgelegte Dissertation widmet sich einer rechtstatsächlich wie rechtsdogmatisch gleichermaßen komplexen Fragestellung, dem telekommunikationsgesetzlichen Anspruch von Wettbewerbern auf Zugang zu Telekommunikationsnetzen von marktbeherrschenden Unternehmen und seiner Vereinbarkeit mit den Wirtschaftsgrundrechten des Grundgesetzes. Maßstäbe für die Verfassungsmäßigkeit des in § 33 Abs. 1 Telekommunikationsgesetz wurzelnden Netzzugangsanspruchs bilden die vielschichtigen Grundrechte der Eigentumsfreiheit, der Berufsfreiheit und des allgemeinen Gleichheitssatzes. Diese telekommunikationsgesetzliche Norm soll neuen Telekommunikationsunternehmen, die kein eigenes Netz haben, Zugang zu bestehenden Telefonnetzen marktbeherrschender Unternehmen gewähren. Hauptanwendungsfall ist das Festnetz der Deutsche Telekom AG. Besonders hervorhebenswert ist die fundierte und fachkundige Präsentation der fernmeldetechnischen Grundlagen, insbesondere des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung, sowie die profunde Erarbeitung der relevanten ökonomischen Rahmenbedingungen und Zusammenhänge der Telekommunikation als Wirtschaftsbereich. Dabei entwickelt die Verfasserin ein außergewöhnliches Verständnis für die Privatisierung und Entmonopolisierung der vormals allein staatlich bewirtschafteten Märkte der Telekommunikation sowie für die Infrastrukturgebundenheit dieses Wirtschaftssektors. Angesichts der relativ jungen Materie des Telekommunikationsrechts verdient die mit der vorgelegten Dissertation geleistete wissenschaftliche Durchdringung des einfachgesetzlichen Regelungsmodells „Netzzugang“ besondere Anerkennung. Betonenswert ist dabei, dass die Arbeit die gemeinschaftseuropäische Rechtsetzung einschließlich der zum 2. 1. 2001 in Kraft getretenen Teilnehmeranschlussverordnung sowie der Kommunikationsrichtlinien aus dem Monat März 2002 berücksichtigt. Über all diese Vorzüge hinaus beeindrucken die eigentumsgrundrechtlichen Ausführungen der Verfasserin, die in Gestalt der von ihr so bezeichneten „relationsorientierten“ Güter- und Interessenabwägung im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Angemessenheit der Netzzugangsnorm einen Beitrag zur Fortentwicklung der Dogmatik der Eigentumsgarantie leisten. Die Landesgraduiertenförderung Saar gewährte der Verfasserin ein Stipendium für die Erstellung dieser Arbeit. Einrichtungen wie diejenige der Landesgraduiertenförderung sind für den wissenschaftlichen Nachwuchs von besonderer Wichtigkeit. Promotionsvorhaben werden nicht allein aufgrund idealistischen Strebens verwirklicht. Vielmehr müssen sie auch in materieller Hinsicht realisierbar sein. Saarbrücken, im Juli 2003
Professor Dr. Rudolf Wendt
Vorwort Die vorliegende Arbeit hat im Wintersemester 2002 / 2003 der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität des Saarlandes als Dissertation vorgelegen. Die Untersuchung setzt sich im Schwerpunkt mit der Frage auseinander, ob die Netzzugangsnorm des § 33 Abs. 1 Telekommunikationsgesetz den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstäben der Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt., Satz 2 und Abs. 2 Grundgesetz), der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz) sowie des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) genügt. Fernmeldetechnische, netzökonomische sowie wettbewerbs- und europarechtliche Besonderheiten eines privatisierten früheren Staatsmonopols bilden dabei die komplexe wie spannende Ausgangslage. Die Fertigstellung dieser Arbeit nehme ich zum Anlass, all denen zu danken, die mich bei meinem Vorhaben unterstützt haben. Meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Rudolf Wendt, gilt mein besonderer Dank für die inhaltliche Betreuung der Arbeit und die wertvollen, insbesondere verfassungs- und eigentumsdogmatischen Hinweise, mit denen er die Ausarbeitung in einem offenen Diskurs begleitete. Herrn Professor Dr. Torsten Stein gebührt Dank für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens sowie für die Anregungen hinsichtlich der europarechtlichen Besonderheiten bei der Würdigung der Netzzugangsnorm des § 33 Abs. 1 Telekommunikationsgesetz. Hervorheben möchte ich an dieser Stelle den Beitrag von Frau Dr. Heike Jochum für das Werden und das Gelingen meiner Promotion. Durch kontinuierliche Diskussionsbereitschaft – auch über transatlantische Entfernungen –, kompetenten Rat und eine ermutigende Herzlichkeit gelang es ihr immer wieder, den Fortgang der Arbeit zu fördern. Nicht versäumen möchte ich auch, Herrn Dr. Hans Jürgen Meyer-Lindemann zu danken, der es mir ermöglichte, während meiner Tätigkeit in der Anwaltssozietät Shearman & Sterling in New York, Düsseldorf und Brüssel meinen Zugang zum US-amerikanischen, deutschen und Gemeinschaftskartellrecht zu vertiefen. Besonderer Dank gilt meinem Ehemann Axel, meiner Familie und meinen Freunden für ihre Rücksichtnahme, ihren Verzicht auf gemeinsame Zeit und ihre vielfältigen Hilfestellungen. Die Veröffentlichung der Dissertation wurde von der Vereinigung der Freunde der Universität des Saarlandes großzügig unterstützt. Allen Mitgliedern der Vereinigung und insbesondere Herrn Professor Dr. Torsten Stein danke ich für diese Förderung sehr herzlich. Sonja Kallmayer
Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Teil 1 Staatliche Marktsteuerung im deutschen Telekommunikationssektor
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A. Privatisierung, Entmonopolisierung und Regulierung in infrastrukturgebundenen Wirtschaftssektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Besonderheiten infrastrukturgebundener Wirtschaftssektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
II. Regulierung durch Netzzugang im Telekommunikations-, Strom- und Gassektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
III. Sonstige Zugangsregulierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Telekommunikationsrechtliches Normenprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51
I. Entstehungsgeschichte des Telekommunikationsgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Postreform I von 1989 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
2. Postreform II von 1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
3. „Postreform III“: Das Telekommunikationsgesetz vom 25. Juli 1996 . . . . . . . .
56
4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben für das deutsche Telekommunikationsrecht
60
1. Entwicklung des Gemeinschaftssekundärrechts in der Telekommunikation bis Dezember 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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a) Entmonopolisierungsrichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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b) Harmonisierungsrichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
66
c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70
12
Inhalt 2. Teilnehmeranschlussverordnung vom 18. Dezember 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
71
3. Kommunikationsrichtlinienpaket vom 7. März 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Teil 2 Netzzugang in der Telekommunikation – unter besonderer Berücksichtigung des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung
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A. Fernmeldetechnischer Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Legaldefinierte fernmeldetechnische Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Aufbau des Festnetzes der Deutsche Telekom AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Zugangs- und Ortsnetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Fernnetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Teilnehmeranschlussleitung als Ausschnitt aus dem Zugangsnetz der Deutsche Telekom AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Alternativen zu schmalbandigen, symmetrischen Kupferdoppeladern im Zugangsnetzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Glasfaser- oder Lichtwellenleiterkabel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Richtfunkverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
92
3. Kupferkoaxialkabel des Kabelfernsehnetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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4. Stromleitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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V. Netzzugang und Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Netzzugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
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2. Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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a) Entbündelter Zugang, gebündelter Zugang, „line-sharing“ . . . . . . . . . . . . . . .
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b) Entbündelter Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung in drei Anwendungsfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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aa) Zugang am Hauptverteiler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 bb) Zugang am Kabelverzweiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 cc) Zugang am Abschlusspunkt der Linientechnik (Inhouse-Zugang) . . . 102 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 B. Ökonomischer Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 I. Unternehmensstrategische Bedeutung des Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 1. Perspektive der Wettbewerber des Netzeigentümers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 2. Perspektive des Netzeigentümers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 II. Ökonomische Konsequenz des Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung . . . . . . . 108 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
Teil 3 Regulierung durch Netzzugang nach dem Telekommunikationsgesetz – unter besonderer Berücksichtigung des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung
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A. Überblick über die Instrumentarien zur Netzzugangsregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 B. Verhältnis von § 33 TKG zu § 35 TKG unter Berücksichtigung der Netzzugangsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 I. Herrschende Auffassung: § 33 TKG ist Grundnorm, die § 35 TKG teils konkretisiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
14
Inhalt II. Andere Auffassungen in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 1. § 33 TKG und § 35 TKG beziehen sich nicht aufeinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 2. § 35 TKG als lex specialis zu § 33 TKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 3. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
C. § 33 Abs. 1 TKG: Privatrechtliche Anspruchsgrundlage auf Zugang zu wesentlichen Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 I. Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 1. Anspruchsverpflichteter des § 33 Abs. 1 TKG in Verbindung mit § 35 Abs. 1 Satz 1 TKG: Marktbeherrschend Telekommunikationsdienste anbietender Netzbetreiber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 a) Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . 122 b) Märkte für Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit . . 123 aa) Zugangs- und Endkundenmärkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 bb) Bezugsebene für die Marktmachtbestimmung: Zugangsmärkte oder Endkundenmärkte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 c) Besonderer Anbieter (§ 35 Abs. 1 Satz 1 TKG) auf einem Zugangsmarkt 128 d) Marktabgrenzung zur Marktmachtbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 aa) Methode der Marktabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 (1) Ex-post-Bedarfsmarktkonzept des § 19 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 (2) Ex-ante-Formalisierungskonzept nach Gemeinschaftssekundärrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 (3) Zwischenergebnis – Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 bb) Relevanter Zugangsmarkt im Hinblick auf die nachgefragte Nutzung der entbündelten kupfernen Teilnehmeranschlussleitung . . . . . . . . . . . . 134 (1) Sachlich relevanter Zugangsmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 (2) Räumlich relevanter Zugangsmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 e) Marktmachtbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 aa) Beherrschende Stellung nach § 19 GWB oder „beträchtliche Marktmacht“ des besonderen Anbieters nach Gemeinschaftssekundärrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 (1) Marktbeherrschung nach § 19 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 (2) „Beträchtliche Marktmacht“ nach Gemeinschaftssekundärrecht? 138 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140
Inhalt
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bb) Beherrschende Stellung des besonderen Anbieters nach § 19 GWB 140 (1) Auf dem sachlich relevanten Zugangsmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 (2) Auf dem räumlich relevanten Zugangsmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 2. Anspruchsberechtigter des § 33 Abs. 1 TKG: „Wettbewerber“ . . . . . . . . . . . . . . 142 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 II. Anspruchsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 1. Leistungen des Anspruchsverpflichteten im Sinne des § 33 Abs. 1 TKG . . . . 143 a) Leistungsbegriff des § 33 Abs. 1 TKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 b) Intern genutzte oder am Markt angebotene Leistung des Anspruchsverpflichteten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 c) Wesentlichkeit der Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 d) Umfang der Leistung – Grundsatz nachfragegerechter Entbündelung . . . . 148 e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 2. Zugangsermöglichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 a) Diskriminierungsfrei – Keine Ungleichbehandlung, keine Behinderung . . 152 b) Anforderungen des § 35 Abs. 2 Satz 1 TKG: Objektivität, Nachvollziehbarkeit, Gleichwertigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 III. Anspruchsbegrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 1. Sachliche Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 2. Billigkeit einer Behinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 3. Qualifizierte Anforderungen an die sachliche Rechtfertigung und Billigkeit von Zugangsbeschränkungen nach § 35 Abs. 2 Satz 2 TKG . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 4. Sachliche Rechtfertigung einer nicht nachgefragten Entbündelung, § 2 Satz 3 NZV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 5. Kapazitätsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 6. Kündigungsmöglichkeiten und Anpassung des Vertrages über den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung in Abhängigkeit zur Nachfragelage . . . . . . . . . 161 7. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
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Inhalt IV. Anspruchsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166
D. § 33 Abs. 2 TKG: Ermächtigungsgrundlage zur besonderen Missbrauchsaufsicht . . . 167 I. Tatbestandsvoraussetzungen des § 33 Abs. 2 TKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 1. „Anbieter, der gegen § 33 Abs. 1 TKG verstößt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 2. „Soweit dieser Anbieter seine marktbeherrschende Stellung missbräuchlich ausnutzt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 II. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 1. Entschließungsermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 2. Auswahlermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 a) Bestimmtes Verhalten auferlegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 b) Verhalten untersagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 c) Verträge ganz oder teilweise für unwirksam erklären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 III. Besonderheiten für den Rechtsschutz gegen Beanstandungs- und Missbrauchsverfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
Teil 4 Die Untersuchung der Verfassungsmäßigkeit der Netzzugangsregelung des § 33 TKG am Beispiel des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung
181
A. Prüfungsgegenstand: § 33 Abs. 1 TKG oder § 33 Abs. 2 TKG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 B. Prüfungsmaßstab: Gemeinschaftsgrundrechte oder Grundrechte des Grundgesetzes? 183 C. Prüfungsvoraussetzung: Grundrechtsberechtigung der Deutsche Telekom AG . . . . . . . 191 I. Gründung des Unternehmens Deutsche Telekom AG im Privatisierungskontext 192
Inhalt
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II. Grundrechtsschutz für „vorübergehend“ gemischt-wirtschaftliche Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 1. Zur herkömmlichen Interpretation des Art. 19 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 2. Interpretation des Art. 19 Abs. 3 GG für „vorübergehend“ gemischt-wirtschaftliche Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 a) Rechtsnatur des unternehmerischen Aufgaben- und Funktionsbereiches 197 b) Staatliche Einflussnahme auf Aufgaben und Funktionen der Aktiengesellschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 c) Haushaltsrechtliche Prämissen für den Grundrechtsschutz „vorübergehend“ gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 D. Prüfungsprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 I. Verhältnis zwischen Eigentums- und Berufsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 II. Verhältnis zwischen grundrechtlichen Gleichheits- und Freiheitsverbürgungen 207 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
Teil 5 Eigentumsfreiheit, Berufsfreiheit und Gleichheit als wirtschaftsgrundrechtliche Vorgaben des Grundgesetzes für den entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung gemäß § 33 Abs. 1 TKG
211
A. Eigentumsfreiheit nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 I. Gewährleistungsgehalt des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 1. „Eigentum“ im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 2. Umfang und Intensität des gewährleisteten Eigentumsschutzes . . . . . . . . . . . . . . 215 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 2 Kallmayer
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Inhalt II. Eigentumsbeeinträchtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 1. Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 a) Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG: Inhaltsbestimmung und Schrankenziehung oder Inhalts- und Schrankenbestimmung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 b) Enteignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 2. Abgrenzungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 a) Materielle Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 b) Kriterium der eigentumsähnlichen Position des Enteignungsbegünstigten 229 c) Formalisierte Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 d) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigungsprogramme für Eigentumsbeeinträchtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 1. Rechtfertigungsprogramm für Enteignungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 2. Rechtfertigungsprogramm für Inhalts- und Schrankenbestimmungen . . . . . . . . 237 a) Durchformungsgrad des Verfassungsmäßigkeitsprogramms nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung und der herrschenden Literatur . . . 238 b) „Relationsorientierter“ Durchformungsgrad des Verfassungsmäßigkeitsprogramms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248
B. Vereinbarkeit des § 33 Abs. 1 TKG mit dem Grundrecht der Eigentumsfreiheit bezogen auf die Fallkonstellation „entbündelter Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 I. Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG durch § 33 Abs. 1 TKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 1. Personaler Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG . . . . . . . . . . . . . . 251 2. Sachlicher Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG . . . . . . . . . . . . . . 252
Inhalt
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3. Eigentumsbeeinträchtigung durch die Netzzugangsanspruchsnorm § 33 Abs. 1 TKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 a) Eingriffsqualität des § 33 Abs. 1 TKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 b) Eingriffsart des § 33 Abs. 1 TKG: Inhalts- und Schrankenbestimmung oder Enteignung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 II. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der inhalts- und schrankenbestimmenden Regelung des § 33 Abs. 1 TKG unter besonderer Berücksichtigung des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 1. Überblick: Relationsorientiert durchformte Anwendung des Übermaßverbotes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 2. Zweck der Netzzugangsanspruchsnorm § 33 Abs. 1 TKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 a) Wettbewerbseröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 b) Wahrung von Wettbewerberinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 3. Geeignetheit des Zugangsermöglichungsanspruchs des § 33 Abs. 1 TKG bezogen auf die Ziele der Wettbewerbseröffnung und Wahrung der Wettbewerberinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 4. Erforderlichkeit des Zugangsermöglichungsanspruchs des § 33 Abs. 1 TKG zur Wettbewerbseröffnung und Wahrung der Wettbewerberinteressen . . . . . . . 266 a) Primat der Vertragsfreiheit über gesetzlichen Zugangsermöglichungsanspruch des § 33 Abs. 1 TKG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 b) Gesetzlicher Anspruch auf Zugangsermöglichung zu „anbieterbestimmt gebündelter Leistung“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 c) Gesetzlicher Anspruch auf Zugangsermöglichung nach einem drittbedarfsadäquaten Mitbenutzungsmodell bei fortbestehender Technikherrschaft des Netzeigentümers? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 d) Modell des „verbändeverhandelten“, selbstregulierten Netzzugangs? . . . . 271 e) Verzicht auf regulierungsbehördliche Ermächtigungsgrundlage des § 33 Abs. 2 TKG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 5. Angemessenheit der durch den Zugangsermöglichungsanspruch des § 33 Abs. 1 TKG bewirkten Netzeigentumsverkürzung nach Maßgabe einer relationsorientierten Güter- und Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 a) Spezifität des Eigentumsobjektes „Telekommunikationsnetz“ . . . . . . . . . . . 274 2*
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Inhalt aa) Als Schutzgut des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 bb) Als sozialgebundenes Gut des Art. 14 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 (1) Telekommunikationsfestnetz als singuläres Eigentumsobjekt . . . . 275 (2) Telekommunikationsnetz als „Herrschaftseigentumsobjekt“ . . . . . 276 (3) Vollständige Angewiesenheit Dritter auf die Nutzung des Telekommunikationsnetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 (4) „Sozial-investitative Herkunft“ des Telekommunikationsnetzes 277 (5) Verstärkung des Sozialbezugs des Festnetzes der Deutsche Telekom AG durch Zuordnung des Breitbandkabelnetzes . . . . . . . . . . . . 278 (6) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 b) Spezifität der Gesetzeszwecke Wettbewerbseröffnung und Wahrung der Wettbewerberinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 aa) Tatsächliche Wettbewerbseröffnung auf Endkundenmärkten für Telekommunikationsdienste durch Abbau der wesentlichen Marktzutrittsbarriere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 bb) Wahrung der Interessen neuer Anbieter von Endkundendiensten ohne eigenes Netz im Teilnehmeranschlussbereich durch Zugangsermöglichung zur vorhandenen Infrastruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 c) Gesetzgeberischer Legitimationsaufwand nach Maßgabe der eigentumsfreiheitlichen Schutzintensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 d) Eingriffslegitimierende Kraft der spezifischen Gesetzeszwecke . . . . . . . . . . 284 e) Verstärkung der abzuwägenden Güter durch mitbeeinträchtigte beziehungsweise hinzutretende Positionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 aa) Eigentumsschutz verstärkt durch Berufsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 bb) Verstärkung des Eingriffszwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 (1) Janusköpfigkeit des Eingriffszwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 (2) Berufsgrundrechtliches Gebotensein der Wahrung von Wettbewerberinteressen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 (3) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 f) Zweidirektionale Evaluierung des Eingriffsmittels § 33 Abs. 1 TKG zur Gewichtsbestimmung des Eingriffszwecks in Relation zum Eigentumsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 aa) Ausmaß der Förderung des Eingriffszweckes durch § 33 Abs. 1 TKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291
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bb) Ausmaß der Berücksichtigung von Eigentümerinteressen in der Ausgestaltung des § 33 Abs. 1 TKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 (1) Immanenter Selbsterledigungscharakter der primären Stoßrichtung des § 33 Abs. 1 TKG gegen die Deutsche Telekom AG . . . . 292 (2) Anspruchsbegrenzung gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz TKG, § 2 Satz 3 NZV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 (3) Anspruchsbegrenzung in Abhängigkeit von der Nachfragelage . . 296 (4) Anspruchsbegrenzung in Abhängigkeit von den Netzkapazitäten 297 (5) An den Kosten einer effizienten Leistungserbringung orientiertes Entgelt für die Gewährung von Netzzugang, § 39 TKG in Verbindung mit § 24 Abs. 1 TKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 (6) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 g) Gesetzgeberischer Legitimationsaufwand nach Maßgabe eigentumsgrundrechtlicher Sachgerechtigkeit des Eingriffsmittels § 33 Abs. 1 TKG 302 h) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 C. Vereinbarkeit des § 33 Abs. 1 TKG mit dem Grundrecht auf Berufsfreiheit, insbesondere für den Fall „entbündelter Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung“ . . . . . . 308 I. Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG durch § 33 Abs. 1 TKG . . 309 1. Sachlicher und personaler Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . 309 2. Verkürzung der Berufsfreiheit durch § 33 Abs. 1 TKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 II. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Berufsausübungsregelung des § 33 Abs. 1 TKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 1. Qualifizierung des § 33 Abs. 1 TKG als Berufsausübungsregelung? . . . . . . . . 315 2. Verfassungsrechtliches Rechtfertigungsprogramm für die Berufsausübungsregelung des § 33 Abs. 1 TKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 a) Vernünftiges Gemeinwohlinteresse als Vorgabe für den Zweck des § 33 Abs. 1 TKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 b) Geeignetheit und Erforderlichkeit des Zugangsermöglichungsanspruchs des § 33 Abs. 1 TKG zur Wettbewerbseröffnung und Wahrung der Wettbewerberinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318
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Inhalt c) Angemessenheit der Berufsausübungsverkürzung bezogen auf das Gewicht des eingriffslegitimierenden Gesetzeszweckes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 aa) Berufsgrundrechtliche Maßstäblichkeiten für die Güter- und Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 (1) Spezifität des Schutzgutes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 (2) Berufsgrundrechtliche Schutzintensität als Maßstab für den gesetzgeberischen Legitimationsaufwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 (3) Berufsgrundrechtliche Sachgerechtigkeit des Eingriffsmittels als weiterer Maßstab für den gesetzgeberischen Legitimationsaufwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 bb) Spezifität und eingriffslegitimierende Kraft des Gesetzeszweckes; Verstärkung der abzuwägenden Güter durch zusätzliche Positionen; Evaluierung des Eingriffsmittels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323
D. Vereinbarkeit des § 33 Abs. 1 TKG mit dem allgemeinen Gleichheitssatz, insbesondere für den Fall „entbündelter Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung“ . . . . . . . . . . . 323 I. Entwicklung eines Prüfungsprogramms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 1. Ermittlung der relevanten Ungleichbehandlung durch sachgerechte Bildung vergleichbarer Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 2. Entwicklung eines Maßstabs für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 a) Maßstabsentwicklung in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung . . 326 b) Maßstabsvorschläge in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 c) Individueller Maßstab, der im jeweiligen Einzelfall aus dessen Besonderheiten zu ermitteln ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 II. Anwendung des entwickelten Prüfungsprogramms auf § 33 Abs. 1 TKG, insbesondere für den Fall des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 1. Ermittlung der relevanten Ungleichbehandlung durch sachgerechte Bildung vergleichbarer Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 2. Entwicklung der individuellen Legitimationsmaßstäbe für die durch § 33 Abs. 1 TKG bewirkten Ungleichbehandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340
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a) In der Relation zugangsmarktbeherrschende Anbieter von Telekommunikationsdiensten, insbesondere Deutsche Telekom AG, zu ihren Wettbewerbern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 b) In der Relation Anbieter von Telekommunikationsdiensten zu Anbieter von Produkten anderer infrastrukturgebundener Wirtschaftsbereiche, die jeweils zugangsmarktbeherrschend, insbesondere Deutsche Telekom AG zu Gasversorgern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 3. Legitimation der durch § 33 Abs. 1 TKG bewirkten Ungleichbehandlungen nach Maßgabe der jeweils individuellen Maßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 a) In der Relation zugangsmarktbeherrschende Anbieter von Telekommunikationsdiensten, insbesondere Deutsche Telekom AG, zu ihren Wettbewerbern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 b) In der Relation Anbieter von Telekommunikationsdiensten zu Anbieter von Produkten anderer infrastrukturgebundener Wirtschaftsbereiche, die jeweils zugangsmarktbeherrschend, insbesondere Deutsche Telekom AG zu Gasversorgern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 E. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373
Einleitung Gegenstand der nachfolgenden Untersuchung sind ein Ausschnitt aus dem deutschen Regulierungsrecht für Telekommunikation und dessen Vereinbarkeit mit den Wirtschaftsgrundrechten des Grundgesetzes, insbesondere mit der Eigentumsfreiheit. Das Regulierungsrecht für Telekommunikation ist im Telekommunikationsgesetz vom 25. Juli 1996 (nachfolgend: „TKG“)1 geregelt. Dessen vierter Teil (Offener Netzzugang und Zusammenschaltungen, §§ 33 bis 39 TKG) enthält ein Normenprogramm für den Zugang zu Telekommunikationsnetzen, das in der deutschen Rechtsordnung bis dato beispiellos ist. Die privatrechtliche Anspruchsgrundlage des § 33 Abs. 1 TKG verpflichtet – dem Wortlaut zufolge – marktbeherrschende Telekommunikationsunternehmen, Wettbewerbern „Zugang zu wesentlichen Leistungen“ zu ermöglichen. Eine wesentliche Leistung des Marktbeherrschers ist dessen Telekommunikationsnetz. Der Gesetzgeber zwingt in § 33 Abs. 1 TKG marktmächtige Telekommunikationsanbieter mit eigener Infrastruktur, Konkurrenten diese Infrastruktur auf vertraglicher Grundlage zugänglich zu machen. Dieser konkurrentenberechtigende Anspruch auf Zugang zu fremdem Eigentum soll neuen Telekommunikationsanbietern ohne eigene Netze den Marktzutritt ermöglichen, um so Wettbewerb auf zuvor staatsmonopolisierten Märkten zu eröffnen. Diese Wettbewerbseröffnung setzt Netzzugang der potentiellen Wettbewerber voraus, da Telekommunikationsdienstleistungen nur über Netze erbracht werden können. Wer kein Netz sein „eigen“ nennt oder ein fremdes Netz nutzen darf, scheidet von vornherein als Dienstleister aus. Dem Anspruchsverpflichteten nimmt § 33 Abs. 1 TKG die Möglichkeit, sein Telekommunikationsnetz in vollem Umfang nach eigenem Gutdünken, insbesondere zur Verfolgung bestimmter Geschäftsstrategien, zu nutzen. Unternehmerisch frei über die Netznutzung2 zu entscheiden, bedeutet insbesondere, konkurrentennützige Zugangsbegehren ablehnen zu können. Es liegt auf der Hand, dass die Geschäftsinteressen des Anspruchsverpflichteten nicht auf eine Selbstschädigung durch aktive Förderung von Wettbewerbern gerichtet sind. Für den Marktbeherrscher besteht kein Anreiz, den Zugangsanspruch des Wettbewerbers zu erfüllen. Mit Blick auf diese Ausgangslage hat der Gesetzgeber § 33 TKG mit einem Absatz 2 ausgestattet. § 33 Abs. 2 TKG gibt der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (nachfolgend: „Regulierungsbehörde“) die Befugnis, den Zugang potentieller Wettbewerber zu 1 BGBl. I S. 1120 zuletzt geändert durch Art. 17 Viertes Finanzmarktförderungsgesetz vom 21. Juni 2002 (BGBl. I S. 2010). 2 Netznutzung und Netzzugang werden nachfolgend als zusammengehörend und daher als einheitlicher Vorgang begriffen: So ist der Zugang zum Netz auch die erstmalige Nutzung des Netzes, die Netznutzung wiederum ist der wiederholt betätigte Netzzugang.
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Einleitung
wesentlichen Leistungen marktbeherrschender Telekommunikationsunternehmen zu steuern und zu kontrollieren. Die Behörde ist ermächtigt, Anspruchsverpflichteten des § 33 Abs. 1 TKG ein Mitwirkungs- und Durchführungsverhalten aufzulegen, damit diese ihren Wettbewerbern tatsächlich Zugang zu ihren Netzen einräumen. Marktzutritt und Wettbewerbsermöglichung zu Gunsten der Einen erweist sich damit als staatlich auferlegte Beschränkung der Netznutzung zum Nachteil der Anderen. Rechtstatsächlich trifft die hoheitliche Beschränkung der Netznutzung seit Beginn der vollständigen Aufhebung der Monopolrechte im Telekommunikationssektor zum 1. Januar 19983 ausschließlich die Deutsche Telekom AG. Als Nachfolgeunternehmen des Staatsmonopolisten erlangte sie das Eigentum an dem einzigen bundesweit flächendeckenden Telekommunikationsfestnetz, das alle Haushalte und Arbeitsplätze erreicht. Zudem hatte sie bei der Erbringung aller festnetzgebundenen Dienstleistungen Marktanteile von nahezu 100 %4. Die Problematik des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung löste in der Praxis eine facettenreiche rechtliche Auseinandersetzung um Voraussetzungen, Inhalt und Umfang dieses Netzzugangskonzepts aus. Verkürzt gesagt ist die Teilnehmeranschlussleitung dasjenige Segment eines Telekommunikationsnetzes, dessen eines Ende unmittelbar mit dem Standort des Kunden verbunden ist. Neue Diensteanbieter hatten meist ein eigenes Fernnetz aufgebaut. Ihnen fehlten aber die „letzten Meter blanken Kupferdrahtes“ bis zum Teilnehmer, um diesen mit ihren Angeboten zu erreichen. Neue Unternehmen ohne eigenes Ortsnetz waren auf die Nutzung der letzten Meter Kupferleitungen aus dem Netz der Deutsche Telekom AG angewiesen. „Blank“ ist der Kupferdraht, wenn der Zugang zu diesem frei von technischen Vorleistungen des Netzbetreibers, die insbesondere die Übertragungskapazität festlegen, gewährt wird. Man spricht insofern auch von einem „entbündelten Zugang“ zur Teilnehmeranschlussleitung. Solche kapazitätsbestimmenden Vorleistungen des Netzbetreibers determinieren die Palette möglicher Dienstleistungen, die ein neuer Anbieter unter Nutzung der letzten Meter Kupferkabel zu erbringen vermag. Um das Diensteangebot selbst bestimmen zu können, um also unabhängig von kapazitätsbegrenzenden Vorleistungen der Deutsche Telekom AG zu sein, verlangten Mannesmann ARCOR AG & Co., O.tel.o GmbH und Net Cologne Gesellschaft für Telekommunikation mbH – gestützt auf § 33 Abs. 1 TKG – den Abschluss eines Netzzugangsvertrags, der ihnen einen vollständig entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung am Hauptverteiler einräumte. Die Deutsche Telekom AG lehnte dies ab. In Gestalt einer auf § 33 Abs. 2 TKG gestützten Missbrauchsverfügung schritt das Bundesministerium für Post und Telekommunikation5, als Vorläufer der Regulierungsbehörde, gegen die 3 Ausgenommen ist der bereits in Etappen im Laufe der neunziger Jahre liberalisierte Mobilfunk; die Untersuchung beschränkt sich auf den Festnetzsektor. 4 Martin Geppert / Fabian Schuster / Ernst-Olaf Ruhle, Handbuch Recht und Praxis der Telekommunikation, Baden-Baden 1998, Rdnr. 3. 5 Entscheidungen des Bundesministeriums für Post und Telekommunikation vom 28. Mai 1997 (Beanstandungsverfügung) und vom 1. Juli 1997 (Missbrauchsverfügung), unveröffent-
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Deutsche Telekom AG ein. Es verpflichtete sie, den betreffenden Wettbewerbern in einem privatrechtlichen Vertrag exakt die begehrten Leistungen zu gewähren und gab § 33 Abs. 1 TKG damit einen weitreichenden, nachfragebestimmten Anspruchsinhalt. Gegen diese Verfügungen suchte die Deutsche Telekom AG „Musterrechtsschutz“, zunächst im Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht Köln und dem Oberverwaltungsgericht Münster6, dann im Hauptsacheverfahren durch drei Instanzen bis zum Bundesverwaltungsgericht7. In der Wissenschaft wurden widerstreitende Stimmen laut. Als „lex contra Deutsche Telekom AG“8 oder als Sonderregelung, die faktisch allein den ehemaligen Staatsmonopolisten treffe9, griffen manche § 33 TKG an. Die vorgebrachten Einwände erscheinen allerdings als zu pauschal. Die Kritiker des § 33 TKG führten die Gesetzesbegründung ins Felde, die im Zusammenhang mit Netzzugangsregelungen die Deutsche Telekom AG ausdrücklich als „derzeit alleinigen marktbeherrschenden Netzbetreiber“ 10 benennt und damit unausgesprochen als Normadressat des § 33 TKG ausmacht. Einige deuteten leise die Grundrechtsrelevanz der Zugangsregelung an11. Andere licht, zitiert nach VG Köln, Beschlüsse vom 18. August 1997, Az. 1 L 2317 / 97, Az. 1 L 2318 / 97 und Az. 1 L 2320 / 97, Archiv PT 1998, S. 66 ff. 6 VG Köln, Beschlüsse vom 18. August 1997, Az. 1 L 2317 / 97, Az. 1 L 2318 / 97 und Az. 1 L 2320 / 97, Archiv PT 1998, S. 66 ff.; OVG Münster, Beschlüsse vom 29. August 1997, Az. 13 B 1987 / 97, Az. 13 B 2159 / 97 und Az. 13 B 2160 / 97, MMR 1998, S. 98 ff., wobei das Oberverwaltungsgericht Münster in diesem Beschluss keine Sachentscheidung traf, sondern die Eilverfahren nach übereinstimmender Erledigungserklärung der Beteiligten und einigen richterlichen Hinweisen einstellte, siehe dazu auch eine Anmerkung der Redaktion der Zeitschrift Multimedia und Recht, in: MMR 1998, S. 223. 7 VG Köln, Urteile vom 5. November 1998, Az. 1 K 5943 / 97, Az. 1 K 5929 / 97 und Az. 1 K 5942 / 97, RTkom 1999, S. 35 ff.; OVG Münster, Urteil vom 7. Februar 2000, Az. 13 A 180 / 99, NVwZ 2000, S. 697 ff.; BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 7 / 00, K&R 2001, S. 530 ff.; BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 6 / 00, NVwZ 2001, S. 1399 ff.: Bei diesen Urteilen handelt es sich um Parallelentscheidungen, die im wesentlichen wortidentisch abgefasst sind. Einziger Unterschied ist, dass im Verfahren Az. 6 C 7 / 00 die Beigeladenen (Mannesmann ARCOR AG & Co. und O.tel.o GmbH) bundesweit tätige Wettbewerber der Klägerin (Deutsche Telekom AG) sind, während in dem Verfahren Az. 6 C 6 / 00 der Beigeladene (Net Cologne Gesellschaft für Telekommunikation mbH) nur ein auf den Regierungsbezirk Köln beschränkter Wettbewerbers der Klägerin (Deutsche Telekom AG) ist. Folglich war der räumlich relevante Markt im ersten Fall die gesamte Bundesrepublik Deutschland und im letzten Fall der Regierungsbezirk Köln. Wegen der in beiden Fällen marktbeherrschenden Stellung der Deutsche Telekom AG im Ortsnetzbereich hat sich aus diesem Unterschied indes keine andere Beurteilung in der Sache ergeben. 8 Thomas Lampert, Der Begriff der Marktbeherrschung als geeignetes Kriterium zur Bestimmung der Normadressaten für das sektorspezifische Kartellrecht nach dem TKG, WuW 1998, S. 27 (34 ff.). 9 Hans-Willi Hefekäuser, Die Deutsche Telekom AG – Von der öffentlich-rechtlichen zur privatrechtlichen Zielsetzung in Unternehmen der öffentlichen Hand, ZGR 1996, S. 385 (394). 10 BT-Drucks. 13 / 3609, vom 30. Januar 1996, S. 1 (1 und 33 f.). 11 Robert Schulz, Der Zugang zum „blanken Draht“, München 2001, S. 168 und S. 67; Joachim C. Haas, „Essential Facilities Doctrine“ und offene Netze, Baden-Baden 2001, S. 20;
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reklamierten dezidierter, der Staat verpflichte die Deutsche Telekom AG, ihren Gegenspielern im Markt die Nutzung grundrechtlich geschützten Eigentums an ihrer geschäftlichen Nervenbahn, dem Telekommunikationsnetz, zu ermöglichen12. Daher liege in § 33 TKG erstens ein verfassungsrechtlich bedenklicher Eingriff in die Eigentumsfreiheit des ehemaligen Staatsmonopolisten (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG). Dies präzisierend sahen einige in § 33 TKG eine nicht zu rechtfertigende Enteignung13. Die meisten qualifizierten diese Norm – oftmals begründungsarm14 – als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums15. Zwischen den beiden Elementen der Zugangsregelung, der privatrechtlichen Anspruchsgrundlage des Absatzes 1 einerseits und der öffentlich-rechtlichen Ermächtigungsgrundlage des Absatzes 2 andererseits, wird dabei allerdings nicht stringent unterschieden. Der Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der in § 33 TKG ausgemachten Inhaltsund Schrankenbestimmung wird in unterschiedlicher Intensität nachgegangen. Meist erfolgt eine „Gesamtabwägung“ der für beziehungsweise gegen Eigentumsschutz und Wettbewerbseröffnung streitenden Sachargumente. Zweitens, so wurde vertreten, beschränke das Marktaufsichtsinstru ment des § 33 TKG die Deutsche Telekom AG in ihrem Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG16. Der Jürgen Schwarze, Der Netzzugang für Dritte im Wirtschaftsrecht, in: Netzzugang, hrsg. v. Jürgen Schwarze, Baden-Baden 1999, S. 11. 12 Klaus Stern / Johannes Dietlein, Netzzugang im Telekommunikationsrecht – Zur verfassungsrechtlichen Problematik eines entbündelten Zugangs zu den Teilnehmeranschlussleitungen, Teil 1, Archiv PT 1998, S. 309 (322 – 327); Klaus Stern / Johannes Dietlein, Netzzugang im Telekommunikationsrecht – Zur verfassungsrechtlichen Problematik eines entbündelten Zugangs zu den Teilnehmeranschlussleitungen, Teil 2, RTKom 1999, S. 2 ff. 13 Wolfgang von Reinersdorff, Anmerkung zu BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 6 / 00, MMR 2001, S. 690 (691); Hans-Willi Hefekäuser, Erneuter Entgeltantrag für den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung, MMR 1998, Heft 11, S. X (XI); vgl. auch Klaus Stern / Johannes Dietlein, Netzzugang im Telekommunikationsrecht – Zur verfassungsrechtlichen Problematik eines entbündelten Zugangs zu den Teilnehmeranschlussleitungen, Teil 1, Archiv PT 1998, S. 309 (325 f.), die der Enteignungsfrage umfänglich nachgehen, am Ende allerdings eine Enteignung verneinen. 14 Dies liegt häufig an dem auf das einfachgesetzliche Telekommunikationsrecht begrenzten Blickwinkel, aus dem heraus man auf diese Fragestellung stößt. 15 Peter N. Märkl, Netzzusammenschaltung, Baden-Baden 1998, S. 295 ff.; Karl-Michael Fuhr / Bärbel Kerkhoff, Entbündelter Zugang – Vereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG?, MMR 1998, S. 6 (9 ff.); Christoph Engel / Günter Knieps, Die Vorschriften des Telekommunikationsgesetzes über den Zugang zu wesentlichen Einrichtungen, Baden-Baden 1998, S. 46; Ludwig Gramlich, Rechtsfragen bei Zusammenschaltungsvereinbarungen, CR 1997, S. 65 (71); Volkmar Götz, Der Netzzugang für Dritte als grundsätzliches rechtliches Problem, in: Netzzugang, hrsg. v. Jürgen Schwarze, Baden-Baden 1999, S. 129 (135 f.); Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 2 NZV Anh § 39, Rdnr. 1. 16 Klaus Stern / Johannes Dietlein, Netzzugang im Telekommunikationsrecht – Zur verfassungsrechtlichen Problematik eines entbündelten Zugangs zu den Teilnehmeranschlussleitungen, Teil 1, Archiv PT 1998, S. 309 (318 – 321); Klaus Stern / Johannes Dietlein, Netzzugang im Telekommunikationsrecht – Zur verfassungsrechtlichen Problematik eines entbündelten Zugangs zu den Teilnehmeranschlussleitungen, Teil 2, RTKom 1999, S. 2 ff.
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Frage nach der Vereinbarkeit des § 33 TKG mit Art. 3 Abs. 1 GG wurde – soweit ersichtlich – bislang nicht nachgegangen17. Diese Frage zu stellen drängt sich mit Blick auf Zugangsverpflichtungen für marktbeherrschende Unternehmen, insbesondere in anderen infrastrukturgebunden Wirtschaftsbereichen auf. Aber auch im Hinblick auf den Befugniskanon der Regulierungsbehörde aus § 33 Abs. 2 TKG scheint die Vereinbarkeit der Norm mit dem allgemeinen Gleichheitssatz überprüfungsbedürftig. Die Marktaufsicht kann gegen marktbeherrschende Telekommunikationsanbieter einschneidendere Maßnahmen ergreifen als gemäß § 32 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (nachfolgend: „GWB“)18 gegen marktbeherrschende Unternehmen anderer Wirtschaftssektoren. § 32 GWB beschränkt die Marktaufsicht auf Untersagungsverfügungen. Nach § 33 Abs. 2 TKG kann die Regulierungsbehörde darüber hinaus auch ein positives Tun anordnen. Trotz dieser tiefgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Netzzugangsregelung des § 33 TKG hat die Deutsche Telekom AG nach drittinstanzlich bestätigtem Unterliegen vor dem Bundesverwaltungsgericht allerdings davon abgesehen, Verfassungsbeschwerde gegen diese Norm zu erheben19. Auf dem Boden dieser Feststellungen wird das Spannungsfeld der nachfolgenden Untersuchung sichtbar: Die privatrechtliche und die öffentlich-rechtliche Zugangsregelung des § 33 in seinen Absätzen 1 und 2 TKG, die die Eröffnung eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs auf Märkten für Telekommunikationsdienste intendieren, führen zur Kollision der grundrechtlich verbrieften Gewährleistungen des Netzeigentümers mit den Rechtspositionen zugangsbegehrender Wettbewerber. Zentraler Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist die Analyse dieser Kollisionslage anhand wesentlicher Zugangsfragen zum Netzsegment der Teilnehmeranschlussleitung. Voraussetzungen, Inhalt und Reichweite der konkurrentenberechtigenden und konkurrenzbegründenden Zugangsregelung des § 33 TKG sind in einem ersten Schritt umfassend herauszuarbeiten. Insbesondere ist dabei die spezielle Frage zu beantworten, ob der Zugang zum blanken, „technikfreien“ Kupferdraht, also der entbündelte Zugang, zum Anspruchsumfang gehört. Überlagert wird diese grundrechtlich fundierte Kollisions17 Ludwig Gramlich, Rechtsfragen bei Zusammenschaltungsvereinbarungen, CR 1997, S. 65 (71), wirft nur die Frage nach Gleichbehandlungsaspekten im Zusammenhang mit besonderen Netzzugängen auf. 18 BGBl. 1998 I S. 2546 zuletzt geändert durch Art. 7 Neuntes Euro-Einführungsgesetz vom 10. November 2001 (BGBl. I S. 2992). 19 Nach fernmündlicher Auskunft des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Mai 2002 sind die Urteile vom 25. April 2001 inzwischen rechtskräftig; nach fernmündlicher Angabe des Verwaltungsgerichts Köln ebenfalls vom 6. Mai 2002 befinden sich die gesamten Verfahrensakten in Köln, eine Abgabe an das Bundesverfassungsgericht sei bislang nicht erfolgt; nach fernmündlicher Auskunft des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Mai 2002 ist kein Verfahren unter den Aktenzeichen Az. 6 C 7 / 00 und Az. 6 C 6 / 00 des Bundesverwaltungsgerichts in Karlsruhe anhängig. In Anbetracht der Einmonatsfrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz ist davon auszugehen, dass die Deutsche Telekom AG die besagten Urteile des Bundesverwaltungsgerichts hingenommen hat.
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situation von Vorgaben der Rechtsordnung der Europäischen Gemeinschaft. Das Telekommunikationsgesetz setzte mit seinen Vorschriften zum Netzzugang (§§ 33 bis 39 TKG) – teilweise in vorauseilender Übererfüllung – ein erstes Paket gemeinschaftsrechtlicher Richtlinien zur Liberalisierung des Telekommunikationssektors und zur Harmonisierung mitgliedstaatlichen Telekommunikationsrechts um. Diese nationalrechtliche Übererfüllung wurde von zwei Weiterentwicklungen des Gemeinschaftssekundärrechts jedenfalls konsumiert, wenn nicht überholt: Dazu zählt erstens die Verordnung des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 18. Dezember 2000 über den entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung20. Zweitens ist das Paket von vier Kommunikationsrichtlinien des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 7. März 2002 zu nennen21. Unter Berücksichtigung dieser gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben befasst sich die vorliegende Arbeit mit den durch die Netzzugangsregelungen in § 33 TKG aufgeworfenen grundrechtlichen Bedenken am Maßstab des Grundgesetzes. Die Frage, ob die prima vista gegen einen Regelungsadressaten gerichtete Vorschrift des § 33 TKG den Vorgaben der Wirtschaftsgrundrechte, insbesondere denjenigen der Eigentumsfreiheit, genügt, ist klärungsbedürftig. Die Beantwortung dieser Frage erfordert zunächst eine grundlegende Betrachtung staatlicher Marktsteuerung im deutschen Telekommunikationssektor. Insbesondere das Telekommunikationsgesetz im Kontext seiner Entstehungsgeschichte sowie die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben sind in den Blick zu nehmen (Teil 1). Eine Aufbereitung des fernmeldetechnischen und ökonomischen Phänomens „Netzzugang“ im Hinblick auf den entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung (Teil 2) ist Voraussetzung für die nachfolgende Auslegung der einfach gesetzlichen Vorschriften des Telekommunikationsgesetzes (Teil 3). Vorfragen für die grundrechtliche Untersuchung des § 33 TKG werden in Teil 4 geklärt (Prüfungsgegenstand, Prüfungsmaßstab, Prüfungsvoraussetzungen) und so das Prüfungsprogramm für die anschließende verfassungsrechtliche Betrachtung entwickelt. In Teil 5 folgt die Untersuchung der Verfassungsmäßigkeit des Prüfungsgegenstandes. Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt dabei auf der Überprüfung der in § 33 TKG statuierten Netzzugangsrechte am Maßstab der Eigentumsfreiheit. Sinnzusammenhängend dazu werden auch die Vorgaben des Grundrechts der Berufsfreiheit und des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes entfaltet.
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ABl. EG 2000 Nr. L 336 S. 4 ff. ABl. EG 2002 Nr. L 108 S. 7 ff.
Teil 1
Staatliche Marktsteuerung im deutschen Telekommunikationssektor Die ersten flächendeckenden Übertragungswege für die zivile Telekommunikation waren Festnetze auf den Territorien nordamerikanischer und europäischer Staaten. Der jeweilige nationale Ordnungsrahmen für diese Infrastrukturen und ihre Nutzung war regelmäßig auf öffentliche Monopolunternehmen zugeschnitten. Diese staatlichen Unternehmen waren üblicherweise mit umfangreichen Ausschließlichkeitsrechten ausgestattet und zur Daseinsvorsorge im Telekommunikationssektor verpflichtet. Der Telekommunikationssektor lag damit weitestgehend in der wirtschaftenden Hand des Staates. Der jeweilige Staat hatte Eigentum an den Übertragungswegen, betrieb die Übertragungswege und bestimmte über ihre Nutzung. Staatsdominiert war damit auch die Entwicklung von Übertragungstechnologien und Nutzungsmöglichkeiten sowie die Steuerung des Verbraucherverhaltens. Jeder einzelne Staat gab einen Ordnungsrahmen vor und monopolisierte dabei insbesondere Netznutzung, Telekommunikationsdienstleistungen und Endgeräte. Die Infrastruktur „Telekommunikationsnetz“ galt als natürliches Monopol, als Ausnahmewirtschaftsbereich, in dem der Markt versagte und nur ein einziges Unternehmen am effizientesten das Dienstleistungsangebot erbringen kann1. Zur Rechtfertigung staatlicher Monopolunternehmen wurde auf die unabdingbare Notwendigkeit einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit ausreichenden Dienstleistungen zu angemessenen und homogenen Preisen abgestellt2. Nicht zuletzt dürften die monopolistisch hohen Einnahmen aus dem Sprachtelefondienst, welche als Finanzierungshilfe für den Netzausbau dienten, das staatliche Interesse an der hoheitlichen Monopolisierung des Telekommunikationssektors erklären. In der heutigen Wissens- und Informationsgesellschaft3 scheint dieses Konzept staatlicher Monopolwirtschaft im Telekommunikationssektor überholt. Die volks1 Zum Begriff des natürlichen Monopols im Telekommunikationssektor und seines Bedeutungsverlustes siehe Michael Holzhäuser, Essential Facilities in der Telekommunikation, München 2001, S. 8 f., S. 15 – 22, insbesondere S. 15; Georg Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, Tübingen 1998, S. 316 – 319. 2 Martin Geppert / Fabian Schuster / Ernst-Olaf Ruhle, Handbuch Recht und Praxis der Telekommunikation, Baden-Baden 1998, Rdnr. 2. 3 Zur terminologischen Klarstellung siehe insbesondere den Bericht der Bundesregierung „Info 2000 – Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft“; BT-Drucks. 13 / 4000, vom 7. März 1996, S. 1 (15): „Der Begriff Informationsgesellschaft steht für eine Wirtschafts- und
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Teil 1: Staatliche Marktsteuerung im Telekommunikationssektor
wirtschaftliche Wertschöpfung erfolgt in zunehmendem Maße durch Kommunikation und den Zugriff auf Wissen und Information4. Als Übertragungsmedien für immer neue Formen von „Transportgut“ fungieren weltweit unterschiedliche Arten von Telekommunikationsnetzen. „Telekommunikation“ und „Multimedia“ sind zu Schlüsselbegriffen der Wissens- und Informationsgesellschaft geworden. „Telekommunikation“ ist nach der Definition des Telekommunikationsgesetzes das „Aussenden, Übermitteln und Empfangen von Nachrichten jeglicher Art in Form von Zeichen (Fax), Sprache (Sprachtelefonie5), Bildern oder Tönen (Internet) mittels Telekommunikationsanlagen“ (§ 3 Nr. 16 TKG). Vereinfacht ausgedrückt bezeichnet der Begriff Telekommunikation jede Übertragung von Informationen über gewisse Entfernungen unter Zuhilfenahme fernmeldetechnischer Mittel6. Telekommunikation umfasst also viel mehr als die einfache Sprachübertragung. „Multimedia“ meint das zeitbeliebige, größtenteils interaktive Angebot aller möglichen Formen von Informationen wie Texte, Fest- und Bewegtbilder, Töne und Daten, empfangbar auf den Endgeräten Computer oder Fernsehempfänger7. Die staatlichen Monopolunternehmen waren insbesondere strukturell und finanziell nicht in der Lage, mit dieser technischen Entwicklung und den neuen Bedürfnissen der Gesellschaft Schritt zu halten. Sie konnten das immense volkswirtschaftliche Potential nicht entfalten, das in den neuen Telekommunikations- und multimedialen Dienstleistungen steckt. Dieser Befund forderte eine grundlegende Neuordnung des unbeweglichen, staatlich monopolisierten Telekommunikationssektor heraus. Ziel einer Neuordnung sollte in erster Linie die Eröffnung von Wettbewerb auf allen Telekommunikationsmärkten sein. Als Mittel zur Zielerreichung stand der Gesellschaftsform, in der der produktive Umgang mit der Ressource „Information“ und die wissensintensive Produktion eine herausragende Rolle spielen. Sie wird an den Entwicklungen und Veränderungen in den Bereichen Technik, Wirtschaft, Arbeitswelt und Umwelt in besonderer Weise deutlich.“. 4 Schlussbericht der Enquete-Kommission, Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft – Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft, BT-Drucks. 13 / 11004, vom 22. Juni 1998, S. 1 (36 – 42). 5 In Bezug auf die Sprachkommunikation wird das Merkmal „in Echtzeit“ hinzugefügt, um zu veranschaulichen, dass praktisch keine Verzögerung in der Übertragung der Signale und Daten – im Unterschied zur Internettelefonie – auftritt, siehe Andreas Göckel, Telefonieren im Internet: Das regulatorische Umfeld, K&R 1998, S. 250 (253); Ralf Müller-Terpitz, InternetTelefonie – Eine regulatorische Betrachtung, MMR 1998, S. 65 (66); Kay Windthorst / Nicole Franke, Internet-Telefonie: Sprengsatz im System der Telekommunikationsregulierung?, CR 1999, S. 14 (19 f.); Hans-Werner Moritz / Angelika Niebler, Internet-Telefonie im Spannungsfeld zwischen Sprachtelefondienst und Lizenzpflicht, CR 1997, S. 697 (701). 6 Fabian Schuster, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 1 Rdnr. 22; vgl. auch den Begriff „Telekommunikation“ in Art. 73 Nr. 7 GG, der nach Christoph Degenhart, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 73 Rdnr. 32, als „Übermittlung von Informationen auf fernmeldetechnischem Wege, also mittels elektromagnetischer Schwingungen, analog oder digital, leitungsgebunden oder drahtlos“ zu definieren ist. 7 Martin Geppert / Alexander Roßnagel, Einführung zum Telekommunikations- und Multimediarecht, in: Telemediarecht, 3. Aufl., München 2001, S. XIV.
A. Privatisierung, Entmonopolisierung und Regulierung
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Zugang zum Telekommunikationsnetz und seine Nutzung im Vordergrund der Überlegungen.
A. Privatisierung, Entmonopolisierung und Regulierung in infrastrukturgebundenen Wirtschaftssektoren Die Neuordnung staatlich monopolisierter, infrastrukturgebundener Wirtschaftssektoren wie Telekommunikation, Energie, Wasser8 und Schienenverkehr9 erfolgte nach dem Konzept: „erst Privatisierung und Entmonopolisierung, dann soviel Regulierung, wie zur nachhaltigen Liberalisierung nötig“. Mit diesem Konzept soll das Potential in diesen Wirtschaftsbereichen wettbewerblich genutzt werden. Der Zugang zur vorhandenen Netzinfrastruktur kristallisierte sich bei der Umsetzung dieses Konzeptes als Schlüsselproblematik heraus. Vergleichbare Schwierigkeiten lassen sich verschiedentlich auch im Bereich der nichtleitungsgebundenen Industrien beobachten, soweit der Zugang zu Infrastrukturelementen mit zentraler wirtschaftlicher Bedeutung in Rede steht.
I. Besonderheiten infrastrukturgebundener Wirtschaftssektoren Infrastrukturgebundene Wirtschaftsbereiche zeichnen sich durch fünf Charakteristika aus, welche es bei der Realisierung eines Neuordnungskonzepts zu berücksichtigen galt: Erstens sind Infrastrukturen wie Telekommunikations-, Strom oder Gasnetze entweder überhaupt nicht oder jedenfalls nicht in wirtschaftlich oder 8 Zu Vorschlägen des Bundeswirtschaftsministeriums, das gebietsbezogene Monopol der Gemeinden für die Trinkwasserversorgung aufzubrechen und Rahmenbedingungen für effiziente Unternehmens- und Versorgungsstrukturen in den rund 6500 abgeschlossenen Versorgungsgebieten zu schaffen, siehe FAZ vom 19. Mai 2000, S. 14; grundlegend Walter Frenz, Liberalisierung und Privatisierung in der Wasserwirtschaft, ZHR 166 (2002), S. 307 ff.; zu rechtlichen Hindernissen bei der Wassermarktliberalisierung siehe Cornelius Fischer-Zernin / Christine Bader, Wassermarktliberalisierung steht vor rechtlichen Hindernissen, FAZ vom 16. Januar 2002, S. 16, die insbesondere auf ein Fehlen der Gesetzgebungskompetenz des Bundes hinwiesen; in mehreren Bundesländern liegen inzwischen Gesetzesentwürfe zur Liberalisierung des Wassermarktes vor, FAZ vom 7. Mai 2002, S. 16. 9 Hierzu Michael Fehling, Mitbenutzungsrechte Dritter bei Schienenwegen, Energieversorgungs- und Telekommunikationsleitungen vor dem Hintergrund staatlicher Infrastrukturverantwortung, AöR Bd. 121 (1996), S. 59 (62 f. und 69 f.); Frauke Brosius-Gersdorf, Wettbewerb auf der Schiene – Zu den verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen für den Eisenbahnsektor im Vergleich zum Post- und Telekommunikationssektor, DÖV 2002, S. 275 (276); zu den Plänen der Bundesregierung, den Wettbewerb auf der Schiene zu eröffnen, FAZ vom 25. Mai 2002, S. 15.
3 Kallmayer
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Teil 1: Staatliche Marktsteuerung im Telekommunikationssektor
ökologisch vertretbarer Weise zu duplizieren. Zweitens kontrolliert der Infrastruktureigentümer sowohl das Ob als auch das Wie jedweder wirtschaftlicher Betätigung auf nachgelagerten Märkten (nachfolgend: „Sekundärmärkte“). Der Begriff der nachgelagerten Märkte bezeichnet die Marktbereiche, welche die Nutzung einer spezifischen Infrastruktur voraussetzen, um ein weiteres Produkt anbieten zu können. Möchte ein Unternehmen beispielsweise Sprachtelefonie im Ortsbereich anbieten, ist es auf eine Telefonleitung zum Telefonkunden angewiesen. Die (Netz-)Infrastruktur wirkt damit wie ein Hebel, mittels dessen sich die Machtposition des Infrastruktureigentümers auf die nachgelagerten Märkte übertragen lässt10. Die Beherrschung der Infrastruktur bietet somit die Möglichkeit, auch nachgelagerte Märkte zu monopolisieren. Die zu erwartende Monopolrendite reizt den Eigentümer der Infrastruktur, diese Möglichkeiten umfassend zu nutzen. Der Infrastruktureigentümer wird im Interessen der Gewinnmaximierung auf den nachgelagerten Märkten eine Palette von Standardprodukten zu monopolistischen Preisen anbieten. Ein Anreiz zur Innovation und Leistungssteigerung besteht für ihn nicht. Die so entstehende Beharrungstendenz infrastrukturgebundener Wirtschaftssektoren wird durch drei weitere Aspekte noch verstärkt: Drittens begriff nämlich die Wettbewerbstheorie diese Infrastrukturen als natürliche Monopole. Viertens stehen sie jedenfalls partiell in einem Daseinsvorsorgezusammenhang. Fünftens sah der normative Ordnungsrahmen eine staatliche Bewirtschaftung der Netze vor.
II. Regulierung durch Netzzugang im Telekommunikations-, Strom- und Gassektor Die wirtschaftspolitische Sinnhaftigkeit der staatsmonopolistisch bewirtschafteten Infrastrukturen im Telekommunikations-, Strom- und Gassektor wurde seit 198411 zunehmend hinterfragt. Die Europäische Union erkannte das volkswirtschaftliche Potential, das in diesen infrastrukturgebundenen Marktbereichen steckt. Mit dem Konzept: „erst Privatisierung und Entmonopolisierung, dann soviel Regulierung, wie zur nachhaltigen Liberalisierung nötig“, sollte dieses Potential für den Gemeinsamen Markt und seine Beteiligten nutzbar gemacht werden. Privatisierung zielt in diesem Zusammenhang auf eine materielle Privatisierung der betreffenden öffentlichen Aufgabe. Eine vormals dem öffentlichen Bereich zugeordnete Aufgabe der Daseinsvorsorge wird dabei durch eine neue gesetzgeberische Entscheidung in den privaten Sektor (zurück-)verlagert12. Bislang von Gebietskörper10 Die „Hebelmacht“ des Infrastruktureigentümers erfasst auch vorgelagerte Märkte, wie das Angebot von Telekommunikationskabeln und Netztechniken, wird aber vorliegend im Hinblick auf die primär kontrollierten, nachgelagerten Massenmärkte nicht näher betrachtet. 11 Siehe beispielsweise den Vorstoß des Europäischen Rates im Telekommunikationsbereich, Rat, Empfehlung 84 / 559 / EWG vom 12. November 1984 betreffend die erste Phase der Öffnung der öffentlichen Fernmeldemärkte, ABl. EG Nr. L 298, S. 51 ff. 12 Friedrich Schoch, Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, DVBl. 1994, S. 962 (962 f.); Udo Di Fabio, Privatisierung und Staatsvorbehalt – Zum dogmatischen Schlüssel-
A. Privatisierung, Entmonopolisierung und Regulierung
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schaften des öffentlichen Rechts hergestellte Güter und angebotene Leistungen können dann von privaten Wirtschaftssubjekten erbracht werden13. Auf den Telekommunikationssektor übertragen bedeutet dies, dass die Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen Privaten eröffnet wird14. Entmonopolisierung steht vorliegend für rechtliche Entmonopolisierung. Gemeint ist, dass bislang ausschließlich einem Rechtsträger zugeordnete Rechte fortan grundsätzlich jedem Bewerber zugeordnet werden können, der bestimmte, zuvor festgelegte Kriterien erfüllt. So wurde beispielsweise das der Deutsche Telekom AG zustehende ausschließliche Recht zur Erbringung von Sprachtele fondiensten aufgehoben und die grundsätzliche Möglichkeit der Lizenzvergabe für alle Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen geschaffen, §§ 6 ff. TKG. Regulierung kann auch mit „Privatisierungs- und Entmonopolisierungsnachsorge“ umschrieben werden. Kodifikatorisch ist damit der Normenkomplex eines „Privatisierungs- und Entmonopolisierungsfolgerechts“ gemeint15. Regulierung umfasst weiterhin alle staatlichen Maßnahmen, die der tatsächlichen Wettbewerbseröffnung und -förderung auf monopolistisch geprägten Märkten dienen. So motiviert allein die Möglichkeit der Lizenzvergabe noch keine potentiellen Telekommunikationsanbieter, auf einem Markt für Telekommunikationsdienstleistungen aktiv zu werden. Sind die insbesondere finanziellen Zutrittsbarrieren zu hoch, wird kein Unternehmen in den Markteinstieg investieren. Wettbewerb zwischen verschiedenen Leistungsanbietern würde folglich entgegen der gesetzgeberischen Intention nicht entstehen. Verzichtete man auf staatliche Maßnahmen zum Abbau von tatsächlichen Marktzutrittsbarrieren, bestünde folglich die Gefahr, dass die Deutsche Telekom AG ihr vormals rechtliches Monopol in ein faktisches Monopol umwandelte. Mit Liberalisierung ist vorliegend der Prozess gemeint, einem bestimmten Wirtschaftssektor normativ eine wettbewerbliche Ordnung zu geben. Damit geht das Schaffen wettbewerblicher Strukturen auf den betreffenden Märkten einher. Denn nur ein vollständig liberalisierter Wirtschaftssektor bedarf keiner besonderen Regulierung, sondern kann in die allgemeine Marktaufsicht entlassen werden. Die ersten – und damit den historischen Ausgangspunkt der Liberalisierungsbemühungen bildenden – gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben zur grundlegenden Neuordnung der Telekommunikationsmärkte intendierten die Wettbewerbseröffnung auf den der Infrastruktur nachgelagerten Märkten. Im Zentrum dieser Vorgaben stand der Zugang begriff der öffentlichen Aufgabe, JZ 1999, S. 585 (586); Christof Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, Berlin 2001, S. 107 f. 13 Friedrich Schoch, Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, DVBl. 1994, S. 962 (963); Udo Di Fabio, Privatisierung und Staatsvorbehalt – Zum dogmatischen Schlüsselbegriff der öffentlichen Aufgabe, JZ 1999, S. 585 (586; 589); Christof Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, Berlin 2001, S. 107 f. 14 Zu der Umsetzung dieser Aufgabenprivatisierung durch den deutschen Gesetzgeber in der Postreform II siehe, Teil 1, Kapitel B. II. 15 Vgl. Matthias Ruffert, Regulierung im System des Verwaltungsrechts – Grundstrukturen des Privatisierungsfolgerechts der Post und Telekommunikation, AöR 124 (1999), S. 237 (246). 3*
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Teil 1: Staatliche Marktsteuerung im Telekommunikationssektor
zur jeweils bestehenden Infrastruktur. Wirtschaftssektorangemessene Zugangsregelungen wurden als entscheidende Voraussetzung für die Eröffnung von Wettbewerb auf den potentialträchtigen Sekundärmärkten erkannt. Um den Gegenstand dieser Untersuchung, die spezifischen Zugangsregelungen des Telekommunikationsgesetzes, in einen größeren Zusammenhang einzuordnen und gegebenenfalls durch vergleichende Betrachtungen neue Erkenntnisse zu gewinnen, sind die speziellen Zugangsregelungen im Energiesektor zu betrachten. Die vormals staatlich gewollte Monopolstellung der jeweiligen Energieanbieter in ihren geschlossenen Versorgungsgebieten soll nach dem Willen des Gesetzgebers von der Wettbewerbseröffnung abgelöst werden. Vehikel dazu ist die Beseitigung der geschlossenen Versorgungsgebiete sowie die Verpflichtung der Netzbetreiber, die aus ihren Mitteln geschaffenen Infrastrukturen Konkurrenten entgeltlich zur Nutzung zur Verfügung zu stellen. Diese neuen Leistungsanbieter sollen dann insbesondere auf den nachgelagerten Märkten der Energielieferung mit den netzbetreibenden Energieversorgungsunternehmen in Wettbewerb treten. Durchleitungsrechte – synonym für den Begriff Netzzugangsrechte – sind also tragende Säule der neuen wettbewerblichen Ordnung des Energiemarktes. Hauptziel der Richtlinie 96 / 92 / EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 19. Dezember 1996 betreffend gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt (nachfolgend: „Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie 96 / 92 / EG“)16, ist die schrittweise – d. h. die für gewisse Zeiträume bestimmte Mindestmarktöffnungsschwellen vorschreibende – Liberalisierung der europäischen Stromwirtschaft. Großkunden, die durch einen – schrittweise sinkenden – Jahresverbrauchswert definiert sind, sollen sich ihren Stromlieferanten grundsätzlich frei auswählen und die Bedingungen des Strombezugs mit diesem vertraglich festlegen können. Wesentlich ist in diesem Zusammenhang, dass Wettbewerbern derjenigen Elektrizitätsunternehmen, die in ihrem Versorgungsgebiet über ein Netzmonopol verfügen, Zugang zu diesen Elektrizitätsnetzen gewährleistet werden soll. Artikel 16 bis 22 Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie 96 / 92 / EG enthalten Vorgaben für die mitgliedstaatliche Organisation des Netzzugangs17. Die Mitgliedstaaten können sich entweder für die Einführung des „Netzzugangs auf Vertragsbasis“ (Art. 17 Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie 96 / 92 / EG) oder des „Alleinabnehmersystems“ (Art. 18 Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie 96 / 92 / EG) entscheiden. Nach dem System des verhandelten Netzzugangs sind Netzbetreiber im Rahmen freier Kapazitäten verpflichtet, den Stromerzeugern und deren Kunden vertraglich nach Maßgabe veröffentlichter Tarife oder nach individuell ausgehandelten Bedingungen Netzzugang zu gewähren. Dasselbe wirtschaftliche Ergebnis ABl. EG 1997 Nr. L 27, S. 20 ff. Christian Treffer, Der europarechtliche Durchleitungstatbestand für Elektrizität und seine Umsetzung in nationales Recht, ZG 1997, S. 38 (42 f.), der nicht in der Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie, sondern erst in §§ 5, 6 EnWG ein Netzzugangs- beziehungsweise Durchleitungsrecht begründet sieht. 16 17
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wird auch durch das Alleinabnehmersystem erreicht: Der Netzbetreiber ist Alleinabnehmer der von einem Kunden seines Versorgungsgebietes bei einem Dritterzeuger eingekauften Strommenge. Letztlich erhält der Netzbetreiber nur das Entgelt für den Transport über sein Netz. Die wirtschaftliche Austauschbeziehung über den Strombezug wird von dem Dritterzeuger und dessen Kunden bestimmt. Lediglich der deutsche Gesetzgeber hat in den §§ 5 bis 8 Energiewirtschaftsgesetz vom 24. April 1998 (nachfolgend: „EnWG“)18 für das System des verhandelten Netzzugangs optiert. Zudem hat er bereits eine hundertprozentige Marktöffnung vorgesehen, d. h. nicht nur bestimmte Großkunden, sondern jeder Stromabnehmer bis hin zum Privathaushalt kann Strom bei einem anderen Stromhändler kaufen als bei demjenigen, der das Stromnetz betreibt, an das er angeschlossen ist. Der gemeinschaftsrechtlich geforderte Netzzugangsanspruch ist in § 6 Abs. 1 EnWG umgesetzt. Anspruchsverpflichtet ist jeder Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen. Anspruchsberechtigt sind andere Unternehmen mit einem Durchleitungsbegehren. Nach überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur ist der Anspruch auf den Abschluss eines Durchleitungsvertrages gerichtet19. § 6 Abs. 1 Satz 1 EnWG normiert insofern einen Kontrahierungszwang. Das in § 6 Abs. 1 Satz 1 EnGW vorgegebene „Zurverfügungstellen des Versorgungsnetzes“ für Durchleitungen zu Eigenbedingungen beschreibt den Inhalt des abzuschließenden Durchleitungsvertrages. Die Verpflichtung zum Vertragsschluss greift nur im Rahmen vorhandener Kapazitäten und solange die Durchleitung insbesondere betriebsbedingt zumutbar ist. Der Netzbetreiber darf für die Durchleitung nur ein Nutzungsentgelt verlangen, das keine Schlechterstellung des neuen Netzbenutzers gegenüber den mit dem Netzbetreiber verbundenen Unternehmen enthält. Die inhaltliche Ausgestaltung der Netzzugangsverträge und der Durchleitungsentgelte im einzelnen hat der Gesetzgeber den Marktbeteiligten überlassen. Eine solche Selbstregulierung soll eine Regulierungsbehörde für Strom entbehrlich machen. Das Bundeskartellamt ist gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 EnGW lediglich mit den allgemeinen Marktaufsichtsbefugnissen, insbesondere aus § 19 Abs. 4 GWB und § 20 GWB jeweils in Verbindung mit § 32 GWB, ausgestattet. Es kann hiernach bei Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung (zum Beispiel durch Verweigerung des Netzzugangs) oder einem Diskriminierungsverhalten des Netzbetreibers das jeweils beanstandete Verhalten verbieten. Das an einen Netzbetreiber gerichtete Verbot, den Zugang in einem konkreten Fall zu verweigern, kommt der Anordnung, Zugang in diesem Fall zu gewähren gleich. Das zeigte sich in einer Entscheidung des Bundeskartellamts vom 30. August 1999, dem Berliner Stromdurchlei18 BGBl. I S. 730, zuletzt geändert durch Art. 29 Neuntes Euro-Einführungsgesetz vom 10. November 2001 (BGBl. I S. 2992). 19 Zum Meinungsstand über die Rechtsnatur des energierechtlichen Anspruchs auf Zugang zu Strom- und Gasnetzen (zwischen einem Anspruch auf Aufnahme von Vertragsverhandlung bis zum unmittelbaren Anspruch auf Durchleitung aus gesetzlichem Schuldverhältnis und somit ohne Vertragsschluss) siehe Torsten Frank / Gereon Ziller, Zur Rechtsnatur des energierechtlichen Anspruchs auf Zugang zu Gasversorgungsnetzen und des Gasdurchleitungsvertrages, RdE 2002, S. 91 (91 – 96).
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tungsfall20. In Auslegung des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB kam das Bundeskartellamt zu dem Ergebnis, dass der Infrastruktureigentümer auch dann Wettbewerbern Zugang zu gewähren hat, wenn er selbst die Infrastruktur nutzen möchte. Die gesamte Kapazität des Stromnetzes sei unter dem Netzbetreiber, der zugleich den betreffenden Sekundärmarkt bedient, und den Wettbewerbern bei gleichgelagerten Nutzungsinteressen anteilig zu vergeben21. Das Bundeskartellamt kann also über das Ob einer Netzzugangsverpflichtung für eine bestimmte Fallkonstellation befinden (Kontrahierungszwang). Es kann indes nicht das Wie regeln, also die inhaltliche Ausgestaltung des Netzzugangsvertrags im einzelnen. Für den Fall der nicht wirksamen Wettbewerbseröffnung durch Selbstregulierung hat der Gesetzgeber in § 6 Abs. 2 EnWG eine Ermächtigungsgrundlage zum Erlass einer Rechtsverordnung durch das Bundesministerium für Wirtschaft vorgesehen, mittels derer die Gestaltung der Netzzugangsverträge geregelt und Kriterien zur Bestimmung von Durchleitungsentgelten festgelegt werden können. Konkrete Vorgaben für die Durchführung des Netzzugangs im einzelnen haben die Marktbeteiligten in der „Verbändevereinbarung über Kriterien zur Bestimmung von Netznutzungsentgelten für elektrische Energie vom 13. Dezember 2001“ (nachfolgend: „Verbändevereinbarung Strom II“) niedergelegt22. Die Verbändevereinbarung Strom II löst die erste Vereinbarung vom 22. Mai 1998 ab23. Es handelt sich um eine rechtlich unverbindliche Empfehlung. Die Marktbeteiligten sind also nicht verpflichtet, sich an ihre Vorgaben zu halten. Die Vereinbarung trifft detaillierte Bestimmungen zu Durchleitungsentgelten 24. Hinsichtlich der Netznutzungen seitens des nach § 6 Abs. 1 20 Bundeskartellamt, Verfügung vom 30. August 1999, Az. B8-40100-T-99 / 99, WuW 1999, S. 1129 ff.; kritisch hierzu: Florian C. Haus, Stromleitung bei der Bewag – ein Präjudiz für § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB? Zur Verfügung des BKartA vom 30. 8. 1999, Az. B8-40100-T-99 / 99, gegen Bewag, WuW 1999, S. 1190 ff.; Ulrich Büdenbender, Durchleitungen in der Elektrizitätswirtschaft und Eigentumsschutz, WuW 2000, S. 119 ff. 21 Bundeskartellamt, Verfügung vom 30. August 1999, Az. B8-40100-T-99 / 99, WuW 1999, S. 1129 (1133). 22 Veröffentlicht in RdE 2000, S. 1 ff. 23 Der Bundesverband der Deutschen Industrie e.V., die Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke und der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft e.V. haben diese Vereinbarungen ausgehandelt. 24 Grundsätzlich ist ein pauschales Netzzugangsentgelt vorgesehen, das der Netznutzer seinem jeweiligen Netzbetreiber zahlt. Netznutzer ist regelmäßig der Strom beziehende Kunde. Dieser „Point of Connection“-Tarif ist als Eintrittskarte konzipiert, mit der der Netznutzer das gesamte Stromnetz des Betreibers für Stromtransporte beliebig oft und unabhängig von der Zahl der Lieferanten nutzen kann. Der Netznutzer muss eine bestimmte Netzkapazität beim Netzbetreiber bestellen und dafür einen Jahresleistungspreis zahlen. Dieser variiert im Hinblick auf die Spannungsebene, an die der Netzkunde angeschlossen ist. Er wird auf der Basis kalkulatorischer Kosten nach dem – bislang – nationalen Vergleichsmarktkonzept errechnet. Systemdienstleistungen und Transportverluste im Netz sind vom Nutzungsentgelt abgegolten. Eine Ausnahme von diesem grundsätzlich unabhängig von der Entfernung Lieferant – Kunde ausgestalteten Durchleitungsentgelt besteht bei Lieferungen, die die geschaffenen Handelszonen Süd und Nord überschreiten. Insoweit wird ein Transporttarif auf den Saldo des insgesamt hin und her gelieferten Stroms in Höhe von 0,25 Pf / kWh fällig.
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EnGW anspruchsberechtigten Stromlieferanten und seitens des Strom beziehenden Kunden (Endkunden) sieht die Verbändevereinbarung Strom II in Ziffer 1.1 einen Stromlieferungsvertrag zwischen Netzbetreiber und Stromlieferanten vor sowie einen Netzanschluss- und Netznutzungsvertrag zwischen Netzbetreiber und Endkunden25. Ein Vertragsverhältnis zwischen dem Netzbetreiber und dem Endkunden soll also trotz gewechseltem Lieferanten, insbesondere zur Regelung des Durchleitungsentgeltes fortbestehen. Selbstredend existiert zudem ein Vertragsverhältnis zwischen Stromlieferanten und Endkunden, wonach der Stromlieferant regelmäßig zusagt, das vom Endkunden zu entrichtende Durchleitungsentgelt selbst an den Netzbetreiber abzuführen. Die Umsetzung der Verbändevereinbarung Strom II hat durch die Ausgestaltung der Verträge zwischen Netzbetreiber, Stromlieferant und Endkunde in der Praxis zu unübersehbar komplizierten Rechtstreitigkeiten geführt26. Ein wirklicher Wechsel von Endkunden zu neuen Anbietern findet kaum statt. Forderungen nach einer Regulierungsbehörde für Strom verstummen nicht. Die Europäische Kommission denkt laut über die Beendigung des allein in Deutschland praktizierten Systems des verhandelten Netzzugangs nach27. Dies beträfe nicht nur den Strom-, sondern auch den Gassektor. Folgen wären die ausschließliche Geltung des Konzepts des regulierten Netzzugangs und die Errichtung einer Regulierungsbehörde, die zwingend präventiv und nicht nur repressiv tätig würde. Beachtenswert ist dabei die pluralistische Prägung der deutschen Stromund Gaswirtschaft. So weist die Gasbranche über 700 Leitungsnetzeigentümer auf28, deren Verhalten in Bezug auf die Zugangsermöglichung eine Regulierungsbehörde zu überwachen hätte. Legt man britische Maßstäbe zu Grunde – 700 Regulierungsbeschäftigte für dreizehn Gasnetze – müsste eine deutsche Regulierungsbehörde mit nahezu 30.000 Regulierungsbeschäftigten ausgestattet sein29. 25 Susanne Müller-Kabisch, Die Ausgestaltung der Netznutzung bei „All-Inclusive“-Verträgen, RdE 2001, S. 184 (185). 26 Susanne Müller-Kabisch, Die Ausgestaltung der Netznutzung bei „All-Inclusive“-Verträgen, RdE 2001, S. 184 ff.; Gisela Böhnel, Netznutzungsentgelt und Netznutzungsvertrag aus der Sicht der Arbeitsgruppe Netznutzung Strom der Kartellbehörden des Bundes und der Länder: Darstellung und Kritik, RdE 2001, S. 176 (183 f.); ChristianTheobald / Ines Zenke, Der Zugang zu Strom- und Gasnetzen: Eine Rechtsprechungsübersicht, WuW 2001, S. 19 ff.; Hans-Peter Schwintowski, Der Netzverbundvertrag, WuW 2001, S. 1042 ff.; Franz Jürgen Säcker, Die konkludente Netzverbundgesellschaft als Irrweg oder als Ausweg zu mehr Wettbewerb auf den Märkten für Energie? – Ein Plädoyer für BGB-konforme Lösungen, WuW 2002, 241 ff. 27 Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament zur Vollendung des Energiebinnenmarktes KOM (2001) 125, S. 1 (35, 43); Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates zur Änderung der Richtlinien 96 / 92 / EG und 98 / 30 / EG über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt, KOM (2001) 125, S. 48 (49, 54, 57); Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Netzzugangsbedingungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel, KOM (2001) 125, S. 82 (84, 89). 28 FAZ vom 25. April 2002, S. 28. 29 FAZ vom 25. April 2002, S. 28.
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Im Gassektor zeichnet sich eine dem Stromsektor weitestgehend entsprechende Entwicklung ab. Die Richtlinie 98 / 30 / EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 22. Juni 1998 betreffend gemeinsame Vorschriften für den Gasbinnenmarkt (nachfolgend: „Gasbinnenmarkt-Richtlinie 98 / 30 / EG“)30 schreibt die schrittweise Öffnung der Gasmärkte in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union vor. Die grundlegenden Bestimmungen und die erste Stufe, eine Öffnung der nationalen Gasmärkte von 20 %, sollten bis zum 10. August 2000 in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen umgesetzt sein. Hinsichtlich des Netzzugangs können die Mitgliedstaaten ein System des „Netzzugangs auf Vertragsbasis“ (Art. 15 Gasbinnenmarkt-Richtlinie 98 / 30 / EG), ein „System mit geregeltem Netzzugang“ (Art. 16 Gasbinnenmarkt-Richtlinie 98 / 30 / EG) oder eine Kombination aus beiden Systemen wählen (Art. 14 Gasbinnenmarkt-Richtlinie 98 / 30 / EG). Beim Netzzugang auf Vertragsbasis sollen Erdgasunternehmen und Kunden nach Treu und Glauben freiwillig kommerzielle Netzzugangsvereinbarungen aushandeln. Beim geregelten Netzzugang können Bedingungen und Verpflichtungen für den Zugang zum Netz und für die Netznutzung sowie Tarife durch mitgliedstaatliche Maßnahmen festgelegt werden. Art. 17 Gasbinnenmarkt-Richtlinie 98 / 30 / EG benennt Gründe für Erdgasunternehmen, den Netzzugang zu verweigern. Das Energiewirtschaftsgesetz enthält in § 6 lediglich einen energierechtlichen Durchleitungstatbestand für die Elektrizitätswirtschaft. Eine vergleichbare Norm für die Gaswirtschaft fehlt, weil bei der Verabschiedung des Energiewirtschaftsgesetzes die Gasbinnenmarkt-Richtlinie 98 / 30 / EG noch nicht in Kraft war. Allerdings konnte seit Inkrafttreten der sechsten Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (nachfolgend: „GWB“)31 § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB in Verbindung mit § 33 Satz 1 1. Halbsatz GWB für den Zugang zu Gasnetzen geltend gemacht werden. § 33 Satz 1 1. Halbsatz GWB eröffnet bei einem Verstoß gegen eine Verbotsnorm des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen dem durch die Verbotsnorm Geschützten einen Unterlassensanspruch. Der Anspruch ist gerichtet auf die Unterlassung der Verweigerung des Netzzugangs. Er ist inhaltlich kongruent mit dem Zugangsanspruch selbst. Die Bundesregierung hat Anfang Mai 2001 einen Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Gasbinnenmarkt-Richtlinie 98 / 30 / EG eingebracht, der zu einer gasversorgungsspezifischen Ergänzung des Energiewirtschaftsgesetzes führen soll32. Der Bundestag hat der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes am 17. Mai 2002 zugestimmt33. Der Regierungsentwurf stellt klar, dass der Zugang zu Gasversorgungsnetzen auf dem System des verhandelten Netzzugangs fußt (§ 6 Buchstabe a Abs. 1 Regierungsentwurf-EnGW). Der gasrechtABl. EG 1998 Nr. L 204, S. 1 ff. In der Fassung der Bekanntmachung vom 26. August 1998, BGBl. 1998 I, S. 2546 ff. 32 BT-Drucks. 14 / 5969, vom 9. Mai 2001, S. 1 (5 ff.). 33 FAZ vom 18. Mai 2002, S. 12; siehe BR-Drucks. 460 / 02, vom 31. Mai 2002, S. 1; der Bundesrat hat am 12. Juli 2002 beschlossen, dem Gesetz nicht zuzustimmen, und hilfsweise, für den Fall, dass das Gesetz nicht zustimmungsbedürftig ist, Einspruch eingelegt, BRDrucks. 611 / 02, vom 12. Juli 2002, S. 1. 30 31
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liche Netzzugangsanspruch ist § 6 Abs. 1 EnWG nachgebildet34. Insofern wird auf die vorstehend erörterten Anspruchsvoraussetzungen und -inhalte des § 6 Abs. 1 EnWG verwiesen35. Die inhaltliche Ausgestaltung der Netzzugangsverträge und der Tarife bleibt den Marktbeteiligten überlassen. Bei funktionierender Selbstregulierung soll sich die Einrichtung einer Fachregulierungsbehörde erübrigen. Wie im Stromsektor ist das Bundeskartellamt nur mit den allgemeinen Marktaufsichtsbefugnissen ausgestattet. Allerdings soll der Entwurf zum Energiewirtschaftsgesetz dahingehend ergänzt werden, dass das Bundeskartellamt seine Entscheidungen in diesem Bereich für sofort vollziehbar erklären kann36. In § 6 Buchstabe a Abs. 8 Regierungsentwurf-EnWG ist eine Ermächtigungsgrundlage zum Erlass einer Rechtsverordnung vorgesehen, durch die die Gestaltung der Netzzugangsverträge geregelt und Kriterien zur Bestimmung von Durchleitungsentgelten festgelegt werden können. Je umfassender von dieser Verordnungsermächtigung Gebrauch gemacht würde, desto mehr wandelte sich das Konzept des verhandelten Netzzugangs zu einer staatlich vorgegebenen Regulierung. Eine zusätzliche Streitschlichtungsmöglichkeit für gaswirtschaftliche Netzzugangsfälle soll nach § 6 Buchstabe a Abs. 2 Satz 5 Regierungsentwurf-EnWG beim Bundeswirtschaftsministerium eingerichtet werden. Schneller als der Gesetzgeber sind die Marktbeteiligten tätig geworden. Sie haben eine neue Grundlage für frei auszuhandelnde Vereinbarungen über den Netzzugang auf Vertragsbasis und die entsprechenden Netzzugangsentgelte in der „Verbändevereinbarung zum Netzzugang bei Erdgas vom 3. Mai 2002“ (nachfolgend: „Verbändevereinbarung Erdgas II“) geschaffen37. Die Verbändevereinbarung Erdgas II tritt am 1. Oktober 2002 in Kraft und löst die bis dahin geltende Verbändevereinbarung Erdgas I vom 4. Juli 2000 ab38. Wie die entsprechende Vereinbarung in der Stromwirtschaft ist die Verbändevereinbarung Erdgas II eine rechtlich unverbindliche Empfehlung. Die Marktbeteiligten sind also nicht verpflichtet, sich bei der Gestaltung der Zugangsverträge an die Vorgaben der Vereinbarung zu halten. Allerdings sieht die Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes in § 6 Abs. 1 und § 6 Buchstabe a Abs. 1 RegierungsentwurfEnWG vor, dass Netzbetreiber die Versorgungsnetze für Durchleitungen zu Bedingungen zur Verfügung stellen, die „guter fachlicher Praxis“ entsprechen39. Bei Einhaltung der Verbändevereinbarungen Strom II und Erdgas II soll dann die 34 Ulrich Büdenbender, Grundfragen des energierechtlichen Netzzugangs in der Gaswirtschaft nach der Gasnovelle (§ 6 a EnGW), RdE 2001, S. 165 (166 ff.). 35 Zum Meinungsstand über die Rechtsnatur des energierechtlichen Anspruchs auf Zugang zu Strom- und Gasnetzen siehe Fußnote 19. 36 FAZ vom 11. Mai 2002, S. 14. 37 Veröffentlicht auf dem Website des Bundesverbandes der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft e.V. (BGW), electronic ed. http: / / www.bgw.de, Mai 2002. 38 Der Bundesverband der Deutschen Industrie e.V., der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft e.V., der Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft e.V. sowie der Verband kommunaler Unternehmen e.V. haben diese Vereinbarungen ausgehandelt. 39 BT-Drucks. 14 / 9081, vom 15. Mai 2002, S. 1 (3).
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Erfüllung dieser Bedingungen vermutet werden40. Mit dieser „Verrechtlichung“ der privatwirtschaftlich vereinbarten Regelungen könnte den Marktbeteiligten der Anreiz genommen werden, die Vereinbarungen angesichts unzureichender Marktergebnisse weiterzuentwickeln. Auch könnten kartellamtlich im wesentlichen nur noch Fragestellungen außerhalb der Verbändevereinbarungen geklärt werden. „Als gute fachliche Praxis“ sind die Verbändevereinbarungen selbst einer inhaltlichen kartellamtlichen Kontrolle entzogen. Nicht verbändeorganisierte Strom- und Gashändler müssen sich an das Netzzugangsmodell der Verbändevereinbarungen halten und können nicht unter Berufung auf kartellrechtliche Vorschriften wie § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB andere Netzzugangslösungen erstreiten41. Die Verbändevereinbarung Erdgas II unterscheidet zwei Versorgungsebenen, die überregionale und regionale Ferngasversorgung einerseits sowie die Endverteilung andererseits. Bezüglich beider Ebenen trifft sie detaillierte Vorgaben für die Bestimmung von Netznutzungsentgelten. Hinsichtlich des Netzzugangs selbst sieht sie folgende vertragliche Beziehungen vor. Auf jeder Versorgungsebene kommt ein Transportvertrag zwischen dem Transportkunden und dem Netzbetreiber zustande. Auf der Endverteilungsebene ist jedenfalls ein weiterer Vertrag abzuschließen42, und zwar zwischen dem Betreiber des Endverteilungsnetzes und dem vom Transportkunden (Gaslieferanten) verschiedenen Netzendkunden. Dieser Vertrag ist Voraussetzung für die Durchführung des Transportvertrages (Ziffer 2.2.3 Verbändevereinbarung Erdgas II, am Ende), welche durch die tatsächliche Aufnahme des Erdgastransportes an den betreffenden Endkunden erfolgt. In der Praxis haben sich die rechtlichen Probleme im Gas- und im Stromsektor somit insgesamt vom Ob des Netzzugangs auf das Wie der Netznutzung verlagert43.
III. Sonstige Zugangsregulierungen Zugangsregulierungen sind verschiedentlich auch in nicht leitungsgebundenen Wirtschaftsbereichen auszumachen. Dem Phänomen, dass Dritte ein für sie fremdes Eigentumsobjekt nutzen möchten, begegnet man beispielsweise in der Transport- und Zeitungsbranche ebenso wie im Bereich urheberrechtlich geschützter Informationen und Know-hows. Einige Marktaufsichtsrechtsordnungen greifen dieses Phänomen auf und statuieren je nach Fallkonstellation Zugangsansprüche BT-Drucks. 14 / 9081, vom 15. Mai 2002, S. 1 (3). Zu verfassungs- und gemeinschaftsrechtlichen Bedenken dieser Verrechtlichung der Verbändevereinbarungen siehe Christian von Hammerstein, Energiewirtschaftsrecht missachtet Verfassung und Europarecht, FAZ vom 25. Mai 2002, S. 23. 42 Bei Personenverschiedenheit zwischen Netzendkunden und Anschlussnehmer (in Mietoder Pachtverhältnissen) sind zwei Verträge erforderlich, zum einen zwischen Endverteilnetzbetreiber und dem Anschlussnehmer (Eigentümer des Anschlussgrundstücks), zum anderen zwischen Endnetzverteiler und dem Endkunden (Mieter oder Pächter). 43 Christian Theobald / Ines Zenke, Der Zugang zu Strom- und Gasnetzen: Eine Rechtsprechungsübersicht, WuW 2001, S. 19 (20). 40 41
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des Dritten gegen den Eigentümer des begehrten Objektes. Fälle aus dem U.S.amerikanischen Kartellrecht, dem gemeinschaftseuropäischen und dem deutschen Marktmachtmissbrauchsrecht verdeutlichen, welche Umstände typischerweise Zugangsverpflichtungen auslösen. Das US-amerikanische Kartellrecht barg bereits Ende des 19. Jahrhunderts die gesetzliche Grundlage für ein Aufbrechen wettbewerbsverhindernder Zugangsmachtstellungen44. Der nach Senator Sherman benannte Sherman Act lautet in Section 2 ausschnittweise: „Every person who shall monopolize, or attempt to monopolize, . . ., any part of the trade or commerce among the several states, or with foreign nations, shall be deemed guilty of felony, . . . .“45
Diese Generalklausel verbietet die vollendete oder versuchte „Monopolisierung“ von Märkten. Nach gefestigter Rechtsprechung ist „monopolization“ „(1) possession of monopoly power in the relevant market and (2) willful acquisition or maintenance of that power as distinguished from growth or development as a consequence of a superior product, business acumen or historical accident“46. Der vollendete Verbotstatbestand erfordert demzufolge das Innehaben von Monopolmacht auf dem sachlich relevanten Markt und eine Monopolisierungsabsicht. Zu einer tatsächlichen Ausnutzung dieser Monopolmacht im Sinne eines Missbrauchs muss es nicht kommen. Der Wettbewerb soll bereits davor geschützt werden, dass ein Unternehmen Marktmacht aufgrund eines Monopols erwirbt oder behält. Entscheidend dabei ist die Monopolisierungsabsicht. Sie wird vermutet, wenn das Unternehmen bestimmte Verhaltensweisen verwirklicht. Dazu zählt nach dem U.S.-amerikanischen Fallrecht die Verweigerung des Zugangs zu solchen „facilities“, die für den Marktzutritt von Wettbewerbern unerlässlich sind. Dem liegt auch der Gedanke des „monopoly leveraging“ zugrunde. Die Monopolmacht auf einem „bottleneck-Markt“47 führt zur Übertragung dieser Monopolmacht auf die vor- oder nachgelagerten Märkte. Ein vertikal integriertes Unternehmen, das also auf zwei Ebenen der Wertschöpfungskette tätig ist, kann seine auf einer Ebene bestehende Marktmacht als Hebel benutzen, um auf der anderen Ebene Marktmacht zu erlangen oder zu bewahren. Präzedenzfall war eine Entscheidung des U.S. Supreme Court aus dem Jahr 1912, U.S. versus Terminal Railroad Association of St. Louis48. Das Unternehmenskonsortium Terminal Railroad kontrollierte den Bahnhof der 44 Hans Peter Schwintowski, Der Zugang zu wesentlichen Einrichtungen – Einige kritische Bemerkungen zu § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB unter Berücksichtigung der amerikanischen und europäischen Kartellpraxis, WuW 1999, S. 842 (843). 45 E. Thomas Sullivan / Jeffrey L. Harrison, Understanding Antitrust And Its Economic Implications, 3. Aufl., New York u. a. 1998, S. 433 (Appendix, Selected Antitrust Statutes). 46 United States v. Grinnell Corp., 348 U.S. 563, 570 – 571 (1966). 47 „Bottleneck“ bedeutet Flaschenhals und meint einen Engpass, durch den alle gelangen müssen, die entweder in die Flasche hinein oder aus dieser hinaus gelangen möchten. 48 U.S. Supreme Court, 244 U.S. 383 (1912).
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Stadt St. Louis in Missouri, einen bedeutenden Eisenbahnknotenpunkt, sowie eine Eisenbahnbrücke und sämtliche Fährverbindungen, die über den Mississippi weiter nach Illinois führten. Terminal Railroad konnte unter anderem durch Verweigerung des Zugangs zu seinen Brücken- und Fährverbindungen Konkurrenten von der Aufnahme eines Transportbetriebes auf der Strecke von und nach St. Louis abhalten. Der Bau einer weiteren Brücke über den Mississippi war wirtschaftlich und geographisch nicht möglich. Nach Qualifizierung der Eisenbahnbrücke als „essential facility“, verpflichtete das Gericht dass Konsortium, konkurrierenden Transportunternehmen künftig diskriminierungsfreien Zugang zu seinen Brücken- und Fährverbindungen zu angemessenen Bedingungen zu gewähren. Im europäischen Wettbewerbsrecht hat sich in der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaft Fallrecht zum Marktmachtmissbrauchstatbestand des Art. 82 EGV49 herausgebildet, das sich mit Zugangsverweigerungen befasst und zur Bejahung einer Zugangsverpflichtung führen kann. Auch die Europäische Kommission hat zu Zugangsfällen, insbesondere im Hinblick auf Art. 82 Abs. 1 EGV Position bezogen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit werden im Folgenden wesentliche Entscheidungen des Gerichtshofes und der Europäischen Kommission dargestellt. Als zeitliche erster maßgeblicher Zugangsfall wird die Commercial Solvents-Entscheidung des Gerichtshofes50 angesehen. Das Pharmaunternehmen Commercial Solvents verfügte über ein weltweites Monopol auf einem Rohstoffmarkt und begann Arzneimittel aus diesem Rohstoff herzustellen. Damit ging die Weigerung einher, andere Arzneimittelhersteller mit diesem Rohstoff zu beliefern. Der Gerichtshof sah in dieser Lieferverweigerung einen nicht durch das Vorliegen objektiver Gründe gerechtfertigten Transfer von Marktmacht von einem monopolisierten auf einen nachgelagerten Markt. Er verpflichtete Commercial Solvents, die anderen Arzneimittelhersteller mit dem begehrten Rohstoff zu beliefern und entschied damit über das Ob der Zugangsverpflichtung. 1995 reihte sich die Magill TV Guide-Entscheidung51 in das europäische Zugangsfallrecht ein. Das Unternehmen Magill beabsichtigte eine Zeitschrift mit den Fernsehprogrammen der drei großen in Irland tätigen Fernsehanstalten herauszugeben. Entsprechende Nachfrage bestand. Bislang gab jede Fernsehanstalt eine Zeitschrift für ihr eigenes Programm heraus. Magill begehrte den Zugang zu den Programmlisten der drei Anstalten, der ihm verweigert wurde. Die Programmlisten waren urheberrechtlich geschützt. Der Europäische Gerichtshof nahm Bezug auf den be49 Vom 25. März 1957, BGBl. II 766, in der Fassung des Vertrags über die Europäische Union vom 7. Februar 1992 (BGBl. II S. 1253 / 1256), zuletzt geändert durch den Vertrag von Amsterdam vom 2. Oktober 1997 (BGBl. 1998 II S. 387, berichtigt BGBl. 1999 II S. 416). 50 EuGH, Urteil vom 22. Januar 1974, verbundene Rs. 6 und 7 / 73, Slg. 1974, S. 223 ff. 51 EuGH, Urteil vom 6. April 1995, verbundene Rs. C-241 / 91 P und 242 / 91 P, Slg. 1995-I, S. 743 ff.; siehe auch die durch den Gerichtshof bestätigten Entscheidungen der Vorinstanz, EuG, Urteile vom 10. Juli 1991, Rs. T-69 / 89, Slg. 1991-II, S. 485 ff., Rs. T-76 / 89, Slg. 1991-II, S. 535 ff., Rs. T-76 / 89, Slg. 1991-II, S. 575 ff. und der Europäischen Kommission, Europäische Kommission, Entscheidung, vom 21. Dezember 1988, ABl. EG 1989 Nr. L 78, S 43 ff.
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sonderen Schutz geistigen Eigentums und betonte, dass die Ausübung eines Urheberrechts (in Gestalt der Zugangsverweigerung) nur unter außergewöhnlichen Umständen ein missbräuchliches Verhalten des „geistigen Eigentümers“ darstelle52. Solche seien wegen der Abschottung des nachgelagerten potentiellen Marktes, der (dadurch bedingten) Verhinderung der Entstehung eines neuen nachgelagerten Marktes und des Fehlens einer Rechtfertigung für die Zugangsverweigerung gegeben. Der Europäische Gerichtshof bestätigte damit die angefochtene Entscheidung der Kommission. Die Kommission hatte die drei Fernsehanstalten verpflichtet, Dritten auf Anfrage ihre jeweiligen wöchentlichen Programmvorschauen auf nicht diskriminierender Basis gegen ein angemessenes Entgelt zur Verfügung zu stellen und die Wiedergabe durch Dritte zu gestatten. Damit wurden das Ob der Zugangsverpflichtung bejaht und abstrakte Vorgaben für das Wie aufgestellt. 1998 folgte das Oscar-Bronner-Urteil 53. Das Zeitungsunternehmen Mediaprint betrieb das landesweit einzige Hauszustellungssystem für Tageszeitungen. Es hatte mit seinen drei Tageszeitungen einen Marktanteil von 70 % auf dem Markt für Tageszeitungen. Der Konkurrent Oscar Bronner erreichte mit seiner einzigen Tageszeitung einen Marktanteil von 4 %. Er wollte sich einen weiteren Vertriebsweg erschließen und begehrte erfolglos Zugang zum Hauszustellsystem Mediaprints. Der Gerichtshof gab dem vorlegenden Gericht auf zu prüfen, ob das landesweite Hauszustellsystem mit anderen Vertriebsformen austauschbar und Mediaprint gegebenenfalls auch auf diesen weiteren Vertriebsnutzungsmärkten beherrschend sei. Zudem verneinte er einen Missbrauchsfall nach den Kriterien der Magill TV Guide Entscheidung. Die Zugangsweigerung habe nicht zur Ausschaltung jeglichen Wettbewerbs auf dem nachgelagerten Markt geführt. Der Zugang zum Hauszustellsystem, so der Gerichtshof, sei nicht unentbehrlich gewesen, da andere, wenn auch weniger lukrative Vertriebswege vorhanden waren, und es technisch, wirtschaftlich und rechtlich möglich gewesen sei, ein eigenes landesweites Hauszustellsystem zu errichten54. Die Europäische Kommission stellt bei der Beurteilung von Zugangsfällen maßgeblich auf das Objekt ab, auf das sich der begehrte Zugang bezieht. Wie im U.S.amerikanischen Fallrecht muss dieses Objekt ein „essential facility“ sein. So hat die Kommission in den Hafenentscheidungen55 den Begriff des „essential facility“, 52 Siehe auch die Stellungnahmen in der Literatur: Wolfgang Deselaers, Die „Essential Facilities“ – Doktrin im Lichte des Magill-Urteils des EuGH, EuZW 1995, S. 563 ff.; Ulrich Schnelle, Die Öffnung von leitungsnotwendigen Einrichtungen für Dritte und der Schutz des Eigentums, EuZW 1994, S. 556 ff. 53 EuGH, Urteil vom 26. November 1998, Rs. C-7 / 97, Slg. 1997-II, S. 923 ff. 54 Joachim Scherer, Das Bronner-Urteil des EuGH und die Essential facilities-Doktrin im TK-Sektor, MMR 1999, S. 315 ff.; Holger Fleischer / Hartmut Weyer, Neues zur „essential facilities“-Doktrin im Europäischen Wettbewerbsrecht – Eine Besprechung der Bronner-Entscheidung des EuGH –, WuW 1999, S. 350 ff. 55 Europäische Kommission, Entscheidung vom 11. Juni 1992, Common Market Law Report 1992, S. 255 ff. (Hafen-von-Holyhead-I); Europäische Kommission, Entscheidung vom 21. Dezember 1993, ABl. EG 1994 Nr. L 15, S. 8 ff. (Hafen-von-Holyhead-II); Europäische
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der die deutsche Übersetzung „wesentliche Einrichtung“ erfuhr, als „Einrichtung oder Infrastruktur“ definiert, „ohne deren Nutzung ein Wettbewerber seinen Kunden keine Dienste anbieten kann“56. In dem Zugangsfall Hafen-von-Holyhead-II 57 ging es darum, dass eine Hafenbetreiberin zugleich ein Fährunternehmen in diesem Hafen führte. Ein konkurrierendes Fährunternehmen beabsichtigte, einen Schnellfährdienst einzurichten. Die Hafenbetreiberin weigerte sich unter anderem, dem Konkurrenten die dafür erforderlichen Anlegestellen und Fahrplanslots zuzuweisen. Im Hinblick auf ein in diesem Verweigerungsverhalten liegendes Marktmachtmissbrauchsverhalten formulierte die Kommission den Leitsatz: „Der Eigentümer einer wesentlichen Einrichtung, der seine Macht auf dem Markt dazu nutzt, seine Stellung auf einem anderen, zu diesem in Bezug stehenden Markt zu stärken, indem er insbesondere einem Wettbewerber den Zugang verweigert oder den Zugang unter weniger günstigen Bedingungen als für seine eigenen Dienste gewährt und damit seinem Wettbewerber einen Wettbewerbsnachteil aufzwingt,“ verstößt gegen Art. 82 EGV58. Für den Telekommunikationsbereich lieferte die Europäische Kommission in einer Mitteilung über Zugangsvereinbarungen eine spezifizierte Definition der wesentlichen Einrichtung: „Als wesentlich wird eine Einrichtung oder Infrastruktur bezeichnet, die wesentlich ist, um Kunden zu erreichen und /oder Wettbewerbern die Durchführung ihrer Geschäftstätigkeit zu ermöglichen, und die mit angemessenen Mitteln nicht neu geschaffen werden kann.“59. Im deutschen Wettbewerbsrecht wurde mit der sechsten Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, in Kraft getreten am 1. Januar 1999, die Vorschrift des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB eingeführt60. Sie betrifft den Zugang zu Netzen und anderen wesentlichen Einrichtungen. § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB lautet: „Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen Kommission, Entscheidung vom 21. Dezember 1993, ABl. EG 1994 Nr. L 55, S. 52 ff. (Hafen-von-Rodby); siehe in diesem Zusammenhang auch die Diskussionen um den Entwurf einer Kommissionsrichtlinie zur Seehäfenliberalisierung, FAZ vom 24. Mai 2002, S. 14. 56 Europäische Kommission, Entscheidung vom 21. Dezember 1993, ABl. EG 1994 Nr. L 15, S. 8 (66). 57 Europäische Kommission, Entscheidung vom 21. Dezember 1993, ABl. EG 1994 Nr. L 15, S. 8 ff. 58 Europäische Kommission, Entscheidung vom 21. Dezember 1993, ABl. EG 1994 Nr. L 15, S. 8 (66). 59 Europäische Kommission, Mitteilung über die Anwendung der Wettbewerbsregeln auf Zugangsvereinbarungen im Telekommunikationsbereich, März 1998, ABl. EG 1998 Nr. C 265 S. 2 ff. (Rdnr. 68). 60 Zur Entstehungsgeschichte Hermann-Josef Bunte, 6. GWB-Novelle und Missbrauch wegen Verweigerung des Zugangs zu einer „wesentlichen Einrichtung“, WuW 1997, S. 302 ff.; Annette Klimisch / Martin Lange, Zugang zu Netzen und anderen wesentlichen Einrichtungen als Bestandteil kartellrechtlicher Missbrauchsaufsicht, WuW 1998, S. 15 (20 ff.); Gabriela von Wallenberg, Diskriminierungsfreier Zugang zu Netzen und anderen Infrastruktureinrichtungen, K&R 1999, S. 152 (153 f.).
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sich weigert, einem anderen Unternehmen gegen angemessenes Entgelt Zugang zu den eigenen Netzen oder anderen Infrastruktureinrichtungen zu gewähren, wenn es dem anderen Unternehmen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ohne die Mitbenutzung nicht möglich ist, auf dem vor- oder nachgelagerten Markt als Wettbewerber des marktbeherrschenden Unternehmens tätig zu werden; dies gilt nicht, wenn das marktbeherrschende Unternehmen nachweist, dass die Mitbenutzung aus betriebsbedingten oder sonstigen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist.“
In der Gesetzesbegründung wird allgemein auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaft und konkret auf die Verwaltungspraxis der Europäischen Kommission zu den Hafenentscheidungen Bezug genommen. Die Gesetzesbegründung zitiert die Definition der Kommission zur wesentlichen Einrichtung und rekurriert auch auf deren Leitsatz, welcher beschreibt, in welchen Fällen der Zugangsverweigerung oder -diskriminierung ein Marktmachtmissbrauch vorliegt61. Was unter dem Begriff „wesentlich“ zu erfassen ist, und ob dem Wettbewerber die Schaffung einer Alternativeinrichtung zuzumuten ist, soll nach objektiven Maßstäben bestimmt werden. Die Frage der sachlichen Rechtfertigung einer Zugangsverweigerung sei, so ist der Gesetzesbegründung zu entnehmen, nach den Kriterien des Behinderungsmissbrauchs zu beantworten; der Kapazitätserschöpfungseinwand des Infrastruktureigentümers sei in diesem Zusammenhang auch zu prüfen62. Der Gesetzgeber strebt insgesamt eine einheitliche, weite und offene Lösung aller Zugangsfälle im deutschen Recht an63. So sollen durch diese wettbewerbsrechtliche Norm auch der Zugang zu Rohstoffen und noch nicht absehbare Entwicklungen auf künftigen Märkten erfasst sein64. Dem Gesetzgeber zufolge ist § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB überdies als Auffangtatbestand konzipiert, der im Telekommunikationsrecht dann greifen soll, „wenn künftig – wie vorgesehen – die sektorspezifische Regulierung vom Gesetzgeber wieder aufgehoben“65 werde. In dem ersten Anwendungsfall des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB ging es erneut um die Mitbenutzung eines Fährhafens, diesmal um den Ostseehafen Puttgarden66, dessen Ausbauzustand nur die Nutzung durch eine Fährlinie zuließ. Andere Fährhäfen oder Brücken sind zu weit entfernt und bieten daher keine Ausweichmöglichkeit. Der Hafeneigentümer betrieb auch die einzige Fährlinie. Ein Wettbewerber wollte eine zweite Fährlinie eröffnen, der Hafeneigentümer verweigerte ihm die Mitbenutzung der Hafenanlagen. Das Bundeskartellamt untersagte dem Hafeneigentümer, erstens die Mitbenutzung der betreffenden Hafenanlagen (gegen ein angeBT-Drucks. 13 / 9720, vom 29. Januar 1998, S. 1 (36 f.). BT-Drucks. 13 / 9720, vom 29. Januar 1998, S. 1 (51 f.). 63 BT-Drucks. 13 / 9720, vom 29. Januar 1998, S. 1 (37; 51). 64 BT-Drucks. 13 / 9720, vom 29. Januar 1998, S. 1 (36 f.). 65 BT-Drucks. 13 / 9720, vom 29. Januar 1998, S. 1 (37); skeptisch zu diesen Erwartungen des Gesetzgebers sind Bernd Martenczuk / Kathrin Thomaschki, Der Zugang zu Netzen zwischen allgemeinem Kartellrecht und sektorieller Regulierung, RTkom 1999, S. 15 (25). 66 Bundeskartellamt, Beschluss vom 21. Dezember 1999, Az. B9-63220-T-199 / 97 und T-16 / 98, WuW 2000, S. 757 ff. 61 62
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messenes Entgelt) und zweitens das Treffen dazu erforderlicher Vorkehrungen zu verweigern. Damit wurden das Ob der Zugangsverpflichtung bejaht und Vorgaben für das Wie gemacht. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hob die Untersagungsverfügung allerdings wieder auf. Das Bundeskartellamt, so führt das Gericht aus, hätte prüfen müssen, zu welchem Höchstpreis dem Konkurrenten die Mitbenutzung zu gewähren sei und wie der Hafen, in Anbetracht der begrenzten geographischen Möglichkeiten, umzubauen gewesen wäre, um dem Konkurrenten eine Mitbenutzung zu ermöglichen67. Die am Beispiel US-amerikanischer, gemeinschaftsrechtlicher und nationaler Judikate demonstrierte Verpflichtung von Unternehmen, ihren Konkurrenten Zugang zu eigenen Infrastrukturen zu gewähren, wird in nahezu allen einschlägigen Publikationen auch unter dem Stichwort „essential facilities doctrine“ diskutiert. Insbesondere für die Suche nach Vorschriften der deutschen Rechtsordnung, die Zugang zu Telekommunikationsnetzen, vor allem entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung, gewähren, ist mehrfach versucht worden, eine „essential facilities doctrine“ nutzbar zu machen68. „Essential facilities doctrine“ wird in der Literatur als „Lehre von den wesentlichen Einrichtungen“ übersetzt69. Ob diese Übersetzung eine besonders geglückte ist, mag offen bleiben. Angemerkt sei, dass der Begriff „facilities“ dem lateinischen „facilitas“ entspringt und eher „Passierbarkeit“70 oder „Tätigkeitsermöglichungsausrüstung“ meint als Einrichtung. Quintessenz der exemplarischen Fallanalyse ist jedenfalls, dass im US-amerikanischen Antimonopolisierungsrecht, im gemeinschaftseuropäischen und im deutschen Marktmachtmissbrauchsrecht rechtliche Anknüpfungspunkte für eine Zugangsverpflichtung zu „wesentlichen Einrichtungen“ liegen. Unbeschadet der Unterschiede, welche diese rechtlichen Anknüpfungspunkte erkennen lassen, wird mit einer solchen Zugangsverpflichtung für den Infrastruktureigentümer stets intendiert, denjenigen Gefahren für den Wettbewerb zu begegnen, die von dessen Infrastrukturmachtstellung ausgehen. Der mit einer rechtsvergleichend angelegten Untersuchung einer wie auch immer dogmatisch ausgeformten „Lehre von den wesentlichen Einrichtungen“ verbundene Erkenntnisgewinn darf nicht überschätzt werden. Jede Rechtsordnung entwickelt spezifische Lösungsansätze und Mechanismen, um regelungsbedürftige Phänomene zu bewältigen. Gedankliche Anleihen 67 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25. April 2000, Az. Kart 3 / 00 (V), WuW 2000, S. 620 ff. 68 Siehe nur Michael Holzhäuser, Essential Facilities in der Telekommunikation, München 2001, insbesondere S. 181 ff. und S. 213 ff., der der Frage einer Rezeption der U.S.-amerikanischen „essential facilities doctrine“ in das europäische Kartellrecht nachgeht; Robert Schulz, Der Zugang zum „blanken Draht“, München 2001, S. 65 – 134; Joachim Scherer, Das Bronner-Urteil des EuGH und die Essential facilities-Doktrin im TK-Sektor, MMR 1999, S. 315 ff. 69 Michael Holzhäuser, Essential Facilities in der Telekommunikation, München 2001, S. 2; Robert Schulz, Der Zugang zum „blanken Draht“, München 2001, S. 65. 70 Josef M. Stowasser, Der kleine Stowasser, Lateinisch-deutsches Schulwörterbuch, München 1979, S. 176 f.
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an solche Lösungen und Mechanismen können dem nationalen Gesetzgeber in seinem Gesetzgebungsverfahren Impulse geben. Soweit ersichtlich, war dies für den Gesetzgeber des § 33 TKG indes nicht der Fall. Eine Bezugnahme auf „wesentliche Einrichtungen“ und ihre Behandlung in anderen Rechtsordnungen ist in der Gesetzesbegründung zum Telekommunikationsgesetz71 nicht zu finden72. Einen entsprechenden Anknüpfungspunkt liefern weder die Empfehlungen der befassten Ausschüsse des Bundesrates73 noch Beschlussempfehlung und Bericht des Bundestagsausschusses für Post und Telekommunikation74 noch die Plenardebatte im Bundestag75. In dieser Arbeit wird daher eine „essential facilities doctrine“ unabhängig von der Verortung in einer Rechtsordnung als bewertende Erfassung bestimmter wettbewerbsrelevanter Sachverhalte verstanden, die sich durch besondere Merkmale von anderen wettbewerbsrelevanten Sachverhalten unterscheiden. Bewusst verallgemeinernd, werden im folgenden die besonderen Sachverhaltsmerkmale der vorstehend dargestellten Zugangsfälle skizziert. Diese Merkmale bilden die allgemeinen Voraussetzungen ab, unter denen in den benannten drei Rechtsordnungen eine Zugangsverpflichtung des „Facilitaseigentümers“ diskutiert wird. Sie können als Vergleichs- und Orientierungsposten bei der Auslegung und verfassungsrechtlichen Untersuchung der Zugangsregelung des § 33 TKG dienen. Ob es sachlich zutreffend ist, von einer Kodifizierung der „essential facilities doctrine“ im deutschen Recht durch § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB76 zu sprechen oder von einer Rezeption der „essential facilities doctrine“ in das europäische Kartellrecht77, bleibt zweifelhaft. Unabhängig von der unterschiedlichen rechtlichen Verortung und den verschiedenen Sachverhalten – von Eisenbahnbrücken und Hafenanlagen über urheberrechtlich geschützte Informationen78 bis zu Vertriebsnetzen für Zeitungen – lassen 71 BT-Drucks. 13 / 3609, vom 30. Januar 1996, S. 1 ff., auf S. 33 wird lediglich auf „internationale Erfahrungen“ Bezug genommen, die „zeigen, dass sich wettbewerbliche Strukturen und Verhaltensweisen in diesen Märkten nicht allein durch die Aufhebung von Monopolrechten entwickeln.“. 72 Zu diesem Ergebnis gelangt auch das Oberverwaltungsgericht Münster in seinem Beschluss zum Zugang zur Inhouse-Verkabelung, OVG Münster, Beschluss vom 15. Februar 2002, Az. 13 A 4075 / 00, CR 2002, S. 342 (343 f.). 73 BR-Drucks. 80 / 1 / 96, vom 11. März 1996, S. 1 ff.; BR-Drucks. 425 / 1 / 96, vom 12. Juni 1996, S. 1 ff. 74 BT-Drucks. 13 / 4864, vom 12. Juni 1996, S. 1 (70 ff.). 75 BT-Plenarprotokoll 13 / 110, vom 13. Juni 1996, S. 9665 (9787 – 9807). 76 So aber Robert Schulz, Der Zugang zum „blanken Draht“, München 2001, S. 173. 77 So aber Michael Holzhäuser, Essential Facilities in der Telekommunikation, München 2001, S. 181 ff. 78 Am Rande sei bemerkt, dass das Gericht Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften jüngst mit einem weiteren Informationszugangsfall befasst war. Das Unternehmen ISM Health Inc. sammelt nach einem bestimmten System Absatzinformationen über pharmazeutische Produkte. Aus diesen Absatzinformationen erstellt es Marktforschungsberichte, die von Pharmaunternehmen bezogen werden. Das Lizenzbegehren eines konkurrierenden Markt-
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sich gemeinsame Merkmale der vorgestellten „Zugangsfälle“ festhalten: Auf der „Tatbestandsseite“ kontrolliert der Eigentümer eines „Objektes zur Tätigkeitsermöglichung“ den Nutzungsmarkt für dieses Objekt (nachfolgend: „Primärmarkt“) und jedenfalls einen diesem Markt vor- oder nachgelagerten Markt. Der Facilitaseigentümer ist also ein vertikal integriertes Unternehmen. Das Objekt zur Tätigkeitsermöglichung muss weiterhin wesentlich sein. Es ist wesentlich, wenn es erstens tatsächlich nicht oder nach objektiver Betrachtung ökonomisch nicht sinnvoll dupliziert werden kann. Damit wird eine Aus weichmöglichkeit der Wettbewerber auf dem Primärmarkt ausgeschlossen. Im Hinblick auf die hier interessierenden nachgelagerten (Sekundär-)Märkte, muss der Zugang zum Tätigkeitsermöglichungsobjekt zweitens unverzichtbare Voraussetzung für eine Bedienung des Sekundärmarktes durch potentielle Wettbewerber sein. Der Zugang zu dem begehrten Objekt muss einem einmaligen Rohstoff gleichen, ohne den ein bestimmtes Produkt (d. h. die Befriedigung der Nachfrage auf dem betreffenden Sekundärmarkt) nicht herstellbar ist. Der Facilitaseigentümer verweigert – oder gewährt unter diskriminierenden Bedingungen – den Zugang zum Primärmarkt, obwohl ihm die – diskriminierungsfreie – Öffnung des Primärmarktes möglich und zumutbar ist. Er sichert sich so die Kontrolle des Sekundärmarktes, was Wettbewerb auf diesem ausschließt (absolute Zutrittsbarriere). Legitimerweise kann der Zugang nur gegen ein angemessenes Nutzungsentgelt begehrt werden. Auf der „Rechtsfolgenseite“ variieren Inhalt und Umfang der Zugangsverpflichtung von Fall zu Fall. Eine allgemeingültige Aussage bezüglich der konkreten Ausgestaltung des entstehenden Nutzungsverhältnisses lässt sich daher nicht treffen. Allerdings hat eine Zugangsverpflichtung, die auf dem Boden der geschilderten Sachverhalte zu bejahen ist, weil die vorstehend abstrahierten Merkmale erfüllt sind, Ausnahmecharakter. Grundsatz ist, dass ein Eigentümer über die Nutzung seines Eigentumsobjekts privatautonom entscheiden, und deshalb auch Dritte von einer Nutzung ausschließen kann.
IV. Zusammenfassung Staatliche Marktsteuerung in infrastrukturgebundenen Wirtschaftsbereichen wird nach erfolgter Privatisierung und Entmonopolisierung im wesentlichen durch das Regulierungsinstrument „Netzzugang“ betrieben. Der Gesetzgeber sieht unterschiedliche Netzzugangskonzepte vor. Im Energiesektor ist der „verbändeverhanforschers für die Nutzung der Absatzinformationen lehnte es ab. Die Kommission gab IMS Health Inc. auf, den Zugangsbegehren der Wettbewerber in nicht diskriminierender Weise stattzugeben. Das Gericht Erster Instanz setzte im Eilverfahren des IMS Health Inc. gegen die Wettbewerber den Vollzug der Kommissionsentscheidung bis zur Entscheidung in der Hauptsache aus: EuG, Beschluss vom 26. Oktober 2001, Rs. T-184 / 01 R, Celex Dokument 62001B0184(01); siehe auch den vorhergehenden Beschluss des Gerichts Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (im Eilverfahren IMS Health Inc. gegen die Kommission): EuG, Beschluss vom 10. August 2001, Rs. T-184 / 01 R, Common Market Law Reports, Januar 2002, S. 46 ff.
B. Telekommunikationsrechtliches Normenprogramm
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delte“ Netzzugang realisiert worden. Grundsätzlich sollen die Gegenspieler im Markt Netzzugangsverträge frei von staatlicher Aufsicht aushandeln und abschließen können. Für Vertragsbeziehungen (zwischen Netzeigentümer, Energielieferant und Endkunde) und wesentliche Vertragsinhalte (Zugangseinräumung und Nutzungsentgelte) sehen die jeweiligen Verbändevereinbarungen branchengoutierte Musterelemente vor, die Teil der individuellen Netzzugangsverträge werden sollen. Bei marktmachtmissbräuchlichem Verhalten kann das Bundeskartellamt Zugangsverweigerungen oder diskriminierende Zugangsermöglichungen untersagen. Die Einrichtung einer Regulierungsbehörde für Energie hat der Gesetzgeber bislang abgelehnt. Das Regulierungsinstrument „Netzzugang“ ist in den größeren Zusammenhang der „Zugangsregulierungen“ einzuordnen. Dem Sachverhalt, dass Dritte an der Nutzung eines für sie fremden Eigentumsobjektes partizipieren möchten, begegnet man auch in nicht leitungsgebundenen Wirtschaftsbereichen. Gegenstand des Zugangsbegehrens können beispielsweise Brücken- und Hafenanlagen, aber auch urheberrechtlich geschützte Informationen sowie Vertriebsnetze sein. Das U.S.-amerikanische Kartellrecht, das gemeinschaftseuropäische und das deutsche Marktmachtmissbrauchsrecht enthalten Anknüpfungspunkte für eine Zugangsregulierung durch Begründung von Zugangsverpflichtungen für Eigentümer von „wesentlichen Tätigkeitsermöglichungsobjekten“.
B. Telekommunikationsrechtliches Normenprogramm Mit dem Begriff „Telekommunikationsrecht“ werden alle Normen erfasst, die eine staatlich erzeugte Regelung für den Sachbereich der „Informationsübertragung über gewisse Entfernungen unter Zuhilfenahme nachrichtentechnischer Mittel“79 enthalten. Die Gesetzgebungskompetenz für den Gegenstand „Telekommunikation“ liegt nach Art. 73 Nr. 7 GG ausschließlich beim Bund80. Eine weitreichende Kodifizierung hat das Telekommunikationsrecht durch das Telekommunikationsgesetz vom 25. Juli 199681 erfahren. Hinzu kommen Rechtsverordnun79 Fabian Schuster, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 1 Rdnr. 22. 80 Durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 30. August 1994, BGBl. 1994 I, S. 2245 ff., ist der Begriff „Fernmeldewesen“ durch den Begriff „Telekommunikation“ ersetzt worden, ohne dass damit eine inhaltliche Änderung des Gesetzgebungsgegenstandes vorgenommen werden sollte, so die Gesetzesbegründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes, BT-Drucks. 12 / 7269, vom 14. April 1994, S. 1 (4); das „Fernmeldewesen“ umfasst die technische Seite des Übertragungsvorgangs im gesamten Kommunikationswesen, das von der inhaltlichen Seite zu unterscheiden ist, Christoph Degenhart, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 73, Rdnrn. 32 ff. 81 BGBl. 1996 I, S. 1120 ff., in der Fassung, die es durch Art. 2 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 26. August 1998 erfahren hat, BGBl. 1998 I, S. 2521 ff.
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gen, die sich auf Ermächtigungsnormen des Telekommunikationsgesetzes stützen. Zu nennen ist insbesondere die Verordnung über besondere Netzzugänge vom 23. Oktober 1996 (Netzzugangsverordnung – nachfolgend: „NZV“)82. Das telekommunikationsrechtliche Normenprogramm steht in engem Zusammenhang mit gemeinschaftseuropäischen Rechtssetzungsschritten. Zur Aufbereitung des § 33 TKG für die Untersuchung der Vorschrift auf ihre Verfassungsmäßigkeit ist diese Norm einfachgesetzlich auszulegen. Diese Auslegung setzt eine Betrachtung der Entstehungsgeschichte des Telekommunikationsgesetzes im gemeinschaftseuropäischen Kontext voraus.
I. Entstehungsgeschichte des Telekommunikationsgesetzes Das Telekommunikationsgesetz vom 25. Juli 1996 ist nicht das erste telekommunikationsrechtliche Normenprogramm, das von einem deutschen Normgeber erzeugt wurde. Frühere Gesetze, die sich mit Telekommunikation befassen, entstanden im Anschluss an die technische Erfindung dieses Kommunikationsweges. Die erste erfolgreiche drahtgebundene Sprachübermittlung erfolgte über das von Johann Philipp Reis erfundene Urtelefon. Sie wurde am 26. Oktober 1861 vor dem Physikalischen Verein in Frankfurt am Main öffentlich vorgeführt. Die Erfindung des Fernsprechers durch Alexander Graham Bell im Jahr 187683 und die Erfindung der drahtlosen Nachrichtenübertragung durch Guglielmo Marconi Anfang 189684 rundeten diese technische Innovation ab. Mehr als dreißig Jahre nach Johann Philipp Reis Entdeckung ergab sich erster gesetzgeberischer Regelungsbedarf. Zunächst wurden gesetzliche Bestimmungen fernmeldehoheitlicher Art geschaffen, insbesondere mit dem Telegraphenwege-Gesetz vom 18. Dezember 189985. Das Gesetz regelte die Inanspruchnahme öffentlicher Wege durch die Reichspost, später durch die Deutsche Bundespost, zwecks Unterbringung ihrer Fernmeldeanlagen. Das Gesetz über Fernmeldeanlagen vom 14. Januar 192886 befasste sich mit den der bundesstaatlichen Ebene als Träger der Fernmeldehoheit zustehenden ausschließlichen Rechten und Pflichten, insbesondere in Bezug auf die Errichtung und den Betrieb von Telekommunikationsnetzen. Seine erste grundlegende Änderung erfuhr dieses Regelwerk erst durch das Gesetz zur Neustrukturierung des Post- und Fernmeldewesens und der Deutsche Bundespost vom 8. Juni 198987 (nachfolgend. „Poststrukturgesetz“ – „PostStruktG“). Neben diesen Normen fernmeldehoheitlicher Art gab es jedenfalls seit 1939 gesetzliche Bestimmungen fernmeldebenutzungsrechtlicher Art. Erwähnenswert ist die Fernsprechordnung vom 24. Novem82 83 84 85 86 87
BGBl. 1996 I, S. 1568 ff. Dtv-Lexikon, 1990, Bd. 2, S. 182. Dtv-Lexikon, 1990, Bd. 11, S. 256. RGBl. 1899, S. 705 ff. RGBl. 1928, S. 7 ff. BGBl. I 1989, S. 1026 ff.
B. Telekommunikationsrechtliches Normenprogramm
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ber 193988. Sie wurde von der als Rechtsverordnung des Bundes ergangenen Fernmeldeordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Mai 197189 abgelöst. Diese Fernsprechordnung regelte die öffentlich-rechtlichen Benutzungsbedingungen für die Inanspruchnahme von Fernmeldedienstleistungen. Die rechtspolitische Ausgangslage vor den Ende der achtziger Jahre einsetzenden Postreformen ist dadurch gekennzeichnet, dass das Fernmeldewesen als öffentliche Aufgabe der Daseinsvorsorge galt. Der Bund hatte für eine ausreichende Verfügbarkeit wesentlicher Telefondienste zu sorgen. Alleiniger Anbieter dieser Dienste war die Deutsche Bundespost, ein mit umfassenden Ausschließlichkeitsrechten90 ausgestattetes Sondervermögen des Bundes. Das Jahr 1989 markiert die erste große Etappe auf dem Weg einer kompletten Neuregelung des Telekommunikationssektors: Die Privatisierung eines Staatsmonopols im gemeinschaftseuropäischen Kontext und die Schaffung einer staatlichen Sonderwirtschaftsaufsicht (Postreform I: Trennung von Hoheit und Betrieb). Die zweite große Etappe der Postneuordnung ist dem Jahr 1994 zuzuordnen, in dem mit der Postreform II die Rechtsform- und Aufgabenprivatisierung durchgeführt wurde. Das Inkrafttreten des Telekommunikationsgesetzes vom 25. Juli 1996 stellt die dritte Stufe der Postneuordnung dar und wird als „Postreform III“ bezeichnet91.
1. Postreform I von 1989 Art. 87 GG a. F. legte Rechtsform und Organisation der Deutsche Bundespost fest92. Dieses Unternehmen wurde in bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau geführt. Diese Organisationsform bedingte die Ausprägung öffentlich-rechtlicher Wirtschaftsstrukturen, die umfassende Bindung des Unternehmens an beamtenrechtliche Grundsätze und das öffentliche Dienstrecht sowie die Begrenzung der Unternehmenstätigkeit auf das Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland. Öffentliche Verwaltung durch den Bund, Verflechtung von Post-, Telekommunikation- und Bankdienst sowie Einbindung in die Ministerialbürokratie prägten die Institution Deutsche Bundespost im hergebrachten Sinn. Mit dem Antritt der christdemokratisch-liberalen Bundesregierung von 1982 und ihrem Amtsblatt des Reichspostministeriums 1939, S. 859 ff. BGBl. 1971 I, S. 541 ff. 90 Siehe § 1 Abs. 1 des Gesetzes über Fernmeldeanlagen in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. März 1977, die bis zur Änderung durch Art. 3 des Gesetzes zur Neustrukturierung des Post- und Fernmeldewesens und der Deutsche Bundespost (nachfolgend: „Poststrukturgesetz“) vom 8. Juni 1989 galt, BGBl. 1989 I, S. 1455 ff. 91 Bernd Holznagel / Christoph Enaux / Christian Nienhaus, Grundzüge des Telekommunikationsrechts, München 2001, S. 14; Martin Geppert / Fabian Schuster / Ernst-Olaf Ruhle, Handbuch Recht und Praxis der Telekommunikation, Baden-Baden 1998, Rdnr. 1. 92 Zur verfassungsrechtlichen Lage vor der Postreform I siehe Peter Lerche, in: Kommentar, Grundgesetz, hrsg. v. Theodor Maunz, Günter Dürig u. a., Bd. IV, München Stand: Juli 2001, Art. 87 f., Rdnrn. 18, 22. 88 89
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Postminister Dr. Christian Schwarz-Schilling begann langsam, aber nachhaltig ein grundlegender Reformprozess. Schwarz-Schilling setzte dazu im März 1985 unter der Leitung des Telekommunikationswissenschaftlers Professor Eberhard Witte eine Kommission ein. Die „Witte-Kommission“ bestand aus Vertretern der Wissenschaft, der Wirtschaft, der Politik und der Gewerkschaften. Sie hatte den Auftrag, einen Bericht über „Aufgabenstellung und Möglichkeiten zur Verbesserung der Aufgabenerledigung im Bereich des Fernmeldewesens“ anzufertigen. Der Bericht stellte einen Kompromiss zwischen Extrempositionen dar, welche von der Empfehlung einer ausnahmslosen Aufhebung der Monopole bis zur Ablehnung jeder strukturellen Änderung reichten. Der Bericht enthielt zum einen den Vorschlag, die Führung des Betriebs Bundespost aus der Ministerialbürokratie zu lösen. Zum anderen sollten die umfassenden Ausschließlichkeitsrechte der Deutsche Bundespost reduziert werden, ohne dabei das wirtschaftlich bedeutsamste Sprachtelefondienstmonopol aufzugeben. Die Empfehlungen dieser Kommission bildeten die Grundlage für die Postreform I von 198993. Kern der Postreform I war das Bundesgesetz über die Unternehmensverfassung der Deutsche Bundespost (nachfolgend: „Postverfassungsgesetz“ – „PostVerfG“)94. Es gliederte die Deutsche Bundespost in die drei öffentlichen Unternehmen: POSTDIENST, POSTBANK und TELEKOM. Parallel wurde das Sondervermögen des Bundes im Bereich Post- und Fernmeldewesen mit eigener Wirtschafts- und Rechnungsprüfung in drei Teilsondervermögen umgeordnet. Für POSTDIENST, POSTBANK und TELEKOM wurden jeweils Vorstände berufen und Aufsichtsräte gebildet. Allerdings unterstanden POSTDIENST, TELEKOM und POSTBANK als öffentliche Unternehmen ohne eigene Rechtspersönlichkeit bundeseigener Verwaltung. Der damalige Bundesminister für Post und Telekommunikation übte weiterhin die „Rechte des Bundes auf dem Gebiet des Post- und Fernmeldewesens aus“ (§ 1 Abs. 1 Satz 2 PostVerfG). Beibehalten wurde auch die Personalstruktur des Unternehmens, welche durch den Beamtenstatus sowie die Geltung des öffentlichen Dienstrechtes geprägt war. Von einer Organisationsprivatisierung95 wurde auf dem Boden des Grundgesetzes in seiner damaligen inhaltlichen Verfasstheit, insbesondere wegen rechtlicher Unklarheiten über die Tragweite des Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F.96, abgesehen. Neben diesen formal-organisationsrechtlichen Änderungen wurde mit dem Poststrukturgesetz auch die erste Runde der Aufhebung umfassender Ausschließlichkeitsrechte der vormaligen Deutsche Bundespost eingeläutet. § 1 des Gesetzes über Fernmelde93 Zum rechtsgeschichtlichen Hintergrund bis zur Postreform I siehe Peter Lerche, in: Kommentar, Grundgesetz, hrsg. v. Theodor Maunz, Günter Dürig u. a., Bd. IV, München Stand: Juli 2001, Art. 87 f., Rdnrn. 15 – 18. 94 Das Postverfassungsgesetz wurde als Art. 1 eines umfangreichen Artikelgesetzes, das Poststrukturgesetz vom 8. Juni 1989, beschlossen, BGBl. 1989 I, S. 1026 ff. 95 Zur begrifflichen Abgrenzung einer Organisationsprivatisierung im Unterschied zur Aufgabenprivatisierung, Peter Lerche, in: Kommentar, Grundgesetz, hrsg. v. Theodor Maunz, Günter Dürig u. a., Bd. IV, München Stand: Juli 2001, Art. 87 f., Rdnrn. 19, 23. 96 Peter Lerche, in: Kommentar, Grundgesetz, hrsg. v. Theodor Maunz, Günter Dürig u. a., Bd. IV, München Stand: Juli 2001, Art. 87 f., Rdnrn. 18, 22.
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anlagen in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Juli 1989 (nachfolgend: „Fernmeldeanlagengesetz“) 97 reduzierte in den neu eingefügten Absätzen 2 und 4 die Ausschließlichkeitsrechte des Bundes auf die Errichtung und den Betrieb von Funkanlagen und von Übertragungswegen einschließlich der zugehörigen Abschlusseinrichtungen sowie auf das Betreiben von Fernmeldeanlagen, soweit es der Vermittlung von Sprache für andere dient. Der Bereich der Endgeräte und der Netze für geschlossene Benutzergruppen sowie in begrenztem Umfang der Satellitenund Mobilfunk wurden damit dem Wettbewerb geöffnet. Neben diesen vormals dem fernmeldehoheitlichen Bereich zuzuordnenden Bestimmungen, hatte die Postreform I auch Auswirkungen auf die fernmeldebenutzungsrechtliche Seite. Fortan sollte die TELEKOM ihre Dienstleistungen aufgrund privatrechtlicher und nicht mehr öffentlich-rechtlicher Beziehungen zu den Nachfragern erbringen, § 9 Abs. 1 Fernmeldeanlagengesetz. Die Benutzungsbedingungen für die Inanspruchnahme von Fernmeldedienstleistungen in der Fernmeldeordnung98 sollten künftig durch allgemeine Geschäftsbedingungen ersetzt werden.
2. Postreform II von 1994 Die Postreform I erwies sich als notwendig, indes nicht als hinreichend für eine Vorbereitung des Telekommunikationssektors auf die Wettbewerbseröffnung. Gefordert wurde eine Rechtsform- und Aufgabenprivatisierung der öffentlichen Unternehmen POSTDIENST, TELEKOM, POSTBANK. Unter der Ägide des neuen Ministers für Post und Telekommunikation, Dr. Wolfgang Bötsch, kam es am 27. Juni 1994 zur Verabschiedung der Postreform II99. Die Postreform II bestand aus einer Verfassungsänderung und zahlreichen Begleitgesetzen zur Umwandlung der öffentlichen Unternehmen in private Rechtsform. Die Verfassungsänderung erfolgte durch die Einführung von Art. 87 Buchstabe f GG und Art. 143 Buchstabe b GG in das Grundgesetz100. Art. 143 Buchstabe b Abs. 1 GG regelt die Gründung der Nachfolgeunternehmen als Kapitalgesellschaften und damit die Organi sationsprivatisierung101. Art. 87 Buchstabe f GG enthält in seinem Abs. 2 Satz 1 die zentrale inhaltliche Aussage der Postreform II: Diese Norm ordnet die 97 BGBl. 1989 I, S. 1455 ff., das Fernemeldeanlagengesetz wurde als Art. 3 des Poststrukturgesetzes vom 8. Juni 1989, BGBl. 1989 I, S. 1026 ff., beschlossen. 98 Siehe Fußnote 107, neugefasst durch die Telekommunikationsordnung vom 16. Juli 1987, BGBl. 1987 I, S. 1761. 99 Peter Lerche, in: Kommentar, Grundgesetz, hrsg. v. Theodor Maunz, Günter Dürig u. a., Bd. IV, München Stand: Juli 2001, Art. 87 f., Rdnrn. 23 – 30. 100 Zu technischen Anpassungen anderer Vorschriften des Grundgesetzes in diesem Zusammenhang siehe Peter Lerche, in: Kommentar, Grundgesetz, hrsg. v. Theodor Maunz, Günter Dürig u. a., Bd. IV, München Stand: Juli 2001, Art. 87 f., Rdnr. 27. 101 Bernd Holznagel / Christoph Enaux / Christian Nienhaus, Grundzüge des Telekommunikationsrechts, München 2001, S. 12; Kay Windthorst, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 87 f., Rdnr. 23.
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Teil 1: Staatliche Marktsteuerung im Telekommunikationssektor
Dienstleistungen in den Sektoren Postwesen und Telekommunikation der Privatwirtschaft zu, entzieht sie somit dem staatlichen Aufgabenbereich (Aufgabenprivatisierung102) und öffnet sie für den Wettbewerb103. Weiterhin wird der Bund zur Gewährleistung „flächendeckend angemessener und ausreichender Dienstleistungen“, also einer Grundversorgung, in diesen Marktbereichen verpflichtet (Art. 87 Buchstabe f Abs. 1 GG). Endlich bleiben dem Bund zusätzliche, insbesondere regulatorische Aufgaben vorbehalten, beispielsweise die Frequenzverwaltung, die er in bundeseigener Verwaltung ausführt (Art. 87 Buchstabe f Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 GG). Art. 143 Buchstabe b Abs. 1 GG ordnet flankierend die Umwandlung des Sondervermögens Deutsche Bundespost in Unternehmen privater Rechtsform nach Maßgabe eines Bundesgesetzes an. Dieser Rechtsformwechsel wurde durch das – fast gleichnamige – Gesetz zur Umwandlung der Unternehmen der Deutsche Bundespost in die Rechtsform der Aktiengesellschaft (nachfolgend: „Postumwandlungsgesetz“)104 realisiert. Dieses Gesetz überführte die öffentlichen Unternehmen POSTDIENST, POSTBANK und TELEKOM rechtstechnisch jeweils in eine Aktiengesellschaft deutschen Rechts. § 1 Postumwandlungsgesetz ordnete ihnen die Namen „Deutsche Post AG“, „Deutsche Postbank AG“ und „Deutsche Telekom AG“ zu. Gemäß § 3 Abs. 1 Postumwandlungsgesetz wurde der Bund mit der Gründung dieser Aktiengesellschaften jeweils deren alleiniger Aktionär. Die eigens gegründete Bundesanstalt für Post und Telekommunikation verwaltete die Aktien des Bundes. Art. 143 Buchstabe b Abs. 3 GG enthält eine Sonderregelung für die vormals bei der Deutsche Bundespost tätigen Beamten. Den privatisierten Postnachfolgeunternehmen wurde der Bestand an Ausschließlichkeitsrechten verliehen, der ihnen nach der Postreform I verblieben war. Das war für die Deutsche Telekom AG insbesondere das Sprachtelefondienstmonopol. Die vollständige Abschaffung der rechtlichen Monopole und das anschließende Aufbrechen der faktischen Monopole bedurfte einer dritten Reformstufe.
3. „Postreform III“: Das Telekommunikationsgesetz vom 25. Juli 1996 Der Ministerrat der Europäischen Union beschloss am 14. November 1994 unter Vorsitz von Bötsch, das Netz- und Sprachmonopol der nationalen Post- und Telekommunikationsunternehmen grundsätzlich zum 1. Januar 1998 aufzuheben. Dieser Ministerratsbeschluss war Handlungsgrundlage für die Postreform III und enthielt eine konkrete Terminvorgabe für den deutschen Gesetzgeber. Die Zur begrifflichen Klärung siehe Ausführungen in Teil 1 Kapitel A. II. Peter Lerche, in: Kommentar, Grundgesetz, hrsg. v. Theodor Maunz, Günter Dürig u. a., Bd. IV, München Stand: Juli 2001, Art. 87 f., Rdnrn. 2, 10, 55. 104 Das Postumwandlungsgesetz (BGBl. 1994 I, S. 2339 ff.) wird als Artikel 3 des Gesetzes zur Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation (Postneuordnungsgesetz), BGBl. 1994 I, S. 2325 ff., geführt; das Postneuordnungsgesetz ist am 1. Januar 1995 in Kraft getreten. 102 103
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Postreform III musste die Frage beantworten, wie und in welchem Maß die Wettbewerbsöffnung im Post- und Telekommunikationssektor durchgeführt werden sollte. Die Abschaffung der verbliebenen Ausschließlichkeitsrechte und die grundsätzliche Möglichkeit der Lizenzvergabe für alle Anbieter bestimmter Telekommunikationsdienstleistungen wurde als notwendige, indes nicht als hinreichende Voraussetzung der Wettbewerbsschaffung erkannt. Aus dem rechtlichen Monopol des Staatsunternehmens würde, so war zu befürchten, ohne flankierende Regulierung ein faktisches Monopol des privatisierten Nachfolgeunternehmens. Man nahm mit Recht an, freier Wettbewerb im monopolistisch geprägten Telekommunikationssektor entstehe nicht automatisch, sondern müsse aktiv durch Regulierung geschaffen werden. Zur Wettbewerbsschaffung und -stabilisierung musste der Gesetzgeber sich daher für ein Regulierungskonzept entscheiden. Eingeleitet wurde das Gesetzgebungsverfahren zur „Postreform III“ mit einem von den Fraktionen der CDU / CSU, SPD und FDP105 und wortgleich von der Bundesregierung106 eingebrachten Gesetzesentwurf107. Einvernehmen bestand hinsichtlich der vollständigen Abschaffung der verbliebenen Ausschließlichkeitsrechte zum 1. Januar 1998. Kontrovers hingegen wurde die Frage nach dem „richtigen“ Regulierungskonzept diskutiert108. Zugang zu und Nutzung von bestehenden Netzkapazitäten, Zusammenschaltung von Netzen, Entgeltregulierung, Lizenzvergabeverfahren und Universaldienst sowie Rechtsform und Kompetenzen einer Sonderwirtschaftsaufsicht wurden zum Gegenstand heftiger Debatten und letztlich Gegenstand des beschlossenen Regulierungskonzeptes. Die ersten drei genannten Reformelemente, Netzzugang, Zusammenschaltung, Entgeltregulierung, galten als Essentialien des entwickelten Konzeptes109. Umstrittene Einzelfragen betrafen insbesondere die Vergabevoraussetzungen für telekommunikationsbezogene Lizenzen (begrenzte Anzahl von Lizenzen versus restriktionsfreie Lizenzvergabe; Flächendeckungsund Netzausbauauflage versus voraussetzungsarmes Vergabeverfahren110), Organisation und Befugnisse der Regulierungsbehörde, die Definition des Universaldienstes sowie das Konzept der öffentlichen Wegenutzung111. Nach der dritten Lesung im Bundestag und der Einschaltung des Vermittlungsausschusses stimmte der Bundesrat letztlich der Postreform III am 5. Juli 1996 zu. Das Telekommunikationsgesetz trat am Tag nach seiner Verkündung (1. August 1996) in Kraft, § 100 Abs. 1 Satz 2 BT-Drucks. 13 / 3609, vom 30. Januar 1996, S. 1 ff. BT-Drucks. 13 / 4438, vom 23. April 1996, S. 1 ff. 107 Zur Vorgeschichte siehe auch die Eckpunkte eines künftigen Regulierungsrahmens für im Telekommunikationsbereich“ des Bundesministeriums für Post und Telekommunikation vom 27. März 1995 sowie den Referentenentwurf des Bundesministeriums für Post und Telekommunikation vom 27. Juli 1995. 108 BT-Plenarprotokoll 13 / 110, vom 13. Juni 1996, S. 9665 (9788). 109 BT-Plenarprotokoll 13 / 110, vom 13. Juni 1996, S. 9665 (9789). 110 Zu Einzelheiten siehe Gerrit Manssen, Das Telekommunikationsgesetz (TKG) als Herausforderung für die Verfassungs- und Verwaltungsrechtsdogmatik, Archiv PT 1998, S. 236 (239 f.). 111 BT-Plenarprotokoll 13 / 110, vom 13. Juni 1996, S. 9665 (9790 – 9793). 105 106
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Teil 1: Staatliche Marktsteuerung im Telekommunikationssektor
TKG. Das ausschließliche Recht der Deutsche Telekom AG, Sprachtelefondienst anzubieten, erlosch jedoch erst mit Ablauf des 31. Dezember 1997. Bis zu diesem Zeitpunkt konnten junge Wettbewerber nicht in das Kerngeschäft des Telekommunikationsmarkts vordringen. Das seit dem 1. Januar 1998 möglich gewordene Anbieten von Sprachtelefondienst setzt das Innehaben einer Lizenz, einer besonderen öffentlich-rechtlichen Berechtigung, voraus. §§ 6 ff. TKG regeln Gegenstand und Verfahren der Lizenzvergabe. Gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 TKG konnten neue Telekommunikationsunternehmen die sich aus ihrer Lizenz ergebenen Rechte erst ab dem 1. Januar 1998 ausüben. Das Telekommunikationsgesetz ist als Querschnittsgesetz konzipiert. Es enthält Elemente des Gewerberechts (Lizenzvergabe, §§ 6 ff. TKG) und des besonderen Marktaufsichtsrechts für die Telekommunikation (§§ 23 ff. TKG und §§ 33 ff. TKG), Regeln zum Kundenschutz (§§ 40 ff.) und zum Wegerecht (§§ 50 ff. TKG), Vorschriften der besonderen Verwaltungsorganisation und des -verfahrens (§§ 66 ff. TKG), datenschutzrechtliche Bestimmungen (§§ 85 ff. TKG) sowie eine Reihe von Straf- und Bußgeldvorschriften (§§ 94 ff. TKG)112. Der erste Teil des Telekommunikationsgesetzes normiert allgemeine Vorgaben. So legt § 1 TKG die Zwecke dieses Regelwerkes fest: Wettbewerbsförderung, grundversorgende Dienstleistungsgewährleistung und Festlegung einer Frequenzordnung. Der im Rahmen dieser Arbeit im Vordergrund stehende Gesetzeszweck, die Wettbewerbsförderung, wird von § 2 Abs. 2 TKG auch als Ziel der Regulierung genannt und präzisiert, „Sicherstellung eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs, auch in der Fläche, auf den Märkten der Telekommunikation“. In § 3 TKG folgen die maßgeblichen telekommunikationsrechtlichen Begriffsbestimmungen. Der zweite Teil des Telekommunikationsgesetzes enthält mit dem Lizenz vergabeverfahren113 und den Rechtspflichten im Kontext mit Universaldiensten Grundregeln für die Regulierung von Telekommunikationsdienstleistungen im lizenzpflichtigen Bereich. Der dritte und vierte Teil des Telekommunikationsgesetzes dienen im wesentlichen der Regulierung marktbeherrschender Unternehmen bei der Bestimmung von Entgelten und allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie bei der Gewährleistung von Netzzugang. Mit letzterem Fragenkreis befassen sich in Teil vier des Gesetzes §§ 33 bis 39 TKG unter dem Titel, „Offener Netzzugang und Zusammenschaltungen“. Diese Normen bilden den systematischen Zusammenhang für die zu untersuchende Zugangsregelung des § 33 TKG ab und werden im dritten Teil dieser Arbeit, Kapitel A., näher betrachtet. Ergänzende und konkretisierende Vorschriften über Netzzugänge enthält die Netzzugangsverordnung vom 23. Oktober 1996114. Joachim Scherer, Das neue Telekommunikationsgesetz, NJW 1996, S. 2953 ff. Zu Einzelheiten siehe Wolfgang Spoerr / Markus Deutsch, Das Wirtschaftsverwaltungsrecht der Telekommunikation – Regulierung und Lizenzen als neue Schlüsselbegriffe des Verwaltungsrechts?, DVBl. 1997, S. 300 (303 ff.); Christoph Hiltl / Klaus Großmann, Grundfragen des neuen deutschen Telekommunikationsrechts, BB 1996, S. 169 (170 ff.). 114 BGBl. I S. 1568; siehe dazu Joachim Scherer, Die Entwicklung des Telekommunikationsrechts in den Jahren 1996 und 1997, NJW 1998, S. 1607 (1611). 112 113
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In ihrem § 2 finden sich Ausführungen zur Entbündelung des Netzzugangs. Insbesondere der entbündelte Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung wird explizit genannt. Die §§ 5 bis 8 NZV sehen einen verfahrensrechtlichen Rahmen für Netzzugangsverhandlungen zwischen Telekommunikationsunternehmen unter Kontrolle der Regulierungsbehörde vor. Teil fünf des Telekommunikationsgesetzes ist dem Schutz der Kunden gewidmet. Dieser Gesetzesteil enthält mit § 41 TKG die wichtige Ermächtigungsgrundlage für eine Rechtsverordnung zum Kundenschutz, von der mit der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung vom 11. Dezember 1997115 Gebrauch gemacht wurde. Diese Verordnung regelt die besonderen Rechte und Pflichten der Anbieter von Telekommunikationsdiensten für die Öffentlichkeit und derjenigen, die diese Leistungen vertraglich in Anspruch nehmen, also der Kunden. Der sechste und siebte Teil des Telekommunikationsgesetzes stellen Grundregeln für die Verwaltung zweier knapper Ressourcen auf, Telefonnummern und Frequenzen. In Teil acht dieses Regelwerkes folgen Vorschriften über die Benutzung von Verkehrswegen und Grundstücken für Telekommunikationslinien. Der neunte Teil des Gesetzes regelt die Benutzung von Sendeanlagen. Der zehnte Teil des Telekommunikationsgesetzes enthält Regeln zur Errichtung und Binnenorganisation der Regulierungsbehörde, einer Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft, sowie Verfahrensregeln für wesentliche Entscheidungen deren Beschlusskammern. Im elften Teil finden sich Bestimmungen zum Fernmeldegeheimnis, zum Datenschutz und zur Netzsicherheit. Der zwölfte Teil des Regelwerks enthält Straf- und Bußgeldvorschriften. In Teil dreizehn folgen die Übergangs- und Schlussbestimmungen.
4. Zusammenfassung Die Postreform I gliederte zum einen die Deutsche Bundespost in drei öffentliche Unternehmen (POSTDIENST, POSTBANK und TELEKOM) mit drei Teilsondervermögen und eigener Wirtschafts- und Rechnungsprüfung. Zum anderen wurden die umfassenden Ausschließlichkeitsrechte der Deutsche Bundespost reduziert. Allerdings blieb das wirtschaftlich bedeutsamste Monopol, das Sprachtelefondienstmonopol, unangetastet. Die Postreform II ist im wesentlichen durch die Einführung von Art. 87 Buchstabe f GG und Art. 143 Buchstabe b Abs. 1 GG in das Grundgesetz gekennzeichnet. Diese Normen bilden die Grundlage der Organisations- und Aufgabenprivatisierung in der Telekommunikation. Auf dieser Basis wurden die drei öffentlichen Unternehmen jeweils in eine Aktiengesellschaft deutschen Rechts überführt und die Erbringung von Telekommunikationsdiensten dem Wettbewerb geöffnet. Das Schlagwort „Postreform III“ steht synonym für das Telekommunikationsgesetz. Dieses Regelwerk ordnet die Aufhebung der verbleibenden Monopolrechte an, führt also die vollständige Entmonopolisierung durch, sieht 115 BGBl. 1997 I, S. 2910 ff.; im einzelnen siehe Joachim Scherer / Ulrich Ellinghaus, Die neue Telekommunikations-Kundenschutzverordnung, NJW 1998, S. 883 f.
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Teil 1: Staatliche Marktsteuerung im Telekommunikationssektor
besondere Regulierungsmaßnahmen wie Netzzugangsregelungen für marktbeherrschende Telekommunikationsanbieter vor und legt die Organisations- und Verfahrensordnung für die Regulierungsbehörde fest.
II. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben für das deutsche Telekommunikationsrecht Das deutsche Telekommunikationsrecht kann nicht isoliert von gemeinschaftsrechtlichen Entwicklungen betrachtet werden116. Die Darstellung dieser sich stetig fortentwickelnden Vorgaben erfolgt insbesondere im Hinblick auf die zu untersuchende Zugangsregelung des § 33 TKG. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben für die Telekommunikation sind insbesondere im Sekundärrecht der Europäischen Gemeinschaften zu finden und in drei Entwicklungsstufen aufzuteilen. Die erste Entwicklungsstufe bildet das Gemeinschaftsrecht bis Mitte Dezember 2000 ab (1.). Sie besteht im wesentlichen aus zwei Richtliniensträngen. Einer der beiden Stränge zielte hauptsächlich auf die vollständige Aufhebung der rechtlichen Monopole in den Märkten der Telekommunikation. Der andere Strang bezweckte die Harmonisierung der divergierenden mitgliedstaatlichen Rechtsvorschriften. Entwicklungsstufe zwei wurde Mitte Dezember 2000 erreicht, als eine Verordnung den gemeinschaftsrechtlichen Normen hinzugefügt wurde, die sich mit dem Problemkreis dieser Arbeit befasst: Dem entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung (2.). Die dritte Entwicklungsstufe präsentiert sich als ein Paket mehrerer Kommunikationsrichtlinien von Anfang März 2002, die künftig eine Konsolidierung und Neuausrichtung des gemeinschaftseuropäischen Telekommunikationsrechts intendieren (3.). Eine abschließende Zusammenfassung hält die Kernpunkte dieser Entwicklung im Hinblick auf § 33 TKG fest (4.). Das gemeinschaftseuropäische und das deutsche Telekommunikationsrecht sind zwei Rechtsmassen, die von zwei verschiedenen Normgebern geschaffen wurden. Die beiden Rechtsmassen sind teilweise aufeinander bezogen. Sie verzahnen und ergänzen sich wechselseitig. Dies wird an verschiedenen Stellen dieser Arbeit sichtbar, zunächst im vorliegenden Kapitel anhand des Entstehungskontextes des Telekommunikationsgesetzes, dann in Teil 3 bei der Auslegung des § 33 TKG, schließlich bei der Bestimmung des Prüfungsmaßstabes für die Untersuchung der Verfassungsmäßigkeit des § 33 TKG in Teil 4 dieser Arbeit. Das Zusammenspiel von Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht auf dem Gebiet der Telekommunikation wird im wesentlichen durch zwei Prinzipien orchestriert, dem Prinzip gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung nationalen Rechts und dem Vorrangprinzip. Das Vorrangprinzip gewährt einer bestimmten gemeinschaftsrechtlichen Norm Vorrang vor einer nationalen Bestimmung, wenn die Gemeinschaftsrechts116 Wolfgang Hoffmann-Riem, Telekommunikationsrecht als europäisiertes Verwaltungsrecht, DVBl. 1999, S. 125 (128 ff.).
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norm erstens unmittelbare Wirkung hat und sie zweitens inhaltlich mit der betreffenden nationalen Bestimmung in Widerspruch steht117. Unmittelbare Wirkung118 bedeutet, dass eine Norm des Gemeinschaftsrechts in der mitgliedstaatlichen Rechtsordnung Wirksamkeit entfaltet, insbesondere von den innerstaatlichen Organen anzuwenden ist, ohne dass es dazu eines Umsetzungsaktes des nationalen Gesetzgebers bedarf119. Zu bemerken ist, dass gemäß Art. 249 Abs. 2 EGV Gemeinschaftsverordnungen per Rechtsaktnatur unmittelbare Wirkung haben. Sie können Rechte und Pflichten im Verhältnis Staat – Bürger und Bürger – Bürger erzeugen120. Einzelne Richtlinienbestimmungen hingegen haben nur unter bestimmten Voraussetzungen unmittelbar Wirkung. Auch können sie nur Rechte des einzelnen gegenüber dem Staat begründen, jedoch keine Verpflichtungen des Einzelnen gegenüber dem Staat schaffen und auch keine Verpflichtung eines Privaten gegenüber einem anderen Privaten erzeugen121. Ob und in welchem Verhältnis eine sekundärrechtliche Bestimmung unmittelbare Wirkung hat und ob sie bei Bejahung der unmittelbaren Wirkung Einzelpersonen unmittelbar Rechte verleihen und Pflichten auferlegen kann, ist jeweils bezogen auf den konkreten Anwendungsfall zu untersuchen. Vorrang ist im Sinne eines Anwendungsvorrangs der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung im konkreten Einzelfall zu verstehen122. Die mitgliedstaatliche Rechtsvorschrift findet also lediglich in dem betreffenden Einzelfall keine Anwendung. Ihre Geltung und ihre Anwendbarkeit bleiben ansonsten unberührt. Der Grundsatz der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung nationaler Rechtsvorschriften wurzelt in Art. 10 EGV, wonach die Mitgliedstaaten alle zur Erfüllung ihrer gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen geeigneten Maßnahmen treffen müssen123. Um eine solche Maßnahme handelt es sich auch 117 EuGH, Entscheidung vom 15. Juli 1964, Rs. 6 / 64 (Costa v. E.N.E.L.), Slg. 1964, S. 1251 (1269 f.); Bernhard Wegener, in: EUV / EGV-Kommentar, hrsg. v. Christian Callies und Matthias Ruffert, 2. Aufl., Neuwied 2002, Art. 220 EGV, Rdnr. 22. 118 Terminologisch hat sich dieser Begriff vor demjenigen der „unmittelbaren Anwendbarkeit“ durchgesetzt, siehe statt vieler Matthias Ruffert, in: EUV / EGV-Kommentar, hrsg. v. Christian Callies und Matthias Ruffert, 2. Aufl., Neuwied 2002, Art. 249 EGV Rdnr. 18. 119 Ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften seit EuGH, Entscheidung vom 5. Februar 1963, Rs. 26 / 62 (van Gend & Loos v. Niederländische Finanzverwaltung), Slg. 1963, S. 1963, S. 1 (24 f.). 120 Matthias Ruffert, in: EUV / EGV-Kommentar, hrsg. v. Christian Callies und Matthias Ruffert, 2. Aufl., Neuwied 2002, Art. 249 EGV Rdnr. 41. 121 Ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften seit EuGH, Entscheidung vom 26. Februar 1986, Rs. 152 / 84 (Marshall I), Slg. 1986, S. 723 (Rdnr. 47); den Ausschluss unmittelbarer Wirkung von Richtlinien zwischen Privaten ausdrücklich bestätigend, EuGH, Entscheidung vom 14. Juli 1994, Rs. C-91 / 92 (Paola Faccini Dori v. Recreb), Slg. 1994-I, S. 3325 (Rdnr. 19 ff.); zu diesbezüglicher Kritik im Schrifttum siehe auch Matthias Ruffert, in: EUV / EGV-Kommentar, hrsg. v. Christian Callies und Matthias Ruffert, 2. Aufl., Neuwied 2002, Art. 249 EGV Rdnr. 80 ff. 122 Bernhard Wegener, in: EUV / EGV-Kommentar, hrsg. v. Christian Callies und Matthias Ruffert, 2. Aufl., Neuwied 2002, Art. 220 EGV Rdnr. 22 f. 123 Wolfgang Kahl, in: EUV / EGV-Kommentar, hrsg. v. Christian Callies und Matthias Ruffert, 2. Aufl., Neuwied 2002, Art. 10 EGV Rdnr. 40; Matthias Ruffert, in: EUV / EGV-
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Teil 1: Staatliche Marktsteuerung im Telekommunikationssektor
bei der Auslegung des gesamten nationalen Rechts, sowohl im Staat-Bürger-Verhältnis als auch im Verhältnis von Privaten untereinander, nach dem Wortlaut und Zweck der betreffenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung124, sofern eine Auslegung des nationalen Rechts nach allein innerstaatlichen Maßstäben einen inhaltlichen Widerspruch zu der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung erzeugte125. Unerheblich ist dabei, ob es sich bei der gemeinschaftsrechtlichen Norm um Primär- oder Sekundärrecht handelt und ob diese Norm unmittelbar anwendbar ist. Der Grundsatz gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung ist an jegliche Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts geknüpft126. Die richtlinienkonforme Auslegung mitgliedstaatlicher Gesetzes und Verordnungen127 ist der in der Praxis wichtigste Anwendungsfall des Prinzips gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung.
1. Entwicklung des Gemeinschaftssekundärrechts in der Telekommunikation bis Dezember 2000 Erste politische Vorstöße zur Bestimmung eines neuen Ordnungsrahmens für den Telekommunikationssektor wurden auf Gemeinschaftsebene im Jahr 1984 unternommen. Ausgangssachverhalt war, dass die nationalen staatlichen Monopole die Entstehung von Wettbewerb im Fernmeldebereich ausschlossen. Die nationalen Gesetze im Fernmeldewesen befassten sich mit der jeweiligen Monopolverwaltung und divergierten von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat stark. Als Erinnerungsposten aus deutscher Sicht seien beispielsweise das Fernmeldeanlagengesetz, das Telegraphenwegegesetz und die Fernmeldeordnung genannt. Im November 1984 empfahl der Rat eine schrittweise Wettbewerbseröffnung auf den Telekommunikationsmärkten 128 sowie eine Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Rechtsvorschriften129. Die Europäische Kommission leitete Mitte des JahKommentar, hrsg. v. Christian Callies und Matthias Ruffert, 2. Aufl., Neuwied 2002, Art. 249 EGV Rdnr. 114. 124 Wolfgang Kahl, in: EUV / EGV-Kommentar, hrsg. v. Christian Callies und Matthias Ruffert, 2. Aufl., Neuwied 2002, Art. 10 EGV Rdnr. 40. 125 Wolfgang Kahl, in: EUV / EGV-Kommentar, hrsg. v. Christian Callies und Matthias Ruffert, 2. Aufl., Neuwied 2002, Art. 10 EGV Rdnr. 40. 126 Bernhard Wegener, in: EUV / EGV-Kommentar, hrsg. v. Christian Callies und Matthias Ruffert, 2. Aufl., Neuwied 2002, Art. 220 EGV Rdnr. 27; Wolfgang Kahl, in: EUV / EGVKommentar, hrsg. v. Christian Callies und Matthias Ruffert, 2. Aufl., Neuwied 2002, Art. 10 EGV Rdnr. 40. 127 Ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften seit EuGH, Entscheidung vom 10. April 1984, Rs. 14 / 83 (von Colson und Kamann v. Land Nordrhein-Westfalen), Slg. 1984, S. 1891 (Rdnr. 26); Matthias Ruffert, in: EUV / EGV-Kommentar, hrsg. v. Christian Callies und Matthias Ruffert, 2. Aufl., Neuwied 2002, Art. 249 EGV Rdnr. 106. 128 Rat, Empfehlung 84 / 559 / EWG vom 12. November 1984 betreffend die erste Phase der Öffnung der öffentlichen Fernmeldemärkte, ABl. EG Nr. L 298, S. 51 ff.
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res 1987 mit dem „Grünbuch über die Entwicklung des Gemeinsamen Marktes für Telekommunikationsdienstleistungen und Telekommunikationsendgeräte“ ihre Initiative für die gemeinschaftsrechtliche Normerzeugung ein130. Dieses Grünbuch sieht ebenfalls ein zweigleisiges Programm vor: Ein wettbewerbsrechtlich verankertes Entmonopolisierungskonzept und ein rechtsangleichend verankertes Harmonisierungskonzept. Beide Konzepte ergänzen sich wechselseitig131 und dienen der Gewährleistung eines fairen und chancengleichen Wettbewerbs.
a) Entmonopolisierungsrichtlinien Gestützt auf Art. 86 Abs. 3 EGV betrieb die Europäische Kommission vordringlich die Entmonopolisierung der Telekommunikationsmärkte nach den Funktionsebenen der Telekommunikation (Endgeräte, Dienste, Netze). Mittel dazu war insbesondere die Aufhebung der Ausschließlichkeitsrechte der ehemaligen staatlichen Monopolunternehmen auf diesen Funktionsebenen. Die Bedeutung der Netzebene betonte das Grünbuch der Kommission über die Liberalisierung der Telekommunikationsinfrastrukturen und der Kabelfernsehnetze132 im Herbst 1994. Erste gemeinschaftsrechtliche Vorgabe für diesen Entmonopolisierungsprozess war die Öffnung des Endgerätemarktes im Jahr 1988. Letzte gemeinschaftsrechtliche Vorgabe war die vollständige Aufhebung der verbliebenen Ausschließlichkeitsrechte im öffentlichen Sprachtelefondienst sowie bei der Errichtung und dem Betrieb öffentlicher Telekommunikationsnetze zum 1. Januar 1998. Dieser Prozess ist im deutschen Telekommunikationsrecht insbesondere durch § 1 des Fernmeldeanlagengesetzes in der Postreform I und von § 100 Abs. 1 TKG in der Postreform III abgebildet. Oftmals wird statt dem Begriff „Entmonopolisierung“ der Terminus „Liberalisierung“ verwendet. Richtig ist, dass die Europäische Kommission gemäss Art. 86 Abs. 3 EGV in begrenztem Maße Rechtserzeugungskompetenzen hat, die über das bloße Aufheben staatlicher Monopolrechte hinausgehen und zur Schaffung wettbewerblicher Strukturen in bestimmten Wirtschaftssektoren eingesetzt werden können133. Den folgenden Strang von Kommissionsrichtlinien als 129 Rat, Empfehlung 84 / 549 / EWG des Rates vom 12. November 1984 betreffend die Durchführung der Harmonisierung auf dem Gebiet des Fernmeldewesens, ABl. EG Nr. L 298, S. 49 ff. 130 Europäische Kommission, Grünbuch vom 30. Juni 1987 Grünbuch über die Entwicklung des Gemeinsamen Marktes für Telekommunikationsdienstleistungen und Telekommunikationsendgeräte, KOM (1987) 290, S. 1 ff. 131 Andreas Bartosch, Europäisches Telekommunikationsrecht im Jahr 1998, EuZW 1999, S. 421. 132 Europäische Kommission, Grünbuch vom 25. Oktober 1994 über die Liberalisierung der Telekommunikationsinfrastrukturen und der Kabelfernsehnetze, KOM (1994) 440, S. 1 ff. 133 Zu den Grauzonen einer Kompetenz der Europäischen Kommission in diesem Bereich, Andreas Bartosch, Europäisches Telekommunikationsrecht im Jahr 1998, EuZW 1999, S. 421 (425); Robert Schulz, Der Zugang zum „blanken Draht“, München 2001, S. 36 ff.
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Teil 1: Staatliche Marktsteuerung im Telekommunikationssektor
„Liberalisierungsrichtlinien“134 zu bezeichnen, verstellt indes den Blick auf ihren eigentlichen Schwerpunkt und ihre kompetenzielle Absicherung sowie den Unterschied zu den Harmonisierungsrichtlinien. Die Richtlinie 88 / 301 / EWG der Kommission vom 16. Mai 1988 über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikations-Endgeräte (nachfolgend: „Endgeräte-Richtlinie 88 / 301 / EWG“)135 regelt die Aufhebung der ausschließlichen Rechte für Einfuhr, Vermarktung, Inbetriebnahme und Wartung von Telekommunikationsendgeräten. Die Richtlinie 90 / 388 / EWG der Kommission vom 28. Juni 1990 über den Wettbewerb auf dem Markt der Telekommunikation (nachfolgend: „Dienste-Richtlinie 90 / 388 / EWG“)136 beendet die ausschließlichen Rechte für die Bereitstellung von Datenkommunikationsdiensten auf öffentlichen Telekommunikationsnetzen sowie für sämtliche Dienste auf Netzen geschlossener Benutzergruppen. Auch die Dienste-Richtlinie 90 / 388 / EWG stellt lediglich Minimalanforderungen an die Mitgliedstaaten, in bereits entmonopolisierten Bereichen die Wett bewerbseröffnung zu ermöglichen. Die Richtlinie 94 / 46 / EG der Kommission vom 13. Oktober 1994 zur Änderung der Richtlinien 88 / 301 / EWG und 90 / 388 / EWG zwecks Liberalisierung der Satellitenkommunikation 137 enthält die Aufhebung der Ausschließlichkeitsrechte für die Bereitstellung von Satellitenfunkinfrastruktur und –diensten. Die Richtlinie 95 / 51 / EG der Kommission vom 18. Oktober 1995 zur Änderung der Richtlinie 90 / 388 / EWG hinsichtlich der Aufhebung der Einschränkungen bei der Nutzung von Kabelfernsehnetzen für die Erbringung bereits liberalisierter Telekommunikationsdienste138 hebt die ausschließlichen Rechte für die Nutzung des Kabelfernsehnetzes zur Bereitstellung bereits liberalisierter Dienste auf. Die Richtlinie 96 / 2 / EG der Kommission vom 16. Januar 1996 zur Änderung der Richtlinie 90 / 388 / EWG zwecks Liberalisierung der Mobilkommunikation139 regelt die Aufhebung der Ausschließlichkeitsrechte für die Bereitstellung von Mobilfunkdiensten und -infrastrukturen. Schließlich hebt die Richtlinie 96 / 19 / EG der Kommission vom 13. März 1996 zur Änderung der Richtlinie 90 / 388 / EWG hinsichtlich der Einführung des vollständigen Wettbewerbs auf den Telekommunikationsmärkten (nachfolgend: „Full-CompetitionRichtlinie 96 / 19 / EG“)140 insbesondere die Ausschließlichkeitsrechte für die Erbringung des Sprachtelefondienstes und für die Errichtung und Bereitstellung öffentlicher Telekommunikationsnetze bis zum 1. Januar 1998 auf. Auch sie stellt 134 Andreas Bartosch, Europäisches Telekommunikationsrecht im Jahr 1998, EuZW 1999, S. 421; Bernd Holznagel / Christoph Enaux / Christian Nienhaus, Grundzüge des Telekommunikationsrechts, München 2001, S. 216 ff.; Robert Schulz, Der Zugang zum „blanken Draht“, München 2001, S. 30 ff. 135 ABl. EG 1988 Nr. L 131, S. 73 ff. 136 ABl. EG 1990 Nr. L 192, S. 10 ff. 137 ABl. EG 1994 Nr. L 268, S. 15 ff. 138 ABl. EG 1995 Nr. L 256, S. 49 ff. 139 ABl. EG 1996 Nr. L 20, S. 59 ff. 140 ABl. EG 1996 Nr. L 74, S. 13 ff.
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bloß Minimalanforderungen an die Mitgliedstaaten, nach vollständiger Entmonopolisierung die Wettbewerbseröffnung zu ermöglichen. Erwähnt sei abschließend die Richtlinie 99 / 64 / EG der Kommission vom 23. Juni 1999 zur Änderung der Richtlinie 90 / 388 / EWG im Hinblick auf die Organisation ein- und demselben Betreiber gehörender Telekommunikations- und Kabelnetze in rechtlich getrennten Einheiten (nachfolgend: „Entflechtungs-Richtlinie 99 / 64 / EG“)141, die nicht nur die buchhalterische, sondern auch die rechtliche Trennung von Unternehmen vorschreibt, welche zugleich Telekommunikations- und Kabelnetze betreiben. Sie ist ein umstrittenes Beispiel für eine Maßnahme zur Wettbewerbsförderung im Nachgang der Aufhebung staatlicher Monopolrechte142. Trotz einiger Minimalanforderungen zur Wettbewerbseröffnung enthalten weder die Dienste-Richtlinie 90 / 388 / EWG noch die Full-Competition-Richtlinie 96 / 19 / EG Vorgaben für die in dieser Arbeit zu untersuchende Zugangsregelung, § 33 TKG. Art. 4 Dienste-Richtlinie 90 / 388 / EWG143 stellt zwar erstmals den Zusammenhang her zwischen der nunmehr möglichen wettbewerblichen Erbringung von Datenkommunikationsdiensten durch neue Anbieter und dem dazu erforderlichen Zugang zum Telekommunikationsnetz der Staatsmonopolisten: Wegen des bestehenden Netzmonopols musste neuen Anbietern zur Geschäftsaufnahme der Zugang zu den Netzen der Monopolunternehmen grundsätzlich ermöglicht werden (auf Antrag, nach objektiven Kriterien, diskriminierungsfrei sowie innerhalb einer zumutbaren Frist). Jedoch greifen diese Netzzugangsvorgaben zeitlich nur bis zur Aufhebung von Sprachtelefondienstmonopol und Netzmonopol. Beides setzt die Zugangsregelung des § 33 TKG allerdings voraus, so dass die Regelung des § 33 TKG erst zu einem der Dienste-Richtlinie 90 / 388 / EWG nachgelagerten Zeitpunkt relevant wurde. Die Full-Competition-Richtlinie 96 / 19 / EG hat die DiensteRichtlinie 90 / 388 / EWG um Art. 4 Buchstabe a ergänzt144, wonach die MitgliedABl. EG 1999 Nr. L 175, S. 39 ff. Siehe nur Robert Schulz, Der Zugang zum „blanken Draht“, München 2001, S. 36 – 39; Andreas Bartosch, Das neue EG-Telekommunikationsrecht – Der Richtlinienentwurf zur rechtlichen Trennung der beiden großen Netzwerke, K&R 1998, S. 339 (344 f.). 143 Art. 4 Sätze 1 und 2 der Dienste-Richtlinie 90 / 388 / EWG lauten: „Solange ein Mitgliedstaat für die Bereitstellung und den Betrieb von öffentlichen festen Telekommunikationsnetzen besondere oder ausschließliche Rechte aufrechterhält, ergreift er die erforderlichen Maßnahmen, um die Bedingungen für den Zugang zu den Netzen objektiv und nicht diskriminierend zu gestalten; er veröffentlicht diese Bedingungen. Er gewährleistet insbesondere, dass die Benutzer auf Antrag in einer zumutbaren Frist Mietleitungen erhalten, für deren Verwendung nur die gemäss Artikel 2 genannten Nutzungseinschränkungen bestehen dürfen.“ 144 Art. 4 Buchstabe a Absätze 1 und 3 der Dienste-Richtlinie 90 / 388 / EWG in der Fassung der Full-Competition-Richtlinie 96 / 19 / EG lauten in Auszügen: Abs. 1 – „ . . . sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass die Telekommunikationsorganisationen die Zusammenschaltung mit ihrem Sprachtelefondienst und mit ihrem öffentlich vermittelten Telekommunikationsnetz für andere Unternehmen, die zur Bereitstellung solcher Dienste oder Netze berechtigt sind, zu nicht diskriminierenden, kostenorientierten, verhältnismäßigen und transparenten Bedingungen bereitstellen, die auf objektiven Kriterien beruhen“; Abs. 2 – „Die Mitgliedstaaten sorgen ferner dafür, dass Organisationen, die Telekommunikationsnetze und / oder 141 142
5 Kallmayer
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Teil 1: Staatliche Marktsteuerung im Telekommunikationssektor
staaten zur Entstehung von Wettbewerb die Möglichkeit einer Zusammenschaltung von Telekommunikationsnetzen gewährleisten müssen. Diese Zusammenschaltung einerseits und die Netzzugangsregelung des § 33 TKG andererseits verfolgen gänzlich verschiedene Ziele145. Unabhängig von der Marktposition des Netzbetreibers bezweckt die Zusammenschaltungsgewährleistung die Verbindung von Telekommunikationsnetzen. Damit soll erreicht werden, dass jeder Nutzer eines Netzes mit jedem Nutzer anderer Netze kommunizieren kann (Grundsatz der Interoperabilität). Jene Netzzugangsregulierung des § 33 TKG intendiert indes die Öffnung einer Engpassinfrastruktur zur Wettbewerbsermöglichung auf nachgelagerten Märkten.
b) Harmonisierungsrichtlinien Schwerpunkt der Entmonopolisierungsrichtlinien der Kommission war die sukzessive Aufhebung bestehender Monopolrechte der vormals staatlichen Fernmeldeunternehmen. Wie aufgezeigt, wurde darin schon der Zusammenhang zwischen der wettbewerblichen Erbringung bestimmter Dienste durch neue Anbieter und dem dazu erforderlichen Zugang zur Infrastruktur des Netzmonopolisten erkannt. Die rechtliche Verarbeitung dieses Zusammenhangs wurde allerdings erst durch die im Rat vertretenen Mitgliedstaaten mit Priorität betrieben. Mittels Rechtsangleichung, gestützt auf die Binnenmarktkompetenznorm des Art. 95 EGV, sollten die unterschiedlichen nationalen Rechtsrahmen für den Telekommunikationssektor zur Wettbewerbseröffnung harmonisiert werden. Gegenstand der Harmonisierung waren im wesentlichen die Zugangs- und Nutzungsbedingungen von Telekommunikationsnetzen und -diensten nach den Grundsätzen eines „offenen Netzzugangs“. Offener Netzzugang meint die grundsätzliche Zugänglichkeit von Diensten und Netzen für Endnutzer gegenüber Telekommunikationsdienstleistern und zwischen konkurrierenden Telekommunikationsanbietern. Damit einher ging die Sicherung einer gemeinschaftsweit und technisch funktionsfähigen Telekommunikation. Weiterhin sollten mitgliedstaatliche Regulierungsmaßnahmen automatisch zunächst die staatlichen Monopolisten treffen, später, im Gleichschritt mit der Entmonopolisierung, alle Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht. Aufbauend auf einer Rahmenrichtlinie zum offenen Netzzugang erging eine Reihe von Einzelrichtlinien, die die Prinzipien des offenen Netzzugangs nach Sachbereichen zeitlich gestaffelt ausarbeiteten. Die Richtlinie 90 / 387 / EWG des Rates vom 28. Juni 1990 zur Verwirklichung des Binnenmarktes für Telekommunikationsdienste durch Einführung des offenen -dienste bereitstellen, . . . , Zusammenschaltungsvereinbarungen . . . mit Telekommunikationsorganisationen aushandeln können.“. 145 Mit Robert Schulz, Der Zugang zum „blanken Draht“, München 2001, S. 45 f., ist Netzzugang, insbesondere als entbündelter Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung bereits nicht unter den Zusammenschaltungsbegriff der Full-Competition-Richtlinie 96 / 19 / EG subsumierbar.
B. Telekommunikationsrechtliches Normenprogramm
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Netzzugangs (nachfolgend: „ONP146-Rahmenrichtlinie 90 / 387 / EWG“)147 stellt Grundsätze für die zu harmonisierenden Zugangsbedingungen zu öffentlichen Telekommunikationsnetzen staatlicher Monopolunternehmen auf. Ferner enthält die Richtlinie Regelungen für technische Netzschnittstellen und für Tarif- und Nutzungsbedingungen der Dienste. Sie legt zudem den Zeitplan für die Harmonisierung fest. Die Richtlinie 92 / 44 / EWG des Rates vom 5. Juni 1992 zur Einführung des offenen Netzzugangs bei Mietleitungen (nachfolgend: „ONP-Mietleitungsrichtlinie 92 / 44 / EWG“)148 verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass Mietleitungsangebote mit bestimmtem Mindestinhalt der staatlichen Monopolunternehmen zugunsten neuer Telekommunikationsanbieter öffentlich verfügbar sind. Die Richtlinie 95 / 62 / EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 13. Dezember 1995 zur Anwendung des offenen Netzzugangs auf die Sprachtelefonie (nachfolgend: „Sprachtelefonierichtlinie 95 / 62 / EG“)149 verpflichtet die Mitgliedstaaten zu gewährleisten, dass europaweit harmonisierte Sprachtelefondienste zugunsten von Telekommunikationsnutzern verfügbar sind und enthält Regeln für das Verhältnis zwischen Nutzern und staatlichen Monopolisten bis zum 1. Januar 1998. Die Richtlinie 97 / 13 / EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 10. April 1997 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für Allgemeinund Einzelgenehmigungen für Telekommunikationsdienste (nachfolgend: „Genehmigungsrichtlinie 97 / 13 / EG“)150 normiert Rahmenvorschriften für die nationalen Genehmigungs- und Lizenzierungsverfahren zur Erbringung von Telekommunikationsdiensten und zur Errichtung oder zum Betrieb von Telekommunikationsnetzen. Die Richtlinie 97 / 33 / EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 30. Juni 1997 über die Zusammenschaltung in der Telekommunikation (nachfolgend: „Zusammenschaltungs-Richtlinie 97 / 33 / EG“)151 verpflichtet die Mitgliedstaaten, die Möglichkeit einer angemessenen Zusammenschaltung der Netze aller Telekommunikationsanbieter sicherzustellen. Sie enthält zudem Sondervorschriften für Organisationen mit beträchtlicher Marktmacht zur Gewährung des Netzzuganges zugunsten neuer Telekommunikationsanbieter. Die Richtlinie 97 / 51 / EG vom 6. Oktober 1997 zur Änderung der Richtlinien 90 / 387 / EWG und 92 / 44 / EWG zum Zweck der Anpassung an die Wettbewerbsbedingungen in der Telekommunikationswirtschaft (nachfolgend: „ONP-Rahmenänderungs- und Mietleitungsänderungs-Richtlinie 97 / 51 / EG“)152 passt besagte Richtlinien an die dem Wettbewerb vollständig geöffneten Telekommunikationsmärkte an. Regulierungsmaßnahmen richten sich nunmehr bei beträchtlicher Marktmacht an alle Netzbetreiber und Diensteanbieter, nicht nur an vormals staatliche Monopolunterneh146 147 148 149 150 151 152
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„ONP“ steht für „Open Network Provision“. ABl. EG 1990 Nr. L 192, S. 1 ff. ABl. EG 1992 Nr. L 165, S. 27 ff. ABl. EG 1995 Nr. L 321, S. 6 ff. ABl. EG 1997 Nr. L 117, S. 15 ff. ABl. EG 1997 Nr. L 199, S. 32 ff. ABl. EG 1997 Nr. L 295, S. 23 ff.
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Teil 1: Staatliche Marktsteuerung im Telekommunikationssektor
men. Technische Vorgaben werden durch diese Richtlinie europaweit harmonisiert. Organisatorisch unabhängige nationale Regulierungsbehörden sind nach den Vorgaben dieser Richtlinie zu errichten. Die Richtlinie 98 / 10 / EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 26. Februar 1998 über die Anwendung des offenen Netzzugangs beim Sprachtelefondienst und den Universaldienst im Telekommunikationsbereich in einem wettbewerbsorientierten Umfeld (nachfolgend: „ONPSprachtelefondienst-Richtlinie 98 / 10 / EG“)153 ersetzt die Sprachtelefonierichtlinie 95 / 62 / EG in Anbetracht der dem Wettbewerb vollständig geöffneten Telekommunikationsmärkte. Sie regelt in erster Linie das Verhältnis der Endkunden zu Telekommunikationsanbietern. Dabei wird das Universaldienstkonzept eingeführt, d. h. Verfügbarkeit und Mindestinhalte eines Telekommunikationsdiensteangebotes werden festgelegt. Weiterhin enthält die ONP-Sprachtelefondienst-Richtlinie 98 / 10 / EG Regeln für das Verhältnis neuer Anbieter zu staatlichen Monopolisten ab dem 1. Januar 1998. Kern dieser Regeln ist eine Bestimmung zum Netzzugang. Die Richtlinie 99 / 5 / EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 9. März 1999 betreffend Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen und die gegenseitige Anerkennung ihrer Konformität154 passt die Endgeräte-Richtlinie 88 / 301 / EWG an das wettbewerbsorientierte Umfeld an. Sie regelt die europaweite Standardisierung und Nutzbarkeit von Endgeräten und lässt die Notwendigkeit nationaler Zulassungen entfallen. Im Hinblick auf die in dieser Arbeit zu untersuchende Zugangsregelung des § 33 TKG sind Anhaltspunkte für gemeinschaftsrechtliche Vorgaben in der ONP-Rahmenrichtlinie 90 / 387 / EWG, der Zusammenschaltungs-Richtlinie 97 / 33 / EG und in der ONP-Sprachtelefondienst-Richtlinie 98 / 10 / EG auszumachen. Regelt der nationale Gesetzgeber den Zugang zu öffentlichen Telekommunikationsnetzen, wird er ihn regelmäßig von Bedingungen abhängig machen. Gemäss Art. 3 ONPRahmenrichtlinie 90 / 387 / EWG155 haben die Mitgliedstaaten dabei sicherzustellen, dass diese Netzzugangsbedingungen bestimmten Grundprinzipien genügen. Zugangsbedingungen müssen auf objektiven Kriterien beruhen, transparent und diskriminierungsfrei sein sowie in geeigneter Form veröffentlicht werden und gleichen Zugang gewährleisten. Eine Beschränkung des Netzzugangs darf nur ausnahmsweise erfolgen und zwar nur wegen „grundlegender Anforderungen“. Grundlegende Anforderungen definiert der Richtliniengeber dabei als „im allgemeinen Interesse liegende Gründe nichtwirtschaftlicher Art“. Dazu zählen insbesondere die Sicherheit des Netzbetriebs, die Aufrechterhaltung der Netzintegrität, die Interoperabilität der Dienste, der Datenschutz, der Umweltschutz sowie die effektive Nutzung des Frequenzspektrums. Dies sind bedeutende gemeinschaftsrechtliche Vorgaben, die der nationale Gesetzgeber bei der Regelung derjenigen Bedingungen zu beachten hat, von denen er den Zugang zum Telekommunika153 154 155
ABl. EG 1998 Nr. L 101, S. 24 ff. ABl. EG 1999 Nr. L 91, S. 10 ff. In der durch die ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 98 / 10 / EG ergänzten Fassung.
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tionsnetz abhängig macht. Nach Art. 4 Abs. 2 Zusammenschaltungs-Richtlinie 97 / 33 / EG haben Organisationen mit beträchtlicher Marktmacht, die öffentliche Telekommunikationsnetze betreiben und / oder Telekommunikationsdienste für die Öffentlichkeit anbieten, „allen begründeten Anträgen auf Netzzugang – einschließlich des Zugangs an Punkten, bei denen es sich nicht um die der Mehrheit der Endnutzer angebotenen Netzabschlusspunke handelt – stattzugeben.“ Der hier gemeinte Netzzugang bezieht sich auch auf den Zugang zum festen öffentlichen Telekommunikationsnetz156 und wird von Nichtendnutzern, also Telekommunikationsdiensteanbietern, beantragt157. Was allerdings unter einem „begründeten Antrag“ und unter „auf Netzzugang“ zu verstehen ist, füllt der Richtliniengeber nicht mit Substanz. Weder in den Begriffsbestimmungen dieser Richtlinie noch in der Zuständigkeitsbeschreibung der nationalen Regulierungsbehörden bezieht der Richtliniengeber Position, was er inhaltlich und umfänglich mit Netzzugang meint und unter welchen Voraussetzungen der Antrag eines Zugangsbegehrenden als begründet anzusehen ist. Dennoch ist der nationale Gesetzgeber nach Art. 4 Abs. 2 gehalten, den Problemkreis „an Organisationen mit beträchtlicher Marktmacht gerichtete Netzzugangsanträge anderer Telekommunikationsdiensteanbieter“ einer der Wettbewerbseröffnung dienenden Regelung zuzuführen158. Art. 16 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 98 / 10 / EG („Sonderzugang zum Netz“)159 befasst sich 156 Art. 4 Abs. 2 der Zusammenschaltungs-Richtlinie 97 / 33 / EG verweist auf den dies erläuternden Anhang I. 157 Was im einzelnen Netzabschlusspunkte sind, kann daher an dieser Stelle offen bleiben. 158 In diesem Sinne auch EuGH, Urteil vom 31. Dezember 2001, Rs. C-79 / 00 (Telefónica de Espana SA v. Administración General del Estado), NVwZ 2002, S. 841 (842), demzufolge Art. 4 Abs. 2 Zusammenschaltungs-Richtlinie 97 / 33 / EG die Mitgliedstaaten nicht hindere, nationalen Regulierungsbehörden die Befugnis einzuräumen, Betreibern mit beträchtlicher Marktmacht zu verpflichten, Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung zu gewähren. Weiter betont der EuGH, die Zusammenschaltungs-Richtlinie 97 / 33 / EG lege nur allgemeine Rahmenbedingungen für die Verfolgung ihrer Ziele fest und bezwecke keine vollständige Harmonisierung. 159 Art. 16 der ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 98 / 10 / EG lautet in Auszügen: Abs. 1 – „Die nationalen Regulierungsbehörden stellen sicher, dass die Organisationen mit beträchtlicher Marktmacht bei der Bereitstellung fester öffentlicher Telefonnetze plausible Anträge von Organisationen, die Telekommunikationsdienste bereitstellen, auf Zugang zum festen öffentlichen Telefonnetz an anderen als den in Anhang II Teil 1 aufgeführten, üblichen Netzabschlusspunkten bearbeiten. Diese Verpflichtung darf nur von Fall zu Fall eingeschränkt werden, wenn technisch und kommerziell gangbare Alternativen zu dem beantragten Sonderzugang bestehen und wenn der beantragte Zugang im Verhältnis zu den für die Annahme des Antrags verfügbaren Mitteln unangemessen ist“; Abs. 4 – „Die nationalen Regulierungsbehörden können jederzeit von sich aus tätig werden, soweit dies gerechtfertigt ist, um einen wirksamen Wettbewerb und / oder die Interoperabilität von Diensten sicherzustellen; sie müssen auf Antrag eines Beteiligten tätig werden, um nicht diskriminierende, für beide Parteiein gerechte und annehmbare sowie allen Nutzern größtmögliche Vorteile bietende Bedingungen festzulegen“; Abs. 7 – „Die nationalen Regulierungsbehörden stellen sicher, dass die in Absatz 1 genannten Organisationen mit beträchtlicher Marktmacht . . . bei der Anwendung jeder Art des Sonderzugangs zum Netz den Grundsatz der Nichtdiskriminierung wahren. Diese Organisationen bieten für Organisationen, die gleichartige Dienste erbringen, unter ver-
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Teil 1: Staatliche Marktsteuerung im Telekommunikationssektor
ebenfalls mit Fragen des Zugangs zum öffentlichen Telefonfestnetz beträchtlich marktmächtiger Organisationen zugunsten anderer Telekommunikationsdiensteanbieter. Denn nur für letztere ist der in der Richtlinie behandelte Zugang zum Netz an „unüblichen Abschlusspunkten“, von Interesse. Nach Art. 16 Abs. 1 sind die nationalen Regulierungsbehörden verpflichtet sicherzustellen, dass Organisationen mit beträchtlicher Marktmacht plausible Anträge auf Sonderzugang zum Netz bearbeiten. Adressat eines Zugangsantrags ist demzufolge nur eine „Organisation mit beträchtlicher Marktmacht“. Unter welchen Voraussetzungen im einzelnen ein „plausibler Antrag“ vorliegt, wird formal-negativ mit der Bezugnahme auf das Fehlen „technisch und kommerziell gangbarer Alternativen“ und der Realisierungsmöglichkeit des Antrags mit angemessenen Mitteln näher bestimmt. Allerdings lässt der Richtliniengeber materiell-positiv offen, was inhaltlich und umfänglich unter einem „plausiblen Antrag“ auf „Zugang zum Netz“ zu verstehen ist und wie das Verhältnis zwischen Zugangsbegehrendem und Zugangsgewährendem auszugestalten ist. Art. 16 Absätze 4 und 7 enthalten Vorgaben für nationale Regulierungsbehörden für den Fall, dass im Einzelfall Schwierigkeiten bei der Realisierung des Netzzugangs auftreten. Für die nationalen Regulierungsbehörden soll ein Einschreiten von Amts wegen vorgesehen sein. Auf Antrag des Zugangsbegehrenden müssen die nationalen Behörden tätig werden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für ihr Einschreiten sind nicht gemeinschaftsrechtlich vorgegeben, nur dessen Zweck, nämlich wirksamen Wettbewerb und die Interoperabilität der Dienste sicherzustellen. In welche Form die nationalen Regulierungsbehörden ihr Tätigwerden gießen, sprich welche Mittel sie ergreifen (dürfen), hat der Richtliniengeber ebenfalls offengelassen. Vorgegeben ist nur, dass die Regulierungsbehörden Bedingungen für den Netzzugang festlegen sollen, die bestimmten Anforderungen (Nichtdiskriminierung des Antragstellers und Gleichwertigkeit der Zugangsbedingungen im Verhältnis zu den Eigenbedingungen des Netzbetreibers) genügen.
c) Zusammenfassung Trotz einiger Minimalanforderungen zur Wettbewerbseröffnung in der DiensteRichtlinie 90 / 388 / EWG und in der Full-Competition-Richtlinie 96 / 19 / EG enthalten die gemeinschaftsrechtlichen Harmonisierungsrichtlinien keine Vorgaben bezüglich des Netzzugangsbegriffes und der Netzzugangsgewährung nach § 33 TKG. In Anbetracht des zeitlichen Ablaufes von Entmonopolisierung und Harmonisierung der Telekommunikationsmärkte ist deutlich geworden, dass im Zeitpunkt der Beschlussfassung über das Telekommunikationsgesetz am 25. Juli 1996 keine gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen für eine Netzzugangsregulierung im Sinne des § 33 TKG bestanden. Fest stand lediglich die Verpflichtung zur Aufgleichbaren Umständen gleichwertige Bedingungen an; sie stellen den Sonderzugang zum Netz . . . zu den gleichen Bedingungen und mit der gleichen Qualität bereit wie für die eigenen Dienste oder gegebenenfalls die der Tochter- oder Partnerunternehmen.“
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hebung der letzten Ausschließlichkeitsrechte (öffentlicher Sprachtelefondienst und öffentliche Telekommunikationsnetze) zum 1. Januar 1998 sowie damit einhergehend die zu erwartende Notwendigkeit, Vorgaben für Netzzugangsprobleme im Kontext der Harmonisierungsrichtlinien vorzusehen. So ordnen Art. 4 Abs. 2 Zusammenschaltungs-Richtlinie 97 / 33 / EG und Art. 16 Abs. 1 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 98 / 10 / EG an, dass mitgliedstaatliche Regelungen nur eine „Organisation mit beträchtlicher Marktmacht“ zum Adressaten eines Netzzugangsbegehrens bestimmen können. Was „Netzzugang“ inhaltlich und umfänglich umfasst, bleibt dabei ebenso offen wie das rechtliche Verhältnis zwischen Netzzugangsbegehrendem und Netzzugangsgewährendem. Bei der Regelung von Bedingungen, unter denen Zugang zu Telekommunikationsnetzen gewährt wird, sind die Mitgliedstaaten an die Vorgaben aus Art. 3 ONP-Rahmenrichtlinie 90 / 387 / EWG (Objektivität, Transparenz, Publizität, keine Diskriminierung, Gleichwertigkeit) gebunden, nach dem überdies eine Beschränkung des Netzzugangs nur ausnahmsweise wegen „grundlegender Anforderungen“ erfolgen darf. Art. 16 Absätze 4 und 7 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 98 / 10 / EG enthalten Vorgaben für mitgliedstaatliche Regelungen der Netzzugangskontrolle, denen zufolge die nationale Regulierungsbehörde gegen Organisationen mit beträchtlicher Marktmacht auf Antrag des Zugangsbegehrenden tätig werden muss. Allerdings sind keine tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Tätigwerden bestimmt sondern lediglich dessen Zweck (Gewährleistung wirksamen Wettbewerbs, die Grundsätze der Nichtdiskriminierung und der Gleichwertigkeit). Auch mögliche nationale Kontrollmittel bleiben gemeinschaftsrechtlich offen. Die hier zusammengetragenen richtlinienrechtlichen Vorgaben für nationale Regelungen zu Netzzugängen sind bei Anwendung des Grundsatzes gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung im Hinblick auf § 33 TKG zu wahren.
2. Teilnehmeranschlussverordnung vom 18. Dezember 2000 Das Auslegungsergebnis zu den Entmonopolisierungs- und Harmonisierungsrichtlinien, nämlich dass das Gemeinschaftsrecht offen lässt, was „Netzzugang“ im einzelnen inhaltlich und umfänglich umfasst und wie das rechtliche Verhältnis zwischen Netzzugangsbegehrendem und Netzzugangsgewährendem auszugestalten ist, wird indirekt durch die gemeinschaftsrechtliche Befassung mit dem Sondersachverhalt „entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung 160“ in der Verordnung 2000 / 2887 / EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 18. Dezember 2000 (nachfolgend: „Teilnehmeranschlussverordnung 2000 / 2887 / EG“)161 bestätigt. Wie einführend bemerkt, wird unter „entbündeltem Zugang zur 160 Wenn die Verordnung den Begriff „Zugang zum Teilnehmeranschluss“ verwendet, ist „Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung“ gemeint. Zur Begriffsbestimmung siehe Teil 2, Kapitel A. II. 1. und Teil 3, Kapitel C. I. 1. a) aa). 161 ABl. EG 2000 Nr. L 336, S. 4 ff.
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Teil 1: Staatliche Marktsteuerung im Telekommunikationssektor
Teilnehmeranschlussleitung“ ein Netzzugang besonderen Inhalts und Umfangs verstanden, der dem Wettbewerber den Zugriff auf die letzte Meile blanken Kupferdrahtes aus dem Netz des Marktbeherrschers ermöglicht. Die technischen und ökonomischen Besonderheiten sind Gegenstand des Teils 2 dieser Arbeit. Die Teilnehmeranschlussverordnung 2000 / 2887 / EG ist das Ergebnis einer Überprüfung des gemeinschaftsrechtlichen Regelungsbedarfs im Telekommunikationssektor. Die Überprüfung wurde im Dezember 1997 durch das Grünbuch der Europäischen Kommission zur Konvergenz eingeleitet 162. Die Kommission entschied sich letztlich für die Förderung eines diensteorientierten Wettbewerbs auf bestehenden Netzen der ehemaligen Staatsmonopolisten und damit gegen eine Förderung von Infrastrukturwettbewerb. Im Mai 2000 empfahl sie zunächst den Mitgliedstaaten, in denen der vollständig entbündelte Zugang noch nicht verfügbar war, rechtliche Maßnahmen zu ergreifen, um diesen Zugang zur Kupferdoppelader gemeldeter Betreiber zu transparenten, neutralen und diskriminierungsfreien Bedingungen vorzuschreiben163. Deutschland gilt als Mitgliedstaat, der die Entbündelung der Ortsnetze bereits vorgeschrieben hat. Zur Beschleunigung der Wettbewerbseröffnung auf Endkundenmärkten, die nur durch die Nutzung der Teilnehmeranschlussleitungen erreichbar ist, wurde die Teilnehmeranschlussverordnung 2000 / 2887 / EG erlassen. Sie trat am 2. Januar 2001 in Kraft. Art. 3 Abs. 2 Teilnehmeranschlussverordnung 2000 / 2887 / EG regelt die Bereitstellung des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung 164. Art. 3 Abs. 2 Sätze 1, 2 und 4 enthalten unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Abschluss eines Netzzugangsver trags mit der Hauptleistungspflicht, entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung zu gewähren. Das folgt aus dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Anspruchsverpflichtete geben angemessenen Anträgen165 statt. Anspruchsverpflichtet sind „gemeldete Betreiber“, also 162 Europäische Kommission, Grünbuch vom 3. Dezember 1997 zur Konvergenz der Branchen Telekommunikation, Medien und Informationstechnologie und ihren ordnungspolitischen Auswirkungen, ein Schritt in Richtung Informationsgesellschaft, KOM (1997) 623, S. 1 ff. 163 Europäische Kommission, Empfehlung vom 25. Mai 2000 betreffend den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss: Wettbewerbsorientierte Bereitstellung einer vollständigen Palette elektronischer multimedialer Breitband- und schneller Internet-Dienste, ABl. EG 2000 Nr. L 156, S. 44 ff. 164 Art. 3 Abs. 2 der Teilnehmeranschlussverordnung 2000 / 2887 / EG lautet: Satz 1 – „Die gemeldeten Betreiber geben ab dem 31. Dezember 2000 angemessenen Anträgen von Begünstigten auf entbündelten Zugang zu ihren Teilnehmeranschlüssen und zu zugehörigen Einrichtungen unter transparenten, fairen und nichtdiskriminierenden Bedingungen statt.“; Satz 2 – „Eine Ablehnung ist nur aufgrund objektiver Kriterien möglich, die sich auf die technische Machbarkeit oder die notwendige Aufrechterhaltung der Netzintegrität beziehen.“; Satz 3 – „Wenn der Zugang verweigert wird, kann die beschwerte Partei das in Art. 4 Absatz 5 genannte Streitbeilegungsverfahren in Anspruch nehmen.“; Satz 4 – „Gemeldete Betreiber stellen für Begünstigte Einrichtungen bereit, die denen gleichwertig sind, die sie für ihre eigenen Dienste oder für ihre verbundenen Unternehmen bereitstellen, und zwar zu denselben Bedingungen und innerhalb desselben Zeitrahmens“.
B. Telekommunikationsrechtliches Normenprogramm
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Betreiber eines öffentlichen Telefonnetzes, die von der nationalen Regulierungsbehörde als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht im Bereich der Bereitstellung öffentlicher Telefonnetze und entsprechender Dienste nach den Vorgaben der Zusammenschaltungs-Richtlinie 97 / 33 / EG und der ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 98 / 10 / EG gemeldet wurden (Art. 2 Buchstabe a). Anspruchsberechtigt sind „Begünstigte“, also Dritte, die gemäß der Genehmigungs-Richtlinie 97 / 13 / EG ordnungsgemäß zugelassen sind oder nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften berechtigt sind, Kommunikationsdienste bereitzustellen (Art. 2 Buchstabe b). Mit entbündeltem Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung sind nach den Begriffsbestimmungen in Art. 2 Buchstaben e, f und g entweder der „vollständig entbündelte“166 oder der „gemeinsame“ Zugang167 erfasst. Art. 3 Abs. 2 Satz 3 verweist auf die von den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen vor den Regulierungsbehörden vorgesehenen Streitbeilegungsverfahren. Damit ist die Inanspruchnahme des Missbrauchsaufsichtsverfahrens nach § 33 Abs. 2 TKG gemeint. Nach Art. 4 Abs. 3 können überdies die nationalen Regulierungsbehörden in gerechtfertigten Fällen von sich aus tätig werden, um Nichtdiskriminierung, fairen Wettbewerb, wirtschaftliche Effizienz und größtmöglichen Nutzen für die Endnutzer sicherzustellen. Diese verordnungsrechtlichen Vorgaben sind im Rahmen gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung, sofern ein Anwendungsfall dieses Grundsatzes vorliegen sollte, bei der Auslegung des § 33 TKG in Teil 3 zu wahren. Auf das Verhältnis eines in Art. 3 Abs. 2 Teilnehmeranschlussverordnung 2000 / 2887 / EG wurzelnden Anspruchs auf entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung zu § 33 Abs. 1 TKG wird in Teil 4 bei der Bestimmung des Prüfungsmaßstabs für eine Untersuchung der Verfassungsmäßigkeit des § 33 TKG im einzelnen eingegangen.
3. Kommunikationsrichtlinienpaket vom 7. März 2002 Bereits seit 1999 wurde auf europäischer Ebene die Schaffung eines neuen Rechtsrahmens für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste auf sich rasch 165 Ein angemessener Antrag setzt nach Erwägungsgrund (17) der Teilnehmeranschlussverordnung 2000 / 2887 / EG voraus, dass „der Zugang erforderlich ist, damit der Begünstigte Dienste bereitstellen kann und dass der Wettbewerb in diesem Sektor bei der Ablehnung des Antrags verhindert, beschränkt oder verzerrt würde“. 166 Das ist die Bereitstellung des Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung oder zum Teilnetz des gemeldeten Betreibers für einen Begünstigten in der Weise, dass die Nutzung des gesamten Frequenzspektrums der Doppelader-Metallleitung ermöglicht wird, Art. 2 Buchstaben f. der Teilnehmeranschlussverordnung 2000 / 2887 / EG. 167 Das ist die Bereitstellung des Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung oder zum Teilnetz des gemeldeten Betreibers für einen Begünstigten in der Weise, dass die Nutzung des nicht für sprachgebundene Dienste genutzten Frequenzspektrums der Doppelader-Metallleitung ermöglicht wird; der Teilnehmeranschluss wird vom gemeldeten Betreiber weiterhin für die Bereitstellung des Telefondienstes für die Öffentlichkeit eingesetzt, Art. 2 Buchstaben g) der Teilnehmeranschlussverordnung 2000 / 2887 / EG.
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Teil 1: Staatliche Marktsteuerung im Telekommunikationssektor
wandelnden und konvergierenden Märkten diskutiert168. Der neue Rechtsrahmen soll infrastrukturneutral sein, also keine bestimmte Übertragungstechnik bevorzugen. Technische Konvergenz soll erreicht werden, indem der neue Rechtsrahmen für alle Kommunikationsnetze und -dienste gilt, gleichgültig auf welcher technischen Plattform sie erbracht werden169. Die Entmonopolisierungsrichtlinien hatten mit Aufhebung der letzten und ökonomisch bedeutendsten Ausschließlichkeitsrechte im Telekommunikationssektor (Sprachtelefondienst und Festnetzbetrieb) ihren Zweck im Wesentlichen erreicht. Die Harmonisierungsrichtlinien basierten auf einem Rechtsangleichungskonzept, dass insbesondere bei der Gestaltung nationaler Netzzugangsregelungen automatisch Sonderpflichten für „Organisationen mit beträchtlicher Marktmacht“ vorsah. Dieser Automatismus soll künftig durch eine wettbewerbs- oder „bedarfsabhängige“170 Regulierung marktmächtiger Unternehmen flexibilisiert werden. Das kann aus der Sicht marktmächtiger Unternehmen einerseits zu milderen, andererseits aber auch zu einschneidenderen Rechtsangleichungsmaßnahmen führen. So sollen, wo die bisherige Rechtsangleichung nicht weitgehend genug war und sich eine Wettbewerbseröffnung nicht abzeichnete, punktuelle Maßnahmen ergriffen werden, welche den Mitgliedstaaten kaum Rechtsangleichungsspielräume belassen. In diesem Zusammenhang steht die bereits dargestellte Teilnehmeranschlussverordnung 2000 / 2887 / EG, die als Rechtsangleichungsverordnung zur Beschleunigung des Wettbewerbs im Ortsnetz bereits Anfang Januar 2001 in Kraft trat. Anfang März 2002 haben das Europäische Parlament und der Rat das lang diskutierte Kommunikationsrichtlinienpaket verabschiedet. Es dient einer Neuausrichtung der Harmonisierung mitgliedstaatlicher Rechtsvorschriften zur Regulierung der Telekommunikationsmärkte mit einer Umsetzungsverpflichtung zum 24. Juli 2003171. Im Kern geht es um die Gestaltung einer Übergangsphase zwischen automatischer und einschneidender Erstregulie168 Diskussionsgrundlage war insbesondere eine Mitteilung der Europäischen Kommission vom 10. November 1999 über die „Entwicklung neuer Rahmenbedingungen für elektronische Kommunikationsinfrastrukturen und zugehörige -dienste – Kommunikationsbericht 1999“, KOM (1999) 539, S. 1 ff.; zum Kommunikationsbericht 1999 im einzelnen siehe Andreas Bartosch, Europäisches Telekommunikationsrecht im Jahre 1999, EuZW 1999, S. 389 ff. 169 Die Regulierung von Kommunikationsinhalten und von Audivisuellem steht außerhalb des Anwendungsbereichs des Kommunikationsrichtlinienpaketes (Art. 1 Abs. 3 Kommunikationsrahmen-Richtlinie 2002 / 21 / EG); Michael Rosenthal, Neue Antworten auf Fragen der Konvergenz – Entwicklungen des Kommunikationsrechts in Europa und den USA, TMR 2002, S. 181 (182); Raimund Schütz / Thorsten Attendorn, Das neue Kommunikationsrecht der Europäischen Union – Was muss Deutschland ändern? MMR-Beilage 4 / 2002, S. 1 (5); Joachim Scherer, Re-Regulierung des TK-Sektors: Mehr Wettbewerb in der EU, MMR 2002, S. 201 (202). 170 Raimund Schütz / Thorsten Attendorn, Das neue Kommunikationsrecht der Europäischen Union – Was muss Deutschland ändern? MMR-Beilage 4 / 2002, S. 1 (5). 171 Zu diesem Zeitpunkt werden konsequenterweise die bis dato maßgebenden Harmonisierungsrichtlinien, insbesondere die ONP-Rahmenrichtlinie 90 / 387 / EWG, ONP-Mietleitungsrichtlinie 92 / 44 / EWG, Genehmigungsrichtlinie 97 / 13 / EG, ZusammenschaltungsRichtlinie 97 / 33 / EG und ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 98 / 10 / EG, aufgehoben.
B. Telekommunikationsrechtliches Normenprogramm
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rung marktmächtiger Unternehmen und einer Entlassung der Telekommunikationsmärkte in die allgemeine Wettbewerbsaufsicht172. In dieser Übergangsphase einer bedarfsabhängigen Regulierung soll die Europäische Kommission in die nationalen Regulierungsmaßnahmen durch inhaltliche Vorgaben (Märktebestimmung) und Verfahrensrechte (Vetorecht hinsichtlich konkreter nationaler Regulierungsentscheidungen) stärker einbezogen werden. Das Kommunikationsrichtlinienpaket besteht im wesentlichen aus vier Richtlinien173. Neben einer quasi „vor der Klammer stehenden“ Rahmenrichtlinie, die die neuen Regulierungsgrundsätze bestimmt, werden drei spezifische Regulierungsthemen bearbeitet: Netzzugang und Zusammenschaltung, Genehmigungen und Lizenzen sowie Universaldienst174. Die Richtlinie 2002 / 21 / EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (nachfolgend: „Kommunikationsrahmen-Richtlinie 2002 / 21 / EG“)175 legt den Anwendungsbereich des Richtlinienpaketes fest und bestimmt die Grundsätze und Ziele einer bedarfsabhängigen Regulierung. Bisher löst die Bejahung beträchtlicher Marktmacht eines Telekommunikationsunternehmens automatisch ein Sonderpflichtenprogramm für dieses Unternehmen aus, dem Berechtigungen insbesondere für Wettbewerber und Verbraucher entspringen. Das Unternehmen ist automatisch der Regulierung unterworfen. Nach Art. 16 Kommunikationsrahmen-Richtlinie 2002 / 21 / EG erfolgt zukünftig eine bedarfsabhängige Regulierung in vier Stufen176. Auf der ersten Stufe sollen künftig die nationalen Regulierungsbehörden eine Marktanalyse durchführen, aufgrund derer sie er172 Raimund Schütz / Thorsten Attendorn, Das neue Kommunikationsrecht der Europäischen Union – Was muss Deutschland ändern? MMR-Beilage 4 / 2002, S. 1 (5); Karl-Heinz Ladeur, Europäisches Telekommunikationsrecht im Jahr 2001 – Zur Entwicklung des „Maßnahmepakets“ zur Neuorientierung der Telekommunikation und zur Entscheidungspraxis der europäischen Gerichte und der EG-Kommission auf dem Gebiet des Telekommunikationsund Wettbewerbsrechts, K&R 2002, S. 110 (111); Joachim Scherer, Re-Regulierung des TKSektors: Mehr Wettbewerb in der EU, MMR 2002, S. 201 (202). 173 Auf den Vorschlag einer Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation vom 12. Juli 2000 (KOM (2000) 385, S. 1 ff.) und die Entscheidung des Europäischen Parlamentes und des Rates über einen Rechtsrahmen für die Funkfrequenzpolitik in der Europäischen Gemeinschaft (ABl. EG 2002 Nr. L 108, S. 1 ff.) wird mangels Bezug zu der Zugangsregelung des § 33 TKG nicht näher eingegangen. 174 Zudem hat die Europäische Kommission den Vorschlag einer Richtlinie über den Wettbewerb auf den Märkten für elektronische Kommunikationsdienste vorgelegt, die die seit ihrer Annahme fünfmal geänderte Dienste-Richtlinie 90 / 388 / EWG konsolidieren soll (Zusammenfassung der zur Verwirklichung vollständigen Wettbewerbs im Telekommunikationssektor nach wie vor notwendigen Bestimmungen) und keine neuen Verpflichtungen für die Mitgliedstaaten begründet, ABl. EG 2001 Nr. C 96, S. 2 ff. 175 ABl. EG 2002 Nr. L 108, S. 33 ff. 176 Siehe auch Joachim Scherer, Die Umgestaltung des europäischen und deutschen Telekommunikationsrechts durch das EU-Richtlinienpaket – Teil I, K&R 2002, S. 273 (283 ff.); Andreas Bartosch, Europäisches Telekommunikationsrecht in den Jahren 2000 und 2001, EuZW 2002, S. 389 (391 ff.).
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Teil 1: Staatliche Marktsteuerung im Telekommunikationssektor
mitteln können, auf welchen relevanten Märkten wirksamer Wettbewerb herrscht oder nicht herrscht. Grundlage dieser Marktanalyse ist ein in Art. 15 festgelegtes Marktdefinitionsverfahren, in dem ex ante die sachlich und räumlich relevanten Märkte festgelegt werden. Nur diejenigen Märkte, auf denen kein wirksamer Wettbewerb herrscht, sind regulierungsbedürftig. Auf der zweiten Stufe werden auf diesen regulierungsbedürftigen Märkten alle Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht identifiziert. Art. 14 sieht insofern die dem allgemeinen Wettbewerbsrecht entnommenen Parameter für die Marktmachtbestimmung vor. Auf der dritten Stufe bestimmen die nationalen Regulierungsbehörden dann nach der Art der im Markt aufgetretenen Probleme abstrakt, welche angemessenen und gerechtfertigten Verpflichtungen dem jeweiligen Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht auferlegt werden können. Insofern ist eine Art Verhältnismäßigkeitsprüfung bei der abstrakten Pflichtenfestlegung eingeführt worden177. Der Kanon möglicher abstrakter Verpflichtungen ist in den Themenrichtlinien zu Universaldienst, Netzzugang und Zusammen schaltung enthalten. Auf der vierten Stufe können die Regulierungsbehörden aus diesem unternehmens- und marktspezifischen abstrakten Verpflichtungsprogramm soweit nötig konkrete Verpflichtungen im Einzelfall anordnen. Die Richtlinie 2002 / 19 / EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 7. März 2002 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung (nachfolgend: „Kommunikationszugangs-Richtlinie 2002 / 19 / EG“)178 regelt die Wettbewerbsbedingungen zwischen Kommunikationsdienstleistern und steckt in dieser Hinsicht den potentiellen Regulierungsrahmen für Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht ab. Eingangs erfolgt eine detaillierte Begriffsbestimmung. So enthält Art. 2 Buchstabe a eine sehr weite Zugangsdefinition, die nicht nur den eigentlichen Netzzugang, sondern auch den Zugang zu sonstigen Einrichtungen oder Diensten einschließt. Ausdrücklich miterfasst ist der Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung sowie zu Einrichtungen und Diensten, die erforderlich sind, um Dienste über die Teilnehmeranschlussleitung zu erbringen. Inhalt und Umfang dessen, was nach dieser Richtlinie unter Netzzugang zu verstehen ist, sind damit bestimmt. Das Verhältnis zwischen Kommunikationsdiensteanbietern wird vorrangig durch Aushandeln von Zugangsverträgen nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten und erst in zweiter Linie durch Regulierungsmaßnahmen bestimmt. Art. 4 Abs. 1 sieht insofern eine Verhandlungspflicht über Netzzugänge für Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze auf Antrag befugter Unternehmen vor. Dieser Anspruch auf Aufnahme von Netzzugangsverhandlungen wird von den nationalen Gesetzgebern umzusetzen sein. Einen darüber hinaus gehenden Anspruch des Zugangsbegehrenden auf einen Vertragsabschluss zu bestimmten Inhalten dürften die nationalen 177 Karl-Heinz Ladeur, Europäisches Telekommunikationsrecht im Jahr 2001 – Zur Entwicklung des „Maßnahmepakets“ zur Neuorientierung der Telekommunikation und zur Entscheidungspraxis der europäischen Gerichte und der EG-Kommission auf dem Gebiet des Telekommunikations- und Wettbewerbsrechts, K&R 2002, S. 110 (115). 178 ABl. EG 2002 Nr. L 108, S. 7 ff.
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Rechtsordnungen künftig nicht (mehr) enthalten, stellte sich dieser doch als automatische Regulierungsmaßnahme des Privatrechts für marktmächtige Unternehmen dar. Regulierungsmaßnahmen sollen in Zukunft allein die Regulierungsbehörden nach dem besonderen Marktanalyseverfahren durchführen. So enthalten Artikel 9 bis 13 auch die abstrakten Verpflichtungen, die den betreffenden Unternehmen (in Bezug auf die Gewährleistung von Transparenz, Gleichbehandlung, getrennter Buchführung, Netzzugang, Preiskontrolle und Kostenrechnung) auferlegt werden können. Zu weitergehenden Pflichten kann es unter außergewöhnlichen Umständen bei Zustimmung der Kommission kommen (Art. 8 Abs. 3 Unterabsatz 2). Nach Art. 12 Abs. 1 Buchstabe a zählt die Verpflichtung, Dritten Zugang zu bestimmten Netzkomponenten und / oder Einrichtungen zu gewähren, einschließlich des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung, zum abstrakten Pflichtenprogramm, das nationale Regulierungsbehörden den betreffenden Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht auferlegen können. Die Entbündelungspflicht bezieht sich nach Art. 9 Abs. 2 auf alle Zugangsgegenstände (Netze, Einrichtungen und Dienste), wenn dem Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht eine Transparenz- und Gleichbehandlungsverpflichtung auferlegt wurde. Aus Art. 12 Abs. 1 Buchstabe h lässt sich einschränkend entnehmen, dass Gegenstände, auf die sich der Zugang bezieht, „zur Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs bei der Bereitstellung von Diensten notwendig“ sein müssen. Im Hinblick auf diese neuen Vorgaben zum entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung stellt sich die Frage nach dem künftigen Verhältnis zwischen der Kommunikationszugangs-Richtlinie 2002 / 19 / EG und der Teilnehmeranschlussverordnung 2000 / 2887 / EG. Es wird sich für den Fall entbündelten Zugangs zu Teilnehmeranschlussleitungen aus Kupferdoppeladern wie folgt darstellen: In Erwägungsgrund (15) Teilnehmeranschlussverordnung 2000 / 2887 / EG heißt es, „der neue Regelungsrahmen für die elektronische Kommunikation sollte geeignete Bestimmung zur Ersetzung dieser Verordnung enthalten“. Dazu ist es nicht gekommen. Die Kommunikationsrahmen-Richtlinie 2002 / 21 / EG sieht in ihrem Erwägungsgrund (43) nur vor, die Aufhebung der Teilnehmeranschlussverordnung 2000 / 2887 / EG zu überprüfen. Diese bleibt in ihrem Anwendungsbereich als lex specialis neben den Kommunikationsrichtlinien in Kraft und auferlegt „gemeldeten Betreibern“ automatisch konkrete Sonderpflichten zum entbündelten Zugang zu Teilnehmeranschlussleitungen aus Kupferdoppeladern179. „Gemeldete Betreiber“ sind nach den Vorgaben der Zusammenschaltungs-Richtlinie 97 / 33 / EG und der ONPSprachtelefondienstrichtlinie 98 / 10 / EG zu bestimmen. Das sind alle Unternehmen, die bis zum Außerkrafttreten der alten Harmonisierungsrichtlinien am 24. Juli 2003 diese Vorgaben erfüllen. Sie unterliegen weiterhin für den Fall des entbündelten Zugangs zu Teilnehmeranschlussleitungen aus Kupferdoppeladern 179 In diesem Sinne auch Andreas Bartosch, Europäisches Telekommunikationsrecht in den Jahren 2000 und 2001, EuZW 2002, S. 389 (394 f.); Joachim Scherer, Die Umgestaltung des europäischen und deutschen Telekommunikationsrechts durch das EU-Richtlinienpaket – Teil II, K&R 2002, S. 329 (337, Fußnote 53).
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Teil 1: Staatliche Marktsteuerung im Telekommunikationssektor
der Sonderregulierung durch die Teilnehmeranschlussverordnung 2000 / 2887 / EG. Insofern wird das bislang geltende automatische Regulierungskonzept neben dem neuen bedarfsabhängigen solange fortgelten, bis es zur Aufhebung der Teilnehmeranschlussverordnung 2000 / 2887 / EG kommt. Die Vorgaben der Kommunikationszugangs-Richtlinie 2002 / 19 / EG für den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss kommen erst mit Außerkrafttreten der Teilnehmeranschlussverordnung 2000 / 2887 / EG zur Geltung. Im Hinblick auf die Untersuchung der Netzzugangsregelung des § 33 TKG sind die Richtlinie 2002 / 20 / EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 7. März 2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste (nachfolgend: „Kommunikationsgenehmigungs-Richtlinie 2002 / 20 / EG“)180 sowie die Richtlinie 2002 / 22 / EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten (nachfolgend: „Kommunikationsuniversaldienst-Richtlinie 2002 / 22 / EG“)181 lediglich am Rande zu erwähnen. Die Kommunikationsgenehmigungs-Richtlinie 2002 / 20 / EG setzt einen neuen rechtlichen Rahmen für die Lizenz- und Frequenzzuteilung zur Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste. Als Voraussetzung für Errichtung und Betrieb von Telekommunikationsnetzen oder -einrichtungen oder für die Diensteerbringung sollen die bisherigen Einzelgenehmigungsverfahren (präventive Eröffnungskontrolle der Tätigkeiten von Telekommunikationsunternehmen) weitgehend ersetzt werden durch Allgemeingenehmigungsverfahren. Das Allgemeingenehmigungsverfahren ist im wesentlichen ein Anzeigeverfahren, das eine repressive Missbrauchskontrolle vorsieht. Die Kommunikationsuniversaldienst-Richtlinie 2002 / 22 / EG enthält demgegenüber den Rahmen für die potentielle Regulierung marktmächtiger Unternehmen in Bezug auf ihre Endkundenbeziehungen. Ferner wird der Umfang möglicher Universaldienstverpflichtungen festgelegt. 4. Zusammenfassung Der erste Entwicklungsstand des Gemeinschaftssekundärrechts in der Telekommunikation basiert bei vollständiger Aufhebung der rechtlichen Monopole auf einem Rechtsangleichungskonzept, das insbesondere bei der Gestaltung nationaler Netzzugangsregelungen automatisch Sonderpflichten für „Organisationen mit beträchtlicher Marktmacht“ vorsah. Dieses Konzept ist in den Harmonisierungsrichtlinien verkörpert. Allerdings lässt der Richtliniengeber offen, was „Netzzugang“ inhaltlich und umfänglich bedeutet und wie das rechtliche Verhältnis zwischen Zugangsbegehrendem und Zugangsverpflichtetem auszugestalten ist. Im Hinblick auf die Netzzugangsregelung des § 33 TKG enthalten die Zusammenschaltungs-Richt180 181
ABl. EG 2002 Nr. L 108, S. 21 ff. ABl. EG 2002 Nr. L 108, S. 51 ff.
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linie 97 / 33 / EG (Art. 4 Abs. 2), die ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 98 / 10 / EG (Art. 16) und die ONP-Rahmenrichtlinie 90 / 387 / EWG (Art. 3) Vorgaben, die bei Anwendung des Grundsatzes gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung zu wahren sind, siehe den dritten Teil dieser Arbeit. Die Teilnehmeranschlussverordnung 2000 / 2887 / EG schafft mit Art. 3 Abs. 2 unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Abschluss eines Netzzugangsvertrags mit der Hauptleistungspflicht, entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung zu gewähren. Diese verordnungsrechtlichen Vorgaben sind im Rahmen gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung, sofern ein Anwendungsfall dieses Grundsatzes vorliegen sollte, bei der Auslegung des § 33 TKG zu wahren, siehe Teil 3. Mit dem Verhältnis von Art. 3 Abs. 2 zu § 33 TKG befasst sich Teil 4, Kapitel B., zur Bestimmung des Prüfungsmaßstabs für eine Untersuchung der Verfassungsmäßigkeit des § 33 TKG näher. Im Hinblick auf die künftige Entwicklung des Gemeinschaftssekundärrechts zeichnet sich ab, dass die Mitgliedstaaten das Konzept einer bedarfsabhängigen Regulierung in ihre nationale Telekommunikationsrechte umsetzen müssen. Auf Auswirkungen dieses Konzepts für § 33 TKG wird im Rahmen der Auslegung dieser Norm ebenfalls in Teil 3 eingegangen. Die Kommunikationszugangs-Richtlinie 2002 / 19 / EG erfasst auch Fälle des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung aus Kupferdoppeladern. Als lex specialis konserviert die Teilnehmeranschlussverordnung 2002 / 2887 / EG den zuvor geschaffenen Rechtszustand bis zur Aufhebung derselben.
III. Zusammenfassung Das Telekommunikationsgesetz ist die dritte Stufe der Postreform. Es hat das ehrgeizige Ziel, nach rechtlicher Entmonopolisierung der Telekommunikationsmärkte faktische Monopole durch Regulierungsmaßnahmen aufzubrechen. Mittelfristig sollen diese Regulierungsmaßnahmen wettbewerblich funktionierende Märkte schaffen. Der zeitliche Ablauf der gemeinschaftsrechtlichen Entwicklung macht deutlich, dass bei Beschluss des Telekommunikationsgesetzes am 25. Juli 1996 keine gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung für eine Netzzugangsregulierung in der inhaltlichen Ausgestaltung des § 33 TKG bestand. Fest stand lediglich die Verpflichtung zur Aufhebung der letzten Ausschließlichkeitsrechte für den öffentlichen Sprachtelefondienst und für öffentliche Telekommunikationsnetze zum 1. Januar 1998. Vorgaben für mitgliedstaatliche Netzzugangsregelungen enthielten quasi als „nachgeschobenes“ Gemeinschaftsrecht insbesondere die Zusammenschaltungs-Richtlinie 97 / 33 / EG und die ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 98 / 10 / EG. Diese Richtlinien sind im Rahmen einer gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung des § 33 TKG zur Entfaltung zu bringen. Für den diese Arbeit interessierenden Ausschnitt aus der Netzzugangsproblematik, den entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung, enthält die Teilnehmeranschlussverordnung 2000 / 2887 / EG weitere Vorgaben, die gegebenenfalls im Rahmen gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung des § 33 TKG zu wahren sind. Das Kommuni-
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Teil 1: Staatliche Marktsteuerung im Telekommunikationssektor
kationsrichtlinienpaket sieht künftig statt einer automatischen Regulierung beträchtlich marktmächtiger Unternehmen eine bedarfsabhängige Regulierung vor.
C. Zusammenfassung Staatliche Marktsteuerung in infrastrukturgebundenen Wirtschaftsbereichen erfolgt nach Privatisierung und Entmonopolisierung dieser Sektoren hauptsächlich durch das Regulierungsinstrument „Netzzugang“. Dritten wird Zugang zu den für sie fremden Telekommunikations-, Strom-, und Gasnetzen eingeräumt, um die faktischen Monopole der ehemaligen Staatsunternehmen aufzubrechen und die bislang monopolisierten Märkte dem Wettbewerb zu öffnen. Der Gesetzgeber sieht den Besonderheiten des jeweiligen Wirtschaftsbereichs angepasste Netzzugangskonzepte vor. Das Phänomen, dass Dritte ein für sie fremdes Eigentumsobjekt mitbenutzen möchten, zeigt sich auch in nicht leitungsgebundenen Sektoren. Zugangsregulierungen sehen das U.S.-amerikanische Kartellrecht, das gemeinschaftseuropäische und das deutsche Marktmachtmissbrauchsrecht vor und zwar durch Begründung von Zugangsverpflichtungen für Eigentümer von „wesentlichen Tätigkeitsermöglichungsobjekten“. Anhand des Telekommunikationsgesetzes und seiner Entstehungsgeschichte lassen sich die Etappen Privatisierung, Entmonopolisierung und Regulierung für den Wirtschaftsbereich „Telekommunikation“ in der Bundesrepublik Deutschland nachzeichnen. Diese nationalen Entwicklungsstufen werden gemeinschaftsrechtlich überlagert. Für das mitgliedstaatliche Regulierungsinstrument „Netzzugang“ sind gleichsam als „nachgeschobenes“ Gemeinschaftsrecht Vorgaben in der Zusammenschaltungs-Richtlinie 97 / 33 / EG, der ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 98 / 10 / EG sowie in der Teilnehmeranschlussverordnung 2000 / 2887 / EG zu finden.
Teil 2
Netzzugang in der Telekommunikation – unter besonderer Berücksichtigung des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung Die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 33 TKG soll am Beispiel des besonderen Anwendungsfalles, dem entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung eines marktbeherrschenden Unternehmens, untersucht werden. Die verfassungsrechtliche Prüfung und die sie vorbereitende Auslegung des § 33 TKG setzen in tatsächlicher Hinsicht ein fernmeldetechnisches und ökonomisches Vorverständnis voraus. Im folgenden Kapitel sind daher einige grundlegende technische und ökonomische Aspekte des Fernmeldewesens zu skizzieren. Die Bedeutung dieses Vorverständnisses wird vor dem Hintergrund der heftigen und kontroversen rechtswissenschaftlichen Diskussion über Inhalt und Grenzen der Zugangsverpflichtung gemäß § 33 Abs. 1 TKG besonders plastisch1. Fernmeldetechnisch geht es im Kern um den Aufbau eines Telekommunikationsnetzes sowie um Zugangsformen und -techniken zu diesem, ferner um das Netzsegment „Teilnehmeranschlussleitung“. Ökonomisch wird die unternehmerische Bedeutung der Teilnehmeranschlussleitung für den Netzeigentümer und den Zugangsbegehrenden erfasst. Volkswirtschaftlich steht der Unterschied zwischen dem durch Zugangsgewährung eröffneten Wettbewerb in einem Netz und dem Wettbewerb verschiedener Netze (oder Netztechniken) im Zentrum des Interesses.
1 Klaus Stern / Johannes Dietlein, Netzzugang im Telekommunikationsrecht – Zur verfassungsrechtlichen Problematik eines entbündelten Zugangs zu den Teilnehmeranschlussleitungen, Teil 1, Archiv PT 1998, S. 309 ff.; Klaus Stern / Johannes Dietlein, Netzzugang im Telekommunikationsrecht – Zur verfassungsrechtlichen Problematik eines entbündelten Zugangs zu den Teilnehmeranschlussleitungen, Teil 2, RTkom 1999, S. 2 ff.; Karl-Michael Fuhr / Bärbel Kerkhoff, Entbündelter Zugang – Vereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG?, MMR 1998, S. 6 ff.; Christoph Engel, Der Weg der deutschen Telekommunikation in den Wettbewerb, MMR-Beilage 3 / 1999, S. 7 (11 ff.); Klaus Lammich, Telekommunikationsgesetz-Kommentar, Grundwerk 1997, Neuwied u. a., Stand: Mai 1999, § 33 Rdnr. 5; Gerrit Manssen, in: Telekommunikations- und Multimediarecht, hrsg. v. Gerrit Manssen, Grundwerk 1999, Berlin Stand: August 1999, Anhang zu § 39, Rdnrn. 3 – 7; Hans Willi Hefekäuser / Christoph Dreier, Der gesetzliche Rahmen für Netzzugang und Netzzusammenschaltungen, CR 1997, S. 110 ff.; Christoph Engel / Günter Knieps, Die Vorschriften des Telekommunikationsgesetzes über den Zugang zu wesentlichen Einrichtungen, Baden-Baden 1998, S. 78 ff.; Martin Geppert / Fabian Schuster / Ernst-Olaf Ruhle, Handbuch Recht und Praxis der Telekommunikation, Baden-Baden 1998, Rdnrn. 353 ff.
6 Kallmayer
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Teil 2: Netzzugang in der Telekommunikation
A. Fernmeldetechnischer Sachverhalt Die von § 33 TKG vorausgesetzten fernmeldetechnischen Grundbegriffe sind teilweise in § 3 TKG legaldefiniert. Sie werden allerdings erst auf dem Boden eines technischen Grundverständnisses für den Aufbau und das Funktionieren von Telekommunikationsnetzen fassbar. Dies trifft auch für das fernmeldetechnische Phänomen „Zugang zum Telekommunikationsnetz“ zu. Die Auslegung allein des Tatbestandsmerkmals „Leistungen“ in § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG nimmt in Verbindung mit § 2 Satz 1 NZV Bezug auf den Zugang zu allen Teilen des Telekommunikationsnetzes in entbündelter Form einschließlich des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung. Eine Abgrenzung des gebündelten Zugangs vom entbündelten Zugang ist daher ebenso angezeigt wie die Ermittlung derjenigen Punkte, an denen der Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung für Wettbewerber des von § 33 Abs. 1 TKG zugangsverpflichteten marktbeherrschenden Unternehmens begehrt wird. Zudem erfordert die Bestimmung des Normadressaten in § 33 TKG, die eine Definition des relevanten Telekommunikationsmarktes voraussetzt, ein Basiswissen über herkömmliche und neue Übertragungstechniken nebst deren Übertragungskapazitäten und -eigenschaften. Dieses Kapitel stellt daher das für die nachfolgende Untersuchung zugrunde gelegte Netztechnikwissen zusammenfassend dar.
I. Legaldefinierte fernmeldetechnische Grundbegriffe Die wesentlichen fernmeldetechnischen Grundbegriffe für den Zugang zu Telekommunikationsnetzen werden in § 3 TKG legaldefiniert. Unser Augenmerk ist direkt auf öffentliche Telekommunikationsnetze gerichtet, also auf die für die Massenkommunikation beliebig vieler Personen genutzte Infrastruktur. So ist ein öffentliches Telekommunikationsnetz gemäß § 3 Nr. 11 TKG die Gesamtheit der technischen Einrichtungen (Übertragungswege, Vermittlungseinrichtungen und sonstige Einrichtungen, die zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Betriebs des Telekommunikationsnetzes unerlässlich sind), an die über Abschlusseinrichtungen Endeinrichtungen angeschlossen werden und die zur Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit (und nicht für geschlossene Benutzergruppen) dient. Von der „Gesamtheit technischer Einrichtungen abgesehen“, erhellt diese Legaldefinition für den fernmeldetechnischen Laien nicht direkt, was ein Telekommunikationsnetz ausmacht. Die Definition enthält zudem eine Reihe neuer klärungsbedürftiger Begriffe (Übertragungswege, Vermittlungseinrichtungen, Abschlusseinrichtungen, Endeinrichtungen). Die Begriffsbestimmungen in § 3 TKG versuchen, auch diese zu dechiffrieren. So sind gemäss § 3 Nr. 22 TKG Übertragungswege Telekommunikationsanlagen in Form von Kabeloder Funkverbindungen mit ihren übertragungstechnischen Einrichtungen als Punkt-zu-Punkt- oder Punkt-zu-Mehrpunkt-Verbindungen mit einem bestimmten Informationsdurchsatzvermögen (Bandbreite oder Bitrate) einschließlich ihrer Ab-
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schlusseinrichtungen. Zu Telekommunikationsanlagen zählen wiederum technische Einrichtungen oder Systeme, die als Nachrichten identifizierbare elektromagnetische Signale (Übertragungsmedien: Kupfer oder Luft) oder optische Signale (Übertragungsmedium: Glasfaser) senden, übertragen, vermitteln, empfangen, steuern oder kontrollieren können, § 3 Nr. 17 TKG. Mit dem Hinweis auf diese zwei Signalarten (elektromagnetisch oder optisch) wird die Netzinfrastruktur aus Kupferdraht beziehungsweise aus Glasfasern in Bezug genommen. Endeinrichtungen sind schließlich Einrichtungen, die unmittelbar an die Abschlusseinrichtung eines Telekommunikationsnetzes angeschlossen werden sollen oder die mit einem Telekommunikationsnetz zusammenarbeiten und dabei unmittelbar oder mittelbar an die Abschlusseinrichtung eines Telekommunikationsnetzes angeschlossen werden sollen, § 3 Nr. 3 TKG. Was sich hinter dem Begriff „Abschlusseinrichtung“ verbirgt, definiert das Telekommunikationsgesetz nicht. Allerdings enthält das Gesetz noch eine Definition des Netzzugangs. Darunter wird erstens die physische und logische Verbindung von Endeinrichtungen oder sonstigen Einrichtungen mit einem Telekommunikationsnetz (oder Teilen desselben) verstanden sowie zweitens die physische und logische Verbindung eines Telekommunikationsnetzes mit einem anderen Telekommunikationsnetz (oder Teilen desselben) zum Zweck des Zugriffs auf Funktionen dieses Telekommunikationsnetzes oder auf die darüber erbrachten Telekommunikationsdienstleistungen, § 3 Nr. 9 TKG. Um diese Ansammlung für den Laien schwer zugänglicher fernmeldetechnischer Begriffe fassbar und damit anwendbar zu machen, ist ihre plastische Erläuterung anhand des Festnetzes der Deutschen Telekom AG angezeigt.
II. Aufbau des Festnetzes der Deutsche Telekom AG Da ein flächendeckendes, d. h. den Orts- und Fernbereich umfassendes Festnetz auf dem deutschen Staatsgebiet ausschließlich von der Deutschen Telekom AG betrieben wird, ist dieses Netz Gegenstand der nachfolgenden Erläuterungen netztechnischer Grundlagen. Auf das Festnetz der Deutsche Telekom AG beziehen sich auch in der Praxis die Netzzugangsansprüche der Wettbewerber. Was ist nun ein „festes Telekommunikationsnetz“? Es ist die einer bestimmten Funktion dienende Verbindung von Vermittlungseinrichtungen (Knoten), Übertragungswegen (Kabeloder Funklinien, auch Kanten genannt), Schnittstellen und Endgeräten2. Funktion dieser Verbindung ist der Transport von Informationen zwischen verschiedenen Endgeräten, die über Schnittstellen Zugang zu der besagten Verbindung haben, mit anderen Worten, an sie angeschlossen sind3. Ein Telekommunikationsnetz setzt sich also zusammen aus Knoten, Verbindungslinien zwischen Knoten und Verbin2 Jürgen Pabel, in: Handbuch für die Telekommunikation, hrsg. v. Volker Jung und HansJürgen Warnecke, Berlin u. a. 1998, S. 4 – 3. 3 Jürgen Pabel, in: Handbuch für die Telekommunikation, hrsg. v. Volker Jung und HansJürgen Warnecke, Berlin u. a. 1998, S. 4 – 3.
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dungslinien zwischen Knoten und Schnittstellen, über die wiederum die Endgeräte angeschlossen sind. Die von einem angeschlossenen Ausgangsendgerät (Quelle) gesendete Information wird netzaufwärts über den Verbindungsweg zur Schnittstelle, zum ersten Knoten, zu weiteren Knoten, zur Schnittstelle und zum angeschlossenen Empfängerendgerät (Senke) übermittelt4. In den Knoten sitzt die eigentliche Vermittlungsintelligenz eines Telekommunikationsnetzes 5.
1. Zugangs- und Ortsnetze Ausgangs- und Endpunkt jedes Festnetzes sind Endeinrichtungen. Die vorstehend aufgeführte Legaldefinition einer Endeinrichtung in § 3 Nr. 3 TKG ist prima vista nicht besonders anschaulich. Endeinrichtungen sind im wesentlichen die Endgeräte des Endkunden6. Für das weitere netztechnische Grundverständnis genügt es zu wissen, dass ein Telefonapparat, ein Faxgerät und ein Computermodem jeweils eine solche Endeinrichtung ist7. Musterbeispiel für eine Abschlusseinrichtung ist die Telefonanschlussdose8. Auf eine abstrakte Definition der Abschlusseinrichtung wird verzichtet9. Die Endgeräte haben wiederum über eine Schnittstelle Zugang zum festen Telekommunikationsnetz. Eine Schnittstelle ist eine Übergangsstelle, an der zwei verschiedenen Systeme nach vorher festgelegten Regeln kooperieren10. Ein Beispiel für eine nicht telekommunikationsspezifische Schnittstelle ist diejenige zwischen Stromleitung und elektrischem Fön in Gestalt der Steckdose. Zuvor festgelegte Regel ist, dass die Steckdose genügend elektrischen Strom in 220 Volt Spannung an den Fön übergibt, der wiederum mit 220 Volt und elektrischen Strom zu betreiben ist11. Eine für diese Arbeit relevante telekom4 Susanne Stürmer, Netzzugang und Eigentumsrechte, Baden-Baden 1997, S. 30; Jürgen Pabel, in: Handbuch für die Telekommunikation, hrsg. v. Volker Jung und Hans-Jürgen Warnecke, Berlin u. a. 1998, S. 4 – 3; Joachim C. Haas, „Essential Facilities Doctrine“ und offene Netze, Baden-Baden 2001, S. 29. 5 Joachim C. Haas, „Essential Facilities Doctrine“ und offene Netze, Baden-Baden 2001, S. 23. 6 Joachim Aubert / Ulrich Klingler, Fernmelderecht / Telekommunikationsrecht, Bd. II, 4. Aufl., Heidelberg 1990, S. 4. 7 Endeinrichtung, Endgerät und Telefonapparat werden synonym gebraucht. 8 Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 35 Rdnr. 5. 9 Abschlusseinrichtung, auch Netzabschluss(punkt) genannt, und Telefonanschlussdose werden synonym gebraucht. 10 Nach DIN 4430 ist eine Schnittstelle ein „gedachter oder tatsächlicher Übergang an der Grenze zu zwei gleichartigen Einheiten wie Funktionseinheiten, Baueinheiten oder Computerprogrammbausteinen, mit den vereinbarten Regeln für die Übergabe von Daten und Signalen“, zitiert nach Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, Glossar, „Schnittstelle“, S. 1619. 11 Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, Glossar, „Schnittstelle“, S. 1619.
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munikationsspezifische Schnittstelle ist diejenige zwischen Telefonapparat und Festnetz. Sie ist in der Telefonanschlussdose zu lokalisieren. Die Kooperation zwischen Festnetz und Telefonapparat lässt sich nicht so einfach und anschaulich darstellen wie diejenige zwischen Stromnetz und Fön. Jedenfalls werden die an der Telefonanschlussdose ankommenden Signale an die jeweiligen Endgeräte nach Maßgabe gemeinschaftsweit einheitlicher technischer Normen12 so übergeben, dass die Endgeräte sie in Zeichen (Faxgerät), Sprache (Telefonapparat) oder Bilder und Töne (Computermodem) umwandeln können. Die Schnittstelle selbst ist zwar Voraussetzung, indes nicht gleichbedeutend mit dem Zugang eines Endgerätes zum Netz. Musterbeispiel für einen Netzzugang ist der Telefonanschluss, auch Teilnehmeranschluss genannt13. Bei einem Telefonanschluss wird erstens der körperliche Zugang des Telefonapparates zum Festnetz durch die körperliche Verbindung des Telefonkabelsteckers mit den Kontakten der Telefonanschlussdose hergestellt. Zweitens wird die logische Verbindung des Telefonapparates mit dem Netz aufgebaut. Dies erfolgt im wesentlichen durch die Zuweisung einer Telefonnummer zu einem Telefonanschluss14 und die Freischaltung des Telefonanschlusses. Die Darstellung der netztechnischen Grundlagen zeichnet den Weg netzaufwärts vom Telefonapparat des Endkunden A (Quelle) bis zum Telefonapparat des Endkunden B netzabwärts (Senke) nach. Der Telefonapparat des Kunden A ist über ein Kabel nebst Stecker mit den Kontakten der Telefonanschlussdose verbunden. Zusammen mit der logischen Verbindung ergibt sich der Zugang zum Netz in Gestalt des Teilnehmeranschlusses. In der Telefonanschlussdose ist die hier relevante Schnittstelle verortet. Der Telefonapparat, eine feste, kabelgebundene Endeinrichtung, gibt der Festnetztelefonie ihren Namen. Das Netz selbst hingegen besteht zum einen aus im Erdreich verlegten Kupferdoppeladern oder Glasfaserpaaren, zum anderen aus Richtfunkanlagen15. Es ist also vom Übertragungsmedium her „fest und mobil zugleich“. Hinter der Telefonanschlussdose geht der Weg des Kabels weiter. Er führt durch das Gebäude zu einer zentralen Ausgangsstelle. Die Kabelverbindungen von mehreren Abschlusseinrichtungen in einem Gebäude werden in der zentralen Ausgangsstelle zusammengefasst. Fernmeldetechnisch heißt diese zentrale Ausgangsstelle „Abschlusspunkt des Liniennetzes“. Besonders plastisch wird dieser Netzweg, wenn man sich ein zehnstöckiges Bürogebäude vorstellt, dessen Etagen aus zwanzig Einzelbüros mit jeweils separatem Telefonapparat und Telefonanschlussdose bestehen. Kabel von zweihundert Telefonanschlussdosen werden durch das Gebäu12 Siehe Art. 5 der ONP-Rahmenrichtlinie 90 / 387 / EWG, auf den auch § 34 TKG verweist. 13 Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 35 Rdnr. 5. 14 Bernd Holznagel / Christoph Enaux / Christian Nienhaus, Grundzüge des Telekommunikationsrechts, München 2001, S. 92. 15 Zu den möglichen Übertragungsmedien siehe: Jürgen Pabel, in: Handbuch für die Telekommunikation, hrsg. v. Volker Jung und Hans-Jürgen Warnecke, Berlin u. a. 1998, S. 4 – 4.
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de zum Abschlusspunkt des Liniennetzes geführt. Eine solche Verkabelung in einem Gebäude nennt man „Inhouseverkabelung“16. Vom Abschlusspunkt des Liniennetzes wird ein (die zweihundert Einzelkabel zusammenfassendes) Kabel bis zur Grundstücksgrenze verlegt. Von der Grundstücksgrenze aus geht es regelmäßig zu einem Kabelverzweiger. Hierbei handelt es sich um jene hellgrauen (1 m auf 1,5 m auf 0,5 m)-Kästen, die jeden Fußweg in Abständen von rund einem Kilometer säumen. Im Kabelverzweiger werden die aus den einzelnen Grundstücken kommenden Telefonkabel zusammengebracht und in einem Sammelkabel zur Ortsvermittlungsstelle weitergeführt17. Die Ortsvermittlungsstelle ist der erste Netzknoten. Sie ist vergleichbar mit einem Haus, das mehrere Zimmer hat. Eines dieser Zimmer ist durch den Hauptverteiler besetzt. Der Hauptverteiler hat die einfache Funktion, die aus dem Erdreich in der Ortsvermittlungsstelle ankommenden Sammelkabel körperlich mit den Leitungen der Vermittlungsstelle zu verbinden. Zudem erfolgt durch den Hauptverteiler die Zuordnung einer Rufnummer zu einem konkreten Kunden beziehungsweise zu dessen Anschlussleitung. Die Rufnummer wird auch vom Hauptverteiler aus freigeschaltet. In einem zweiten Zimmer befindet sich die Vermittlungsstelle. Ihre Vermittlungsleistung besteht darin, dass sie die von Teilnehmer A gewählte Nummernkombination analysiert und erkennt, welcher andere Teilnehmer (nämlich B) angewählt wurde (Signalanalyse). Den Verbindungsaufbau zu diesem Teilnehmer B setzt die Vermittlungsstelle daraufhin in Gang (Verbindungsaufbau). Zudem werden in der Vermittlungsstelle die von den Endeinrichtungen erfassten und bis zur Ortsvermittlungsstelle gelangten Signale netzaufwärts in das Fernnetz eingespeist und aus einem anderen Ortsnetzbereich oder Fernnetzbereich in der Ortsvermittlungsstelle angekommenen Signale netzabwärts in Richtung Endeinrichtung in Empfang genommen und weitergeleitet (Signaltransfer netzauf- und netzabwärts). Dabei kommen „Multiplexer“ und „Demultiplexer“ zum Einsatz. Das sind „Datenbündeler“ und „Datenentbündeler“, durch die die Übertragungskapazität (Informationsdurchsatz pro Zeiteinheit) der vorhandenen Leitungszüge, insbesondere der Kupferdoppeladern, gesteigert werden kann18. Dies ermöglicht einen schnelleren und kostengünstigeren Transport zu Paketen geschnürter Datenmengen. Ist in dem „Haus“ genügend Platz, kann ein drittes Zimmer von einem Wettbewerber angemietet werden, der eine eigene, von der Deutsche Telekom AG unabhängige Vermittlungsleistung erbringen möchte. Dieses Zimmer ist dann der Kollokationsraum, in dem die Übergabetechnik installiert wird. Mit ihrer Hilfe kann der Wettbewerber die netzaufwärts in der Ortsvermittlungsstelle ankommenden Gespräche übernehmen und in das eigene Fernnetz 16 Siehe nur die Entscheidung der Regulierungsbehörde vom 30. April 1998, Az. BK 3-01 / 98, MMR 1998, S. 494 (495). 17 Ausnahmsweise, bedingt durch örtliche Besonderheiten, ist dem Kabelverzweiger ein Endverzweiger vorgeschaltet. Dieser fasst die aus mehreren Grundstücken kommenden Kabel zusammen und führt sie bereits als ein Sammelkabel dem Kabelverzweiger zu. 18 Oskar Langer, in: Handbuch für die Telekommunikation, hrsg. v. Volker Jung und HansJürgen Warnecke, Berlin u. a. 1998, S. 4 – 8.
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weiterleiten. Die Ortsvermittlungsstelle ist der Endpunkt des Ortsnetzes19. Zusammengefasst wird der Netzbereich vom Endgerät bis zur Ortsvermittlungsstelle, dem ersten Netzknoten, netztechnisch als „Zugangsnetz“ bezeichnet, da es dem Endkunden mit seinen Endgeräten über die Telefonanschlussdose Zugang zu einer Vielzahl unterschiedlicher Telekommunikationsdienstleistungen ermöglicht20. Zugangsnetz und Ortsnetz sind identisch, wenn in einem Ortsbereich nur eine Ortsvermittlungsstelle liegt. Bei zwei oder mehr Ortsvermittlungsstellen in einem Ortsbereich kommen zu den jeweiligen Zugangsnetzen noch die Verbindungsleitungen zwischen den Ortsvermittlungsstellen hinzu. Zugangsnetze und Verbindungsleitungen bilden dann zusammen ein Ortsnetz. In Deutschland gibt es rund 4.000 Ortsnetze. Ein Zugangsnetz hat die Eigenschaft, auch Teilnehmernetz zu sein. Teilnehmernetze zeichnen sich durch eine einheitliche Netzkennzahl (im Festnetzbereich „Ortsnetzkennzahl“ genannt) und Teilnehmeranschlüsse, also Netzzugänge für Endgeräte von Endkunden, aus21.
2. Fernnetz Von der Ortsvermittlungsstelle geht die Kabelführung weiter in den Bereich des Fernnetzes. Fernnetz ist gleichbedeutend mit „Übertragungsnetz“, da es dem Weitertransport, der Übertragung des im ersten Netzknoten ankommenden Telekommunikationsverkehrs dient22. Es besteht aus drei Weitverkehrsvermittlungsebenen: der Knotenvermittlungsebene, der Hauptvermittlungsebene und der Zentralvermittlungsebene. Die niedrigste Netzebene sind die Knotenvermittlungsstellen, die höchste Netzebene stellen die Zentralvermittlungsstellen dar. In Deutschland gibt es acht Zentralvermittlungsstellen. Sie werden durch die aus den Fernverbindungsvorwahlen bekannten Ziffern zwei bis neun repräsentiert und teilen so den geographischen Raum Deutschland in acht Bereiche auf. Nach der Verkehrsausscheidungsziffer Inland, der Null, folgt in der Fernverbindungsvorwahl beispielsweise 19 Ein Ortsbereich kann allerdings aus mehreren Ortsvermittlungsstellen bestehen, die dann jeweils einen bestimmten Anschlussbereich abdecken. Anders herum betrachtet bildet ein Anschlussbereich das „Einzugsgebiet“ einer Ortsvermittlungsstelle. Die räumliche Bestimmung eines Anschlussbereichs wird durch technische Grenzen und die Aufnahmekapazität einer Ortsvermittlungsstelle bestimmt. Die längste Anschlussleitung, d. h. der Kabelstrecke vom Gebäudeausgang des Festnetzkunden über den Kabelverzweiger bis zur Ortsvermittlungsstelle beträgt regelmäßig weniger als acht Kilometer. Daher werden die Ortsvermittlungsstellen nach Möglichkeit im Netzschwerpunkt eines Anschlussbereiches errichtet, um viele Abschlusspunkte des Liniennetzes mit kurzen Anschlussleitungen anzuschalten. 20 Oskar Langer, in: Handbuch für die Telekommunikation, hrsg. v. Volker Jung und HansJürgen Warnecke, Berlin u. a. 1998, S. 4 – 5. 21 Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 35 Rdnr. 19. 22 Wilhelm Spickmann, in: Handbuch für die Telekommunikation, hrsg. v. Volker Jung und Hans-Jürgen Warnecke, Berlin u. a. 1998, S. 4 – 44.
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die Ziffer zwei für den Raum Düsseldorf23. Die Ziffer eins ist bereits für bestimmte Telefondienste belegt. Von den acht Zentralvermittlungsstellen ist jede unmittelbar mit jeder anderen verbunden, d. h. sie sind untereinander vollvermascht24. Das bedingt achtundvierzig Verbindungsleitungen, da bei einem vollvermaschten Netz n-Netzknoten n (n-2) Verbindungsleitungen benötigen25. Knoten- und Hauptvermittlungsstellen sind so untereinander verbunden, dass jeweils zu den räumlich nächsten Vermittlungsstellen derselben, der höheren und der niedrigeren Netzebene eine Verbindungsleitung besteht. Dies ergibt einen sternförmigen Netzaufbau der Knoten- und Hauptvermittlungsebenen. Fasst man das sternförmige und das vermaschte Netz zusammen, entsteht ein sogenanntes Verbundnetz. Die Hauptvermittlungsstellen sind jeweils einem Zentralvermittlungsbereich zugeordnet. Ein solcher kann theoretisch aus maximal zehn Hauptvermittlungsstellen bestehen. Anschaulich wird dies durch die Konstruktion folgender Vorwahlkombinationen: Verkehrsausscheidungsziffer Inland (0), Zentralbereich Düsseldorf (2), Hauptvermittlungsbereiche (0 bis 9: „020“, „021“, „022“, bis „029“. Der Hauptvermittlungsbereich „023“ erfasst beispielsweise die Städte Essen, Bochum und Dortmund. Die Knotenvermittlungsstellen sind dementsprechend jeweils einem Hauptvermittlungsbereich zugewiesen. Ein Hauptvermittlungsbereich wiederum setzt sich theoretisch aus zehn Knotenvermittlungsstellen zusammen. So ergeben sich im Hauptvermittlungsbereich „023“ die Knotenvermittlungsbereiche (0 bis 9): „0230“, „0231“, „0232“, bis „0239“. Die Knotenvermittlungsstellen sind als unterste Ebene des Fernnetzes mit dem Ortsnetz verbunden. Für den aus einem Ortsnetz weggehenden Telefonverkehr ist die Knotenvermittlungsstelle unmittelbar mit der nächsten Ortsvermittlungsstelle verbunden. Für den im Ortsnetz ankommenden Telefonverkehr sieht das Ortsnetz sogenannte Endvermittlungsstellen vor, die den Fernverkehr von der Knotenvermittlungsstelle übernehmen und an die relevante Ortsvermittlungsstelle weitertransportieren. Soll beispielsweise ein Ferngespräch zwischen einem Ortsnetz im Knotenvermittlungsbereich 0681 (Saarbrücken) und einem Ortsnetz im Kontenvermittlungsbereich 0234 (Bochum) aufgebaut werden, ist der Transportweg von der Ortsvermittlungsstelle mit der Ortsnetzkennzahl 0681 / x zur Knotenvermittlungsstelle 0681 über die Hauptvermittlungsstelle 068 zur Zentralvermittlungsstelle 06. Über Verkehrslenkung (Roating), d. h. Auswählen von Wegen im Netz26, wurde versucht, einen kürzeren, direkteren Weg durch das Netz zu finden, beispielsweise von der Hauptvermittlungsebene 068 zu einer näher an der Hauptvermittlungsebene 023 gelegenen Hauptvermittlungsebene. 23 Die Ziffer drei steht für den Bereich Berlin, die Ziffer vier für den Raum Hamburg, die Ziffer fünf für Hannover, die Ziffer sechs für den Bereich Frankfurt, die Ziffer sieben für den Raum Stuttgart, die Ziffer acht für München und die Ziffer neun für den Bereich Nürnberg. 24 Jörg Eberspächer, in: Handbuch für die Telekommunikation, hrsg. v. Volker Jung und Hans-Jürgen Warnecke, Berlin u. a. 1998, S. 1 – 89, 1 – 90. 25 Jörg Eberspächer, in: Handbuch für die Telekommunikation, hrsg. v. Volker Jung und Hans-Jürgen Warnecke, Berlin u. a. 1998, S. 1 – 89. 26 Jörg Eberspächer, in: Handbuch für die Telekommunikation, hrsg. v. Volker Jung und Hans-Jürgen Warnecke, Berlin u. a. 1998, S. 1 – 89, 1 – 95.
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War dies erfolglos, wird der weitere Weg bis zur höchsten Netzebene beschritten und eine direkte, wegen der Vollvermaschung mögliche Verbindung zwischen den beiden Zentralvermittlungsstellen 06 und 02 hergestellt. Netzabwärts geht es weiter zum Hauptvermittlungsbereich 023, über die Knotenvermittlungsstelle 0234 ins Ortsnetz zur Endvermittlungsstelle. Diese gibt den angekommenen Telefonverkehr weiter in den angewählten Ortsbereich mit der Ortsnetzkennzahl 0234 / x. Erwähnenswert ist dabei, dass das Routing in zwei Schritten erfolgt. Zunächst wird ermittelt, welcher Netzweg für die Nachrichtenübermittlung überhaupt zur Verfügung steht. Der so gefundene Weg wird daraufhin für die betreffende Nachrichtenübermittlung reserviert. Dafür wird ein selbständiges Netz, das sogenannte „Signalisierungsnetz“ benutzt, das mit geringen und daher kostengünstigen Übertragungskapazitäten auskommt27. Danach erst erfolgt die eigentliche Nachrichtenübermittlung von A nach B über ein zweites Netz, das Übertragungsnetz im engeren Sinn. Es ist parallel zum Signalisierungsnetz körperlich verlegt und technisch aufgebaut. Dieser streng hierarchische Netzaufbau wird trotz Erweiterung der Übertragungskapazitäten den steigenden Qualitäts- und Kapazitätsanforderungen an ein Telekommunikationsnetz nicht immer gerecht. Versucht wird daher, große Telekommunikationsverkehrsströme auf möglichst direktem Weg zum Zielknoten zu leiten28. 3. Zusammenfassung Ein festes Telekommunikationsnetz ist die einer bestimmten Funktion dienende Verbindung von Vermittlungseinrichtungen (Knoten), Übertragungswegen (Kabeloder Funklinien), Abschlusseinrichtungen, Schnittstellen und Endgeräten29. Funktion dieser Verbindung ist der Transport von Informationen zwischen verschiedenen Endgeräten, die über Schnittstellen Zugang zu der besagten Verbindung haben. Typische Endgeräte sind Telefonapparate, Faxgeräte und Computermodems. Musterbeispiel für eine Abschlusseinrichtung ist die Telefonanschlussdose in der Zimmerwand. Der Netzbereich vom Endgerät über den Abschlusspunkt des Liniennetzes und den Kabelverzweiger bis zur Ortsvermittlungsstelle, dem ersten Netzknoten, bildet das „Zugangsnetz“. Denn es eröffnet dem Endkunden mit seinen Endgeräten über die Telefonanschlussdose Zugang zu einer Vielzahl unterschiedlicher Telekommunikationsdienstleistungen30. Zugangsnetz und Ortsnetz sind iden tisch, wenn in einem Ortsbereich nur eine Ortsvermittlungsstelle liegt. Von der Ortsvermittlungsstelle geht die Kabelführung in den Bereich des Fernnetzes. Es 27 Klemens Hahn, in: Handbuch für die Telekommunikation, hrsg. v. Volker Jung und Hans-Jürgen Warnecke, Berlin u. a. 1998, S. 4 – 45 f. 28 Wilhelm Spickmann, in: Handbuch für die Telekommunikation, hrsg. v. Volker Jung und Hans-Jürgen Warnecke, Berlin u. a. 1998, S. 4 – 44. 29 Jürgen Pabel, in: Handbuch für die Telekommunikation, hrsg. v. Volker Jung und HansJürgen Warnecke, Berlin u. a. 1998, S. 4 – 3. 30 Oskar Langer, in: Handbuch für die Telekommunikation, hrsg. v. Volker Jung und HansJürgen Warnecke, Berlin u. a. 1998, S. 4 – 5.
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besteht aus drei Weitverkehrsvermittlungsebenen: der Knoten-, der Haupt- und der Zentralvermittlungsebene. Die niedrigste Netzebene sind die Knotenvermittlungsstellen, die höchste Netzebene die Zentralvermittlungsstellen. In Deutschland gibt es acht Zentralvermittlungsstellen, von denen jede unmittelbar mit jeder anderen verbunden ist. Sie sind also untereinander vollvermascht. Knoten- und Hauptvermittlungsstellen sind wiederum so verbunden, dass jeweils zu den räumlich nächsten Vermittlungsstellen derselben, der höheren und der niedrigeren Netzebene eine Verbindungsleitung besteht. Dies ergibt insoweit einen sternförmigen Netzaufbau. Fasst man das sternförmige und das vermaschte Netz zusammen, entsteht ein Verbundnetz. Am Rande sei bemerkt, dass dieses nationale Fernnetz mit anderen nationalen Fernnetzen zu einem internationalen Fernnetz verbunden ist.
III. Teilnehmeranschlussleitung als Ausschnitt aus dem Zugangsnetz der Deutsche Telekom AG Nachdem der Aufbau des Festnetzes der Deutsche Telekom AG skizziert und Zugangs- und Fernnetz erfasst sind, ist die Frage zu stellen, welchen Teil des Festnetzes die Teilnehmeranschlussleitung netztechnisch darstellt? Der Katalog der Legaldefinitionen in § 3 TKG schweigt zu dieser Fragestellung. § 2 S. 2 NZV setzt die begriffliche Bestimmung der Teilnehmeranschlussleitung voraus. Der fernmeldetechnischen Literatur zufolge ist die Teilnehmeranschlussleitung ein Ausschnitt des Zugangsnetzes, die an den Abschlusseinrichtungen der Kunden beginnt und im ersten Netzknoten endet31. Offen bleibt dabei der genaue Endpunkt. Der erste Netzknoten ist in der Ortsvermittlungsstelle, die sich aus dem Hauptverteiler und der eigentlichen Vermittlungsstelle zusammensetzt. Eine Präzisierung hat die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung in ihren ersten Entscheidungen zum Netzzugang am Hauptverteiler vorgenommen: Ihr zufolge ist die Teilnehmeranschlussleitung die Netzstrecke vom Hauptverteiler in der Ortsvermittlungsstelle, über den Kabelverzweiger und den Abschlusspunkt der Linientechnik durch das InhouseKabelnetz hindurch bis zur Abschlusseinrichtung, der Telefonanschlussdose in der Zimmerwand des Teilnehmers32. Bemerkenswert ist, dass die Gerichte die Teilnehmeranschlussleitung am Hauptverteiler enden sehen und sie zudem nicht erst am Abschlusspunkt des Liniennetzes anfangen lassen, der meist im Keller der Wohnoder Bürohäuser angebracht ist, sondern bereits an der Telefonanschlussdose. Die31 Oskar Langer, in: Handbuch für die Telekommunikation, hrsg. v. Volker Jung und HansJürgen Warnecke, Berlin u. a. 1998, S. 4 – 5. 32 VG Köln, Beschlüsse vom 18. August 1997, Az. 1 L 2317 / 97, Az. 1 L 2318 / 97 und Az. 1 L 2320 / 97 (Eilrechtsschutz 1. Instanz), Archiv PT 1998, S. 66; OVG Münster, Beschlüsse vom 29. September 1997, Az. 13 B 1987 / 97, Az. 13 B 2159 / 97 und Az. 13 B 2160 / 97 (Eilrechtsschutz 2. Instanz), MMR 1998, S. 98; VG Köln, Urteile vom 5. November 1998, Az. 1 K 5943 / 97, Az. 1 K 5929 / 97 und Az. 1 K 5942 / 97 (Hauptsacheverfahren 1. Instanz), RTkom 1999, S. 35.
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se weite Definition hat auch die Literatur übernommen33. Sie wird im Fortgang der Untersuchung zugrundegelegt. Hervorzuheben ist des weiteren, dass sich die Teilnehmeranschlussleitung wiederum in Segmente unterteilen lässt: Vom Kabelverzweiger zur Telefonanschlussdose und vom Abschlusspunkt der Linientechnik zur Telefonanschlussdose. Überwiegend besteht die Teilnehmeranschlussleitung vom Hauptverteiler bis zur Telefonanschlussdose aus schmalbandigen, symmetrischen Kupferdoppeladern34. Insbesondere bei Infrastrukturerneuerungen oder bei der Erschließung neuer Gebiete werden Glasfaserkabel verlegt. 2001 waren im Zugangsnetzbereich rund 1,4 Mio. km Kupfer- und 87.000 km Glasfaserkabel der Deutsche Telekom AG verlegt35. Der Anteil von Glasfaserkabeln macht also weniger als 6 % aus. Die vorliegende Untersuchung konzentriert sich daher auf schmalbandige, symmetrische Kupferdoppeladern und verwendet den Begriff „Teilnehmeranschlussleitung“ ceteris paribus in Bezug auf dieses Übertragungsmedium. Besondere Beachtung finden ferner Fragen der technischen Beschaltung der Übertragungsmedien. Die Beschaltung des Kupferkabels mit Übertragungstechniken steuert die Übertragungsqualität, -geschwindigkeit und -kapazität. Insbesondere die technikvermittelte Übertragungskapazität bestimmt entscheidend, welche Dienste über das Kupferkabel angeboten werden können. Die Bedeutung der Übertragungstechnik für die wirtschaftliche Nutzung der Teilnehmeranschlussleitung über Sprachtelefonie und Telefax hinaus klingt hierin an. So ist ohne Einsatz besonderer Techniken beispielsweise die Übertragung von Bewegtbildern in Fernsehqualität in Gestalt von Videokonferenzen nicht möglich.
IV. Alternativen zu schmalbandigen, symmetrischen Kupferdoppeladern im Zugangsnetzbereich Die wettbewerbliche Bedeutung der Teilnehmeranschlussleitungen der Deutsche Telekom AG für das Unternehmen selbst und für seine Wettbewerber hängt entscheidend von der Verfügbarkeit technischer Alternativen zur Überwindung der schmalbandigen, symmetrischen Kupferdoppeladern ab. Ausweichmöglichkeiten 33 Bernd Holznagel / Christoph Enaux / Christian Nienhaus, Grundzüge des Telekommunikationsrechts, München 2001, S. 101; Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKGKommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 2 NZV Anh § 39, Rdnr. 6; Klaus Stern / Johannes Dietlein, Netzzugang im Telekommunikationsrecht – Zur verfassungsrechtlichen Problematik eines entbündelten Zugangs zu den Teilnehmeranschlussleitungen, Teil 1, Archiv PT 1998, S. 309 (311); Eva Rudolf, Das Recht auf Netzzugang in der Telekommunikation – Europäisches Gemeinschaftsrecht und seine Anwendung in §§ 33 ff. TKG, Baden-Baden 2000, S. 106 f.; Joachim C. Haas, „Essential Facilities Doctrine“ und offene Netze, Baden-Baden 2001, S. 34. 34 Gerhard Schweiger, in: Handbuch für die Telekommunikation, hrsg. v. Volker Jung und Hans-Jürgen Warnecke, Berlin u. a. 1998, S. 4 – 255 ff. 35 Bernd Holznagel / Christoph Enaux / Christian Nienhaus, Grundzüge des Telekommunikationsrechts, München 2001, S. 5.
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der Wettbewerber der Deutsche Telekom AG können – zumindest theoretisch – durch den Einsatz von Glasfaser- oder Lichtwellenleiterkabel, Richtfunkverbindungen und Kupferkoaxialkabel technisch realisiert werden. Letzteres Übertragungsmedium ist bekannt als Kabelfernseh- oder Breitbandkabelnetz. Denkbar ist ferner die Nutzung von Stromleitungen für Telekommunikationszwecke.
1. Glasfaser- oder Lichtwellenleiterkabel Glasfaserkabel bestehen aus hochreinem Quarzglas und sind zum Schutz gegen mechanische Einwirkungen und Feuchtigkeit mit einer Kunststoffbeschichtung ummantelt36. Die Informationsübertragung erfolgt per Laserlichtimpuls. Gegenüber den herkömmlichen Kupferkabeln zeichnen sich Glasfaserkabel insbesondere durch bessere Übertragungseigenschaften und eine höhere Bandbreite im Übertragungsspektrum aus37. Durch diese besonderen Eigenschaften werden zusätzliche Übertragungskapazitäten für große Signalmengen eröffnet. Bewegtbilder in Fernsehqualität sind via Glasfaserkabel ebenso übertragbar wie neue multimediale Anwendungen (beispielsweise „video-on-demand“). Das Übertragungsmedium Glasfaser ist zwar technisch ausgereift, Kupferkabeln grundsätzlich vorzuziehen und theoretisch auch jederzeit realisierbar. Die Verlegung neuer Kabel geht allerdings einher mit immensen Erdarbeiten und ist daher mit hohen Kosten und Umweltbeeinträchtigungen verbunden. Da nur ein langes Kabel mit hinreichend großem wirtschaftlichen Nutzen zu verlegen ist, werden im Fernnetzbereich fasst ausschließlich Glasfasern eingesetzt. Im Zugangsnetzbereich – am äußersten Netzende benötigt jeder einzelne Kunde ein Kabel, d. h. viele kurze Kabelstrecken bei geringem Nutzen pro Strecke – werden Glasfaserkabel jedoch nur in sehr geringem Umfang verwendet, vor allem bei Infrastrukturerneuerungen (zwischen Hauptverteiler und Kabelverzweiger) oder bei der Erschließung von Neubaugebieten, wenn sich Erdarbeiten ohnehin nicht vermeiden lassen.
2. Richtfunkverbindungen Eine weitere Möglichkeit, Kunden unabhängig vom erdgebundenen Kupferdraht zwischen Hauptverteiler und Teilnehmeranschlussdose zu erreichen, bieten Funkverbindungen. Sie überbrücken diese Entfernung drahtlos. So gibt es beispielsweise die „Punkt-zu-Mehrpunkt“ Richtfunktechnik (wireless local loop via pointto-multipoint)38. Ihrer Grundstruktur nach wird beim Teilnehmer ein Sende- und 36 Gerhard Schweiger, in: Handbuch für die Telekommunikation, hrsg. v. Volker Jung und Hans-Jürgen Warnecke, Berlin u. a. 1998, S. 4 – 258 ff. 37 Gerhard Schweiger, in: Handbuch für die Telekommunikation, hrsg. v. Volker Jung und Hans-Jürgen Warnecke, Berlin u. a. 1998, S. 4 – 258. 38 Torsten J. Gerpott, Wettbewerbsstrategien im Telekommunikationsmarkt, 2. Aufl., Stuttgart 1997, S. 31 ff.; Oskar Langer, in: Handbuch für die Telekommunikation, hrsg. v.
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Empfangsgerät mit Antenne, die Kundenabschlusseinheit, montiert. Sie fungiert als Abschlusseinrichtung im herkömmlichen Sinn39. Neben der neuen Antenne auf dem Hausdach findet der Kunde also seine gewohnte Telefonanschlussdose in der Zimmerwand vor. Die Kundenabschlusseinheit steht mit einer Funkbasisstation in Verbindung, die unmittelbar oder mittelbar über eine Schnittstelleneinrichtung an die Ortsvermittlungsstelle im Netz eines Telekommunikationsunternehmens angeschlossen ist40. „Punkt-zu-Mehrpunkt“ heißt diese Technik, weil mehrere Kundenabschlusseinheiten zu nur einer Funkbasisstation in Kontakt stehen. Zur Inbetriebnahme der Funkbasisstationen musste die Regulierungsbehörde bundesweit Frequenzbänder zuteilen. Dies ist nach einem Ausschreibungsverfahren im Sommer 1999 geschehen. Über diese Funkverbindungen können Übertragungskapazitäten erreicht werden, die mit denen von Kupferdoppeladern nebst aufgeschalteter Technik vergleichbar sind41. Sprachtelefonie, Internet und Datendienste können im Rahmen von Richtfunkverbindungen parallel angeboten werden. Allerdings erfordert der Aufbau von Funkbasisstationen, die Verbindungen zur Ortsvermittlungsstelle sowie die Installation der Antennen beträchtliche Investitionen42. Für Telekommunikationsunternehmen erscheint regelmäßig nur der Anschluss von Großkunden lukrativ. Zudem entsteht im Wettstreit mit den Mobilfunknetzbetreibern ein Kampf um die besten Plätze für Antennen auf den Hausdächern.
3. Kupferkoaxialkabel des Kabelfernsehnetzes Breitbandige Kupferkoaxialkabel sind im Zugangsnetzbereich seit Anfang 1980 von der damaligen Deutsche Bundespost ausschließlich zum Aufbau von Kabelfernsehnetzen flächendeckend verlegt worden. Kupferkoaxialkabel dienen der Übertragung von Fernseh- und Rundfunksignalen. Das Kabelfernsehnetz, auch Breitbandkabelnetz genannt, besteht aus vier Netzebenen43. Die erste Netzebene umfasst den Leitungsweg von der Programmproduktion der Fernseh- und Rundfunksender zu den Programmschaltstellen. Die zweite Netzebene verbindet Programmschaltstellen und Verstärker. Letztere sind zugleich Ausgangspunkt der dritten Netzebene, dem Verteilnetz. Es endet am sogenannten Übergabepunkt, regelVolker Jung und Hans-Jürgen Warnecke, Berlin u. a. 1998, S. 4 – 19; Robert Schulz, Der Zugang zum „blanken Draht“, München 2001, S. 90 ff. 39 Johannes Graubner, Wireless Local Loop: Eine Alternative zum Draht, telekom praxis 3 / 99, S. 38. 40 Johannes Graubner, Wireless Local Loop: Eine Alternative zum Draht, telekom praxis 3 / 99, S. 38. 41 Oskar Langer, in: Handbuch für die Telekommunikation, hrsg. v. Volker Jung und HansJürgen Warnecke, Berlin u. a. 1998, S. 4 – 19; Johannes Graubner, Wireless Local Loop: Eine Alternative zum Draht, telekom praxis 3 / 99, S. 38. 42 Robert Schulz, Der Zugang zum „blanken Draht“, München 2001, S. 93 f. 43 Franz Schönborn, Kabel-TV-Netze auf neuen Wegen, telekom praxis 8 / 99, S. 18 (19).
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mäßig der Grundstücksgrenze eines Hauses. Die vierte Netzebene umfasst die Grundstücks- sowie Hausverteilnetze und endet mit den Abschlusseinrichtungen der Kunden. Die Deutsche Bundespost baute die Netzebene vier, das heißt den unmittelbar die Abschlusseinrichtung des Kunden erreichenden Netzbereich, lediglich zu weniger als einem Drittel auf44. Der übrige Teil liegt in den Händen rund 6.000 privater Kabelnetzbetreiber 45. An das Breitbandkabelnetz sind ca. 17 Millionen Wohneinheiten angeschlossen46. Das Breitbandkabelnetz zeichnet sich durch große Übertragungskapazitäten aus und ist daher für den Durchsatz großer In formationsmengen geeignet. Jedoch funktioniert das Breitbandkabelnetz aufgrund seiner Baumstruktur ausschließlich in eine Richtung, und zwar netzabwärts von der Programmstation zum Teilnehmer47. Für Telekommunikationszwecke ist aber ein Rückkanal erforderlich, der Signale vom Kunden netzaufwärts transportiert. Das Breitbandkabelnetz müsste also fernmeldetechnisch „bidirektional“ ausgebaut werden48. Es liegt auf der Hand, dass dies mit ganz erheblichen Investitionen verbunden wäre. Hervorhebenswert ist überdies, dass die Deutsche Telekom AG im Zuge der Postreform II Eigentümerin des Breitbandkabelnetzes der Deutsche Bundespost wurde. Aufgrund der Entflechtungs-Richtlinie 99 / 64 / EG musste die Deutsche Telekom AG Telekommunikations- und Kabelnetzbetrieb in rechtlich getrennten Unternehmen organisieren. Sie gründete dazu die Kabel Deutschland GmbH und übertrug dieser Gesellschaft ihre Rechte am Breitbandkabelnetz 49. Die Kabel Deutschland GmbH wurde in neun Regionalgesellschaften aufgeteilt. Anteile an diesen Gesellschaften stehen seit Herbst 1999 zum Verkauf50. Die Verkaufsverhandlungen sind langwierig51. Die Deutsche Telekom AG, vertreten durch 44 Klaus Lohse, Kabelverteilanlagen werden zu interaktiven Breitbandnetzen erweitert, telekom praxis 10 / 99, S. 13 (14). 45 Stefan Mette, Die nationalen und europarechtlichen Bestimmungen zur Nutzung des Breitbandkabelnetzes in der Bundesrepublik Deutschland, Archiv PT 1998, S. 40 (41). 46 Stefan Mette, Die nationalen und europarechtlichen Bestimmungen zur Nutzung des Breitbandkabelnetzes in der Bundesrepublik Deutschland, Archiv PT 1998, S. 40 (41). 47 Oskar Langer, in: Handbuch für die Telekommunikation, hrsg. v. Volker Jung und HansJürgen Warnecke, Berlin u. a. 1998, S. 4 – 24. 48 Klaus Lohse, Kabelverteilanlagen werden zu interaktiven Breitbandnetzen erweitert, telekom praxis 10 / 99, S. 13. 49 Besagte Verpflichtung wurzelt in der Richtlinie 99 / 64 / EG der Kommission vom 23. Juni 1999 zur Änderung der Richtlinie 90 / 388 / EWG im Hinblick auf die Organisation ein- und demselben Betreiber gehörender Telekommunikations- und Kabelfernsehnetze in rechtlich getrennten Einheiten, ABl. EG Nr. L 175, S. 39 ff.; zur Entstehungsgeschichte dieser Richtlinie siehe auch Andreas Bartosch, Das neue EG-Telekommunikationsrecht – Der Richtlinienentwurf zur rechtlichen Trennung der beiden großen Netzwerke, K&R 1998, S. 339 ff. 50 Franz Schönborn, Kabel-TV-Netze auf neuen Wegen, telekom praxis 8 / 99, S. 18 (20); Ulrich Immenga / Christian Kirchner / Günter Knieps / Jörn Kruse, Telekommunikation im Wettbewerb, München 2001, S. 174 f.\ 51 Der Verkauf von Anteilen an sechs Regionalgesellschaften an das U.S.-amerikanische Unternehmen Liberty Media scheiterte im Februar 2002 an der Untersagungsverfügung des
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ihre Regionalgesellschaften, baute bislang das Breitbandkabelnetz nicht bidirektional aus. 4. Stromleitungen Mittels der „powerline-Technik“ können Stromnetze theoretisch auch für Telekommunikationszwecke eingesetzt werden52. Stromleitungen bestehen wie herkömmliche Teilnehmeranschlussleitungen aus Kupferadern. Über Stromleitungen wird wie über Telekommunikationsleitungen elektrischer Strom geleitet. Nahezu jeder Haushalt ist an ein Stromnetz angeschlossen. Ohne auf Einzelheiten der „powerline-Technik“ einzugehen, sind die technischen Schwierigkeiten bei der Nutzung der Stromleitungen für Telekommunikationszwecke leicht zu erklären: Das Stromnetz hat – wie auch das vorgestellte Breitbandkabelnetz – eine baumartige Struktur. Wie beim Breitbandkabelnetz findet die Bewegung auf dem Stromnetz nur in eine Richtung, nämlich netzabwärts statt, nicht aber auch vom Kunden zur Umspannungsstation zurück. Desweiteren ist die elektromagnetische Verträglichkeit der Stromnetznutzung für Telekommunikationszwecke in bezug auf andere Kommunikationsverbindungen noch nicht gesichert und birgt ein großes Störpotential53. Von Pilotprojekten für schnelle Internetzugänge abgesehen, ist die notwendige Technik zum Ausbau des Rückkanals und zur Entstörung der Leitungen noch nicht ausgereift54. 5. Zusammenfassung Technisch realisierbare Alternativen zu schmalbandigen symmetrischen Kupferdoppeladern im Zugangsnetzbereich sind zwar vorhanden. Dazu zählen allen voran Glasfaserkabel. Diese zeichnen sich durch sehr gute Übertragungseigenschaften sowie große Übertragungskapazitäten aus und sind den Kupferdoppeladern daher fernmeldetechnisch in jeder Hinsicht überlegen. Die Verlegung neuer Kabel geht allerdings einher mit immensen Erdarbeiten und ist daher insbesondere mit hohen Bundeskartellamtes, in der es die Verpflichtung des Netzeigentümers zum Ausbau und zur Digitalisierung des Breitbandkabelnetzes betonte; die Deutsche Telekom AG plant, neue Verkaufsverhandlungen aufzunehmen, wobei offen ist, ob ein Komplettverkauf des gesamten Breitbandkabelnetz an einen Interessenten oder Einzelverkäufe der Regionalgesellschaften an verschiedene Bieter erfolgen soll und ob die Deutsche Telekom AG einen Minderheitsanteil an den Regionalgesellschaften behalten möchte, FAZ vom 12. April 2002, S. 17. 52 Ulrich Immenga / Christian Kirchner / Günter Knieps / Jörn Kruse, Telekommunikation im Wettbewerb, München 2001, S. 175; Robert Schulz, Der Zugang zum „blanken Draht“, München 2001, S. 94 f. 53 Michael Schmittmann / Jan Rudolf Busemann, Regulierung der letzten Meile, K&R 2000, S. 217 (223). 54 Ulrich Immenga / Christian Kirchner / Günter Knieps / Jörn Kruse, Telekommunikation im Wettbewerb, München 2001, S. 175; Robert Schulz, Der Zugang zum „blanken Draht“, München 2001, S. 94.
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irreversiblen Kosten verbunden. Letzteres gilt auch für die Richtfunktechnik, die ebenfalls eine technisch realisierbare Alternative zum Kupferkabel darstellt. Die Kupferkoaxialkabel des Breitbandkabelnetzes und Stromleitungen haben eine baumartige Netzstruktur und transportieren nur netzabwärts zum Kunden. Neben anderen technischen und eigentumsrechtlichen Hürden hängt ihre Nutzbarkeit für Telekommunikationszwecke von der Investition in den Ausbau der Rückkanalfähigkeit ab. Letztere ist beim Breitbandkabelnetz technisch möglich, beim Stromnetz noch nicht.
V. Netzzugang und Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung Nachdem Aufbau und Funktionsweise des Festnetzes der Deutsche Telekom AG betrachtet und das Zugangsnetzsegment „Teilnehmeranschlussleitung“ definiert ist, sowie die technisch realisierbaren Alternativen zu Teilnehmeranschlussleitungen aus Kupferdoppeladern skizziert sind, ist abschließend auf die Frage einzugehen, was allgemein unter „Netzzugang“ und im besonderen unter „Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung“ zu verstehen ist.
1. Netzzugang Die Legaldefinition für Netzzugänge in § 3 Nr. 9 TKG55 ist, wie Abschnitt I. zeigt, wenig aufschlussreich. Diese Definition beschreibt im Wesentlichen die Unterscheidung zwischen Netzzugängen, die nicht eine Zusammenschaltung von Netzen sind, und die Zusammenschaltung56, ohne dabei begriffliche Klarheit zu schaffen. Jedenfalls ist der Definition aber zu entnehmen, dass der Gesetzgeber von der Existenz verschiedener Arten von Netzzugängen ausgeht. Dies wird von § 35 Abs. 1 Satz 2 TKG bestätigt. Die Norm unterscheidet zwischen allgemeinen Netzzugängen, die für sämtliche Nutzer bereitgestellt werden, und besonderen Netzzugängen, die über besondere Anschlüsse gewährt werden. Die Kundenschutzverordnung unterstreicht diese Differenzierung, indem sie in § 13 TKV nur Vorgaben für allgemeine Netzzugänge bereit hält. § 1 Abs. 2 NZV liefert insofern Aufschluss über besondere Netzzugänge, als diese nur durch einen Nutzer begehrt 55 Netzzugang ist erstens die physische und logische Verbindung von Endeinrichtungen oder sonstigen Einrichtungen mit einem Telekommunikationsnetz (oder Teilen desselben) sowie zweitens die physische und logische Verbindung eines Telekommunikationsnetzes mit einem anderen Telekommunikationsnetz (oder Teilen desselben) zum Zweck des Zugriffs auf Funktionen dieses Telekommunikationsnetzes oder auf die darüber erbrachten Telekommunikationsdienstleistungen. 56 Zusammenschaltung gemäß § 3 Nr. 26 TKG ist derjenige Netzzugang, der die physische und logische Verbindung von Telekommunikationsnetzen herstellt, um Nutzern, die an verschiedenen Telekommunikationsnetzen angeschaltet sind, die mittelbare oder unmittelbare Kommunikation zu ermöglichen.
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werden können, der sie als Anbieter von Telekommunikationsdiensten oder als Betreiber von Telekommunikationsnetzen nachfragt, um selbst Telekommunikationsdienstleistungen anzubieten. Der besondere Netzzugang im Sinne des Telekommunikationsgesetzes ist dem zufolge nicht fernmeldetechnisch definiert, sondern wird durch die Beschränkung des Nutzerkreises und durch die Zweckrichtung von dessen Nachfrage bestimmt57. Musterbeispiel für einen besonderen Netzzugang ist der Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung, den ein Telekommunikationsdienstleister begehrt. Allgemeine Netzzugänge stellen keine besonderen Anforderungen an ihre Nutzer und den Zweck ihrer Nachfrage. Allgemeine Netzzugänge werden daher für alle übrigen Nutzer, die Telekommunikationsdienstleistungen lediglich nachfragen, also typischerweise Endkunden, bereitgestellt 58. Musterbeispiel für einen allgemeinen Netzzugang ist der Telefonanschluss für Endkunden. Wie dieser Teilnehmeranschluss technisch realisiert wird, ist bereits in Abschnitt II dargestellt worden. Wie der Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung technisch umsetzbar ist, wird im Anschluss erläutert. Stark verkürzend kann Netzzugang als Verbindung einer Telekommunikationszwecken dienenden Einrichtung mit einem bestimmten Teil eines Telekommunikationsnetzes verstanden werden, wobei der Zugang auch zum Zugriff auf Funktionen des Netzes, und dessen Teile, oder auf die darüber erbrachten Dienste erfolgen kann59.
2. Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung Die Frage, in welcher Form und an welchen Punkten sich eine Verbindung zur „Teilnehmeranschlussleitung“ für Wettbewerber ohne Zugangsnetz anbietet, führt zu einer differenzierenden Betrachtung des Problemkreises „Netzzugang“. Unterschieden werden die Zugangsformen Entbündelung, Bündelung und „line-sharing“. Als mögliche Zugangspunkte bieten sich Hauptverteiler, Kabelverzweiger und Abschlusspunkt der Linientechnik an.
a) Entbündelter Zugang, gebündelter Zugang, „line-sharing“ Die Netzzugangsverordnung erwähnt in § 2 Satz 2 NZV ausdrücklich, dass Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung auch als entbündelter Zugang begehrt werden kann. Damit ist unausgesprochen gesagt, dass es auch einen gebündelten Zugang geben muss. Entbündelt ist der Zugang, wenn auf den blanken Kupferdraht 57 Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 35 Rdnr. 17. 58 Sonderregeln für das Verhältnis zwischen Endkunden und Dienstanbieter enthält die Telekommunikationskundenschutzverordnung, zum Netzzugang insbesondere in § 13 TKV. 59 Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 35 Rdnr. 7.
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(dark copper)60 dergestalt zugegriffen wird, dass die einzelne, zum Kunden führende Kupferdoppelader an einer Stelle im Netzsegment der Teilnehmeranschlussleitung aus dem Zugangsnetz der Deutsche Telekom AG herausgelöst und in das Netz des Zugangsbegehrenden eingegliedert wird. Dieser entbündelte Zugang ist gleichzeitig ein Beispiel für den Zugriff auf bloß eine Funktion eines Netzteiles, und zwar auf die unvermittelte Teilnehmeranschlussleitung. Es wird lediglich die Nutzung der Funktion der elektrischen Leitfähigkeit des Kupferkabels begehrt61. Der Zugriff auf diese Funktion erfolgt allein durch die physische Verbindung der Kupferdoppelader mit dem Netz des Zugangsbegehrenden. Eine logische Verbindung ist dagegen nicht erforderlich. Übertragungstechniken können und sollen vielmehr erst vom Zugangsbegehrenden aufgeschaltet werden. Dieser erlangt so die Nutzungsherrschaft über das aus dem Netz der Deutsche Telekom AG herausgelöste Stück Kupferdraht und die Entscheidungsbefugnis über die einzusetzende Technik. Der Erweiterung der Übertragungskapazität dient beispielsweise die Multiplexertechnik, die die Einführung neuer Dienste und Kundenwünsche bezogen auf den Transport größerer Datenmengen realisierbar macht. In diesem Sinne definiert auch die Teilnehmeranschlussverordnung 2002 / 2887 / EG in Art. 2 Buchstabe f, vollständig entbündelt sei der Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung, wenn dem Begünstigten die Nutzung des gesamten Frequenzspektrums der Kupferleitung ermöglicht wird. Gebündelt ist der Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung, wenn das betreffende, zum Kunden führende Kupferkabel im Zugangsnetz der Deutsche Telekom AG verbleibt und sie dem Zugangsbegehrenden unter Einsatz von ihr ausgewählter und kontrollierter fernmeldetechnischen Mittel (insbesondere Multiplexer, Modems, Konzentratoren, Splitter, Schnittstellen, Abschlusseinrichtungen62) nur eine gewisse Übertragungskapazität einräumt. Welche Übertragungskapazitäten die Deutsche Telekom AG im Rahmen des technisch Machbaren erzeugen möchte, bestimmt sie selbst. Gleiches gilt für die eingesetzte Technik. Folglich ist die mögliche Übertragungskapazität von den Entscheidungen der Deutsche Telekom AG abhängig. Der so gebündelte Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung sichert der Deutsche Telekom AG die Herrschaft über das Kupferkabel und über die einzusetzende Netztechnik. Dieser gebündelte Zugang wird auch unter dem Stichwort „line sharing“, also der Mitbenutzung oder gemeinsamen Nutzung von Leitungen, diskutiert63. Die Teilnehmeranschlussverordnung 2002 / 2887 / EG versteht nach Art. 2 Buchstabe g unter gemeinsamem Zugang, dass der herkömmliche Diensteanbieter 60 Klaus Stern / Johannes Dietlein, Netzzugang im Telekommunikationsrecht – Zur verfassungsrechtlichen Problematik eines entbündelten Zugangs zu den Teilnehmeranschlussleitungen, Teil 1, Archiv PT 1998, S. 309 (311). 61 Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 35 Rdnr. 7. 62 Kurt Schmidt, Line Sharing – Ein Überblick, K&R 2002, S. 377 (378 f.). 63 Wolfgang von Reinersdorff, Anmerkung zu BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 6 / 00, MMR 2001, S. 690 (691).
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und Zugangsadressat dem Endkunden weiterhin Sprachtelefondienste bereitstellt, und der Zugangsbegehrende über dasselbe Kupferkabel einen schnellen Internetzugang anbietet. Die Kupferleitung wird durch Aufteilung in jedenfalls zwei verschiedene Frequenzbereiche parallel für schmalbandige (Sprachtelefonie) und für breitbandige (schneller Internetzugang) Dienste nutzbar. Entscheidende Bedeutung kommt bei einem solchen Konzept der Mitbenutzung oder gemeinsamen Nutzung der Teilnehmeranschlussleitung allerdings der Frage zu, wer die Technik kontrolliert, die zur Kapazitätsfestlegung und -aufteilung sowie zur Kanalisierung der Sprach- und Datenströme eingesetzt werden muss64. In der Entscheidungspraxis der Regulierungsbehörde65, bestätigt durch einen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster66, werden mit dem Begriff „line sharing“ ausschließlich solche Fälle gemeinsamer Nutzung der Teilnehmeranschlussleitung beschrieben, bei denen die Entscheidungsbefugnis über die einzusetzende Technik für den breitbandigen Datenverkehr auch in der Hand des Zugangsbegehrenden liegt67. Der Zugangsadressat unterteilt die kupferne Teilnehmeranschlussleitung mit Hilfe von sogenannten „Splittern“ in einen schmalbandigen und in einen breitbandigen Frequenzbereich. Der Zugangsbegehrende nutzt nur den breitbandigen Frequenzbereich. Er erweitert die Übertragungskapazität durch den Einsatz eines selbst ausgewählten Multiplexers. Der Multiplexer strukturiert den über das breite Frequenzband der Teilnehmeranschlussleitung fließenden Datenverkehr an einer bestimmten Stelle so, dass dieser vom beziehungsweise zum Netz des Zugangsbegehrenden komprimiert fortgeführt werden kann. Dieses Begriffsverständnis wird im Folgenden zugrunde gelegt.
b) Entbündelter Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung in drei Anwendungsfällen An welchen Stellen Diensteanbieter ohne Zugangsnetz die Anschaltung an die Teilnehmeranschlussleitung begehren, hängt, die technische Realisierbarkeit vorausgesetzt, im Wesentlichen von wirtschaftlichen Überlegungen ab. Das Herauslösen der konkreten Teilnehmeranschlussleitung zum Kunden A aus dem Zugangsnetz der Deutsche Telekom AG und das Eingliedern in das Fernnetz des Zugangsbegehrenden wird in der Praxis an drei Stellen akut, dem Hauptverteiler, dem Kabelverzweiger und dem Abschlusspunkt der Linientechnik. 64 Kurt Schmidt, Line Sharing – Ein Überblick, K&R 2002, S. 377 (378 f.); dies anerkennt auch Wolfgang von Reinersdorff, Anmerkung zu BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 6 / 00, MMR 2001, S. 690 (692). 65 Regulierungsbehörde, Beschluss vom 31. März 2001, Az. BK 3c-00 / 029, MMR 2001, S. 775 (779 f.). 66 OVG Münster, Beschluss vom 23. August 2001, Az. 13 B 865 / 01, MMR 2001, S. 772 (773). 67 Kurt Schmidt, Line Sharing – Ein Überblick, K&R 2002, S. 377 (378).
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aa) Zugang am Hauptverteiler In praxi entzündete sich der Streit um den entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung im Endbereich des Zugangsnetzes, nämlich am Hauptverteiler in der Ortsvermittlungsstelle. Der Hauptverteiler verbindet die Sammelkabel körperlich mit den Leitungen der Vermittlungsstelle. Telekommunikationsunternehmen wie Mannesmann ARCOR AG & Co. hatten zwischenzeitlich eigene Fernnetze aufgebaut und Ortsvermittlungsstellen errichtet. Sie waren nicht auf Vermittlungsoder Übertragungsleistungen der Deutsche Telekom AG angewiesen, sondern konnten diese selbst kostengünstiger erbringen. Ihnen fehlten lediglich die unbeschalteten Kupferkabel von der Telefonanschlussdose bis zum Hauptverteiler der Deutsche Telekom AG. Von dort aus konnten sie die Kabel mit ihren eigenen Vermittlungsstellen und ihrem Fernnetz verbinden. Einige neue Diensteanbieter trugen der Deutsche Telekom AG an, ihnen einen unmittelbaren, von Übertragungs- oder Vermittlungseinrichtungen der Deutsche Telekom AG vollständig unabhängigen Zugriff auf die Teilnehmeranschlussleitung am Hauptverteiler einzuräumen. Nach längeren Verhandlungen und Anrufung der Aufsichtsbehörde durch die Zugangspetenten bot die Deutsche Telekom AG an, unter reduziertem Einsatz von Multiplexern drei Varianten vorher definierter Übertragungskapazitäten einschließlich der jeweils vorgesehenen Schnittstellen und Abschlusseinrichtungen bereitzustellen. Die jeweils vorgeschaltete Technik bestimmt dabei die unterschiedliche Übertragungsleistung der drei Varianten. Diese von der Deutsche Telekom AG vorgeschaltete Technik legt somit auch die mögliche Angebotspalette der neuen Diensteanbieter fest (Übertragungsleistungen für analoge Telefonanschlussleitungen, für ISDN-Basisanschlussleitungen und für ISDN-Multiplexanschlussleitungen). Dieses Angebot nannte die Deutsche Telekom AG „Carrier Customer Access“-Lösung. Die Offerte der Deutsche Telekom AG entsprach jedoch nicht dem Begehren nach entbündeltem Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung. Ein Umstand, den das Bundespostministerium am 28. Mai 1997 in einem Bescheid beanstandete. Die Deutsche Telekom AG ließ die Beanstandung unbeachtet. Daher verpflichtete das Bundespostministerium die Deutsche Telekom AG in einer Missbrauchsverfügung vom 1. Juli 1997, dem Zugangsbegehren der Wettbewerber stattzugeben. Diese Verfügung enthielt die Verpflichtung der Deutsche Telekom AG, mit den Antragstellern einen Netzzugangsvertrag des Inhalts abzuschließen, dass die vollständig unvermittelte Kupferdoppelader am Hauptverteiler vermietet werde. Die Deutsche Telekom AG legte erstinstanzlich Eilrechtsschutz gegen diese Verfügung ein und unterlag68. Der sodann begehrte zweitinstanzliche Eilrechtsschutz endete mit einem Vergleich69. Dabei bot die Deutsche Telekom AG – vorläufig befristet bis zur rechtskräftigen Entscheidung in 68 VG Köln, Beschlüsse vom 18. August 1997, Az. 1 L 2317 / 97, Az. 1 L 2318 / 97 und Az. 1 L 2320 / 97, Archiv PT 1998, S. 66. 69 OVG Münster, Beschluss vom 29. September 1997, Az. 13 B 1987 / 97, Az. 13 B 2159 / 97 und Az. 13 B 2160 / 97 (Eilrechtsschutz 2. Instanz), MMR 1998, S. 98.
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der Hauptsache – zur Auswahl der Wettbewerber eine entbündelte und eine gebündelte Form des Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung an. Das Hauptsacheverfahren erster70, zweiter71 und dritter Instanz72 wurde zugunsten der Wettbewerber der Deutsche Telekom AG entschieden. Damit ist die Rechtmäßigkeit der Missbrauchsverfügung vom 1. Juli 1997 letztinstanzlich bestätigt und die Vergleichsbasis gegenstandslos. bb) Zugang am Kabelverzweiger In zwei Konstellationen ist der Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung am Kabelverzweiger für Wettbewerber der Deutsche Telekom AG interessant. Die erste Konstellation betrifft den Fall, dass das Zugangsnetz auf der Strecke zwischen Kabelverzweiger und Hauptverteiler aus einem Glasfaserkabel besteht, der Zugriff auf den blanken Kupferdraht am Hauptverteiler also nicht möglich ist. Am Kabelverzweiger setzt die Deutsche Telekom AG eine Technik ein, die die Glasfaserübertragung in Kupferschnittstellen umwandelt, so dass die verschiedenen Medien „miteinander kommunizieren“ können. Nach erfolgter Umwandlung kann wieder auf das blanke Kupferkabel zugegriffen werden. Zugangsbegehrende können am Kabelverzweiger eine eigene Umwandlungssystemtechnik nebst Übergabeverteiler installieren und so den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung realisieren. Der so entbündelte Zugang am Kabelverzweiger nebst Aufbau oder Anmietung einer Verbindungsleitung zwischen Kabelverzweiger und Hauptverteiler können sich für Zugangsbegehrende als im Vergleich zum gebündelten Zugang zum Glasfaserkabelsegment der Teilnehmeranschlussleitung am Hauptverteiler kostengünstigere Zugangsform erweisen. Die zweite hier vorzustellende Konstellation betrifft den Fall, dass der Zugangsbegehrende selbst eine übertragungskapazitätserhöhende Technik zur Erweiterung des Diensteangebotes einsetzen möchte, deren Reichweite aber nur die Entfernung vom Kabelverzweiger zur Telefonanschlussdose überbrücken kann. Das ist insbesondere bei der ADSL-Technik (Asymmetric Digital Subscriber Line) der Fall. Diese Technik ermöglicht ein asymmetrisches Datenübertragungsverfahren, das die Kupferleitung in drei Kanäle untergliedert. Ein Kanal wird für herkömmliche Telefondienste genutzt. Ein weiterer Kanal stellt die Verbindung vom Kunden zur Vermittlungsstelle her (upstream). Der dritte Kanal überträgt Daten von der Vermittlungsstelle zum Kunden (downstream). Downstream, also in Empfängerrichtung, lassen sich große Übertragungskapazitäten erzeugen, die die schnelle Nutzung des Internets und Multimediaanwendungen, wie video-on-demand-Dienste ermöglichen. Upstream, werden demgegenüber – asymmetrisch – geringe Übertragungskapazitäten erzeugt, fragt der Kunde typi70 VG Köln, Urteile vom 5. November 1998, Az. 1 K 5943 / 97, Az. 1 K 5929 / 97 und Az. 1 K 5942 / 97, RTkom 1999, S. 35 ff. 71 OVG Münster, Urteil vom 7. Februar 2000, Az. 13 A 180 / 99, NVwZ 2000, S. 697 ff. 72 BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 7 / 00, K&R 2001, S. 530 ff.; BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 6 / 00, NVwZ 2001, S. 1399 ff.
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scherweise doch nur eine Internetadresse an. Eine Entscheidungspraxis der Regulierungsbehörde zum Zugang am Kabelverzweiger ist, soweit ersichtlich, nicht vorhanden. In der rechtswissenschaftlichen Literatur wird die Zugangsstelle „Kabelverzweiger“ als eine mögliche Zugangsstelle alternativ zum Hauptverteiler angesprochen73.
cc) Zugang am Abschlusspunkt der Linientechnik (Inhouse-Zugang) Bei der Inhouse-Verkabelung handelt es sich um technische Einrichtungen nebst Installationskupferkabel, die vom Abschlusspunkt der Linientechnik bis zur Teilnehmerabschlusseinrichtung (d. h. Telefonanschlussdosen oder ISDN-Netzabschlüssen) reichen. Vor allem für Stadtnetzbetreiber, die inzwischen über eigene Ortsnetze verfügen, ist der Zugriff auf die Inhouse-Verkabelung essentiell. Denn allein durch die Nutzung der Inhouse-Verkabelung könne sie an ihren Netztrassen liegende Gebäude mit Telekommunikationsdienstleistungen versorgen. Der Zugang zur Inhouse-Verkabelung wird technisch in zwei Grundtypen realisiert. Der erste Typ setzt folgende Inhouse-Verkabelung voraus: In kleineren Wohnhäusern sind an den Abschlusspunkt der Linientechnik direkt und zentral alle Teilnehmerabschlusseinrichtungen angeschlossen, solange ein einziger Netzbetreiber das Gebäude versorgt. Tritt der zugangsbegehrende zweite Netzbetreiber hinzu, richtet dieser zunächst einen weiteren Abschlusspunkt der Linientechnik ein, der zu seinem Netz führt. Über einen Zwischenverteiler wird dann die Inhouse-Verkabelung mit den Abschlusspunkten der Linientechnik der beiden Netzbetreiber verbunden. So können beide Anbieter ihre jeweils zu versorgenden Wohneinheiten unabhängig voneinander ansteuern. Beim zweiten Typ ist der Abschlusspunkt der Linientechnik des ursprünglich allein versorgenden Netzbetreibers, sprich der Deutsche Telekom AG, bereits mit einem Verteiler ausgestattet, der die Inhouse-Verkabelung aufnimmt. Als Beispiel sind die Verteilerkästen in Kellern großer Wohn- und Bürohäuser zu nennen. Tritt ein neuer Netzbetreiber mit einem eigenen Abschlusspunkt seiner Linientechnik hinzu, muss dieser nur noch mit dem Verteiler durch ein zusätzliches Kabel verbunden werden. Die Regulierungsbehörde hat nach Anrufung durch den Stadtnetzbetreiber Isis Multimedia Net GmbH mit Bescheid vom 30. April 1998 der Deutsche Telekom AG aufgegeben, dieser binnen zwei Wochen ab Zustellung der Verfügung ein Angebot zur Nutzung der Inhouse-Verkabelung zu unterbreiten74. Als geeignetes Angebot sah sie vor, dass die Deutsche Telekom AG es der Zugangsbegehrenden gestatte, Verbindungskabel und gegebenenfalls einen Zwischenverteiler zu installieren sowie die dann aus dem Netz der Deutsche Telekom AG herausgelösten 73 Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 2 NZV Anh § 39 Rdnr. 6. 74 Regulierungsbehörde, Entscheidung vom 30. April 1998, Az. BK 3-01 / 98, MMR 1998, S. 494 ff.
A. Fernmeldetechnischer Sachverhalt
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Kabel zu nutzen. Ersatzweise könne, so die Regulierungsbehörde, die Deutsche Telekom AG auch einen unmittelbaren Zugriff auf den Abschlusspunkt der Linientechnik gewähren. Diese von der Regulierungsbehörde vorgeschlagene Zugangsrealisierung geht vom Eigentum der Deutsche Telekom AG an der Inhouse-Verkabelung und an dem Abschlusspunkt der Linientechnik, gegebenenfalls mit Verteiler, aus. In anderen Fällen, habe die Deutsche Telekom AG, so führte die Regulierungsbehörde weiter aus, die Realisierung der Zugangsmaßnahmen durch Vereinbarungen des Hausgrundstückseigentümers mit dem Zugangsbegehrenden zu dulden75. Die Regulierungsbehörde bestätigte damit einen Anspruch auf Zugang auch zur Inhouse-Verkabelung. Das Verwaltungsgericht Köln76 und das Oberverwaltungsgericht Münster77 wiesen die gegen diese Entscheidung der Regulierungsbehörde gerichtete Klage der Deutsche Telekom AG in Bezug auf den hier referierten Teil ab. dd) Zwischenergebnis Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung ist technisch an drei Punkten und jeweils auch entbündelt realisierbar, nämlich am Hauptverteiler, am Kabelverzweiger und am Abschlusspunkt der Linientechnik. Für den Fernnetzbetreiber ohne Ortsnetz ist der Zugang am Hauptverteiler und am Kabelverzweiger interessant. Für den Stadtnetzbetreiber mit eigenen Netztrassen bis zu den Grundstücksgrenzen der Kunden ist hingegen der Zugang zur Inhouse-Verkabelung von besonderem Interesse. Die Entscheidungspraxis der Regulierungsbehörde sowie die Spruchpraxis der Verwaltungsgerichte beschäftigt sich mit Fragen des Zugangs am Hauptverteiler und der Inhouse-Verkabelung. Die Entscheidungs- und Spruchpraxis ist als Grundlage der Netzzugangsdebatte, insbesondere mit Blick auf die einfachgesetzliche Reichweite des aus § 33 Abs. 1 TKG folgenden Zugangsanspruchs, im Fortgang der Untersuchung besonders zu beachten.
c) Zusammenfassung Die Auseinandersetzung um den Zugang am Hauptverteiler thematisiert weniger die Zugänglichkeit der Teilnehmeranschlussleitung an diesem Punkt als vielmehr die Zugangsform „Entbündelung“. Die Gewährung bloßer Übertragungskapazitäten war daher von der Nutzung des technikfreien Kupferdrahtes abzugrenzen. Die Zugangsform „Entbündelung“ lässt insofern horizontalen Charakter erkennen. Beim Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung am Kabelverzweiger und am Abschlusspunkt der Linientechnik fokussiert die Debatte demgegenüber die Unter75 Auf Einzelheiten zu Grundstückseigentümererklärungen nach § 10 TKV wird dabei nicht eingegangen. 76 VG Köln, Urteil vom 8. Juni 2000, Az. 1 K 4450 / 98, unveröffentlicht, S. 1 ff. 77 OVG Münster, Beschluss vom 15. Februar 2002, Az. 13 A 4075 / 00, CR 2002, S. 342 ff.
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Teil 2: Netzzugang in der Telekommunikation
gliederung der Teilnehmeranschlussleitung in Teilstrecken. Insofern kann man mit Blick auf die Zugangspunkte von einer vertikal vertieften, horizontalen Entbündelung sprechen. 3. Zusammenfassung Netzzugang liegt vereinfachend gesagt in der Verbindung einer Telekommunikationszwecken dienenden Einrichtung mit einem bestimmten Teil eines Telekommunikationsnetzes, wobei der Zugang auch zum Zwecke des Zugriffs auf Funktionen des Netzes oder auf die darüber erbrachten Dienste erfolgen kann. Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung bedeutet technisch, dass entbündelt oder gebündelt die Verbindung zwischen diesem – den Endkunden unmittelbar erreichenden – Netzteil des einen Netzbetreibers und dem Netz des zugangsbegehrenden Netzbetreibers an drei Punkten, nämlich am Hauptverteiler, am Kabelverzweiger und am Abschlusspunkt der Linientechnik realisierbar ist.
VI. Zusammenfassung Die fernmeldetechnischen Grundbegriffe des Telekommunikationsgesetzes werden nicht bereits durch die Legaldefinitionen in § 3 TKG fassbar, sondern erst durch ein technisches Basiswissen, das am Beispiel des Festnetzes der Deutschen Telekom AG präsentiert werden kann. Dieses Festnetz ist die Verbindung von Vermittlungseinrichtungen (Knoten), Übertragungswegen (Kabel- oder Funklinien), Abschlusseinrichtungen, Schnittstellen und Endgeräten78. Es hat die Funktion, Informationen zwischen verschiedenen Endgeräten zu transportieren. Typisches Endgerät ist dabei der klassische Telefonapparat. Musterbeispiel für eine Abschlusseinrichtung ist die Telefonanschlussdose. Der Netzbereich vom Kundenendgerät bis zur Ortsvermittlungsstelle, dem ersten Netzknoten, bildet das „Zugangsnetz“. Von der Ortsvermittlungsstelle geht die Kabelführung in den Bereich des Fernnetzes. Unter Teilnehmeranschlussleitung wird die Netzstrecke vom Hauptverteiler in der Ortsvermittlungsstelle, über den Kabelverzweiger und den Abschlusspunkt der Linientechnik durch das Inhouse-Kabelnetz hindurch bis zur Abschlusseinrichtung verstanden. Überwiegend besteht die Teilnehmeranschlussleitung aus schmal-bandigen, symmetrischen Kupferdoppeladern. Die Beschaltung dieses Kupferkabels mit Übertragungstechniken steuert die Übertragungskapazität, die die Art der erbringbaren Dienste festlegt. Eine technisch realisierbare Alternative zu Kupferdoppeladern im Zugangsnetzbereich sind Glasfaserkabel. Sie zeichnen sich durch überlegene Übertragungseigenschaften und -kapazitäten aus. Netzzugang ist unabhängig vom Übertragungsmedium die Verbindung einer Telekommunikationseinrichtung mit einem bestimmten Teil eines Telekommunikationsnetzes. Zugang 78 Jürgen Pabel, in: Handbuch für die Telekommunikation, hrsg. v. Volker Jung und HansJürgen Warnecke, Berlin u. a. 1998, S. 4 – 3.
B. Ökonomischer Sachverhalt
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zur Teilnehmeranschlussleitung bedeutet technisch, dass entbündelt oder gebündelt die Verbindung zwischen diesem Netzteil und dem Netz des Zugangsbegehrenden an drei Punkten, am Hauptverteiler, am Kabelverzweiger und am Abschlusspunkt der Linientechnik hergestellt wird.
B. Ökonomischer Sachverhalt Die Bedeutung des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung für die Wettbewerbseröffnung auf Telekommunikationsmärkten wird erst dann in ihrer ganzen Tragweite sichtbar, wenn die ökonomischen Zusammenhängen dieses Zugangssachverhalts benannt sind. Dabei geht es zum einen um die geschäftsstrategische Bedeutung der Teilnehmeranschlussleitung für Netzeigentümer wie für Zugangsbegehrende. Zum anderen ist volkswirtschaftlich der durch Zugangsgewährung eröffnete Wettbewerb in einem Netz von dem Wettbewerb verschiedener Netze zu unterscheiden.
I. Unternehmensstrategische Bedeutung des Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung Anfang 2000 verfügte die Deutsche Telekom AG über rund 98 % aller Teilnehmeranschlussleitungen in der Bundesrepublik Deutschland79. Dieser Befund hat sich bis Mitte 2002 nur marginal geändert80. In absoluten Zahlen entspricht dies rund vierzig Millionen Direktverbindungen vom Hauptverteiler bis zu den Telefonanschlussdosen81. Ist einem Telekommunikationsanbieter die Nutzung der Teilnehmeranschlussleitung eröffnet, hat er einen direkten Zugang zum Kunden und kann diesen mit eigenen Dienstleistungen versorgen. Neben den herkömmlichen Grunddiensten (Bereitstellung des Telefonanschlusses, Sprachtelefondienst im Orts-, Fern- und Auslandsbereich) und erweiterten Grunddiensten (Fax, Telex, einfacher Internetzugang) sind Mehrwertdienste (insbesondere Telefonkonferenzen, VoiceMail-Service, Videokonferenzen, Teleunterhaltung wie Video-on-Demand) und Hochgeschwindigkeitsinternetzugänge von entscheidender geschäftsstrategischer Bedeutung. Die Entwicklung neuer Produkte für noch zu stimulierende Kundenbedürfnisse birgt für Diensteanbieter aussichtsreiche Gewinnpotentiale. Allerdings erfordern Mehrwertdienste für multimediale Anwendungen und schnelle Internetzugänge große Übertragungskapazitäten. Die schmalbandige Kupferleitung kann 79 Michael Schmittmann / Jan Rudolf Busemann, Regulierung der letzten Meile, K&R 2000, S. 217. 80 97 % gelten im April 2002 als maßgebend, FAZ vom 18. April 2002, S. 13. 81 Europäische Kommission, Siebter Report über die Durchführung des Telekommunikationsregulierungspaketes, KOM (2001) 706, S. 149; Bernd Holznagel / Christoph Enaux / Christian Nienhaus, Grundzüge des Telekommunikationsrechts, München 2001, S. 5.
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Teil 2: Netzzugang in der Telekommunikation
diese Kapazität grundsätzlich nicht bieten. Hinreichende Kapazitäten können jedoch durch den Einsatz spezieller Techniken erzeugt werden. Die Nutzungsmöglichkeit der Teilnehmeranschlussleitung und die Entscheidung über den Technikeinsatz zur Kapazitätssteuerung bestimmen folglich über den wirtschaftlichen Erfolg von Telekommunikationsdiensteanbietern.
1. Perspektive der Wettbewerber des Netzeigentümers Vor der normativ angeordneten Wettbewerbsöffnung bot die Deutsche Telekom AG typischerweise alle Telekommunikationsdienstleistungen aus einer Hand an. Sie stellte den Telefonanschluss bereit, offerierte Sprachtelefonie sowie Fax- und Telexdienste. Die Deutsche Telekom AG entschied zugleich aber auch, welche Dienste überhaupt Teil ihrer Angebotspalette wurden. Nach der vollständigen Wettbewerbsöffnung der Märkte für Telekommunikationsdienste änderte sich das Kundenbedürfnis, alle Dienste aus einer Hand zu beziehen, kaum. Unkenntnis und Bequemlichkeit der Kunden perpetuierten die Erwartungshaltung der Endabnehmer. Neue Anbieter benötigten aus diesem Grund nicht nur den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung. Neue Wettbewerber mussten darüber hinaus erst einmal neue Kunden gewinnen und ihnen zu diesem Zweck bessere (und günstigere) Komplettangebote machen, also beispielsweise die herkömmlichen und die erweiterten Grunddienste sowie einen schnellen Internetzugang offerieren. Damit ging auch die ausschließliche Nutzung der Teilnehmeranschlussleitung durch nur einen Anbieter einher. Nur wenige junge Unternehmen konnten ein solches Komplettangebot zusammenstellen. Einige Stadtnetzbetreiber wie Net Cologne Gesellschaft für Telekommunikation mbH und Isis Multimedia Net GmbH zählten zu den wenigen sowie Unternehmen mit eigenem Fernnetz wie Mannesmann ARCOR AG & Co. Über die Teilnehmeranschlussleitung wurde also regelmäßig die Komplettbindung des Kunden an einen bestimmten Anbieter erreicht. Erst in der jüngeren Vergangenheit zeichnet sich eine Lösung von dieser vollumfänglichen Kundenbindung ab. Kunden können heute auch für einzelne Dienstleistungen wie schnelle Internetzugänge gewonnen werden. Damit erlangt die gemeinsame Nutzung der Teilnehmeranschlussleitung durch mehrere Anbieter und eine geteilte Kundenbindung an Bedeutung. Ob vollumfänglich oder geteilt, die Kundenbindung wird jedenfalls, so ist festzuhalten, über die Teilnehmeranschlussleitung vermittelt. Die Kundenbindung ist auch – unter Berücksichtigung der Wechselrate, d. h. der Angabe, wie viele Kunden in einem bestimmten Zeitraum die vertragliche Bindung zu dem betreffenden Diensteanbieter lösen – entscheidendes Kriterium bei der Bewertung von Telekommunikationsunternehmen auf den Finanzmärkten. Sie bestimmt damit auch über deren finanzielle Möglichkeiten82. Über die direkte Kundenanbindung erfahren die Anbieter zudem, welche Dienstleistungsangebote die Teilnehmer be82 Michael Schmittmann / Jan Rudolf Busemann, Regulierung der letzten Meile, K&R 2000, S. 217 (218).
B. Ökonomischer Sachverhalt
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vorzugen, und welche Produkte sich daher für Investitionen und eine wettbewerbsfähige Preisgestaltung eignen. Neue Dienste, wie das Angebot von Inhalten (Filme, Musik, Tourismusinformationen), die „Content-Provider“ auf einer leistungsstarken Festplatte in ihren zentralen Rechnern zum Zugriff durch einzelne Nutzer bereithalten, werden für den Endkunden erst interessant, wenn die zum Zugriff notwendige Infrastruktur vorhanden und erschwinglich ist. Damit bestimmen Verfügbarkeit, Leistungsfähigkeit und Preis der Infrastruktur in Gestalt der Teilnehmeranschlussleitung nicht zuletzt auch die Geschwindigkeit der Entwicklung neuer Dienstleistungen. Die Feststellung lässt sich anschaulich mit dem Satz: „Content is king, but cable is King Kong.“ umschreiben83. Der Aufbau vollständiger eigener Zugangsnetze bis hin zur Telefonanschlussdose ist für Diensteanbieter wegen der damit zwingend verbundenen Neuverlegung von Kabeln irreversibel kapitalintensiv und nicht mit der Geschwindigkeit und nicht in der für das Massengeschäft notwendigen Flächendeckung realisierbar84. Die ausschließliche oder gemeinsame Nutzung der vorhandenen Teilnehmeranschlussleitungen ist also conditio sine qua non für die Aufnahme einer Geschäftstätigkeit neuer Unternehmen, die ohne eine vollständige eigene Netzinfrastruktur im Zugangsnetzbereich Telekommunikationsdienstleistungen anbieten möchten. Voraussetzungen und Bedingungen für die Nutzung der Teilnehmeranschlussleitung bestimmen daher maßgebend den geschäftlichen Erfolg neuer Anbieter und damit die Intensität des Wettbewerbs auf den betreffenden Märkten.
2. Perspektive des Netzeigentümers Ureigenes Interesse des Netzeigentümers ist es, selbst über das „Ob“ und „Wie“ der Nutzung seiner Infrastruktur zu entscheiden, und zwar erst recht dann, wenn seine Wettbewerber Zugangsbegehren an ihn richten. Das gilt in besonderem Maße für die Teilnehmeranschlussleitung, da durch sie die Kundenbindung vermittelt wird. Die Kundenbindung ist wiederum Schlüssel zu genauen Informationen über die Telefongewohnheiten der Teilnehmer systematisiert nach Benutzergruppen und Regionen85. Diese Informationen stellen ein Herrschaftswissen dar, das für jede Diensteentwicklung von strategischer Wichtigkeit ist. Das Bestreben der Deutsche Telekom AG war daher von Anfang an darauf gerichtet, anderen Anbietern die Nutzung ihres Netzes so weit wie möglich vorzuenthalten. Jedenfalls wollte das Unternehmen die Kontrolle über Inhalt und Ausmaß der gewährten Nutzungsrechte behalten. Diese Absicht des Unternehmens wird insbesondere in dem Vor83 Michael Schmittmann / Jan Rudolf Busemann, Regulierung der letzten Meile, K&R 2000, S. 217 (225). 84 Torsten J. Gerpott / Peter Winzer, Wirtschaftlichkeitsperspektiven für alternative Festnetzbetreiber im deutschen Telekommunikationsmarkt – Eine modellanalytische Untersuchung, K&R 2002, S. 346 (350 ff.). 85 Hans-Werner Moritz, Schwächen der TK-Liberalisierung – Folgen der Übereignung des Festnetzes an die Deutsche Telekom AG, CR 1998, S. 13 (21).
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Teil 2: Netzzugang in der Telekommunikation
gehen gegen Anträge einiger Wettbewerber, ihnen entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung zu gewähren, deutlich. Zunächst lehnte die Deutsche Telekom AG die Nutzung der technikfreien Kupferleitung ab und offerierte bloß bestimmte Übertragungskapazitäten. Missbrauchsverfügungen der Regulierungsbehörde wurden von der Deutsche Telekom AG stets angefochten und jedenfalls einer zweitinstanzliche Rechtmäßigkeitsprüfung durch die Verwaltungsgerichte unterzogen. Auch erschwerte die Deutsche Telekom AG die Durchführung des mit den Wettbewerbern vereinbarten Netzzugangs86 beispielsweise durch Verzögerung des tatsächlichen Umschaltens der Leitungen an den jeweiligen Netzpunkten oder durch die Einrichtung eines Kollokationsraumes. Schließlich ist auf die schwierige Debatte über die Höhe der Nutzungsentgelte hinzuweisen87. Darüber hinaus sieht die Deutsche Telekom AG vom Ausbau des Breitbandkabelnetzes in ein bidirektionales und damit telekommunikationsfähiges Netz ab.
3. Zusammenfassung Unternehmen, die ohne eine vollständige eigene Netzinfrastruktur im Zugangsnetzbereich Tele kommunikationsdienste anbieten möchten, sind auf die ausschließliche oder gemeinsame Nutzung der vorhandenen Teilnehmeranschlussleitungen zwingend angewiesen. Über diese Leitung wird die wertbildende Kundenbindung hergestellt. Voraussetzungen und Bedingungen für die Nutzung dieser Infrastruktur bestimmen maßgebend den geschäftlichen Erfolg neuer Anbieter und damit die Wettbewerbsintensität auf den betreffenden Märkten. Der Netzeigentümer, der zugleich ein breites Diensteangebot bereithält, möchte seine umfassende Kundenbindung aufrechterhalten. Aus diesem Grund wird er versuchen, Zugangsbegehrenden die Nutzung seines Netzes so wenig wie möglich gewähren und sich jedenfalls die Kontrolle über deren Inhalt und Ausmaß sichern wollen.
II. Ökonomische Konsequenz des Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung Ökonomische Konsequenz der Zugangsöffnung von Teilnehmeranschlussleitungen ist eine Förderung des Dienstleistungswettbewerbs auf dem bestehenden Netz88. Damit einhergehend verzögert sich der Aufbau weiterer, gegebenenfalls in86 Entscheidung der Regulierungsbehörde vom 7. Juni 2000, Az. BK 3-2-99 / 033, MMR 2000, S. 500 ff.; Entscheidung der Regulierungsbehörde vom 7. September 1998, Az. BK 3a-98 / 008, K&R 1998, S. 495 ff.; Thomas Tschentscher / Tobias Bosch, Diskriminierungsfreier Zugang zum „blanken Draht“, K&R 2002, S. 515 (516). 87 Entscheidung der Regulierungsbehörde vom 8. Februar 1999, Az. BK 4e-98-024 / E 21. 09. 98, K&R 1999, S. 471 ff.; Thomas Tschentscher / Tobias Bosch, Diskriminierungsfreier Zugang zum „blanken Draht“, K&R 2002, S. 515 (516); Volker Junghans, Preis-Kosten-Schere in der Telekommunikation, WuW 2002, S. 567 ff.
B. Ökonomischer Sachverhalt
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novativer Infrastrukturen im Zugangsnetzbereich und die Entstehung von Wettbewerb zwischen verschiedenen Netzen wie Übertragungstechniken. Die Förderung von Dienstleistungswettbewerb auf einem Netz verringert also die Wettbewerbsentstehung zwischen verschiedenen Netzen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts folgt aus der Existenz der Zugangsregelungen der §§ 33, 35 TKG, dass der Gesetzgeber den Aufbau paralleler Netze durch Wettbewerber nicht als vordringlich oder gar geboten ansieht89. Vielmehr hat er eine kombinierte Lösung aus der Nutzung bestehender Netze und dem Netzneubau (§§ 50 ff. TKG) normiert, ohne dabei eine Prioritätensetzung zu formulieren90. Das Investitionspotential von Telekommunikationsunternehmen ist allerdings endlich. Regelmäßig wird eine Entscheidung zwischen Investitionen in neue Infrastrukturen oder in die Entwicklung neuer Dienstleistungsangebote bei Nutzung bestehender Kupfernetze getroffen91. Unternehmen berücksichtigen dabei regelmäßig die ökonomischen Besonderheiten von Netzstrukturen. Die Diskussion, ob Telekommunikationsnetze, insbesondere im Zugangsnetzbereich als natürliches Monopol anzusehen sind, also als Ausnahmewirtschaftsbereich, in dem der Markt versagte und nur ein einziges Unternehmen am effizientesten das Dienstleistungsangebot erbringen kann, weil die Fixkosten der Produktherstellung so hoch sind, dass es sich nur für ein Unternehmen lohnt, diese Kosten aufzubringen92, soll nicht geführt werden. Unabhängig von dieser Diskussion zeichnen sich Telekommunikationsnetze durch zwei ökonomische Besonderheiten aus. Zu nennen sind erstens der Aspekt der Größenvorteile und zweitens die Bedeutung der irreversiblen Kosten ihrer Errichtung93. Der Diensteerbringung über Telekommunikationsnetze, insbesondere im Ortsnetzbereich, sind Größenvorteile zuzuordnen, die für potentielle Wettbewerber eine hohe Marktzutrittsbarriere darstellen. Zu beachten sind dabei zwei Arten von Größenvorteilen. Zum einen sind dies Kostenvorteile für den Anbieter eines bestimmten Gutes, beispielsweise einer Telekommunikationsdienstleistung, die sich aus dem Sinken der Fixkosten bei größer werdender Herstellungsmenge ergeben (economy of scales)94. So sinken in einem Netz mit einer beChristian von Weizsäcker, Wettbewerb in Netzen, WuW 1997, S. 572 (574). BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 6 / 00, NvWZ 2001, S. 1399 (1406). 90 Klaus König / Christian Theobald, Liberalisierung und Regulierung netzgebundener Güter und Dienste, Festschrift für Willi Blümel, Berlin 1999, S. 277 (289). 91 Robert Schulz, Der Zugang zum „blanken Draht“, München 2001, S. 256. 92 Zum Begriff des natürlichen Monopols im Telekommunikationssektor und seines Bedeutungsverlustes: Michael Holzhäuser, Essential Facilities in der Telekommunikation, München 2001, S. 8 f., S. 15 – 22, insbesondere S. 15; Georg Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, Tübingen 1998, S. 316 – 319; Joachim C. Haas, „Essential Facilities Doctrine“ und offene Netze, Baden-Baden 2001, S. 36 ff.; Christian von Weizsäcker, Wettbewerb in Netzen, WuW 1997, S. 572 (574). 93 Michael Holzhäuser, Essential Facilities in der Telekommunikation, München 2001, S. 6 ff. 94 Christian von Weizsäcker, Wettbewerb in Netzen, WuW 1997, S. 572 (573); Michael Holzhäuser, Essential Facilities in der Telekommunikation, München 2001, S. 6. 88 89
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Teil 2: Netzzugang in der Telekommunikation
stimmten Gesamtübertragungskapazität die Signaltransportkosten in Abhängigkeit vom Ansteigen der transportierten Signalmenge. Zum anderen sind dies Verbundvorteile, die darin bestehen, dass die zusammengeführte Herstellung mehrerer Güter, beispielsweise das Angebot von Sprachtelefon- und Faxdiensten, günstiger ist als ihre separate Bereitstellung (economy of scope)95. Zweite ökonomische Besonderheit von Telekommunikationsnetzen sind die irreversiblen oder versunkenen Kosten für die Errichtung eines Telekommunikationsnetzes 96. Haben sich potentielle Wettbewerber zum Marktzutritt entschlossen, müssen sie hohe und spezifische Investitionen tätigen, nämlich ein vollständiges Telekommunikationsnetz errichten. Rund 70 % dieser Investitionen entfallen auf den Teilnehmeranschlussbereich97. Das eingesetzte Kapital verliert im Fall eines Marktaustritts praktisch seinen Wert vollständig. Möchte ein Unternehmen demgegenüber zwei Städte durch eine Buslinie verbinden und zu dem bestehenden Anbieter in Wettbewerb treten, wird es einige Busse anschaffen. Ist sein Geschäftsmodell nicht erfolgreich, stellt es die Buslinie ein. Die gekauften Busse kann das Unternehmen aber problemlos „mitnehmen“ und auf einer anderen Strecke einsetzen. Die Anschaffungskosten für die Busse sind also nicht verloren. Baut hingegen ein Telekommunikationsunternehmen ein Telekommunikationsnetz auf, kann sich aber auf den Märkten gegen den eingesessenen Monopolisten letztlich nicht behaupten, kann es das Netz nicht „in die Tasche stecken“ und anderorts mit einer neuen Geschäftsidee starten. Die Kosten für die Netzerrichtung sind vielmehr unwiederbringlich verloren. Solche irreversiblen Kosten (für Kabelmaterial, Kabelschächte, Erdbauarbeiten, Übertragungs- und Vermittlungstechnik, Grundstücks- und Wegenutzungsverhandlungen, Errichtung von Vermittlungsstellen, Berücksichtigung von Umweltbelangen, und vieles mehr) bewegen sich bei vollständigen Telekommunikationsnetzen im Zugangsnetzbereich in einer Größenordnung, die von erwartbaren Gewinnmargen bei einer wettbewerblichen Bepreisung der Dienste nicht getragen wird98. Hinzukommt, dass der marktbeherrschende Netzbetreiber regelmäßig seine irreversiblen Kosten weitestgehend abgeschrieben haben wird, sie seine Preisstrategie also nicht mehr maßgebend beeinflussen. Trotz dieser ökonomischen Besonderheiten von Netzstrukturen kann die Investition in eine neue Teilinfrastruktur dadurch wirtschaftlich attraktiv werden, dass aufgrund von Netzzugangsregelungen ein benachbartes Netz des Konkurrenten mitgenutzt werden kann. So senken sich letztlich die Marktzutrittsschwellen für Stadtnetzbetreiber, 95 Joachim C. Haas, „Essential Facilities Doctrine“ und offene Netze, Baden-Baden 2001, S. 35 f.; Michael Holzhäuser, Essential Facilities in der Telekommunikation, München 2001, S. 7 f.; Christian von Weizsäcker, Wettbewerb in Netzen, WuW 1997, S. 572 (573). 96 Robert Schulz, Der Zugang zum „blanken Draht“, München 2001, S. 18 f.; Joachim C. Haas, „Essential Facilities Doctrine“ und offene Netze, Baden-Baden 2001, S. 10 ff.; Bernd Martenczuk / Kathrin Thomaschki, Der Zugang zu Netzen zwischen allgemeinem Kartellrecht und sektorieller Regulierung, RTkom 1999, S. 15 (16 f.). 97 Kurt Schmidt, Line Sharing – Ein Überblick, K&R 2002, S. 377 (379). 98 Vgl. Hans-Werner Moritz, Schwächen der TK-Liberalisierung – Folgen der Übereignung des Festnetzes an die Deutsche Telekom AG, CR 1998, S. 13(19).
C. Zusammenfassung
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die die Mitbenutzung der Inhouse-Verkabelung des Konkurrenten bei ihrer Investitionsentscheidung mitberücksichtigen können.
III. Zusammenfassung Unternehmensstrategisch ist der entbündelte Zugriff auf die technikfreie Kupferdoppelader gleichbedeutend mit der umfänglichen Bindung eines Kunden an den Telekommunikationsanbieter. Die direkte Kundenbindung wiederum zählt zu den wertbildenden Faktoren des Netzes. Daher versuchen neue Anbieter alles, um eine direkte Teilnehmeranschlussleitung aufzubauen und der etablierte Monopolist alles, um die bestehende Teilnehmeranschlussleitung ausschließlich allein zu nutzen. Telekommunikationsnetze, insbesondere im Zugangsbereich, zeichnen sich durch zwei ökonomische Besonderheiten aus: Größenvorteile und irreversible Errichtungskosten. Beide Aspekte stellen hohe Marktzutrittsbarrieren für potentielle Wettbewerber dar.
C. Zusammenfassung Die Teilnehmeranschlussleitung umfasst die Netzstrecke vom Hauptverteiler in der Ortsvermittlungsstelle, über den Kabelverzweiger und den Abschlusspunkt der Linientechnik durch das Inhouse-Kabelnetz hindurch bis zur Telefonanschlussdose in der Zimmerwand des Kunden. Die Beschaltung dieser schmalbandigen, symmetrischen Kupferdoppeladern mit Übertragungstechniken steuert die Übertragungskapazität und entscheidet damit über das Diensteangebot. Gebündelt ist der Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung, wenn dem Zugangsbegehrenden nur eine bestimmte Übertragungskapazität gewährt wird, entbündelt hingegen, wenn der technikfreie Kupferdraht nutzbar ist. Der entbündelte Zugriff auf die Teilnehmeranschlussleitung des etablierten und vertikal integrierten Monopolisten ist für neue Diensteanbieter ohne eigenes Zugangsnetz an drei Punkten fernmeldetechnisch realisierbar und unternehmensstrategisch interessant: am Hauptverteiler, am Kabelverzweiger und am Abschlusspunkt des Liniennetzes. Der entbündelte Zugriff auf das blanke Kupferkabel vermittelt die umfassende Bindung des Kunden an den Diensteanbieter. Telekommunikationsnetze haben zwei ökonomische Charakteristika: Größenvorteile und irreversible Errichtungskosten.
Teil 3
Regulierung durch Netzzugang nach demTelekommunikationsgesetz – unter besonderer Berücksichtigung des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung Die Untersuchung der Verfassungsmäßigkeit des § 33 TKG setzt Klarheit über Inhalt und Aussagegehalt dieser Norm voraus. Daher ist die verfassungsrechtliche Prüfung durch Auslegung dieser Zugangsregelung unter Berücksichtigung des fernmeldetechnischen und ökonomischen Vorverständnisses vorzubereiten. Die Anwendung des § 33 TKG auf den besonderen Fall „entbündelter Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung in den Varianten am Hauptverteiler, am Kabelverzweiger und am Abschlusspunkt der Linientechnik“ dient der weiteren Aufbereitung des Prüfungsgegenstandes. Der folgende Teil konzentriert sich aus diesem Grund auf die einfachgesetzlichen Vorschriften, welche im vierten Teil des Telekommunikationsgesetzes zum offenen Netzzugang (einschließlich der Netzzugangsverordnung) enthalten sind. Dem aus systematischen Erwägungen gebotenen Überblick über die darin enthaltenen Regulierungsinstrumentarien (A.) folgt eine Bestimmung des Verhältnisses der Zugangsregelung in § 33 TKG zu der Gewährung besonderen Netzzugangs nach § 35 Abs. 1 TKG (B.). Damit ist der Boden bereitet für eine detaillierte Analyse des privatrechtlichen Zugangsanspruchs in § 33 Abs. 1 TKG (C.) und der öffentlichrechtlichen Ermächtigungsgrundlage des § 33 Abs. 2 TKG (D.). Voraussetzungen und Rechtsfolgen der § 33 Absätze 1 und 2 TKG sind auf ihre Vereinbarkeit mit den im ersten Teil herausgearbeiteten gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben zu überprüfen. Dabei sind gegebenenfalls nationale Regelungsdefizite aufzuzeigen und – sofern möglich – mittels gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung zu überwinden. Der besondere Anwendungsfall, entbündelter Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung, bestimmt dabei die Auslegung der Zugangsregelung des § 33 TKG.
A. Überblick über die Instrumentarien zur Netzzugangsregulierung Das Telekommunikationsgesetz schafft in seinem vierten Teil „Offener Netzzugang und Zusammenschaltungen“ ein komplexes Nebeneinander und eine teilweise Verzahnung des öffentlichen Marktaufsichtsrechts der Telekommunikation
A. Überblick über die Instrumentarien
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mit besonderen zivilrechtlichen Vorschriften zur Regulierung des offenen Netzzugangs. Zum einen hat der Gesetzgeber privatrechtsgestaltend im Verhältnis des marktbeherrschenden Anbieters von Telekommunikationsdiensten zu dessen Wettbewerbern Anspruchsnormen erzeugt. Diese Anspruchsnormen berechtigen Wettbewerber, vom Marktbeherrscher ein bestimmtes Verhalten, im wesentlichen Netzzugangs- und Netznutzungsgewährungen, zu verlangen. Zu diesen Anspruchsgrundlagen zählen § 33 Abs. 1 TKG sowie § 35 Abs. 1 TKG, § 35 Abs. 4 TKG und § 36 Satz 1 TKG. Die Wettbewerber können ihre sich daraus ergebenden Rechte auf dem Zivilrechtsweg einklagen1. Bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Nichtgewährung dieser Primärrechte steht ihnen sekundärrechtlich ein gesetzlicher Schadensersatzanspruch aus § 40 Satz 1 TKG zu2. Zum anderen ist die Regulierungsbehörde mit Eingriffsgrundlagen ausgestattet, um das durch die Besonderheiten des Telekommunikationssektors vorgeprägte Verhältnis zwischen Marktbeherrschern und potentiellen Wettbewerbern zusätzlich mit den Mitteln des öffentlichen Rechts zu regulieren. So beginnt der vierte Teil des Telekommunikationsgesetzes mit Vorschriften über die „besondere Missbrauchsaufsicht“, die sich auf § 33 Abs. 2 Satz 1 TKG stützt. Tatbestandsvoraussetzung ist dabei ein missbräuchlicher Verstoß des Marktbeherrschers gegen seine privatrechtliche Verpflichtung aus § 33 Abs. 1 TKG. In einer Missbrauchsverfügung kann die Regulierungsbehörde den Marktbeherrscher mit weitreichenden Verhaltensauflagen belasten. Hält der Marktbeherrscher überdies die europäischen Normen bezüglich Schnittstellen und Dienstleistungsmerkmalen für den offenen Netzzugang nicht ein, hat die Regulierungsbehörde gemäß § 34 Abs. 1 TKG die in § 33 Absätze 2 und 3 TKG genannten Befugnisse. Ferner ist die Regulierungsbehörde nach § 37 Abs. 1 Satz 1 TKG verpflichtet, die Zusammenschaltung von öffentlichen Telekommunikationsnetzen verschiedener Betreiber unabhängig von deren Marktmacht anzuordnen, falls zwischen ihnen innerhalb einer bestimmten Frist keine entsprechende privatrechtliche Vereinbarung zustande kommt. Korrelierend gibt § 37 TKG diesen Betreibern ein subjektiv-öffentliches Recht auf Anordnung einer Zusammenschaltung durch die Regulierungsbehörde3. Vereinbarungen zwischen dem Marktbeherrscher und seinen Wettbewerbern nach § 35 TKG, die die Wettbewerbsmöglichkeiten von Drittunternehmen beeinträchtigen, kann die Regulierungsbehörde gemäß § 38 Abs. 2 TKG mit den Befugnissen des § 33 Absätze 2 und 3 TKG begegnen. In engem sachlichen Zusammenhang zu den Zugangsansprüchen steht schließlich die Abgeltung der jeweiligen Netznutzung. § 39 TKG ermächtigt die Regulierungsbehörde zur Netzzugangsentgeltregulierung im Verhältnis des marktbeherrschenden Unternehmens zu seinen Wettbewerbern. Dazu ordnet § 39 TKG die entsprechende Gel1 Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 33 Rdnr. 101. 2 Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 33 Rdnrn. 8 und 92. 3 Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 33 Rdnr. 12.
8 Kallmayer
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Teil 3: Regulierung durch Netzzugang nach dem Telekommunikationsgesetz
tung der Vorschriften über die Preisregulierung der Endkundenentgelte (§§ 24 ff. TKG) an. Gemäß § 39 TKG in Verbindung mit § 24 Abs. 1 TKG orientiert sich das Entgelt für die Gewährung von Netzzugang an den „Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung“ 4. Damit ist vereinfachend eine Leistungserbringung auf „Selbstkostenbasis“ gemeint. Berechnungstechnische Einzelheiten des Entgeltkonzeptes und deren Auswirkung auf die Preisgestaltung gehen auch im Hinblick auf das Entgelt für den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung 5 über den Rahmen dieser Untersuchung hinaus.
B. Verhältnis von § 33 TKG zu § 35 TKG unter Berücksichtigung der Netzzugangsverordnung Die § 33 TKG und § 35 TKG enthalten unterschiedliche Zugangsregelungen. Nach § 33 Abs. 1 TKG hat ein Anbieter, der einen Markt für öffentliche Telekommunikationsdienste beherrscht, Wettbewerbern auf diesem Markt Zugang zu seinen Leistungen zu ermöglichen. Eine dieser Leistungen ist beispielsweise der Zugang zum Telekommunikationsnetz. § 33 TKG setzt demzufolge eine Wettbewerbssituation zwischen Zugangsbegehrendem und -verpflichtetem voraus. Demgegenüber hat gemäß § 35 Abs. 1 TKG der Betreiber eines Telekommunikationsnetzes, der zugleich marktbeherrschend öffentliche Telekommunikationsdienste anbietet, anderen Nutzern Zugang zu seinem Telekommunikationsnetz zu ermöglichen. Alle anderen Nutzer sind also nach § 35 Abs. 1 TKG anspruchsberechtigt. Eine Wettbewerbslage zwischen Zugangsbegehrendem und -verpflichtetem wird – anders als nach § 33 TKG – nicht vorausgesetzt, ist aber auch nicht ausgeschlossen. Blickwinkel der vorliegenden Untersuchung ist die Relation zwischen zwei Unternehmen, einem etablierten, bestimmte Märkte der Telekommunikation beherrschenden Unternehmen, und seinem Konkurrenten. Der Begriff „andere Nutzer“ im Sinne von § 35 Abs. 1 Satz 1 TKG umfasst dabei auch Nutzer, die einen besonderen Netzzugang im Sinne von § 35 Abs. 1 Satz 2 TKG in Verbindung mit § 1 Abs. 2 NZV6 begehren. Besonders ist derjenige Netzzugang, den Diens4 Kurt Schmidt, Entgeltregulierung für Telekommunikationsdienstleistungen, K&R 1999, S. 385 ff.; Lutz Becker, Entgeltregulierung im TKG unter besonderer Berücksichtigung kartellrechtlicher Preiskontrollinstrumentarien, K&R 1999, S. 112 ff.; Raimund Schütz / RolfGeorg Müller, Entgeltregulierung in der Telekommunikation, MMR 1999, S. 128 ff.; Volker Großkopf / Klaus Ritgen, Entgeltgenehmigung nach dem Telekommunikationsgesetz, CR 1998, S. 86 ff.; Karl-Michael Fuhr / Bärbel Kerkhoff, Entgelte für die Gewährung von Netzzugang gemäß § 39 TKG, NJW 1997, S. 3209 ff.; Volker Junghans, Preis-Kosten-Schere in der Telekommunikation, WuW 2002, S. 567 ff. 5 Entscheidung der Regulierungsbehörde vom 9. Februar 1998, Az. BK 4a A 1130, MMR 1998, S. 500 ff. 6 Nicht weiter nachgegangen wird dem Feld des allgemeinen Netzzugangs, also des Zugangs für alle übrigen Nutzer, die Telekommunikationsdienstleistungen nur nachfragen, nicht
B. Verhältnis von § 33 TKG zu § 35 TKG
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teanbieter oder Netzbetreiber nachfragen, um Telekommunikationsdienste anzubieten (siehe Teil 2, Kapitel A. V. 1.). An der im Zentrum der vorliegenden Untersuchung stehenden Frage des besonderen Netzzugangs kristallisieren sich unterschiedliche Auffassungen über das dogmatische Verhältnis von § 33 TKG zu § 35 TKG heraus7. § 35 TKG enthält keine § 33 Abs. 2 TKG entsprechende Ermächtigungsgrundlage für eine hoheitliche Missbrauchsaufsicht. Diese Feststellung lässt die praktische Relevanz des dogmatischen Verhältnisses beider Normen sichtbar werden. Schlösse beispielsweise § 35 TKG die Anwendung des § 33 TKG aus, wäre eine staatliche Missbrauchsaufsicht im Anwendungsbereich des § 35 TKG nicht möglich. Fallbedeutung hat das dogmatische Verhältnis von § 33 TKG zu § 35 TKG in der Auseinandersetzung um den entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung gewonnen.
I. Herrschende Auffassung: § 33 TKG ist Grundnorm, die § 35 TKG teils konkretisiert Die Regulierungsbehörde8, die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung9 und die herrschende Meinung10 in der rechtswissenschaftlichen Literatur sehen in § 33 TKG die Grundnorm des vierten Teils des Telekommunikationsgesetzes, die – unter Berücksichtigung von § 2 NZV – durch § 35 TKG für den Fall des besonderen Netzzugangs teilweise konkretisiert wird. Im einzelnen bedeutet dies: § 33
auch anbieten. Dieses Verhältnis zwischen typischerweise dem Endkunden und dem marktbeherrschenden Anbieter von Telekommunikationsdiensten regelt § 35 Abs. 1 TKG auch und zwar nur mit der umfänglichen privatrechtlichen Netzzugangsverpflichtung. Es ist weiter ausgestaltet durch die Telekommunikationskundenschutzverordnung, insbesondere § 13 TKV. 7 Michael Holzhäuser, Besonderer Netzzugang: Das Verhältnis von § 33 und § 35 TKG, MMR 2000, S. 466 (469). 8 Siehe beispielsweise folgendene Entscheidungen der Regulierungsbehörde: Entscheidung vom 30. April 1998, Az. BK 3 – 01 / 98, MMR 1998, S. 494 (495; 498); Entscheidung vom 17. September 1998, Az. BK 3a-98 / 008, K&R 1998, S. 495 (500); Entscheidung vom 7. Juni 2000, Az. BK 3 – 2-99 / 033, MMR 2000, S. 500 (504). 9 VG Köln, Beschlüsse vom 18. August 1997, Az. 1 L 2317 / 97, Az. 1 L 2318 / 97 und Az. 1 L 2320 / 97, Archiv PT 1998, S. 66 (67); OVG Münster, Beschlüsse vom 29. August 1997, Az. 13 B 1987 / 97, Az. 13 B 2159 / 97 und Az. 13 B 2160 / 97, MMR 1998, S. 98 (99); OVG Münster, Beschluss vom 7. Februar 2000, Az. 13 A 180 / 99, NVwZ 2000, S. 697 (700; 702); BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 6 / 00, NVwZ 2001, S. 1399 (1403 f.). 10 Thomas Tschentscher / Holger Neumann, Das telekommunikationsrechtliche Regulierungsverfahren – Verfahrensfragen, Missbrauchsaufsicht, Entbündelung, BB 1997, S. 2437 (2444 f.); Christian Koenig / Sascha Loetz, Rechtsnatur und Inhalt der Zusammenschaltungsanordnung nach § 37 TKG, K&R 1999, S. 298 (299); Michael Holzhäuser, Besonderer Netzzugang: Das Verhältnis von § 33 und § 35 TKG, MMR 2000, S. 466 (471); Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 33 Rdnrn. 5, 26 – 29, 87, 96, 97 sowie § 35 Rdnrn. 16, 31; Robert Schulz, Der Zugang zum „blanken Draht“, München 2001, S. 172. 8*
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Teil 3: Regulierung durch Netzzugang nach dem Telekommunikationsgesetz
Abs. 1 Satz 1 TKG normiert nach dieser Ansicht die allgemeinen Voraussetzungen (marktbeherrschende Diensteanbieter als Zugangsverpflichtete) und Bedingungen für einen Anspruch auf Zugangsermöglichung (diskriminierungsfrei, zu Eigenbedingungen, es sei denn sachliche Rechtfertigung ungünstigerer Bedingungen), legt die generellen Anforderungen an dessen Inhalt fest (wesentliche Leistung) und bestimmt auch dessen Umfang (Entbündelung der Leistung). Der Umfang des Zugangsanspruchs wird insbesondere durch das in § 33 Abs. 1 TKG wurzelnde Kriterium der Entbündelung geformt11, ein Umstand, den bereits die Gesetzesbegründung zur Netzzugangsverordnung konstatiert12. In welcher Weise die Entbündelung zu erfolgen hat, konkretisiert für den Fall des besonderen Netzzugangs wiederum § 2 Satz 1 NZV13. § 35 Abs. 1 Satz 1 TKG enthält demgegenüber für besondere Netzzugänge konkretisierende Anforderungen an den nach § 33 Abs. 1 TKG Zugangsverpflichteten: Nicht jeder Anbieter, der einen Markt für Telekommunikationsdienste für die Öffentlichkeit beherrscht, muss Netzzugang gewähren, sondern bloß derjenige, der zugleich ein Netz betreibt. Für den Fall des besonderen Netzzugangs trifft § 35 Abs. 1 Satz 1 TKG darüber hinaus eine Klarstellung zur Leistung, auf die sich der Zugangsanspruch aus § 33 Abs. 1 TKG bezieht. Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 TKG (in Verbindung mit § 2 Satz 2 NZV) ist eine mögliche Leistung im Sinne des § 33 Abs. 1 TKG das Telekommunikationsnetz, und zwar in allen seinen Teilen einschließlich der Teilnehmeranschlussleitung. Ferner ergänzt § 35 Abs. 2 Satz 1 TKG die allgemeinen Zugangsbedingungen des § 33 Abs. 1 TKG für den Zugang zu Netzen dahingehend, dass zudem die Kriterien Objektivität, Nachvollziehbarkeit und Gleichwertigkeit gewahrt sein müssen. Aus diesem „Grundnorm-partielle-Spezialnorm-Verhältnis“ folgt dann auch die Anwendbarkeit des § 33 Abs. 2 TKG als Ermächtigungsgrundlage für die Regulierungsbehörde bei Missbrauchsfällen hinsichtlich des besonderen Netzzugangs14. Begründet wird diese Auffassung im wesentlichen damit, dass eine ausdrückliche Regelung über das Verhältnis von § 33 TKG zu § 35 TKG unter Berücksichtigung der Netzzugangsverordnung zwar vom Gesetzgeber nicht getroffen sei. So sei, räumen die Vertreter dieser Auffassung ein, insbesondere nicht explizit bestimmt, ob zur Regulierung besonderer Netzzugänge Eingriffsbefugnisse der Regulierungsbehörde wie in § 33 Abs. 2 TKG bestehen. Weder § 35 TKG noch den Vorschriften der Netzzugangsverordnung seien insofern eindeutige Aussagen zu entnehmen15. Unter Hinweis auf die Systematik der §§ 33 ff. TKG wird jedoch argumentiert, dass der Gesetzgeber sowohl 11 Entscheidung der Regulierungsbehörde vom 30. April 1998, Az. BK 3-01 / 98, MMR 1998, S. 494 (498); BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 6 / 00, NVwZ 2001, S. 1399 (1405); OVG Münster, Beschluss vom 7. Februar 2000, Az. 13 A 180 / 99, NVwZ 2000, S. 697 (702). 12 BR-Drucks. 655 / 96, vom 5. September 1996, S. 1 (8). 13 Michael Holzhäuser, Besonderer Netzzugang: Das Verhältnis von § 33 und § 35 TKG, MMR 2000, S. 466 (470 f.); Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 2 NZV Anh § 39 Rdnr. 1. 14 Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 35 Rdnrn. 49 und 50.
B. Verhältnis von § 33 TKG zu § 35 TKG
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die Anspruchsnorm des § 33 Abs. 1 TKG als auch die Ermächtigungsgrundlage § 33 Abs. 2 TKG mit der Funktion „Grundnorm“ ausgestattet und an den Anfang des Normenprogramms zur Regulierung von Netzzugängen gesetzt habe. Die nachfolgenden Vorschriften enthielten, so wird behauptet, in Bezug auf diese Grundnorm lediglich Regelungen für spezielle Zugangsfälle16. § 33 TKG stehe am Anfang des vierten Teils des Telekommunikationsgesetzes und bilde damit ist zugleich die Spitze des nachfolgenden Regelungsprogramms. § 33 TKG normiere daher vor die Klammer gezogen allgemeine Kriterien zur Zugangsregulierung, wohingegen § 35 TKG besondere Maßgaben für die Regulierung des Netzzugangs aufstelle. So lege, führen die Vertreter dieser Meinung weiter aus, § 33 TKG beispielsweise in Anlehnung an die Harmonisierungsrichtlinien den Anknüpfungspunkt für die Regulierung fest. Regulierungsunterworfen seien Anbieter, die auf einem Markt für Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit beherrschend sind. Dieser Grundnormcharakter des § 33 Abs. 1 TKG werde bei Netzzugangsbegehren durch die Verengung des Kreises der Normadressaten von marktbeherrschenden Diensteanbietern in § 33 TKG hin zu marktbeherrschend diensteanbietenden Netzbetreibern in § 35 TKG deutlich, betont diese Ansicht17. Verstärkt werde diese Aussage dadurch, dass § 33 Abs. 1 TKG die allgemeinen Bedingungen für einen Zugangsanspruch enthalte, insbesondere die Diskriminierungsfreiheit. § 35 Abs. 2 Satz 1 TKG ergänze, so diese Ansicht, dies für Zugang zu Netzen dahingehend, dass zudem die Kriterien Objektivität, Nachvollziehbarkeit und Gleichwertigkeit gewahrt sein müssten18. Diese Auffassung betont, mit der § 33 TKG folgenden detaillierten Regelung zum besonderen Netzzugang in § 35 TKG werde dessen Bedeutung als Leistung im Sinne des § 33 Abs. 1 TKG für das Regulierungsziel „Wettbewerbseröffnung“ hervorgehoben. Dass ein Telekommunikationsnetz bereits Teil des Leistungsbegriffs in § 33 Abs. 1 TKG ist, ergebe sich aus der Bezugnahme des § 33 Abs. 1 Satz 2 TKG auf die ONP-Rahmenrichtlinie 90 / 387 / EWG, die Zugangsbedingungen zu öffentlichen Telekommunikationsnetzen aufstellt19. Konsequenterweise greife dann aber auch das Eingriffsinstrumentarium der Regulierungsbehörde aus § 33 Abs. 2 TKG, meinen die Vertreter dieser Ansicht. Jede andere Auslegung führe für den besonders gravierenden Fall eines Missbrauchs, nämlich die Verweigerung des besonderen Netzzugangs, 15 Thomas Tschentscher / Holger Neumann, Das telekommunikationsrechtliche Regulierungsverfahren – Verfahrensfragen, Missbrauchsaufsicht, Entbündelung, BB 1997, S. 2437 (2444). 16 OVG Münster, Beschlüsse vom 29. August 1997, Az. 13 B 1987 / 97, Az. 13 B 2159 / 97 und Az. 13 B 2160 / 97, MMR 1998, S. 98 (99); Thomas Tschentscher / Holger Neumann, Das telekommunikationsrechtliche Regulierungsverfahren – Verfahrensfragen, Missbrauchsaufsicht, Entbündelung, BB 1997, S. 2437 (2444). 17 OVG Münster, Beschluss vom 7. Februar 2000, Az. 13 A 180 / 99, NVwZ 2000, S. 697 (700). 18 Entscheidung der Regulierungsbehörde vom 7. Juni 2000, Az. BK 3-2-99 / 033, MMR 2000, S. 500 (504). 19 Robert Schulz, Der Zugang zum „blanken Draht“, München 2001, S. 171.
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Teil 3: Regulierung durch Netzzugang nach dem Telekommunikationsgesetz
zu dem mit dem Regulierungsziel „Wettbewerbseröffnung“ unvereinbaren Ergebnis, dass die Regulierungsbehörde keine Handhabe hätte, dem privatrechtlich Zugangsverpflichteten ein Wettbewerb ermöglichendes Verhalten aufzuerlegen20. Weiterhin wird die Entstehungsgeschichte der §§ 33 ff. TKG für diese Auffassung ins Feld geführt. So wird ausgeführt, die Gesetzesbegründung stufe den Zugang zum Netz des marktbeherrschenden Betreibers als essentiell für die Marktzutrittschancen neuer Konkurrenten ein21. Dadurch werde das Telekommunikationsnetz, seine Teile einschließlich der Teilnehmeranschlussleitung als besonderer Leistungsgegenstand der allgemeinen Zugangsregelung des § 33 Abs. 1 TKG hervorgehoben. Für einen solch wichtigen Leistungsgegenstand habe, so wird geltend gemacht, der Gesetzgeber gerade die Missbrauchsaufsicht des § 33 Abs. 2 TKG bereithalten und zugleich eine Eingrenzung des Verpflichtetenkreises, marktbeherrschender Diensteanbieter und Netzbetreiber, vornehmen wollen.
II. Andere Auffassungen in der Literatur Von der herrschenden Meinung abweichende Auffassungen sind vereinzelt in der Literatur zu finden. Sie konnten weder in der behördlichen noch in der verwaltungsgerichtlichen Entscheidungspraxis Niederschlag finden. Manche fassen § 33 TKG einerseits und § 35 TKG andererseits als völlig getrennte, nebeneinander stehende Regelungskomplexe auf. Andere wiederum sehen ein vollumfängliches Spezialitätsverhältnis von § 35 TKG zu § 33 TKG.
1. § 33 TKG und § 35 TKG beziehen sich nicht aufeinander Vereinzelt wird aus eher industrieökonomischer denn juristischer Sicht vertreten, dass § 33 TKG und § 35 TKG einen jeweils in sich geschlossenen Anwendungsbereich hätten und unterschiedliche Zwecke verfolgten22. So intendiere § 33 TKG ein Absenken der Marktzutrittsschranken, die aufgrund der vertikalen Integration eines Fernnetzbetreibers mit eigenem Ortsnetz bestünden. § 35 TKG hingegen wolle, so diese Ansicht, den Wettbewerb zwischen Unternehmen auf horizontaler Ebene beeinflussen, also zwischen Unternehmen, die auf demselben Markt tätig seien. Die Vertreter dieser Meinung gelangen daher zu dem Ergebnis, § 33 Abs. 2 TKG scheide als Ermächtigungsgrundlage, um im Wege der sektorspezifischen Missbrauchsaufsicht Fälle des besonderen Netzzugangs zu regulieren, aus. 20 OVG Münster, Beschlüsse vom 29. August 1997, Az. 13 B 1987 / 97, Az. 13 B 2159 / 97 und Az. 13 B 2160 / 97, MMR 1998, S. 98 (99). 21 BT-Drucks. 13 / 3609, vom 30. Januar 1996, S. 1 (33 – 35). 22 Christoph Engel / Günter Knieps, Die Vorschriften des Telekommunikationsgesetzes über den Zugang zu wesentlichen Einrichtungen, Baden-Baden 1998, S. 13 ff., 56 f.; ähnlich Ernst-Joachim Mestmäcker / Heike Schweitzer, Netzwettbewerb, Netzzugang und „Roaming“ im Mobilfunk, Baden-Baden 1999, S. 50 f.
B. Verhältnis von § 33 TKG zu § 35 TKG
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2. § 35 TKG als lex specialis zu § 33 TKG Wenige andere Stimmen behaupten, § 35 TKG verdränge die Zugangsregelung des § 33 TKG für den Fall des besonderen Netzzugangs im Wege der Spezialität vollständig23. Regelungen zum besonderen Netzzugang, Zusammenschaltungen ausgenommen, seien nur in §§ 35, 38 TKG und in den §§ 1 bis 8 NZV enthalten, meinen die Vertreter dieser Ansicht. Der Gesetzgeber habe, so diese Auffassung, für Streitigkeiten bei Vereinbarungen über besondere Netzzugänge nicht die bereits ex ante einsetzende Missbrauchsaufsicht des § 33 Abs. 2 TKG vorgesehen, sondern das Schlichtungsverfahren nach § 8 NZV. Gemäß § 38 TKG könne die Regulierungsbehörde erst ex post nach Abschluss eines Netzzugangsvertrages eingreifen, sofern dieser wettbewerbsbeschränkende Inhalte aufweise.
3. Bewertung Die beiden von der herrschenden Meinung verschiedenen Auffassungen verkennen die Systematik des vierten Teils des Telekommunikationsgesetzes, der mit der Basisnorm des § 33 TKG beginnt und die asymmetrische Regulierung des marktbeherrschenden Unternehmens im Wettbewerbsverhältnis zu dessen Konkurrenten an die Spitze der Vorschriften über Netzzugänge stellt. Auch spricht der historische Wille des Gesetzgebers gegen diese beiden Auffassungen. In der Gesetzesbegründung zum heutigen § 33 TKG wird das Angebot von Übertragungswegen als mögliche Leistung ausdrücklich aufgeführt24. An anderer Stelle wird das Aufbrechen des faktischen Monopols der Deutsche Telekom AG in Gestalt eines flächendeckenden Telefonnetzes mit fast 40 Millionen Teilnehmern als Gesetzeszweck genannt25. Ferner sind die Zielsetzungen der Zugangsregelungen des § 33 TKG sowie des § 35 TKG, anders als diese beiden Auffassungen annehmen, nicht gegenläufig. Die Vorschriften des § 33 TKG und die des § 35 TKG ergänzen sich vielmehr. Während § 33 TKG den chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerb sicherstellen soll (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG), intendiert § 35 TKG darüber hinaus die Wahrung der Interessen aller Nutzer (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 TKG)26. Ferner stünde jede Auffassung, die § 33 Abs. 2 TKG für den zentralen Regulierungsfall des Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung nicht anwendet, seit Inkrafttreten der Teilnehmeranschlussverordnung 2000 / 2887 / EG in inhaltlichem Widerspruch zu deren Art. 3 Abs. 2 Satz 3. Diese Vorschrift nimmt in Verbindung mit Art. 4 Abs. 5 Teilnehmer23 Joachim Wieland / Bettina Engerle, Rechtsprobleme der Zusammenschaltung – Zum Spannungsverhältnis zwischen Gemeinschaftsrecht und Verfassungsrecht, MMR 1999, S. 379 (382). 24 BT-Drucks. 13 / 3609, vom 30. Januar 1996, S. 1 (46). 25 BT-Drucks. 13 / 3609, vom 30. Januar 1996, S. 1 (33). 26 Dies anerkennt sogar eine der hier diskutierten Literaturauffassungen: Joachim Wieland / Bettina Engerle, Rechtsprobleme der Zusammenschaltung – Zum Spannungsverhältnis zwischen Gemeinschaftsrecht und Verfassungsrecht, MMR 1999, S. 379 (382).
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Teil 3: Regulierung durch Netzzugang nach dem Telekommunikationsgesetz
anschlussverordnung ausdrücklich Bezug auf „mitgliedstaatliche Streitbeilegungsverfahren“. Nach Auffassung der Regulierungsbehörde, der Verwaltungsgerichtsbarkeit und der Literatur hat der Verordnungsgeber mit dieser Bezugnahme auf „mitgliedstaatliche Streitbeilegungsverfahren“ aus der Sicht Deutschlands die besondere Missbrauchsaufsicht durch die Regu lierungsbehörde in § 33 Abs. 2 TKG27 gemeint28. Die beiden von der herrschenden Meinung verschiedenen Auffassungen, die § 33 Abs. 2 TKG für den bedeutenden Fall des Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung nicht anwenden, können diesen Widerspruch zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht auch nicht durch eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung der Vorschriften der §§ 33 ff. TKG überwinden. Denn entweder steht § 33 Abs. 2 TKG als nationales Verwaltungsverfahren bei Streitigkeiten in Bezug auf den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung zur Verfügung oder diese Norm ist auf diese Fallkonstellationen nicht anwendbar. Auslegungsspielräume bestehen insofern nicht. Festzuhalten ist daher, dass Auffassungen über das Verhältnis zwischen § 33 TKG zu § 35 TKG, welche die Anwendbarkeit des § 33 Abs. 2 TKG für besondere Netzzugänge verneinen, auch aus gemeinschaftsrechtlich fundierten Erwägungen nicht haltbar sind. Ferner besteht – entgegen den beiden von der herrschenden Auffassung verschiedenen Ansichten – kein Spezialitätsverhältnis zwischen § 33 TKG und § 35 TKG. Spezialität setzt nämlich voraus, dass die eine Norm alle Tatbestandsmerkmale der anderen Norm enthält und zusätzlich noch wenigstens ein weiteres Tatbestandselement 29. § 35 TKG ist hinsichtlich des Anspruchsverpflichteten spezieller als die Regelung des § 33 TKG, da Netzzugang nur der marktbeherrschend diensteanbietende Netzbetreiber gewähren muss. § 33 TKG ist demgegenüber hinsichtlich des Anspruchsberechtigten spezieller, welcher nicht ein beliebiger Nutzer, sondern nur ein Wettbewerber des Anspruchsverpflichteten sein kann. Insgesamt kann daher den von der herrschenden Meinung in Wissenschaft und Praxis verschiedenen Auffassungen nicht gefolgt werden.
III. Zwischenergebnis
27 Entscheidung der Regulierungsbehörde vom 31. März 2001, Az. BK 3c-00 / 029, MMR 2001, S. 775 (777); OVG Münster, Beschluss vom 23. August 2001, Az. 13 B 865 / 01, MMR 2001, S. 772 (773); Kurt Schmidt, Line Sharing – Ein Überblick, K&R 2002, S. 377 (381). 28 Das in § 8 NZV vorgesehene Schlichtungsverfahren vor der Regulierungsbehörde ist demgegenüber nicht als „Streitbeilegungsverfahren“ im Sinne der Vorschriften der Teilnehmeranschlussverordnung anzusehen. Denn es setzt einen Antrag beider Parteien auf Schlichtung voraus, die über einen besonderen Netzzugang verhandeln. Der marktbeherrschende Netzbetreiber wird diesen Antrag freiwillig nicht stellen, will er doch gerade verhindern, dass er zur Gewährung besonderen Netzzugangs verpflichtet wird. Erst eine auch von Amts wegen einzuleitende Missbrauchsaufsicht – wie diejenige nach § 33 Abs. 2 TKG – kann einen „Streit“ im Sinne der Terminologie der Teilnehmeranschlussverordnung „beilegen“. 29 Karl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 2. Aufl., Berlin 1992, S. 155.
C. § 33 Abs. 1 TKG
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Mit der herrschenden Auffassung in Behördenpraxis, Rechtsprechung und Literatur ist § 33 Abs. 1 TKG als die maßgebende Rechtsgrundlage für einen konkurrentenberechtigenden Anspruch auf Zugang zum Netz, einschließlich des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung, anzusehen. Dabei ist § 33 TKG allerdings zusammen mit § 35 Abs. 1 Satz 1 TKG und § 2 NZV so zu verstehen, dass erstens der Kreis der Normadressaten des § 33 TKG durch § 35 Abs. 1 Satz 1 TKG auf marktbeherrschend diensteanbietende Netzbetreiber beschränkt wird. Zweitens stellt § 35 Abs. 1 Satz 1 TKG in Verbindung mit § 2 Satz 2 NZV klar, dass die Teilnehmeranschlussleitung eine mögliche Leistung des § 33 Abs. 1 TKG ist. Drittens präzisiert § 2 Satz 1 NZV die Art und Weise des Leistungsumfangs in Gestalt der in § 33 Abs. 1 verankerten Entbündelungspflicht. Viertens fungiert § 33 Abs. 2 TKG konsequenterweise als Ermächtigungsgrundlage und befugt die Regulierungsbehörde in Missbrauchsfällen des besonderen Netzzugangs, vor allem des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung, gegen den Netzbetreiber einzuschreiten.
C. § 33 Abs. 1 TKG: Privatrechtliche Anspruchsgrundlage auf Zugang zu wesentlichen Leistungen Die Analyse des § 33 Abs. 1 TKG in Verbindung mit § 35 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 TKG und § 2 NZV erfolgt in einem Dreischritt. Zunächst werden Anspruchsvoraussetzungen, -inhalte, -begrenzungen und -durchsetzung nach Wortlaut, Systematik, Telos und Entstehungsgeschichte im Hinblick auf das Begehren „entbündelter Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung“ entfaltet. Dabei sind zweitens gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben aus Art. 4 Abs. 2 Zusammenschaltungs-Richtlinie 97 / 33 / EG, Art. 16 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 98 / 10 / EG, Art. 3 ONP-Rahmenrichtlinie 90 / 387 / EWG sowie aus Art. 3 Abs. 2 Teilnehmeranschlussverordnung 2000 / 2887 / EGzu zu berücksichtigen. Gegebenenfalls sind nationale Regelungsdefizite aufzuzeigen und, sofern möglich, im Wege einer gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung des § 33 Abs. 1 TKG zu überwinden. Zwar ließ der Gemeinschaftsrechtssetzer in den Harmonisierungsrichtlinien offen, was „Netzzugang“ inhaltlich und umfänglich bedeutet und wie das rechtliche Verhältnis zwischen Zugangsbegehrendem und Zugangsverpflichtetem im einzelnen auszugestalten ist. Doch statuierte er in der Teilnehmeranschlussverordnung 2000 / 2887 / EG unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Abschluss eines Vertrags mit der Hauptleistungspflicht, entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung zu gewähren. Drittens folgt die Subsumtion des Begehrens „entbündelter Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung“ an den Zugangspunkten Hauptverteiler, Kabelverzweiger und Abschlusspunkt der Linientechnik unter den so ausgelegten Normgehalt des § 33 Abs. 1 TKG in Verbindung mit § 35 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 TKG und § 2 NZV.
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Teil 3: Regulierung durch Netzzugang nach dem Telekommunikationsgesetz
I. Anspruchsvoraussetzungen Die Bestimmung von Anspruchsverpflichtetem und -berechtigtem bildet die positive Voraussetzung eines Anspruchs aus § 33 Abs. 1 TKG. Diese Feststellung lässt den Anspruch auf den ersten Blick voraussetzungsarm erscheinen. Der zweite Blick zeigt die Notwendigkeit, sich detailliert mit Marktdefinitionen und dem Marktmachtbegriff zu befassen.
1. Anspruchsverpflichteter des § 33 Abs. 1 TKG in Verbindung mit § 35 Abs. 1 Satz 1 TKG: Marktbeherrschend Telekommunikationsdienste anbietender Netzbetreiber § 33 Abs. 1 TKG verpflichtet jeden Anbieter, der auf einem Markt für Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit beherrschend ist, zu bestimmten Zugangsleistungen. Für den hier interessierenden Fall des besonderen Netzzugangs ist gemäss § 35 Abs. 1 Satz 1 TKG einschränkend nur derjenige Anbieter zugangsverpflichtet, der zugleich ein Telekommunikationsnetz betreibt. Welche Dienstleistungen welche – wie zu bestimmenden – Märkte und Marktmachtpositionen damit gemeint sind, wird im folgenden entwickelt.
a) Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit Eine „Telekommunikationsdienstleistung“ ist nach der Legaldefinition in § 3 Nr. 18 TKG das „gewerbliche Angebot von Telekommunikation einschließlich des Angebots von Übertragungswegen für Dritte“. Um eine „Telekommunikationsdienstleistung für die Öffentlichkeit“ handelt es sich, wenn das Angebot sich nicht nur an geschlossene Benutzergruppen, sondern ausschließlich an solche Dritte richtet, die beliebige natürliche oder juristische Personen sind, § 3 Nr. 19 TKG. Geschlossene Benutzergruppen sind insbesondere abgeschlossene Wirtschaftseinheiten mit einem internen Telekommunikationsnetz wie Großunternehmen, Universitäten und Behörden, deren internes Kommunikationsaufkommen „CorporateNetwork-Betreiber“30 bedienen31. Das Merkmal „Öffentlichkeit“ ist dagegen bei einem Angebot an eine beliebige Vielzahl von Personen, also an einen nicht von vornherein eingeschränkten Personenkreis, zu bejahen. Gewerblich ist ein Angebot, wenn es über einen gewissen Zeitraum in Gewinnorientierungsabsicht offeriert wird32. Zusammenfassend geht es bei „Telekommunikationsdienstleistungen für 30 Hanfried Wendland, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, Vor § 33 Rdnr. 11; Definition des Begriffs „Corporate Networks“ in den §§ 4 und 6 der inzwischen außer Kraft getretenen Telekommunikations-Verleihungs-Verordnung vom 19. Oktober 1995 (BGBl. 1995 I, S. 1434): Gruppen, deren Teilnehmer in einer
C. § 33 Abs. 1 TKG
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die Öffentlichkeit“ also um Märkte für das gewinnorientierte Angebot von entfernungsüberwindendem Informationsaustausch unter Zuhilfenahme bestimmter technischer Mittel für eine beliebige Vielzahl von Personen einschließlich des Angebotes von Übertragungswegen.
b) Märkte für Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit Die weite Definition der Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit33 erfasst Dienstleistungen auf Märkten, die zwei unterschiedlichen Wirtschaftsstufen angehören. Dabei handelt es sich zum einen um Märkte, auf denen Dienstleistungen für Endkunden angeboten werden (nachfolgend: „Endkundenmärkte“) und zum anderen um Märkte für Vorleistungen, ohne die Dienstleistungen für Endkunden nicht erbringbar sind (nachfolgend: „Zugangsmärkte“)34.
aa) Zugangs- und Endkundenmärkte
gesellschaftsrechtlichen oder schuldrechtlichen Dauerbeziehung stehen oder in einer dauerhaften Verbindung zur Verfolgung gemeinsamer beruflicher, wirtschaftlicher oder hoheitlicher Zwecke; siehe auch Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 33 Rdnrn. 20 bis 22. 31 Für die Bedienung dieser regelmäßig gewinnträchtigen Kunden ist keine Lizenz nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe c und Nr. 2 TKG erforderlich. Sie werden gemäß § 38 TKG nur unter den Voraussetzungen des Diskriminierungsverbotes des allgemeinen Wettbewerbsrechts geschützt. 32 Fabian Schuster, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 34 Rdnr. 4. 33 Weiterhin werden die Begriffe „Telekommunikationsdienstleistungen“, „Telekommunikationsdienste“ und „Dienste“ ceteris paribus synonym und nachfolgend im Sinne des Anbietens für die Öffentlichkeit verwendet. Ihr Angebot für geschlossene Benutzergruppen hat keine erkennbaren Auswirkungen auf den Untersuchungsgegenstand. 34 Mitteilung der Europäischen Kommission über die Anwendung der Wettbewerbsregeln auf Zugangsvereinbarungen im Telekommunikationsbereich, ABl. EG Nr. C 265 S. 9 f., Rdnrn. 45; 48; 49 – 52; BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 6 / 00, NVwZ 2001, S. 1399 (1402); Robert Schulz, Der Zugang zum „blanken Draht“, München 2001,S. 80, 186 f.; Hanfried Wendland, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, Vor § 33 Rdnrn. 20 bis 22; Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 33 Rdnr. 20; Bernd Holznagel / Christoph Enaux / Christian Nienhaus, Grundzüge des Telekommunikationsrechts, München 2001, S. 30; Thomas Lampert, Der Begriff der Marktbeherrschnung als geeignetes Kriterium zur Bestimmung der Normadressaten für sektorspezifisches Kartellrecht nach dem TKG?, WuW 1998, S. 27 (30); Peter Salje, Marktbeherrschung auf Telekommunikations-Märkten, K&R 1998, S. 331 (332; 337; 338); Ulrich Immenga, Relevante Märkte und Marktbeherrschung in der Regulierungspraxis, MMR 2000, S. 196 (196 – 199).
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Teil 3: Regulierung durch Netzzugang nach dem Telekommunikationsgesetz
Zugangsmärkte kennzeichnet, dass auf der Nachfragerseite Telekommunikationsdiensteanbieter stehen, die bestimmte Leistungen einkaufen möchten, die sie selbst als Vorleistungen benötigen, um ihrerseits einen Endkundenmarkt bedienen zu können35. Dazu zählen insbesondere Märkte für Netzzugangsdienstleistungen im Teilnehmeranschlussbereich. Die Nachfrage kann sich dabei auf die Nutzung der technikfreien Kupferleitung (entbündelter Zugang) an verschiedenen Zugangspunkten oder auf die Miete bestimmter Übertragungskapazitäten (gebündelter Zugang) richten36. Zu Zugangsmärkten zählen weiterhin Märkte, auf denen Dienste in Großkontingenten zwecks Wiederverkaufs im Endkundenmarkt nachgefragt werden, also beispielsweise Dienste für Ortsverbindungen inklusiv der Teilnehmeranschlüsse, Dienste für Fern- und für Auslandsverbindungen. Endkundenmärkte kennzeichnet demgegenüber, dass Endkunden Telekommunikationsdienstleistungen „zum Eigenverbrauch“ einkaufen möchten. Dazu zählen beispielsweise Märkte, auf denen Endkunden einen Telefonanschluss, Sprachtelefonie im Ortsnetz, Fern- und Auslandsverbindungen oder Daten- und Mehrwertdienste37 nachfragen38. Wird ein Telefonanschluss nachgefragt, ist der Bedarf auf den Anschluss an das Telekommunikationsnetz gerichtet, also auf die Herstellung der physischen und logischen Verbindung der Endeinrichtung mit dem Netz einschließlich aller technischen Zusatzeinrichtungen und administrativen Dienstleistungen39. Der Endkundenmarkt für Telefonanschlüsse unterscheidet sich vom Zugangsmarkt für Netzzugangsdienstleistungen im Teilnehmeranschlussbereich nicht nur durch die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Wirtschaftsstufen, sondern auch durch die Art der Dienstleistung, die nachgefragt wird.
bb) Bezugsebene für die Marktmachtbestimmung: Zugangsmärkte oder Endkundenmärkte? Der Normadressat des § 33 Abs. 1 TKG ist ausgehend von einem sachlich relevanten Markt, auf dem er als Diensteanbieter eine beherrschende Position hat, zu bestimmen. Als sachlich relevante Märkte, die die Bezugsebene für diese Marktmachtbestimmung bilden können, kommen drei Konstellationen in Betracht. Ers35 Hanfried Wendland, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, Vor § 33 Rdnr. 57; Robert Schulz, Der Zugang zum „blanken Draht“, München 2001, S. 186. 36 Siehe beispielsweise die Entscheidung der Regulierungsbehörde vom 30. April 1998, Az. BK 3-01 / 98, MMR 1998, S. 494 (496). 37 Beispiel für einen Mehrwertdienst ist ein „Voice-Mail-Dienst“, also ein virtueller Anrufbeantworter, auf dem zu jeder Zeit Nachrichten hinterlassen und empfangen werden können und der von jedem anderen Endgerät aus über eine Einwahlnummer und einen Code abgefragt werden kann. 38 Siehe nur die Entscheidung der Regulierungsbehörde vom 7. Juni 2000, Az. BK 3-2-99 / 033, MMR 2000, S. 500 (502). 39 Hanfried Wendland, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, Vor § 33 Rdnr. 63.
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tens kann der sachlich relevante Markt ein Endkundenmarkt sein, wie beispielsweise der Markt für Teilnehmeranschlüsse und Sprachtelefonie im Ortsnetz. Zweitens kommt ein Zugangsmarkt wie der Markt für die Nutzung der technikfreien Teilnehmeranschlussleitung in Betracht. Drittens ist die Kombination aus einem Zugangsmarkt für einen bestimmten Endkundenmarkt und diesem Endkundenmarkt denkbar, auf denen dann jeweils die marktbeherrschende Stellung des Anbieters zu bejahen sein müsste. Das Bundesverwaltungsgericht hat in dem Verfahren der Deutsche Telekom AG gegen die Regulierungsbehörde wegen entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung am Hauptverteiler eine Entscheidung über die Bezugsebene für die Marktmachtbestimmung pragmatisch offengelassen40, obwohl es sich dabei um eine „wichtige Einstiegsfrage“41 für die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen des § 33 Abs. 1 TKG handelt. Normadressat war in diesem Verfahren die Deutsche Telekom AG. Diese hatte zum maßgeblichen Zeitpunkt42, sowohl im derzeit noch faktisch kombinierten Endkundenmarkt für Teilnehmeranschlüsse und Ortsverbindungen als auch in dem dazugehörenden Zugangsmarkt für die Nutzung der technikfreien Teilnehmeranschlussleitung im gesamten Bundesgebiet eine nicht bestrittene marktbeherrschende Stellung. Auch die Regulierungsbehörde hat eine Entscheidung über die Bezugsebene für die Marktmachtbestimmung in ihrer bisherigen Praxis – soweit ersichtlich – vermieden43. Der Wortlaut der § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG, „ein Anbieter, der auf einem Markt für Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit über eine marktbeherrschende Stellung nach § 19 GWB verfügt, hat Wettbewerbern auf diesem Markt 44. . . “, scheint den Endkundenmarkt als Bezugsebene nahezulegen45. Der Endkundenmarkt ist regelmäßig derjenige Markt, auf dem der Anspruchsberechtigte in Wettbewerb zum Normadressaten tritt und selbst Telekommunikationsdienste für Endkunden anbieten möchte. Typischerweise verfügt der Anspruchsberechtigte nicht über diejenigen Vorleistungen, die er zur Bedienung dieses Endkundenmarktes benötigt, zum Beispiel über eine vollständige Netzinfrastruktur im Ortsnetz, 40 BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 6 / 00, NVwZ 2001, S. 1399 (1402); vgl. allerdings OVG Münster, Beschluss vom 1. Oktober 2001, Az. 13 B 1156 / 01, WuW 2001, S. 1073 (1074), das – ohne sich festzulegen – den Endkundenmarkt stärker in den Blick nimmt. 41 So Peter Rädler, Anmerkung zu BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 7 / 00, CR 2001, S. 759. 42 Da es um ein Missbrauchsverfahren nach § 33 Abs. 2 TKG ging, kam es auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung an, BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 6 / 00, NVwZ 2001, S. 1399 (1401 f.); OVG Münster, Beschluss vom 7. Februar 2000, Az. 13 A 180 / 99, NVwZ 2000, S. 697 (697 f.). 43 Siehe nur die Entscheidung der Regulierungsbehörde vom 7. Juni 2000, Az. BK 3-2-99 / 033, MMR 2000, S. 500 (502). 44 Hervorhebung durch die Verfasserin. 45 So Ulrich Immenga, Relevante Märkte und Marktbeherrschung in der Regulierungspraxis, MMR 2000, S. 196 (198 f.), der sich allerdings selbst widerspricht, indem er den „Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung“ als Beispiel für einen relevanten Markt im Sinne des § 33 Abs. 1 TKG angibt und damit einen typischen Zugangsmarkt benennt.
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um Endkunden Teilnehmeranschlüsse zu offerieren. Insofern kann der Anspruchsberechtigte prima vista auf dem Zugangsmarkt nicht Wettbewerber des Normadressaten sein. Aus der Systematik des vierten Gesetzesteils kann demgegenüber die Wichtigkeit der Infrastruktur und des Zugangs zu dieser gefolgert werden. Die Systematik unterstreicht die besondere Bedeutung der Zugangsmärkte als Nadelöhr für die Wettbewerbseröffnung auf Endkundenmärkten. Fragt man nach dem Normzweck des § 33 Abs. 1 TKG, so liefert §§ 1, 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG eine Auslegungshilfe: Das Aufbrechen bestehender Monopole und die aktive Sicherstellung eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs sind Ziele der Regulierung. Diese Ziele formulierte der Gesetzgeber in Kenntnis der Monopolstellung des vertikal integrierten Unternehmens Deutsche Telekom AG auf allen Zugangsund Endkundenmärkten. Der Zugang zur Netzinfrastruktur dieses Unternehmens ist für potentielle Wettbewerber auf den Endkundenmärkten conditio sine qua non einer zeitnahen Wettbewerbseröffnung auf Endkundenmärkten. § 33 Abs. 1 TKG soll also eine Zugriffsmöglichkeit auf Vorleistungen für Endkundendienstleistungen schaffen. § 33 Abs. 1 TKG soll zudem verhindern, dass ein Unternehmen seine marktbeherrschende Stellung auf dem Zugangsmarkt zur Einflussnahme auf nachgelagerte Märkte für Endkundendienstleistungen ausnutzt. Das ist für den Fall eines vertikal integrierten Unternehmens besonders evident, das seine Marktmacht vom Zugangsmarkt ungeschmälert auf den nachgelagerten Endkundenmarkt übertragen kann. Aber auch nicht vertikal integrierte Unternehmen, die ausschließlich Vorleistungen anbieten, beispielsweise Betreiber lokaler Glasfasernetze, sind vom Normzweck erfasst. Sie könnten den Kreis derjenigen Unternehmen festlegen, denen sie ihre Vorleistungen offerieren und so mittelbar den Kreis der Anbieter auf Endkundenmärkten steuern. Sobald auf den Zugangsmärkten Marktbeherrschungsstrukturen oder gar Monopole bestehen, existiert folglich jedenfalls die Möglichkeit einer Wettbewerbsbeschränkung auf den nachgelagerten Endkundenmärkten. Dieses zu verhindern und so der Wettbewerbseröffnung auf Endkundenmärkten zu dienen, bezweckt § 33 Abs. 1 TKG. Bezugsebene für die Bestimmung der marktbeherrschenden Stellung im Sinne des § 33 Abs. 1 TKG ist demzufolge ein Zugangsmarkt. Dieses Auslegungsergebnis steht auch im Einklang mit der Gesetzesbegründung des Telekommunikationsgesetzes. Zwar ist darin nicht ausdrücklich klargestellt, dass die beherrschende Stellung des Normadressaten auf einem Zugangsmarkt maßgeblich sein soll. Indes kann dies aus einem in der Begründung aufgeführten Beispiel für einen typischen Anwendungsfall zu § 33 Abs. 1 TKG gefolgert werden: „Beispielsweise darf ein marktbeherrschendes Telekommunikationsunternehmen, das lizenzpflichtige Übertragungswege gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 anbietet, aber zugleich auch Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen ist, die keiner Lizenzpflicht unterliegen (z. B. Datendienste), sich nicht einen Wettbewerbsvorteil dadurch verschaffen, dass es diese Übertragungswege konkurrierenden Datendienstanbietern zu anderen Konditionen anbietet als seinem eigenen Geschäftsbereich . . .“. Den beschriebenen Wettbewerbsvorteil kann sich das vertikal integrierte Unternehmen nur durch eine marktbeherrschende Stellung auf dem Zugangsmarkt für Datendienste, also dem Markt für Übertragungswege ver-
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schaffen. Überdies steht auch der eingangs zitierte Wortlaut des § 33 Abs. 1 TKG „Wettbewerber auf diesem Markt“ der Interpretation „Maßgeblichkeit der Zugangsmärkte“ nicht entgegen. Bezogen auf den Normzweck ist dieses Tatbestandsmerkmal so zu lesen, dass es genügt, wenn zwischen dem Normadressaten und dem Anspruchsberechtigten überhaupt ein Wettbewerbsverhältnis denkbar ist46. Weiterhin muss das Wettbewerbsverhältnis nicht zwingend auf dem sachlich relevanten Zugangsmarkt bestehen. Es kann auch auf einem Endkundenmarkt existieren oder aber als potentielles Wettbewerbsverhältnis auf dem für die Marktbeherrschung relevanten Zugangsmarkt. Nicht erforderlich ist nämlich, dass der Anspruchsberechtigte bereits ein eigenes Telekommunikationsnetz betreibt47 und somit selbst, jedenfalls theoretisch, Anbieter von Vorleistungen ist. Damit zählen reine Wiederverkäufer von Telekommunikationsdienstleistungen für Endkunden ebenso zum Kreis der Anspruchsberechtigten, wie teilvertikal integrierte Unternehmen wie Mannesmann ARCOR AG & Co. Diese bieten Telekommunikationsdienstleistungen für Endkunden an, oder bezwecken dies, und verfügen über ein Fernnetz, indes über kein Ortsnetz oder lediglich über Teile eines Ortsnetzes in einem räumlich begrenzten Bereich.
cc) Zusammenfassung Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der marktbeherrschenden Stellung des Anspruchsverpflichteten im Sinne des § 33 Abs. 1 TKG sind Zugangsmärkte für Telekommunikationsdienstleitungen 48. Sachlich relevant ist ein Zugangsmarkt, wenn ihm der nachgefragte Gegenstand, die wesentliche Leistung im Sinne des § 33 Abs. 1 TKG, zugeordnet werden kann. Da die Leistung, zu der Zugang begehrt wird, dem Wortlaut des § 33 Abs. 1 TKG zufolge keine Telekommunikationsdienstleistung sein muss, genügt es, wenn der nachgefragte Gegenstand dem Zugangsmarkt als Annex zugeordnet werden kann49. Der relevante Zugangsmarkt muss also nicht identisch sein mit der nachgefragten Leistung oder einem gedachten Markt für diese.
c) Besonderer Anbieter (§ 35 Abs. 1 Satz 1 TKG) auf einem Zugangsmarkt 46 Vgl. Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 33 Rdnr. 20. 47 Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 33 Rdnr. 19. 48 Diese Auffassung wird auch von Stimmen in der Literatur geteilt: Robert Schulz, Der Zugang zum „blanken Draht“, München 2001, S. 186 f.; Peter Rädler, Anmerkung zu BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 7 / 00, CR 2001, S. 759. 49 In diesem Sinne, allerdings ohne Festlegung, ob der relevante Markt ein Zugangs- oder ein Endkundenmarkt ist, siehe die Entscheidung der Regulierungsbehörde vom 7. Juni 2000, Az. BK 3-2-99 / 033, MMR 2000, S. 500 (502).
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Wie vorstehend entwickelt, ist aus § 33 Abs. 1 TKG jedenfalls anspruchsverpflichtet ein Anbieter, der denjenigen Zugangsmarkt beherrscht, dem die vom Anspruchsberechtigten nachgefragte Leistung zugeordnet werden kann. Ein Unternehmen kann als „Anbieter“, d. h. als Teilnehmer auf dem betreffenden Markt, zu behandeln sein, selbst wenn es die nachgefragte Leistung nicht anbieten will, sondern ausschließlich intern nutzt50. Allein die Nachfrage, die sich an einen für die Bereitstellung des Produktes möglichen Lieferanten richtet, führt zur Annahme eines Marktes, dem das nachgefragte Produkt zugeordnet werden kann. Der potentielle Anbieter hat es nicht in der Hand, durch Verweigern der Produktbereitstellung über die Existenz eines Marktes zu entscheiden51. Handelt es sich überdies um einen Fall besonderen Netzzugangs, wird also die besondere Leistung „Telekommunikationsnetz oder Teile desselben“ nachgefragt, so konkretisiert § 35 Abs. 1 Satz 1 TKG den Kreis der Normadressaten des § 33 Abs. 1 TKG dahin, dass der marktbeherrschende Anbieter auf dem Zugangsmarkt zugleich Betreiber eines Telekommunikationsnetzes sein muss. Damit ist dann dasjenige Telekommunikationsnetz gemeint, zu dem der Anspruchsberechtigte in einer bestimmten Form Zugang begehrt. Ein Telekommunikationsnetz betreibt derjenige, der über es die Funktionsherrschaft ausübt, § 3 Nr. 2 TKG. Funktionsherrschaft ist dann zu bejahen, wenn der Betreiber rechtlich und tatsächlich die Möglichkeit hat, in eigener Verantwortung über die Inbetriebnahme, das Inbetriebhalten und das Außerbetriebsetzen des Netzes zu entscheiden52. Diese Entscheidungsmacht kommt insbesondere dem Eigentümer im zivilrechtlichen Sinne zu. Die Deutsche Telekom AG hat folglich die Betreibereigenschaft in Bezug auf ihr gesamtes Festnetz inne.
50 Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 33 Rdnr. 32. 51 So schon das Bundeskartellamt, Beschluss vom 29. Juni 1992, Az. B 8-822000-VN214 / 91, RdE 1992, S. 197 (198), bestätigt durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes, BGH, Beschluss vom 15. November 1994, Az. KVR 29 / 93, WuW / E BGH S. 2953 (2958 ff.), im sogenannten „Gasdurchleitungsfall“: Ein Gasnetzbetreiber hatte auf entsprechende Nachfrage hin den Abschluss eines Durchleitungsvertrages verwiegert, wodurch das nachgefragte Produkt „Durchleitung von Gas“ nicht erhältlich war. Ein Markt für Durchleitungen von Gas wurde bejaht. Andernfalls wären die kartellrechtlichen Vorschriften zur Missbrauchsaufsicht mangels Vorliegen eines Marktes nicht anwendbar, was mit der auf Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (und des auf Wettbewerbseröffnung zielenden Telekommunikationsgesetzes) unvereinbar ist. 52 Raimund Schütz, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 3 Rdnr. 5.
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d) Marktabgrenzung zur Marktmachtbestimmung Anspruchsverpflichtet ist weiterhin nur, wer den sachlich und räumlich relevanten Zugangsmarkt beherrscht. Nach dem Grundsatz der Einzelmarktbetrachtung 53 kann eine Beherrschungsposition nur ermittelt werden, wenn zuvor der für die Feststellung dieser Position relevante Markt sachlich und räumlich abgegrenzt ist54. Allgemeine Fragen und Kriterien zur Marktabgrenzung sowie die Bestimmung des im Hinblick auf die Teilnehmeranschlussleitung relevanten Zugangsmarktes gehen daher der Marktmachtbestimmung voraus.
aa) Methode der Marktabgrenzung § 33 TKG selbst liefert keine spezifischen Kriterien für die sachliche und räumliche Abgrenzung des relevanten Zugangsmarktes, sondern verweist insofern auf § 19 GWB55. (1) Ex-post-Bedarfsmarktkonzept des § 19 GWB Mit der Verweisung auf § 19 GWB nimmt § 33 Abs. 1 TKG eine besondere Methode der Marktabgrenzung in Bezug. Die gerichtlich bestätigte Entscheidungspraxis des Bundeskartellamtes zu § 19 GWB bestimmt den sachlich und räumlich relevanten Markt nach dem Grad der Austauschbarkeit verschiedener Produkten aus Sicht der Nachfragerseite im konkreten Einzelfall (Bedarfsmarktkonzept)56. Ein Produktmarkt ist so weit, wie Austauschprodukte aus Sicht der Marktgegenseite, der Abnehmer, für ein bestimmtes Produkt bestehen. Den sachlich relevanten 53 Ulrich Immenga, Relevante Märkte und Marktbeherrschung in der Regulierungspraxis, MMR 2000, S. 196. 54 Ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, siehe nur BGH WuW / E BGH S. 3026 (3027, 3031) – „Backofenmarkt“; siehe auch Thomas Mayen, Marktabgrenzung auf den Märkten der Telekommunikation, MMR 2001, S. 496; Ulrich Immenga, Relevante Märkte und Marktbeherrschung in der Regulierungspraxis, MMR 2000, S. 196. 55 Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 33 Rdnr. 18. 56 So bereits KG, Beschluss vom 18. Februar 1969, WuW / E OLG S. 995 (996); BGH, Beschluss vom 24. Oktober 1995, Az. KVR 17 / 94, WuW / E BGH S. 3026 (3028) – „Backofenmarkt“; Rainer Bechthold, Kommentar zum Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 2. Aufl., München 1999, § 19 Rdnrn. 5 f.; Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKGKommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 33 Rdnr. 13; Bernd Holznagel / Christoph Enaux / Christian Nienhaus, Grundzüge des Telekommunikationsrechts, München 2001, S. 29; dieser Auffassung hat sich auch die Regulierungsbehörde angeschlossen, zuletzt in einem „Entwurf von Eckpunkten zur sachlichen und räumlichen Abgrenzung von Märkten und der Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung – Zusammenfassung der eingegangenen Stellungnahmen und Schussfolgerungen“, MMR Beilage 7 / 2002, S. 27 (44).
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Markt machen demzufolge alle Waren oder Dienstleistungen aus, die sich nach Eigenschaften, nach vorgesehenem Verwendungszweck und nach der Preislage so nahe stehen, dass der verständige Nachfrager sie als für die Deckung eines bestimmten Bedarfs geeignet und als gegeneinander austauschbar ansieht. Die Sicht des verständigen Nachfragers wird von den Marktaufsichtsbehörden regelmäßig durch Befragung von Wettbewerbern, Kunden und Verbänden, durch Marktstudien, selten auch durch Sachverständigengutachten aus der ex post Sicht ermittelt57. Die räumliche Marktabgrenzung legt das Gebiet fest, in dem die sachlich austauschbaren Produkte aus Sicht der Marktgegenseite tatsächlich angeboten oder nachgefragt werden58. Größtmöglicher räumlich relevanter Markt ist das Gebiet der Bundesrepublik, intendieren doch sowohl des Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen als auch das Telekommunikationsgesetz den Schutz inländischer Märkte59. Das § 19 GWB zugrunde liegende Bedarfsmarktkonzept ist eine flexible Marktabgrenzung aus ex post Sicht. Der sachlich und räumlich relevante Markt wird durch die zuständige Kartellbehörde im konkreten Einzelfall danach bestimmt, welche funktionelle Ausweichmöglichkeiten objektive Nachfrager eines bestimmten Produktes haben. Der Rechtsanwender definiert den relevanten Markt fallspezifisch ex post zwecks größtmöglicher Einzelfallgerechtigkeit und flexibler Reaktionsmöglichkeiten auf sich verändernde Sachverhalte. Letzteres ist insbesondere für die durch eine dynamische Entwicklung gekennzeichneten Märkte für Telekommunikationsdienstleistungen bedeutsam60. Innovationen bei Endgeräten, Dienstleistungsangeboten, Übertragungsmedien und -techniken sind im Detail nicht vorhersehbar. Sie bedingen für den jeweiligen Einzelfall eine neue Marktbestimmung. Unter dem Stichwort Konvergenz61 wird beispielsweise das Zusammenwachsen und Verschmelzen derzeit noch separater Endgeräte, Infrastrukturen und Dienstleistungen diskutiert. So ist denkbar, dass sich die verschiedenen End57 Hanfried Wendland, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, Vor § 33 Rdnr. 26. 58 Rainer Bechthold, Kommentar zum Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 2. Aufl., München 1999, § 19 Rdnrn. 13 f.; Werner Kleinmann / Rainer Bechthold, Kommentar zur Fusionskontrolle, 2. Aufl., Heidelberg 1989, § 22 Rdnr. 80; Hans-Jürgen Ruppelt, in: Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, begr. v. Eugen Lange, hrsg. v. Hermann-Josef Bunte, 8. Aufl., Neuwied 1997, § 22 Rdnr. 25. 59 BGH, Beschluss vom 24. Oktober 1995, Az. KVR 17 / 94, WuW / E BGH S. 3026 (3029 f.) – „Backofenmarkt“; Hanfried Wendland, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, Vor § 33 Rdnr. 45. 60 Hanfried Wendland, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, Vor § 33 Rdnr. 18. 61 Armin Trafkowski, Die sachliche Abgrenzung der Märkte im Internet, MMR 1999, S. 630 ff.; Thomas Lampert, Der Begriff der Marktbeherrschung als geeignetes Kriterium zur Bestimmung der Normadressaten für das sektorspezifische Kartellrecht nach dem TKG, WuW 1998, S. 27 ff.; Peter Salje, Marktbeherrschung auf Telekommunikations-Märkten, K&R 1998, S. 331 (333); Klaus W. Grewlich, Konflikt und Ordnung in der globalen Kommunikation: Wettstreit der Staaten und Wettbewerb der Unternehmen, Baden-Baden, 1997, S. 79 – 127.
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geräte Telefon, Personal Computer und Fernsehgerät künftig als ein einziges Endgerät präsentieren, einmal als festes Terminal und ein anderes mal als mobile Einheit. Ein verändertes Diensteangebot wäre zwangsläufig. Aus den separaten Fernseh-, Kabelfernseh- sowie Telefonleitungen und den dahinterstehenden Netzen könnte eine einzige Multifunktionsdiensteleitung zum Endkunden als Teil eines einzigen Netzsystems werden. (2) Ex-ante-Formalisierungskonzept nach Gemeinschaftssekundärrecht? Das Konzept einer formalisierten Marktabgrenzung legt die sachlich und räumlich relevanten Märkte ex ante durch den Gesetzgeber oder eine zuständige Stelle zum Zweck der Rechtssicherheit verbindlich fest. Ex ante heißt, dass die Marktabgrenzung vor dem Auftreten erster Anwendungsfälle vorgenommen wird. Sollte ein solches ex ante-Konzept in den hier einschlägigen Harmonisierungsrichtlinien oder der Teilnehmeranschlussverordnung 2000 / 2887 / EG verankert sein, müsste es auf einen inhaltlichen Widerspruch zu § 33 Abs. 1 in Verbindung mit § 19 GWB hin untersucht werden. Man könnte meinen, dass der Richtliniengeber in Anhang I, Abschnitte 1 bis 3 Zusammenschaltungs-Richtlinie 97 / 33 / EG sowie in Art. 2 Abs. 2 Buchstabe i Sprachtelefondienst-Richtlinie 98 / 10 / EG im vorhinein die maßgeblichen sachlich relevanten Märkte bestimmt hat62. Das wäre je ein Markt für das feste öffentliche Telefonnetz, für den Mietleitungsdienst, für öffentliche mobile Telefonnetze nebst Telefondiensten und je ein Markt für feste und mobile Zusammenschaltungsdienste (Zusammenschaltungs-Richtlinie 97 / 33 / EG) sowie ein Markt Sprachtelefondienste (Sprachtelefondienst-Richtlinie 98 / 10 / EG). Hierbei handelt es sich jedoch nicht um sachlich relevante Märkte in der Terminologie des Kartellrechts. Vielmehr geben die Richtlinien in diesen Bestimmungen diejenigen Bereiche oder Geschäftssegmente vor, in denen Unternehmen tätig sein müssen, um der Regulierung unterworfen zu sein. Zudem nehmen die Gemeinschaftsorgane weder in den Erwägungsgründen zu diesen beiden Richtlinien noch in der „Mitteilung über die Anwendung der Wettbewerbsregeln auf Zugangsvereinbarungen im Telekommunikationsbereich“ 63 Bezug auf das Konzept einer formalisierten Marktabgrenzung. Vielmehr stellt die Kommission in dieser Mitteilung fest, dass angesichts des technischen Fortschritts im Telekommunikationsbereich jeder Versuch einer Abgrenzung bestimmter Märkte in kurzer Zeit unzutreffend oder irrelevant würde. Desweiteren wird vereinzelt in Art. 4 Abs. 3 ZusammenschaltungsRichtlinie 97 / 33 / EG sowie in Art. 2 Abs. 2 Buchstabe i SprachtelefondienstRichtlinie 98 / 10 / EG die Festschreibung des ex-ante-Formalisierungskonzepts für die räumliche Marktabgrenzung gesehen64. Die Richtlinien nehmen insoweit Bezug auf einen bestimmten Telekommunikationsmarkt in dem geographischen 62 63 64
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Robert Schulz, Der Zugang zum „blanken Draht“, München 2001, S. 50. ABl. EG 1998 Nr. C 265, S. 2 (9, Rdnr. 47). Robert Schulz, Der Zugang zum „blanken Draht“, München 2001, S. 51.
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Gebiet eines Mitgliedstaates, in dem die Organisation zugelassen ist. Darin liegt indes nicht die Abgrenzung des räumlich relevanten Marktes nach dem geographischen Geltungsbereich der betreffenden Telekommunikationslizenz65. Es geht vielmehr um die Sicherstellung, dass die betreffenden Unternehmen ihre Tätigkeiten im Einklang mit der Rechtsordnung des jeweiligen Mitgliedstaates ausüben, nämlich „zugelassen sind“. Das kann maximal der geographische Raum sein, in dem das betreffende Unternehmen im Rahmen der Reichweite seiner Lizenz tätig ist. Auch wird in den Erwägungen zum Kommunikationsrichtlinienpaket vom 7. März 2002 über den künftigen Regulierungsrahmen, das ein ex-ante-Konzept festlegt, nicht von der Fortschreibung etwas Bestehenden gesprochen. Vielmehr geht es um die künftige Einführung eines neuen, d. h. dem Gemeinschaftswettbewerbsrecht bis dato fremden Konzeptes. Ferner bestimmt die Teilnehmeranschlussverordnung 2000 / 2887 / EG in Art. 2 Buchstabe a) den Adressatenkreis dieser Verordnung und nimmt ausdrücklich Bezug auf die Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht im Sinne der Zusammenschaltungs-Richtlinie 97 / 33 / EG und der Sprachtelefondienst-Richtlinie 98 / 10 / EG. Damit enthält sie wie diese keine Vorgaben für die Methode der Marktabgrenzung. (3) Zwischenergebnis – Ausblick In § 33 Abs. 1 TKG in Verbindung mit § 19 GWB ist das Bedarfsmarktkonzept als flexible ex-post-Methode zur Bestimmung des relevanten Marktes verankert. Dieses Konzept steht nicht in inhaltlichem Widerspruch zu geltendem Gemeinschaftsrecht. Art. 15 Kommunikationsrahmen-Richtlinie 2002 / 21 / EG führt allerdings künftig die Methode der formalisierten Marktbestimmung ex ante ein. Im Zusammenwirken mit der Europäischen Kommission sollen die nationalen Regulierungsbehörden die sachlich und räumlich relevanten Märkte im vorhinein festlegen. Grundlage dafür wird eine Empfehlung der Kommission in Bezug auf relevante Produkt- und Dienstemärkte sein, sowie Leitlinien der Kommission zur Marktanalyse und zur Bewertung beträchtlicher Marktmacht. Diese Leitlinien existieren, wie vorstehend erwähnt, bereits als Entwurf66. Laut Art. 15 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Anhang I Kommunikationsrahmen-Richtlinie 2002 / 21 / EG sind in besagter Empfehlung diejenigen Märkte aufzuführen, die regulierungsbedürftig sind. Damit wendet sich die Kommunikationsrahmen-Richtlinie 2002 / 21 / EG ausdrücklich gegen das im allgemeinen Wettbewerbsrecht geltende So aber Robert Schulz, Der Zugang zum „blanken Draht“, München 2001, S. 51. Europäische Kommission, Arbeitsdokument der Kommission vom 28. März 2001, „Entwurf von Leitlinien zur Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher Marktmacht“, KOM (2001) 175, S. 1 ff., demzufolge zählen zu einem sachlich relevanten Markt „sämtliche Produkte und Dienstleistungen, die hinreichend austausch- bzw. substituierbar sind, und zwar nicht nur wegen ihrer objektiven Merkmale, derentwegen sie anhaltenden Konsumbedürfnissen gerecht werden, sondern auch wegen der Wettbewerbsbedingungen und / oder der Struktur von Angebot und Nachfrage auf dem betreffenden Markt“, KOM (2001) 175, S. 10 (Rdnr. 35). 65 66
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Konzept der flexiblen Marktbestimmung ex post. Bei der abstrakten Bestimmung der sachlich und räumlich relevanten Märkte in der Empfehlung soll sich die Kommission an die Grundsätze des Wettbewerbsrechts halten und die Marktdefinitionen regelmäßig überprüfen (Art. 15 Abs. 1 Sätze 3 und 4 KommunikationsrahmenRichtlinie 2002 / 21 / EG). Dies soll in einem gewissen Maß eine Anpassung an sich ändernde Fakten sicherstellen. Nach Art. 15 Abs. 3 KommunikationsrahmenRichtlinie 2002 / 21 / EG bestimmen dann die nationalen Regulierungsbehörden „unter weitgehender Berücksichtigung“ besagter Empfehlung und in Einklang mit den Grundsätzen des Wettbewerbsrechts die relevanten Märkte des jeweiligen Mitgliedstaates. Im Regelfall werden die Regulierungsbehörden die in der Empfehlung sachlich definierten Märkte wiederholen. Ihre eigenständige Definitionsmacht wird sich daher auf die geographische Reichweite der „empfohlenen“ Märkte beschränken67. Will eine nationale Regulierungsbehörde von der Festlegung eines sachlich relevanten Marktes durch die Empfehlung der Kommission abweichen, ist ein besonderes Verfahren zwischen Kommission und Regulierungsbehörde durchzuführen, in dem die Kommission durch Gebrauchmachen ihres Vetorechtes die nationale Abweichung abwenden kann (Art. 7 Abs. 4 Kommunikationsrahmen-Richtlinie 2002 / 21 / EG). Für eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des § 33 Abs. 1 TKG in Verbindung mit § 19 GWB, die abweichend von einer flexiblen Marktabgrenzung ex post von einer formalisierten Marktbestimmung ex ante ausginge, ist wegen der grundlegend unterschiedlichen Konzeption des § 19 GWB kein Raum. Das deutsche Recht, in Gestalt von § 33 Abs. 1 TKG in Verbindung mit § 19 GWB wird mit Ablauf der Umsetzungsfrist am 25. Juli 2003 gegen Art. 15 Kommunikationsrahmen-Richtlinie 2002 / 21 / EG verstoßen. Die Frage der Methode der Marktabgrenzung wird der deutsche Gesetzgeber in Bezug auf den Telekommunikationssektor neu regeln und insofern das Telekommunikationsgesetz anpassen müssen68. Für den engen Anwendungsbereich der Teilnehmeranschlussverordnung 2000 / 2887 / EG bleibt es allerdings aus Spezialitätsgründen bis zu deren Aufhebung bei der bislang geltenden Rechtslage, siehe Teil 2, Kapitel B. II. 3. Insofern wird auch künftig kein Widerspruch zur Marktabgrenzungsmethode in § 33 Abs. 1 TKG in Verbindung mit § 19 GWB zu konstatieren sein.
67 Dem Entwurf der Leitlinien zufolge ist ein räumlich relevanter Markt das „Gebiet, in dem die Unternehmen bei den relevanten Produkten oder Diensten an Angebot und Nachfrage beteiligt sind und die Wettbewerbsbedingungen einander gleichen oder hinreichend homogen sind und von Nachbargebieten unterschieden werden können, in denen erheblich andere Wettbewerbsbedingungen bestehen“, Europäische Kommission, Arbeitsdokument der Kommission vom 28. März 2001, „Entwurf von Leitlinien zur Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher Marktmacht“, KOM (2001) 175, S. 12 (Rdnr. 47). 68 Einen Umsetzungsbedarf in dieser Hinsicht attestieren auch Raimund Schütz / Thorsten Attendorn, Das neue Kommunikationsrecht der Europäischen Union – Was muss Deutschland ändern? MMR-Beilage 4 / 2002, S. 1 (44).
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bb) Relevanter Zugangsmarkt im Hinblick auf die nachgefragte Nutzung der entbündelten kupfernen Teilnehmeranschlussleitung Nach dem Bedarfsmarktkonzept ist der sachlich und räumlich relevante Zugangsmarkt für die nachgefragte Dienstleistung, Nutzung der kupferleitungsgebundenen, entbündelten Teilnehmeranschlussleitung zu bestimmen. (1) Sachlich relevanter Zugangsmarkt Ob sich der sachlich relevante Zugangsmarkt auf die nachgefragte Nutzung der kupferleitungsgebundenen, entbündelten Teilnehmeranschlussleitung beschränkt, hängt von deren Substituierbarkeit durch die Nutzung anderer Übertragungstechniken und -medien ab. Zudem müssten diese Alternativleistungen gegebenenfalls entbündelt angeboten werden können. Wie sich aus Teil 2, Kapitel A. IV. 1. ergibt, sind erstens glasfasergebundene Teilnehmeranschlussleitungen übertragungsmedial und -technisch voll gegen kupferleitungsgebundenen Teilnehmeranschlussleitungen austauschbar. Denkbar sind zweitens richtfunkgetriebene Teilnehmeranschlussleitungen. Wie in Teil 2, Kapitel A. IV. 2. erörtert, stellen diese den Zugang vom Hauptverteiler zum Endkunden durch verschiedene Richtfunktechniken her. Richtfunktechniken sind, von Pilotprojekten abgesehen, bislang allerdings kaum verbreitet. Sie verursachen überdies im Vergleich zu leitungsgebundenen Teilnehmeranschlussleitungen erheblich höherer Kosten. Richtfunkgetriebene Teilnehmeranschlussleitungen sind somit nicht gegen leitungsgebundene Teilnehmeranschlussleitungen austauschbar69. Praxis und Literatur gehen daher zutreffend von verschiedenen Märkten für die Nutzung richtfunkgetriebener und kupferleitungsgebundener Teilnehmeranschlussleitungen aus70. Denkbar ist drittens die Nutzung des Breitbandkabelnetzes, das durch entsprechende Investitionen technisch rückkanalfähig gemacht und so zu einem funktionsfähigen Telekommunikationsnetz ausgebaut werden könnte, siehe Teil 2, Kapitel A. IV. 3. Die Realisierung eines bidirektionalen Netzausbaus mit hohen Übertragungskapazitäten gestaltet sich jedoch schwierig. Von einer Anwendungsreife dieser Technik für das flächendeckende Massengeschäft kann in absehbarer Zeit nicht gesprochen werden71. 69 Die Regulierungsbehörde hat inzwischen allerdings einen Markt für die Nutzung von Netzzugangsdienstleistungen im Teilnehmeranschlussbereich unter Berücksichtigung leitungsgebundener und richtfunkgetriebener Teilnehmeranschlussleitung als denkbar bezeichnet, Regulierungsbehörde, Beschluss vom 31. März 2001, Az. BK 3c-00 / 029, MMR 2001, S. 75 (778); Regulierungsbehörde, Beschluss vom 24. November 2000, Az. BK 4e-00-024 / E15. 09. 00, unveröffentlicht, zitiert nach Regulierungsbehörde, Beschluss vom 31. März 2001, Az. BK 3c-00 / 029, MMR 2001, S. 75 (778). 70 VG Köln, Urteile vom 5. November 1998, Az. 1 K 5943 / 97, Az. 1 K 5929 / 97 und Az. 1 K 5942 / 97, RTkom 1999, S. 35 (36); Hanfried Wendland, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, Vor § 33 Rdnr. 61. 71 Arne Börnsen, Koax-Breitbandkabel – von der Fernsehsignalverteilung zum neuen Medium der Zukunft, MMR 1999, S. 272 (274); Michael Schmittmann / Jan Rudolf Busemann, Regulierung der letzten Meile, K&R 2000, S. 217 (224).
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Auch breitbandkabelbasierte Teilnehmeranschlussleitungen sind somit nicht gegen kupferleitungsgebundene Teilnehmeranschlussleitungen austauschbar. Viertens sind andere Arten von Teilnehmeranschlussleitungen, insbesondere Stromleitungen mit „powerline-Technik“, wie Teil 2, Kapitel A. IV. 4. zeigt, von einer Anwendungsreife ebenfalls noch weit entfernt. Sachlich relevant kann daher zur Zeit der Untersuchung im Sommer 2002 nur ein Zugangsmarkt sein, der sich auf die Nutzung kupfer- oder glasfaserleitungsgebundener Teilnehmeranschlussleitungen bezieht72. Im Hinblick auf die nachgefragte Entbündelung ist eine weitere Segmentierung vorzunehmen73. Kupferkabel werden grundsätzlich als einzelne Kabel von der Telefonanschlussdose bis zum Hauptverteiler geführt. Zieht man am Kupferkabel im Hauptverteiler, springt bildlich gesprochen die Telefonanschlussdose aus der Zimmerwand des Endkunden. Demgegenüber reicht vom Abschlusspunkt der Linientechnik bis zum Hauptverteiler ein einziges Glasfaserkabel für sämtliche angeschlossene Endkunden aus. Während das einzelne Kupferkabel am Hauptverteiler, am Kabelverzweiger und am Abschlusspunkt der Linientechnik einem Endkunden zugeordnet und damit entbündelt werden kann, ist auf einem Glasfaserkabel am Hauptverteiler und am Kabelverzweiger einem Endkunden nur eine bestimmte Übertragungskapazität zuzuordnen74. Die Nutzung des Glasfaserkabels kann daher ausschließlich gebündelt offeriert werden. Insofern ist es nicht möglich, die Nutzung der Kupferleitung durch den Zugriff auf ein Glasfaserkabel zu ersetzen. Aus diesem Grund ist von einem sachlich relevanten Markt für die Nutzung der entbündelten kupferleitungsgebundenen Teilnehmeranschlussleitung auszugehen. Die Nachfrage umfasst dann sämtliche Funktionen (Sprache, Fax, Internet, Mehrwertund multimediale Dienste) und die uneingeschränkte Übertragungskapazität der einzelnen, endkundenbezogenen Kupferleitung ohne jedwede Vermittlungs- oder Übertragungstechnik. Ein weiterer sachlich relevanter Markt lässt sich für die Nutzung der funktionsbestimmt gebündelten kupfer- oder glasfaserleitungsgebundenen Teilnehmeranschlussleitung bestimmen. Die Nachfrage beschränkt sich dann auf die bedarfsbestimmte (zum Beispiel schneller Internetzugang) Nutzung definierter Übertragungskapazitäten 75. 72 Bernd Holznagel / Christoph Enaux / Christian Nienhaus, Grundzüge des Telekommunikationsrechts, München 2001, S. 30; Hanfried Wendland, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, Vor § 33 Rdnr. 61. 73 Hanfried Wendland, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, Vor § 33 Rdnr. 61. 74 Eine weitere Segmentierung ist in Gestalt des sachlich relevanten Marktes für die vollständig entbündelte Nutzung der leitungsgebundenen Teilnehmeranschlussleitung im Bereich des Inhouse-Netzes (und des dazugehörigen räumlich relevanten Marktes eines bestimmten Inhouse-Netzes eines Gebäudes im Lizenzgebiet des Anspruchsberechtigten) von der Regulierungsbehörde, Entscheidung vom 30. April 1998, Az. BK 3-01 / 98, MMR 1998, S. 494 (496 f.), erwogen worden, fand aber verwaltungsgerichtlich in der zweiten Instanz keine Beachtung mehr, OVG Münster, Beschluss vom 15. Februar 2002, Az. 13 A 4075 / 00, CR 2002, S. 342.
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(2) Räumlich relevanter Zugangsmarkt Im Hinblick auf diese beiden sachlich relevanten Zugangsmärkte ist räumlich relevant der Bereich, auf den der Anspruchsberechtigte sein Tätigkeitsfeld als Telekommunikationsdiensteanbieter erstreckt76. Das kann der gesamte nationale Markt sein oder nur ein bestimmter regionaler Raum, wie der Regierungsbezirk Köln, weil der Anspruchsberechtigte beispielsweise nur für diese Region über Lizenzen der Lizenzklassen 3 und 4 (§ 6 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe c und Nr. 2 TKG) verfügt. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts Köln, es liege ein einheitlicher bundesweiter Markt vor77, hat das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich abgelehnt78. Maßgeblich ist das Gebiet, in dem die einzelne Leitung einen Teilnehmer an das Ortsnetz anschließt, da eine Substitution durch eine Teilnehmeranschlussleitung aus anderen Gebieten in tatsächlicher Hinsicht nicht möglich ist.
cc) Zwischenergebnis Die Bestimmung des sachlich und räumlich relevanten Zugangsmarktes erfolgt gemäß § 33 Abs. 1 TKG in Verbindung mit § 19 GWB nach dem Bedarfsmarktkonzept. Für den hier interessierenden Fall des Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung sind zwei sachlich relevante Zugangsmärkte zu unterscheiden: Der Markt für die entbündelte Nutzung der kupferleitungsgebundenen Teilnehmeranschlussleitung und der Markt für die funktionsbestimmt gebündelte Nutzung der kupferoder glasfaserleitungsgebundenen Teilnehmeranschlussleitung. Räumlich relevant ist diesbezüglich das Gebiet, auf das der Anspruchsberechtigte sein Tätigkeitsfeld als Telekommunikationsdiensteanbieter erstreckt.
e) Marktmachtbestimmung Bezogen auf die ermittelten relevanten Zugangsmärkten ist im Folgenden der Frage der sachgerechten Marktmachtbestimmung nachzugehen. Für deren Beantwortung bergen § 33 Abs. 1 TKG in Verbindung mit § 19 GWB einerseits und das Gemeinschaftsrecht andererseits zwei unterschiedliche Anknüpfungspunkte.
75 Dass ein solcher Markt jedenfalls denkbar ist, konstatiert auch die Regulierungsbehörde in ihrem Beschluss vom 31. März 2001, Az. BK 3c-00 / 029, MMR 2001, S. 75 (778). 76 BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 6 / 00, NVwZ 2001, S. 1399 (1402). 77 OVG Münster, Urteil vom 7. Februar 2000, Az. 13 A 180 / 99, NVwZ 2000, S. 697 ff.; Hanfried Wendland, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, Vor § 33 Rdnr. 62. 78 BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 6 / 00, NVwZ 2001, S. 1399 (1402).
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aa) Beherrschende Stellung nach § 19 GWB oder „beträchtliche Marktmacht“ des besonderen Anbieters nach Gemeinschaftssekundärrecht? Zur Bestimmung der marktmächtigen Position des potentiellen Normadressaten nimmt § 33 Abs. 1 TKG Bezug auf den Begriff der „Marktbeherrschung“ des § 19 GWB. Demgegenüber stellen die Zusammenschaltungs-Richtlinie 97 / 33 / EG, die Sprachtelefondienst-Richtlinie 98 / 10 / EG und die Teilnehmeranschlussverordnung 2002 / 2887 / EG auf eine „beträchtliche Marktmacht“ ab. Ob die Regelung des § 19 GWB insoweit in inhaltlichem Widerspruch zu den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben steht, der gegebenenfalls durch eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung zu überwinden ist, muss vorab geklärt werden. (1) Marktbeherrschung nach § 19 GWB Das Telekommunikationsgesetz definiert den Marktbeherrschungsbegriff nicht79. Es verweist auf § 19 GWB, in dessen Absatz 2 Satz 1 sich die allgemeine wettbewerbsrechtliche Definition findet. Ein Unternehmen ist demzufolge marktbeherrschend, wenn es „ohne Wettbewerber ist oder keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist oder eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat; hierbei sind insbesondere sein Marktanteil, seine Finanzkraft, sein Zugang zu den Beschaffungs- oder Absatzmärkten, Verflechtungen mit anderen Unternehmen, der tatsächliche oder potentielle Wettbewerb durch innerhalb oder außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ansässige Unternehmen, die Fähigkeit, sein Angebot oder seine Nachfrage auf andere Waren oder gewerbliche Leistungen umzustellen, sowie die Möglichkeit der Marktgegenseite, auf andere Unternehmen auszuweichen, zu berücksichtigen“.
§ 19 Abs. 3 Satz 1 GWB vermutet eine Marktbeherrschungslage widerlegbar80, wenn ein Unternehmen über einen Marktanteil von mindestens einem Drittel verfügt. Die die Wettbewerbsverhältnisse und das Unternehmensverhalten auf dem relevanten Markt ausmachenden Tatsachen sind im einzelnen festzustellen und in einer Gesamtbetrachtung nach den aufgeführten Kriterien zu beurteilen81. Dabei kommt Marktanteilen, wenn auch nicht die allein maßgebende, aber doch besondere Bedeutung zu82. 79 Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 33 Rdnr. 18. 80 Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 33 Rdnrn. 15 und 16. 81 Thomas Lampert, Der Begriff der Marktbeherrschung als geeignetes Kriterium zur Bestimmung der Normadressaten für das sektorspezifische Kartellrecht nach dem TKG, WuW 1998, S. 27 (31). 82 Ulrich Immenga, Relevante Märkte und Marktbeherrschung in der Regulierungspraxis, MMR 2000, S. 196 (200).
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(2) „Beträchtliche Marktmacht“ nach Gemeinschaftssekundärrecht? Das bisher geltende netzzugangsrelevante Gemeinschaftssekundärrecht (die Zusammenschaltungs-Richtlinie 97 / 33 / EG, die Sprachtelefondienst-Richtlinie 98 / 10 / EG und die Teilnehmeranschlussverordnung 2002 / 2887 / EG) unterwirft, im Unterschied zum Telekommunikationsgesetz, nicht erst „marktbeherrschende“ Unternehmen, sondern bereits „Organisationen mit beträchtlicher Marktmacht“ der Regulierung. So haben solche Organisationen ihren Wettbewerbern beispielsweise Zugang zu ihren Netzen zu gewähren, siehe Art. 4 Abs. 2 ZusammenschaltungsRichtlinie 97 / 33 / EG sowie Art. 16 Abs. 1 Sprachtelefondienst-Richtlinie 98 / 10 / EG. Nach Art. 4 Abs. 3 Zusammenschaltungs-Richtlinie 97 / 33 / EG sowie Art. 2 Abs. 2 Buchstabe i) Sprachtelefondienst-Richtlinie 98 / 10 / EG wird eine beträchtliche Marktmacht widerlegbar83 vermutet, wenn die Organisation einen Anteil von über 25 % an einem bestimmten Telekommunikationsmarkt in dem geographischen Gebiet eines Mitgliedstaates besitzt, in dem sie zugelassen ist. Demgegenüber vermutet § 19 Abs. 3 GWB widerlegbar84 eine marktbeherrschende Stellung erst bei einem Marktanteil von mindestens einem Drittel. Unterschiede zwischen Gemeinschaftsrecht und deutschem Recht ergeben sich daher allein in bezug auf Unternehmen, die über mehr als 25 % und weniger als 33,3 % der Marktanteile verfügen. Nach Gemeinschaftsrecht wäre die Schwelle zur Regulierung widerlegbar überschritten, nach dem Telekommunikationsgesetz indes noch nicht. Damit liegt ein inhaltlicher Widerspruch zwischen der nationalen und der gemeinschaftsrechtlichen Regelung vor. Für diesen Fall ist zu prüfen, ob eine Vereinbarkeit von § 33 Abs. 1 TKG (in Verbindung mit § 19 GWB) mit Art. 4 Abs. 2 Zusammenschaltungs-Richtlinie 97 / 33 / EG85 und Art. 16 Abs. 1 Sprachtelefondienst-Richtlinie 98 / 10 / EG durch eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung herzustellen ist. Ansatzpunkt dafür ist die Widerlegbarkeit der Ein-Drittelvermutung des § 19 Abs. 3 GWB. Die Überschreitung dieser Marktanteilsschwelle ist lediglich ein Indiz für die Feststellung der marktbeherrschenden Stellung. Andere Kriterien, siehe § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GWB, sind gleichberechtigt neben dem Aspekt „Marktanteil“ zu prüfen. Insbesondere im Telekommunikationssektor kann Endkunden83 Die nationalen Regulierungsbehörden können weitere Kriterien festlegen, die zur Einstufung eines Unternehmens mit einem Marktanteil bereits unter oder über 25 % als beträchtlich marktmächtig führen, Art. 4 Abs. 3 Satz 3 der Zusammenschaltungs-Richtlinie 97 / 33 / EG. Dies können namentlich Faktoren wie „die Möglichkeit der Organisation, Marktbedingungen zu beeinflussen, ihr Umsatz im Verhältnis zur Größe des Marktes, ihre Kontrolle über den Zugang zu Endbenutzern, ihr Zugang zu Finanzmitteln, sowie ihre Erfahrungen bei der Bereitstellung von Produkten und Diensten auf diesem Markt“, sein, Art. 4 Abs. 3 Satz 4 der Zusammenschaltungs-Richtlinie 97 / 33 / EG. 84 Siehe andere gleichberechtigte Kriterien für die Prüfung der Marktbeherrschung in § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GWB. 85 Richtlinie 97 / 33 / EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 11. Juni 1997 über die Zusammenschaltung in der Telekommunikation im Hinblick auf die Sicherstellung des Universaldienstes und der Interoperabilität durch Anwendung der Grundsätze für einen offenen Netzzugang, ABl. EG 1997 Nr. L 199, S. 32 ff.
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bindungen, Infrastrukturkontrolle, Finanzkraft oder Diensteinnovation eine mindestens ebenso große Bedeutung wie dem betreffenden Marktanteil zukommen. Eine Marktbeherrschung im Sinne des § 33 Abs. 1 in Verbindung mit § 19 GWB könnte demzufolge auch bereits bei einem Marktanteil zwischen 25 % und 33,3 % vorliegen. Eine gemeinschaftsrechtskonforme, konkreter: eine richtlinienkonforme, Auslegung ist daher möglich. Sie ist dahingehend durchzuführen, dass bereits ein Marktanteil von 25 % die Prüfung der Marktbeherrschungsvoraussetzungen auslöst86. Vergegenwärtigen sollte man sich allerdings die praktische Relevanz des gemeinschaftsrechtlichen Konzepts der „beträchtlichen Marktmacht“. Der Telekommunikationssektor ist gekennzeichnet durch Monopolstrukturen. Regelmäßig ist ein vertikal integriertes Unternehmen, nämlich das ehemalige staatliche Monopolunternehmen, mit extrem hohen Marktanteilen in den relevanten Vorleistungs- und Endkundenmärkten aktiv. Eine Regulierung, die auf niedrige Marktanteilsschwellen setzt, schafft Eingriffsinstrumente für einen nicht existierenden Sachverhalt. Sie geht also ins Leere. Eine solche Regulierung birgt jedoch die Gefahr, neue Unternehmen mit einem vielleicht nur kurzfristigen Erfolgsrezept zu früh Maßnahmen auszusetzen, die ihre Marktposition unnötig belasten87. Das mag einer der Gründe sein, der für das künftige gemeinschaftsrechtliche Konzept der „beträchtlichen Marktmacht“ streitet. Gemäß Art. 14 Abs. 2 Kommunikationsrahmen-Richtlinie 2002 / 21 / EG88 gilt künftig ein Unternehmen als beträchtlich marktmächtig, „wenn es entweder allein oder gemeinsam mit anderen eine der Beherrschung gleichkommende Stellung einnimmt, d. h. eine wirtschaftlich starke Stellung, die es ihm gestattet, sich in beträchtlichem Umfang unabhängig von Wettbewerbern, Kunden und letztlich Verbrauchern zu verhalten“. Der Richtliniengeber hat den Begriff „beträchtliche Marktmacht“ damit von seinem telekommunikationsrechtlichen Gehalt befreit und ihm einen allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Inhalt gegeben89. In Zukunft wird daher allein eine Interpretation nach wettbewerbsrechtlichen Kriterien maßgebend werden, die der Definition des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zur Frage der „beherrschenden Stellung“ in Art. 82 EGV folgt90. Mit Blick auf den Entwurf von „Leitlinien zur 86 Zu demselben Ergebnis kommt: Robert Schulz, Der Zugang zum „blanken Draht“, München 2001, S. 183; und in Bezug auf § 35 TKG: Eva Rudolf, Das Recht auf Netzzugang in der Telekommunikation – Europäisches Gemeinschaftsrecht und seine Anwendung in §§ 33 ff. TKG, Baden-Baden 2000, S. 88 f. 87 So auch Robert Schulz, Der Zugang zum „blanken Draht“, München 2001, S. 52. 88 ABl. EG 2002 Nr. L 108, S. 33 (44). 89 Karl-Heinz Ladeur, Europäisches Telekommunikationsrecht im Jahr 2001 – Zur Entwicklung des „Maßnahmenpakets“ zur Neuorientierung der Telekommunikation und zur Entscheidungspraxis der europäischen Gerichte und der EG-Kommission auf dem Gebiet des Telekommunikations- und Wettbewerbsrechts, K&R 2002, S. 110 (111); Raimund Schütz / Thorsten Attendorn, Das neue Kommunikationsrecht der Europäischen Union – Was muss Deutschland ändern? MMR-Beilage 4 / 2002, S. 1 (13, 33). 90 Siehe nur EuGH, Entscheidung vom 14. Februar 1978, Rs. 27 / 76 (United Brands v. Europäische Kommission), Slg. 1978, S. 207 (285 ff., insbesondere 286).
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Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher Marktmacht“91 in Art. 14 Abs. 3 Kommunikationsrahmen-Richtlinie 2002 / 21 / EG wird regelmäßig ein Marktanteil von mehr als 40 % gefordert werden müssen, um eine beträchtliche Marktmacht bejahen zu können. Ein Marktanteil von über 50 % weist – abgesehen von außergewöhnlichen Umständen – das Vorliegen einer beherrschendenden Stellung nach. Damit werden die insoweit zwischen deutschem und europäischem Recht bestehenden Unterschiede künftig nivelliert. Das europäische Recht hat sich auf diese Weise einem nationalen Recht angepasst. Man kann insofern von einer „Rechtsangleichung in umgekehrter Richtung“ sprechen. Wegen der einstweiligen Fortgeltung der Teilnehmeranschlussverordnung 2002 / 2887 / EG als lex specialis zu den Kommunikationsrichtlinien bleibt es allerdings insofern auch künftig bei dem bisher geltenden Konzept beträchtlicher Marktmacht. (3) Zwischenergebnis § 19 Abs. 3 GWB vermutet eine unternehmerische Beherrschungsposition bei einem Marktanteil von mindestens einem Drittel widerlegbar, die Zusammenschaltungs-Richtlinie 97 / 33 / EG und die Sprachtelefondienst-Richtlinie 98 / 10 / EG demgegenüber bereits bei einem Marktanteil von 25 %. § 33 Abs. 1 TKG kann und ist in Verbindung mit § 19 GWB richtlinienkonform dahin auszulegen, dass schon ein Marktanteil von 25 % zur Prüfung der Marktbeherrschungsvoraussetzungen führt. Da die Teilnehmeranschlussverordnung 2002 / 2887 / EG auf diese Richtlinien für die Bestimmung des Anspruchsverpflichteten Bezug nimmt und lex specialis zu den Kommunikationsrichtlinien ist, bleibt es künftig insofern bei dieser Auslegung.
bb) Beherrschende Stellung des besonderen Anbieters nach § 19 GWB Die konkreten Marktpositionen der in Betracht kommenden besonderen Anbieter sind bezogen auf die hier interessierenden Zugangsmärkte – sofern möglich – festzustellen. (1) Auf dem sachlich relevanten Zugangsmarkt Zur Zeit der Untersuchung im Sommer 2002 existierte in der Bundesrepublik Deutschland bloß ein Unternehmen, das auf den Zugangsmärkten für die Nutzung der entbündelten kupfernen beziehungsweise der funktionsbestimmt gebündelten kupfernen oder Glasfaserteilnehmeranschlussleitung sowohl bundesweit als auch in sämtlichen Regionen Deutschlands als beherrschend anzusehen ist. Gemeint ist 91 Europäische Kommission, Arbeitsdokument der Kommission vom 28. März 2001, „Entwurf von Leitlinien zur Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher Marktmacht“, KOM (2001) 175, S. 18 ff., insbesondere Rdnr. 67.
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die Deutsche Telekom AG mit einem Marktanteil von mehr als 90 %. Die Deutsche Telekom AG ist Eigentümerin von Teilnehmeranschlussleitungen in mehr als 5000 Ortsnetzen, die die Fläche der gesamten Bundesrepublik Deutschland durchziehen. Regionale Ortsnetzbetreiber oder Stadtnetzbetreiber wie Net Cologne Gesellschaft für Telekommunikation mbH sind zwar sehr aktiv und gelten auch als marktetabliert. Indes stellen sie nach Zahl und Geschäftsvolumen noch kein ausreichendes Gegengewicht zur Dominanz der Deutsche Telekom AG dar. Dies wird beispielsweise bei der Betrachtung des Inhalts von Diensteangeboten und von sonstigen Innovationen deutlich92. Die Investitionen der Ortsnetzbetreiber in den Aufbau neuer Ortsnetze konzentrieren sich auf Neubaugebiete und auf Stadtviertel mit besonders vielen oder umsatzstarken Teilnehmeranschlüssen. Regionale Ortsnetzbetreiber konnten daher auch im Jahr fünf nach der Aufhebung der Monopolrechte für den Sprachtelefondienst lediglich einen Anteil von ungefähr 5 % auf den beiden Märkten für Nutzungen leitungsgebundener Teilnehmeranschlussleitungen erreichen. Deutlich wird dennoch, dass auch ein regionaler Ortsnetzbetreiber bei entsprechendem Ausbau seines Marktanteils marktbeherrschend und damit Normadressat des § 33 Abs. 1 TKG sein könnte. Wegen dieser besonders asymmetrischen Marktstruktur sind Fragen um die Feststellung der Be herrschungssituation auf Telekommunikationsmärkten gegenwärtig von eher bloß theoretischem Interesse. (2) Auf dem räumlich relevanten Zugangsmarkt Auch bei Betrachtung des räumlich relevanten Marktes ergibt sich kein anderes Bild. Die Deutsche Telekom AG ist bundesweit, auf regionaler Ebene und in jedem Ortsnetzbereich auf den beiden Zugangsmärkten für Nutzungen leitungsgebundener Teilnehmeranschlussleitungen gegenwärtig beherrschend93, auch wenn sich in einigen Ortsnetzbereichen durch eine verstärkte und erfolgreiche Geschäftstätigkeit von Stadtnetzbetreibern, die Telefonanschlüsse und Sprachtelefonie im Ortsbereich sowie verschiedenste andere Telekommunikationsdienste anbieten, langsam ein Marktanteilsverlust der Deutsche Telekom AG abzeichnet 94.
f) Zwischenergebnis In Fällen des besonderen Netzzugangs ist anspruchsverpflichtet aus § 33 Abs. 1 TKG in Verbindung mit § 35 Abs. 1 Satz 1 TKG, wer einen relevanten Zugangsmarkt beherrscht und zugleich Netzbetreiber ist. Das Bedarfsmarktkonzept dient der Bestimmung des sachlich und räumlich relevanten Zugangsmarktes, ex post 92 93 94
BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 6 / 00, NVwZ 2001, S. 1399 (1402). BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 6 / 00, NVwZ 2001, S. 1399 (1402). OVG Münster, Beschluss vom 15. Februar 2002, Az. 13 A 4075 / 00, CR 2000, S. 342.
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und im Einzelfall. Sachlich relevant sind vorliegend die Zugangsmärkte für die entbündelte Nutzung der kupferleitungsgebundenen Teilnehmeranschlussleitung einerseits und für die funktionsbestimmt gebündelte Nutzung der kupfernen oder Glasfaserteilnehmeranschlussleitung andererseits. Geographisch relevant ist das Gebiet, in dem der Anspruchsberechtigte die zugangsmarktgebundenen Telekommunikationsdienste für Endkunden anbieten möchte. Die Prüfung der Marktbeherrschung selbst wird in richtlinienkonformer Auslegung des § 33 Abs. 1 TKG in Verbindung mit § 19 Abs. 3 GWB bereits bei einem Marktanteil von 25 % eingeleitet. Dies gilt insbesondere für den Anwendungsbereich der Teilnehmeranschlussverordnung 2002 / 2887 / EG. Die Deutsche Telekom AG beherrscht gegenwärtig die genannten Zugangsmärkte sowohl sachlich als auch räumlich.
2. Anspruchsberechtigter des § 33 Abs. 1 TKG: „Wettbewerber“ Zum Kreis der von § 33 TKG in seinen Absätzen 1 und 2 geschützten Unternehmen zählen aktuelle und potentielle Wettbewerber des Normadressaten, also eines Unternehmens, das einen Zugangsmarkt für Telekommunikationsdienstleistungen beherrscht95. Diese Normbegünstigung findet in § 33 Abs. 1 TKG in Gestalt eines zivilrechtlichen Anspruchs Ausdruck. Der Anspruchsberechtigte des § 33 Abs. 1 TKG muss seinerseits ebenfalls ein Telekommunikationsdiensteanbieter sein. Durch die Einbeziehung auch bloß potentiellen Wettbewerbs ist es nicht notwendig, dass der Anspruchsberechtigte insbesondere selbst als Anbieter von Netzzugangsdienstleistungen auftritt oder selbst ein Telekommunikationsnetz betreibt. Das Wettbewerbsverhältnis muss also nicht aktuell auf dem relevanten Zugangsmarkt bestehen. Wie unter 1. b) bb) gezeigt, ist lediglich gefordert, dass zwischen dem Anspruchsverpflichteten und dem Anspruchsberechtigten an sich ein Wettbewerbsverhältnis bestehen kann96. Dieses Wettbewerbsverhältnis kann, auch nur als potentielles Wettbewerbsverhältnis, auf einem Endkundenmarkt existieren. So gehören Wiederverkäufer von Telekommunikationsdienstleistungen für Endkunden ebenso zum Kreis der Anspruchsberechtigten, wie teilvertikal integrierte Unternehmen. Diese Auslegung des Begriffs „Wettbewerber“ im Sinne des § 33 Abs. 1 TKG geht auch mit dem Kreis „besonderer Nutzer“ für besondere Netzzugänge im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 2 TKG in Verbindung mit § 1 Abs. 2 NZV konform. Denn besondere Nutzer fragen Netzzugangsdienstleistungen nach, die sie als Anbieter von solcher Dienstleistungen oder als Betreiber von Telekommunikationsnetzen benötigen, um selbst Telekommunikationsdienste zu offerieren.
95 Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 33 Rdnrn. 19 f. 96 Vgl. Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 33 Rdnr. 20.
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3. Zwischenergebnis Anspruchsverpflichtet aus § 33 Abs. 1 TKG ist jedes Unternehmen, das Telekommunikationsdienstleistungen auf einem im konkreten Fall sachlich und räumlich relevanten Zugangsmarkt anbietet und diesen zugleich beherrscht. Auf Zugangsmärkten werden bestimmte Leistungen von Telekommunikationsdiensteanbieter nachgefragt, die diese selbst als Vorleistungen benötigen, um ihrerseits einen Endkundenmarkt bedienen zu können. In diesen Fällen des besonderen Netzzugangs wird der Kreis der Anspruchsberechtigten durch § 35 Abs. 1 Satz 1 TKG auf zugangsmarktbeherrschend diensteanbietende Netzbetreiber eingeschränkt. Der relevante Zugangsmarkt bestimmt sich dabei nach dem Bedarfsmarktkonzept. Die Prüfung der Marktbeherrschung wird in richtlinienkonformer Auslegung des § 33 Abs. 1 TKG in Verbindung mit § 19 Abs. 3 GWB bei einem Marktanteil von 25 % eingeleitet. Die Deutsche Telekom AG beherrscht gegenwärtig die vorliegend relevanten Zugangsmärkte für die Nutzung der entbündelten kupfernen Teilnehmeranschlussleitung sowie für die Nutzung der funktionsbestimmt gebündelten Kupfer- oder Glasfaserteilnehmeranschlussleitung sachlich und räumlich. Nach § 33 Abs. 1 TKG anspruchsberechtigt ist jeder aktuelle oder potentielle Wettbewerber des Anspruchsverpflichteten, unabhängig davon, ob das Wettbewerbsverhältnis auf einem Endkundenmarkt oder ob es auf einem Zugangsmarkt besteht.
II. Anspruchsinhalt Dem Wortlaut zufolge ist der privatrechtliche Anspruch aus § 33 Abs. 1 TKG auf die Zugangsermöglichung zu intern genutzten oder am Markt angebotenen wesentlichen Leistungen des Anspruchsverpflichteten gerichtet. Die „Leistungen des Anspruchsverpflichteten“ stellen also den Ausgangspunkt für die Bestimmung des Anspruchsinhalts und zugleich den Gegenstand dar, auf den sich die Zugangsermöglichung bezieht. Die Zugangsermöglichung bildet den zweiten Bezugspunkt für die Bestimmung des Anspruchsinhalts, die hier im Hinblick auf die begehrte Nutzung der entbündelten kupfernen Teilnehmeranschlussleitung erfolgt.
1. Leistungen des Anspruchsverpflichteten im Sinne des § 33 Abs. 1 TKG Diejenigen Leistungen des Anspruchsverpflichteten, auf die sich der Zugangsermöglichungsanspruch richtet, sind durch bestimmte Kriterien im Verhältnis zu allgemeinen Leistungen abgrenzbar. Sie müssen nämlich intern genutzt oder am Markt angeboten werden und ferner dem Attribut „wesentlich“ genügen. Jede Analyse der qualifizierenden Kriterien setzt daher zunächst eine Klärung des allgemeinen Leistungsbegriffs des § 33 Abs. 1 TKG voraus.
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a) Leistungsbegriff des § 33 Abs. 1 TKG Der Begriff der „Leistung“ ist im Telekommunikationsgesetz nicht legaldefiniert, wird aber in § 33 Abs. 1 TKG neben dem Terminus „Telekommunikationsdienstleistungen“ gebraucht. Die Legaldefinition der Telekommunikationsdienstleistung in § 3 Nr. 18 TKG ist, wie Abschnitt I. 1. a) zeigt, auf den eng umrissenen Vorgang des gewerblichen Angebots von Telekommunikation an Dritte begrenzt. Vergleicht man die schlichten Wortbedeutungen von „Leistung“ und „Telekommunikationsdienstleistung“, so ist Leistung der allgemeinere, umfassendere Begriff, der denjenigen der Telekommunikationsdienstleistung einschließt97. Eine Leistung ist ein vom Anspruchsverpflichteten geschaffenes oder erworbenes Produkt oder ein Vorgang (regelmäßig auf niederer betrieblicher Wertschöpfungsebene), das beziehungsweise der für andere Wertschöpfungen (regelmäßig auf einer höheren Ebene) weiter verwendet werden kann, also isoliert nutzbar und verwertbar ist98. Es kann sich dabei beispielsweise auch um Daten oder um Teile einer Anlage, wie eines Telekommunikationsnetzes, insbesondere um dessen Segment „Teilnehmeranschlussleitung“, handeln. Letzteres wird von § 35 Abs. 1 Satz 1 TKG in Verbindung mit § 2 Satz 2 NZV betont, indem das Telekommunikationsnetz in allen seinen Teilen einschließlich der Teilnehmeranschlussleitung den Gegenstand der Leistung im Sinne des § 33 Abs. 1 TKG bildet. Aus dem grammatischen Zusammenhang, Leistungen, „soweit sie wesentlich sind“ folgt, dass eine Begrenzung auf die tatbestandlich insgesamt relevante Leistung erst durch das Korrektiv „wesentlich“ erfolgt. Der Begriff der „Leistung“ ist daher extensiv auszulegen99. Leistungen sind nach Wortsinn und grammatischer Auslegung alle (Voroder Hilfs-)Produkte und Vorgänge, die für die Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen auf Endkundenmärkten nutzbar sind. Auch aus der systematischen Stellung des § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG im vierten Gesetzesteil über offene Netzzugänge und dem Verweis in § 33 Abs. 1 Satz 2 TKG auf die ONP-RahmenRichtlinie 90 / 387 / EWG folgt, dass der Netzzugang und die mit diesem zusammenhängenden Einzelleistungen maßgeblicher Gegenstand einer Zugangsermöglichung sein sollen. Auch der Gesetzgeber lieferte in seiner Begründung zum jetzigen § 33 TKG ein Beispiel für eine „Leistung“, nämlich die Überlassung von lizenzpflichtigen Übertragungswegen im Sinn des § 6 Abs. 1 Nr. 1 TKG100. Was überdies das Verhältnis zwischen nachgefragter Leistung und relevantem Zugangsmarkt betrifft, so genügt es, wenn die Leistung dem Zugangsmarkt jedenfalls als 97 BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 6 / 00, NVwZ 2001, S. 1399 (1404); OVG Münster, Beschluss vom 7. Februar 2000, Az. 13 A 180 / 99, NVwZ 2000, S. 697 (699). 98 Regulierungsbehörde, Entscheidung vom 7. Juni 2000, Az. BK 3-2-99 / 033, MMR 2000, S. 500 (502); OVG Münster, Beschluss vom 7. Februar 2000, Az. 13 A 180 / 99, NVwZ 2000, S. 697 (699); BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 6 / 00, NVwZ 2001, S. 1399 (1403, 1405). 99 Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 33 Rdnr. 26. 100 BT-Drucks. 13 / 3609, vom 30. Januar 1996, S. 1 (46).
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Annex zugeordnet werden kann101. Der relevante Zugangsmarkt muss also nicht identisch sein mit der nachgefragten Leistung. Ein Beispiel102 für die Zuordnung der nachgefragten Leistungen zu dem sachlich relevanten Markt bietet der vorliegend relevant Zugangsmarkt für die Nutzung der entbündelten kupfernen Teilnehmeranschlussleitung. Nachgefragt sein können folgende Leistungen: (i) Nutzung der entbündelten Teilnehmeranschlussleitung durch Zugriff auf die elektrische Leitfähigkeit der technikfreien Kupferdoppelader, indem sie physisch mit dem Netz des Zugangsbegehrenden verbunden wird, (ii) Wartung der überlassenen Leitungen, die sich in einem Kabelbündel des Anspruchsverpflichteten befinden, durch diesen, (iii) räumlicher Zutritt zu Vermittlungseinrichtungen des Netzbetreibers, wie § 3 NZV es postuliert103 und (iv) Überlassung eines Teiles der Anlage zur Mitbenutzung, in der sich die Ortsvermittlungsstelle befindet und in der die physische Verbindung mit dem Netz des Zugangbegehrenden erfolgen soll. Nur die erste nachgefragte Leistung ist identisch mit dem Zugangsmarkt. Die anderen Leistungen stehen zu diesem in einem engen Durchführungszusammenhang. Eine nicht erschöpfende Liste von Netzleistungen und Netzzugangsdienstleistungen findet sich in der Anlage zu § 5 Abs. 2 NZV104.
101 In diesem Sinne, allerdings ohne Festlegung, ob der relevante Markt ein Zugangs- oder ein Endkundenmarkt ist, siehe die Entscheidung der Regulierungsbehörde vom 7. Juni 2000, Az. BK 3-2-99 / 033, MMR 2000, S. 500 (502); vgl. auch Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 35 Rdnr. 8. 102 Weiteres Beispiel ist der Zugangsmarkt für die Zusammenschaltung des Netzes des Verbindungsnetzbetreibers mit dem Netz des marktbeherrschenden Teilnehmernetzbetreibers. Nachgefragt können mehrere Leistung im Sinne des § 33 Abs. 1 TKG sein: (i) Zusammenschaltung, (ii) Fakturierung von Endkundenrechnungen und (iii) Inkasso von Endkundenforderungen. Da der Verbindungsnetzbetreiber über keine Stammdaten seines Gelegenheitskunden für Ferngespräche verfügt, ist er auf das Fakturieren und Inkasso durch den Zugangsverpflichteten angewiesen. Die Stammdaten verbleiben beim Teilnehmernetzbetreiber, es sei denn, der Kunde hat sich zu einer Voreinstellung zugunsten des Verbindungsnetzbetreibers für sämtliche Ferngespräche entschieden. 103 In Bezug auf den Leistungsgegenstand „besonderer Netzzugang“ enthält § 3 NZV eine mit dieser in Zusammenhang stehende Leistung: Um auszuschließen, dass es dem Anspruchsberechtigten tatsächlich nicht möglich ist oder erschwert wird, die angebotene Leistung auch zu erhalten, verpflichtet § 3 NZV den Normadressaten zur „Kollokationsleistung“. Er muss dem Zugangsbegehrenden die Nutzung der nachgefragten Leistung räumlich an der übertragungs-, vermittlungs- oder betriebstechnischen Schnittstelle ermöglichen. Das kann in den Räumlichkeiten des Normadressaten erfolgen, beispielsweise in dessen Vermittlungsstellen (physische Kollokation, § 3 Abs. 2 NZV) oder bei deren Kapazitätserschöpfung unter sonst gleichen Voraussetzungen anderorts (virtuelle Kollokation, § 3 Abs. 3 NZV). 104 Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 33 Rdnr. 28.
10 Kallmayer
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b) Intern genutzte oder am Markt angebotene Leistung des Anspruchsverpflichteten Weiterhin muss es sich bei den Leistungen des Anspruchsverpflichteten um am Markt angebotene oder intern genutzte Leistungen handeln. Intern genutzte Leistungen sind solche, die der Anspruchsverpflichtete in seinem vertikal voll integrierten Unternehmen durch eigene Tochterunternehmen beziehungsweise nachgelagerte Unternehmenseinheiten nutzt oder für eine spätere Nutzung vorhält105. Daraus folgt, dass nicht allein das, was er auf Zugangsmärkten tatsächlich anbietet, Leistung im Sinn des § 33 Abs. 1 TKG ist, sondern auch das, was ausschließlich seinen eigenen Unternehmenseinheiten als (Vor- oder Hilfs-)Produkt zur Verfügung steht oder für diese bereit gehalten wird. Damit wird ein ohnehin über § 19 GWB einbezogenes Element der Marktbestimmung, dass ein Markt nämlich bereits dann besteht, wenn das betreffende Produkt lediglich nachgefragt, nicht notwendigerweise auch angeboten wird (siehe Abschnitt I. 1. c), ausdrücklich zur Tatbestandsvoraussetzung des § 33 Abs. 1 TKG.
c) Wesentlichkeit der Leistung Weiteres qualifizierendes Kriterium für Leistungen des Anspruchsverpflichteten ist deren Wesentlichkeit. Das Wesentlichkeitskriterium bezieht sich auf den Gegenstand der Leistung selbst, indes nicht auf den Umfang oder die Bedingungen deren Nutzung. Das Telekommunikationsgesetz bestimmt nicht, wodurch sich eine wesentliche Leistung von einer allgemeinen Leistung unterscheidet106. Der rechtswissenschaftlichen Literatur zufolge sind solche Leistungen als wesentlich anzusehen, auf deren Nutzung der Anspruchsberechtigte zum Angebot bestimmter Telekommunikationsdienste gerade so angewiesen ist, dass er ohne sie faktisch an der Erbringung des beabsichtigten Dienstes gehindert wird107. In diese Linie fügt 105 VG Köln, Urteile vom 5. November 1998, Az. 1 K 5943 / 97, Az. 1 K 5929 / 97 und Az. 1 K 5942 / 97, RTkom 1999, S. 35 (36); Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKGKommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 33 Rdnr. 36. 106 Im Hinblick auf den künftigen europäischen Kommunikationsrechtsrahmen sei bemerkt, dass gemäss Art. 12 Abs. 1 Buchstabe h) der Kommunikationszugangs-Richtlinie 2002 / 19 / EG Gegenstände, auf die sich eine Zugangsverpflichtung bezieht, nicht wesentlich, sondern nur „zur Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs bei der Bereitstellung von Diensten notwendig“ sein müssen. Das ist eine niedrigere Schwelle als Wesentlichkeitsbegriff des § 33 TKG. Allerdings ist „Wesentlichkeit“ ein unbestimmter Rechtsbegriff, der gemeinschaftsrechtskonform im Sinne des künftigen Notwendigkeitskriteriums ausgelegt werden kann. 107 Klaus Lammich, in: Telekommunikationsgesetz, Textsammlung und Kommentar, hrsg. v. Klaus Lammich, Grundwerk 1997, Neuwied u. a. Stand Mai 1999, § 33 Rdnrn. 3 f.; Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 33 Rdnrn. 37 und 42; Martina Etling-Ernst, in: Praxiskommentar zum Telekommunikationsgesetz, hrsg. v. Martina Etling-Ernst, 2. Aufl., Ratingen 1999, § 33
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sich auch die erst- und zweitinstanzliche Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte. Sie definiert den Begriff „wesentlich“ als objektiv für die Erbringung anderer Telekommunikationsdienstleistungen unabdingbar, d. h. unverzichtbar, so dass die Neuanschaffung der nachgefragten Leistung dem Zugangswilligen wegen des verglichen mit den Kosten der Mitbenutzung unangemessen hohen Aufwandes unzumutbar sei108. Das Bundesverwaltungsgerichts nimmt demgegenüber für besondere Leistungsgegenstände eine Fiktion des Wesentlichkeitskriteriums an. Soweit es um die Nutzung des Telekommunikationsnetzes, insbesondere um die Nutzung der Teilnehmeranschlussleitung gehe, die nach § 35 Abs. 1 Satz 1 TKG in Verbindung mit § 2 Satz 2 NZV einen besonderen Gegenstand der Leistung im Sinne des § 33 Abs. 1 TKG bilde, sei, so das Gericht, die Wesentlichkeit per se gegeben109. Insbesondere sei nach Meinung des Bundesverwaltungsgerichts das Wesentlichkeitskriterium für den Leistungsgegenstand „Netzzugang“ nicht allein deshalb zu verneinen, weil der Zugangsbegehrende diese Leistung technisch und wirtschaftlich realisieren könne oder technisch und wirtschaftlich eine echte Alternative zu ihr habe110. Das Bundesverwaltungsgericht verzichtet allerdings auf die inhaltliche Ausfüllung des Wesentlichkeitskriteriums. In der Begründung seiner Position unterstreicht es die Herkunft des Festnetzes der Deutsche Telekom AG als aus öffentlichen Mitteln finanzierte Netzressource, welcher der Gesetzgeber wegen dieser Herkunft eine zugangerleichternde Sonderstellung gegenüber anderen Netzen und Techniken zugewiesen habe111. Die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts begegnet in zweifacher Hinsicht Bedenken. Erstens legt sie für einen bestimmten Leistungsgegenstand eine Wertungsentscheidung fest, ohne zuvor allgemeine Kriterien zur Auslegung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs formuliert zu haben. Zweitens verbleibt infolge des jeder Fiktion innewohnenden Automatismus kein Raum für die Berücksichtigung wertender Vorgaben aus objektiven Grundrechtsgehalten. Die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts ist daher abzulehnen. Mit der herrschenden Auffassung in Literatur und Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass mittels einer Einzelfallprüfung zu untersuchen ist, ob die nachgefragte Leistung in ihrem Gegenstand für die Erbringung bestimmter Endkundendienste durch den Zugangsbegehrenden unverzichtbar ist und ob diesem die Selbsterbringung der Leistung wegen des dafür erforderlichen unangemessen hohen Aufwandes verglichen mit den Kosten ihrer Beschaffung, die beim Normadressaten anfallen, unzumutbar ist. Wird die Nutzung der Teilnehmeranschlussleitung nachgefragt, ergibt die Prüfung dieser Fallkonstellation Folgendes: Die Leistung Rdnr. 16; Gerrit Manssen, in: Kommentar zum Telekommunikations- und Medienrecht, hrsg. v. Gerrit Manssen, Grundwerk 1999, Berlin Stand August 1999, § 33, Rdnr. 7. 108 OVG Münster, Beschluss vom 7. Februar 2000, Az. 13 A 180 / 99, NVwZ 2000, S. 697 (699); vgl. auch VG Köln, Urteile vom 5. November 1998, Az. 1 K 5943 / 97, Az. 1 K 5929 / 97 und Az. 1 K 5942 / 97, RTkom 1999, S. 35 (36). 109 BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 6 / 00 NVwZ 2001, S. 1399 (1404 f.). 110 BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 6 / 00, NVwZ 2001, S. 1399 (1404). 111 BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 6 / 00 NVwZ 2001, S. 1399 (1404 f.). 10*
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„Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung“ ist ihrem Gegenstand nach für zugangsnetzlose Telekommunikationsunternehmen, die Endkundendienste wie Sprachtelefonie, Mehrwertdienstleistungen und schnelle Internetzugänge anbieten möchten, conditio sine qua non, um Endkunden überhaupt leitungsgebunden erreichen zu können. Der Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung stellt die maßgebende essentielle Zutrittsbarriere zu diesen Endkundenmärkten dar und ist damit für neue zugangsnetzlose Anbieter „unverzichtbar“. Die Tatsachen, die dieser Bewertung zugrunde liegen, wurden vorstehend in Teil 2, Kapitel B. I. 1. eingehend erörtert. Diese Ausführungen werden hier in Bezug genommen. Zudem ist auch eine wirtschaftlich zu verwirklichende Alternativtechnik in dem Netzsegment der Teilnehmeranschlussleitung neuen Anbietern gegenwärtig nicht verfügbar. Die Verlegung neuer Kupfer- oder Glasfaserleitungen ist insbesondere wegen der irreversiblen Errichtungskosten ökonomisch nicht vertretbar zu realisieren. Entsprechendes gilt für die Richtfunktechnik und den Rückkanalausbau des Breitbandkabelnetzes. Die Nutung des Stromnetzes als „power-line“ ist technisch (noch) nicht ausgereift. All dies ist in Teil 2, Kapitel A. IV. und Kapitel B. II. vertieft beleuchtet worden. Auf diese Ausführungen wird insoweit Bezug genommen. Insgesamt ist daher festzuhalten, dass die Nutzung der Teilnehmeranschlussleitung nach Maßgabe einer Einzelfallprüfung eine wesentliche Leistung im Sinne des § 33Abs. 1 TKG darstellt.
d) Umfang der Leistung – Grundsatz nachfragegerechter Entbündelung § 33 Abs. 1 TKG trifft keine explizite Aussage zum Umfang der zu gewährenden Leistung. Mit der herrschenden und hier vertretenen Auffassung, siehe Kapitel B. I., ist allerdings davon auszugehen, dass § 33 Abs. 1 TKG konkludent das Recht gewährt, die Leistung auch entbündelt nachzufragen, so dass nicht nur eine gebündelte (Gesamt-)Leistung, sondern auch ein einzelnes Leistungselement oder eine einzelne Leistungskomponente vom Zugangsanspruch nach § 33 Abs. 1 TKG umfasst sind. Aus der Perspektive des Anspruchsverpflichteten wird insofern von der „Entbündelungspflicht des Marktbeherrschers“ gesprochen. Diese § 33 Abs. 1 TKG entspringende Pflicht wird für den Leistungsgegenstand „besonderer Netzzugang“ in § 2 Satz 2 NZV ausdrücklich klargestellt, „er hat hierbei entbündelten Zugang zu allen Teilen seines Telekommunikationsnetzes einschließlich des entbündelten Zugangs zu den Teilnehmeranschlussleitungen zu gewähren“, und in § 2 Satz 1 NZV in zweifacher Hinsicht konkretisiert. Erstens sind die erforderlichen übertragungs-, vermittlungs- und betriebstechnischen Schnittstellen Teil der Leistung. Zweitens sind die Leistungen nach § 33 Abs. 1 TKG so anzubieten, dass keine Leistungen abgenommen werden müssen, die nicht nachgefragt werden. Fragt der Anspruchsberechtigte beispielsweise die aufgeführten Schnittstellen nicht nach, werden sie nicht Teil des Leistungsangebotes. Die Definitionshoheit darüber, welche Leistungselemente dem Anspruchsberechtigten zugänglich zu machen sind, steht diesem selbst zu (Grundsatz nachfragegerechter Entbünde-
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lung)112. Dem Zugangsbegehrenden ist also ein gestalterisches Element bei der Bestimmung des Leistungsumfangs eingeräumt. Der Grundsatz nachfragegerechter Entbündelung ist für Anspruchsberechtigte, die einzelne Elemente einer angebotenen Leistung nicht benötigen, selbst intern erstellen oder von Dritten zu günstigeren Bedingungen zukaufen können, entscheidend. Wäre die Leistung nur als anbieterbestimmte Gesamtleistung oder als anbieterbestimmtes Leistungsbündel abzunehmen, erhöhten sich die Kosten für den Zugangsbegehrenden und reduzierte sich seine Wettbewerbsfähigkeit113. Das Ausmaß der Entbündelung ist für ihn also von essentieller ökonomischer Bedeutung. Es entscheidet über seine Marktzutrittschancen. Ist beispielsweise der Wettbewerber selbst in der Position, die notwendigen übertragungstechnischen Schnittstellen und Abschlusseinrichtungen für die Teilnehmeranschlussleitung bereitzustellen, benötigt er nur die technikfreie, blanke Kupferleitung. Nur diese wird er daher nachfragen. Nur diese ist ihm zu gewähren. Unmaßgeblich ist, ob der Anspruchsverpflichtete die nachgefragten Elemente der Leistung selbst intern nutzt, also an nachgelagerte Unternehmenseinheiten weitergibt oder dafür vorhält114. Es genügt, dass er die Leistung als solche selbst intern nutzt. Angemerkt sei bereits hier, dass in der Übertragung der Definitionshoheit über Ausmaß und Grad der Entbündelung auf den Anspruchsberechtigten aus Sicht des Anspruchsverpflichteten eine deutliche Begrenzung der Nutzungsmöglichkeiten seines Netzeigentums und seiner Entscheidungsfreiheit über diese liegt. Der Anspruchsberechtigte bestimmt damit über die beim Normadressaten verbleibenden Nutzungsmöglichkeiten des nachgefragten Netzteiles. Ausnahmsweise besteht keine Verpflichtung zur nachgefragten Entbündelung, wenn im konkreten Einzelfall Tatsachen diese Verweigerung der Entbündelung sachlich rechtfertigen, § 2 Satz 3 NZV. Diese sachliche Rechtfertigung bildet eine Fallgruppe der Anspruchsbegrenzung. Sie ist Gegenstand des Abschnitts III.
e) Zusammenfassung Eine Leistung im Sinne des § 33 Abs. 1 TKG ist typischerweise ein (Vor-)Produkt des Normadressaten, das für andere Wertschöpfungen weiter verwendet werden kann, also isoliert nutzbar ist. Leistung ist der allgemeinere Begriff, der denjenigen der Telekommunikationsdienstleistung umfasst. Die nachgefragte Leistung 112 Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 33 Rdnr. 36; Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 2 NZV Anh § 39 Rdnr. 5; Begründung des Entwurfs einer Verordnung über Netzzugänge, BRDrucks. 655 / 96, vom 5. September 1996, S. 1 (8); BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 6 / 00 NVwZ 2001, S. 1399 (1405). 113 Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 2 NZV Anh § 39 Rdnr. 6. 114 Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 33 Rdnr. 36.
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muss nicht identisch mit dem für § 33 Abs. 1 TKG relevanten Zugangsmarkt sein, diesem wohl aber als Annex zugeordnet werden können. Die Nutzung der entbündelten kupferleitungsgebundenen Teilnehmeranschlussleitung in ihren jeweiligen Segmenten Hauptverteiler, Kabelverzweiger und Abschlusspunkt der Linientechnik unterfällt als Teil des besonderen Leitungsgegenstandes „Netz“ im Sinne des § 35 Abs. 1 TKG in Verbindung mit § 2 NZV dem Leistungsbegriff des § 33 Abs. 1 TKG115. Leistungen im Sinne von § 33 Abs. 1 TKG müssen weiterhin am Markt angeboten oder intern genutzt, also vom Normadressat in seinem vertikal voll integrierten Unternehmen durch nachgelagerte Unternehmenseinheiten verwendet oder für spätere Nutzungen vorgehalten werden. Zur Zugangsermöglichung ist der Normadressat erst verpflichtet, wenn die nachgefragte Leistung wesentlich ist, d. h erstens für die Erbringung bestimmter Endkundendienste unverzichtbar und dem Zugangsbegehrenden zweitens die Selbsterbringung unzumutbar ist. Die Nutzung der entbündelten kupfernen Teilnehmeranschlussleitung der Deutsche Telekom AG ist eine wesentliche Leistung. Alle wesentlichen Leistungen sind auch entbündelt anzubieten. Geht es um „besondere Netzzugänge“, ist die Leistung nachfragegerecht zu entbündeln, § 2 Satz 1 NZV. Der Anspruchsberechtigte bestimmt dann selbst, zu welchen Leistungselementen ihm Zugang zu ermöglichen ist.
2. Zugangsermöglichung Der Anspruch ist nach dem Wortlaut des § 33 Abs. 1 TKG auf Zugangsermöglichung gerichtet. Der Normadressat hat dem Anspruchsberechtigten den Zugang zu der wesentlichen, gegebenenfalls nachfragegerecht entbündelten Leistung zu ermöglichen. Die Zugangsermöglichung erfolgt typischerweise durch Abschluss und Durchführung eines privatrechtlichen Vertrages zwischen dem Normadressaten und dem Anspruchsberechtigten. Diese Feststellung wird bezogen auf den Leistungsgegenstand „Netznutzung“ durch § 35 Abs. 2 Satz 1 TKG bestätigt, der im Zusammenhang mit der Ermöglichung des Netzzugangs von Vereinbarungen über Netzzugänge spricht. § 33 Abs. 1 TKG ist also eine gesetzliche Anspruchsgrundlage, die den Zugangsbegehrenden berechtigt, vom Normadressaten den Abschluss eines Leistungszugangsvertrages mit bestimmten Inhalten und zu bestimmten Bedingungen zu verlangen. Der Anspruch ist demzufolge auf die Abgabe eines konkreten Angebotes zwecks Vertragsschluss gerichtet. Das Angebot des Anspruchsverpflichteten muss in Anbetracht komplexer technischer, betrieblicher oder kommerzieller Bedingungen der nachgefragten Zugangsgewährung nicht so detailliert und umfassend im Sinne des § 145 BGB sein, dass dessen Annahme durch den Anspruchsberechtigten schon den Zugangsvertrag zustande bringt116. Das Angebot 115
OVG Münster, Beschluss vom 15. Februar 2002, Az. 13 A 4075 / 00, CR 2002, S. 342
(343). 116 VG Köln, Beschlüsse vom 18. August 1997, Az. 1 L 2317 / 97, Az. 1 L 2318 / 97 und Az. 1 L 2320 / 97, Archiv PT 1998, S. 66 (68); Thomas Tschentscher / Holger Neumann, Das
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kann aber den Voraussetzungen des § 145 BGB genügen und muss dies auch, wenn keine besonderen Umstände einer Konkretisierung entgegenstehen. Regelmäßig ist ein solches Angebot erst auf Abschluss eines Rahmenzugangsvertrages gerichtet, der die Klärung von Detailfragen der Einzelvereinbarung über einen konkreten Zugangsfall vorbehält. § 33 Abs. 1 TKG normiert damit jedenfalls einen inhaltlich und zeitlich strukturierten Zwang, Vertragsverhandlungen auf der Grundlage eines konkretisierungsbedürftigen Offertenpapiers unterhalb der Voraussetzungsschwelle des § 145 BGB ergebnisorientiert durchzuführen. Ist die Beantwortung der technischen, betrieblichen und kommerziellen Detailfragen nicht solcher Maßen komplex oder in der Praxis bereits durchentschieden, verdichtet sich der Zugangsermöglichungsanspruch des § 33 Abs. 1 TKG in einen Kontrahierungs- und partiellen Inhaltsgestaltungszwang. Die Vertragsabschluß- sowie die Vertragsgestaltungsfreiheit des Anspruchsverpflichteten wird dadurch sichtbar begrenzt117. Dieser darf seinen Wettbewerbern gegenüber weder einen Vertragsschluss beispielsweise über die Nutzung seines Telekommunikationsnetzes verweigern, noch inhaltlich auf allein ihm geschäftsstrategisch genehme Nutzungsformen und -umfänge beschränken118. Begehrt der Anspruchsberechtigte den Leistungsgegenstand „kupferne Teilnehmeranschlussleitung am Hauptverteiler, am Kabelverzweiger oder am Abschlusspunkt der Linientechnik“, und zwar umfänglich in entbündelter Form, ist der Hauptleistungsgegenstand eindeutig umrissen. Technische Details sind für den Anspruchsverpflichteten insofern einfach gelagert, als dass der schlichte, technikfreien Kupferdraht begehrt wird. Wichtige kommerzielle Fragen betreffen regelmäßig das Nutzungsentgelt. Diese Gegenleistung wird aber in einem gesonderten Entgeltregulierungsverfahren bestimmt. Ihre vorläufige Unbestimmtheit steht weder dem Vertragsschluss entgegen noch dessen Durchführung. Wird somit der Zugangs zur entbündelten Teilnehmeranschlussleitung begehrt, ist der Zugangsermöglichungsanspruch auf Abgabe eines inhaltlich teilbestimmten Angebots zum Abschluss eines Netzzugangsvertrags gerichtet. § 33 Abs. 1 TKG auferlegt dem Anspruchsverpflichteten insofern einen Kontrahierungs- und partiellen Inhaltsgestaltungszwang. Der privatrechtsgestaltende Gesetzgeber des § 33 Abs. 1 telekommunikationsrechtliche Regulierungsverfahren – Verfahrensfragen, Missbrauchsaufsicht, Entbündelung, BB 1997, S. 2437 (2439); Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 33 Rdnrn. 11 f. 117 Vgl. Thomas Tschentscher / Holger Neumann, Das telekommunikationsrechtliche Regulierungsverfahren – Verfahrensfragen, Missbrauchsaufsicht, Entbündelung, BB 1997, S. 2437 (2439); vgl. Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 33 Rdnr. 11; vgl. Gerrit Manssen, in: Kommentar zum Telekommunikations- und Medienrecht, hrsg. v. Gerrit Manssen, Grundwerk 1999, Berlin Stand August 1999, § 33, Rdnr. 19; Helmut Heinrichs, in: Kommentar zum Bürgerliches Gesetzbuch, hrsg. v. Otto Palandt, 58. Aufl., München 1999, Einf. vor § 145 Rdnr. 8; vgl. Rudolf Lukes, Die Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts, BB 1998, S. 1217 (1219 f.). 118 Zudem ist die Frage der Gegenleistung für eine gewährte Netznutzung nicht privatautonom zu regeln. Nach § 39 TKG unterliegt das vom Marktbeherrscher verlangte Entgelt für die Gewährung von Netzzugang der Regulierung durch die Regulierungsbehörde.
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Teil 3: Regulierung durch Netzzugang nach dem Telekommunikationsgesetz
TKG agiert damit im grundrechtsrelevanten Bereich des Anspruchsverpflichteten119. Die tatsächliche Zugangsermöglichung setzt nach all dem einen privatrechtlichen Vertrag voraus, dessen qualifizierte Verhandlung und gegebenenfalls dessen Abschluss zu bestimmten Inhalten gemäß § 33 Abs. 1 TKG verlangt werden kann. § 33 Abs. 1 TKG erzeugt kein gesetzliches Schuldverhältnis, aus dem der Zugangsbegehrende einen unmittelbaren und zivilgerichtlich durchsetzbaren Anspruchs auf die tatsächliche Zugangsermöglichung hätte. § 33 Abs. 1 TKG gibt weiterhin allgemeine, und § 35 Abs. 2 Satz 1 TKG für den hier interessierenden Leistungsgegenstand „Netznutzung“ besondere Bedingungen vor, die die Art und Weise der Zugangsermöglichung bestimmen. Diese Bedingungen bilden demzufolge auch die maßgebenden Vorgaben für die inhaltliche Ausgestaltung der einzelnen Zugangsvereinbarungen. Gemeint sind dabei in einem umfassend weiten Verständnis alle kaufmännischen, betrieblichen und technischen Bedingungen im Hinblick auf die Zugangsermöglichung der konkreten Leistung120.
a) Diskriminierungsfrei – Keine Ungleichbehandlung, keine Behinderung Die Zugangsermöglichung hat nach § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG „diskriminierungsfrei“ zu erfolgen. § 33 Abs. 1 TKG fordert zudem, dass der Anspruchsverpflichtete den Zugang zu den gleichen Bedingungen ermöglicht, die er sich selbst bei der Nutzung der betreffenden Leistung einräumt. Der Gesetzestext unterscheidet also zwischen einer Diskriminierung und einer Form der Ungleichbehandlung. Konsequenterweise kann sich die Bedeutung des Merkmals „Diskriminierung“ nicht in Ungleichbehandlungen erschöpfen. Nach der Entscheidungspraxis der Regulierungsbehörde121 und der rechtswissenschaftlichen Literatur122 hat eine von § 33 119 Sich pauschal auf „Netzzugangsverpflichtungen“ als grundrechtsrelevanter Eingriff beschränkend Klaus Stern / Johannes Dietlein, Archiv PT 1998, S. 309 (317 ff. und 322 ff.), die die einzelnen Netzzugangsverpflichtungen nicht näher unterscheiden, sondern undifferenziert §§ 33 ff. TKG beziehungsweise § 35 TKG in Verbindung mit §§ 1 ff. NVZ in Bezug auf Grundrechtskonformität untersuchen; ebenfalls ohne weitere Differenzierungen und nur auf § 35 Abs. 1 TKG in Verbindung mit § 2 NZV eingehend Karl-Michael Fuhr / Bärbel Kerkhoff, Entbündelter Zugang – Vereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG?, MMR 1998, S. 6 (7 ff.). 120 Hans Werner Moritz, in: Handbuch Multimedia Recht, hrsg. v. Thomas Hoeren und Ulrich Sieber, Grundwerk Stand Dezember 1998, München 1999, Teil 3.1, Vorfragen des Telekommunikationsrechts, Rdnr. 117; Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKGKommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 33 Rdnr. 34; so auch die Begründung zum Entwurf des Telekommunikationsgesetzes, BT-Drucks. 13 / 3609 vom 30. Januar 1996, S. 1 (46). 121 Siehe insbesondere die Entscheidung der Regulierungsbehörde vom 7. Juni 2000, Az. BK 3-2-99 / 033, MMR 2000, S. 500 (504); die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung hat sich bislang – soweit ersichtlich – noch nicht in einer vergleichbaren Detailliertheit mit dem Diskriminierungsverbot auseinander gesetzt. 122 Frank Joachim Mayer, Anmerkung zur Entscheidung der Regulierungsbehörde vom 7. Juni 2000, Az. BK 3-2-99 / 033, MMR 2000, S. 509 (511); Hermann-Josef Piepenbrock, in:
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Abs. 1 Satz 1 TKG gemeinte Diskriminierung daher auch zwei Stoßrichtungen. Die erste Stoßrichtung wird als Grundsatz formaler Gleichbehandlung bezeichnet. Räumt der Normadressat einem Anspruchsberechtigten Bedingungen bei der Zugangsermöglichung zu einer bestimmten Leistung ein, einem anderen indes nicht oder nicht dieselben, liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz formaler externer Gleichbehandlung vor. Gegen den Grundsatz formaler interner Gleichbehandlung verstößt der Normadressat, wenn er sich selbst bei der Nutzung der betreffenden Leistungen andere Konditionen gewährt als den diese Leistungen nachfragenden Anspruchsberechtigten. So soll beispielsweise im Hinblick auf die nachgefragte Nutzung der Teilnehmeranschlussleitung der Anspruchsberechtigte so gestellt werden, als verfüge er selbst über entsprechende eigene Netze und damit über dieselbe unternehmerische Dispositionsfreiheit bei der Gestaltung seiner Diensteangebote für Endkunden wie der Normadressat123. Der Wettbewerber hat daher grundsätzlich auch keinen konkreten Bedarf für die nachgefragte Leistung gegenüber dem Normadressaten darzulegen, kann also mehr nachfragen, als er im Moment der Nachfrage tatsächlich benötigt. Der Wettbewerber ist daher beispielsweise nicht an übertragungstechnische Einrichtungen der Kupferleitung des Normadressaten gebunden, die die Durchsatzkapazität für Signale bestimmen und für seinen aktuellen Bedarf ausreichend wären. Der Anspruchsberechtigte kann vielmehr die blanke Kupferleitung nachfragen, um die Möglichkeit zu haben, diese mit eigenen, die Durchsatzkapazität steuernden Einrichtungen zu versehen. Andernfalls könnte der Normadressat Innovationen des Anspruchsberechtigten limitieren. Diese durch vorstehendes Beispiel erhellte, zweite Komponente des Grundsatzes formaler Gleichbehandlung greift § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG ausdrücklich auf, indem er anordnet, dass der Zugang zu den Bedingungen zu ermöglichen ist, die der Normadressat sich selbst bei der Nutzung dieser Leistungen für die Erbringung anderer Telekommunikationsdienstleistungen einräumt. Kurzum, die interne Behandlung muss der externen Behandlung gleichen124. Aus der expliziten Ausführung dieser Komponente folgt, dass sich der Gehalt des Diskriminierungsverbots nicht im Gleichbehandlungsgrundsatz erschöpft125. Zweite Stoßrichtung der von § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG erfassten Diskriminierung ist das Verbot unmittelbarer und mittelbarer Behinderung126. Trotz Wahrung des Grundsatzes formaler Gleichbehandlung hat Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 33 Rdnr. 43. 123 BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 6 / 00, NVwZ 2001, S. 1399 (1405); Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 2 NZV Anh § 39 Rdnr. 11. 124 Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 33 Rdnr. 49. 125 Entscheidung der Regulierungsbehörde vom 7. Juni 2000, Az. BK 3-2-99 / 033, MMR 2000, S. 500 (504). 126 Entscheidung der Regulierungsbehörde vom 7. Juni 2000, Az. BK 3-2-99 / 033, MMR 2000, S. 500 (504); Frank Joachim Mayer, Anmerkung zur Entscheidung der Regulierungsbehörde vom 7. Juni 2000, Az. BK 3-2-99 / 033, MMR 2000, S. 509 (511).
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der Normadressat die Zugangsermöglichung zu nicht behindernden Bedingungen für die Anspruchsberechtigten zu realisieren. Eine Bedingung behindert den Anspruchsberechtigten, wenn durch sie der erstmalige tatsächliche Zugang zum Netz, die fortwährende Netznutzung oder die Anpassung der Vertragsverhältnisse an veränderte Umstände mehr als nur unerheblich erschwert oder verzögert wird. Das Behinderungsverbot wird insbesondere dann bedeutsam, wenn es um Leistungen geht, die der Normadressat nicht intern nutzt, bei denen also nicht eine formale interne Gleichbehandlung gefordert werden kann127.
b) Anforderungen des § 35 Abs. 2 Satz 1 TKG: Objektivität, Nachvollziehbarkeit, Gleichwertigkeit Über die Anforderungen des Diskriminierungsverbots des § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG hinaus ist die Zugangsermöglichung bei besonderen Netzzugängen gemäss § 35 Abs. 2 Satz 1 TKG durch eine Vereinbarung zu realisieren, die auf objektiven Maßstäben beruhen, nachvollziehbar sein und gleichwertigen Zugang gewähren muss. Gleichwertig meint dabei inhaltlich nichts anderes als diskriminierungsfrei im Sinne des Grundsatzes formaler Gleichbehandlung gemäß § 33 Abs. 1 TKG128. Mit den Kriterien Objektivität und Nachvollziehbarkeit schafft der Gesetzgeber dagegen zusätzliche Vorgaben für den Normadressaten bei der Gestaltung der Zugangsverträge. Diese Kriterien sollen letztlich die Überprüfbarkeit der Zugangsbedingungen auf ihre Diskriminierungsfreiheit hin erleichtern129. Die Vorgabe objektiver Maßstäbe ist eine Aufforderung, den Gleichbehandlungsgrundsatz einzuhalten, indem die Zugangsbedingungen nicht willkürlich, beispielsweise in Abhängigkeit von der Person des jeweiligen Zugangsbegehrenden, bei sich ansonsten entsprechenden Sachverhalten gestellt werden130. Die Zugangsbedingungen dürfen insofern nicht einzelfallbezogen und allein von unternehmensstrategischen Erwägungen des Normadressaten, insbesondere dem Erhalt der Marktmacht, getragen sein. Nachvollziehbar ist eine Vereinbarung, wenn ein neu127 Frank Joachim Mayer, Anmerkung zur Entscheidung der Regulierungsbehörde vom 7. Juni 2000, Az. BK 3-2-99 / 033, MMR 2000, S. 509 (511). 128 Gerrit Manssen, in: Kommentar zum Telekommunikations- und Medienrecht, hrsg. v. Gerrit Manssen, Grundwerk 1999, Berlin Stand August 1999, § 35, Rdnr. 16; Hans Werner Moritz, in: Handbuch Multimedia Recht, hrsg. v. Thomas Hoeren und Ulrich Sieber, Grundwerk Stand Dezember 1998, München 1999, Teil 3.1, Vorfragen des Telekommunikationsrechts, Rdnrn. 157 f.; Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 35 Rdnr. 35. 129 Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 35 Rdnrn. 31, 34. 130 In diesem Sinn: Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 35 Rdnr. 31; Martina Etling-Ernst, in: Praxiskommentar zum Telekommunikationsgesetz, hrsg. v. Martina Etling-Ernst, 2. Aufl., Ratingen 1999, § 35 Rdnr. 41.
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traler Dritter feststellen kann, aus welchen Gründen eine Bedingung mit dem betreffenden Inhalt vereinbart wurde131.
c) Zusammenfassung Der privatrechtliche Anspruch des § 33 Abs. 1 TKG ist auf Zugangsermöglichung gerichtet. Sie erfolgt durch Abschluss und Durchführung eines privatrechtlichen Vertrages zwischen dem Normadressaten und dem Anspruchsberechtigten. Seiner Zugangsermöglichungsverpflichtung kann der Anspruchsverpflichtete genügen, indem er mindestens qualifizierte Vertragsverhandlungen auf der Grundlage eines Offertenpapiers mit substantiierten Angaben zu technischen, betrieblichen und kommerziellen Bedingungen des Zugangs ergebnisorientiert und zeitnah durchführt. Sind diese Zugangsbedingungen nicht komplex und verhandlungsbedürftig oder ist die konkrete Zugangskonstellation bereits in der Praxis durchentschieden, kann die Abgabe eines inhaltlich bestimmten Vertragangebotes im Sinne des § 145 BGB verlangt werden. Ein konkretes Vertragsangebot ist daher geboten, wenn der Leistungsgegenstand „Teilnehmeranschlussleitung an den Zugangpunkten Hauptverteiler, Kabelverzweiger oder Abschlusspunkt der Linientechnik“ und zwar in entbündelter Form begehrt wird. § 33 Abs. 1 TKG normiert für diese Fälle einen Kontrahierungs- und partiellen Inhaltsgestaltungszwang. § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG enthält im Hinblick auf die Bedingungen für die Zugangsermöglichung ein einheitliches Diskriminierungsverbot, das dem Normadressaten sowohl eine formale Ungleichbehandlung seiner Wettbewerber als auch deren unbillige Behinderung untersagt. 3. Zusammenfassung Der Inhalt des Anspruchs aus § 33 Abs. 1 TKG wird durch zwei Matrizes bestimmt, den Vorgaben für den Zugangsgegenstand, die Leistung des Normadressaten, und den Vorgaben für die Bedingungen, zu denen die Zugangsermöglichung zu erfolgen hat. Eine Leistung im Sinne des § 33 Abs. 1 TKG ist ein (Vor-)Produkt des Normadressaten, das für andere Wertschöpfungen weiter verwendet werden kann. Qualifiziert wird der Zugangsgegenstand durch das Wesentlichkeitskriterium. Die Leistung muss für das Diensteangebot des Zugangsbegehrenden an Endkunden unverzichtbar und die Selbsterbringung für den Zugangsbegehrenden unzumutbar sein. Weiter qualifiziert werden wesentliche Leistungen durch das in § 33 Abs. 1 TKG verankerte Entbündelungsgebot, demzufolge der Zugangsbegehrende 131 Martina Etling-Ernst, in: Praxiskommentar zum Telekommunikationsgesetz, hrsg. v. Martina Etling-Ernst, 2. Aufl., Ratingen 1999, § 35 Rdnr. 41; Gerrit Manssen, in: Kommentar zum Telekommunikations- und Medienrecht, hrsg. v. Gerrit Manssen, Grundwerk 1999, Berlin Stand August 1999, § 35, Rdnr. 15; Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKGKommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 35 Rdnr. 34.
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keine Leistungen abnehmen muss, die er nicht nachgefragt hat. Die Nutzung der kupfernen Teilnehmeranschlussleitung in ihren jeweiligen Segmenten Hauptverteiler, Kabelverzweiger und Abschlusspunkt der Linientechnik, als Teil des besonderen Leitungsgegenstandes „Netz“ im Sinne des § 35 Abs. 1 TKG in Verbindung mit § 2 NZV ist eine Leistung gemäss § 33 Abs. 1 TKG. Diese ist auch wesentlich und muss in nachfragegerecht entbündelter Form angeboten werden. Der Anspruch auf Zugangsermöglichung ist dann auf Abschluss eines inhaltlich bestimmten Vertrages gerichtet. Die zweite Matrix enthält mit einem einheitlichen Diskriminierungsverbot (Verbot formaler Ungleichbehandlung und unbilliger Behinderung) und den Kriterien der Objektivität und der Nachvollziehbarkeit inhaltliche Anforderungen an die Bedingungen, zu denen die Zugangsermöglichung zu erfolgen hat.
III. Anspruchsbegrenzung Ausdrücklich hat der Gesetzgeber hat vier Konstellationen geregelt, in denen es zu einer Begrenzung des Zugangsanspruchs aus § 33 Abs. 1 TKG kommen kann. Die ersten drei Konstellationen beziehen sich auf Bedingungen der Zugangsermöglichung. Der Anspruchsverpflichtete kann in engen Grenzen verschiedene Anspruchsberechtigte untereinander oder im Vergleich zu sich selbst ungleich behandeln. Auch eine Behinderung des Anspruchsberechtigten durch die Art und Weise, in der der Anspruchsverpflichtete die Zugangsermöglichung vorsieht, kann ausnahmsweise zulässig sein. Der Anspruchsverpflichtete kann dann in dem sachlich gerechtfertigten beziehungsweise billigen Rahmen seine Interessen bei der vertraglichen Gestaltung der Zugangsermöglichung durchsetzen. Entsprechendes gilt für die vierte Fallvariante. Sie betrifft bezogen auf den Fall des besonderen Netzzugangs den Grad der Entbündelungsverpflichtung, also den Leistungsumfang. Zwei weitere anspruchsbegrenzende Konstellationen ergeben sich durch Auslegung des § 33 Abs. 1 TKG. Die eine umfasst Kapazitätsvorbehalte, die andere Kündigungsmöglichkeiten und Anpassungen des Zugangsvertrages in Abhängigkeit von der Nachfragelage.
1. Sachliche Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung Die erste Fallvariante einer möglichen Begrenzung des Zugangsanspruchs bezieht sich auf das Gebot formaler Gleichbehandlung. § 33 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz TKG spricht ausdrücklich nur eine interne Ungleichbehandlung an. Eine solche Ungleichbehandlung des Anspruchsberechtigten durch Einräumung lediglich ungünstigerer Bedingungen bei der Zugangsermöglichung im Vergleich zum Anspruchsverpflichteten ist ausschließlich bei sachlicher Rechtfertigung zulässig. Überdies sind aber auch externe Ungleichbehandlungen, also die Differenzierung zwischen verschiedenen Anspruchsberechtigten, sachlich zu rechtfertigen. Die Einräumung ungünstigerer Bedingungen kann insbesondere durch Auferlegung
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von Beschränkungen bei der Zugangsermöglichung erfolgen. Äußerstenfalls kann sogar die Verweigerung der konkret nachgefragten Zugangsermöglichung sachlich zu rechtfertigen sein. Die Verweigerung jedweder Geschäftsaufnahme ist dagegen keinesfalls zulässig132. Die möglichen Rechtfertigungsgründe können in verschiedene Gruppen eingeteilt werden: Eine wichtige Gruppe von Rechtfertigungsgründen wird in § 33 Abs. 1 Satz 2 TKG angesprochen. Gemeint sind „grundlegende Anforderungen“ im Sinne des Art. 3 Abs. 2 ONP-Rahmenrichtlinie 90 / 387 / EWG, aus denen sich eine sachliche Rechtfertigung der Einräumung ungünstigerer Bedingungen ergeben kann. Das deutsche Recht verweist insoweit auf eine gemeinschaftsrechtliche Vorschrift, die den Maßstab für diese sachliche Rechtfertigung setzt. In Art. 2 Nr. 6 ONP-Rahmenrichtlinie 90 / 387 / EWG werden „grundlegende Anforderungen“ definiert als im allgemeinen Interesse liegende Gründe nichtwirtschaftlicher Art. Dazu zählen: Sicherheit des Netzbetriebs, Aufrechterhaltung der Netzintegrität, Interoperabilität 133 der Dienste, Datenschutz, Umweltschutz und effiziente Nutzung des Frequenzspektrums. Für das feste, öffentliche Telefonnetz und für feste, öffentliche Telefondienste enthält Art. 13 Abs. 2 ONP-Sprachentelefondienstrichtlinie 98 / 10 / EG Konkretisierungen dieser Gründe nichtwirtschaftlicher Art. Mit der Sicherheit des Netzbetriebs soll danach die Verfügbarkeit der öffentlichen Netze in Notfällen gewährleistet werden. Die Aufrechterhaltung der technischen Netzintegrität intendiert lediglich das normale Funktionieren öffentlicher Telefonnetze und ihre Anschlussfähigkeit an Netze in der Europäischen Gemeinschaft. Die Interoperabilität der Dienste bezieht sich auf technische Mindestspezifikationen, die von neuen Diensteangeboten einzuhalten sind. Diese grundlegenden Anforderungen sind eng gefasst und äußerst technisch ausgerichtet. Eine zweite Gruppe von Rechtfertigungsgründen stellt auf Aspekte ab, welche in der Person des Zugangsbegehrenden begründet liegen. Damit sind vor allem dessen Kreditwürdigkeit und Bonität sowie ein Verhalten gemeint, das geeignet erscheint, die Vertrauensbasis für vertragliche Vereinbarungen bestimmter Art zu zerstören. § 33 Abs. 1 TKG ist nicht durch einen numerus clausus der Rechtfertigungsgründe bestimmt. Weitere Rechtfertigungsgründe sind daher denkbar134. Ob die Voraussetzungen eines sachlichen Rechtfertigungsgrundes einer der beiden vorgestellten Gruppen erfüllt sind, ist in jedem Einzelfall durch eine Abwägung der Interessen des Normadressaten mit denen des Zugangsbegehrenden in einer wertenden Gesamtschau zu ermitteln. Dabei ist insbesondere das auf die Herstellung chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs gerichtete Ziele des Telekommunikationsgesetzes zu berücksichtigen, das der Abwägung eine die 132 Gerrit Manssen, in: Kommentar zum Telekommunikations- und Medienrecht, hrsg. v. Gerrit Manssen, Grundwerk 1999, Berlin Stand August 1999, § 33, Rdnr. 10; Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 33 Rdnr. 50. 133 „Interoperabilität“ steht auch für den sogenannten „Any-to-any-Grundsatz“, wonach jedem alles und jeder zugänglich sein soll. 134 BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 6 / 00, NVwZ 2001, S. 1399 (1406).
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Belange des Zugangsbegehrenden unterstützende Vorprägung gibt135. Der Normadressat trägt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen derjenigen Tatsachen die einen der Rechtfertigungsgründe stützen; Zweifel gehen zu seinen Lasten136.
2. Billigkeit einer Behinderung Die zweite Konstellation, welche zu einer Begrenzung des Zugangsanspruchs führen kann, bezieht sich auf das Verbot unmittelbarer und mittelbarer Behinderungen. Eine Behinderung durch Beschränkungen der Zugangsermöglichung ist danach ausschließlich bei Billigkeit zulässig137. Negativ definierend ist eine behindernde Bedingung dann unbillig, wenn sie einseitig und unangemessen an den Interessen des Normadressaten orientiert ist und dieser die betreffende Zugangsbedingung allein aufgrund seiner Marktmacht durchsetzen kann. Positiv gewendet ist im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung für jeden konkreten Behinderungsfall wertend die Billigkeitsfrage zu klären. Zur Strukturierung dieser Prüfung sind die Fallgruppen der Rechtfertigungsgründe heranzuziehen. Dabei ist eine ebenfalls Orientierung an dem Ziel des Telekommunikationsgesetzes, Wettbewerbseröffnung, geboten, das der Abwägung eine die Belange des Zugangsbegehrenden unterstützende Vorprägung gibt.
3. Qualifizierte Anforderungen an die sachliche Rechtfertigung und Billigkeit von Zugangsbeschränkungen nach § 35 Abs. 2 Satz 2 TKG § 35 Abs. 2 Satz 2 TKG zufolge sind für besondere Netzzugänge die Bedingungen der Zugangsermöglichung, in denen eine Ungleichbehandlung oder eine Behinderung liegt, in zwei Kategorien einzuordnen. Die eine Kategorie sind Netzzugangsbeschränkungen im Sinne des § 35 Abs. 2 Satz 2 TKG, also Maßnahmen des Normadressaten, die physisch oder faktisch den Zugang zum gesamten Netz oder zu Teilen des Netzes, zu denen Zugang gewährt wird, beschränken. Zugang meint hier die erstmalige Zugangseröffnung an sich, nicht die fortwährende Nut135 BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 6 / 00, NVwZ 2001, S. 1399 (1406); Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 33 Rdnrn. 51 f. 136 Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 33 Rdnrn. 50, 84 und 99. 137 Entscheidung der Regulierungsbehörde vom 7. Juni 2000, Az. BK 3-2-99 / 033, MMR 2000, S. 500 (504). 138 Entscheidung der Regulierungsbehörde vom 7. Juni 2000, Az. BK 3-2-99 / 033, MMR 2000, S. 500 (508); Frank Joachim Mayer, Anmerkung zur Entscheidung der Regulierungsbehörde vom 7. Juni 2000, Az. BK 3-2-99 / 033, MMR 2000, S. 509 (512).
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zung138. Netzzugangsbeschränkungen in diesem Sinne können ausschließlich nach den Vorgaben „grundlegender Anforderungen“ im Sinne des Art. 3 Abs. 2 ONPRahmenrichtlinie 90 / 387 / EWG zu rechtfertigen beziehungsweise als billig einzustufen sein139. Die andere Kategorie umfasst demgegenüber Beschränkungen, die sich auf sonstigen Bedingungen der Zugangsgewährung beziehen, insbesondere auf die inhaltliche Ausgestaltung der fortwährenden Nutzung. Diese Beschränkungen sind keine Netzzugangsbeschränkungen im Sinne des § 35 Abs. 2 Satz 2 TKG und daher nach den allgemeinen, vorstehend unter 3. präsentierten Anforderungen gegebenenfalls zu rechtfertigen beziehungsweise als billig anzusehen.
4. Sachliche Rechtfertigung einer nicht nachgefragten Entbündelung, § 2 Satz 3 NZV Für den Fall des besonderen Netzzugangs ist der Normadressat gemäß § 2 Satz 3 NZV insoweit nicht zur nachgefragten Entbündelung verpflichtet, als er Tatsachen nachweist, aufgrund derer diese Verpflichtung im Einzelfall sachlich nicht gerechtfertigt ist. Diese Anspruchsbegrenzung betrifft mit dem Grad der Entbündelungsverpflichtung keine Bedingung der Zugangsgewährung, sondern den Leistungsumfang. Die sachlichen Rechtfertigungsgründe entsprechen allerdings denen für ungleiche oder behindernde Bedingungen der Zugangsgewährung: „grundlegende Anforderungen“ im Sinne des Art. 3 Abs. 2 ONP-Rahmenrichtlinie 90 / 387 / EWG, Kapazitätsvorbehalte, Gründe in der Person des Zugangsbegehrenden. Eine an dem Zielen des Telekommunikationsgesetzes, Wettbewerbseröffnung, ausgerichtete Interessenabwägung für jeden konkreten Entbündelungsfall beantwortet letztlich auch hier die Frage nach der Rechtfertigung einer Zugangsbeschränkung.
5. Kapazitätsvorbehalte Eine weitere Gruppe von Anspruchsbegrenzungen lässt sich unter dem Gesichtspunkt des Kapazitätsvorbehalts zusammenfassen140. Besondere Kapazitätslagen 139 Entscheidung der Regulierungsbehörde vom 7. Juni 2000, Az. BK 3-2-99 / 033, MMR 2000, S. 500 (508); Frank Joachim Mayer, Anmerkung zur Entscheidung der Regulierungsbehörde vom 7. Juni 2000, Az. BK 3-2-99 / 033, MMR 2000, S. 509 (512). 140 BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 6 / 00, NVwZ 2001, S. 1399 (1406); OVG Münster, Beschluss vom 7. Februar 2000, Az. 13 A 180 / 99, NVwZ 2000, S. 697 (701); die vereinzelt gebliebene Auffassung, der Kapazitätsvorbehalt sei als Unterfall der Sicherheit des Netzbetriebs oder der Aufrechterhaltung der Netzintegrität zu verstehen, sofern die Einhaltung dieser beiden grundlegenden Anforderungen dadurch gefährdet werde, so Karl-Michael Fuhr / Bärbel Kerkhoff, Entbündelter Zugang – Vereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG?, MMR 1998, S. 6 (8), ist mit der neueren verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung überholt.
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können den Anspruchsinhalt vom vollständig entbündelten Kupferdraht auf eine bestimmte Kapazitätsmenge reduzieren oder sogar zur gänzlichen Verweigerung der nachgefragten Zugangsermöglichung führen. Diese Kapazitätslagen können bereits vor Abschluss der Zugangsvertrages bekannt sein und insoweit bei Vertragsschluss berücksichtigt werden. Sie können sich aber auch erst im Laufe der Vertragsdurchführung auf Grund einer veränderten Nachfragelage ergeben. In der Konsequenz ist in einem solchen Fall an Kündigungsmöglichkeiten des Anspruchsverpflichteten und an dessen Recht auf Vertragsanpassungen zu denken. Darauf wird nachfolgend einzugehen sein, siehe unter 6. Der Anspruchsverpflichtete kann das Zugangsbegehren verweigern, wenn er beispielsweise über die begehrte Teilnehmeranschlussleitung nicht verfügt. Er wird also durch § 33 Abs. 1 TKG nicht zur Neuerrichtung von Netzteilen verpflichtet. Möglich ist, dass der Anspruchsverpflichtete eine einzige Kupferdoppelader auf der Strecke zwischen Hauptverteiler und Abschlusspunkt der Linientechnik für die Signalübertragung verschiedener Endkunden nutzt. Sie ist dann nicht die ausschließliche Verbindung zu einem Endkunden. Der Anspruchsverpflichtete kann das eine Kabel mehrfach nutzen, indem er eine kapazitätserhöhende Technik (Multiplexer) am Hauptverteiler vorschaltet. Begehrt der Wettbewerber Zugang zu einem Endkunden, der durch diese kapazitätsverstärkte Kupferdoppelader erreicht wird, ist der Anspruch von vornherein auf eine bestimmte Kapazitätsmenge begrenzt. Auch die Übertragungstechnik wird mitbenutzt und ist zu entgelten. Der Anspruchsinhalt, Ermöglichung des Zugangs zum unbeschalteten Draht, kann also nicht begehrt werden. Eine technische Besonderheit der Teilnehmeranschlussleitung besteht weiterhin darin, dass ihre Transportkapazität durch ein Beschalten mit besonderen technischen Einrichtungen erhöht werden kann, siehe Teil 2, Kapitel A. III. Der Netzeigentümer setzt eine bestimmte Technik ein und legt damit auch die Übertragungskapazität fest. Begehrt der Anspruchsberechtigte nun nicht die Nutzung des blanken Drahtes, sondern nur einen bestimmten Frequenzbereich und eine gewisse Transportkapazität, welche aber die vom Anspruchsverpflichteten erzeugte übersteigt, ist dieser grundsätzlich nicht zur Schaffung neuer, nachfrageadäquater Kapazitäten durch Einsatz einer anderen Technik verpflichtet141. Er kann das Zugangsbegehren ablehnen und den Anspruchsberechtigten auf vorhandene Kapazitäten verweisen. Diese Beschränkung gilt jedoch nicht, wenn der Anspruchsberechtigte die Kosten für den Einsatz der kapazitätserhöhenden Übertragungstechnik übernimmt und sich dieser auch ansonsten nicht nachteilig auf das Netz des Anspruchsverpflichteten auswirkt142. Wird mehr Kapazität nachgefragt, als tatsächlich vorhanden ist, und ist auch niemand bereit, die Kosten für den Einsatz einer kapazitätserhöhenden Technik zu tragen, muss das Vorhandene diskriminierungsfrei, also zu gleichen und nicht behindernden Bedingungen, unter den Nachfragern und, im Falle eines 141 Gerrit Manssen, in: Kommentar zum Telekommunikations- und Medienrecht, hrsg. v. Gerrit Manssen, Grundwerk 1999, Berlin Stand August 1999, § 33, Rdnr. 13. 142 Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 33 Rdnr. 57.
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Eigenbedarfs, dem Anspruchsverpflichteten aufgeteilt werden143. Der Netzeigentümer ist also aufgrund der Verpflichtung zur formalen internen Gleichbehandlung nicht befugt, sein Netz vorrangig vor Wettbewerbern für eigene Bedürfnisse zu nutzen. Diese Situation wird aber in der Praxis wegen der technischen Besonderheiten von Telekommunikationsnetzen, beispielsweise im Unterschied zu Gasnetzen144, selten auftreten. Regelmäßig wird es vielmehr zu einer Konstellationen des „line sharing“ kommen, in der neue Anbieter gerade selbst die kapazitätserhöhende Übertragungstechnik beschaffen und Teil ihrer Infrastruktur werden lassen. Sie benötigen dann lediglich Zugang zu einem bestimmten Frequenzband auf der Teilnehmeranschlussleitung, dass der Anspruchsverpflichtete über sogenannte Splitter erzeugt.
6. Kündigungsmöglichkeiten und Anpassung des Vertrages über den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung in Abhängigkeit zur Nachfragelage Vorstehend, siehe Abschnitt II., wurde der grundsätzliche Inhalt des Zugangsermöglichungsanspruchs herausgearbeitet. Im Hinblick auf den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung ist in § 33 Abs. 1 TKG allerdings ein Staffelungskonzept verankert: Es birgt Anspruchsbegrenzungen in Abhängigkeit von der Nachfragelage. Dem Grundsatz nach kann aus § 33 Abs. 1 TKG vollständig entbündelter Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung verlangt werden. Das Kupferkabel wird also aus dem Netz des Anspruchsverpflichteten herausgelöst und mit dem Netz des Anspruchsberechtigten verbunden. Dieser erlangt die Nutzungsbefugnis über das Kabel. Ihm steht die volle Kapazität, deren Umfang er zudem selbst technisch bestimmen kann, zur Verfügung. Dabei ist der Anspruchsberechtigte vom Nachweis eines konkreten Bedarfs an der vollen und von ihm technikbestimmten Kapa143 Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 6 / 00, NVwZ 2001, S. 1399 (1406); Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 33 Rdnrn. 55 f. 144 Gasnetze haben von vornherein ein endliches Transportvolumen und der Transportgegenstand „Gas“ kann auch nicht gebündelt und in Paketen verschnürt in das Gasnetz eingespeist werden. Die Verbändevereinbarung Erdgas II sieht in ihrer Anlage 5 Regeln für ein Engpassmanagement vor, d. h. Regeln für die Netzzugangsgewährung bei knappen Transportkapazitäten. Ist Kapazitätsbedarf durch einen Lieferantenwechsel des Endkunden entstanden, muss dieser Bedarf vorrangig befriedigt werden. Ansonsten gilt bei gleichartigen Netzzugangsanfragen der Grundsatz „first commited – first served“, bei ungleichartigen Netzzugangsanfragen finden Parallelverhandlungen mit allen Interessenten statt. Der Netzbetreiber wird sich für das aus seiner Sicht jeweils wirtschaftlich günstigste Angebot entscheiden. Besteht keine freie Transportkapazität zur vollständigen Deckung eines Transportbegehrens, kann der Netzzugangsinteressent vom Netzbetreiber verlangen, dass dieser ihm einen unterbrechbaren Netzzugangsvertrag anbietet. Dieser Lösungsvorschlag ist mangels technischer Vergleichbarkeit für den Telekommunikationssektor nicht fruchtbar zu machen. 145 BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 6 / 00, NVwZ 2001, S. 1399 (1406).
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zität befreit145. Realiter wird ein Anspruchsberechtigter vollständig entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung nur verlangen, wenn er einen Teilnehmer als Kunden gewinnen konnte, und zwar insbesondere für die Einstiegsdienste, Bereitstellung des Teilnehmeranschlusses und Sprachtelefonie. Nutzen kann der Anspruchsberechtigte den blanken Kupferdraht für alle Leistungen, die über den Teilnehmeranschluss technisch realisierbar sind (insbesondere Sprachtelefonie, Fax, Hochgeschwindigkeitsinternetzugänge, Mehrwertdienste). Ziel des Anspruchsberechtigten ist, über die Einstiegsdienste eine umfassende Kundenbeziehung aufzubauen und diesen für weitere Dienste zu gewinnen. Die Vorleistungskapazitäten in Gestalt der Teilnehmeranschlussleitung hält er solange vor. Indes kann es auch dem Anspruchsverpflichteten oder einem weiteren Wettbewerber gelingen, diesen Kunden in der Zwischenzeit ganz oder für eine bestimmte Dienstleistung (zurück)zuerobern. In diesem Fall kann der Anspruchsverpflichtete die Zugangsvereinbarung über die betreffende Teilnehmeranschlussleitung kündigen oder verlangen, sie unter Berücksichtigung der neuen Bedarfslage zu ändern. Diese Möglichkeit der Kündigung beziehungsweise Vertragsanpassung kann bereits Teil des Angebots zum Abschluss des Rahmenvertrages werden. Der Anspruch auf vollständig entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung reicht also „§ 33 Abs. 1 TKG-immanent“ nur soweit und besteht nur solange, wie die konkrete Nachfrage des Kunden nicht auf Dienste anderer Anbieter, den Anspruchsverpflichteten inbegriffen, überwechselt. Dem Anspruch auf vollständig entbündelten Zugang zur kupfernen Teilnehmeranschlussleitung wohnt also, soweit er nicht durch den aktuellen Bedarf des Anspruchsberechtigten getragen wird, eine inhaltliche und zeitliche Begrenzung inne. Diese Begrenzung wird dann aktualisiert, wenn sich die Nachfragelage ändert. Das ist in concreto der Fall, wenn der Endkunde Teilnehmeranschluss nebst Voreinstellung für Sprachtelefonie von einem anderen Diensteanbieter begehrt oder wenn andere Wettbewerber den Endkunden für weitere Dienste gewinnen konnten. In der Zeit bis zu dieser Aktualisierung hat der als erster sein Recht aus § 33 Abs. 1 TKG geltend machende Anspruchsberechtigte den Anspruch auf vollständig entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung. Denkbar ist allerdings auch, dass der Anspruchsberechtigte von vornherein gar nicht die gesamte blanke Kupferleitung anmieten, sondern nur einen bedarfsadäquaten Frequenzbereich nutzen möchte. Zählt Sprachtelefonie nicht zu seinem Diensteportfolio, weil er sich beispielsweise auf schnelle Internetzugänge spezialisiert hat, wird er nur einen breitbandigen Frequenzbereich anmieten wollen146. Der neue Anbieter kann auf der Grundlage des § 33 Abs. 1 TKG diese Teilnutzung ver146 Selbst wenn der Kunde „komplett“, also auch für Sprachtelefonie, zu dem neuen Anbieter wechseln möchte, wäre es unwirtschafltich, die gesamte Teilnehmeranschlussleitung anzumieten. Der neue Anbieter müsste dann – für ihn preislich unattraktiv – Sprachtelefondienste zukaufen, was das Gesamtangebot in kundenunattraktiver Weise verteuerte oder seine Gewinnmarge schmälerte. 147 Regulierungsbehörde, Beschluss vom 31. März 2001, Az. BK 3c-00 / 029, MMR 2001, S. 775 ff.; OVG Münster, Beschluss vom 23. August 2001, Az. 13 B 865 / 01, MMR 2001, S. 772 ff.
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langen und zwar im Sinne des „line sharing“147, siehe Teil 2, Kapitel A. V. 2. a). Er erlangt so eine teilweise Entscheidungsbefugnis über die einzusetzende Technik, die sich in der Auswahl und Kontrolle der Multiplexereinrichtung ausdrückt. Dies führt auch zur Bestimmung der Übertragungskapazität durch den neuen Anbieter. 7. Zusammenfassung Anspruchsbegrenzungen betreffen zum einen Bedingungen der Zugangsgewährung und zum anderen den Leistungsumfang. In den Bedingungen der Zugangsgewährung zum Ausdruck kommende Ungleichbehandlungen beziehungsweise Behinderungen können sachlich gerechtfertigt oder zumindest billig sein. Gründe dafür können insbesondere in „grundlegenden Anforderungen“ im Sinne des Art. 3 Abs. 2 ONP-Rahmenrichtlinie 90 / 387 / EWG oder in der Person des Zugangsbegehrenden liegen. Weitere Rechtfertigungsgründe sind denkbar. Allerdings sind Netzzugangsbeschränkungen im Sinne des § 35 Abs. 2 Satz 2 TKG ausschließlich aus „grundlegenden Anforderungen“ im Sinne des Art. 3 Abs. 2 ONP-Rahmenrichtlinie 90 / 387 / EWG legitimierbar. Die sachliche Rechtfertigung beziehungsweise die Billigkeit einer Zugangsbeschränkung ist im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung zu ermitteln, wobei der Gesetzeszweck, chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerb herzustellen, besonders zu berücksichtigen ist. Entsprechendes gilt für die sachliche Rechtfertigung eines nicht nachfragegerechten Entbündelungsangebotes. Im Hinblick auf den Leistungsumfang können weiterhin Kapazitätsvorbehalte anspruchsbegrenzend wirken. Ändert sich die Nachfragelage nach Abschluss des ersten Zugangsvertrages in Bezug auf eine bestimmte Teilnehmeranschlussleitung, kann dem Anspruchsverpflichteten ein Kündigungsrecht oder ein Anspruch auf eine bedarfsadäquate Vertragsanpassung zustehen.
IV. Anspruchsdurchsetzung Der privatrechtliche Anspruch aus § 33 Abs. 1 TKG auf eine diskriminierungsfreie Ermöglichung des Zugangs zu bestimmten Leistungen des Normadressaten kann auf dem Zivilrechtsweg verfolgt werden. Das gilt insbesondere für den Fall der Weigerung des Anspruchsverpflichteten, einen Netzzugangsvertrag zu bestimmten inhaltlichen Bedingungen abzuschließen. Ferner gilt dies auch für den Fall, dass zwar ein Netzzugangsvertrag besteht, indes nicht ordnungsgemäß durchgeführt wird, beispielsweise Störungen bei der Erfüllung von Leistungspflichten aufgetreten sind, nachträgliche Vertragsänderungen oder die Vertragsbeendigung 148 Entscheidung der Regulierungsbehörde vom 17. September 1998, Az. BK 3a-98 / 008, K&R 1998, S. 495 (497); Klaus W. Riehmer, Konfliktlösung bei Netzzugang und Zusammenschaltung in der Telekommunikation, MMR 1998, S. 59 (64); Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000,
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einseitig begehrt werden148. Von der Möglichkeit einer zivilgerichtlichen Anspruchsdurchsetzung ist die Sachgerechtigkeit eines solchen Vorgehens zu unterscheiden. Der unternehmerische Erfolg des Anspruchsberechtigten hängt maßgeblich von zwei Faktoren ab: Entscheidend ist die zeitnahe und störungsfreie „Belieferung“ mit den Leistungen des Anspruchsverpflichteten. Weigert sich letzterer, eine Netzzugangsvereinbarung zu treffen, bleibt dem Anspruchsberechtigten der Marktzutritt, und folglich die Geschäftsaufnahme, so lange versperrt, bis ein Vertragsschluss mit einem bestimmten Inhalt durchgesetzt werden konnte. Zudem trägt der Wettbewerber im Zivilprozess grundsätzlich die Darlegungsund Beweislast für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen. Dieser Umstand erschwert tendenziell seine Rechtsverfolgung. Zivilgerichtliche Verfahren, insbesondere wenn sie sich über mehrere Instanzen ziehen, erscheinen außerordentlich zeitintensiv. Dies wird besonders plastisch, wenn man sich vergegenwärtigt, dass der Anspruchsberechtigte auf Abgabe einer Willenserklärung klagt, nämlich auf Abgabe eines bestimmten Vertragsangebotes, und er zur vollständigen Anspruchsdurchsetzung auf die Zwangsvollstreckung angewiesen sein kann. Nach § 894 Abs. 1 Satz 1 ZPO wird die Abgabe der tenorierten Willenserklärung zwangsvollstreckend zwar fingiert, allerdings erst nach Rechtskraft des Urteils. Zeigt sich der Normadressat im Anschluss noch immer nicht kooperativ, was die Erfüllung seiner gerichtlich erzeugten vertraglichen Verpflichtungen angeht, muss der Anspruchsberechtigte in einem zweiten Schritt aus dem Netzzugangsvertrag auf Leistung klagen. Eil- und Hauptverfahren über zwei beziehungsweise drei Instanzen stehen dafür wieder offen. Deren Ergebnisse sind gegebenenfalls erneut mit den Mitteln der Zwangsvollstreckung149 durchzusetzen. Zu beachten ist, dass im äußersten Fall während der gesamten Verfahrensdauer (Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren über die Abgabe eines bestimmten Vertragsangebotes und über die Verpflichtung zur vertragskonformen Leistung) tatsächlich kein Zugang zu den nachgefragten Leistungen ermöglicht wird. Eine Wettbewerbseröffnung verzögerte sich entsprechend. Beendet oder unterbricht der Anspruchsverpflichtete die Belieferung mit der Zugangsleistung, schaltet er also beispielsweise die Teilnehmeranschlussleitung an einem Hauptverteiler ab, kann der Anspruchsberechtigte seine Kunden nicht mehr versorgen. Ist die vorübergehende Belieferung gegebenenfalls zwar im zivilgerichtlichen Eilverfahren zu erreichen, kann selbst dies zu lange dauern, um den betroffenen Kunden des Anspruchsberechtigten nicht zu verlieren. Die zivilgerichtliche Verfolgung des Zugangsermöglichungsanspruchs ist nach alledem mit dem Makel der wettbewerbsnachteiligen § 33 Rdnrn. 101 f.; Ernst-Joachim Mestmäcker / Heike Schweitzer, Netzwettbewerb, Netzzugang und „Roaming“ im Mobilfunk, Baden-Baden 1999, S. 50 f.; Peter N. Märkl, Netzzusammenschaltung, Baden-Baden 1998, S. 278, 280; Martin Geppert, in: Beck’scher TKGKommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 80, Rdnr. 16. 149 Das tatsächliche Herauslösen der konkreten Teilnehmeranschlussleitung aus dem Zugangsnetz des Normadressaten nebst Eingliederung in das Netz des Anspruchsberechtigten am Hauptverteiler in der Ortsvermittlungsstelle ist dabei eine vertretbare Handlung im Sinne des § 888 Abs. 1 ZPO, die auf dem Wege der Ersatzvornahme realisiert wird.
C. § 33 Abs. 1 TKG
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langen Verfahrensdauer behaftet und für den Anspruchsberechtigten kein wirtschaftlich sinnvoller Weg, seine Rechte durchzusetzen. Im Hinblick auf das Vorhandensein des jedenfalls auch der Realisierung des Netzzugangs dienenden öffentlich-rechtlichen Missbrauchsverfahrens gemäß § 33 Abs. 2 TKG stellt sich die Frage nach dessen Verhältnis zur Verfolgung des Anspruchs aus § 33 Abs. 1 TKG auf dem Zivilrechtsweg. Soweit ersichtlich, hat allein die Regulierungsbehörde in bislang einer Entscheidung ausgeführt, dass kein Stufenverhältnis zwischen Zivilrechtsweg und Missbrauchsverfahren dergestalt bestehe, vorgreiflich den Zivilrechtsweg zu beschreiten. Die Einleitung des öffentlich-rechtlichen Verfahrens nach § 33 Abs. 2 TKG setze, so die Regulierungsbehörde, also kein (erfolgloses) Beschreiten des Zivilrechtsweges voraus150. Daraus lässt sich zweierlei folgern: Erstens sind Zivilrechtsweg und Missbrauchsverfahren zwei selbständige Systeme, die den marktbeherrschend diensteanbietenden Netzbetreiber zur Einhaltung seiner Verpflichtungen aus § 33 Abs. 1 TKG bringen sollen. Die Einleitung des Missbrauchsverfahrens ist dabei weder ausgeschlossen, wenn der Zivilrechtsweg beschritten werden kann, noch ist dieser quasi als Vorverfahren zum Missbrauchsverfahren durchzuführen. Zweitens gibt es zwar für die Bindung anderer Staatsorgane an die Rechtskraftwirkung eines Zivilurteils keine allgemein gültigen Regeln151. § 121 VwGO enthält lediglich eine Aussage zur Bindung anderer Staatsorgane an ein rechtskräftiges verwaltungsgerichtliches Urteil. Bezüglich der Bedeutung einer rechtskräftigen Entscheidung eines Zivilgerichtes über das Bestehen eines Anspruchs aus § 33 Abs. 1 TKG oder die Durchführung eines Netzzugangsvertrages für die Regulierungsbehörde in einem späteren oder parallelen Missbrauchsverfahren lässt sich jedoch die Regel aufstellen: Die rechtskräftige Entscheidung des Zivilgerichtes ist für die Regulierungsbehörde nicht bindend. Die Regulierungsbehörde prüft vielmehr erneut und unabhängig, ob die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 TKG vorliegen, wenn sie über die Einleitung und den Abschluss eines Missbrauchsverfahrens nach § 33 Abs. 2 TKG entscheidet. Das ergibt sich aus den besonderen Aufgaben der Regulierungsbehörde, vor allem sachlich und räumlich relevante Märkte zu definieren, über diskriminierendes Verhalten marktbeherrschender Unternehmen zu wachen und im Wesentlichen durch die Entscheidung über Netzzugangsfragen die Wettbewerbsöffnung zu steuern. Zu einer eindirektionalen Berührung zivilgerichtlicher Verfahren mit der Tätigkeit der Regulierungsbehörde kann es allerdings nach § 80 Abs. 3 TKG in Verbindung mit § 90 Absätze 1 und 2 GWB kommen152. Zivilgerichte haben die Regulierungsbehörde über alle Rechtsstreitigkeiten, die sich aus dem Telekommunikationsgesetz ergeben, zu unterrichten; die Regulierungsbehörde kann einen 150 Entscheidung der Regulierungsbehörde vom 17. September 1998, Az. BK 3a-98 / 008, K&R 1998, S. 495 (496 f.). 151 Heinz Thomas, in: Kommentar zur Zivilprozessordnung, hrsg. v. Heinz Thomas und Hans Putzo, 21. Aufl., München 1998, § 322 Rdnr. 15. 152 Siehe dazu auch die Begründung zum Entwurf des Telekommunikationsgesetzes, BTDrucks. 13 / 3609, vom 30. Januar 1996, S. 1 (52).
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Vertreter des öffentlichen Interesses an den zivilgerichtlichen Verfahren partizipieren lassen. Dieser einseitige Informationsfluss ist eine Quelle der Regulierungsbehörde, die ihr Anhaltspunkte liefern kann, welche sich zum Einleiten eines Missbrauchsverfahrens verdichten oder in einem laufenden Verfahren zusätzlichen entscheidungserheblichen Stoff liefern können.
V. Zusammenfassung Zu den wesentlichen Anspruchsvoraussetzungen des Zugangsanspruchs nach § 33 Abs. 1 TKG gehört die Ermittlung des Normadressaten und des Anspruchsberechtigten. Normadressat des § 33 Abs. 1 TKG ist jedes Unternehmen, das Telekommunikationsdienstleistungen auf einem im konkreten Fall sachlich und räumlich relevanten Zugangsmarkt anbietet und diesen zugleich beherrscht. In Fällen des besonderen Netzzugangs muss das marktbeherrschende Unternehmen zugleich Netzbetreiber sein, § 35 Abs. 1 Satz 1 TKG. Anspruchsberechtigt ist jeder aktuelle oder potentielle Wettbewerber des Normadressaten, unabhängig davon, ob das Wettbewerbsverhältnis auf einem Endkundenmarkt oder ob es auf einem Zugangsmarkt besteht. Der Inhalt des Anspruchs aus § 33 Abs. 1 TKG wird durch zwei Matrizes bestimmt, den Vorgaben für den Zugangsgegenstand, die Leistung des Normadressaten, und den Vorgaben für die Bedingungen, zu denen die Zugangsermöglichung zu erfolgen hat. Vorgaben für den Zugangsgegenstand liefern der vorleistungsgeprägte Leistungsbegriff, das Wesentlichkeitskriterium und das Gebot nachfragegerechter Entbündelung. Die Zugangsermöglichung erfolgt durch Abschluss und Durchführung eines privatrechtlichen Vertrages zwischen dem Normadressaten und dem Anspruchsberechtigten. Wird der Leistungsgegenstand „Teilnehmeranschlussleitung an den Zugangpunkten Hauptverteiler, Kabelverzweiger oder Abschlusspunkt der Linientechnik“ und zwar in entbündelter Form begehrt, genügt der Anspruchsverpflichtete seiner Zugangsermöglichungsverpflichtung erst, wenn er ein entsprechendes inhaltlich bestimmtes Vertragsangebotes im Sinne des § 145 BGB abgegeben hat. § 33 Abs. 1 TKG normiert hinsichtlich dieser Fallkonstellation einen Kontrahierungs- und partiellen Inhaltsgestaltungszwang. Die zweite Matrix enthält insbesondere mit dem einheitlichen Diskriminierungsverbot Vorgaben für die Bedingungen, zu denen die Zugangsermöglichung zu erfolgen hat. Anspruchsbegrenzend können ungleiche oder behindernde Bedingungen der Zugangsgewährung sachlich gerechtfertigt beziehungsweise billig sein, wenn dies aus „grundlegenden Anforderungen“ im Sinne des Art. 3 Abs. 2 der ONP-Rahmenrichtlinie 90 / 387 / EWG, aus in der Person des Zugangsbegehrenden liegenden oder anderen Gründen im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung zu folgern ist. Entsprechendes gilt für die sachliche Rechtfertigung eines nicht nachfragegerechten Entbündelungsangebotes. Eine Kategorie von Bedingungen zur Zugangsgewährung, nämlich Netzzugangsbeschränkungen im Sinne des § 35 Abs. 2 Satz 2 TKG, sind allein aus besagten „grundlegenden Anforderungen“ zu rechtfertigen. Auch der Leistungsumfang kann durch Kapazitätsvorbehalte begrenzt sein.
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Verändert sich nach Abschluss des ersten Zugangsvertrages die Nachfragelage bezüglich einer Teilnehmeranschlussleitung, kann dem Anspruchsverpflichteten ein Recht auf Kündigung oder bedarfsadäquater, nicht diskriminierender Vertragsanpassung zustehen. § 33 Abs. 1 TKG statuiert ein Staffelungskonzept, das bei mehrpoliger Nachfragelage zu einem „line sharing“ führt. Für die Durchsetzung seines Anspruchs auf Zugangsermöglichung – durch Abschluss eines Netzzugangsvertrages oder durch dessen diskriminierungsfreie und vertragskonforme Durchführung – steht dem Anspruchsberechtigten der Zivilrechtsweg offen. Dieser erweist sich allerdings häufig als zu zeitintensiv und damit ineffektiv.
D. § 33 Abs. 2 TKG: Ermächtigungsgrundlage zur besonderen Missbrauchsaufsicht Zugang zu bestimmten Leistungen des Normadressaten des § 33 TKG kann der Zugangsbegehrende auf zwei konzeptionell verschiedenen Wegen erlangen. Der erste ist der im vorhergehenden Kapitel C. beschriebene privatrechtliche Weg nach § 33 Abs. 1 TKG, für den Fall des besonderen Netzzugangs in Verbindung mit § 35 Abs. 1 Sätze 1, Abs. 2 TKG und § 2 NZV. Der zweite Weg ist öffentlich-rechtlicher Natur und stellt einen Teil der Missbrauchsaufsicht durch die Regulierungsbehörde nach § 33 Abs. 2 TKG dar. Das förmliche Verwaltungsverfahren153 kann dabei mit einer Beanstandungsverfügung154 nach § 33 Abs. 2 Satz 2 TKG enden. Stellt der Verfügungsadressat das beanstandete Verhalten nicht ab, kann verfahrensabschließend die eigentliche Missbrauchsverfügung nach § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG ergehen. Tatbestandlich setzt die Ermächtigungsgrundlage des § 33 Abs. 2 TKG insbesondere einen Verstoß des Normadressaten gegen dessen privatrechtliche Verpflichtungen aus § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG voraus (I.). Von der Rechtsfolgenseite her betrachtet ist § 33 Abs. 2 TKG als Ermessensnorm konzipiert. Diese Feststellung trifft sowohl für die Verfahrenseinleitung als auch für dessen Abschluss durch die Beanstandungs- oder die Missbrauchsverfügung zu. Die Ermessensausübung der Regulierungsbehörde und der Regelungsgehalt dieser Verfügungen stehen vorliegend im Zentrum des Interesses (II.). Sucht der Verfügungsadressat Rechtsschutz, muss er einige insbesondere verfahrensrechtliche Besonderheiten beachten (III.).
153 Annette Weber / Jürgen Rommersbach, in: Kommentar zum Telekommunikations- und Medienrecht, hrsg. v. Gerrit Manssen, Grundwerk 1999, Berlin Stand August 1999, § 74, Rdnrn. 1, 6. 154 Synonym wird die Bezeichnung Abmahnungsverfügung gebraucht.
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I. Tatbestandsvoraussetzungen des § 33 Abs. 2 TKG Jede Ermessensbetätigung der Regulierungsbehörde, sei es zur Verfahrenseinleitung, sei es zur Verfahrensbeendigung, setzt eine Prüfung der Tatbestandsseite des § 33 Abs. 2 Satz 1 TKG voraus. Ein Verstoßverhalten des Normadressaten gegen dessen privatrechtliche Verpflichtungen aus § 33 Abs. 1 TKG bildet dabei eine von zwei Tatbestandsvoraussetzungen. Die andere besteht aus dem missbräuchlichen Ausnutzen der marktbeherrschenden Stellung durch den Normadressaten. Alle für die Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen – und der Ermessensausübung (siehe unten Abschnitt II.) – entscheidungserheblichen Tatsachen ermittelt die Regulierungsbehörde umfassend von Amts wegen155. Gleiches gilt für Beweiserhebungen. Dabei ist die Behörde an den Vortrag der Beteiligten und deren Beweisangebote nicht gebunden. Dieser Untersuchungsgrundsatz ist in § 76 Abs. 1 TKG verankert.
1. „Anbieter, der gegen § 33 Abs. 1 TKG verstößt“ Dass der Normadressat sich nicht an seine privatrechtlichen Verpflichtungen aus § 33 Abs. 1 TKG gegenüber dem zugangbegehrenden Wettbewerber hält, wird zur Tatbestandsvoraussetzung des § 33 Abs. 2 TKG erhoben. Auf diese Weise stellt der Gesetzgeber eine sichtbare Beziehung her zwischen dem normativ geschaffenen privatrechtlichen Zugangsermöglichungsanspruch und der Ermächtigungsgrundlage für die besondere Missbrauchsaufsicht. Die Anspruchsvoraussetzungen (Normadressat und Normberechtigter) sind in Kapitel C. I. eingehend untersucht worden. Insofern wird auf die vorgehenden Ausführungen verwiesen. Gleiches gilt für den in Abschnitt II. erarbeiteten Anspruchsinhalt (Zugangsermöglichung zu wesentlichen, nachfragegerecht entbündelten (Vor-)Leistungen des Normadressaten zu diskriminierungsfreien Bedingungen). Ein Verstoß des Normadressaten gegen seine Verpflichtung zur Zugangsermöglichung aus § 33 Abs. 1 TKG kann zum einen in der vollständigen Weigerung liegen, dem Anspruchsberechtigten Zugang zum nachgefragten Leistungsgegenstand zu gewähren. Zum anderen kann ein solches Verstoßverhalten darin liegen, dass der Normadressat ohne sachliche Rechtfertigung beziehungsweise unbilligerweise den Zugang zum nachgefragten Leistungsgegenstand nur zu diskriminierenden Bedingungen ermöglichen möchte. Desweiteren kann auch die Gewährung bloß eines nicht nachgefragten Leistungsumfangs, beispielsweise einer gebündelten anstelle der begehrten entbündelten Leistung, gegen die Verpflichtung aus § 33 Abs. 1 TKG verstoßen.
155 Bärbel Kerkhoff, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 76, Rdnrn. 1 – 3; Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 33 Rdnr. 98.
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2. „Soweit dieser Anbieter seine marktbeherrschende Stellung missbräuchlich ausnutzt“ Allein ein Verstoß gegen die privatrechtliche Verpflichtung zur Zugangsermöglichung zu wesentlichen, nachfragegerecht entbündelten (Vor-)Leistungen unter diskriminierungsfreien Bedingungen löst noch nicht die Missbrauchsaufsicht der Regulierungsbehörde aus. Hinzutreten muss jedenfalls noch ein missbräuchliches Verhalten. § 33 Abs. 2 TKG fordert zudem die Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung. Ein Missbrauch der beherrschenden Stellung in dem jeweiligen relevanten Markt wird nach § 33 Abs. 2 Satz 3 TKG widerlegbar vermutet, wenn der Normadressat gegen ein Element des Diskriminierungsverbots des § 33 Abs. 1 TKG verstößt, nämlich gegen das Verbot formaler interner Ungleichbehandlung, ohne sachliche Rechtfertigung. Wie Kapitel C. II. und III. zeigt, ist der Normadressat verpflichtet, die (konzern-)interne Nachfrage nach bestimmten (Vor-)Leistungen zu denselben Bedingungen zu bedienen wie die externe, d. h. von Zugangsbegehrenden stammende, Nachfrage. Das Missbrauchsverhalten muss also nicht mehr positiv festgestellt zu werden, wenn ein Verstoß gegen § 33 Abs. 1 TKG gerade in der Zugangsermöglichung zu formal ungleichen Bedingungen im Verhältnis Normadressat – Wettbewerber erfolgt. Anders gewendet genügt ein solcher Verstoß gegen § 33 Abs. 1 TKG, um ein Missbrauchsverhalten für § 33 Abs. 2 TKG annehmen zu können. Es drängt sich daher die Frage auf, ob in jeder nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung beziehungsweise unbilligen Behinderung im Sinne des § 33 Abs. 1 TKG ein Missbrauchsverhalten des Normadressaten liegt. Dies ist im Sinne einer Indizwirkung zu bejahen. Äußert sich der Verstoß gegen § 33 Abs. 1 TKG in einer nicht gerechtfertigten beziehungsweise unbilligen Diskriminierung des Anspruchsberechtigten, ist darin ein gewichtiges Indiz für die Annahme eines Missbrauchsverhaltens nach § 33 Abs. 2 TKG zu sehen. Dieses Missbrauchsverhalten ist allerdings zusätzlich positiv festzustellen. Verweigert der Normadressat die Zugangsermöglichung an sich, ohne dass dies ausnahmsweise im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung (siehe Kapitel C. III.) sachlich gerechtfertigt wäre, liegt darin per se ein Missbrauchsverhalten. Im Ergebnis müssen also keine über das Fehlen von Rechtfertigungsgründen beziehungsweise über die Bejahung von Unbilligkeit hinausgehenden, besonderen negativ qualifizierenden Verhaltensmerkmale des Normadressaten vorliegen, um ein Missbrauchsverhalten zu konstatieren. Mit der Bejahung eines solchen, die Marktmacht missbrauchenden Verhaltens ist allerdings noch nicht über das Ausnutzen der Marktmacht befunden. Insofern sind weitere negativ qualifizierende Verhaltensmerkmale des Normadressaten sehr wohl gefordert. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich klargestellt und bestimmt, unter welchen Voraussetzungen eine marktbeherrschende Stellung in einem monopolisierten Markt ausgenutzt wird. Das sei, so das Gericht, dann der Fall, wenn „der Marktbeherrscher ein Marktergebnis durchsetzen will, welches er bei einem funktionsfähigen Wettbewerb nicht erreichen könnte“156. In den diskriminie156
BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 6 / 00, NVwZ 2001, S. 1399 (1406).
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renden Bedingungen, zu denen der Normadressat den Zugang zu bestimmten Leistungen ermöglichen möchte, muss ein Benutzen seiner Marktmacht in wettbewerbsschädlicher Absicht zu sehen sein. Zutreffend führt das Gericht aus, dass es genügt, wenn der Normadressat auf dem relevanten Markt eine Monopolstellung inne hat und zur Festigung dieser Monopolstellung handelt157. In Anbetracht der strukturellen Gegebenheiten auf dem hier interessierenden Zugangsmarkt für die Nutzung der entbündelten kupfernen Teilnehmeranschlussleitung, auf dem die Deutsche Telekom AG über ein Monopol verfügt, ist grundsätzlich ein Ausnutzen der Marktmacht durch den Normadressaten als Prüfungsergebnis für den Einzelfall erwartbar. Verweigert der Normadressat die Zugangsermöglichung an sich, verhindert er damit nämlich jedweden Zutritt potentieller Wettbewerber auf Endkundenmärkten, die auf seine Vorleistungen angewiesen sind. Dies hat Indizwirkung für ein Ausnutzen der Monopolstellung.
3. Zwischenergebnis Ein Verstoß des Normadressaten gegen dessen privatrechtlichen Verpflichtungen aus § 33 Abs. 1 TKG ist Tatbestandsvoraussetzung für die Missbrauchsaufsicht nach § 33 Abs. 2 TKG und hat zugleich Indizwirkung für das weitere Tatbestandselement: Missbrauch der beherrschenden Stellung auf dem relevanten Markt. Für den besonderen Verstoß gegen § 33 Abs. 1 TKG in Gestalt des Verbots formaler interner Ungleichbehandlung, die sachlich nicht zu rechtfertigen ist, wird der Missbrauch sogar widerlegbar vermutet, § 33 Abs. 2 Satz 3 TKG. Weiterhin nutzt der Normadressat seine beherrschende Stellung auf dem relevanten Markt erst aus, wenn er ein Marktergebnis durchsetzen will, welches er bei einem funktionsfähigen Wettbewerb nicht erreichen könnte. Hat der Normadressat auf dem relevanten Markt eine Monopolstellung inne, genügt es, wenn er zur Festigung dieser Monopolstellung die Zugangsermöglichung verweigert, sie bloß zu diskriminierenden Bedingungen oder nicht in Bezug auf den nachgefragten Leistungsumfang gewährt.
II. Rechtsfolgen Der Gesetzgeber hat § 33 Abs. 2 TKG als Ermessensnorm konzipiert. Sowohl die Verfahrenseinleitung als auch dessen Abschluss sind in das pflichtgemäße Ermessen der Regulierungsbehörde gestellt. Einleitend betätigt sie ihr Entschließungsermessen, verfahrensabschließend ihr Auswahlermessen. Die verfahrensabschließenden Entscheidungen der Regulierungsbehörde, die Beanstandungsverfügung nach § 33 Abs. 2 Satz 2 TKG beziehungsweise die Missbrauchsverfügung, ergehen als Verwaltungsakte, § 73 Abs. 1 Satz 2 TKG. 157
Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 6 / 00, NVwZ 2001, S. 1399 (1406).
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1. Entschließungsermessen Das Missbrauchsverfahren nach § 33 Abs. 2 TKG ist als Amtsverfahren angelegt, d. h. es wird nicht durch den Antrag eines Verfahrensbeteiligten eingeleitet, sondern nach pflichtgemäßem Ermessen der Regulierungsbehörde158. Sie kann das förmliche Missbrauchsverfahren eröffnen, wenn Anhaltspunkte für die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 1 TKG vorliegen. Solche Anhaltspunkte können der Regulierungsbehörde auf unterschiedlichen Wegen zur Kenntnis gelangen. So wenden sich meist zugangsbegehrende Wettbewerber mit der Schilderung eines behaupteten Missbrauchsverhaltens der Deutsche Telekom AG an die Behörde. Auch Vereinbarungen über Netzzugänge zwischen Marktbeherrscher und Wettbewerbern, die der Regulierungsbehörde gemäss § 35 Abs. 1 Satz 3 1. Halbsatz TKG schriftlich vorzulegen sind, können entsprechende Anhaltspunkte bergen. Regelmäßig führt die Regulierungsbehörde eigene Marktbeobachtungen und Vorfeldermittlungen durch, die Anhaltspunkte für ein Missbrauchsverhalten des Marktbeherrschers zu Tage fördern können159. Das öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnis zwischen Regulierungsbehörde, dem potentiellen Verfügungsadressaten und anderen Beteiligten entsteht nach Ausübung des Entschließungsermessens mit der Mitteilung über die Verfahrenseinleitung160. Dieses Konzept des Amtsverfahrens steht in inhaltlichem Widerspruch zu Art. 16 Abs. 4 ONP-Sprachtelefondienst-Richtlinie 98 / 10 / EG, welcher ein echtes Antragsrecht für Beteiligte vorsieht und die nationalen Regulierungsbehörden auf einen entsprechenden Antrag hin zum Einschreiten verpflichtet. Beteiligt ist jedenfalls ein Zugang begehrender Wettbewerber des marktbeherrschenden Unternehmens. Nach dem Grundsatz gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung nationalen Rechts, siehe Teil 1 Kapitel B. II., ist nach einem Anknüpfungspunkt in § 33 TKG für die Entfaltung der gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtung zur Verfahrenseinleitung zu suchen. Das Missbrauchsverfahren betrifft ein dreipoliges Rechtsverhältnis zwischen Regulierungsbehörde, Marktbeherrscher und Wettbewerber. Die auf § 33 Abs. 2 Satz 1 TKG gestützten Verfügungen richten sich zwar auch gegen 158 Annette Weber / Jürgen Rommersbach, in: Kommentar zum Telekommunikations- und Medienrecht, hrsg. v. Gerrit Manssen, Grundwerk 1999, Berlin Stand August 1999, § 74, Rdnr. 6; Bärbel Kerkhoff, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 74, Rdnr. 9; Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKGKommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 33 Rdnr. 90; ausdrücklich offen gelassen in der Entscheidung der Regulierungsbehörde vom 17. September 1998, Az. BK 3a-98 / 008, K&R 1998, S. 495 (496). 159 Annette Weber / Jürgen Rommersbach, in: Kommentar zum Telekommunikations- und Medienrecht, hrsg. v. Gerrit Manssen, Grundwerk 1999, Berlin Stand August 1999, § 74, Rdnrn. 1, 16. 160 Bärbel Kerkhoff, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 74, Rdnr. 16; Annette Weber / Jürgen Rommersbach, in: Kommentar zum Telekommunikations- und Medienrecht, hrsg. v. Gerrit Manssen, Grundwerk 1999, Berlin Stand August 1999, § 74, Rdnr. 18.
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den Marktbeherrscher, regeln aber unmittelbar auch die Marktzutrittsbedingungen für Wettbewerber, insbesondere durch Netzzugang. Diese Normen begünstigen somit neue Anbieter. § 33 Abs. 2 TKG dient dabei nicht bloß dem öffentlich-rechtlichen Zweck der Wettbewerbseröffnung, von der neue Anbieter reflexartig profitierten. Vielmehr formuliert § 2 Abs. 2 Nr. 1 TKG als Regulierungsziel ausdrücklich die Wahrung der Interessen der Nutzer. Wettbewerber sind, wie in Kapitel C. I. ausgeführt, besondere Nutzer im Sinne der Regulierungsvorschriften. Maßstäbe für die ordnungsgemäße Ausübung pflichtgemäßen Ermessens sind insbesondere die in § 2 TKG abgefassten Regulierungsziele. Folglich ist § 33 Abs. 2 TKG zumindest auch dem Schutz der Individualinteressen der Wettbewerber zu dienen bestimmt. § 33 Abs. 2 Satz 1 TKG kann somit dahingehend gemeinschaftsrechtskonform ausgelegt werden, dass ein subjektiv-öffentliches Recht der Wettbewerber auf Verfahrenseinleitung besteht. Damit haben die nach § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG privatrechtlich anspruchsberechtigten Marktteilnehmer ein subjektivöffentliches Recht auf Einleitung eines Missbrauchsverfahrens gegenüber der Regulierungsbehörde. „Kann“ im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 1 TKG ist im Hinblick auf das Entschließungsermessen gemäß Art. 16 Abs. 4 ONP-Sprachentelefondienst-Richtlinie 98 / 10 / EG gemeinschaftsrechtskonform dahin auszulegen, dass eine Ermessensreduzierung auf Null erfolgt, wenn ein nach § 33 Abs. 1 TKG Anspruchsberechtigter einen „Einleitungsantrag“ an die Regulierungsbehörde richtet. Die Behörde hat dann ein förmliches Missbrauchsverfahren einzuleiten161. Bei der Ausübung ihres Entschließungsermessens über die Verfahrenseinleitung kann die Regulierungsbehörde jedenfalls für den Fall eines „Einleitungsantrags“ aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen die Eröffnung des Missbrauchsverfahrens nicht mit der Verweisung des Wettbewerbers auf den Zivilrechtsweg ablehnen. Im Übrigen ist ein Verweis auf den Zivilrechtsweg ohnehin bedenklich. Es erscheint fraglich, ob Wettbewerber ihre privaten Rechte tatsächlich und in zumutbarer Weise auch auf diesem Rechtsweg durchsetzen können162. Vor allem der langen Dauer des Erkenntnisverfahrens über drei Instanzen mit vorgeschaltetem Eilrechtsschutz in zwei Instanzen, den Darlegungs- und Beweislastregeln des Zivilprozesses und dem sich gegebenenfalls anschließenden Zwangsvollstreckungsverfahren kommt insoweit besondere Bedeutung zu163.
161 Vgl. Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 33 Rdnr. 90. 162 Entscheidung der Regulierungsbehörde vom 17. September 1998, Az. BK 3a-98 / 008, K&R 1998, S. 495 (496); Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 33 Rdnr. 91. 163 So auch die Entscheidung der Regulierungsbehörde vom 17. September 1998, Az. BK 3a-98 / 008, K&R 1998, S. 495 (496); Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 33 Rdnrn. 91 f.
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2. Auswahlermessen Erhärten sich die Anhaltspunkte für das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 1 TKG im Laufe des Verfahrens, stellt die Regulierungsbehörde das Missbrauchsverfahren ein. Andernfalls wird sie regelmäßig gegen den Marktbeherrscher einschreiten. Nach § 33 Abs. 2 Satz 2 TKG hat sie dieses Einschreiten zunächst in einer Beanstandungsverfügung zu kanalisieren, deren Anordnungsgehalt sie wiederum nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt164. Dieser Verwaltungsakt stellt das Verstoßverhalten gegen § 33 Abs. 1 TKG sowie das ausnutzende Missbrauchsverhalten nach § 33 Abs. 2 Satz 1 TKG fest, beanstandet das Gesamtverhalten und fordert zu dessen Abstellung durch konkret bezeichnete Handlungen auf165. Dazu wird dem Unternehmen eine regelmäßig knapp bemessene Frist gesetzt. Der regelnde Charakter der Beanstandungsverfügung, d. h. die in ihr liegende ungünstige Veränderung der Rechtsstellung des Verfügungsadressaten, besteht darin, dass bei Nichtbefolgung mit dem Erlass der bußgeldbewehrten und zwangsweise durchsetzbaren Missbrauchsverfügung nach § 33 Abs. 2 Satz 1 TKG zu rechnen ist166. Diese gesetzlich vorgesehene Abmahnung gibt dem Marktbeherrscher die Möglichkeit, das beanstandete Verhalten freiwillig abzustellen. Bleibt der Verpflichtete bei seinem bisherigen Verhalten oder hinter der Aufforderung zurück, kann die Regulierungsbehörde die eigentlichen Missbrauchsverfügung nach § 33 Abs. 2 Satz 1 TKG erlassen. Dazu hat sie ihr Auswahlermessen erneut pflichtgemäß auszuüben. Ihr stehen mehrere Anordnungsoptionen zur Auswahl. Sie kann dem Verfügungsadressaten ein bestimmtes Verhalten auferlegen oder untersagen sowie bereits getroffene Zugangsvereinbarungen privatrechtsgestaltend167 für unwirksam erklären. Auch den konkreten Inhalt der einzelnen Anordnung hat die Regulierungsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen. Leitlinien für die Ermessensausübung sind dabei die in § 2 TKG abgefassten Regulierungsziele. Die ausgewählte Anordnung muss an sich und in ihrem konkreten Verpflichtungsgehalt verhältnismäßig sein. Darin liegt ein beachtliche Öffnung des einfachen Rechts für grundrechtliche Vorgaben. § 33 Abs. 2 ist also keine einfachgesetzliche Rechtsschicht, die für grundrechtliche Werte per se undurchlässig oder abweisend wäre. Weiterhin ist auch die Möglichkeit einer Ermessensreduzierung des Auswahlermessens, im Extremfall auf Null, denkbar. 164 Klaus Lammich, Telekommunikationsgesetz-Kommentar, Grundwerk 1997, Neuwied u. a., Stand: Mai 1999, § 33 Rdnr. 11; Gerrit Manssen, in: Kommentar zum Telekommunikations- und Medienrecht, hrsg. v. Gerrit Manssen, Grundwerk 1999, Berlin Stand August 1999, § 33, Rdnr. 19; Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 33 Rdnr. 88. 165 BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 6 / 00, NVwZ 2001, S. 1399 (1400 f.); OVG Münster, Urteil vom 7. Februar 2000, Az. 13 A 180 / 99, NVwZ 2000, S. 697. 166 So ausdrücklich OVG Münster, Urteil vom 7. Februar 2000, Az. 13 A 180 / 99, NVwZ 2000, S. 697. 167 Gerrit Manssen, in: Kommentar zum Telekommunikations- und Medienrecht, hrsg. v. Gerrit Manssen, Grundwerk 1999, Berlin Stand August 1999, § 33, Rdnr. 20.
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Dann wäre die Regulierungsbehörde zum Treffen einer Missbrauchsverfügung gegen den Marktbeherrscher mit einem bestimmten Anordnungsinhalt verpflichtet. Der Wettbewerber hätte einen entsprechenden öffentlich-rechtlichen Anspruch gegen die Regulierungsbehörde aus § 33 Abs. 2 Satz 1 TKG, den er mit einer Verpflichtungsklage im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gegen die Regulierungsbehörde verfolgen könnte168. Die Missbrauchsverfügung ist nach § 96 Abs. 1 Nr. 7 TKG bußgeldbewehrt. Sie kann in ihrem Regelungsgehalt mit den Mitteln des Verwaltungszwanges durchgesetzt werden169 oder unmittelbar privatrechtsgestaltende Wirkung haben170. Auf die von § 33 Abs. 2 Satz 1 TKG vorgesehenen Anordnungsoptionen ist im Folgenden einzugehen. Für den zu untersuchenden Fall des Zugangs zur entbündelten Teilnehmeranschlussleitung interessiert die Option, ein konkretes Verhalten aufzuerlegen, besonders.
a) Bestimmtes Verhalten auferlegen Die Gebotsverfügung kann die Leistung und den Leistungsumfang im Sinne von § 33 Abs. 1 TKG bestimmen, zu denen Zugang zu gewähren ist, und konkrete Vorgaben für die Art und Weise der Zugangsermöglichung formulieren, also technische, betriebliche und ökonomische Bedingungen festlegen171. Die Regulierungsbehörde kann die konkrete Anordnung treffen, ein näher bestimmtes Verhalten vorzunehmen, das zum Beenden der festgestellten missbräuchlichen Ausnutzung der Marktmacht gegenüber einem näher bestimmten Personenkreis führt. Dies kann beispielsweise in der Erzeugung der Handlungsverpflichtung liegen, ein inhaltlich näher beschriebenes, nachfragegerechtes Vertragsangebot172 auf entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung am Hauptverteiler, am Kabelverzweiger oder am Abschlusspunkt der Linientechnik abzugeben. Diese Verpflich168 Vgl. Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 33 Rdnr. 90. 169 Gerrit Manssen, in: Kommentar zum Telekommunikations- und Medienrecht, hrsg. v. Gerrit Manssen, Grundwerk 1999, Berlin Stand August 1999, § 33, Rdnr. 19. 170 Rechtsgestaltende Verwaltungsakte sind eines Vollzugs weder zugänglich noch bedürftig, da sie die Rechtsgestaltung unmittelbar herbeiführen und damit den Vollzug gleichsam in sich tragen, BVerwGE 13, S. 8 ff. 171 Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 33 Rdnrn. 87, 96. 172 Das Bundesverwaltungsgericht, BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 6 / 00, NVwZ 2001, S. 1399 (1400 f.); spricht ausdrücklich von einem „Vertragsangebot“; und führt, wie auch die Vorinstanz, OVG Münster, Beschluss vom 7. Februar 2000, Az. 13 A 180 / 99, NVwZ 2000, S. 697 (697 f.), keine Diskussion über die privatrechtlichen Kategorien des geforderten Angebotes, echtes Vertragsangebot im Sinne des § 145 BGB versus nur Verpflichtung, inhaltlich strukturierte Vertragsverhandlungen ergebnisorientiert durchzuführen, wie noch das Verwaltungsgericht Köln in der ersten Instanz des Verfahrens, VG Köln, Urteile vom 5. November 1998, Az. 1 K 5943 / 97, Az. 1 K 5929 / 97 und Az. 1 K 5942 / 97, RTkom 1999, S. 35 (37).
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tung kann sich zum einen auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Verfügungsadressaten und einem konkreten Wettbewerber beziehen und zu dessen Gunsten auf Abschluss eines Rahmenvertrages gerichtet sein oder auf eine Einzelvereinbarung für eine konkrete Teilnehmeranschlussleitung abstellen. Die Regulierungsbehörde macht mit dieser Anordnung einer bestimmten Netzzugangsgewährung dem Normadressaten das in § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG privatrechtlich auferlegte Verhalten nunmehr öffentlich-rechtlich zur Pflicht. Inhaltlich kann sie dabei dem Marktbeherrscher keine umfangreichere Netzzugangsverpflichtung auferlegen als der Privatrechtsgesetzgeber mit § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG. Es besteht also eine inhaltliche Kongruenz zwischen der Missbrauchsverfügung im dreipoligen Verwaltungsverhältnis und dem zivilrechtlichen Netzzugangsanspruch in der gleichgeordneten Bürger-Bürger-Beziehung. Die Rechtsnatur der inhaltlich deckungsgleichen Verhaltensgebote ist jedoch verschieden und daran anknüpfend auch das Instrumentarium zur Gebotsdurchsetzung im Verweigerungsfall. Vergleicht man die öffentlichrechtliche Anordnungsbefugnis gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 TKG und den privatrechtlichen Zugangsanspruch aus § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG mit Schwertern, so sind beide gleichlang, aber unterschiedlich scharf. Eine vollziehbare Missbrauchsverfügung ist mittels Verwaltungszwangs durchsetzbar173. Ein Zuwiderhandeln ist als Ordnungswidrigkeit sanktioniert, § 96 Abs. 1 Nr. 7 TKG, und kann mit einer Geldbuße von bis zu fünfhunderttausend Euro geahndet werden, § 96 Abs. 2 TKG. Die Missbrauchsverfügung ist damit in einer Weise konzipiert, die Wettbewerbern schneller tatsächlichen Zugang zum Netz eröffnet als ein privatrechtliches Vorgehen174. Zum anderen kann sich die Anordnung auf die Inhalte und Bedingungen beziehen, die Gegenstand aller Netzzugangsvereinbarungen des Verfügungsadressaten mit sämtlichen aktuellen und potentiellen Normbegünstigten werden müssen. Die Missbrauchsverfügung in Gestalt der Verhaltensauflage ist die einschneidenste Verfügungsoption der Regulierungsbehörde. Sie ist in dem Befugniskanon des Bundeskartellamts zur allgemeinen Missbrauchsaufsicht nach § 32 GWB nicht vorgesehen. Die weitergehenden Befugnisse der mit spezieller Sachkunde aus173 Der Frage, ob in der Erzeugung der Handlungsverpflichtung, ein inhaltlich näher beschriebenes, nachfragegerechtes Vertragsangebot abzugeben, eine privatrechtsgestaltende Regelung zu sehen ist, ist bislang – soweit ersichtlich – nicht nachgegangen worden. Sie klingt allenfalls in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster an, „diese – regelnde – Verpflichtungsbegründung tritt mit Wirksamkeit des Bescheides ein, so dass mit ihr die Rechtsgestaltung vollzogen ist“, OVG Münster, Beschluss vom 7. Februar 2000, Az. 13 A 180 / 99, NVwZ 2000, S. 697. Nimmt man einen privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt an, wäre das Vertragsangebot mit dessen Wirksamkeit in der Rechtswelt und müsste vom Wettbewerber nur noch angenommen werden, um den Zugangsvertrag zustandezubringen. Nimmt man dies nicht an, wäre die Abgabe einer inhaltlich fest bestimmten Willenserklärung als vertretbare Handlung einzuordnen, so Kurt Stöber, in: Kommentar zur Zivilprozessordnung, hrsg. v. Richard Zöller, 21. Aufl., Köln 1999, § 888 Rdnr. 3, und mittels Ersatzvornahme zu vollstrekken. Dies könnte durch eine entsprechende Anordnung der Vollstreckungsbehörde erfolgen. 174 OVG Münster, Urteil vom 7. Februar 2000, Az. 13 A 180 / 99, NVwZ 2000, S. 697 (698).
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gestatteten Regulierungsbehörde sind jedoch durch deren Aufgabe legitimiert, den Wettbewerb auf den Telekommunikationsmärkten zeitnah und aktiv gestaltend zu fördern175. b) Verhalten untersagen Mit einer Untersagungsverfügung wird der Marktbeherrscher verpflichtet, ein bestimmtes Verhalten zu unterlassen. Ihm werden damit aber keine positiven Vorgaben für Verhaltensoptionen gemacht. Hätte die Regulierungsbehörde lediglich die Möglichkeit, Untersagungsverfügungen anzuordnen, könnte im Extremfall der Marktbeherrscher alle möglichen (Missbrauchs-)Konstellationen auf ihren Bestand vor der Aufsicht durch die Regulierungsbehörde durchtesten. Die Feststellung, dass ein solches Vorgehen nicht der effektiven, d. h. auch schnellen Wettbewerbsöffnung dienlich gewesen wäre, belegt die Notwendigkeit der einschneidenderen Anordnungsoption der Verhaltensauferlegung.
c) Verträge ganz oder teilweise für unwirksam erklären Haben Normadressat und Wettbewerber bereits eine Zugangsvereinbarung abgeschlossen, in der oder in deren Durchführung sich das missbräuchliche Ausnutzen der Macht des Normadressaten auf dem relevanten Markt manifestiert, kann die Regulierungsbehörde einzelne Vertragsbestimmungen oder den gesamten Vertrag für unwirksam erklären. Eine solche Missbrauchsverfügung stellt einen privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt dar176, der des Vollzugs weder zugänglich noch bedürftig ist, da seine Regelungsanordnung die Rechtsgestaltung unmittelbar herbeiführt und damit den Vollzug gleichsam in sich trägt177.
d) Zusammenfassung Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 1 TKG vor, kann die Regulierungsbehörde gegenüber dem Normadressaten nach pflichtgemäßem Ermessen Anordnungen treffen. Sie betätigt dabei ihr Auswahlermessen mehrfach. Nach § 33 Abs. 2 Satz 2 TKG hat sie zunächst mittels einer Beanstandungsverfügung vorzugehen, also einer gesetzlich vorgesehenen Abmahnung, deren Anordnungsgehalt die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt. Insbesondere stellt dieser Verwaltungsakt das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 33 Abs. 2 TKG regelnd fest. Stellt der Verpflichtete das beanstandete BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 6 / 00, NVwZ 2001, S. 1399 (1401). Gerrit Manssen, in: Kommentar zum Telekommunikations- und Medienrecht, hrsg. v. Gerrit Manssen, Grundwerk 1999, Berlin Stand August 1999, § 33, Rdnr. 20. 177 BVerwGE 13, S. 8 ff. 175 176
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Verhalten nicht ab, kann die Regulierungsbehörde eine Missbrauchsverfügung nach § 33 Abs. 2 Satz 1 TKG erlassen. Dazu hat sie ihr Auswahlermessen erneut pflichtgemäß auszuüben. Dabei kann sie dem Verfügungsadressaten ein bestimmtes Verhalten auferlegen oder untersagen sowie Zugangsverträge privatrechtsgestaltend für unwirksam erklären. Auch der konkrete Inhalt der einzelnen Anordnung ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen. Als Verhaltensauferlegung kann die Behörde beispielsweise die Handlungsverpflichtung erzeugen, ein inhaltlich näher beschriebenes, nachfragegerechtes Vertragsangebot auf entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung an bestimmten Zugangspunkten gegenüber einem konkreten Wettbewerber abzugeben.
3. Zusammenfassung Der Gesetzgeber hat § 33 Abs. 2 TKG in dessen Satz 1 und Satz 2 als Ermessensnorm ausgestaltet. Bestehen Anhaltspunkte für ein Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen in dessen Satz 1, kann die Regulierungsbehörde in pflichtgemäßer Ausübung ihres Entschließungsermessens ein Missbrauchsverfahren einleiten. In gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung des § 33 Abs. 2 Satz 1 TKG gemäß Art. 16 Abs. 4 ONP-Sprachentelefondienst-Richtlinie 98 / 10 / EG hat die Regulierungsbehörde das Verfahren einzuleiten, wenn ein nach § 33 Abs. 1 TKG Anspruchsberechtigter einen „Einleitungsantrag“ an sie richtet. Haben die Ermittlungen den Tatbestandssachverhalt des § 33 Abs. 2 Satz 1 TKG ergeben, kann die Regulierungsbehörde in pflichtgemäßer Ausübung ihres Auswahlermessens den Marktbeherrscher durch eine Beanstandungsverfügung abmahnen. Beendet der Verpflichtete das beanstandete Verhalten nicht, kann die Regulierungsbehörde in erneuter Ermessensbetätigung eine Missbrauchsverfügung nach § 33 Abs. 2 Satz 1 TKG erlassen und dem Verfügungsadressaten ein bestimmtes Verhalten verwaltungsvollstreckbar auferlegen oder untersagen sowie eventuell geschlossene Zugangsverträge privatrechtsgestaltend für unwirksam erklären. Die Verhaltensauferlegung ist dabei die einschneidendste Anordnungsoption. So kann die Regulierungsbehörde beispielsweise die Handlungsverpflichtung für den Marktbeherrscher erzeugen, ein inhaltlich näher beschriebenes, nachfragegerechtes Vertragsangebot auf entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung am Hauptverteiler gegenüber einem konkreten Wettbewerber abzugeben. Die Regulierungsbehörde legt damit den Umfang der Entbündelung und den Zugriffspunkt fest. Sie erzeugt öffentlich-rechtlich eine auf einen Privatvertrag bezogene Kontrahierungs- und partielle Inhaltsgestaltungsverpflichtung, die mittels Verwaltungszwanges durchsetzbar ist.
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III. Besonderheiten für den Rechtsschutz gegen Beanstandungs- und Missbrauchsverfügung Rechtsschutz gegen eine Beanstandungs- oder Missbrauchsverfügung kann der Verfügungsadressat ausschließlich auf dem Verwaltungsrechtsweg suchen. § 80 Abs. 1 TKG schließt ein Vorverfahren aus, so dass die belastende Verfügung nicht im Widerspruchsverfahren beseitigt werden kann. Zudem haben Kla gen gegen Entscheidungen der Regulierungsbehörde nach § 80 Abs. 2 TKG keine aufschiebende Wirkung im Sinne des § 80 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (nachfolgend: „VwGO“)178. Die Beanstandungs- beziehungsweise Missbrauchsverfügung ist demzufolge sofort vollziehbar, es sei denn, der Verfügungsadressat hat erfolgreich verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO eingelegt, so dass die aufschiebende Wirkung durch richterlichen Beschluss angeordnet wurde. Die hier zu konstatierende Rechtsschutzverkürzung soll den Eintritt der Unanfechtbarkeit der Missbrauchsverfügung beschleunigen. Rechtssicherheit für die aktuellen und potentiellen Marktbeteiligten soll zeitnah eintreten. Die Erfolgsaussichten eines Eilverfahrens erscheinen allerdings bereits mit Blick auf die wettbewerbliche Gesamtsituation äußerst gering. Die Nachteile, die der Deutsche Telekom AG – derzeit der in erster Linie betroffene Verfügungsadressat – beispielsweise durch eine Ermöglichung des Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung bis zur Entscheidung in der Hauptsache entstehen, sind bei deren Marktanteilen von mehr als 95 % im relevanten Zugangs- und Endkundenmarkt im Vergleich zum marktzutrittsuchenden Wettbewerber nicht offensichtlich überwiegend.
IV. Zusammenfassung Tatbestandlich sind die Eingriffsbefugnisse der Regulierungsbehörde in § 33 Abs. 2 TKG an drei Voraussetzungen geknüpft: (1.) Verstoßverhalten des Normadressaten gegen dessen privatrechtlichen Verpflichtungen aus § 33 Abs. 1 TKG, (2.) Missbrauch der beherrschenden Stellung auf dem relevanten Markt, den der Verstoß gegen § 33 Abs. 1 TKG indiziert, (3.) Ausnutzen dieser Marktmacht, indem der Normadressat ein Marktergebnis durchsetzen will, welches er bei einem funktionsfähigen Wettbewerb nicht erreichen könnte. Die Rechtsfolgenseite des § 33 Abs. 2 TKG räumt der Regulierungsbehörde grundsätzlich im Hinblick auf die Verfahrenseinleitung und die Beendigung pflichtgemäßes Ermessen ein. Allerdings ist ihr Entschließungsermessen wegen Art. 16 Abs. 4 ONP-Sprachentelefondienst-Richtlinie 98 / 10 / EG bei einem Antrag eines aus § 33 Abs. 1 TKG Anspruchsberechtigten in gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung auf Null reduziert. Ihr Auswahlermessen betätigt die Regulierungsbehörde bei Erlass der Beanstandungs- und der Missbrauchsverfügung. Für die vorliegende Untersuchung 178 BGBl. 1991 I S. 686 zuletzt geändert Art. 1 Gesetz zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3987).
E. Zusammenfassung
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wichtigster und zugleich einschneidendster Anordnungsinhalt einer Missbrauchsverfügung ist die Verhaltensauferlegung. Sie kann beispielsweise aus einer Handlungsverpflichtung bestehen, ein inhaltlich näher beschriebenes, nachfragegerechtes Vertragsangebot auf entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung am Hauptverteiler gegenüber einem konkreten Wettbewerber abzugeben. Gegen Beanstandungs- und Missbrauchsverfügungen findet kein Widerspruchsverfahren statt, § 80 Abs. 1 TKG. Dies scheint mit Blick auf die bei der Regulierungsbehörde konzentrierten Sachkunde auch angebracht. Aus Beschleunigungsgründen haben Anfechtungsklagen gegen diese Verfügungen keine aufschiebende Wirkung, § 80 Abs. 2 TKG, es sei denn, der Verfügungsadressat hat erfolgreich verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO erlangt.
E. Zusammenfassung Die Regulierungsinstrumentarien der §§ 33, 34, 35 TKG zeichnen sich insbesondere durch die Gemeinsamkeit aus, dass ihre Rechtsfolgen ausschließlich marktbeherrschende Unternehmen treffen179. Das Verhältnis zwischen § 33 TKG und § 35 TKG zeichnet sich für den Fall besonderen Netzzugangs dadurch aus, dass § 33 TKG als Grundnorm anzusehen ist, die von § 35 TKG und § 2 NZV teilweise konkretisiert wird. In § 33 Abs. 1 TKG wurzelt der privatrechtliche Anspruch auf Zugangsermöglichung zu entbündelten Leistungen, insbesondere auf entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung, ein Umstand, den § 2 NZV klarstellt und präzisiert. § 35 Abs. 1 Satz 1 TKG spezifiziert den Kreis der Normadressaten durch deren Netzbetreibereigenschaft. § 33 Abs. 2 TKG, eine öffentlich-rechtliche Befugnisnorm, ermächtigt die Regulierungsbehörde bei Missbrauchsfällen bezüglich besonderen Netzzugangs gegen diese Netzbetreiber einzuschreiten. Übereinstimmend nehmen beide Absätze des § 33 TKG jedes Unternehmen, das Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit auf einem im konkreten Fall sachlich und räumlich relevanten Zugangsmarkt anbietet und diesen zugleich beherrscht, als Normadressaten in Bezug. Geht es um besondere Netzzugänge (§ 35 Abs. 1 Satz 1 TKG), ist Normadressat jeder marktbeherrschend Zugangsdienste anbietende Netzbetreiber. Einheitlich Normbegünstigter ist jeder aktuelle oder potentielle Wettbewerber des Normadressaten auf einem Endkunden- oder Zugangsmarkt. Der privatrechtliche Anspruch aus § 33 Abs. 1 TKG ist auf Ermöglichung des diskriminierungsfreien Zugangs zu wesentlichen, nachfragegerecht entbündelten (Vor-)Leistungen des Normadressaten gerichtet. Solch eine wesentliche Leistung ist beispielsweise auch die kupferne Teilnehmeranschlussleitung, die umfänglich auch entbündelt nachgefragt werden kann. Wird Zugang zu dieser 179 Siehe Hans Willi Hefekäuser / Christoph Dreier, Der gesetzliche Rahmen für Netzzugang und Netzzusammenschaltungen, CR 1997 S. 110 (111), der in diesem Zusammenhang auch von einer asymmetrischen Regulierung spricht.
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Teil 3: Regulierung durch Netzzugang nach dem Telekommunikationsgesetz
begehrt, ist der Zugangsermöglichungsanspruch auf Abgabe eines inhaltlich teilbestimmten Angebots zum Abschluss eines Netzzugangsvertrags gerichtet. § 33 Abs. 1 TKG auferlegt dem Anspruchsverpflichteten dann einen Kontrahierungsund partiellen Inhaltsgestaltungszwang. Diskriminierende Bedingungen der Zugangsermöglichung, formale Ungleichbehandlung oder Behinderung, können ausschließlich bei sachlicher Rechtfertigung beziehungsweise Billigkeit zulässig sein. Der Abschluss eines § 33 Abs. 1 TKG genügenden Netzzugangsvertrages und dessen diskriminierungsfreie und vertragskonforme Durchführung können auf dem Zivilrechtsweg durchgesetzt werden. § 33 Abs. 2 TKG knüpft die Eingriffsbefugnisse der Regulierungsbehörde im Wesentlichen an einen Verstoß des Normadressaten gegen § 33 Abs. 1 TKG. Hinzukommen muss ferner ein missbräuchliches Ausnutzen der Marktmacht durch ein qualifiziertes Verhalten des Normadressaten. Einleitung und Beendigung des Missbrauchsver fahrens stehen grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen der Regulierungsbehörde. Beantragt allerdings der Normbegünstigte die Verfahrenseinleitung, ist das Entschließungsermessen der Behörde in gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung der Norm auf Null reduziert. Die Regulierungsbehörde kann in Betätigung ihres Auswahlermessens Missbrauchsverfügungen erlassen, denen zur Abmahnung eine Beanstandungsverfügung vorauszugehen hat. In einer Missbrauchsverfügung kann die Regulierungsbehörde den Normadressaten sogar verpflichten, ein inhaltlich näher beschriebenes, nachfragegerechtes Vertragsangebot auf entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung beispielsweise am Hauptverteiler, am Kabelverzweiger oder am Abschlusspunkt der Linientechnik gegenüber einem konkreten Wettbewerber abzugeben.
Teil 4
Die Untersuchung der Verfassungsmäßigkeit der Netzzugangsregelung des § 33 TKG am Beispiel des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung Die in den vorgehenden Kapiteln erfolgte „Aufbereitung“ des § 33 TKG in tatsächlicher, einfachgesetzlicher und gemeinschaftsrechtlicher Hinsicht zur Vorbereitung der verfassungsrechtlichen Überprüfung der Norm fokussiert die „Zugangsregelung des § 33 TKG“ als Einheit. Für die Untersuchung, insbesondere der wirtschaftsgrundrechtlichen Konformität des § 33 TKG, erscheint es allerdings angezeigt, die grundrechtlich relevante Beschwer in der „Verpflichtungenfülle“ des § 33 TKG exakt zu lokalisieren. Diese Beschwer kann entweder in der privatrechtlichen Anspruchsgrundlage des § 33 Abs. 1 TKG oder in der öffentlich-rechtlichen Ermächtigungsgrundlage des § 33 Abs. 2 Sätze 1 und 2 TKG liegen, die zusammen wiederum das besondere Aufeinanderbezogensein und die Eigenheit der Zugangsregelung des § 33 TKG als Ganzes ausmachen. Der Frage nach der normativen Verortung der grundrechtsrelevanten Beschwer geht Kapitel A. nach und bestimmt damit den im Anschluss zu untersuchenden Prüfungsgegenstand. In Anbetracht der sich fortentwickelnden Vorgaben des Gemeinschaftsrechts für das nationale Recht ist darüber hinaus die Frage nach dem Prüfungsmaßstab, Grundrechte des deutschen Grundgesetzes versus Gemeinschaftsgrundrechte, zu stellen. Diese wird in Kapitel B. beantwortet. Alle grundrechtlichen Überlegungen setzten ferner die Grundrechtsberechtigung potentiell Grundrechtsbetroffener voraus. Adressat sowohl der Anspruchsverpflichtung des § 33 Abs. 1 TKG als auch einer auf § 33 Abs. 2 TKG gestützten Verfügung sind marktbeherrschende Telekommunikationsdiensteanbieter. Wegen der besonderen wettbewerbsstrukturellen Ausgangslage auf den Märkten der Telekommunikation nach deren vollständiger Entmonopolisierung ist die Deutsche Telekom AG in der ersten Regulierungsphase vordergründiger Adressat des § 33 TKG. Als Nachfolgeunternehmen des Staatsmonopolisten, dessen Anteile der Bund ursprünglich allein, bis Ende 2001 mehrheitlich hielt, ist die Grundrechtsberechtigung der Deutsche Telekom AG nicht selbstverständlich. Die Grundrechtsberechtigung des ehemaligen Staatsunternehmens bedarf deshalb eingehender Betrachtung (Kapitel C). Kapitel D. legt abschließend das Prüfungsprogramm fest, bestimmt also im einzelnen, welche grundrechtlichen Wertvorgaben in welchem Verhältnis zueinander zu untersuchen sind.
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Teil 4: Verfassungsmäßigkeit der Netzzugangsregelung des § 33 TKG
A. Prüfungsgegenstand: § 33 Abs. 1 TKG oder § 33 Abs. 2 TKG? § 33 Abs. 1 TKG regelt für den Normalfall, wie Netzzugang und insbesondere entbündelter Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung gewährt werden soll. Bezogen auf diesen Normalfall hat der Gesetzgeber mit § 33 Abs. 1 TKG (in Verbindung mit § 35 Abs. 1 Satz 1 TKG) eine privatrechtliche Anspruchsgrundlage zulasten desjenigen Unternehmens geschaffen, das als Netzbetreiber beherrschend auf einem relevanten Zugangsmarkt ist. Der Anspruchsberechtigte, ein (jedenfalls potentieller) Wettbewerber des Anspruchsverpflichteten auf einem Endkundenoder Zugangsmarkt, kann, wenn er die Leistung „entbündelter Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung“ begehrt, den Abschluss eines entsprechenden Netzzugangsvertrages (Kontrahierungszwang) zu bestimmten Bedingungen (partieller Inhaltsgestaltungszwang) verlangen. Grundannahme des Gesetzgebers dabei ist, dass der Anspruchsverpflichtete dieses Verlangen befriedigen können, ihm also ein legales Verhalten möglich sein muss. Sollte der Anspruchsverpflichtete zu einem legalen Verhalten nicht bereit sein und die Gewährung des begehrten Zugangs verweigern oder nur weniger (oder anderes oder in anderer Weise) willens zu gewähren sein, als der Wettbewerber berechtigterweise verlangt, kann nach § 33 Abs. 2 TKG eingegriffen werden. Ein Verstoß gegen § 33 Abs. 1 TKG ist die tatbestandliche Grundvoraussetzung für ein Einschreiten der Regulierungsbehörde nach § 33 Abs. 2 TKG. Erst in dem „pathologischen“ Fall, dass eine freiwilllige Einigung basierend auf den Vorgaben des § 33 Abs. 1 TKG nicht erzielt werden kann, kommt folglich § 33 Abs. 2 TKG zum Tragen. Dass in der Anwendungspraxis dieser „pathologische“ Fall zum Regelfall wurde, ändert nichts an der gesetzgeberischen Konzeption des § 33 Abs. 1 TKG einerseits und des § 33 Abs. 2 TKG andererseits. Sähe man erst in der öffentlich-rechtlichen Ermächtigungsgrundlage des § 33 Abs. 2 TKG die maßgebliche grundrechtsrelevante Beschwer, lägen die aus der privatrechtlichen Anspruchsgrundlage des § 33 Abs. 1 TKG Verpflichteten, welche freiwillig dem Verlangen des Anspruchsbegünstigten genügten, außerhalb des Sichtkreises grundrechtlichen Schutzes. Festzuhalten ist deshalb, dass die eigentliche grundrechtsrelevante Beschwer bereits in § 33 Abs. 1 TKG liegt. Bereits mit der Anordnung des Kontrahierungszwangs und des partiellen Inhaltsgestaltungszwangs in § 33 Abs. 1 TKG trifft der privatrechtsgestaltende Gesetzgeber die maßgebliche grundrechtsrelevante Entscheidung1. § 33 Abs. 1 TKG ist somit der wirtschaftsgrundrechtlichen Untersuchung als Prüfungsgegenstand zugrunde zu legen. § 33 Abs. 2 TKG beinhaltet darüber hinausgehend eine Intensivierung der in § 33 Abs. 1 TKG wurzelnden grundrechtlichen Beschwer. Da § 33 Abs. 2 TKG tatbestandlich auf § 33 Abs. 1 TKG aufbaut, zöge ein Verstoß des § 33 Abs. 1 TKG gegen höherrangiges Recht eine entsprechende Bewertung des § 33 Abs. 2 TKG nach sich. 1 Vgl. Michael Sachs, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Vor. Art. 1, Rdnr. 80, der (privat-)rechtsgestaltenden Regelungen Eingriffspotential attestiert und das Beispiel der gesetzlichen Auswechselung eines Vertragspartners aufführt.
B. Prüfungsmaßstab: Gemeinschaftsgrundrechte / Grundrechte des Grundgesetzes? 183
B. Prüfungsmaßstab: Gemeinschaftsgrundrechte oder Grundrechte des Grundgesetzes? Wie in Teil 1, Kapitel B. II. 1. dargestellt, hat der deutsche Gesetzgeber im Juli 1996 die Zugangsregelung des § 33 Abs. 1 TKG in Anbetracht gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben geschaffen, die ihn (noch) nicht dazu verpflichteten, eine privatrechtliche Anspruchsnorm zu erzeugen, welche marktmächtigen und vertikal integrierten Telekommunikationsunternehmen auferlegt, ihren Wettbewerbern Netzzugang, einschließlich des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung, zu ermöglichen. Eine in § 33 Abs. 1 TKG liegende grundrechtsrelevante Beschwer ist daher – zumindest zu diesem Zeitpunkt – allein durch dem deutschen Gesetzgeber zuzurechnen. Den Prüfungsmaßstab für die Rechtssetzung in Gestalt des § 33 Abs. 1 TKG liefert daher vollumfänglich und ausschließlich das Grundgesetz. Das Gemeinschaftssekundärrecht stellte jedoch nach Inkrafttreten des Telekommunikationsgesetzes Vorgaben für nationale Vorschriften zur Netzzugangsregulierung auf, und zwar zunächst in der Zusammenschaltungs-Richtlinie 97 / 33 / EG und in der ONP-Sprachtelefondienst-Richtlinie 98 / 10 / EG, dann in der Teilnehmeranschlussverordnung 2002 / 2887 / EG, künftig in der KommunikationsrahmenRichtlinie 2002 / 21 / EG sowie in der Kommunikationszugangs-Richtlinie 2002 / 19 / EG. Das statische Fortgelten der nationalen Bestimmung des § 33 TKG bei gleichzeitiger dynamischer Fortentwicklung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben für die Netzzugangsregulierung wirft die Frage auf, ob die grundrechtlich relevante Beschwer auch heute noch allein in § 33 Abs. 1 TKG liegt. Es ist zu fragen, ob die Beschwer im Hinblick auf den entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung in quasi „nachgeschobenem“ Gemeinschaftssekundärrecht wurzelt. Damit einher geht die Frage nach dem Prüfungsmaßstab für die grundrechtliche Beschwer des – von § 33 Abs. 1 TKG jedenfalls noch deklaratorisch abgebildeten – Anspruchs auf entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung. Ist die Norm an den Grundrechten des Grundgesetzes oder an Gemeinschaftsgrundrechten2 zu messen? Voraussetzung für eine im Gemeinschaftsrecht anzusiedelnde grundrechtliche Beschwer ist in diesem Kontext, dass eine unmittelbar wirksame Vorschrift des Gemeinschaftssekundärrechts einen privatrechtlichen Anspruch auf entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung erzeugt und zugleich Vorrang vor der Regelung des § 33 Abs. 1 TKG genießt. Die als „netzzugangsrelevant“ in Teil 1, Kapitel B. I. identifizierten Richtlinien- und Verordnungsbestimmungen sind im Folgenden auf diese Kriterien hin zu überprüfen. 2 Zum grundrechtlichen Eigentumsschutz in der Europäischen Union siehe Olaf MüllerMichaels, Grundrechtlicher Eigentumsschutz in der Europäischen Union, Berlin 1996, insbesondere S. 34 – 61; im Gemeinschaftsprimärrecht ist durch das Urteil „Hauer“ des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH, Rechtssache 44 / 79, Urteil vom 13. Dezember 1979, Slg. 1979, S. 3727 ff.) eine Eigentumsgarantie auf dem Wege wertender Rechtsvergleichung aus Art. 1 des Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention und den Verfassungsordnungen der Mitgliedstaaten anerkannt worden.
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Teil 4: Verfassungsmäßigkeit der Netzzugangsregelung des § 33 TKG
Wie in Teil 1, Kapitel B. I. 2. ausgeführt, ist der nationale Gesetzgeber nach Art. 4 Abs. 2 Zusammenschaltungs-Richtlinie 97 / 33 / EG gehalten, den Problemkreis „an Organisationen mit beträchtlicher Marktmacht gerichtete Netzzugangsanträge anderer Telekommunikationsdiensteanbieter“ einer der Wettbewerbseröffnung dienenden Regelung zuzuführen. Durch diese gemeinschaftsrechtliche Bestimmung ist dem nationalen Gesetzgeber aber nicht zugleich aufgegeben, einen gegen den vertikal integrierten Netzbetreiber gerichteten Anspruch neuer Wettbewerber auf entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung zu schaffen3. Diesen Befund unterstreicht die Kommission im April 2000 in ihren Überlegungen zur gemeinschaftsrechtlichen Regelung des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung: „Netzzugang im Sinne der ONP-Richtlinien bedeutet die Bereitstellung von Teilen eines bestehenden Netzes für die Nutzung durch eine andere Partei,“ umfasst indes nicht die Bereitstellung des vollständig entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung4. Daran wird deutlich, dass der nationale Gesetzgeber einen weiten Umsetzungsspielraum zur Regelung von Netzzugängen hatte. An diesem Befund änderte auch die ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 98 / 10 / EG nichts. Nach deren Art. 16 sind die nationalen Regulierungsbehörden verpflichtet sicherzustellen, dass Organisationen mit beträchtlicher Marktmacht plausible Anträge auf Sonderzugang zum Netz bearbeiten. Teil 1, Kapitel B. I. 2. ergab, dass der Richtliniengeber materiell-positiv offen lässt, was inhaltlich und umfänglich unter einem „plausiblen Antrag“ auf „Zugang zum Netz“ zu verstehen ist. Offen bleibt dabei vor allem, auf welche Netzelemente und -kapazitäten unter welchen Bedingungen, von der Diskriminierungsfreiheit einmal abgesehen, Zugriff genommen werden kann. Offen bleibt demzufolge auch, ob der entbündelte Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung vom Netzzugangsbegriff dieser Richtlinie erfasst ist. Diesen Befund unterstreicht wiederum die Europäische Kommission in Bezug auf den „Sonderzugang zum Netz“ im April 2000. Sie stellt fest, dass die vollständige Entbündelung der Teilnehmeranschlussleitung in Art. 16 ONPSprachtelefondienstrichtlinie 98 / 10 / EG nicht behandelt wird5. Sie begründet dies damit, dass vollständige Entbündelung die Vermietung der Leitung zur ausschließlichen Nutzung an Dritte bedeute, wohingegen Netzzugang im Sinne der Richtlinie die Netznutzung, verstanden als Mitbenutzung, von Netzbetreiber und Wettbewerber vor Augen habe. Über dieses Begründungselement hinaus lässt sich hervorheben, dass der Richtliniengeber in Art. 16 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 3 So im Ergebnis auch Robert Schulz, Der Zugang zum „blanken Draht“, München, 2001, S. 60. 4 Europäische Kommission, Mitteilung vom 26. April 2000 betreffend den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss: Wettbewerbsorientierte Bereitstellung einer vollständigen Palette von elektronischen Kommunikationsdiensten einschließlich multimedialer Breitbandund schneller Internet-Dienste, ABl. EG 2000 Nr. C 272, S. 55 (59 f.). 5 Europäische Kommission, Mitteilung vom 26. April 2000 betreffend den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss: Wettbewerbsorientierte Bereitstellung einer vollständigen Palette von elektronischen Kommunikationsdiensten einschließlich multimedialer Breitbandund schneller Internet-Dienste, ABl. EG 2000 Nr. C 272, S. 55 (60).
B. Prüfungsmaßstab: Gemeinschaftsgrundrechte / Grundrechte des Grundgesetzes? 185
98 / 10 / EG nicht vorgibt, in welcher Weise die Beratungspflicht privatrechtlich ausgestaltet werden soll. Ein Kanon verschiedener Möglichkeiten ist denkbar, aus denen der nationale Gesetzgeber mangels gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben wählen kann: Privatautonome Entscheidung über die Aufnahme von Vertragsverhandlungen und Vertragsinhalt, gesetzlicher Anspruch des Zugangsbegehrenden auf Aufnahme von Vertragsverhandlungen und privatautonome Entscheidung über Vertragsinhalt, gesetzlicher Anspruch auf ergebnisorientierte, inhaltlich vorstrukturierte Durchführung von Vertragsverhandlungen mit der Vorgabe eines zeitnahen Vertragsschlusses, gesetzlicher Anspruch auf Vertragsschluss mit bestimmten inhaltlichen Elementen sowie gesetzliches Schuldverhältnis mit bestimmten inhaltlichen Elementen, das direkten Zugriff auf diese Elemente ermöglicht. Der Akzent der Richtlinie liegt auf der regulierungsbehördlichen Kontrolle des Verhaltens der Netzbetreiber und der Zugangsbegehrenden. Indes regelt die Richtlinie nicht das rechtliche Verhältnis zwischen Netzbetreiber und Zugangsbegehrendem und verpflichtet die Mitgliedstaaten auch nicht, einen privatrechtlichen Anspruch auf Abschluss eines Netzzugangsvertrags über entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung zu schaffen6. Weder Art. 4 Abs. 2 Zusammenschaltungs-Richtlinie 97 / 33 / EG noch Art. 16 ONP-Sprachtelefondienst-Richtlinie 98 / 10 / EG enthalten somit Vorgaben, welche die Mitgliedstaaten verpflichteten, eine privatrechtliche Anspruchsgrundlage für den entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung und dessen Durchsetzung zu schaffen. Auf die Beantwortung der Frage nach der unmittelbaren Wirksamkeit der betreffenden Richtlinienbestimmungen kommt es daher nicht an. Aber selbst wenn man einer dieser Richtlinienbestimmungen unmittelbare Wirksamkeit attestieren und ihr einen Anspruch auf entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung entnehmen wollte, könnte diese Richtlinienbestimmung jedenfalls keine Pflichten für den Netzbetreiber begründen. Eine Richtlinienbestimmung, die einen Anspruch für den Zugangsbegehrenden enthält und damit die Rechtsverhältnisse von Privaten untereinander regelt (Ebene der Gleichordnung – horizontale Wirkung), kann, auch wenn die Voraussetzungen für die unmittelbare Wirksamkeit grundsätzlich vorliegen, in der nationalen Rechtsordnung keine unmittelbare Wirksamkeit bezüglich dieses subjektiven Verhältnisses entfalten. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften kann eine Richtlinienbestimmung keine für Einzelpersonen bindenden Anspruchsgrundlagen erzeugen7. Aus Gründen der Rechtssicherheit müssen Private darauf vertrauen dürfen, dass ihnen nachteilige Wirkungen einer Richtlinie allein nach Maßgabe eines nationalen Umsetzungsaktes ent6 So im Ergebnis auch Robert Schulz, Der Zugang zum „blanken Draht“, München, 2001, S. 60. 7 Den Ausschluss unmittelbarer Wirkung von Richtlinien zwischen Privaten ausdrücklich bestätigend, EuGH, Entscheidung vom 14. Juli 1994, Rs. C-91 / 92 (Paola Faccini Dori v. Recreb), Slg. 1994-I, S. 3325 (Rdnr. 19 ff.); zu diesbezüglicher Kritik im Schrifttum siehe auch Matthias Ruffert, in: EUV / EGV-Kommentar, hrsg. v. Christian Callies und Matthias Ruffert, 2. Aufl., Neuwied 2002, Art. 249 EGV Rdnr. 80 ff.
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gegengehalten werden. Daher würde, selbst wenn eine Bestimmung der betreffenden Harmonisierungsrichtlinien einen entsprechenden Anspruch enthielte und die Voraussetzungen der unmittelbaren Wirksamkeit erfüllte, die maßgebende grundrechtliche Beschwer in dem nationalen Umsetzungsgesetz verankert sein. Festzuhalten ist daher, dass der deutsche Gesetzgeber die in der Zusammenschaltungs-Richtlinie 97 / 33 / EG und in der ONP-Sprachtelefondienst-Richtlinie 98 / 10 / EG enthaltenen Vorgaben antizipierend bereits in § 33 Abs. 1 TKG und § 33 Abs. 2 TKG verwirklicht hat. Überdies hat er in § 33 Abs. 1 TKG selbst einen Anspruch auf entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung erzeugt. Die grundrechtlich relevante Beschwer liegt insoweit allein in diesem unabhängig von gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben und damit ausschließlich vom deutschen Gesetzgeber erzeugten Anspruch auf entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung auf der Grundlage des § 33 Abs. 1 TKG. Eine andere Beurteilung könnte sich mit Blick auf das Inkrafttreten der Verordnung 2000 / 2887 / EG vom 18. Dezember 2000 ergeben. In deren Art. 3 Abs. 2 Sätze 1, 2 und 4 ist nunmehr auch gemeinschaftsrechtlich ein Anspruch auf Abschluss eines Netzzugangsvertrags mit dem Hauptbestandteil enthalten, entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung zu gewähren. Dieser gemeinschaftsrechtliche Anspruch und der in § 33 Abs. 1 TKG wurzelnde Anspruch sind in Bezug auf das Begehren „entbündelter Zugang zum Teilnehmeranschluss“ in den grundlegenden Elementen inhaltsgleich. Das Gemeinschaftsrecht zeichnet insofern lediglich die grundlegenden Elemente des Anspruchs auf Abschluss eines Netzzugangsvertrags mit bestimmten Bestandteilen nach, den das nationale Recht bereits seit Inkrafttreten des Telekommunikationsgesetzes gewährt. Die Teilnehmeranschlussverordnung 2000 / 2887 / EG ist zwar gemäss Art. 249 Abs. 2 EGV in allen ihren Teilen verbindlich und entfaltet innerstaatlich unmittelbare Wirksamkeit. Unmittelbare Wirksamkeit einer Verordnungsbestimmung bedeutet dabei, dass diese Bestimmung Rechte und Pflichten für Einzelpersonen ohne einen mitgliedstaatlichen Umsetzungsakt direkt auf einer abstrakten Ebene erzeugt. Nach dem Prinzip des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts vor einer mitgliedstaatlichen Rechtsvorschrift, das hier im Sinne eines Anwendungsvorrangs verstanden wird (siehe oben Teil 1, Kapitel B. II. vor 1.), kommt es zu einer Erzeugung dieser – abstrakt unmittelbar wirksamen – Rechte und Pflichten im konkreten Fall allerdings nur, wenn nationale Bestimmungen diesen Rechten und Pflichten inhaltlich widersprechen. Eine Erzeugung dieser Rechte und Pflichten im konkreten Fall bleibt indes aus, wenn das nationale Recht die grundlegenden Elemente der nun auch im Gemeinschaftsrecht geschaffenen Rechte und Pflichten bereits selbst vorsieht. Das Vorrangprinzip kann in solchen „Nichtkollisionsfällen“ gar nicht zur Anwendung kommen, da mangels inhaltlichen Widerspruchs die gemeinschaftsrechtliche Norm gegenüber der mitgliedstaatlichen Norm keinen Vorrang beanspruchen muss, damit der gemeinschaftsrechtliche Normgehalt innerstaatlich Beachtung findet8. Einer Verwirklichung des Gemeinschaftsrechts in der nationalen Rechtsordnung bedarf es insofern nicht. Denn das mitgliedstaatliche Recht ent-
B. Prüfungsmaßstab: Gemeinschaftsgrundrechte / Grundrechte des Grundgesetzes? 187
spricht bereits dem Gemeinschaftsrecht. Das mitgliedstaatliche Recht – in Gestalt der die betreffenden grundlegenden Rechte und Pflichten enthaltenden Bestimmung – gilt daher und ist auch im konkreten Fall anzuwenden. Soweit die mitgliedstaatliche Rechtsvorschrift im nicht grundlegenden Bereich von der gemeinschaftsrechtlichen Regelung abweicht, beispielsweise zusätzliche oder weniger Voraussetzungen enthält, an welche die Rechts- oder Pflichtenerzeugung geknüpft ist, wird das Gemeinschaftsrecht in der nationalen Rechtsordnung nach dem Grundsatz gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung der mitgliedstaatlichen Bestimmung verwirklicht. Folglich ist trotz der von Art. 3 Abs. 2 Sätze 1, 2 und 4 der Verordnung erzeugten Rechte für „Begünstigte“ und Pflichten für „gemeldete Betreiber“, die den Rechten und Pflichten aus § 33 TKG grundlegend entsprechen, die nationale Vorschrift des § 33 Abs. 1 TKG rechtliche Basis für einen Anspruch des ortsnetzlosen Telekommunikationsdiensteanbieters auf entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung. § 33 Abs. 2 TKG ist demzufolge Ermächtigungsgrundlage für ein Einschreiten der Regulierungsbehörde bei Zugangsverweigerungsfällen oder anderen Marktmachtmissbrauchskonstellationen zwischen Zugangsbegehrendem und Zugangsverpflichtetem. Demgegenüber hat das Oberverwaltungsgericht Münster für den Fall des gemeinsamen Netzzugangs Art. 3 Abs. 2 Satz 3 Teilnehmeranschlussverordnung 2000 / 2887 / EG in Verbindung mit den Rechtsfolgen des § 33 Abs. 2 TKG als Ermächtigungsgrundlage der Regulierungsbehörde angesehen9. Zwar hat das Gericht hilfsweise auch alle tatbestandlichen Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 TKG geprüft und bejaht10. Dieses pragmatischen Kunstgriffes hätte es jedoch nicht bedurft, wenn das Gericht allein § 33 Abs. 2 TKG als Rechtsgrundlage für ein Einschreiten der Regulierungsbehörde angenommen hätte. Einzelheiten der Teilnehmeranschlussverordnung 2000 / 2887 / EG zum Problemfeld „gemeinsamer Netzzugang“ hätte es gegebenenfalls auf dem Wege 8 Demgegenüber versteht die h. M. das Vorrangprinzip auch für diesen Fall dahin, dass die gemeinschaftsrechtliche Regelung der im konkreten Fall inhaltsgleichen nationalen Regelung vorgehe und die maßgebende Rechtsgrundlage Ansprüche und Verpflichtungen sei; das Gemeinschaftsrecht reklamiere seinen Vorrang vor jeder Norm des nationalen Rechts der Mitgliedstaaten (statt vieler: Wegener, in EUV / EGV-Kommentar, hrsg. v. Christian Callies und Matthias Ruffert, 2. Aufl., Neuwied 2002, Art. 220 Rdnr. 18 mit Hinweisen zur Rechtssprechung; vgl. auch Callies, in EUV / EGV-Kommentar, hrsg. v. Christian Callies und Matthias Ruffert, 2. Aufl., Neuwied 2002, Art. 5 Rdnr. 29, 31). Konsequenz der h. M. ist, dass die für maßgebend befundene Norm der Teilnehmeranschlussverordnung 2000 / 2887 / EG ab dem Moment ihres Inkrafttretens an höherrangigem Gemeinschaftsrecht, insbesondere an den Gemeinschaftsgrundrechten zu messen wäre. Vorliegend wird demgegenüber – ohne einen zeitlichen Maßstabswechsel – durchgehend der strengere und durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausgeformte Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland angelegt, siehe Teil B am Ende. 9 OVG Münster, Beschluss vom 23. August 2001, Az. 13 B 865 / 01, MMR 2001, S. 772 (773); zustimmend – allerdings ohne Begründung der Zustimmung, Norbert Nolte / Volker Junghans, Anmerkung zu OVG Münster, Beschluss vom 23. August 2001, Az. 13 B 865 / 01, MMR 2001, S. 774 (775). 10 OVG Münster, Beschluss vom 23. August 2001, Az. 13 B 865 / 01, MMR 2001, S. 772 (774).
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gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung des Anspruchsinhalts „nachfragegerecht entbündelte, wesentliche Leistung“ entfalten können11. Auch die Regulierungsbehörde hatte im Ausgangsverfahren zu diesem Fall Art. 3 Abs. 2 Satz 3 Teilnehmeranschlussverordnung 2000 / 2887 / EG in Verbindung mit § 33 Abs. 2 TKG als Ermächtigungsgrundlage für ihr Einschreiten erachtet12. Die Regulierungsbehörde bezieht zwar nicht ausdrücklich Stellung, ob es sich nach ihrer Auffassung dabei um eine Tatbestands- oder Rechtsfolgenverweisung handele. Allerdings prüft die Behörde zusätzlich auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 TKG im einzelnen parallel zu den gemeinschaftsrechtlichen Voraussetzungen. Die Regulierungsbehörde hält es dabei im Ergebnis für „nicht von Belang, ob sich die ausgesprochenen Maßnahmen auch auf die einzelstaatliche, dem Gemeinschaftsrecht genügende Vorschrift des § 33 TKG stützen ließen, der nicht nur hinsichtlich ausführlicher Maßnahmen unberührt bleibt ( . . . ), sondern auch hinsichtlich gleichwertiger Maßnahmen, bei denen eine Normenkollision im engeren Sinne ausgeschlossen ist.“13 Begründet wird dies damit, dass die Vorschriften der Teilnehmeranschlussverordnung 2000 / 2887 / EG gemäß Art. 249 Abs. 2 EGV allgemein geltendes, verbindliches und unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht darstellten, welches gegenüber § 33 TKG entsprechend dem Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts Anwendungsvorrang beanspruche14. Die Prüfung solle „auf der Grundlage europäischen und ergänzenden nationalen Rechts“ durchgeführt werden15. Die ergänzende Prüfung nationalen Rechts, vorliegend des § 33 TKG, sei, so die Regulierungsbehörde, allerdings nur insoweit erforderlich, als es um weitergehende, von der Teilnehmeranschlussverordnung 2000 / 2887 / EG selbst nicht vorgesehene, aber um von ihr als zulässig befundene Maßnahmen gehe16. Der Auffassung der Regulierungsbehörde kann im Ergebnis nicht gefolgt werden. Zwar versteht die Regulierungsbehörde das gemeinschaftsrechtliche Vorrangprinzip zutreffend als Anwendungsvorrang. Ferner anerkennt die Behörde, dass § 33 TKG dem Gemeinschaftsrecht, d. h. insbesondere der Teilnehmer11 In diesem Sinne auch Kurt Schmidt, Line Sharing – Ein Überblick, K&R 2002, S. 377 (381), demzufolge es im Ergebnis ohne Belang sei, ob sich die Entscheidung der Regulierungsbehörde auf die Teilnehmeranschlussverordnung 2000 / 2887 / EG oder die nationale Vorschrift des § 33 TKG stützen ließe, da beide Vorschriften nicht in Widerstreit zueinander liegen und § 33 TKG auch den Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts nicht in Frage stelle. 12 Regulierungsbehörde, Beschluss vom 31. März 2001, Az. BK 3c-00 / 029, MMR 2001, S. 775 (777). 13 Regulierungsbehörde, Beschluss vom 31. März 2001, Az. BK 3c-00 / 029, MMR 2001, S. 775 (777). 14 Regulierungsbehörde, Beschluss vom 31. März 2001, Az. BK 3c-00 / 029, MMR 2001, S. 775 (777). 15 Regulierungsbehörde, Beschluss vom 31. März 2001, Az. BK 3c-00 / 029, MMR 2001, S. 775 (777). 16 Regulierungsbehörde, Beschluss vom 31. März 2001, Az. BK 3c-00 / 029, MMR 2001, S. 775 (777); insoweit zustimmend Frank Joachim Mayer, Anmerkung zu Regulierungsbehörde, Beschluss vom 31. März 2001, Az. BK 3c-00 / 029, MMR 2001, S. 782.
B. Prüfungsmaßstab: Gemeinschaftsgrundrechte / Grundrechte des Grundgesetzes? 189
anschlussverordnung 2000 / 2887 / EG, „genügt“. Zu widersprechenden Inhalten von unmittelbar wirksamen Bestimmungen der Verordnung und des § 33 TKG kommt es also – nach Meinung der Behörde – nicht. Denn hinsichtlich gleichwertiger Maßnahmen – das sind Maßnahmen, die sowohl von der Teilnehmeranschlussverordnung 2000 / 2887 / EG als auch von § 33 TKG vorgesehen sind – sei eine Normenkollision im engeren Sinn ausgeschlossen. Auch bei weitergehenden Maßnahmen der nationalen Regulierungsbehörde entstehe kein Widerspruch zu den Inhalten der Verordnung, da die Verordnung diese Maßnahmen in Art. 1 Abs. 4 ausdrücklich zulasse. Insoweit ist den Rechtsausführungen der Regulierungsbehörde zuzustimmen. Allerdings will die Regulierungsbehörde trotz anerkannter fehlender inhaltlicher Widersprüchlichkeit zwischen Verordnung und § 33 TKG im konkreten Fall das Vorrangprinzip anwenden. Sie stützt ihre Maßnahmen deshalb in erster Linie auf die Teilnehmeranschlussverordnung 2000 / 2887 / EG. Das gemeinschaftsrechtliche Vorrangprinzip löst aber nur konkrete Normenkollisionen. Liegt eine solche Normenkollision nicht vor, sind die Voraussetzungen für eine Eingreifen des Vorrangprinzips gar nicht gegeben. Festzuhalten ist, dass die Auffassung der Regulierungsbehörde, nämlich bei sich inhaltlich grundlegend entsprechenden gemeinschaftsrechtlichen und nationalen Vorschriften, also in einem Nichtkollisionsfall, dennoch das Vorrangprinzip anzuwenden, nicht konsequent und widerspruchsfrei ist. Diese Auffassung, die also zur Anwendung des Vorrangprinzips auf Nichtkollisionsfälle führt, wäre darüber hinaus auch im Hinblick auf den Grundgedanken des gemeinschaftsrechtlichen Subsidiaritätsgrundsatzes gemäss Art. 5 EGV bedenklich. Nach dem gemeinschaftsrechtlichen Subsidiaritätsprinzip kommt der kleineren Einheit nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit der Vorrang im Handeln gegenüber der größeren Einheit zu17. Auch wenn es bei der Problematik der Normenkollision nicht um die Begrenzung gemeinschaftlicher Kompetenzausübung im eigentlichen Sinne geht, ist doch die Frage gestellt, der Rechtserzeugung welcher Einheit Maßgeblichkeit gebührt. Hier hat die kleinere Einheit, die deutsche Rechtsordnung in Gestalt des § 33 Abs. 1 TKG, ihre Leistungsfähigkeit durch Schaffung und Anwendung des § 33 TKG bereits unter Beweis gestellt. Ihr gebührt daher der Vorrang vor gemeinschaftsrechtlichen Normen. Die darin zum Ausdruck kommende gemeinschaftsrechtliche (Ver-)Schonung nationaler Rechtsordnungen, die den gemeinschaftsrechtlich erzeugten Rechtssatz bereits enthalten, ergibt sich vorliegend auch noch aus einem anderen Gesichtspunkt. Die Gemeinschaft wählte mit der Teilnehmeranschlussverordnung 2002 / 2887 / EG zur Rechtsangleichung gemäss Art. 95 EGV das aus mitgliedstaatlicher Sicht einschneidende Mittel der Verordnung und nicht das mildere der Richtlinie. Die Verordnung ist in den Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbar, ohne dass im konkreten Fall ein grenzüberschreitender Bezug vorliegen müsste. Auch rein innerstaatliche Sachverhalte sind von ihr erfasst. Intention des Rechtserzeugers für die Wahl einer Verordnung zur Rechtsangleichung war der Beschleunigungsgedanke. 17 Christian Callies, in: EUV / EGV-Kommentar, hrsg. v. Christian Callies und Matthias Ruffert, 2. Aufl., Neuwied 2002, Art. 5 EGV Rdnr. 1.
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Teil 4: Verfassungsmäßigkeit der Netzzugangsregelung des § 33 TKG
Insbesondere der Wettbewerb für Angebote schneller Internetzugänge sollte alsbald eröffnet werden. Erwägungsgrund (1) der Verordnung betont den entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung als eine kurzfristige Priorität. Eine entsprechende Rechtsangleichungsrichtlinie hätte in Anbetracht der mitgliedstaatlichen Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung das Marktpotential zu lange ungenutzt gelassen18. Allerdings sollte die Teilnehmeranschlussverordnung 2000 / 2887 /EG nur in den Mitgliedstaaten Rechte und Pflichten erzeugen, in denen noch keine entsprechenden Ansprüche für Zugangsbegehrende und Eingriffsmöglichkeiten der nationalen Regulierungsbehörden geschaffen waren19. Solange und soweit ein Mitgliedstaat gleichsam jedoch in vorauseilendem Gehorsam oder in gesetzgeberischer Weitsicht den Rechtszustand vorhält, den das Gemeinschaftsrecht später zum Zwecke der Rechtsangleichung nachzeichnet, ist das nationale Recht als für die Rechteerzeugung und Pflichtenbegründung maßgebend anzusehen20. In Deutschland ist mit § 33 TKG – die Feststellung wird selbst von der Regulierungsbehörde nicht bezweifelt – der Rechtsangleichungszweck der Verordnung bereits erreicht. Zu bedenken ist weiterhin, dass dem durch Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Teilnehmeranschlussverordnung 2002 / 2887 / EG Zugangsverpflichteten und durch Maßnahmen der Regulierungsbehörde gemäss dessen Art. 3 Abs. 2 Satz 3 Beschwerten mit der Begründung der Zugangsverpflichtung allein im Gemeinschaftsrecht die Möglichkeit genommen würde, Grundrechtsschutz nach dem deutschen Grundgesetz zu erlangen. Erwiese sich somit die deutsche Zugangsregelung, so ist festzuhalten, nach dem Maßstab des Grundgesetzes als grundrechtskonform, wäre die Akzeptanz des Interessenausgleichs, den sowohl die deutsche als auch die gemeinschaftsrechtliche Zugangsregelung vornehmen, im Mitgliedstaat Deutschland formal gesichert. Zeigte sich die deutsche Zugangsregelung nach dem Maßstab des Grundgesetzes demgegenüber als nicht grundrechtskonform, dann müsste die deutsche Regelung als verfassungswidrig und damit nichtig verworfen werden. Eine logische Sekunde später, würde die gemeinschaftsrechtliche Regelung ihren Platz einnehmen, ihre wertemäßige Legitimität müsste sich dann allerdings an den Gemeinschaftsgrundrechten behaupten können.
18 Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung vom 26. April 2000 betreffend den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss: Wettbewerbsorientierte Bereitstellung einer vollständigen Palette von elektronischen Kommunikationsdiensten einschließlich multimedialer Breitband- und schneller Internet-Dienste, ABl. EG 2000 Nr. C 272, S. 55. 19 Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung vom 26. April 2000 betreffend den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss: Wettbewerbsorientierte Bereitstellung einer vollständigen Palette von elektronischen Kommunikationsdiensten einschließlich multimedialer Breitband- und schneller Internet-Dienste, ABl. EG 2000 Nr. C 272, S. 55. 20 So auch Bernd Holznagel / Christoph Enaux / Christian Nienhaus, Grundzüge des Telekommunikationsrechts, München 2001, S. 240, nach denen diese Verordnung für die Bundesrepublik keine weitere Bedeutung habe, da das Telekommunikationsgesetz im Gegensatz zu den gesetzlichen Vorgaben in einigen anderen Mitgliedstaaten die Verpflichtung zur Entbündelung des Netzzugangs bereits enthalte; anders die h. M. im Zusammenhang mit dem Vorrangprinzip, siehe Fußnote 487.
C. Prüfungsvoraussetzung: Grundrechtsberechtigung der Deutsche Telekom AG
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Damit ist die Frage nach dem vorliegend anzuwendenden Prüfungsmaßstab beantwortet. § 33 Abs. 1 TKG ist am deutschen Grundgesetz, insbesondere an dessen Grundrechtekatalog zu messen. Im Vorgriff auf das Kommunikationsrichtlinienpaket, dessen Umsetzungsverpflichtung auf den 24. Juli 2003 befristet ist, ist darüber hinaus die künftige Rechtslage in das Blickfeld aufzunehmen. Die neuen Kommunikationsrichtlinien, insbesondere die Rahmenrichtlinie und die Zugangsrichtlinie, definieren, was inhaltlich und umfänglich unter Netzzugang zu verstehen ist. Sie enthalten mit der Vorgabe, dass bestimmte Netzbetreiber mit befugten Unternehmen über Netzzugangsbedingungen nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten verhandeln müssen, eine Direktive für die Ausgestaltung des privatrechtlichen Verhältnisses zwischen Zugangsbegehrendem und Zugangsgewährendem. Der nationale Gesetzgeber ist künftig verpflichtet, einen privatrechtlichen Anspruch auf Aufnahme von Vertragsverhandlungen zu schaffen. Darüber hinausgehende Ansprüche, insbesondere auf Vertragsabschluss zu bestimmten Inhalten, hielten sich dagegen nicht mehr im Rahmen des neuen bedarfsabhängigen Regulierungskonzeptes der Kommunikationsrichtlinien. Sie wären demzufolge auch gemeinschaftsrechtlich nicht vorgegeben. Eine solche weitergehende Ansprüche enthaltende nationale Bestimmung wie § 33 Abs. 1 TKG stünde damit zwar im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht, enthielte aber für innerstaatliche Sachverhalte dennoch eine maßgebende grundrechtliche Beschwer. Allerdings gelten diese Richtlinienbestimmungen für den Anwendungsbereich der Teilnehmeranschlussverordnung 2002 / 2887 / EG solange nicht, bis diese Verordnung aufgehoben wird. Der geschilderte Ausblick bleibt damit hypothetisch.
C. Prüfungsvoraussetzung: Grundrechtsberechtigung der Deutsche Telekom AG Alle grundrechtlichen Untersuchungen setzen die Grundrechtsberechtigung 21 des potentiell Grundrechtsbetroffenen voraus. Grundrechtsberechtigt ist eine natürliche oder juristische Person, die Träger oder Inhaber von Grundrechten, d. h. Zuordnungssubjekt der im Grundgesetz positivierten grundrechtlichen Gewährleistungen sein kann22. Entscheidende Vorfrage ist hier im Hinblick auf den Prüfungsgegenstand die abstrakte Grundrechtsberechtigung des aus § 33 Abs. 1 TKG Anspruchsverpflichteten, der, wie ausgeführt, zugleich Adressat einer auf § 33 Abs. 2 Sätze 1 oder 2 TKG gestützten Verfügung sein kann. Aus § 33 Abs. 1 TKG anspruchsverpflichtet für den Fall eines auf die Teilnehmeranschlussleitung gerich21 Die Begriffe „Grundrechtsberechtigung“, „Grundrechtsfähigkeit“ und „Grundrechtssubjektivität“ gelten als Synonyme, Hans D. Jarass, in: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, hrsg. v. Hans D. Jarass und Bodo Pieroth, 5. Aufl., München 2000, Art. 19, Rdnr. 8; Albert von Mutius, Grundrechtsfähigkeit, JurA 1990, S. 30. 22 Statt vieler: Albert von Mutius, Grundrechtsfähigkeit, JurA 1990, S. 30.
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Teil 4: Verfassungsmäßigkeit der Netzzugangsregelung des § 33 TKG
teten Zugangsbegehrens ist der marktbeherrschend Dienste anbietende Netzbetreiber. Wegen der besonderen strukturellen Ausgangslage des Telekommunikationssektors nach dessen vollständiger Entmonopolisierung läuft die Subsumtion der Telekommunikationsunternehmen unter den Normadressatenbegriff des § 33 TKG vorrangig auf die Deutsche Telekom AG zu. Demzufolge erhebt sich insbesondere die Frage nach deren abstrakter Grundrechtsberechtigung, womit untersucht werden soll, ob die Deutsche Telekom AG an sich, losgelöst von einem konkreten Grundrecht, Zuordnungssubjekt grundrechtlicher Gewährleistungen sein kann. Die Deutsche Telekom AG ist als Aktiengesellschaft zwar formal ein Privatrechtssubjekt. Materiell indes entstammt sie als Nachfolgeunternehmen des Staatsmonopolisten einem staatlichen Gründungsakt. Ihre Aktien hielt die Bundesrepublik Deutschland ursprünglich allein, bis Ende 2001 mehrheitlich. Der darin zum Ausdruck kommenden Staatsnähe der Deutsche Telekom AG korrespondiert eine „Ferne in der Grundrechtsberechtigung“, die es im Folgenden auszuloten gilt. Ausgangspunkt ist die Gründung der Deutsche Telekom AG im Privatisierungskontext und eine Bestimmung ihrer Lage als besonderes gemischt-wirtschaftliches Unternehmen zwischen Staats- und Privatwirtschaft.
I. Gründung des Unternehmens Deutsche Telekom AG im Privatisierungskontext Im Zuge der Postreform I entstand aus der Deutsche Bundespost das öffentliche Unternehmen TELEKOM mit einem Teilsondervermögen und eigener Wirtschaftsund Rechnungsprüfung, siehe Teil 1, Kapitel B. I. und II. Die Postreform II überführte mit dem Postumwandlungsgesetz nach Maßgabe von Art. 143 Buchstabe b Abs. 1 GG die TELEKOM rechtstechnisch in eine Aktiengesellschaft deutschen Rechts mit dem Namen „Deutsche Telekom AG“ und Sitz in Bonn. Gemäß § 3 Abs. 1 Postumwandlungsgesetz wurde der Bund mit der Gründung dieser Aktiengesellschaft deren alleiniger Aktionär. Er reduzierte seinen Kapitalanteil in mehreren Börsengängen. Am 31. Dezember 2000 waren die Aktien der Deutsche Telekom AG wie folgt verteilt: Der Bund hielt einen Anteil von rund 43 % direkt, auf die Kreditanstalt für den Wiederaufbau entfielen zirka 17 %, annäherungsweise 40 % der Aktien waren in Streubesitz23. Diese Anteilseignerstruktur änderte sich zum 31. Dezember 2001. Der Bund reduzierte seinen direkt gehaltenen Anteil auf knapp 31 %, die Kreditanstalt für den Wiederaufbau auf gut 12 %; zirka 57 % der Aktien befinden sich nun in Streubesitz24. Die Kreditanstalt für den Wiederaufbau ist als öffentlich-rechtliche Körperschaft eine juristische Person des öffentlichen Rechts, ihr Rechtsträger ist der Bund. An ihrem Grundkapital sind der Bund mit 23 Deutsche Telekom AG, Geschäftsbericht für das Jahr 2000, S. 98, electronic ed. http: / / www.telekom.de / dtag / home / portal / T-Aktie / InvestorRelations, Juli 2002. 24 Deutsche Telekom AG, Geschäftsbericht für das Jahr 2001, S. 127, electronic ed. http: / / www.telekom.de / dtag / home / portal / T-Aktie / InvestorRelations, Juli 2002.
C. Prüfungsvoraussetzung: Grundrechtsberechtigung der Deutsche Telekom AG
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80 % und die Länder mit 20 % beteiligt25. Demzufolge hielt der Bund am Jahresende 2000 unmittelbar rund 43 % und mittelbar knapp 17 %, insgesamt also rund 60 % der Aktien der Deutsche Telekom AG. Zum Jahresende 2001 verlor er mit insgesamt 43 % Kapitalanteilen seinen Mehrheitsanteil (unmittelbar rund 31 %, mittelbar zirka 12 %). Die Deutsche Telekom AG ist somit staatlichen Ursprungs, organisations- sowie aufgabenprivatisiert und gehört maßgeblich, wenn auch nicht mehr mehrheitlich der öffentlichen Hand. Dieser Befund stellt die Frage nach der Grundrechtsberechtigung der Deutsche Telekom AG in den Zusammenhang des Grundrechtsschutzes gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen nach den Vorgaben des Art. 19 Abs. 3 GG.
II. Grundrechtsschutz für „vorübergehend“ gemischt-wirtschaftliche Unternehmen „Gemischt-wirtschaftlich“ nennt die Rechtswissenschaft solche Unternehmen, die als privatrechtliche Gesellschaft, regelmäßig als Aktiengesellschaft oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung, organisiert sind und die mindestens einem staatlichen und einem privaten Rechtsträger – unbeschadet des konkreten Beteiligungsverhältnisses – eigentumsrechtlich gehören26. „Gemischt“ meint dabei die Anteilssplittung zwischen privaten und staatlichen Anteilseigner. Der Terminus „wirtschaftlich“ bezeichnet die Art und Weise der Unternehmensführung. Die Deutsche Telekom AG ist als Aktiengesellschaft deutschen Rechts den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit verpflichtet und verfolgt den Unternehmenszweck „Herstellung und Vermarktung von Telekommunikationsdienstleistungen“. An ihr sind zum Jahresende 2000 zu rund 40 % private und annäherungsweise zu 60 % staatliche Anteilseigner beteiligt. Zum 31. Dezember 2001 änderten sich die Mehrheitsverhältnisse zwischen privater und öffentlicher Hand. Zirka 43 % entfallen nun auf den Bund, rund 57 % befinden sich in privatem Streubesitz. Die Deutsche Telekom AG ist damit als gemischt-wirtschaftliches Unternehmen zu qualifizieren. Eine Besonderheit besteht hier allerdings darin, dass die „Gemischt-Wirtschaftlichkeit“ der Deutsche Telekom AG einen transitorischen Zustand abbildet. Dieser Zustand beschreibt die Phase, in der sich die aus einem organisations- und aufgabenprivatisierten Staatsunternehmen hervorgegangene Aktiengesellschaft bis zum vollständigen Verkauf des staatlichen Aktienpaketes befindet27. Kreditanstalt für den Wiederaufbau, electronic ed. http: / / www.kfw.de / info, Juli 2002. Eberhard Schmidt-Aßmann, Der Grundrechtsschutz gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen nach Art. 19 Abs. 3 GG, BB Beilage 34 zu Heft 27 / 1990, S. 1 (2); Rupert Scholz, Grundrechtsschutz gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen, in: Festschrift für Werner Lorenz, Tübingen 1991, S. 213 (218). 27 Zur schnellen Veränderbarkeit der Beteiligungsverhältnisse siehe auch Eberhard Schmidt-Aßmann, Der Grundrechtsschutz gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen nach Art. 19 Abs. 3 GG, BB Beilage 34 zu Heft 27 / 1990, S. 1 (4). 25 26
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Zum Grundrechtsschutz „gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen“ enthält das Grundgesetz keine unmittelbare Aussage. Das Grundgesetz knüpft die Frage der Grundrechtsberechtigung vielmehr an den Tatbestand der „inländischen juristischen Person“. Für diese gelten die Grundrechte gemäß Art. 19 Abs. 3 1. Halbsatz GG dem Grundsatz nach wie für natürliche Personen. Eine gravierende Einschränkung besteht allerdings darin, dass sie „ihrem Wesen nach“ auf die jeweilige juristische Person anwendbar sein müssen, Art. 19 Abs. 3 2. Halbsatz GG.
1. Zur herkömmlichen Interpretation des Art. 19 Abs. 3 GG Unabhängig von den Besonderheiten eines konkret betroffenen Grundrechts hat die Frage nach der wesensmäßigen Anwendbarkeit von Grundrechten an sich auf inländische juristische Personen im Sinne des Art. 19 Abs. 3 2. Halbsatz GG das Bundesverfassungsgericht mehrfach beschäftigt. Es knüpfte bei der Auslegung des Begriffs „wesensmäßige Anwendbarkeit“ an die grundsätzliche Funktion von Grundrechten des Grundgesetzes an. Grundrechte sollen den „typischen Gefährdungen und Verletzungen der Würde, der Freiheit und der rechtlichen Gleichheit der einzelnen Menschen oder von Menschengruppen durch öffentliche Gewalten“28 begegnen. Das Bundesverfassungsgericht folgerte daraus, dass die Konstituierung einer juristischen Person letztlich Ausdruck der freien Entfaltung natürlicher Personen sein müsse29. Es unterstrich, dass der Durchblick oder Durchgriff auf die hinter einer juristischen Person stehenden Menschen es als sinnvoll und erforderlich erscheinen lassen müsse, die juristische Person selbst in den Schutzbereich bestimmter Grundrechte einzubeziehen30. Stehe der Staat sowohl auf der Seite des Grundrechtsverpflichteten als auch auf derjenigen des möglicherweise Grundrechtsberechtigten, so gebiete das Grundgesetz grundsätzlich nicht, dass er sich oder einen seiner Teile vor sich selbst schützen müsse31. Kneift also bildlich gesprochen die Hand das Bein, hat der ganze Körper den Schmerz hinzunehmen. Es liegt eine grundrechtsunerhebliche Selbstschädigung in Gestalt eines Kompetenzkonfliktes vor. Das Bundesverfassungsgericht hat mit diesem Konfusionsargument32 eine Inhaberschaft materieller Grundrechte für juristische Personen des öffentlichen Rechts grundsätzlich verneint, diese Argumentation aber selbst mehr28 So ausdrücklich im „Saßbach-Beschluss“: BVerfGE 61, S. 82 (100) mit einem Vergleichshinweis auf BVerfGE 21, S. 362 (369). 29 BVerfGE 61, S. 82 (101). 30 BVerfGE 61, S. 82 (101). 31 Siehe hierzu auch Josef Isensee, Anwendung der Grundrechte auf juristische Personen, in: Handbuch des Staatsrechts, hrsg. v. Josef Isensee und Paul Kirchhof, Bd. V, Heidelberg 1992, § 118, Rdnr. 24; zum grundrechtskonzeptionellen Hintergrund dieser Auffassung, auch aus historischer Sicht Herbert Bethge, Grundrechtsträgerschaft juristischer Personen – Zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR 104 (1979), S. 56 (86 ff.). 32 Siehe nur Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III / 1, München 1988, S. 1113.
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fach durchbrochen33. Die der juristischen Person des öffentlichen Rechts kraft Gründungsakt zugewiesenen Aufgaben und Funktionen und deren Zuordnung zur privaten Sphäre der Gesellschaft einerseits oder zum materiell staatsgewaltlichen Bereich34 andererseits rückten ins Zentrum der Überlegungen35. Im Hinblick auf juristische Personen des Privatrechts hat das Bundesverfassungsgericht die Unmaßgeblichkeit der rechtlichen Organisationsform unterstrichen und ebenfalls die Zuordnung der wahrgenommenen Aufgaben und Funktionen zum öffentlichen oder privaten Sektor zum Entscheidungskriterium erhoben. So verneinte das Gericht die Grundrechtsberechtigung einer juristischen Privatrechtsperson, die Träger öffentlicher Gewalt zu 100 % hielten und die als rein öffentliches Unternehmen36 öffentliche Aufgaben wahrnahm37. Die Begründung setzt bei der Organisationsform an, die allein keinen ausschlaggebenden Unterschied ausmachen könne, wenn die Privatrechtsperson Aufgaben und Funktionen der öffentlichen Verwaltung wahrnehme38. Eine weitere Entscheidung betraf ein gemischt-wirtschaftliches 33 Nach BVerfGE 21, S. 362 (373 f.) kann eine Ausnahme für alle juristische Personen des öffentlichen Rechts im Hinblick auf die Justizgrundrechte gemacht werden und für solche juristische Personen des öffentlichen Rechts, die unmittelbar einem grundrechtlich geschützten Lebensbereich natürlicher Personen zuordbar sind und die als eigenständige, zumindest staatsferne Einrichtungen bestehen. Dazu zählen Rundfunkanstalten und Universitäten sowie Kirchen-, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften jeweils im Hinblick auf den betreffenden grundrechtlich geschützten Lebensbereich. 34 In BVerfGE 70, S. 1 (15 f.) hat das Bundesverfassungsgericht zur Beantwortung der Frage nach der Grundrechtsberechtigung öffentlich-rechtlicher Organisationen nichtärztlicher Heil- und Hilfsberufe unter Überspringen der Rechtsformerörterung allein den Maßstab zugrunde gelegt, ob diese Organisationen nach den gesetzlichen Vorgaben in gleichem Maße wie Kassenärzte, -zahnärzte und Zahntechniker in das System der gesetzlichen Krankenversicherung einbezogen seien oder ob „die Elemente privater (kollektiver) Interessenwahrnehmung als vorherrschend erschienen“. Es hat letzteres angenommen und die Grundrechtsberechtigung dieser Organisationen bejaht. In BVerfG 75, S. 192 (197 ff.) misst das Bundesverfassungsgericht der Organisationsform öffentlich-rechtlicher Sparkassen keine entscheidende Bedeutung für die Frage nach deren Grundrechtsberechtigung bei, sondern prüft ausführlich die Aufgabe der Sparkasse, die es der öffentlichen Daseinsvorsorge zuordnet, also dem öffentlichen Bereich, und demzufolge deren Grundrechtsberechtigung verneint. 35 Gegenausnahme ist der Saßbach-Beschluss, BVerfGE 61, S. 82 (100), in dem einer Gemeinde, als Gebietskörperschaft eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die Grundrechtsberechtigung abgesprochen wurde, obwohl sie private Aufgaben wie die Verwaltung landwirtschaftlich genutzten Grundeigentums wahrnahm. Bezogen auf die Eigentumsfreiheit kulminierte die Analyse des Bundesverfassungsgerichts in der vielzitierten These: Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG schütze „nicht das Privateigentum, sondern das Eigentum Privater“, BVerfGE 61, S. 82 (109). 36 Zur Terminologie „öffentliches Unternehmen“ – „gemischt-wirtschaftliches Unternehmen“ siehe Eberhard Schmidt-Aßmann, Der Grundrechtsschutz gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen nach Art. 19 Abs. 3 GG, BB-Beilage 34 / 1990, S. 1 (2 f.). 37 So ausdrücklich im „Innungsverband-Beschluss“, BVerfG, Beschluss vom 31. Oktober 1984, Az. 1 BvR 35 / 82, NJW 1985, S. 1385 (1387). 38 BVerfG, Beschluss vom 31. Oktober 1984, Az. 1 BvR 35 / 82, NJW 1985, S. 1385 (1387).
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Unternehmen39. Darin lehnte das Bundesverfassungsgericht die Grundrechtsberechtigung einer Aktiengesellschaft ab, die mit der Durchführung der Wasserund Elektrizitätsversorgung einer Großstadt betraut ist und zu 72 % von der öffentlichen Hand, zu 28 % von Privatpersonen gehalten wird40. Argumentativ stützt das Gericht diese Position erstens auf den Charakter der Energieversorgung als eine typische, die Daseinsvorsorge betreffende Aufgabe kommunaler Gebietskörperschaften41. Zweitens sei bei einem solchen Beteiligungsverhältnis davon auszugehen, dass die öffentliche Hand in Gestalt der Kommune die Möglichkeit habe, entscheidenden Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft zu nehmen42. Wendet man sich vor diesem Rechtsprechungshintergrund der Frage nach der abstrakten Grundrechtsberechtigung der Deutsche Telekom AG zu, so könnte man geneigt sein, diese auf den ersten Blick zu verneinen. Die in einer juristischen Person des Privatrechts institutionalisierte und zusammengefasste Willensbetätigung von Individuen ist im Sinne der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung mathematisch die erste Ableitung einer grundrechtlich geschützten Freiheitsbetätigung natürlicher Personen. Ihr gebührt derselbe grundrechtliche Schutz wie dem einzelnen Individuum und dessen Willensäußerung. Die Gründung der Aktiengesellschaft Deutsche Telekom AG war demgegenüber erstens nicht Ausdruck des freien Willens natürlicher Personen, gemeinsam einen bestimmten Geschäftszweck zu verfolgen. Die Deutsche Telekom AG ist vielmehr durch einen staatlichen Willensakt, das Postumwandlungsgesetz, erzeugt worden. Hinter ihr stand ursprünglich zu 100 %, im Jahr 2000 noch zu rund 60 % der Bund. Zweitens ist ihre privatrechtliche Verfasstheit unerheblich. Unabhängig von der Qualität der von dem Unternehmen wahr genommenen Aufgaben und Funktionen hatte die öffentliche Hand durch ihre ursprüngliche Alleineigentümerstellung am Aktienkapital, die dann zur Anteilsmehrheit wurde und heute noch mit einem Anteil von mehr als 40 % eine signifikante Beteiligung ausmacht, einen möglicherweise entscheidenden Einfluss auf die Tätigkeit der Gesellschaft.
39 Zur Terminologie „öffentliches Unternehmen“ – „gemischt-wirtschaftliches Unternehmen“ siehe Eberhard Schmidt-Aßmann, Der Grundrechtsschutz gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen nach Art. 19 Abs. 3 GG, BB-Beilage 34 / 1990, S. 1 (2 f.). 40 Sogenannter „Hamburgische Elektrizitätswerke AG-Beschluss“, BVerfG, Beschluss vom 16. Mai 1989, Az. 1 BvR 705 / 88, NJW 1990, S. 1783; kritisch hierzu Hans-Georg Koppensteiner, Zur Grundrechtsfähigkeit gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen, NJW 1990, S. 3105 (3108 ff.); die Grundrechtsberechtigung gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen grundsätzlich bejahend: Hartmut Krüger, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 19, Rdnr. 63. 41 BVerfG, Beschluss vom 16. Mai 1989, Az. 1 BvR 705 / 88, NJW 1990, S. 1783. 42 BVerfG, Beschluss vom 16. Mai 1989, Az. 1 BvR 705 / 88, NJW 1990, S. 1783.
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2. Interpretation des Art. 19 Abs. 3 GG für „vorübergehend“ gemischt-wirtschaftliche Unternehmen Die herkömmliche Interpretation des Art. 19 Abs. 3 GG durch das Bundesverfassungsgericht greift für „vorübergehend“ gemischt-wirtschaftliche Unternehmen im Privatisierungs- und Entmonopolisierungskontext von Daseinsvorsorgeaufgaben jedoch zu kurz und lässt die Besonderheiten dieser Unternehmen unberücksichtigt. Diese Spezifika bestehen erstens darin, dass solche Unternehmen als Konsequenz der Privatisierung, verstanden als Aufgabenprivatisierung, siehe Teil 1, Kapitel A. II., keine genuin öffentlichen Aufgaben (mehr) wahrnehmen. So hat der Gesetzgeber im Telekommunikationssektor die politische Entscheidung getroffen, eine Aufgabe der Daseinsvorsorge – jedenfalls in Teilen – nicht mehr als öffentliche Aufgabe anzusehen und darüberhinaus diese Aufgabe vollumfänglich privatwirtschaftlich zu erfüllen43. Daher ist jedenfalls die Tätigkeit „vorübergehend“ gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen wie der Deutsche Telekom AG dem Wettbewerb mit anderen Privatrechtssubjekten ausgesetzt und gleichgestellt. Zweitens wird das staatliche Anteilseigentum kontinuierlich abgebaut, so dass sie langfristig, allerdings ohne festen Zeitplan, vollständig in private Hand übergehen sollen. Korrelierend wächst der von Privaten gehaltene Anteil und mit diesem jedenfalls auch die quantitative Tragweite einer Entscheidung über den Grundrechtsschutz des Unternehmens. Raum für die Berücksichtigung dieser Besonderheiten zur Bejahung der Grundrechtsberechtigung „vorübergehend“ gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen, liefern auch die Argumentationslinien des Bundesverfassungsgerichts. Ansatzpunkte sind zum einen die das Unternehmen prägenden Aufgaben und Funktionen, genauer gesagt deren Rechtsnatur, zum anderen Art und Maß der mit der Kapitalmehrheit verbundenen staatlichen Einflussnahme auf diesen Aktionsbereich. Einen dritten Begründungsansatz kann der Zusammenhang zwischen Haushaltsrecht und Privatisierungsentscheidungen liefern. a) Rechtsnatur des unternehmerischen Aufgabenund Funktionsbereiches Im Innungsverband-Beschluss betont das Bundesverfassungsgericht, dass für die Frage, ob das Grundgesetz einer juristischen Person des Privatrechts Grundrechte zuordne, „die Art der wahrzunehmenden Aufgaben und die Funktion, welche die juristische Person jeweils ausführt“ maßgebend seien44. Auch im HamburgischeElektrizitätswerke-AG-Beschluss45 prüft das Gericht den Charakter der das ge43 Siehe in diesem Zusammenhang auch Udo Di Fabio, Privatisierung und Staatsvorbehalt – Zum dogmatischen Schlüsselbegriff der öffentlichen Aufgabe, JZ 1999, S. 585 (586; 589). 44 BVerfG, Beschluss vom 31. Oktober 1984, Az. 1 BvR 35 / 82, NJW 1985, S. 1385 (1387). 45 BVerfG, Beschluss vom 16. Mai 1989, Az. 1 BvR 705 / 88, NJW 1990, S. 1783.
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mischt-wirtschaftliche Unternehmen prägenden Aufgabe. Die Qualität der Energieversorgung als typische Daseinsvorsorgeaufgabe kommunaler Gebietskörperschaften ist ein maßgebendes Argument für die Verneinung der Grundrechtsberechtigung46. In einer Entscheidung jüngeren Datums knüpft das Bundesverfassungsgericht nicht an Daseinsvorsorgeaufgaben an, sondern allgemeiner, an „die Wahrnehmung gesetzlich zugewiesener und geregelter Aufgaben“, die die privatrechtlich verfassten Baugenossenschaften „als Teil der öffentlichen Verwaltung im materiellen Sinne betreffen“47. Art. 87 Buchstabe f Abs. 2 Satz 1 GG gibt maßgebend Auskunft über die Rechtsnatur der die Deutsche Telekom AG prägenden Aufgaben und Funktionen. Dessen inhaltliche Kernaussage ist dem Wortlaut zufolge, dass insbesondere Telekommunikationsdienstleistungen als privatwirtschaftliche Tätigkeiten durch die Postnachfolgeunternehmen und durch andere private Anbieter erbracht werden. Privatwirtschaftlich ist jede Wirtschaftstätigkeit, die sich durch kaufmännisches, wettbewerbsorientiertes Handeln in privater Unternehmensform mit privaten Mitteln auszeichnet48. Die Qualifizierung der Aufgabe „Dienstleistungserbringung im Telekommunikationsbereich“ als privatwirtschaftlich entzieht sie dem Reservat der öffentlichen Verwaltung im materiellen Sinn49. Telekommunikationsdienstleistungen werden damit zugleich Gegenstand des Wettbewerbs50. Ihre Erbringung auf wettbewerblichen Märkten definiert den wesentlichen, satzungsgemäßen Gesellschaftszweck der Deutsche Telekom AG. Damit ist die dem Unternehmen das maßgebliche Gepräge gebende Aufgabe festgelegt. Der 46 In diesem Sinne hat sich das Bundesverfassungsgericht bereits in BVerfGE 45, S. 63 (79 f.) im Zusammenhang mit der Grundrechtsberechtigung von Gebietskörperschaften bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben der Daseinsvorsorge geäußert: Wenn eine juristische Person des Privatrechts ganz der öffentlichen Aufgabe der Daseinsvorsorge gewidmet sei und von einem Träger öffentlicher Verwaltung gehalten werde, so sei sie im Hinblick auf die Grundrechtsberechtigung nicht anders zu behandeln als der Verwaltungsträger selbst; im Hinblick auf die Liberalisierung des Strommarktes und der nunmehr wettbewerbsorientierten Erfüllung der Stromversorgung werden auch gemischt-wirtschaftliche Energieversorgungsunternehmen als grundrechtsfähig qualifiziert, siehe beispielsweise Hans-Georg Dederer, Atomausstieg und Art. 14 GG – Zugleich zur de facto-enteignenden Inhalts- und Schrankenbestimmung, JA 2000, S. 819. 47 „Baugenossenschafts-Beschluss“, BVerfG, Beschluss vom 2. Oktober 1985, Az. 1 BvR 1357 / 94, NJW 1996, S. 584. 48 Kay Windthorst, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 87 f., Rdnr. 27; Carsten Wirth, Die Grundrechtsberechtigung der Deutschen Post AG, JA 1998, S. 820 (822 f.). 49 Rudolf Wendt, in: Kommentar zum Postneuordnungsrecht, hrsg. v. Klaus Stern, Heidelberg Stand: März 2000, § 14 BAPostG, Rdnr. 14; Peter Lerche, in: Kommentar, Grundgesetz, hrsg. v. Theodor Maunz, Günter Dürig u. a., Bd. IV, München Stand: Juli 2001, Art. 87 f., Rdnrn. 2, 33. 50 Peter Lerche, in: Kommentar, Grundgesetz, hrsg. v. Theodor Maunz, Günter Dürig u. a., Bd. IV, München Stand: Juli 2001, Art. 87 f., Rdnrn. 2, 3, 10, 55; Frauke Brosius-Gersdorf, Wettbewerb auf der Schiene – Zu den verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen für den Eisenbahnsektor im Vergleich zum Post- und Telekommunikationssektor, DÖV 2002, S. 275 (281).
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daseinsvorsorgende Infrastrukturauftrag in Art. 87 Buchstabe f Abs. 1 GG überlagert dies auch nicht durch eine öffentlich-rechtliche Schicht. Der an den Bund gerichtete Auftrag des Art. 87 Buchstabe f Abs. 1 GG, im Bereich der Telekommunikation flächendeckend für angemessene und ausreichende Dienstleistungen zu sorgen, ist zwar zweifelsohne als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren. Indes hat ihn die Deutsche Telekom AG nicht – auch nicht wegen der anfänglichen Kapitalbeteiligung des Bundes zu 100 % – unmittelbar auszuführen. Vielmehr erfüllt der Bund den Infrastrukturauftrag im Zusammenspiel des Lizenzvergabeverfahrens nach §§ 6 ff. TKG mit den Regelungen über das Erbringen von Universaldienstleistungen, §§ 17 ff. TKG. § 18 TKG enthält die einfachgesetzliche Verpflichtung jedes Lizenznehmers, Universaldienstleistungen im Sinne des § 17 TKG zu erbringen. Dazu zählt „ein Mindestangebot an Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit, für die eine bestimmte Qualität festgelegt ist und zu denen alle Nutzer unabhängig von ihrem Wohn- oder Geschäftsort zu erschwinglichen Preisen Zugang haben müssen.“ Erst durch die Verpflichtung des § 18 TKG kommt die Universaldienstleistung als „besondere Leistungsbeschreibung“ zu der allgemeinen Aufgabe der Deutsche Telekom AG, nämlich die Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen, hinzu. In dieser Universaldienstleistungsverpflichtung kommt zwar ein gewisser Bezug der Telekommunikation zur Daseinsvorsorge zum Ausduck. Die maßgebende Aufgabenerfüllung „Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen“ ist aber davon unberührt als privatwirtschaftlich anzusehen51. Dienstleistungserbringung im Telekommunikationsbereich zählt nicht (mehr) zur daseinsvorsorgenden, öffentlichen Verwaltung, sondern ist Teil eines dem Wettbewerb geöffneten Marktes. Die Entscheidung für die Privatwirtschaftlichkeit „macht die Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen durch Private grundsätzlich zur Ausübung von grundrechtlich geschützter Wirtschaftstätigkeit“52. Diese Aussage lässt sich nicht bloß aus dem vom Verfassungsgeber in Art. 87 Buchstabe f Abs. 2 Satz 2 GG gewählten Begriff „privatwirtschaftlich“ entwickeln. Sie ist auch aus der Bezeichnung des Nachfolgeunternehmens Deutsche Telekom AG als „privater Anbieter“ von Telekommunikationsdienstleistungen in Art. 87 Buchstabe f Abs. 2 Satz 1 GG zu gewinnen. Denn nur wenn die Postnach51 Anders hingegen Peter Lerche, in: Kommentar, Grundgesetz, hrsg. v. Theodor Maunz, Günter Dürig u. a., Bd. IV, München Stand: Juli 2001, Art. 87 f., Rdnrn. 69, 70, der die Aufgabe der Deutsche Telekom AG als jedenfalls auch öffentlich-rechtlich qualifiziert und daher deren Grundrechtsschutz konsequent, aber selbst nicht überzeugt grundsätzlich ablehnt: „Es befriedigt allerdings im Zeichen von Kommerzialisierung und Wettbewerb wenig, dass die Nachfolgeunternehmen keinen Grundrechtschutz haben sollen, die anderen Anbieter dagegen schon.“ (Fußnote 46 a.E. zu Rdnr. 70); Peter Lerche stellt allerdings den Zusammenhang zu den Vorschriften des Telekommunikationsgesetzes über die Erbringung von Universaldienstleistungen und die Lizenzvergabe nicht her. 52 Hans-Heinrich Trute, Öffentlich-rechtliche Rahmenbedingungen einer Informationsordnung, 2. Bericht, in: VVDStRL 57 (1998), S. 218 (226); der Sache nach ebenso, jedenfalls bezogen auf das Anbieten von Telekommunikationsdienstleistungen, Friedrich Schoch, Öffentlich-rechtliche Rahmenbedingungen einer Informationsordnung, 1. Bericht, in: VVDStRL 57 (1998), S. 160 (191).
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folgeunternehmen selbst „private Anbieter“ sind, können die neuen Wettbewerber als „andere private Anbieter“ bezeichnet werden53. Die in Art. 87 Buchstabe f Abs. 2 Satz 1 GG bewirkte Einordnung der Deutsche Telekom AG und der anderen privaten Anbieter auf dieselbe rechtliche und wirtschaftliche Handlungsebene unterstreicht dies. Die öffentliche Hand hat in Gestalt der Deutsche Telekom AG ein Wirtschaftssubjekt erzeugt und es in die private Wirtschaft mit deren eigenen Regeln, insbesondere denjenigen des Wettbewerbs, entlassen. Der Staat hat damit das materielle Band zum Nachfolgeunternehmen seiner Deutsche Bundespost TELEKOM durchtrennt. Gerade dieses Band machte jedoch die Zugehörigkeit zum öffentlich-rechtlichen Bereich aus. Es verbleibt nun lediglich die rechtsformale Zuordnung der neuen Einheit Deutsche Telekom AG zum Anteilseigner Bund. Das Band dieser rechtsformalen Zuordnung wird mit jedem Börsengang, sprich mit jeder Reduzierung des staatlich gehaltenen Kapitalanteils, schmaler. Auch ist das Ausmaß des „going public“ der Deutschen Telekom AG nicht mit den zeitlichen Restriktionen des Art. 143 Buchstabe b Abs. 2 Satz 2 GG versehen. Dieser bestimmt für die Deutsche Post AG einen Zeitraum von fünf Jahren nach Inkrafttreten des Postumwandlungsgesetzes, in dem der Bund seine Kapitalmehrheit behalten muss. Die Unterscheidung des Verfassungsgebers zwischen Deutsche Post AG einerseits und Deutsche Telekom AG sowie Deutsche Postbank AG andererseits spricht für ein verfassungsrechtlich verordnetes „Desinteresse des Staates“ an der Bewahrung seiner Kapitalmehrheit und der damit verbundenen Rechte. Überzeichnend ausgedrückt wird dem Bund der Gesellschaftsanteil in erster Linie zu Investitionszwecken gewährt. Der den Bundeshaushalt hütende Bundesfinanzminister ist angesprochen, wenn es um Entscheidungen des Bundes über seine Aktienbeteiligung geht, und nicht der Infrastrukturpolitik betreibende Bundeswirtschaftsminister. Dies lässt sich jedenfalls als zusätzliches Indiz für die vorstehende grundrechtsdogmatische Bewertung der schrumpfenden Beteiligung des Bundes an dem Unternehmen Deutsche Telekom AG anführen. Die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Einführung des Art. 87 Buchstabe f GG unterstreicht diese Bewertung ausdrücklich. Akte öffentlicher Gewalt, die die aus dem Sondervermögen Deutsche Post hervorgegangenen Unternehmen betreffen, hätten sich „an dem privaten Charakter der Tätigkeit und an dem einschlägigen Grundrechtsschutz auszurichten (insbesondere Art. 12 und Art. 14 GG)“54. Auch die Be53 In diesem Sinne auch das Verwaltungsgericht Köln in der erstinstanzlichen Hauptsacheentscheidung zum entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung am Hauptverteiler, VG Köln, Urteile vom 5. November 1998, Az. 1 K 5943 / 97, Az. 1 K 5929 / 97 und Az. 1 K 5942 / 97, RTkom 1999, S. 35 (39) f.; Karl-Michael Fuhr / Bärbel Kerkhoff, Entbündelter Zugang – Vereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG?, MMR 1998, S. 6 (9); Klaus Stern / Johannes Dietlein, Netzzugang im Telekommunikationsrecht – Zur verfassungsrechtlichen Problematik eines entbündelten Zugangs zu den Teilnehmeranschlussleitungen, Teil 1, Archiv PT 1998, S. 309 (315 – 317, 322). 54 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes, Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 12 / 7269, vom 14. April 1994, S. 1 (5, Begründung zu Art. 87 Buchstabe f. GG).
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gründung der Fraktionen der CDU / CSU, SPD und F.D.P. zur Einführung des Art. 87 Buchstabe f GG geht in dieselbe Richtung. Im Zusammenhang mit den Kompetenzen der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation heißt es, dass diese bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben gegenüber den Postnachfolgeunternehmen den Grundrechtsschutz privater Anleger zu beachten habe55. Damit wird indirekt jedenfalls dem Gesellschaftsanteil der privaten Anleger Grundrechtsschutz gewährt und – pars pro toto – der Aktiengesellschaft als solcher. Mit der verfassungsrechtlich verbrieften Entlassung der „Dienstleistungserbringung im Telekommunikationssektor“ in die Privatwirtschaft hat sich der Staat der unmittelbaren Wahrnehmung der Aufgaben dieses Wirtschaftsbereiches begeben56. Er hat in der Deutsche Telekom AG ein eigenständiges Privatrechtssubjekt erzeugt und dieses materiell, indes formal noch nicht vollständig von der öffentlichen Hand abgespalten. Das anfangs noch umfassend bestehende formale Band durch die Kapitalbeteiligung des Bundes in Höhe von 100 % ist privatisierungs-und entmonopolisierungskonzeptionell auf eine Verschmälerung bis hin zur vollständigen Auflösung durch mehrfache Börsengänge angelegt. Damit ist dieses Privatrechtssubjekt materiell und auch formal in die nicht staatliche Sphäre entlassen57. Es genießt auf dem Boden vorstehender Interpretation des Art. 19 Abs. 3 GG bereits im Entstehungsmoment Grundrechtsschutz58 wie jede andere vollständig „staatsfreie“ juristische Person des Privatrechts59. 55 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes, Gesetzentwurf der Fraktionen CDU / CSU, SPD und F.D.P., BT-Drucks. 12 / 6717, vom 1. Februar 1994, S. 1 (4, Begründung zu Art. 87 Buchstabe f. GG). 56 Siehe in diesem Zusammenhang auch Hubertus Gersdorf, Der Staat als Telekommunikationsunternehmer – Zur verfassungsrechtlichen Problematik der sogenannten Rückverstaatlichung im Telekommunikationssektor, Archiv PT 1998, S. 470 (472 f., 475). 57 So auch das Oberverwaltungsgericht Münster in der zweitinstanzlichen Hauptsacheentscheidung über den entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung am Hauptverteiler, OVG Münster, Urteil vom 7. Februar 2000, Az. 13 A 180 / 99, NVwZ 2000, S. 697 (701). 58 So auch Rudolf Wendt, in: Kommentar zum Postneuordnungsrecht, hrsg. v. Klaus Stern, Heidelberg Stand: März 2000, § 14 BAPostG, Rdnr. 14; Andreas von Arnauld, Grundrechtsfragen im Bereich von Postwesen und Telekommunikation – Ein Beitrag zur Geltung der Grundrechte für und gegen gemischtwirtschaftliche Unternehmen und staatliche Eigengesellschaften, DÖV 1998, S. 437 (451); zu dem entsprechenden Ergebnis für die Deutsche Post AG gelangen Michael Elicker, Die Abgabe nach § 16 des neuen Postgesetzes als verfassungswidrige Sonderabgabe, Archiv PT 1998, S. 201 (229 f.); Heike Jochum, Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG, Berlin 2001, S. 28 f. 59 Zu diesem Ergebnis gelangt auch das Bundesverwaltungsgericht in der Entscheidung über den entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung am Hauptverteiler, das apodiktisch feststellt: „Von der Grundrechtsfähigkeit der Kl. (sic. der Deutsche Telekom AG) kann wegen ihrer ausschließlich privatwirtschaftlichen Tätigkeit und Aufgabenstellung (Art. 87 II GG) ausgegangen werden. Unerheblich ist insoweit, dass die Kl. . . . aus dem öffentlich-rechtlichen Teilsondervermögen Deutsche Bundespost Telekom hervorgegangen ist und bis heute trotz der Veräußerung von Aktien an private Investoren mehrheitlich im Eigentum der Bekl. (sic. der Bundesrepublik Deutschland) steht“, BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 6 / 00, NVwZ 2001, S. 1399 (1406).
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b) Staatliche Einflussnahme auf Aufgaben und Funktionen der Aktiengesellschaft? Noch im Hamburgische-Elektrizitätswerke-AG-Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht die Grundrechtsberechtigung gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen wegen der entscheidenden staatlichen Einflussnahme auf die Unternehmenstätigkeit infolge der Kapitalmehrheit der öffentlichen Hand verneint. Im Baugenossenschafts-Beschluss60 konkretisiert das Gericht jetzt seine Rechtsprechung dahin, dass die Grundrechtsberechtigung einer juristischen Privatrechtsperson bloß in einem begrenzten Umfang verneint werden könne, wenn nämlich das Anteilseigentum dieses Privatrechtssubjektes jedenfalls überwiegend der öffentlichen Hand zustehe und zudem das Privatrechtssubjekt in einem Bereich betroffen ist, in dem es selbst gesetzlich zugewiesene und geregelte öffentliche Aufgaben wahrnehme, die Teil der öffentlichen Verwaltung im materiellen Sinne sind61. Damit wird gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen indirekt die Grundrechtsberechtigung in Bezug auf die Wahrnehmung aller nicht als Teil der öffentlichen Verwaltung im materiellen Sinne begriffenen Aufgaben zuerkannt und die Argumentationslinie von der entscheidenden, gesellschaftsrechtlichen Einflussnahme der öffentlichen Hand bei einer Mehrheitsbeteiligung im Ergebnis aufgegeben. Dass eine überwiegend staatlich gehaltene Aktiengesellschaft nicht entscheidend von ihrem Mehrheitsgesellschafter in ihrer Geschäftstätigkeit beeinflusst wird, lässt sich gesellschafts- und aktienrechtlich begründen62. Gemäß § 76 Abs. 1 Aktiengesetz (nachfolgend: „AktG“)63 leitet der Vorstand einer Aktiengesellschaft diese in eigener Verantwortung. Er bestimmt im einzelnen den Kurs der Gesellschaft. Die in der Hauptversammlung vereinigten Anteilseigner können demgegenüber nur grobe Vorgaben geben und korrigieren. Sie können den Vorstand abwählen, nicht aber im einzelnen seine Geschäftspolitik bestimmen. Der Vorstand ist nicht die Marionette der Hauptversammlung, sondern im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben und Grundlagenbeschlüsse der Hauptversammlung berechtigt, eigenen Wege zu gehen. Eine mit dem Mehrheitsanteil verbundene Einflussnahme auf die Tätigkeit der Gesellschaft kann sich beispielsweise in der Hauptversammlung bei der Verabschiedung des Geschäftsplans zeigen. Der Staat als Mehrheitsaktionär kann ihn BVerfG, Beschluss vom 2. Oktober 1995, Az. 1 BvR 1357 / 94, NJW 1996, S. 584. Die Folgerung, dass jedenfalls nicht überwiegend von der öffentlichen Hand gehaltene Privatrechtssubjekte per se Grundrechtsschutz genießen können, könnte gezogen werden. 62 Ausführlich dazu Hans-Georg Koppensteiner, Zur Grundrechtsfähigkeit gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen, NJW 1990, S. 3105 (3109 ff.); Georg Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, Tübingen 1998, S. 89 f.; Rupert Scholz, Grundrechtsschutz gemischtwirtschaftlicher Unternehmen, in: Festschrift für Werner Lorenz, Tübingen 1991, S. 213 (217) mit dem Hinweis, dass sich insbesondere die Grundsätze zum Minderheitenschutz, die das Bundesverfassungsgericht im „Mitbestimmungs-Urteil“, BVerfGE 50, S. 290 (350 ff.), herausgearbeitet hat, auf gemischt-wirtschaftliche Unternehmen übertragen ließen. 63 BGBl. 1965 I S. 1089 zuletzt geändert durch Art. 1 Nr. 16 Transparenz- und Publizitätsgesetz vom 19. Juli 2002 (BGBl. I S. 2681). 60 61
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ablehnen oder annehmen. Er bestimmt ihn damit mittelbar auch inhaltlich. Im Hinblick auf die Deutsche Telekom AG sieht sich der Mehrheitsaktionär bei jeder inhaltlichen Gestaltung zwei rechtlichen Begrenzungen gegenüber: Erstens der gesellschaftsrechtlichen Begrenzung durch die Maxime der Gewinnorientierung und zweitens der verfassungsrechtlichen Begrenzung durch den Grundsatz der Privatwirtschaftlichkeit aus Art. 87 Buchstabe f Abs. 2 GG. Der Bund kann damit im Rahmen der Rechtsordnung nicht gleichsam durch die Hintertür des Geschäftsplans Projekte der Leistungsverwaltung in das Aufgabenspektrum der Deutsche Telekom AG einführen. Ab dem ersten Börsengang sieht sich der Mehrheitsaktionär darüber hinaus einer weiteren Begrenzung seines gesellschaftsrechtlichen Aktionsradius gegenüber. Die mehrheitlich von der öffentlichen Hand beherrschte Hauptversammlung muss den neuen privaten Aktionären aktienrechtlichen Minderheitenschutz gewähren64. In summa ist jedenfalls der entscheidende Einfluss des öffentlichen Mehrheitsaktionärs auf die maßgeblichen Organe der Aktiengesellschaft, den Vorstand und die Hauptversammlung, zu verneinen. Spätestens seit Ende 2001 haben sich zudem die Mehrheitsverhältnisse zugunsten der privaten Anleger umgekehrt, so dass das Gewicht der Stimme des Aktionärs „Bund“ im Konzert mit privaten Großinvestoren, Aktienfondsmanagern und Kleinanlegern zunehmend schwindet.
c) Haushaltsrechtliche Prämissen für den Grundrechtsschutz „vorübergehend“ gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen Einen dritten Begründungsansatz für die Grundrechtsberechtigung der Deutsche Telekom AG könnte das Haushaltsrecht des Bundes, in concreto § 7 Bundeshaushaltsordnung (nachfolgend: „BHO“)65 liefern, das Vorgaben enthält, die der Staat bei Privatisierungsentscheidungen zu beachten hat. Dabei geht es nicht um die durch Gesetz erfolgte Umwandlung des staatlichen Sondervermögens in eine Aktiengesellschaft. Gemeint ist die Entscheidung des Staates, in welcher Art und Weise er sich seines Aktienanteils begeben will. Dem Bund gehörte ursprünglich die form- und aufgabenprivatisierte Aktiengesellschaft Deutsche Telekom AG zu 100 %. Er plant den Verkauf seiner Anteile. Nach Plan A soll der Verkauf in mehreren Börsengängen erfolgen, damit die Nachfrage jeweils größer ist als die zum Verkauf stehende Stückzahl und ein möglichst hoher Verkaufspreis erzielt werden kann. In der Zeit zwischen dem ersten Börsengang und dem Verkauf der letzten Aktie des Bundes an eine Privatperson gehört die Aktiengesellschaft allerdings privaten und staatlichen Anteilseignern gemeinsam. Spricht man diesem Unterneh64 Hans-Georg Koppensteiner, Zur Grundrechtsfähigkeit gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen, NJW 1990, S. 3105 (3110 f.); vgl. auch Rudolf Wendt, in: Kommentar zum Postneuordnungsrecht, hrsg. v. Klaus Stern, Heidelberg Stand: März 2000, § 14 BAPostG, Rdnr. 16. 65 BGBl. 1969 I S. 1284 zuletzt geändert durch Art. 3 Gesetz zur Änderung von Vorschriften über parlamentarische Gremien vom 17. Juni 1999 (BGBl. I S. 1334).
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men im Sinne der herkömmlichen Interpretation des Art. 19 Abs. 3 GG durch das Bundesverfassungsgericht die Grundrechtsberechtigung ab, wirkt sich dies negativ auf den für die Aktien zu erzielenden Kaufpreis aus. Der Grundrechtsschutz der Aktiengesellschaft ist ein wertbildender Faktor. Für eine Aktie, bei deren Kauf der Käufer konkludent einen Grundrechtsverzicht erklärt, ist am Markt ein geringerer Preis zu erzielen. Der Verkauf einer solchen Aktie ist daher im Hinblick auf den haushaltsrechtlichen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit bei der Veräußerung von Vermögensgegenständen bedenklich, §§ 7 Abs. 1, 63 Abs. 3 Satz 1 BHO. Will man diese Klippe umschiffen, greift Plan B: Der Bund verkauft in einem einzigen Börsengang alle Aktien. Der wertbildende Faktor, Grundrechtsschutz der Aktiengesellschaft, ist beachtet. Indes stünden Aktien(über-)Angebot und Aktiennachfrage in einem für den Verkäufer so ungünstigen Verhältnis, dass der zu erzielende Preis wiederum in einer mit Blick auf die Bundeshaushaltsordnung bedenklichen Weise niedrig wäre. Man könnte daher argumentieren, dass der Bund haushaltsrechtlich in einem Dilemma ist: Beide Wege, sich seines Aktienanteils zu entledigen, sind im Hinblick auf den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit, § 7 Abs. 1 BHO, bedenklich. Eine haushaltsrechtmäßige Lösung bietet die tranchenweise Veräußerung des Bundesanteils in mehreren Börsengängen bei gleichzeitiger Anerkennung der Grundrechtsberechtigung der Aktiengesellschaft mit dem ersten Börsengang. Festzuhalten ist allerdings, dass sich allein aus haushaltsrechtlichen Überlegungen keine Vorgaben für die Grundrechtsberechtigung „vorübergehend“ gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen entwickeln lassen.
d) Zusammenfassung Die Entlassung der Aufgabe „Dienstleistungserbringung im Telekommunikationssektor“ in die Privatwirtschaft gemäß Art. 87 Buchstabe f Abs. 2 Satz 1 GG bedingt die Qualifizierung der satzungsgemäßen Tätigkeiten einer Aktiengesellschaft, die Telekommunikationsdienstleistungen erbringt als privatrechtlich, nicht hingegen als öffentlich-rechtlich. Die Einflussnahme des Bundes zunächst als Mehrheits- dann als Minderheitsgesellschafter der Deutsche Telekom AG auf deren Aufgabenwahrnehmung und Unternehmensführung ist begrenzt und in keinem Fall (mehr) entscheidend. Aus dem Blickwinkel des Haushaltsrechts ist allein die tranchenweise Veräußerung des Bundesanteils an der Deutsche Telekom AG in mehreren Börsengängen bei gleichzeitiger Anerkennung ihrer Grundrechtsberechtigung vom ersten Börsengang an sachgerecht.
3. Zwischenergebnis Die Deutsche Telekom AG ist im Entstehungsmoment wegen ihrer materiell durchgeführten Abspaltung vom öffentlich-rechtlichen Sektor und wegen der auf einen kontinuierlichen Abbau angelegten Anteilseignerstellung des Bundes abs-
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trakt grundrechtsberechtigt. Der vorübergehend bestehende Gesellschaftsanteil des Bundes dient im wesentlichen Investitionszwecken. Die gegenwärtige Erscheinungsform der Deutsche Telekom AG als „vorübergehend“ gemischt-wirtschaftliches Unternehmen bildet einen transitorischen Zustand ab, der sich zwischen den Punkten „alleinige Anteilseignerschaft des Bundes“ und „Veräußerung der letzten staatlich gehaltenen Aktie an Private“ durch sukzessive Börsengänge bewegt.
III. Zwischenergebnis Die Deutsche Telekom AG ist im Sinne des Art. 19 Abs. 3 GG abstrakt grundrechtsberechtigt. Die herkömmliche Interpretation des Art. 19 Abs. 3 GG greift zu kurz bezogen auf „vorübergehend“ ge mischt-wirtschaftliche Unternehmen, die keine Aufgaben der öffentlichen Verwaltung im materiellen Sinne wahrnehmen, deren Tätigkeit vielmehr im Wettbewerb mit anderen Privatrechtssubjekten steht und deren staatliche Trägerschaft kontinuierlich abgebaut wird.
D. Prüfungsprogramm Betrachtet man den ermittelten Prüfungsmaßstab, die Grundrechte des Grundgesetzes, und den Prüfungsgegenstand, § 33 Abs. 1 TKG, genauer, wird eine Gemengelage mehrerer Grundrechte sichtbar, die für einen Grundrechtsträger, nämlich den Normadressaten des § 33 Abs. 1 TKG, einschlägig sein können. § 33 Abs. 1 TKG (in Verbindung mit § 35 Abs. 1 Satz 1 TKG) verpflichtet den zugangsmarktbeherrschend diensteanbietenden Netzbetreiber, Wettbewerbern auf vertraglicher Basis bestimmte Netzsegmente zur alleinigen Nutzung zu überlassen. Diese nicht nur dritt- sondern sogar wettbewerbernützige Zugriffs- und Alleinnutzungsmöglichkeit eines fremden Gegenstandes eröffnet die Sicht auf das Grundrecht der Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 GG). Das Festnetz, insbesondere im Zugangsnetzbereich, ist zugleich auch die geschäftliche Nervenbahn eines vertikal integrierten Telekommunikationsanbieters wie der Deutsche Telekom AG. Die unternehmerische Initiative (Dienste für Endkunden, Übertragungstechnik und -kapazitäten) solch eines Unternehmens hängt maßgeblich von der freien rechtsgeschäftlichen Disposition über die Nutzung des Zugangsnetzes ab. Dieser Aspekt lenkt den Blick auf das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG). Darüber hinaus sind anspruchsverpflichtet aus § 33 Abs. 1 TKG lediglich eine qualifizierte Gruppe von Telekommunikationsunternehmen (beherrschend auf einem Zugangsmarkt, Netzbetreiber), die regelmäßig vertikal vollintegriert sind. Weder andere Telekommunikationsanbieter noch Unternehmen anderer infrastrukturgebundener Branchen sind durch § 33 Abs. 1 TKG entsprechende, weitreichende Verpflichtungen betroffen, die für den Fall des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung sogar einen Kontrahierungs- und partiellen Inhaltsgestaltungszwang be-
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gründen. Insofern ist auch der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) zu berücksichtigen.
I. Verhältnis zwischen Eigentums- und Berufsfreiheit Die aufgezeigte grundrechtliche Gemengelage wirft dogmatisch die Frage nach dem Verhältnis dieser Grundrechte zueinander auf. Sie wird unter dem Begriff „Grundrechtskonkurrenzen“66 diskutiert. Innerhalb der Freiheitsgrundrechte ist das Verhältnis zwischen Eigentums- und Berufsfreiheit angesprochen. Auf Art. 2 Abs. 1 GG ist zunächst nicht einzugehen, da im Falle einer Betroffenheit von Art. 12 Abs. 1 GG und von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG schutzbereichsspeziellere Grundrechte einschlägig sind, die das generellere Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit verdrängen. Es lässt sich ferner überlegen, ob Eigentumsfreiheit und Berufsfreiheit im Verhältnis der Spezialität zueinander stehen. Dazu müsste entweder Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG alle Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 1 GG und ferner noch mindestens ein weiteres Merkmal enthalten, oder dies müsste umgekehrt auf Art. 12 Abs. 1 GG zutreffen. Da beide Grundrechte an verschiedenen Schutzgüter – Eigentum einerseits, Beruf andererseits – anknüpfen, und auch sonst keine gemeinsames Schutzbereichselement aufweisen, ist das eine dieser beiden Grundrechte nicht lex specialis des anderen. Auch die „holzschnittartige“ Abgrenzung der Schutzbereiche von Eigentums- und Berufsfreiheit – Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG schütze objektbezogen das Erworbene, Art. 12 Abs. 1 GG demgegenüber persönlichkeitsbezogen den Erwerbsvorgang67 – nimmt Sachverhalte wie denjenigen der Netzzugangsnorm des § 33 Abs. 1 TKG nicht umfassend auf, die zwei freiheitsgrundrechtliche Stoßrichtungen erkennen lassen. Weder weist Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG noch Art. 12 Abs. 1 GG eine engere sachliche Beziehung zu dem zu untersuchenden Anwendungsfall „entbündelter Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung“ auf als das jeweils andere Freiheitsrecht. Vielmehr stehen beide Freiheitsrechte in einem gleichermaßen engen sachlichen Bezug zu dem zu prüfenden Sachverhalt. Die Dritte ausschließende Eigennutzung des Telekommunikationsnetzes ist als wichtigste Nutzungsform unmittelbar in die Vermögenssphäre des Eigentümers einzuordnen. Das ist die eine, die eigentumsfreiheitsrechtliche Seite des vorgestellten Sachverhalts. Die andere Seite ist das strategisch-unternehmerische Entfalten des Potentials, das in dieser Dritte ausschließenden Eigennutzung des Telekommunikationsnetzes liegt, womit der Schutzbereich der Berufsfreiheit angesprochen ist. Solche sachverhaltlich erzeugten Kohärenzen zwischen diesen beiden Grundrechten sind kein Einzelfall in der Rechtspraxis68. 66 Zur begrifflichen Einordnung siehe Reinhold Heß, Grundrechtskonkurrenzen, Berlin 2000, S. 49 ff. 67 BVerfGE 30, S. 292 (334 f.). 68 Rupert Scholz, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Theodor Maunz, Günter Dürig u. a., Bd. II, München Stand: Juli 2001, Art. 12, Rdnrn. 138, 141; Peter J. Tettinger, in:
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Sie können bei Betroffenheit beider Schutzbereiche jedenfalls idealkonkurrierend69 zur Anwendbarkeit beider Freiheitsgrundrechte als Maßstabsnormen für die Zugangsregelung des § 33 Abs. 1 TKG führen. Darüber hinaus ist eine gegenseitige Verstärkung der eigentums- und berufsgrundrechtlichen Gewährleistungsgehalte denkbar, die es gegebenenfalls im Rahmen der Eingriffsrechtfertigung zu entfalten gilt. So sieht sich der Gesetzgeber insbesondere mit einem höheren Legitimationsaufwand für seine freiheitsverkürzende Regelung konfrontiert, wenn diese Regelung die Eigentums- und zugleich die Berufsfreiheit desselben Grundrechtsträgers beschränkt. Anzunehmen ist für den weiteren Gang der Untersuchung, dass Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG für den Fall der Netzzugangsregelung des § 33 Abs. 1 TKG im Verhältnis der Idealkonkurrenz zueinander stehen. Sie sind daher parallel anwendbar und nacheinander zu prüfen.
II. Verhältnis zwischen grundrechtlichen Gleichheits- und Freiheitsverbürgungen Für das Verhältnis zwischen grundrechtlichen Gleichheits- und Freiheitsverbürgungen einen grundlegenden Klärungsversuch zu entwickeln, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen und jenseits der von ihr zu beantwortenden Fragestellung liegen70. Dennoch lässt sich gerade für Sachverhalte staatlicher Kontrolle von Marktstruktur und Wettbewerbsfähigkeit die These aufstellen und mit Erfolg verteidigen, dass Wirtschaftsfreiheitsgrundrechte und die allgemeine Gleichheitsgewährleistung zwar zwei eigenständige Prüfungsmaßstäbe bilden, diese aber nicht unverbunden nebeneinander stehen, sondern sich aufeinander beziehen71, in einer Komplementärfunktion zueinander stehen72, kurzum: die sinnzusammenhängend ineinandergreifen73. Dieses Ineinandergreifen gilt es im konkreten Einzelfall zu Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 12, Rdnr. 165; beispielsweise BVerfG, Urteil vom 1. März 1979, Az. 1 BvR 532, 533 / 77, 419 / 78, 1 BvL 21 / 78, NJW 1979, S. 699 (707 f.). 69 Manfred Gubelt, in: Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, begr. v. Ingo von Münch, hrsg. v. Philip Kunig, 5. Aufl., München 2000, Art. 12, Rdnr. 98; Reinhold Heß, Grundrechtskonkurrenzen, Berlin 2000, S. 244; Brun-Otto Bryde, in: Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, begr. v. Ingo von Münch, hrsg. v. Philip Kunig, 5. Aufl., München 2000, Art. 14, Rdnr. 109; Rudolf Wendt, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 14, Rdnr. 186; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 31. März 1998, NJW 1998, S. 1776 (1777 f.). 70 Siehe nur die eigenständigen Arbeiten aus jüngster Vergangenheit von Albert Bleckmann, Die Struktur des allgemeinen Gleichheitssatzes, Köln 1995, insbesondere S. 51 ff.; Stefan Huster, Rechte und Ziele, Berlin 1993, insbesondere S. 67 ff. 71 Für eine grundsätzliche Trennung beider Maßstäbe plädiert, Paul Kirchhof, Gleichmaß und Übermaß, in: Festschrift für Peter Lerche, München 1993, S. 133 (137 f.), der allerdings auch den Zusammenhang von Freiheit und Gleichheit und deren gemeinsamer Wurzel der Gerechtigkeit zugestehen muss. 72 Albert Bleckmann, Die Struktur des allgemeinen Gleichheitssatzes, Köln 1995, S. 52.
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Teil 4: Verfassungsmäßigkeit der Netzzugangsregelung des § 33 TKG
entfalten. Typischerweise legen gesetzliche Regelungen im Bereich der Wettbewerbsaufsicht bestimmten Anbietern konkreter Produkte marktrelevante Verhaltenspflichten auf. Eine gesetzliche Regelung kann dann zum einen Freiheitsverbürgungen des betroffenen Anbieters gegenüber dem Staat verkürzen, wie diejenige der beruflichen Betätigung und der Eigentumsgewährleistung. Zum anderen kann sie zugleich zu einer relevanten Ungleichbehandlung des regelungsbetroffenen Anbieters gegenüber nicht betroffenen Anbietern auf demselben oder auf anderen Märkten führen. Weder die Freiheits- noch die Gleichheitsverbürgung allein können hier den Maßstab für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung bilden. Erst die Anwendung beider Maßstäbe erfasst den Sachverhalt in seiner Ganzheit. Nicht zu verkennen sind dabei die strukturellen Unterschiede zwischen Freiheitsgewährleistungen und Gleichheitsverbürgungen: Freiheitsgrundrechtliche Gewährleistungen knüpfen an einem konkreten Schutzgegenstand an. Das kann ein Verhalten (sich beruflich betätigen) sein, ein absolutes Rechtsgut (Leben, Gesundheit) oder ein Erzeugnis der Rechtsordnung (Eigentum). Freiheitsgrundrechte gewähren in einem „bipolaren Rechtsverhältnis“74 zwischen grundrechtsverpflichtetem Staat und grundrechtsberechtigten Bürger Schutz vor nicht legitimierten, staatlichen Eingriffen. Maßstab für die verfassungsrechtliche Legitimation einer Freiheitsverkürzung ist insbesondere das Übermaßverbot. Demgegenüber bezieht sich der allgemeinen Gleichheitssatzes auf die „rechtliche, wirtschaftliche oder soziale Relation“ einer Vergleichsgruppe gegenüber einer anderen Vergleichsgruppe75. Die allgemeine Gleichheitsverbürgung gewährt dem Grundrechtsträger in einem „tripolaren Verhältnis“ zwischen dem einer Vergleichsgruppe zuzuordnenden Grundrechtsträger, dem grundrechtsverpflichteten Staat und der anderen Vergleichsgruppe Schutz vor nicht legitimierten Ungleichbehandlungen seiner Vergleichsgruppe gegenüber der anderen. Auch eine verfassungskonforme Ungleichbehandlung muss legitimiert sein. Trotz dieser strukturellen Unterschiede sind eine Verkürzung der Freiheitsverbürgung und eine relevante Ungleichbehandlung nur verfassungskonform, wenn sie verfassungsrechtlich legitimiert werden können. In dieser Gemeinsamkeit zeichnet sich das besondere Aufeinanderbezogensein beider Prüfungsmaßstäbe ab. Der regelnde Gesetzgeber muss sowohl für die Freiheitsverkürzung als auch für die relevante Ungleichbehandlung eine verfassungsrechtlich hinreichende Legitimation vorweisen können. Inhalt und Ausmaß dieser beiden Legitimationserfordernisse können ebenfalls nicht isoliert voneinander bestimmt werden, wenn die beschwerende gesetzliche Regelung eine Freiheitsverbürgung verkürzt und zugleich zu einer relevanten Ungleichbehandlung führt. So hat sich die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung dahin entwickelt, die Anforderungen 73 Heike Jochum, Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG, Berlin 2001, S. 152 f.; vgl. Lerke Osterloh, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, GG, Art. 3, Rdnrn. 16 ff. 74 Christoph Brüning, Gleichheitsrechtliche Verhältnismäßigkeit, JZ 2001, S. 669 (670). 75 Lerke Osterloh, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, GG, Art. 3, Rdnr. 40.
E. Zusammenfassung
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an den Legitimationsaufwand für eine Ungleichbehandlung zu erhöhen, wenn die betreffende Regelung zu einer relevanten Ungleichbehandlung führt und zugleich eine Freiheitsverbürgung verkürzt76. In dieser freiheitsgrundrechtlich gesteuerten Erhöhung der Anforderungen an den Rechtfertigungsaufwand für eine Ungleichbehandlung kommt also jedenfalls eine gewisse Verstärkung der „Gleichheit“ durch die „Freiheit“ zum Ausdruck. Darauf wird im einzelnen in Teil 5, Kapitel C. I. einzugehen sein.
III. Zwischenergebnis Bei Eröffnung der Schutzbereiche von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG und Art. 12 Abs. 1 GG und bei Feststellung einer relevanten Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem sind Eigentumsfreiheit, Berufsfreiheit sowie allgemeine Gleichheit als Maßstäbe für den Prüfungsgegenstand § 33 Abs. 1 TKG idealkonkurrierend77 anzuwenden und greifen dabei sinnzusammenhängend ineinander78. Prüfungstechnisch sind Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG einerseits sowie Art. 3 Abs. 1 GG andererseits nebeneinander anwendbar und nacheinander zu prüfen. Zweckmäßigerweise ist mit den Freiheitsgrundrechten zu beginnen, damit bei der Gleichheitsprüfung deren Wertentscheidungen mitberücksichtigt und das besondere Aufeinanderbezogensein von Freiheit und Gleichheit entfaltet werden können79.
E. Zusammenfassung Die Vorfragen für die anschließende Untersuchung der Verfassungsmäßigkeit des § 33 TKG am Beispiel des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung sind wie folgt zu beantworten: § 33 Abs. 1 TKG ist Prüfungsgegenstand für die wirtschaftsgrundrechtliche Untersuchung. § 33 Abs. 2 TKG intensiviert lediglich die bereits in § 33 Abs. 1 TKG wurzelnde grundrechtliche Beschwer. Prüfungsmaßstab ist das deutsche Grundgesetz. Die Gemeinschaftsgrundrechte finden dagegen keine Anwendung. Die Deutsche Telekom AG ist als „vorübergehend“ gemischt-wirtschaftliches Unternehmen und aus § 33 Abs. 1 TKG hauptsächlich BVerfGE 88, S. 87 (96); BVerfGE 91, S. 346 (363). Reinhold Heß, Grundrechtskonkurrenzen, Berlin 2000, S. 248; Rüdiger Breuer, Freiheit des Berufs, in: Handbuch des Staatsrechts, hrsg. v. Josef Isensee und Paul Kirchhof, Heidelberg 1989, Bd. VI, § 147, Rdnr. 99; Manfred Gubelt, in: Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, begr. v. Ingo von Münch, hrsg. v. Philip Kunig, 5. Aufl., München 2000, Art. 13, Rdnr. 105. 78 Heike Jochum, Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG, Berlin 2001, S. 152 f. 79 Manfred Gubelt, in: Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, begr. v. Ingo von Münch, hrsg. v. Philip Kunig, 5. Aufl., München 2000, Art. 13, Rdnr. 105. 76 77
14 Kallmayer
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Teil 4: Verfassungsmäßigkeit der Netzzugangsregelung des § 33 TKG
Anspruchsverpflichtete gemäß Art. 19 Abs. 3 GG abstrakt grundrechtsberechtigt. Das maßgebliche Prüfungsprogramm ergibt sich aus den Grundrechten der Eigentumsfreiheit, der Berufsfreiheit und dem allgemeinen Gleichheitssatz, die idealkonkurrierend zu prüfen sind. Der besondere Sinnzusammenhang zwischen Freiheits- und Gleichheitsverbürgungen wird bei der Prüfung des Gleichheitssatzes entfaltet.
Teil 5
Eigentumsfreiheit, Berufsfreiheit und Gleichheit als wirtschaftsgrundrechtliche Vorgaben des Grundgesetzes für den entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung gemäß § 33 Abs. 1 TKG Der Zugangsermöglichungsanspruch aus § 33 Abs. 1 TKG erzeugt im Fall des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung für den marktbeherrschend diensteanbietenden Netzbetreiber nicht bloß die Verpflichtung, gegenüber dem Anspruchsberechtigten ein Angebot auf Abschluss eines Netzzugangsvertrages mit einem bestimmten Mindestinhalt abzugeben. In Verbindung mit § 2 Satz 1 NZV muss der Anspruchsverpflichtete überdies den vom Anspruchsberechtigten bestimmten Leistungsumfang in die Gestaltung seines Vertragsangebots aufnehmen (Grundsatz nachfragegerechter Entbündelung). Dem Anspruchsberechtigten ist damit die Gestaltungsmacht über den Umfang des Leistungsgegenstandes „Netz“ zugewiesen, zu dem ihm der Zugang zu ermöglichen ist. Hinzu kommt, dass anspruchsberechtigt gerade die Wettbewerber des Anspruchsverpflichteten sind, also dessen jedenfalls potentielle Gegenspieler auf einem bestimmten Markt für Telekommunikationsdienste. Intensiviert wird diese privatrechtliche Verpflichtungslage durch die Möglichkeit der Regulierungsbehörde, sie zum Gegenstand einer Missbrauchsverfügung zu machen. Diese einfachgesetzliche Reichweite des Anspruchs aus § 33 Abs. 1 TKG legt aus Sicht des Anspruchsverpflichteten wirtschaftsgrundrechtliche Bedenken nahe. Diese speisen sich zentral aus den grundrechtlichen Gewährleistungsgehalten der Eigentumsfreiheit, aber auch aus denjenigen der Berufsfreiheit und des allgemeinen Gleichheitssatzes. Die eingangs gestellte Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des Regulierungskonzeptes des § 33 TKG ist daher durch eine Untersuchung der Vereinbarkeit des privatrechtlichen Anspruchs aus § 33 Abs. 1 TKG mit den grundrechtlichen Vorgaben aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG (Kapitel A. und B.), sowie aus Art. 12 Abs. 1 GG (Kapitel C.) und Art. 3 Abs. 1 GG (Kapitel D.) zu beantworten. Das Gesamtergebnis ist Kapitel E. vorbehalten.
14*
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Teil 5: Vorgaben des Grundgesetzes für den entbündelten Zugang
A. Eigentumsfreiheit nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG Der Weg zur Untersuchung der Konformität des § 33 Abs. 1 TKG mit den grundrechtlichen Vorgaben aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG setzt eine Betrachtung der dogmatischen Grundlagen des Art. 14 GG voraus. Die folgenden Ausführungen sind daher darauf zugeschnitten, die grundrechtlichen Vorgaben des Art. 14 GG für ihre anschließende Anwendung auf die einfachgesetzliche Regelung des § 33 Abs. 1 TKG in Verbindung mit § 35 Abs. 1 TKG und § 2 NZV herauszupräparieren.
I. Gewährleistungsgehalt des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG wird „das Eigentum gewährleistet“. Es stellt sich die Frage, was sich hinter dem Schutzobjekt „Eigentum“ verbirgt und in welchem Umfang und in welcher Intensität es „gewährleistet“ wird.
1. „Eigentum“ im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG Die Leitbegriffe der meisten Grundrechte, wie Freiheit oder Leben, gehen als gesellschaftliche Erscheinungsformen einer (verfassungs-)rechtlichen Qualifizierung voraus. Ihr Inhalt kann aus sozialen Gegebenheiten entwickelt werden. Eigentum hingegen ist kein Phänomen der Lebenswirklichkeit. Auch wenn sich „mein“ und „dein“ auf außenweltliche Gegenständlichkeiten beziehen1, bedarf es doch des Gesetzgebers, der bestimmt, was Eigentum ist. Eigentum bleibt eine Kreation der Rechtsordnung. Nicht zuletzt besagt Art. 14 Abs. 1 Satz 2 1. Alt. GG, dass der Inhalt des Eigentums durch die Gesetze bestimmt wird. Die Eigentumsfreiheit ist demzufolge ein normgeprägtes Grundrecht2. „Eigentum“ im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG wird definiert als die vom einfachen Recht zu einem bestimmten Zeitpunkt festgelegte Zuordnung einer vermögenswerten Position zu einem Rechtsträger3. Drei das Schutzobjekt „Eigentum“ charakterisierende Ele1 Vgl. Hanno Kube, Die Zugänge der Informationsgesellschaft und der Gegenstandsbezug des Rechts – Eigentumsschutz, Urheberrecht, Steuerrechtfertigung, JZ 2001, S. 944 (945). 2 BVerfGE 58, S. 300 (336); Bodo Pieroth / Bernhard Schlink, Grundrechte, 17. Aufl., Heidelberg 2001, Rdnrn. 894, 900; Brun-Otto Bryde, in: Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, begr. v. Ingo von Münch, hrsg. v. Philip Kunig, 5. Aufl., München 2000, Art. 14, Rdnr. 50. 3 BVerfGE 72, S. 175 (193); BVerfGE 58, S. 300 (336); Friedrich Schoch, Die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, JurA 1989, S. 113 (116); Rudolf Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, Hamburg 1985, S. 12 ff.; Rudolf Wendt, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 14, Rdnr. 21; Bodo Pieroth / Bernhard Schlink, Grundrechte, 17. Aufl., Heidelberg 2001, Rdnrn. 894, 899 f.
A. Eigentumsfreiheit nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG
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mente werden damit erkennbar. Ein durch das einfache Recht strukturiertes Zuordnungsverhältnis (zwischen Rechtsträger und Zuordnungsgegenstand), die Vermögenswertigkeit der Zuordnungsposition und die Zeitbezogenheit seiner Feststellung kennzeichnen das „Verfassungseigentum“4. Es wird erst durch einen gesetzgeberischen Akt erzeugt und kann vom Gesetzgeber immer wieder neu ausgeformt und gestaltet werden. Verfassungsrechtliche Anforderung an die Schutzfähigkeit des Zuordnungsgegenstandes ist, dass es sich um eine Rechtsposition handelt, die der Funktion der Eigentumsgarantie genügt, nämlich der Sicherung eines privaten Freiheitsraumes im vermögensrechtlichen Bereich5. Diese Position muss vermögenswert sein. Dazu zählen insbesondere diejenigen Positionen, für die das bürgerliche Recht Eigentümerbefugnisse schafft. Das sind bewegliche und unbewegliche Sachen, also körperliche Gegenstände im Sinne des § 90 BGB6, mit denen ein Rechtsträger gemäß § 903 Satz 1 BGB grundsätzlich7 nach seinem Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung auszuschließen kann. Ihm steht also eine umfassende, gegenüber jedermann wirkende privatrechtliche Herrschaftsbefugnis an diesen körperlichen Gegenständen zu. Schutzfähige Zuordnungsgegenstände im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG sind überdies alle vermögenswerten Rechte und Güter, die die Privatrechtsordnung erzeugt8, beispielsweise schuldrechtliche Forderungen9, das in der Aktie verkörperte Anteilseigentum an einer Aktiengesellschaft10 sowie Urheberrechte und sonstige immaterielle Rechte, sogenanntes „geistiges Eigentum“11. Neben diesen, der Privatrechtsordnung entspringenden Positionen sind auch solche öffentlich-rechtlicher Natur eigentumsfähig im verfassungsrechtlichen Sinn, sofern sie ebenfalls der Sicherung eines privaten Freiheitsraumes im vermögensrechtlichen Bereich dienen. Sie dürfen daher nicht auf staatlicher Gewährung beruhen, sondern müssen als Äquivalent eigener Leistung oder dem Einsatz eigenen Vermögens zu werten sein und der Existenzsicherung des Rechtsträgers dienen12. 4 Rudolf Wendt, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 14, Rdnr. 14. 5 Rudolf Wendt, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 14, Rdnrn. 1, 21; BVerfGE 51, S. 193 (218); BVerfGE 83, S. 201 (208). 6 Auf die für Tiere geltenden Besonderheiten, §§ 903 Satz 2, 90 a BGB, wird nicht eingegangen. 7 „Grundsätzlich“ meint, soweit nicht Gesetze oder Rechte Dritter entgegenstehen. 8 BVerfGE 58, S. 300 (335); Brun-Otto Bryde, in: Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, begr. v. Ingo von Münch, hrsg. v. Philip Kunig, 5. Aufl., München 2000, Art. 14, Rdnrn. 11, 12. 9 BVerfGE 45, S. 142 (179); BVerfGE 68, S. 193 (222). 10 BVerfG, Beschluss vom 27. April 1999, Az. BvR 1613 / 94, NJW 1999, S. 3769 (3770); BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. August 2000, Az. 1 BvR 68 / 95 und 1 BvR 147 / 97, NJW 2001, S. 279. 11 BVerfGE 79 S. 29 (40). 12 Rudolf Wendt, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 14, Rdnrn. 28, 30; Bodo Pieroth / Bernhard Schlink, Grundrechte, 17. Aufl., Heidelberg 2001, Rdnrn. 908 – 911.
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Teil 5: Vorgaben des Grundgesetzes für den entbündelten Zugang
Aufzuführen sind beispielsweise Rentenversicherungsansprüche sowie Ansprüche auf Arbeitslosengeld, die jeweiligen Anwartschaften inbegriffen13. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der schutzfähige Zuordnungsgegenstand durch seine Vermögenswertigkeit gekennzeichnet wird. Er kann materiell sein, also unmittelbar der Außenwelt entstammen (Grundstück), oder immateriell, d. h. erst durch rechtlich geformte Abstraktion erzeugt sein (Urheberrecht). Nicht bloß dem einzelnen Individuum kann das einfache Gesetzesrecht diese vermögenswerten Positionen rechtlich strukturiert zuordnen. Auch juristische Personen des Privatrechts können Träger des Verfassungseigentums sein. Die Funktion der Eigentumsgarantie, einen privaten Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich zu sichern, dient nämlich nicht allein dem einzelnen Bürger, sondern auch dem rechtlich verfassten Unternehmen. Das Eigentumsgrundrecht zielt dann auf den Erhalt des unternehmerischen Freiraums oder der „wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit“14 im vermögensrechtlichen Bereich. Konsequenterweise ist damit in jedem Fall die „Zuerkennung eines Eigentumsschutzes für die einzelnen produktiv eingesetzten Gegenstände“ und die damit verbundene Sicherung ihrer ökonomischen Verfügbarkeit durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG geschützt15. Diese Gewährleistung erscheint vor dem Hintergrund der Definition des Verfassungseigentums und seiner Funktion selbstverständlich. Dennoch bedarf sie der Betonung und der eigenständigen Erwähnung, wendet sich der Blick doch bei der Diskussion über „Unternehmenseigentum“ meist zu schnell dem Problemfeld des „eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes“ und dessen eigentumsgrundrechtlichen Schutzes zu. Ein einzelner, produktiv eingesetzter Gegenstand, wie eine Energiegewinnungsanlage, ein urheberrechtlich geschütztes Herrschaftswissen oder ein Versorgungsnetz, kann aber allein den wesentlichen Bezugspunkt der wirtschaftlichen Betätigung des betreffenden Unternehmens auf einem relevanten Markt bilden. Erfolgt eine Eigentumsbeeinträchtigung genau und gerade im Hinblick auf einen solchen Gegenstand, treten Überlegungen über die – nicht eindeutig verfassungsgerichtlich abgesicherte16 – Zuerkennung von Eigentumsschutz auch für die Sach- und Rechtsgesamtheit des Unternehmen selbst17 in den Hintergrund. BVerfGE 58, S. 81 (109); BVerfGE 70, S. 101 (110); BVerfGE 75, S. 78 (96 f.). BVerfGE 51, S. 193 (218); BVerfGE 78, S. 58 (73 f.); Rudolf Wendt, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 14, Rdnr. 5. 15 Grundlegend bereits das sogenannte „Feldmühle-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts, BVerfGE 14, S. 263 (282); Karl Heinrich Friauf, Unternehmenseigentum und Wirtschaftsverfassung, DÖV 1976, S. 624 (626); Rudolf Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, Hamburg 1985, S. 274. 16 BVerfGE 68, S. 193 (222 f.); BVerfG NJW 1992, S. 36 (37); BVerfGE 58, S. 300 (353); BVerfGE 51, S. 193 (221). 17 Dies bejaht die herrschende Meinung in der rechtswissenschaftlichen Literatur, HansJürgen Papier, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Theodor Maunz, Günter Dürig u. a., Bd. II, München Stand: Juli 2001, Art. 14, Rdnr. 95; Bodo Pieroth / Bernhard Schlink, Grundrechte, 17. Aufl., Heidelberg 2001, Rdnrn. 905 f.; bereits Karl Heinrich Friauf / Rudolf Wendt, Eigentum am Unternehmen – Legitimation und Funktion des privaten Produktiv13 14
A. Eigentumsfreiheit nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG
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2. Umfang und Intensität des gewährleisteten Eigentumsschutzes Die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Denkmalschutzrecht18 liefert Ansätze, den Umfang des verfassungsrechtlich verbrieften Eigentumsschutzes in drei Gewährleistungsebenen zu strukturieren, denen eine ebenenabhängige Schutzintensität zukommt. Das Bundesverfassungsgericht unterscheidet einen „Kernbereich der Eigentumsgarantie“, bestehend aus den Elementen Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand, von Eigentum, das die persönliche Freiheit des Einzelnen im vermögensrechtlichen Bereich sichert, und Eigentum, das diese existenzbezogene Freiheit zwar nicht sichert19, ihr aber nutzt. Für die Frage, welche Betätigung der Eigentumsfreiheit welcher Gewährleistungsebene zuzuordnen ist, ist der Sachbereich zu berücksichtigen, in dem sich die Freiheitsbetätigung verwirklicht20. Die Perspektive, die das Bundesverfassungsgericht bei dieser Unterscheidung eingenommen hat, nämlich das Maß des Rechtfertigungsaufwandes für eine als Inhaltsund Schrankenbestimmung qualifizierte einfachgesetzliche Regelung zu variieren, wird dabei nicht verkannt. Konsequenz dieser Einteilung ist aber jedenfalls (und zwar unabhängig von der Qualifizierung einer den Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts betreffenden Maßnahme als eine Eigentumsbeeinträchtigung bestimmter Art) eine Vorstrukturierung des sachlichen Gewährleistungsbereiches von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG hinsichtlich des Schutzumfanges in drei Gewährleistungsebenen21. In diesem Sinne spricht beispielsweise Herdegen von einem „Drei-Stufen-Modell“ des Eigentumsschutzes22. eigentums in Rechtsprechung und Rechtslehre, Köln 1977, S. 29 ff.; Rudolf Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, Hamburg 1985, S. 274; Rudolf Wendt, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 14, Rdnr. 26; ebenso die zivil- und verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung, siehe nur BGHZ 23, S. 157 (162 f.); BGHZ 92, S. 34 (37); BVerwGE 62, S. 224 (226). 18 BVerfGE 100, S. 226 ff., Schwerpunkt dieses Beschlusses vom 2. März 1999 ist allerdings die Ausformung und Konkretisierung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zur sogenannten ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung; zu unterschiedlichen Aspekten dieses Beschlusses haben sich zahlreiche Stimmen in der Literatur erhoben: Fritz Ossenbühl, Anmerkung zu BVerfGE 100, S. 226 ff., JZ 1999, S. 899 f.; Reinhard Hendler, Anmerkung zu BVerfGE 100, S. 226 ff., DVBl. 1999, S. 1501 ff.; Hans D. Jarass, Inhaltsund Schrankenbestimmung oder Enteignung? Grundfragen und Struktur der Eigentumsgarantie, NJW 2000, S. 2841 ff.; Gerhard Roller, Enteignung, ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung und salvatorische Klauseln – Eine Bestandsaufnahme im Lichte der neuen Judikatur des BVerfG, NJW 2001, S. 1003 ff.; Christoph Külpmann, Der Schutz des Eigentumsbestandes durch Art. 14 I – BVerfGE 100, 226, JuS 2000, S. 646 ff. 19 BVerfGE 100, S. 226 (241); vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 16. Februar 2000, Az. 1 BvR 242 / 91 u. a., NJW 2000, S. 2573 (2574); vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 2001, Az. 1 BvR 1512 / 97 und 1677 / 97, NVwZ 2001, S. 1023. 20 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Februar 2000, Az. 1 BvR 242 / 91 u. a., NJW 2000, S. 2573 (2574). 21 Siehe auch Rudolf Wendt, Der Garantiegehalt der Grundrechte und das Übermaßverbot – Zur maßstabsetzenden Kraft der Grundrechte in der Übermaßprüfung, AöR 104 (1979),
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Teil 5: Vorgaben des Grundgesetzes für den entbündelten Zugang
Vergleicht man die besagten drei Gewährleistungsebenen mit einem Pfirsich, so gibt es die Kernebene, die Ebene des Fruchtfleisches und diejenige der Außenhaut. Die erste Schicht, die Kernebene, legt denjenigen Schutzumfang fest, den die einfachgesetzliche deutsche Rechtsordnung, und damit auch der sie gestaltende Gesetzgeber, in Bezug auf alle aktuellen und möglichen Zuordnungsverhältnisse zu jeder Zeit abbilden muss. Diesen Schutzumfang gibt die Einrichtungs- oder Institutsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG vor. Sie sichert einen Grundbestand einfachgesetzlicher Vorschriften23, die durch die Privatnützigkeit und die grundsätzliche Verfügungsbefugnis über die zugeordnete, vermögenswerte Position gekennzeichnet sind24. Privatnützigkeit meint die Zuordnung vermögenswerter Positionen zu Rechtsträgern mit der Maßgabe, dass sie in deren Händen als Grundlage privater Initiative und im eigenverantwortlichen privaten Interesse von Nutzen sein sollen25. Die dogmatische Thematisierung der Institutsgarantie als absolute Grenze für die Einschränkbarkeit des Eigentumsgrundrechts, die auf einer Stufe mit Art. 19 Abs. 2 GG steht beziehungsweise dessen Ausgestaltung für das Eigentumsgrundrecht bildet26, ist sicherlich zutreffend, erschwert indes den Blick auf die Bedeutung dieser Garantie als von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG gewährleisteter Schutzumfang. Die zweite Schutzschicht, um beim Bild des Pfirsichs zu bleiben, diejenige des Fruchtfleisches, und die dritte Schutzschicht, diejenige der Außenhaut, haben eine Gemeinsamkeit. Der Umfang des Schutzes, den Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG insoweit in Bezug auf ein konkretes Schutzobjekt „Eigentum“ gewährleistet, wird durch den einfachen Gesetzgeber inhaltsbestimmend im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 1. Alt. GG festgelegt27. Er ist daher ebenso zeitbezogen festzustellen, wie das Schutzobjekt selbst28. Das klingt bereits in dem DefiS. 414 (446 f.), der eine Abstufung der Intensität grundrechtlicher Schutzkraft aus der Nähe der (eingriffsbetroffenen) Grundrechtsausübungsmodalität zu dem jeweiligen Grundrechtskern entnimmt und so zwischen einem „Kernbereich“ und „Randbereichen“ unterscheidet. 22 Matthias Herdegen, „Access“ im Verfassungsrecht: Zugang zu Netzwerken und zu geistigen Ressourcen, in: Festschrift für Hartmut Maurer, München 2001, S. 137 (139); zu ähnlichen Überlegungen siehe bereits Hans-Jürgen Papier, Durchleitungen und Eigentum, BB 1997, S. 1213 (1215). 23 BVerfGE 24, S. 367 (389); Bodo Pieroth / Bernhard Schlink, Grundrechte, 17. Aufl., Heidelberg 2001, Rdnrn. 952 f.; Rudolf Wendt, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 14, Rdnr. 10. 24 BVerfGE 91, S. 294 (308); Rudolf Wendt, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 14, Rdnr. 5; Bodo Pieroth / Bernhard Schlink, Grundrechte, 17. Aufl., Heidelberg 2001, Rdnrn. 952 f.; Ulrich Hösch, Eigentum und Freiheit, Tübingen 2000, S. 57 ff. 25 BVerfGE 91, S. 294 (308); Bodo Pieroth / Bernhard Schlink, Grundrechte, 17. Aufl., Heidelberg 2001, Rdnr. 953. 26 Bodo Pieroth / Bernhard Schlink, Grundrechte, 17. Aufl., Heidelberg 2001, Rdnrn. 952 f. 27 BVerfGE 58, S. 300 (336); Rudolf Wendt, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 14, Rdnrn. 41, 44. 28 Hans-Jürgen Papier, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Theodor Maunz, Günter Dürig u. a., Bd. II, München Stand: Juli 2001, Art. 14, Rdnr. 63.
A. Eigentumsfreiheit nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG
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nitionselement des Verfassungseigentums „rechtlich strukturiertes Zuordnungsverhältnis“ an. In dieser rechtlichen Strukturierung kann das grundsätzliche Bestehens des Zuordnungsverhältnisses festgelegt werden und zudem all das, was der Rechtsträger in Bezug auf die zugeordnete vermögenswerte Position tun und lassen darf. Inhaltlich richtet sich der in der zweiten Schicht gewährleistete Schutzumfang wiederum nach der Funktion des Eigentumsgrundrechts. Wie bereits präzisiert, soll das Eigentumsgrundrecht dem Grundrechtsberechtigten einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich sichern und ihm damit die Entfaltung und eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens ermöglichen29. Zur Sicherung dieses vermögensrechtlichen Freiraums gewährleistet Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 GG den zu einem bestimmten Zeitpunkt einfachgesetzlich vorhandenen und personell zugeordneten Bestand konkreter Eigentumspositionen (Bestandsgarantie)30. Maßgebender Zeitpunkt ist derjenige, zu dem der Bestand durch eine hoheitliche Maßnahme verändert wird. Mit Bestand ist das (Inne-)Haben der konkreten vermögenswerten Position in der Hand des Rechtsträgers gemeint. Der Bestandsschutz zielt auch auf die Gewährleistung der Substanz der Eigentumsposition31. Mit der Institutsgarantie und der Bestandsgewährleistung sind qualitativ bedeutsame Schutzschichten der Eigentumsgarantie erfasst. Für den Grundrechtsträger bedeutsamer kann jedoch sein, ob und wenn ja, inwieweit das Gebrauchmachen von der konkreten vermögenswerten Position in seiner Hand zum Schutzumfang des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 GG gehört. Damit beschäftigt sich die dritte Schutzschicht, die Außenhaut des Pfirsichs. Ist die Bestandsgewährleistung elementare Konsequenz der Eigentumsfunktion, nämlich der Sicherung eines Freiraums im vermögensrechtlichen Bereich, so kann dies für eine Nutzungsgarantie nicht zwingend gefolgert werden. Die Sicherung dieses Freiraums ist grundsätzlich auf den Erhalt des konkreten Zuordnungsverhältnisses gerichtet. Ihr wohnt etwas Wahrendes, etwas Statisches inne. Ein Nutzen der konkreten vermögenswerten Position setzt den Erhalt dieses Zuordnungsverhältnisses voraus. Dass allerdings auch ein Nutzen- oder Gebrauchmachendürfen am Schutzumfang des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 GG grundsätzlich teilhat, kann denjenigen Charakteristika entnommen werden, die den Grundbestand an von der einfachgesetzlichen Rechtsordnung vorzuhaltenden eigentumsrelevanten Normen prägen, nämlich die Privatnützigkeit des Eigentums und die grundsätzliche Verfügungsbefugnis über 29 BVerfGE 51, S. 193 (218); BVerfGE 83, S. 201 (208); BVerfGE 89, S. 1 (6); BVerfGE 97, S. 350 (371); Friedrich Schoch, Übungen im Öffentlichen Recht I, Berlin 2000, S. 374. 30 Statt vieler: BVerfGE 58, S. 300 (323); Rudolf Wendt, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 14, Rdnr. 41; Klaus Stern / Johannes Dietlein, Netzzugang im Telekommunikationsrecht – Zur verfassungsrechtlichen Problematik eines entbündelten Zugangs zu den Teilnehmeranschlussleitungen, Teil 1, Archiv PT 1998, S. 309 (323). 31 BVerfGE 24, S. 367 (389); BVerfGE 31, S. 229 (239); BVerfGE 50, S. 290 (239); BVerfGE 53, S. 257 (290); Brun-Otto Bryde, in: Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, begr. v. Ingo von Münch, hrsg. v. Philip Kunig, 5. Aufl., München 2000, Art. 14, Rdnrn. 60 f.; siehe auch Walter Leisner, Eigentumsschutz von Nutzungsmöglichkeiten, BB 1992, S. 73 ff.
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Teil 5: Vorgaben des Grundgesetzes für den entbündelten Zugang
die Eigentumsposition32. Wenn diese beiden Charakteristika sozusagen abstrakt alle rechtlich strukturierten Zuordnungsverhältnisse prägen, dann müssen sie auch in jedem einzelnen Zuordnungsverhältnis einen Niederschlag finden. Wenn das Bundesverfassungsgericht in einer früheren Entscheidung ausführt, „zur Substanz des Eigentums gehört auch die Freiheit, den Eigentumsgegenstand selbst zu nutzen“33, dann geht dies in dieselbe Richtung. Aus den Wesenselementen des Eigentums, sozusagen aus den in der Institutsgarantie abstrakt zusammengefassten Elementen seiner Substanz, folgt die Gewährleistung des „Selbstnutzens“ des Zuordnungsobjektes. Auch spricht Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG vom „Gebrauch“ des Eigentums der „zugleich“ dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll, setzt also die Eigennutzung durch den Eigentümer voraus. Somit sind die zu einem bestimmten Zeitpunkt einfachgesetzlich bestehenden, konkreten Nutzungsmöglichkeiten über die vermögenswerte Position vom Schutzumfang des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 GG erfasst34. Maßgebender Zeitpunkt ist dabei derjenige, zu dem diese Nutzungsbefugnisse durch eine hoheitliche Maßnahme verändert werden. Jede einzelne dieser so bestehenden Nutzungsmöglichkeiten partizipiert am grundrechtlichen Eigentumsschutz. Diese umfassende Nutzungsgarantie beschränkt sich nicht auf das Recht des Eigentümers, anderen Personen die Nutzung auf das Zuordnungsobjekt zu verbieten sondern geht je nach einfachgesetzlicher Ausgestaltung des Zuordnungsverhältnisses darüber hinaus35: Beispielhafte Gewährleistungsausschnitte aus der Nutzungsgarantie sind in Bezug auf das Grund- und Sacheigentum nach bürgerlichem Recht das Veräußern, Vermieten und gegebenenfalls Verbrauchen des Eigentumsgegenstandes, ihn für eigene Zwecke zu benutzen oder auch negativ, ihn nicht zu nutzen. Nicht geschützt sind allerdings bloße Chancen oder Erwartungen auf eine Nutzungsmöglichkeit36. Ferner schützt Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 GG nicht vorrangig oder isoliert die einträglichste Nutzung des Eigentums37. 32 In diesem Sinne Friedrich Schoch, Übungen im Öffentlichen Recht I, Berlin 2000, S. 375; Reinhard Hendler, Raumordnungsziele und Eigentumsrecht, DVBl. 2001, S. 1233 (1239). 33 BVerfGE 79, S. 272 (304). 34 BVerfG, NJW 1998, S. 367 (368); Bodo Pieroth / Bernhard Schlink, Grundrechte, 17. Aufl., Heidelberg 2001, Rdnr. 914; Rudolf Wendt, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 14, Rdnrn. 41, 44 f.; Friedrich Schoch, Übungen im Öffentlichen Recht I, Berlin 2000, S. 375; vgl. auch Thomas Schönfeld, Die Eigentumsgarantie und Nutzungsbeschränkungen des Grundeigentums, Sinzheim 1996, S. 93 ff., der insofern von einzelnen, konkreten Handlungsrechten spricht, die zusammen ein „Nutzenbündel“ ergeben. 35 So aber Ulrich Hösch, Eigentum und Freiheit, Tübingen 2000, S. 156 ff., der im Sinne seiner „Verbotstheorie“ die Selbstnutzung des Zuordnungsobjektes durch den Eigentümer dem Schutzbereich anderer Freiheitsgrundrechte zuordnet. 36 Statt vieler: Friedrich Schoch, Übungen im Öffentlichen Recht I, Berlin 2000, S. 375, wobei sich aber gewisse Nuancierungen im Zusammenhang mit dem Schutzgut „eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb“ ergeben können, Rudolf Wendt, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 14, Rdnrn. 47 ff.
A. Eigentumsfreiheit nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG
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Die Intensität des in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG gewährleisteten Eigentumsschutzes variiert in Abhängigkeit davon, welche der drei Gewährleistungsschichten ein staatlicher Akt tangiert38. Dringt der staatliche Akt in die Kernschicht (Institutsgarantie) vor, ist der Schutz so intensiv, das er allem anderen vorgeht. Die Schutzintensität erscheint absolut. Sinnzusammenhängend damit ist die dogmatische Einordnung der Institutsgarantie als absolute Grenze für die Einschränkbarkeit des Eigentumsgrundrechts, die auf einer Stufe mit der Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG steht beziehungsweise dessen Ausgestaltung für das Eigentumsgrundrecht bildet. Dringt der staatliche Akt in die zweite Schicht (Bestandsgewährleistung) vor, besteht zwar noch ein besonders ausgeprägter Schutz. Die Schutzintensität ist indes nicht mehr absolut, sondern relativierbar. Dringt er „lediglich“ in die äußere Schicht vor, und in dieser bleibt der Entscheidungspraxis des Bundesverfassungsgerichts zufolge die Mehrzahl staatlicher Akte stecken, gewährt Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG einen nutzungs- und verfügungsbezogenen Standard- oder Basisschutz39. Die Schutzintensität ist von vornherein relativ. Den Ausgangspunkt bildet dabei eine Zusammenschau der zu dem maßgebenden Zeitpunkt in Bezug auf die konkrete vermögenswerte Position bestehenden Nutzungs- und Verfügungsbefugnisse. Darin wird die konkret betroffene Befugnis eingeordnet. Nur wenn durch die konkrete Nutzungsbeschränkung keine sinnvolle andere Nutzungsmöglichkeit mehr verbleibt, wenn aus dem Eigentumsrecht eine Last wird, die der Rechtsträger allein im öffentlichen Interesse zu tragen hat, wenn sich also dessen Rechtsposition einer Lage nähert, in der sie den Namen Eigentum nicht mehr verdient, dann setzt sich die schutzumfänglich gewährleistete Nutzungsgarantie gegenüber anderen Positionen durch40. Mit der Frage der Schutzintensität ist allerdings lediglich der Rechtfertigungsaufwand für die Eigentumsbeeinträchtigung an sich angesprochen, indes ist damit weder eine Vorgabe Vgl. BVerfGE 100, S. 226 (243); vgl. BVerfGE 91, S. 294 (310). Vgl. BVerfGE 100, S. 226 (241); Hans-Jürgen Papier, Durchleitungen und Eigentum, BB 1997, S. 1213 (1215); Matthias Herdegen, „Access“ im Verfassungsrecht: Zugang zu Netzwerken und zu geistigen Ressourcen, in: Festschrift für Hartmut Maurer, München 2001, S. 137 (139). 39 Kritisch insofern Fritz Ossenbühl, Anmerkung zu BVerfGE 100, S. 226 ff., JZ 1999, S. 899, und Fritz Ossenbühl, Eigentumsschutz gegen Nutzungsbeschränkungen, in: Festschrift für Walter Leisner, Berlin 1999, S. 689 (690 f.), der Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG auch eine Nutzungsgarantie verankert sieht, Nutzungsmöglichkeiten aber zunächst dem „Eigentumskern“ zuordnet, dann abschwächend in ihnen einen Ausdruck der „Substanz des Eigentums“ sieht, und damit letztlich gegen eine Rechtsprechungstendenz aus wirtschaftlicher Sicht Position bezieht, die die „Nutzungsgarantie in eine mindere Grundrechtsqualität“ abdränge; insofern undifferenziert Christoph Külpmann, Der Schutz des Eigentumsbestandes durch Art. 14 I – BVerfGE 100, 226, JuS 2000, S. 646 (648), der unter der Kapitelüberschrift „Schutz des Eigentumsbestandes durch Art. 14 I GG“ im wesentlichen die Prüfung des Übermaßverbotes durch das Bundesverfassungsgericht referiert, nach Maßgabe dessen das Bundesverfassungsgericht aber die Beschränkung der durch die Nutzungsgarantie geschützten Nutzungsmöglichkeit, hier Abbruch der Villa, untersuchte. 40 BVerfGE 100, S. 226 (243). 37 38
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Teil 5: Vorgaben des Grundgesetzes für den entbündelten Zugang
für deren Qualifizierung im System des Art. 14 GG noch für die daran geknüpften Rechtfertigungsvorgaben verbunden. So ist eine in die Bestandsgewährleistung vordringende Eigentumsbeeinträchtigung nicht zwingend eine Enteignung, wie prima vista nahe liegen mag, sondern kann sich auch als Inhalts- und Schrankenbestimmung erweisen41. 3. Zusammenfassung Schutzobjekt des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG „Eigentum im verfassungsrechtlichen Sinn“ ist die vom einfachen Recht zu einem bestimmten Zeitpunkt festgelegte Zuordnung einer vermögenswerten Position zu einem Rechtsträger. Der Gesetzgeber strukturiert das Zuordnungsverhältnis zwischen Rechtsträger und vermögenswertem Zuordnungsgegenstand, worin die Normgeprägtheit und Wandelbarkeit des Schutzobjektes Verfassungseigentum zum Ausdruck kommt. Der Schutzumfang des Eigentumsgrundrechts weist drei Gewährleistungsebenen auf: die Kernebene der Institutsgarantie, die mittlere Ebene der Bestandsgarantie und die äußere Ebene der Nutzungsgarantie. Funktion des Verfassungseigentums ist die grundlegende Sicherung eines Freiraums für den Einzelnen im vermögensrechtlichen Bereich. Im Hinblick auf den Schutzumfang enthalten die Elemente Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand inhaltsbestimmende Bedeutung. Den drei Gewährleistungsebenen kommt eine von innen nach außen abnehmende Schutzintensität zu, womit das Maß an Rechtfertigungsaufwand für eine schutzbereichsrelevante Maßnahme vorstrukturiert, indes keine Aussage über eine Eingriffsqualifizierung und deren konkreten Rechtfertigungsmaßstab getroffen wird.
II. Eigentumsbeeinträchtigungen Die Beeinträchtigung gegenständlich und umfänglich von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG geschützten Eigentums kann unterschiedliche Gestalt annehmen. Sie kann durch Entzug der Eigentumsposition oder durch eine Beschränkung deren Nutzung, Verfügung oder Verwertung erfolgen; sie kann rechtlicher oder faktischer Natur sein42. Regelnde, d. h. auf die Setzung von Rechtsfolgen gerichtete Eigentumsbeeinträchtigungen, insbesondere in Gestalt von Gesetzen, müssen letztlich auf eine eigentumsgrundrechtlich legitimierte Schranke zu stützen sein. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG unterliegt zwei verschiedenen Grundrechtsschranken. Das 41 Siehe nur den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Baulandumlegung, durch die dem Grundeigentümer das ursprüngliche Grundstück entzogen und ein neues zugeordnet wird, BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 2001, Az. 1 BvR 1512 / 97 und 1677 / 97, NVwZ 2001, S. 1023. 42 Statt vieler: Rudolf Wendt, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 14, Rdnr. 53.
A. Eigentumsfreiheit nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG
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Eigentumsgrundrecht kann durch Inhalts- und Schrankenbestimmungen43 nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG einerseits oder durch Enteignungen gemäß Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG44 andererseits begrenzt werden45. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtfertigung einer Eigentumsbeeinträchtigung hängen davon ab, welche der beiden Grundrechtsschranken mit der betreffenden Regelung aktualisiert wird. Wegen der unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsmaßstäbe ist die schrankenrichtige Qualifizierung einer Eigentumsbeeinträchtigung somit von weichenstellender Bedeutung. Sonstige Eigentumsbeeinträchtigungen, beispielsweise in Form von Verwaltungsakten, die nicht als Enteignung zu qualifizieren sind, sowie in Gestalt von Realakten46 bleiben im Hinblick auf den Prüfungsgegenstand, § 33 Abs. 1 TKG, für die vorliegende Untersuchung außer Betracht. 1. Begriffsbestimmung Der Wortlaut des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG legt die Annahme nahe, dass der Verfassungsgeber – jedenfalls prima vista – zwischen einer Inhaltsbestimmung (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 1. Alt. GG) einerseits und einer Schrankenbestimmung (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 2. Alt GG) andererseits unterscheidet. Grund und Konsequenzen dieser Unterscheidung wird im Folgenden nachgegangen. Im Hinblick auf die Einordnung von Nutzungsbegrenzungen in die Dogmatik der Eigentumsbeschränkungen ist eine differenzierende Betrachtung des Enteignungsbegriffs erforderlich, das insbesondere den Blick auf die Charakteristika der Teilenteignung durch Gesetz eröffnet.
a) Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG: Inhaltsbestimmung und Schrankenziehung oder Inhalts- und Schrankenbestimmung? Insbesondere in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung einerseits und Teilen der Literatur anderseits gibt es verschiedene Interpretationen von Art. 14 Abs. 1 43 Zur begrifflichen Präzisierung und Unterscheidung insbesondere zwischen Inhaltsbestimmungen, Schrankenziehungen und Inhalts- und Schrankenbestimmung, siehe sogleich unter 1. a). 44 Zu den Unterschieden des verfassungsrechtlichen Enteignungsbegriffs und demjenigen der einfachrechtlichen Eigentumsaufopferungsansprüche siehe Jan Wilhelm, Zum Enteignungsbegriff des Bundesverfassungsgerichts, JZ 2000, S. 905 (911 ff.). 45 Siehe nur Bodo Pieroth / Bernhard Schlink, Grundrechte, 17. Aufl., Heidelberg 2001, Rdnrn. 920 f., 922 ff.; Hans D. Jarass, Inhalts- und Schrankenbestimmung oder Enteignung? Grundfragen und Struktur der Eigentumsgarantie, NJW 2000, S. 2841 ff. 46 Bodo Pieroth / Bernhard Schlink, Grundrechte, 17. Aufl., Heidelberg 2001, Rdnrn. 925 ff.; Hans D. Jarass, Inhalts- und Schrankenbestimmung oder Enteignung? Grundfragen und Struktur der Eigentumsgarantie, NJW 2000, S. 2841 ff.; Christina Reuss, Eigentum – Eigentumsbeschränkung – Entschädigung, JuS-Lernbogen 1998, S. L 89 (L 91).
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Teil 5: Vorgaben des Grundgesetzes für den entbündelten Zugang
Satz 2 GG. Einigkeit besteht jedenfalls darin, dass eine Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG verwirklichende, eigentumsrelevante Regelung – wie schon der Wortlaut sagt – durch Gesetz, also eine abstrakt-generelle Regelung, zu erfolgen hat. Nach einer insbesondere von Wendt in der rechtswissenschaftlichen Literatur vertretenen Auffassung ist in den Alternativen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG die Unterscheidung zwischen einerseits inhaltsbestimmenden und andererseits schrankenziehenden Normen angelegt47. Dieser Meinung zufolge legen inhaltsbestimmende Normen die schutzfähigen, vermögenswerten Rechtspositionen und die mit ihnen verknüpften Befugnisse generell und pflichtneutral fest48. Sie haben die Funktion der Befugniszuteilung und wirken als Eigentumskonstituierung49. Konsequenterweise hat der inhaltsbestimmende Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum, den lediglich die objektiv-rechtliche Institutsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG begrenzt50. Schrankenziehende Normen hingegen regeln Konflikte auf Gleichordnungsebene (Bürger-Bürger-Verhältnis) beziehungsweise auf Über-Unterordnungsebene (Staat-Bürger-Verhältnis) und normieren dazu Handlungs-, Duldungsund Unterlassungspflichten51. Sie haben die Funktion der Konfliktlösung und wirken erst eigentumsbeeinträchtigend 52. Der schrankenziehende Gesetzgeber muss, da er in das subjektiv-öffentliche Abwehrrecht der Eigentumsfreiheit eingreift, insbesondere den strengen Anforderungen des Übermaßverbotes genügen, dessen Abwägungsprogramm auch von der in Art. 14 Abs. 2 GG verankerten Sozialbindung des Eigentums geleitetet wird53. Selbstredend setzt ihm ferner die Institutsgarantie eine absolute Begrenzung seines Gestaltungsspielraums. Demgegenüber legen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts54 und der sich verbreiternde Strom an Literaturmeinungen55 Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG als einheitliche RegelungsRudolf Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, Hamburg 1985, S. 147 ff. Rudolf Wendt, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 14, Rdnr. 55. 49 Rudolf Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, Hamburg 1985, S. 147 ff., insbesondere S. 157; Rudolf Wendt, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 14, Rdnrn. 55, 60 ff. 50 Rudolf Wendt, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 14, Rdnrn. 57, 60 f., 69. 51 Rudolf Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, Hamburg 1985, S. 147 ff., insbesondere S. 157; Rudolf Wendt, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 14, Rdnrn. 55, 70 ff. 52 Rudolf Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, Hamburg 1985, S. 183 ff., 280 ff.; Rudolf Wendt, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 14, Rdnr. 55. 53 Rudolf Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, Hamburg 1985, S. 344 ff., 400 ff.; Rudolf Wendt, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 14, Rdnrn. 57, 70 – 73. 54 Insbesondere BVerfGE 58, S. 300 (330). 55 Insbesondere: Brun-Otto Bryde, in: Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, begr. v. Ingo von Münch, hrsg. v. Philip Kunig, 5. Aufl., München 2000, Art. 14, Rdnr. 51; Hans-Jürgen Papier, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Theodor Maunz, Günter Dürig u. a., Bd. II, 47 48
A. Eigentumsfreiheit nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG
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ermächtigung an den Gesetzgeber zur Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums aus. Eine Inhalts- und Schrankenbestimmung ist demzufolge jede generell-abstrakte Festlegung von Rechten und Pflichten durch den Gesetzgeber hinsichtlich solcher Rechtsgüter, die als Eigentum im Sinne des Grundgesetzes gelten; der Gesetzgeber legt auf der Ebene des einfachen Gesetzesrechts diejenigen Rechte und Pflichten fest, die den Inhalt des Eigentums vom Inkrafttreten des Gesetzes an für die Zukunft in allgemeiner Form bestimmen56. Inhalts- und Schrankenbestimmungen definieren daher den Gewährleistungsbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG insbesondere durch Eröffnung von Eigentumsnutzungen, die sich im Vergleich mit der Befugnislage vor der neuen Regelung als Erweiterung erweisen kann. Sie können den Gewährleistungsbereich aber auch durch eine Versagung oder Einschränkung bisheriger Nutzungsmöglichkeiten verkürzen. Im letzteren Fall liegt in der Definition des Eigentums für die Zukunft eine Beschränkung des in der Vergangenheit begründeten und bis zum Inkrafttreten des inhaltsund zugleich schrankenbestimmenden Gesetzes einfachgesetzlich geschöpften Verfassungseigentums. Auch die differenzierende, insbesondere von Wendt vertretene Auffassung anerkennt, dass eine Inhaltsnorm zugleich schrankenziehende Wirkung haben kann, nämlich in der Konstellation, in der ihre Geltung bereits entstandene Rechtspositionen erfasst und die früheren Inhaltsnormen Befugnisse eingeräumt haben, die die neue Inhaltsnorm nicht mehr gewährt57. Exakt diese Konstellation setzt zurecht die herrschende Meinung unausgesprochen als Grundkonstellation voraus. Denn die einfachgesetzliche Durchnormierung der deutschen Rechtsordnung mit Bezügen zu vermögenswerten Positionen hat rein rechtstatsächlich ein Maß erreicht, das kaum einen normfreien Raum mehr erkennen lässt, in dem der Gesetzgeber originär und ausschließlich eigentumskonstituierend tätig werden könnte58. Auch ist die herrschende Meinung59 im Hinblick auf den engmaschigeren Rechtfertigungsmaßstab des Übermaßverbotes, das einheitlich auf die inhalts- und schrankenbestimmende Regelung insgesamt angewandt wird, vorzugswürdig, dient sie doch, wenn auch unter Aufgabe letzter dogmatischer PräziMünchen Stand: Juli 2001, Art. 14, Rdnr. 300; Bodo Pieroth / Bernhard Schlink, Grundrechte, 17. Aufl., Heidelberg 2001, Rdnrn. 895, 928; Reinhard Hendler, Zur Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums, in: Festschrift für Hartmut Maurer, München 2001, S. 127 (127 f.); Jochen Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, Tübingen 1998, S. 57 ff. 56 BVerfGE 52, S. 1 (27); BVerfGE 56, S. 249 (260); BVerfGE 58, S. 300 (330); BVerfGE 72, S. 66 (76); Bodo Pieroth / Bernhard Schlink, Grundrechte, 17. Aufl., Heidelberg 2001, Rdnrn. 920 f.; Hans-Dietrich Sproll, Staatshaftungsrecht – 3. Teil, Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 I 2 GG und Aufopferungsentschädigung, JuS 1996, S. 125 (126); Friedrich Schoch, Die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, JurA 1989, S. 113 (118 f.). 57 Rudolf Wendt, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 14, Rdnr. 56. 58 Zu einer möglichen Ausnahme im Hinblick auf die Einweisung der Deutsche Telekom AG in die Rechtsposition der Deutsche Bundespost TELEKOM am Telekommunikationsfestnetz siehe sogleich die Ausführungen in Kapitel B. I. 3. 59 Siehe Fußnoten 50 und 51.
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Teil 5: Vorgaben des Grundgesetzes für den entbündelten Zugang
sion, im Ergebnis einem dichteren Grundrechtsschutz. Dies führt zu einer deutlicheren Warnwirkung für den eigentumsgestaltenden Gesetzgeber, der sich andernfalls schnell auf den Standpunkt zurückziehen könnte, den Ei gentumsinhalt „nur“ bestimmt zu haben und dabei – zutreffend – lediglich an die Institutsgarantie gebunden gewesen zu sein. Die Argumentationslast läge dann auf der Seite des beschwerten Verfassungseigentümers, der die jedenfalls auch schrankenziehende Wirkung der betreffenden Norm belegen müsste, um das Eingreifen der strengeren Rechtfertigung auszulösen.
b) Enteignung Während eine inhalts- und schrankenbestimmende Regelung der generellen Ausgestaltung der Eigentumsordnung dient, zielt eine Enteignung auf deren ausnahmsweise Überwindung oder Durchbrechung im Einzelfall60. Dessen eingedenk definiert das Bundesverfassungsgericht eine Enteignung als einen hoheitlichen Eingriff in Form eines Rechtsaktes, der auf die vollständige oder teilweise Entziehung konkreter subjektiver Rechtspositionen, die durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 GG gewährleistet werden, gerichtet ist und zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben dient61. Ein solcher Zugriff auf eine konkrete vermögenswerte Position kann durch eine Legalenteignung oder durch eine Administrativenteignung erfolgen. Bei der Legalenteignung werden durch das Gesetz selbst und unmittelbar einem bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis konkrete Eigentumsrechte entzogen62. Bei der Administrativenteignung ist die Exekutive gesetzlich ermächtigt, im konkreten Einzelfall durch behördlichen Vollzugsakt Eigentum einzelner zu entziehen63. Diese Definition wird grundsätzlich auch von der rechtswissenschaftlichen Literatur getragen, jedenfalls zum Ausgangspunkt für dogmatische „Verfeinerungen“, insbesondere zur Abgrenzung von Inhalts- und Schrankenbestimmungen, genommen. Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Beschluss jüngeren Datums zur Baulandumlegung64 jedenfalls Akzentuierungen dieser Enteignungsdefinition, indirekt möglicherweise sogar eine Ergänzung derselben vorgenommen. Das Gericht stellt zunächst klar, dass eine Enteignung zwar den Entzug konkreter Rechtspositionen voraussetze, aber nicht jeder Entzug bereits eine Enteignung im 60 Evelyn Haas, Die Baulandumlegung – Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums, NVwZ 2002, S. 272 (274). 61 BVerfGE 52, S. 1 (27); BVerfGE 56, S. 249 (260); BVerfGE 58, S. 300 (330 f.); BVerfGE 72, S. 66 (76); BVerwG NJW 1990, S. 2572 (2573); Bodo Pieroth / Bernhard Schlink, Grundrechte, 17. Aufl., Heidelberg 2001, Rdnrn. 922 ff. 62 BVerfGE 58, S. 300 (330 f.); BVerfGE 100, S. 226 (240); Bodo Pieroth / Bernhard Schlink, Grundrechte, 17. Aufl., Heidelberg 2001, Rdnr. 922. 63 BVerfGE 58, S. 300 (330 f.); BVerfGE 100, S. 226 (240); Bodo Pieroth / Bernhard Schlink, Grundrechte, 17. Aufl., Heidelberg 2001, Rdnr. 922. 64 BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 2001, Az. 1 BvR 1512 / 97 und 1677 / 97, NVwz 2001, S. 1023 f.
A. Eigentumsfreiheit nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG
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Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG sei65. Weiter wird präzisiert, dass eine Enteignung auf solche Fälle des Entzugs beschränkt sei, „in denen Güter hoheitlich beschafft werden, mit denen ein konkretes, der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienendes Vorhaben durchgeführt werden soll“66. An dieser Stelle verweist das Gericht auf seinen Beschluss zum Recht auf Rückübereignung bei Wegfall des Enteignungszwecks, in dem es ausführte, Zweck und Legitimation der Enteignung seien darin zu sehen, dass die entzogene Rechtsposition für die Erfüllung der bestimmten öffentlichen Aufgabe zur Verfügung stehe; die Eigentumsentziehung und die Begründung des Eigentums für die öffentliche Hand seien nur Mittel zu diesem Zweck67. Der Hinweis des Bundesverfassungsgerichts auf den Güterbeschaffungsvorgang rückt zunächst die Zweckbestimmung einer Eigentumsbeeinträchtigung, die als Enteignung zu qualifizieren ist, in den Vordergrund der Betrachtung. Die entzogene Position sei, so das Gericht, lediglich dann enteignet, wenn sie für ein konkretes Vorhaben eingesetzt werden soll, dass der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dient. Die entzogene Position sei demgegenüber nicht enteignet, wenn mit dem Entzug nur der Ausgleich privater Interessen beabsichtigt ist68. Allerdings ist mit der Verwendung der Terminologie „Güterbeschaffung“ und dem Hinweis auf den früheren Beschluss zum Recht auf Rückübereignung auch das Kriterium des Wechsels in der Rechtsinhaberschaft angesprochen. Das aus dem klassischen Enteignungsbegriff69 herrührende Element, Übertragung der entzogenen Position auf einen neuen Rechtsträger, erfährt also indirekt eine neue Betonung70. Wenn auch die besondere Zweckbestimmung als entscheidendes Element zur Qualifizierung einer Eigentumsbeeinträchtigung als Enteignung herausgestellt wird, so bemerkt das Bundesverfassungsgericht doch nebenbei, dass der Staat bei der Baulandumlegung den betroffenen Eigentümern vorübergehend die Verfahrensherrschaft nehme, sofern diese die Bebaubarkeit der Grundstücke über privatautonome Regelun65 BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 2001, Az. 1 BvR 1512 / 97 und 1677 / 97, NVwz 2001, S. 1023. 66 BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 2001, Az. 1 BvR 1512 / 97 und 1677 / 97, NVwz 2001, S. 1023. 67 BVerfG, Beschluss vom 12. November 1974, Az. 1 BvR 32 / 68, NJW 1975, S. 37. 68 BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 2001, Az. 1 BvR 1512 / 97 und 1677 / 97, NVwz 2001, S. 1023. 69 Zum klassischen Enteignungsbegriff siehe beispielsweise Hans-Dieter Sproll, Staatshaftungsrecht – 2. Teil, Verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie und Enteignungsentschädigung, JuS 1995, S. 1080 (1081); zur historischen Entwicklung des Eigentumsschutzes siehe Gerhard Roller, Enteignung, ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung und salvatorische Klauseln – Eine Bestandsaufnahme im Lichte der neuen Judikatur des BVerfG, NJW 2001, S. 1003 (1004 f.). 70 Dieser neue Rechtsträger muss allerdings nicht die öffentliche Hand, sondern kann auch eine Privatperson sein; eine Aufgabe der Boxberg-Prüfgelände-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, BVerfGE 74, S. 264 (284 ff.), ist insofern nicht erkennbar; in diesem Sinne wohl auch Evelyn Haas, Die Baulandumlegung – Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums, NVwZ 2002, S. 272 (274, Fußnote 19), die im Zusammenhang mit der Enteignungsdefinition diese Entscheidung zitiert.
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gen einer Neuordnung der Eigentumsverhältnisse nicht erreichten71. In der vorübergehenden staatlichen Übernahme der Verfahrensherrschaft zur Neuordnung der Eigentumsverhältnisse liegt aber gerade kein Übergang der Rechtsinhaberschaft von den betreffenden Grundeigentümern auf den Staat oder einen anderen Rechtsträger. Auch deshalb, und nicht nur wegen der fehlenden öffentlichen Zweckbestimmung, ist die Baulandumlegung keine Enteignung. Ebenso spricht das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung zum Denkmalschutzrecht indirekt das Kriterium des Rechtsinhaberwechsels an, wenn es im Zusammenhang mit der Unzumutbarkeit der Versagung einer Beseitigungsgenehmigung, die es als aktualisierte Inhalts- und Schrankenbestimmung qualifizierte, den Gesetzgeber auf die Alternative der Enteignung hinweist. Das Gericht führt insofern aus, „erfordert das Allgemeinwohl nach Auffassung des Gesetzgebers dennoch die Erhaltung des konkret geschützten Kulturdenkmals, wie es bei Bauwerken von hoher kulturhistorischer Bedeutung denkbar ist, so kann dies nur auf dem Wege der Enteignung erreicht werden“72. Die, wenn sich der bestimmte Gemeinwohlzweck auf das konkret zu schützende Denkmal verdichtet, alternativ73 in Betracht kommende Enteignung erfordert demzufolge die Übertragung des Enteignungsgegenstandes auf die dann ein konkretes Denkmal pflegende öffentliche Hand74. Auch wenn man in dieser neuen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung keine ausdrückliche Erweiterung der Definitionselemente des Enteignungsbegriffs um das Kriterium „Rechtsinhaberwechsel“ sehen, sondern weiterhin das Entzugselement und die besondere Zweckbestimmung als die den Enteignungsbegriff prägenden Aspekte ansehen wollte75, so müsste man doch jedenfalls anerkennen, dass die Präzisierung der besonderen öffentlichen Zweckbestimmung durch den Bezug auf ein konkretes Vorhaben regelmäßig auch einen Rechtsinhaberwechsel zur Folge hat76. Denn der betonte Vorhabenbezug der bestimmten öffentlichen Aufgabe hat konkrete Gemeinwohlprojekte vor Augen, wie beispielsweise den Bau einer Landstrasse, einer 71 BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 2001, Az. 1 BvR 1512 / 97 und 1677 / 97, NVwZ 2001, S. 1023. 72 BVerfGE 100, S. 226 (243). 73 Insofern besteht entgegen der Auffassung von Gerhard Roller, Enteignung, ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung und salvatorische Klauseln – Eine Bestandsaufnahme im Lichte der neuen Judikatur des BVerfG, NJW 2001, S. 1003 (1007), gerade keine „Formenwahlfreiheit des Gesetzgebers“. 74 Dieser Zusammenhang wird auch aufgezeigt von Hans D. Jarass, Inhalts- und Schrankenbestimmung oder Enteignung? Grundfragen und Struktur der Eigentumsgarantie, NJW 2000, S. 2841 (2844 f.), die alternativ in Betracht kommende Enteignung bestehe aber nicht in einer bloßen Nutzungsbeschränkung für den bisherigen Eigentümer, sondern in der Überführung des Enteignungsgegenstandes an die öffentliche Hand, sie verschaffe der öffentlichen Hand das Bauwerk, das sie dann auf unterschiedliche Weise nutzen könne. 75 In diesem Sinne Evelyn Haas, Die Baulandumlegung – Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums, NVwZ 2002, S. 272 (274). 76 Auf diese Konsequenz macht auch Christoph Külpmann, Der Schutz des Eigentumsbestandes durch Art. 14 I – BVerfGE 100, 226, JuS 2000, S. 646 (648), aufmerksam, allerdings ohne den Beschluss zur Baulandumlegung berücksichtigen zu können.
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Flughafenstartbahn, einer Brücke oder einer Eisenbahnstrecke, an deren Realisierung Beteiligte mitwirken, die über die entzogene Position für das betreffende Projekt auch rechtlich disponieren können müssen und zugleich für die Art und Weise des Disponierens und dessen Folgen verantwortlich, gegebenenfalls sogar haftbar sein müssen. Der Denkmalschutz als solcher ist lediglich ein vom Gesetzgeber in Denkmalschutzvorschriften abstrakt vorgegebenes, im öffentlichen Interesse stehendes Ziel, indes kein konkretes Gemeinwohlprojekt. Die Baulandumlegung in einem bestimmten Umlegungsgebiet kommt zwar dem Vorhabencharakter näher. Sie dient aber nicht dem Gemeinwohl, sondern den privaten Interessen der Grundstückseigentümer. In beiden Fällen nahm das Bundesverfassungsgericht daher zu Recht keine Enteignung, sondern eine Inhalts- und Schrankenbestimmung an.
c) Zusammenfassung In Anknüpfung an die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine Enteignung zu bejahen, wenn ein Rechtsakt eine konkrete, durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 GG gewährleistete Rechtspositionen einem Rechtsträger vollständig oder teilweise entzieht, um mit diesen so beschafften Gütern ein konkretes, der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienendes Vorhaben durchzuführen, indes nicht, um allein private Interessen auszugleichen. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ist demgegenüber – ebenfalls im Einklang mit der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung – als einheitliche Regelungsermächtigung an den Gesetzgeber mit den Bindungen des Übermaßverbotes und der Institutsgarantie zur Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums zu verstehen. Eine Inhalts- und Schrankenbestimmung ist jede generell-abstrakte Festlegung von Rechten und Pflichten durch den Gesetzgeber hinsichtlich solcher Rechtsgüter, die als Verfassungseigentum gelten. 2. Abgrenzungskriterien Die Qualifizierung einer Eigentumsbeeinträchtigung als Inhalts- und Schrankenbestimmung im Unterschied zur Legalenteignung hat stets Abgrenzungsfragen aufgeworfen. Sie wurden regelmäßig anhand gesetzlicher Nutzungsbeschränkungen virulent, deren Intensität einem Entzug der durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG geschützten Positionen zumindest nahe kam, es aber an einem Übergang der entzogenen Position auf einen, von einer denkbaren Enteignung Begünstigten fehlte77. Die Fragen beschäftigten sich mit der Einordnung der staatlichen Maßnahme 77 Siehe beispielsweise Reinhard Hendler, Zur Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums, in: Festschrift für Hartmut Maurer, München 2001, S. 127 (129) und Reinhard Hendler, Raumordnungsziele und Eigentumsrecht, DVBl. 2001, S. 1233 (1237), der diese Konstellation mitr dem Begriff „Aufopferungsenteignung“ bezeichnet, ohne damit bereits eine Qualifizierung als Enteignung zu verbinden.
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als Inhalts- und Schrankenbestimmung oder als Teilenteignung durch Gesetz. Gesteigert wurden diese Abgrenzungsschwierigkeiten dadurch, dass das Bundesverfassungsgericht in früheren Entscheidungen expressis verbis eine Enteignung nicht an einen Güterbeschaffungsvorgang und die damit verbundene Übertragung des entzogenen Objekts auf einen neuen Rechtsträger knüpfte, sondern auf den Entzug des Eigentums und den damit bewirkten Rechts- und Vermögensverlust78 sowie auf die besondere öffentliche Zweckerfüllung79 abstellte.
a) Materielle Ansätze Die rechtswissenschaftliche Literatur und fachgerichtliche Rechtsprechung entwickelten materielle Abgrenzungskriterien unterschiedlicher Art und Güte. So sei eine Nutzungsbeschränkung in Bezug auf die betreffende Eigentumsposition dann als Teilenteignung zu qualifizieren, wenn sich die Beschränkung durch eine hinreichende Schwere, im Sinne einer besonderen Eingriffstiefe auszeichne80, besonders intensiv sei81 oder die betreffende Eigentumsbelastung die Enteignungsschwelle überschreite82. Diese Auffassungen folgen im Ergebnis weitestgehend der überkommenen, auf dem Sonderopfergedanken beruhenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes83 zur Unterscheidung zwischen der entschädigungslosen Eigentumsbindung gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nach Maßgabe der Anforderungen des Art. 14 Abs. 2 GG einerseits sowie entschädigungspflichtigen Eigentumseingriffen andererseits. Der Sonderopfergedanke, nach dem eine Eigentumsbeeinträchtigung dann als eine Enteignung zu werten ist, wenn den Betroffenen im Vergleich zu anderen ein besonderes, letzteren nicht zugemutetes Opfer für die Allgemeinheit auferlegt wird, beruht letztlich auf einem Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz.
78 BVerfG, Beschluss vom 9. Januar 1991, Az. 1 BvR 929 / 89, NJW 1991, S. 1807 (1808) zum Schutz des Vorkaufsrechts durch die Eigentumsgarantie. 79 BVerfGE 74, S. 264 (284 ff.). 80 Grundlegend BVerwGE 5, S. 143 (145); siehe auch Alexander von Brünneck, Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, Baden-Baden 1984, S. 189 ff. und S. 232 ff., der die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts umfassend bis 1983 darstellt. 81 Rudolf Wendt, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 14, Rdnrn. 150, 150 a. 82 Fritz Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl., München 1998, S. 193 f., der allerdings inzwischen selbst diese sogenannte „Schwellentheorie“ infolge der „Reformalisierung des Enteignungsbegriffs und der Ausprägung eines neo-klassischen Enteignungsbegriffs durch das Bundesverfassungsgericht“ als nicht mehr gangbaren Weg bezeichnet, Fritz Ossenbühl, Anmerkung zu BVerfGE 100, S. 226 ff., JZ 1999, S. 899. 83 Grundlegend BGHZ 6, S. 270 (280); siehe auch Jan Wilhelm, Zum Enteignungsbegriff des Bundesverfassungsgerichts, JZ 2000, S. 905 (909 ff.), der eine Korrektur des bundesverfassungsgerichtlichen Enteignungsbegriffs des Art. 14 Abs. 3 GG im Sinne der zivilgerichtlichen Rechtsprechung postuliert.
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b) Kriterium der eigentumsähnlichen Position des Enteignungsbegünstigten Ein eher formal ausgerichteter Ansatz knüpft – ähnlich dem Bundesverfassungsgericht – an das Entziehungselement und die Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben zur Bejahung einer Enteignung an. Jarass, der diese Auffassung insbesondere vertritt, fügt – allerdings zeitlich vor der Baulandumlegungsentscheidung – noch die Beobachtung hinzu, dass Fälle der Enteignung regelmäßig einen Enteignungsbegünstigten erkennen ließen84. Demzufolge liege seiner Ansicht nach eine Enteignung nur dann vor, wenn die entzogene Position rechtlich abtrennbar und so zu verselbständigen85 sei, dass sie von einem konkret auszumachenden Enteignungsbegünstigten wie von einem Eigentümer genutzt werden könne. Dem Eigentumsbegünstigten müsse hinsichtlich der relevanten Nutzung ein Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum zukommen. Es genüge demgegenüber nicht, dass die Nutzung des Eigentums lediglich beschränkt werde und dies bloß der Allgemeinheit zugute komme86.
c) Formalisierte Abgrenzung Seit dem Nassauskiesungs-Beschluss vom 15. Juli 198187 vertreten das Bundesverfassungsgericht und – ihm folgend – weitgehend auch die rechtswissenschaftliche Literatur88 eine in den vorstehenden Definitionen bereits angelegte strikt formale Trennung von Inhalts- und Schrankenbestimmung sowie Enteignung. Diese Position untermauerte das Bundesverfassungsgericht jüngst in zwei Entscheidungen. Zum einen stellt es in seinem Beschluss zum Denkmalschutzrecht ausdrücklich klar, dass die Einordnung einer Norm als Inhalts- und Schrankenbestimmung „von der Intensität der den Rechtsinhaber treffenden Belastung unabhängig“ sei und ihre Gültigkeit selbst in den Fällen behalte, „in denen der Eingriff in seinen Auswirkungen für den Betroffenen einer Enteignung nahe- oder gleich84 Hans D. Jarass, Inhalts- und Schrankenbestimmung oder Enteignung? Grundfragen und Struktur der Eigentumsgarantie, NJW 2000, S. 2841 (2844). 85 Auf die „Verselbständigungsfähigkeit der entzogenen Eigentumspositionen“ stellt bereits ausdrücklich, allerdings auch ausschließlich ab, Ingo Kraft, System der Klassifizierung eigentumsrelevanter Regelungen – Flurbereinigung und gesetzliche Leitungsrechte: Inhaltsbestimmung oder Enteignung?, BayVbl. 1994, S. 97 (102 f.); ebenso Martin Burgi, Die Enteignung durch „teilweisen“ Rechtsentzug als Prüfstein für die Eigentumsdogmatik, NVwZ 1994, S. 527 (529 ff.). 86 Hans D. Jarass, Inhalts- und Schrankenbestimmung oder Enteignung? Grundfragen und Struktur der Eigentumsgarantie, NJW 2000, S. 2841 (2844 f.). 87 BVerfGE 58, S. 300 ff. 88 Friedrich Schoch, Die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, JurA 1989, S. 113 (118 f.); Hans-Dietrich Sproll, Staatshaftungsrecht – 3. Teil, Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 I 2 GG und Aufopferungsentschädigung, JuS 1996, S. 125 (125 f.); Reinhard Hendler, Raumordnungsziele und Eigentumsrecht, DVBl. 2001, S. 1233 (1236).
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komme“89. Das Bundesverfassungsgericht erteilte damit Versuchen, die formale Trennung der beiden Eingriffsinstitute durch materielle Kriterien aufzuweichen, eine deutliche Absage und zwar selbst für den Fall der „Totalentleerung“ des Eigentums, bei dem die Nutzungsbeschränkung keine Rechtsposition mehr übrig lässt, die den Namen „Eigentum“ noch verdient. Hat der Gesetzgeber sich in einem solchen Fall dennoch für eine Inhalts- und Schrankenbestimmung entschieden, also insbesondere das individuelle Zuordnungsverhältnis zwischen dem Rechtsträger und der vermögenswerten Position fortbestehen lassen, wählte er in eigentumsgrundrechtswidriger Weise jedenfalls das falsche Eingriffsinstrument. Die notwendige Korrektur muss „von außen“, d. h. erneut durch den Gesetzgeber erfolgen, indem er prüft, ob er eine Maßnahme als Enteignung konzipieren kann, indes nicht sozusagen „von innen“ durch eine „Umqualifizierung“ der betreffenden Regelung von einer Inhalts- und Schrankenbestimmung zu einer Enteignung. Zum anderen präzisiert das Gericht, wie vorstehend ausgeführt, seinen Enteignungsbegriffs in dem Beschluss zur Baulandumlegung dahin, dass es erstens auf das kumulierte Vorliegen der beiden Enteignungselemente, Eigentumsentziehung und besonderer öffentlicher Zweck, ankomme. Zweitens konkretisiert es die Anforderungen an diesen be sonderen öffentlichen Zweck des Entzugs, in dem es das Gebrauchen der – güterbeschaffend – entzogenen Eigentumsposition für ein konkretes, der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienendes Vorhaben betont. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht dies nicht explizit ausspricht, ist doch anzuerkennen, dass, wie bereits erörtert, die Bejahung des konkreten Vorhabenbezugs regelmäßig einen Rechtsinhaberwechsel nach sich zieht90. Insgesamt ist die bereits von formalen Kriterien geleitete Abgrenzung zwischen Inhalts- und Schrankenbestimmungen sowie Enteignungen durch die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts zum Denkmalschutzrecht und zur Baulandumlegung dahingehend präzisiert worden, dass eine Enteignung regelmäßig zum Rechtserwerb eines Dritten führt.
d) Stellungnahme Die formalisierte Abgrenzung des Bundesverfassungsgerichts rückt, präzisiert durch die Beschlüsse zum Denkmalschutzrecht und zur Baulandumlegung, den Ausnahmecharakter der Enteignung im Sinne einer Durchbrechung der einfachgesetzlich ausgestalteten Eigentumsrechtsordnung91 wieder stärker in den Vordergrund. Mit Hilfe des Eingriffsinstruments der Enteignung kann sich der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich zulässiger Weise über die besonderen Bindungen des 89 BVerfGE 100, S. 226 (240); in diesem Sinne bereits BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. Oktober 1997, Az. 1 BvR 310 / 84, NJW 1998, S. 367 (368). 90 Zu einer Einschätzung in diesem Sinne gelangt auch Reinhard Hendler, Anmerkung zu BVerfGE 100, S. 226 ff., DVBl. 1999, S. 1501 (1502). 91 Zum „Durchbrechungsgedanken“ siehe auch Rudolf Wendt, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 14, Rdnrn. 76 – 78 und 148.
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Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, vor allem durch das Übermaßverbot und die Konturierung dieses Verbotes in Art. 14 Abs. 2 GG, hinwegsetzen. Dessen muss der Gesetzgeber sich, im Hinblick auf die in Art 14 Abs. 3 GG niedergelegten Anforderungen an eine Enteignung, bei der Gestaltung der betreffenden Regelung bewusst sein. Wählt der Gesetzgeber keinen Entzug – im Sinne der (auch nur partiellen) Auflösung des individuellen Zuordnungsverhältnisses – einer von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG gewährleisteten Position zur Durchführung eines konkreten Gemeinwohlvorhabens, bewegt er sich in der Sphäre der Inhalts- und Schrankenbestimmungen mit den angesprochenen besonderen Bindungen. Hat der Gesetzgeber bei der Konzeption der betreffenden Regelung diesen Bindungen nicht genügt, liegt eine verfassungswidrige, da regelmäßig unverhältnismäßig im engeren Sinne, Inhalts- und Schrankenbestimmung vor. Diese Regelung kann dann aber nicht infolge einer im Rahmen der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung erfolgten, wirkungsbezogenen Beurteilung quasi „rückwirkend“ als Enteignung qualifiziert werden. Die Qualifizierung einer Eigentumsbeschränkung als Inhalts- und Schrankenbestimmung oder als Enteignung erfolgt unabhängig von der Intensität ihrer Auswirkung auf die betroffene Eigentumsposition. Für diese formalisierte Abgrenzung und ihre Orientierung hin zur Güterbeschaffung streitet insbesondere das Argument der Rechtsanwendungssicherheit und der Rechtsklarheit92. Materielle Kriterien geben – neutral formuliert – dagegen Raum für Wertungen unterschiedlicher Herkunft mit von Fall zu Fall variierenden Ergebnissen. Durch diese Wertungen wird die Prüfung der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Eigentumsbeeinträchtigung in die Untersuchung der Eingriffsqualifizierung vorverlagert, ohne dass zuvor über den Maßstab der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung (Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 GG versus Art. 14 Abs. 3 GG) befunden werden konnte. Die in der Literatur entwickelten Ansätze, die formale Abgrenzungskriterien um ein materielles Element anreichern, bezwecken regelmäßig, für den nutzungsbeschränkten Eigentümer mit der Bejahung einer Teilenteignung die gesetzgeberische Entschädigungspflicht festzuschreiben. Aus der Sicht des Eigentumsschutzes wird dem nutzungsbeschränkten Eigentümer jedoch ein höheres Maß an Schutz gewährt, wenn eine formal als Inhalts- und Schrankenbestimmung zu qualifizierende Regelung im Rahmen der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung an den Vorgaben des Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 GG gemessen wird. Dabei geht es in erster Linie um die Wahrung der Bestands- und Nutzungsgarantie93 und nicht um Wertwahrung des Eigentums im System des Art. 14 Abs. 3 GG. Überdies kann sich auch im System der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung einer Inhalts- und Schrankenbestimmung die Frage nach einer Ausgleichspflicht für eine Nutzungsbeschränkung im Einzelfall stellen94. Zwar ist damit kein Wertausgleich für eine entzogene 92 In diesem Sinne auch Reinhard Hendler, Zur Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums, in: Festschrift für Hartmut Maurer, München 2001, S. 127 (130 f., 135). 93 Siehe auch BVerfGE 100, S. 226 (245). 94 So auch Reinhard Hendler, Zur Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums, in: Festschrift für Hartmut Maurer, München 2001, S. 127 (131).
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Rechtsposition gemeint, sondern die Wahrung der Verhältnismäßigkeit der Inhaltsund Schrankenbestimmung im engeren Sinne. Diese kann gegebenenfalls auch bloß dann zu bejahen sein, wenn für Extremfälle der Nutzungsbeschränkung ein Ausgleich in Geld, indes keine Entschädigung, in dem inhalts- und schrankenbestimmenden Gesetz vorgesehen ist. Diese Ausgleichsleistung bleibt dabei aus verfassungsrechtlicher Sicht aber nicht hinter der Enteignungsentschädigung nach Art. 14 Abs. 3 GG zurück. Neuerdings zieht das Bundesverfassungsgericht sogar die Möglichkeit eines gesetzlichen Anspruchs des Eigentümers auf Übernahme durch die öffentliche Hand zum Verkehrswert in Betracht95. Den Auffassungen in der rechtswissenschaftlichen Literatur, die materielle Abgrenzungskriterien verwenden, ist daher nicht zu folgen. Die von Jarass vertretene Auffassung, die das Kriterium der eigentumsähnlichen Position für einen Enteignungsbegünstigten vorbringt, ist im Ergebnis in die Linie der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung einzuordnen. Selbst wenn diese Auffassung nicht auf den Aspekt des Rechtsinhaberwechsels abstellt, ist doch in der Praxis immer dann, wenn ein konkreter Enteignungsbegünstigter auszumachen ist, auch das Gemeinwohlvorhaben, für das die entzogene Position gebraucht wird, so konkret bestimmt, dass es regelmäßig zu einem Rechtsträgerwechsel kommt. Jarass nennt auch keine Fälle, in denen es zwar einen konkreten Enteignungsbegünstigten gibt, der Rechtsträgerwechsel aber ausbleibt. Seine Auffassung führt vielmehr dazu, Grenzfälle in die Kategorie der Inhalts- und Schrankenbestimmung einzuordnen, ohne ein materielles Kriterium zu benutzen96. Damit geht diese Auffassung vom Ergebnis her konform mit der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung. In summa folgt die vorliegende Untersuchung daher der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu einer streng formalen Abgrenzung der Enteignung von der Inhalts- und Schrankenbestimmung unter Berücksichtigung des Kriteriums des Rechtsträgerwechsels97. Wendet man diese formalen Kriterien auf verschiedene Sachbereiche aus einer verallgemeinernden Perspektive an, sind beispielsweise Nutzungsbeschränkungen und -verbote zum Natur- und Landschaftsschutz als Inhalts- und Schrankenbestimmungen zu qualifizieren98. Unabhängig von der Frage, ob es überhaupt zu einem Teilentzug durch diese Nutzungsbeschränkungen kommt, fehlt es ihnen an einem konkreten Gemeinwohlvorhaben, für das die beeinträchtigte Eigentumsposition 95 Zu den verfassungsgerichtlich präzisierten Anforderungen an eine Inhalts- und Schrankenbestimmung, die eine Ausgleichspflicht vorsieht, BVerfGE 100, S. 226 (245 f.). 96 Siehe die aufgeführten Anwendungsbeispiele bei Hans D. Jarass, Inhalts- und Schrankenbestimmung oder Enteignung? Grundfragen und Struktur der Eigentumsgarantie, NJW 2000, S. 2841 (2845). 97 So auch Reinhard Hendler, Zur Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums, in: Festschrift für Hartmut Maurer, München 2001, S. 127 (131, 135). 98 Siehe BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. Oktober 1997, Az. 1 BvR 310 / 84, NJW 1998, S. 367 ff.; dazu auch Hanno Kube, Die Eingriffsfinalität: Angelpunkt der verfassungsrechtlichen Eigentumsdogmatik – zugleich Besprechung des BVerfG-Beschlusses vom 10. 10. 1997, NJW 1998, S. 367, JurA 1999, S. 465 ff.; Thomas Schönfeld, Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums durch Landschaftsschutzverordnung, NVwZ 1999, S. 380 ff.
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tatsächlich gebraucht und verwendet wird. Der Natur- und Landschaftsschutz steht zwar sicherlich im öffentlichen Interesse. Er ist aber unabhängig von einem konkreten Gemeinwohlprojekt zu sehen und stellt bloß ein abstraktes, gesetzgeberisches Ziel dar99. Dem allgemeinen örtlichen Wasserschutz dienende Bauverbote in Wasserschutzgebieten100 sind mit einer entsprechenden Argumentation ebenso als Inhalts- und Schrankenbestimmungen einzuordnen wie das bereits ausführlich erörterte, auf den Denkmalschutz gerichtete Beseitigungsverbot für eine Gründerzeitvilla. Wenn, wie bei der Baulandumlegung, zwar eine konkrete, vermögenswerte Position entzogen wird, dies aber nicht zum Gebrauch für ein bestimmtes Gemeinwohlvorhaben erfolgt, sondern dem fairen Ausgleich divergierender privater Interessen dient, ist ebenfalls von einer Inhalts- und Schrankenbestimmung auszugehen. Die betrachteten Sachbereiche beziehen sich allesamt auf das Grundeigentum, das manche als „Prototyp des Verfassungseigentums“101 ansehen. Nutzungsbeschränkungen können allerdings auch bewegliche Sachen als Zuordnungsobjekt betreffen. Die bisherige Fallpraxis dazu ist allerdings weitaus weniger umfangreich als diejenige zum Grundeigentum. Zu nennen ist die Pflichtexemplarentscheidung des Bundesverfassungsgerichts102. Nach einer landespressegesetzlichen Regelung war der Verleger eines Druckwerkes verpflichtet, ein Belegstück – unabhängig vom Herstellungsaufwand und der Auflagenstärke – unentgeltlich an staatliche Bibliotheken abzuliefern. Wendet man die hier favorisierten Abgrenzungskriterien an, ist festzustellen, dass es bereits an dem Entzugselement mangelt. Der Gesetzgeber greift nicht konkret auf ein bestimmtes Buch aus der betreffenden Auflage zu, sondern belastet die gesamte Auflage und jede Auflage, das Druckwerk an sich, von vornherein mit einer Ablieferungsverpflichtung. Auch fehlt es an einem konkreten Gemeinwohlvorhaben. So verfolgte der Gesetzgeber nicht das Ziel, eine bestimmte Landesbibliothek durch „Naturalien“ in Gestalt von Büchern auszustatten, sondern das allgemeine kulturpolitische Ziel, das geistige Schaffen einer Epoche der Allgemeinheit zugänglich zu machen und künftigen Generationen ein möglichst umfassendes Bild darüber zu erhalten. Es liegt also auch in diesem Fall eine Inhalts- und Schrankenbestimmung vor. Was diese Feststellung wirtschaftlich für den Verleger kleiner Auflagen bedeuten kann, ist eine von der Abgrenzung zwischen Inhalts- und Schrankenbestimmung versus Enteignung zu trennende Frage, die sich im Rahmen des jeweiligen Rechtfertigungsprogramms stellt103. Unabhän99 Den fehlenden Zweck, Verwirklichung konkreter Gemeinwohlprojekte, streicht auch heraus Ruth König, Inhalts- und Schrankenbestimmung oder Enteignung?, JA 2001, S. 345 (349); die determinierende Funktion des Zwecks der zu evaluierenden Maßnahme stellt besonders heraus Hanno Kube, Eigentum an Naturgütern, Berlin 1999, S. 68 ff. 100 BVerwG, Beschluss vom 30. September 1996, Az. 4 NB 31 u. 32 / 96, NVwZ 1997, S. 889. 101 Fritz Ossenbühl, Eigentumsschutz gegen Nutzungsbeschränkungen, in: Festschrift für Walter Leisner, Berlin 1999, S. 689 (692). 102 BVerfG, Beschluss vom 14. Juli 1981, Az. 1 BvL 24 / 78, NJW 1982, S. 633 ff. 103 So lag ein Schwerpunkt der Pflichtexemplarentscheidung auf der Frage, ob der Gesetzgeber eine Ausgleichspflicht für Druckwerke in kleiner Auflage mit großem Herstellungsauf-
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gig von einem konkreten Sachbereich und einem bestimmten Zuordnungsobjekt kann aus einer verallgemeinernden Perspektive auch der grundsätzliche gesetzestechnische Zweck für die Anwendung der formalen Abgrenzungskriterien in den Blick genommen werden. Ordnet der Gesetzgeber eine Teilrechtsordnung neu und beseitigt er im Zuge der inhaltlichen Neugestaltung von Eigentumspositionen alte Rechte, für die es im neuen Recht keine Entsprechung gibt, so entzieht der Gesetzgeber diese Altrechte nicht zum Gebrauch für ein konkretes, dem Wohl der Allgemeinheit dienendes Vorhaben. Er intendiert vielmehr die abstrakt-generelle Neugestaltung eigentumsrechtlicher Positionen für die Zukunft. Die Beseitigung der Altrechte ist bei der Durchführung dieses Anliegens nur eine unbeabsichtigte Nebenfolge. Konsequenz ist, dass die gesamten Neugestaltungsregelungen als Inhalts- und Schrankenbestimmungen qualifiziert werden müssen104. Eine ganz andere Frage ist, welche Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit, insbesondere die in Gestalt des Übermaßverbotes an eine solche Inhalts- und Schrankenbestimmung zu stellen sind105. Bei einer solchen Neuordnung eines Rechtsgebiets kann daher ein und dieselbe Regelung nicht mit Blick auf die Zukunft eine bestimmte Materie abstrakt-generell neu gestalten und zugleich („uno actu“) konkrete, bereits wohlerworbene Rechtspositionen entziehen106. Ein Rechtsakt ist entweder Enteignung oder Inhalts- und Schrankenbestimmung107. Tertium non datur.
wand hätte regeln müssen, BVerfG, Beschluss vom 14. Juli 1981, Az. 1 BvL 24 / 78, NJW 1982, S. 633 (634 f.), was das Bundesverfassungsgericht im Ergebnis bejahte, und die als Inhalts- und Schrankenbestimmung qualifizierte Ablieferungsverpflichtung als unverhältnismäßig beurteilte. 104 Beispiel aus der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist das Urteil zum Restitutionsausschluss nach dem Vermögensgesetz, BVerfG, Urteil vom 23. November 1999, Az. 1 BvF 1 / 94, NJW 2000, S. 413 (414), in dem das Bundesverfassungsgericht das gesetzgeberische Ziel der betreffenden Regelung herausstellt, nämlich die rechtliche Korrektur von Erwerbsvorgängen, um divergierende private Interessen zu einem Ausgleich zu bringen, was im Gesamtzusammenhang mit der Neuordnung der durch staatliche Unrechtsmaßnahmen beeinträchtigten Eigentumsverhältnisse geschah. 105 Dazu BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. Oktober 1997, Az. 1 BvR 310 / 84, NJW 1998, S. 367 (268). 106 Brun-Otto Bryde, in: Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, begr. v. Ingo von Münch, hrsg. v. Philip Kunig, 5. Aufl., München 2000, Art. 14, Rdnrn. 58, 72 f. 107 Konsequenterweise teilen eigentumsbeeinträchtigende Verwaltungsakte den Rechtscharakter der Norm, auf deren Grundlage sie ergehen. Ist die Ermächtigungsgrundlage eine Enteignungsnorm – wohlgemerkt keine Legalenteignung – so ist der normvollziehende Verwaltungsakt als (Administrativ-)Enteignung zu qualifizieren. Ist demgegenüber die Ermächtigungsgrundlage eine Inhalts- und Schrankenbestimmung, so stellt auch der normvollziehende Verwaltungsakt eine solche dar. Er trägt den Rechtscharakter derjenigen Norm, die er aktualisiert, BVerfGE 100, S. 226 (240); BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 1997, Az. 1 BvR 310 / 84, NJW 1998, S. 367 (368); Reinhard Hendler, Zur Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums, in: Festschrift für Hartmut Maurer, München 2001, S. 127 (128).
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e) Zwischenergebnis Den in der rechtswissenschaftlichen Literatur vertretenen Auffassungen, die materielle Abgrenzungskriterien verwenden, ist nicht zu folgen. Im Interesse der Rechtssicherheit und zur Vermeidung einer Vorverlagerung einer der verfassungsrechtlichen Eingriffsrechtfertigung vorbehaltenen Untersuchung der Eingriffs(aus-)wirkungen in die Eingriffsqualifizierung sowie einer vordergründigen Wertwahrungsorientierung unter Aufgabe des primär zu verfolgenden Bestands- und Nutzungsschutzes sind diese Auffassungen abzulehnen. Die von Jarass geprägte Ansicht zum Kriterium eines konkreten Eigentumsbegünstigten geht im Ergebnis mit der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung konform. In summa folgt die vorliegende Untersuchung daher der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und grenzt Enteignung von Inhalts- und Schrankenbestimmung nach streng formalen Kriterien ab. 3. Zusammenfassung Der enge und strikt an formalen Kriterien orientierte Enteignungsbegriff des Bundesverfassungsgerichts erfasst – insbesondere nach Maßgabe der neuen Präzisierungen durch die Beschlüsse zum Denkmalschutzrecht und zur Baulandumlegung – nur einen relativ schmalen Ausschnitt hoheitlicher Eigentumsbeeinträchtigungen. Dies steht im Einklang mit dem Ausnahmecharakter der Enteignung, mittels derer der Gesetzgeber die Eigentumsordnung aus übergeordneten Gründen des allgemeinen Wohls durchbrechen darf. Inhalts- und Schrankenbestimmung einerseits und Enteignung andererseits sind zwei voneinander strikt zu trennende Eingriffsinstrumente in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG. Eine inhalts- und schrankenbestimmende Regelung kann in ihrer Intensität „enteignend“ wirken, ohne dass dies ihre Qualifizierung als Inhalts- und Schrankenbestimmung in irgendeiner Weise beeinflusst.
III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigungsprogramme für Eigentumsbeeinträchtigungen Weichenstellende Konsequenz der Qualifizierung einer Eigentumsbeeinträchtigung als Inhalts- und Schrankenbestimmung oder als Enteignung ist, dass jedes dieser beiden Eingriffsinstrumente einem eigenständigen verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsprogramm zu unterwerfen ist. Konsequenterweise bezieht sich beispielsweise die Junktimklausel des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG allein auf Enteignungen im obig ermittelten Sinne. Sie findet dagegen keine Anwendung auf Inhaltsund Schrankenbestimmungen. Die zwei unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsprogramme sind im Anschluss vorzustellen.
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1. Rechtfertigungsprogramm für Enteignungen Art. 14 Abs. 3 GG stellt ein vollständig durchstrukturiertes Rechtfertigungsprogramm für Enteignungen auf. Sie sind verfassungsrechtlich rechtmäßig, wenn sie folgenden Voraussetzungen genügen: Erstens muss sich die betreffende Rechtsvorschrift gemäß Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG auf ein Gesetz im formellen Sinne stützen lassen108. Die Junktimklausel des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG verlangt zweitens, dass das betreffende Gesetz überhaupt eine Entschädigung vorsieht und deren Art und Ausmaß regelt. Sinn und Zweck der Junktimklausel ist ihre Warnfunktion gegenüber dem Gesetzgeber. Dieser hat zu gewährleisten, dass der Bürger nur dann einer Enteignung ausgesetzt wird, wenn begrifflich eine Enteignung vorliegt und auch die Entschädigungsfrage geklärt ist (Grundrechtssicherung). Dies setzt die Beachtung der Auswirkungen auf den Staatshaushalt voraus (Haushaltsprärogative)109. Drittens ist eine Enteignung ausschließlich zum Wohl der Allgemeinheit zulässig, Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG. Der Gesetzgeber ist bei der Bestimmung des jeweiligen Wohls an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden. Die Enteignung muss zur Erfüllung einer bestimmten öffentlichen Aufgabe (in Gestalt der Durchführung eines konkreten Gemeinwohlvorhabens) geeignet und erforderlich sein. Zwischen der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe durch das betreffende Gemeinwohlprojekt und dem Eingriff in das Eigentum muss weiterhin ein ausgewogenes Verhältnis bestehen. Allein eine solche öffentliche Aufgabe, die nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip den Entzug eines Eigentumsrechts rechtfertigt, ist eine verfassungsmäßige Konkretisierung des Allgemeinwohls. Viertens muss die Bestimmung der Enteignungsentschädigung unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und des Betroffenen erfolgen, Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG. Hierbei muss der Gesetzgeber zumindest einen Entschädigungsrahmen festsetzen, der sich zwischen den beiden Eckdaten, keine lediglich nominelle Entschädigung und keine Entschädigung zum Verkehrswert, bewegt. Vor dem Hintergrund dieser Anforderungen ist es angezeigt, das zur Strukturierung der Eigentumsgewährleistungen nach Umfang und Intensität bemühte Pfirsichmodell in Erinnerung zu rufen. Infolge der für die Enteignung begriffsbildenden Entziehung einer vermögenswerten Position wird die zweite Gewährleistungsschicht, die Bestandsgarantie, beeinträchtigt. Die ebenenabhängige Schutzintensität erfordert einen besonders ausgeprägten, indes keinen absoluten Schutz der betroffenen Rechtsposition. Die Schutzintensität ist relativierbar. An diese Relativierbarkeit knüpft das Rechtfertigungsprogramm 108 BVerfGE 56, S. 249 (261); Brun-Otto Bryde, in: Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, begr. v. Ingo von Münch, hrsg. v. Philip Kunig, 5. Aufl., München 2000, Art. 14, Rdnr. 76; HansJürgen Papier, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Theodor Maunz, Günter Dürig u. a., Bd. II, München Stand: Juli 2001, Art. 14, Rdnr. 473; Hans D. Jarass, in: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, hrsg. v. Hans D. Jarass und Bodo Pieroth, 5. Aufl., München 2000, Art. 14, Rdnr. 57. 109 BVerfGE 46, S. 268 (287); Brun-Otto Bryde, in: Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, begr. v. Ingo von Münch, hrsg. v. Philip Kunig, 5. Aufl., München 2000, Art. 14, Rdnr. 88; Bodo Pieroth / Bernhard Schlink, Grundrechte, 17. Aufl., Heidelberg 2001, Rdnr. 939.
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des Art. 14 Abs. 3 GG an. Dabei wird nicht verkannt, dass eine Enteignung gerade auf die Durchbrechung der Bestandsgarantie zielt. Die engen begrifflichen Voraussetzungen der Enteignung und das ebenso eng durchstrukturierte Rechtfertigungsprogramm des Art. 14 Abs. 3 GG sichern jedoch gerade eine größtmögliche Wahrung des Eigentumsbestandes. Liegt eine der Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 GG nicht vor, ist die betreffende Enteignung verfassungswidrig. Die Bestandsgarantie setzt sich also durch. Nur wenn allen Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 GG genügt ist, also insbesondere derjenigen der Entschädigungsregelung, kann der Gesetzgeber die Bestandsgarantie überwinden.
2. Rechtfertigungsprogramm für Inhalts- und Schrankenbestimmungen Der Gesetzgeber, der gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmt, sieht sich einem komplexen System verfassungsrechtlicher Vorgaben und Grenzen gegenüber, innerhalb dessen sich eine Regelung zu bewegen hat, die das Attribut „verfassungsgemäß“ verdient. Formal muss die betreffende Regelung ein „Gesetz“ im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sein. Damit ist ein Gesetz im materiellen Sinne gemeint, d. h. eine generell-abstrakte Regelung. Neben materiellen Parlamentsgesetzen genügen dem auch Rechtsverordnungen und Satzungen110. Diese „Gesetze“ müssen sich weiterhin auf eine Zuständigkeitsnorm stützen lassen und in dem vorgesehenen Verfahren sowie unter Einhaltung der maßgeblichen Formvorschriften zustande kommen. Das komplexe System materieller verfassungsrechtlicher Legitimationsvorgaben wird – auf dem Fundament aller Verfassungsnormen und der Institutsgarantie des Eigentums – zwischen zwei tragenden Säulen, dem Übermaßverbot111 und dem Gebot des Art. 14 Abs. 2 GG sichtbar112. Art. 14 Abs. 2 Satz 1 GG bestimmt, dass Eigentum verpflichte. In Satz 2 heißt es weiter, sein Gebrauch solle zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Terminologisch „firmiert“ dieses „Allgemeinwohldienen“ als 110 Hans D. Jarass, in: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, hrsg. v. Hans D. Jarass und Bodo Pieroth, 5. Aufl., München 2000, Art. 14, Rdnrn. 28 f. 111 Der Begriff „Übermaßverbot“ ist von Peter Lerche, Übermass und Verfassungsrecht – Zur Bindung des Gesetzgebers an die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit, 2. Aufl., Goldbach 1999, S. 21, geprägt worden; das Übermaßverbot (in seinen Elementen Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) richtet sich an den Gesetzgeber, wohingegen – zur besseren terminologischen Unterscheidbarkeit – der allgemeine Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (ebenfalls in seinen Elementen Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) an die gesetzesvollziehende Verwaltung adressiert ist; zur Bedeutung des Übermaßverbots für den Grundrechtsschutz siehe auch Rudolf Wendt, Der Garantiegehalt der Grundrechte und das Übermaßverbot – Zur maßstabsetzenden Kraft der Grundrechte in der Übermaßprüfung, AöR 104 (1979), S. 414 (448). 112 Rudolf Wendt, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 14, Rdnr. 59.
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„Sozialpflichtigkeit“ 113 oder „Sozialbindung“114 des Eigentums. Als Korrelat zum Privatnützigkeitspostulat des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG findet sich auch der Begriff115 „Sozialnützigkeitsgebot“116. Inhaltlich verpflichtet es den Gesetzgeber, bei inhalts- und schrankenbestimmenden Regelungen auch die Interessen des Gemeinwesens und diejenigen einzelner Nichteigentümer in Bezug auf das betroffene Eigentumsobjekt zu aktualisieren117. Die Institutsgarantie ist die absolute Grenze für den inhalts- und schrankenbestimmenden Gesetzgeber. Greift man auf das Bild des Pfirsichs zurück, geht es um dessen Kern. Er ist – verfassungsrechtlich gesprochen – unantastbar. Dringt der Gesetzgeber mit einer Regelung in diesen Kernbereich vor, beispielsweise durch Aufhebung des Privateigentums im bürgerlich-rechtlichen Sinn, ist die Regelung ohne weiteres verfassungswidrig. Der Kernbereich genießt eine nicht relativierbare Schutzintensität. In der Verfassungswirklichkeit wahren inhalts- und schrankenbestimmende Gesetze typischerweise diesen Kernbereich. Die folgende Untersuchung konzentriert sich daher auf das Übermaßverbot und das Sozialnützigkeitsgebot sowie auf deren besonderes Zusammenspiel, darf doch das Eigentum des einzelnen nicht übermäßig beschränkt werden und sein Gebrauch zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Aus diesen beiden Vorgaben ist unter Berücksichtigung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung und grundlegenden Arbeiten in der rechtswissenschaftliches Literatur118 ein anwendungsorientiertes, strukturiertes Programm zur Untersuchung von Inhalts- und Schrankenbestimmungen auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu entfalten. a) Durchformungsgrad des Verfassungsmäßigkeitsprogramms nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung und der herrschenden Literatur Das Bundesverfassungsgericht bildet – von Nuancierungen abgesehen – in ständiger Rechtsprechung einen letztlich vom Gedanken des Übermaßverbotes geprägten Obersatz für die Verfassungsmäßigkeitsprüfung von Inhalts- und Schranken113 Hans D. Jarass, in: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, hrsg. v. Hans D. Jarass und Bodo Pieroth, 5. Aufl., München 2000, Art. 14, Rdnr. 1. 114 Bodo Pieroth / Bernhard Schlink, Grundrechte, 17. Aufl., Heidelberg 2001, Rdnr. 929. 115 Diese drei Begriffe werden synonym verwendet. 116 Rudolf Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, Hamburg 1985, S. 294; Rudolf Wendt, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 14, Rdnr. 59. 117 Hans D. Jarass, in: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, hrsg. v. Hans D. Jarass und Bodo Pieroth, 5. Aufl., München 2000, Art. 14, Rdnr. 1; siehe auch Gerhard Roller, Enteignung, ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung und salvatorische Klauseln – Eine Bestandsaufnahme im Lichte der neuen Judikatur des BVerfG, NJW 2001, S. 1003 (1004). 118 Rudolf Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, Hamburg 1985, S. 344 ff.; Rudolf Wendt, Der Garantiegehalt der Grundrechte und das Übermaßverbot – Zur maßstabsetzenden Kraft der Grundrechte in der Übermaßprüfung, AöR 104 (1979), S. 414 ff.
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bestimmungen. So müsse der Gesetzgeber die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis bringen119. Dabei, so betont das Gericht, habe er sich im Einklang mit allen anderen Verfassungsnormen zu halten; insbesondere sei er an den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit120 und den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG121 gebunden122. Das Wohl der Allgemeinheit sei nicht nur Grund, sondern auch Grenze für die dem Eigentum aufzuerlegenden Belastungen, führt das Gericht regelmäßig aus. Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse dürften nicht weitergehen, als der Schutzzweck reiche, dem die Regelung diene123. Manche Eigentumsobjekte zeichneten sich dabei, so das Gericht weiter, durch eine gesteigerte Sozialbindung aus, die sich aus ihrer Situationsgebundenheit, beispielsweise der Lage und Beschaffenheit eines Grundstücks, ergeben könne124. Für Regelungen, die divergierende private Interessen zum Ausgleich bringen sollen, präzisierte das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zum Vermögensgesetz, dass eine einseitige Bevorzugung oder Benachteiligung der Interessen eines Betroffenen mit der verfassungsrechtlichen Vorstellung eines sozialgebundenen Privateigentums nicht in Einklang stehe125. In der rechtswissenschaftlichen Literatur wird dieses Obersatzgebäude unter dem Stichwort „Ausgleichsmodell“ zusammengefasst. Der Gesetzgeber müsse, so die zentrale These dieses Modells, in den inhalts- und schrankenbestimmenden Regelungen einen gerechten Ausgleich zwischen Privatnützigkeit (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) einerseits und Sozialpflichtigkeit (Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG) andererseits verwirklichen und dabei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach beiden Seiten entsprechen126. Solle beispielsweise in erster Linie die Sozialbindung bestimmter Eigen119 BVerfGE 100, S. 226 (240 f.); BVerfGE 87, S. 114 (138); BVerfGE 52, S. 1 (29); BVerfGE 37, S. 132 (140). 120 Das Bundesverfassungsgericht verwendet meistens den Begriff „Verhältnismäßigkeitsgrundsatz“, wenn es in der Terminologie dieser Arbeit das Übermaßverbot meint, siehe dazu auch Rudolf Wendt, Der Garantiegehalt der Grundrechte und das Übermaßverbot – Zur maßstabsetzenden Kraft der Grundrechte in der Übermaßprüfung, AöR 104 (1979), S. 414 (415). 121 Die verfassungsrechtlichen Vorgaben des allgemeinen Geleichheitssatzes sind im Sinne des hier vertretenen Konkurrenzverhältnisses zwischen Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG, siehe Teil 4, Kapitel D, in einem gesonderten Prüfungsansatz der betreffenden Eigentumsbeeinträchtigung zu untersuchen. 122 BVerfGE 100, S. 226 (240 f.); BVerfGE 87, S. 114 (138); BVerfGE 52, S. 1 (29); BVerfGE 37, S. 132 (140). 123 BVerfGE 100, S. 226 (240 f.). 124 BVerfGE 100, S. 226 (242); dazu ausführlich Thomas Schönfeld, Die Eigentumsgarantie und Nutzungsbeschränkungen des Grundeigentums, Sinzheim 1996, S. 23 ff. 125 BVerfG, Urteil vom 23. November 1999, Az. 1 BvF 1 / 94, NJW 2000, S. 413 (414). 126 Bodo Pieroth / Bernhard Schlink, Grundrechte, 17. Aufl., Heidelberg 2001, Rdnrn. 929, 932; Hans D. Jarass, in: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, hrsg. v. Hans D. Jarass und Bodo Pieroth, 5. Aufl., München 2000, Art. 14, Rdnr. 31; Friedrich Schoch, Die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, JurA 1989, S. 113 (119); Klaus Rennert, Eigentumsbindung und Enteignung nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, VBlBW
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tumsrechte konkretisiert werden, dürfe der Gesetzgeber dabei deren Privatnützigkeit nicht unverhältnismäßig verkürzen. Entsprechendes gelte im umgekehrten Fall. Vorgaben für die Umsetzung des Ausgleichsmodells seien zum einen Art und Umfang des sozialen Bezugs des betreffenden Eigentumsobjekts zum anderen dessen Bedeutung als Teil eines Freiheitsraums im vermögensrechtlichen Bereich für den einzelnen Eigentümer127. Gesetzgebungstechnisch können Befristungen, Übergangsregelungen, die Bestimmung eines finanziellen Ausgleichs128 oder Dispensvorschriften dazu dienen, Inhalts- und Schrankenbestimmungen dem Vorwurf der Verfassungswidrigkeit zu entziehen129. Entsprechendes kann eine verfassungskonforme Auslegung der inhalts- und schrankenbestimmenden Regelung leisten, sofern auch nur eine bestimmte Interpretation den Anforderungen des Ausgleichsmodells genügt130. Die Anwendung des Ausgleichsmodells im Einzelfall erhält zwar durch Kriterien wie „sozialer Bezug des Eigentumsobjekts“ und „dessen Bedeutung für den betroffenen Eigentümer“ ein wenig Struktur. Abgesehen davon verbleibt die Konstruktion, so ist kritisch anzumerken, aber auf einem hohen Abstraktionsniveau. Das Modell leidet unter einer erheblichen Anwendungsferne131. Die Lücke zwischen abstrakten Vorgaben und der Verarbeitung der Eigenheiten des konkreten Falls ist beachtlich. Geschlossen wird diese Lücke regelmäßig durch eine „bilanzierende Gesamtbetrachtung“, in die man sämtliche Positionen, Güter, Interessen, kurzum Argumente einstellt und – ohne weitere konkretisierende Leitlinien – abwiegt. Diesem Vorgehen mangelt es an Kriterien, welche die Abwägung materiell leiten und strukturieren könnten. Es fehlt ein „Mittelbau“ an Direktiven und Grenz1995, S. 41 (45 f., 48); Alexander von Brünneck, Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, Baden-Baden 1984, S. 396 ff., insbesondere S. 399 f., der die Konkretisierung der gesetzgeberischen Eingriffsmöglichkeiten in Abhängigkeit der Art und Bedeutung des Zugriffsobjekts für den Rechtsträger ausführt (geringe gesetzgeberische Eingriffsmöglichkeiten in das Eigentum an Güter, die die materiellen Lebensgrundlagen des Individuums darstellen, große gesetzgeberische Eingriffsmöglichkeiten in selbst genutztes Eigentum an Produktionsmitteln, sehr große gesetzgeberische Eingriffsmöglichkeiten in Bezug auf sonstiges Produktionsmitteleigentum). 127 Bodo Pieroth / Bernhard Schlink, Grundrechte, 17. Aufl., Heidelberg 2001, Rdnrn. 932 f.; Hans D. Jarass, in: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, hrsg. v. Hans D. Jarass und Bodo Pieroth, 5. Aufl., München 2000, Art. 14, Rdnr. 33. 128 Zu einem finanziellen Ausgleich kann es der Sache nach auch dadurch kommen, dass der Gesetzgeber dem Eigentümer einen Anspruch auf Übernahme des Eigentumsobjektes durch die öffentliche Hand und zwar zum Verkehrswert einräumt, dies ergänzte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich in BVerfGE 100, S. 226 (245 f.). 129 Bodo Pieroth / Bernhard Schlink, Grundrechte, 17. Aufl., Heidelberg 2001, Rdnrn. 934, 936; Hans-Jürgen Papier, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Theodor Maunz, Günter Dürig u. a., Bd. II, München Stand: Juli 2001, Art. 14, Rdnrn. 318, 336 ff.; Hans D. Jarass, in: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, hrsg. v. Hans D. Jarass und Bodo Pieroth, 5. Aufl., München 2000, Art. 14, Rdnr. 34. 130 BVerfGE 79, S. 292 (303 ff.); BVerfGE 81, S. 29 (31 f.); Bodo Pieroth / Bernhard Schlink, Grundrechte, 17. Aufl., Heidelberg 2001, Rdnrn. 929 ff. 131 Dies gibt ausdrücklich zu Alexander von Brünneck, Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, Baden-Baden 1984, S. 396 ff., insbesondere S. 400.
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linien, die dem Gesetzgeber verfassungsgemäße Standorte für seine Inhalts- und Schrankenbestimmung aufzeigen.
b) „Relationsorientierter“ Durchformungsgrad des Verfassungsmäßigkeitsprogramms Im Folgenden wird versucht, einen solchen Mittelbau an Direktiven und Grenzlinien zu entwickeln. Den Ausgangspunkt bildet dabei das Spannungsfeld zwischen dem vom Eigentümerinteresse geleiteten Übermaßverbot und dem allgemeinwohlorientierten Sozialpflichtgebot. Das verfassungsmäßige Ausmaß einer inhalts- und schrankenbestimmenden Regelung kann daher weder allein von einer inhaltlichen oder umfänglichen Verkürzung der Rechte des betroffenen Eigentümers (grundrechtsverkürzende Eingriffsfolge) bestimmt werden, noch bloß vom verfolgten Gemeinwohlzweck der Eigentumsbeeinträchtigung (Eingriffszweck) festgelegt werden132. Die Wechselwirkung oder die „wertende Relation“ von eigentumsverkürzender Eingriffsfolge und Eingriffszweck ist entscheidend. Prüfungstechnisch sind dabei alle Stationen des Übermaßverbotes zu durchlaufen, also diejenigen der Geeignetheit und Erforderlichkeit der inhalts- und schrankenbestimmenden Regelung im Hinblick auf den von ihr verfolgten Zweck und diejenige der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, also der eigentlichen und wertenden Güter- und Interessenabwägung. Standort für die geforderten Direktiven und Grenzlinien ist demzufolge diese eigentumsgrundrechtspezifische Abwägung133. Sie gibt typischerweise den materiellen Ausschlag für die Anerkennung oder Verneinung der Verfassungsmäßigkeit einer Inhalts- und Schrankenbestimmung. Diese wertende Güter- und Interessenabwägung bedarf der Durchformung. Diese Durchformung erfolgt erstens – zur Vorbereitung des Abwiegens der maßgebenden Güter und Interessen – im Hinblick auf das, was mit welchem Eigengewicht auf die „Legitimationswaage“134 zu legen ist. Zweitens erfolgt die Durchformung – des sich anschließenden, eigentlichen Abwiegens – im Hinblick darauf, welche Bedeutung den auf der Waage liegenden Gütern und Interessen gerade in ihrer konkreten Beziehung zueinander vor dem Hintergrund des eigentumsgrundrechtlichen Wertgefüges zukommt135. Zu leisten ist also die Durchformung dieser Güter- und Interessenrelation durch „entscheidungsdeterminierende“136 Direktiven und Grenzlinien. 132 Rudolf Wendt, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 14, Rdnrn. 89 ff. 133 Grundlegend Rudolf Wendt, Der Garantiegehalt der Grundrechte und das Übermaßverbot – Zur maßstabsetzenden Kraft der Grundrechte in der Übermaßprüfung, AöR 104 (1979), S. 414 (436 ff., 448 ff.). 134 Rudolf Wendt, Der Garantiegehalt der Grundrechte und das Übermaßverbot – Zur maßstabsetzenden Kraft der Grundrechte in der Übermaßprüfung, AöR 104 (1979), S. 414 (460). 135 Siehe in diesem Zusammenhang auch Reinhard Hendler, Raumordnungsziele und Eigentumsrecht, DVBl. 2001, S. 1233 (1240).
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Zur sorgfältigen Vorbereitung des Abwiegens der maßgeblichen Güter und Interessen sind folglich zum einen der konkret durch das Eingriffsmittel betroffene spezifische eigentumsgrundrechtliche Gewährleistungsgehalt und zum anderen der spezifische gesetzgeberische Gemeinwohlzweck auszumessen. Die Spezifität137 des konkret betroffenen Eigentumsobjektes und seines konkret betroffenen Gewährleistungsausschnittes ist erstens aus der individualschützenden Funktion der Eigentumsfreiheit zu gewinnen. Dabei ist zu ermitteln, welches Schutzobjekt in welcher Ausübungsmodalität des Eigentumsgrundrechts durch den Eingriff und dessen Nebeneffekte sowie Folgerisiken betroffen ist. Art und Funktion des konkret betroffenen Zuordnungsobjektes für den Rechtsträger sind dabei ebenso zu bestimmen wie Art und Funktion des konkret betroffenen Gewährleistungsausschnitts für diesen. So unterscheidet sich der Art nach zivilrechtliches Eigentum an beweglichen Sachen von demjenigen an Grund und Boden, beide wiederum unterscheiden sich von geistigem Eigentum. Im Hinblick auf den konkret betroffenen Gewährleistungsausschnitt ist beispielsweise die beeinträchtigte Nutzungsmöglichkeit in ihrer konkreten Bedeutung für den Rechtsträger zu erfassen. Zweitens speist sich die Spezifität des konkret betroffenen Eigentumsobjektes aus dessen sozialem Bezug und dessen sozialer Funktion im Sinne des Art. 14 Abs. 2 GG. Es geht um Abstufungen der Sozialpflichtigkeit des Eigentumsobjektes und zwar nach Art und Ausmaß dessen sozialer Verflochtenheit138. Sie ergeben sich aus der Bedeutung dieses Eigentumsobjektes für Nichteigentümer und für die Allgemeinheit. Ein Anhaltspunkt für den Grad dieser sozialen Verflochtenheit ist daher, in welchem Maß Dritte auf die Nutzung des betreffenden Eigentumsobjektes angewiesen sind139. Ein anderer Anhaltspunkt, der beispielsweise die Sozialpflichtigkeit von Eigentum an Grund und Boden abbildet, ist dessen Situationsgebundenheit140. Darin lässt sich auch die Einordnung eines Grundstücks in dessen situativen Kontext festhalten, beispielsweise als Teil eines Wasserschutzgebietes. Weiterhin ist die Spezifität des Eingriffszwecks auszumessen. Von Nuancen abgesehen, werden die Begriffe Eingriffszweck, -ziel, -interesse, Gemeinwohlzweck und öffentliches Interesse synonym gebraucht. Die Untersuchung erfordert dabei eine „Wertstandortbestimmung“ des gesetzgeberischen Eingriffsinteresses. So zeichnet sich ein Gut von Verfassungsrang durch eine höhere Legitimationskraft aus als ein allgemeines 136 Rudolf Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, Hamburg 1985, S. 351; Rudolf Wendt, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 14, Rdnr. 89. 137 Von der „Eigenart der Eigentumsrechte“ spricht Rudolf Wendt, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 14, Rdnr. 89. 138 Rudolf Wendt, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 14, Rdnr. 111. 139 Rudolf Wendt, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 14, Rdnr. 111. 140 Siehe auch BVerfGE 100, S. 226 (242), unter Vergleichshinweis auf diesen von der verwaltungs- und zivilgerichtlichen Rechtsprechung bislang verwendeten topos, BVerwGE 94, S. 1 (4) und BGHZ 105, S. 15 (18); Rudolf Wendt, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 14, Rdnr. 116.
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gesellschaftspolitisches Ziel141. Im Anschluss ist auszuloten, in welchem Ausmaß das öffentliche Interesse im konkreten Konfliktfall betroffen ist. Dabei hilft die hypothetische Überlegung, welche Einbuße das öffentliche Interesse bei Nichtverwirklichung des Eingriffs erlitte und welche funktionale Bedeutung gerade diesem Ausschnitt des öffentlichen Interesses zukommt, mit welchem Teil seines Gesamtgewichts es also bei Nichtverwirklichung des Eingriffs auf dem Spiel stünde. Das eigentliche Abwiegen ist nicht darauf gerichtet, den einzig optimalen, verfassungsmäßigen Standort für die nun auf die Waagschale gelegten Güter und Interessen zu finden und das Eingriffsmittel daran zu messen. Die Abwägung zielt vielmehr darauf festzustellen, ob die gesetzgeberische Regelung in Anbetracht der auf die Waagschale gelegten Güter und Interessen den Boden der Verfassungsmäßigkeit verlässt142. Das Gewicht der konkret ausgemessenen Eigentumsbeeinträchtigung und das Gewicht des konkret ausgemessenen, eingriffslegitimierenden öffentlichen Interesses, sind in Relation zueinander zu setzen und zu vergleichen. Die Durchführung der Abwägung zeichnet sich also durch ein relationsorientiertes Gewichten der sich gegenüberstehenden Güter und Interessen aus, durch das am Ende die Position der Waagschalen sichtbar wird. Beim Abwägen wird also das relative Gewicht, d. h. dasjenige Gewicht ermittelt, das den konkret ausgemessenen Gütern und Interessen im Verhältnis gerade zueinander nach den Umständen und Besonderheiten der jeweiligen Fallkonstellation zukommt. Diese Umstände und Besonderheiten bewirken, dass nicht pauschal auf den Wert oder das Gewicht des Eigentumsgrundrechts auf der einen Seite und auf den Wert und das Gewicht des öffentlichen Interesses auf der anderen Seite abgestellt werden darf. Abzustellen ist vielmehr auf das Ausmaß, in dem das grundrechtliche Schutzgut (durch die Verwirklichung des Eingriffs) und das eingriffslegitimierende öffentliche Interesse (im Falle der Nichtverwirklichung des Eingriffs) konkret betroffen sind sowie darauf, welches Gewicht und welche funktionale Bedeutung den konkret betroffenen „Sektoren“ dieser Güter gerade im Verhältnis zueinander zukommt143. Für das Ausmaß, in dem das eingriffslegitimierende öffentliche Interesse durch die Nichtverwirklichung des Eingriffs konkret betroffen wäre, ist auszuwerten, wie dringlich das öffentliche Interesse zu schützen ist und welche Nebeneffekte und Folgerisiken die Nichtverwirklichung des Eingriffs nach sich zieht. Entsprechendes gilt vice versa für das Ausmaß, in dem das grundrechtliche Schutzgut und sein Gewährleistungsausschnitt durch die Verwirklichung des Eingriffs konkret betroffen sind. 141 Rudolf Wendt, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 14, Rdnrn. 97 ff. 142 Rudolf Wendt, Der Garantiegehalt der Grundrechte und das Übermaßverbot – Zur maßstabsetzenden Kraft der Grundrechte in der Übermaßprüfung, AöR 104 (1979), S. 414 (457 f., 468), spricht sich insofern dafür aus, dass die Annahme eines Verfassungsverstoßes durch den Gesetzgeber in gewisser Weise evident sein müsse, das Verdikt der Verfassungswidrigkeit sei daher auf die Überschreitung äußerster (grundrechtlicher) Grenzen zu beschränken. 143 Rudolf Wendt, Der Garantiegehalt der Grundrechte und das Übermaßverbot – Zur maßstabsetzenden Kraft der Grundrechte in der Übermaßprüfung, AöR 104 (1979), S. 414 (462).
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Im Folgenden werden die das Abwiegen leitenden Gesichtspunkte skizziert. Diese strukturieren die Durchführung der Abwägung, also das Abwiegen selbst. Sie lassen Abwägungsprozess für Dritte transparent und nachvollziehbar werden. Erstens ist die grundrechtliche Schutzintensität als Kriterium für den vom Gesetzgeber (für die bewirkte Eigentumsbeeinträchtigung) geforderten Legitimationsaufwand zu bestimmen. Die Schutzintensität bemißt sich danach, ob der konkret betroffene Gewährleistungsausschnitt des konkret betroffenen Eigentumsobjektes von zentraler, mittlerer oder geringer Bedeutung für den Grundrechtsträger ist. Dienlich ist insofern das „Pfirsichmodell“ mit dem Kern-, Mittel- und Randbereich grundrechtlicher Gewährleistungen. Ist der konkret betroffene Gewährleistungsausschnitt für das spezifische Eigentumsobjekt Teil des Randbereichs, kann sich der Gesetzgeber mit einem geringeren Legitimationsaufwand begnügen als bei einer Betroffenheit des Mittelbereiches. Der Träger eines bloß in seinem Randbereich betroffenen Grundrechts muss dementsprechend eher Einschränkungen hinnehmen als ein im Mittelbereich Betroffener. Aus der spezifischen Eigenart einer individuellen, eigentumsgrundrechtlichen Gewährleistung nach Schutzgut und konkret betroffenem Gewährleistungsausschnitt ergibt sich somit eine Anforderung an den gesetzgeberischen Legitimationsaufwand bezogen auf die Eigentumsbeeinträchtigung. Sie kann graduell als gering, mittel oder groß eingestuft werden. Die Schutzintensität und mit ihr der gesetzgeberische Legitimationsaufwand variieren also in Abhängigkeit von der konkret betroffenen Gewährleistungsebene. Ist die Bestandsgarantie tangiert, trifft der Gesetzgeber auf die Gewährleistung eines besonders ausgeprägten Schutzes. Die Schutzintensität ist zwar relativierbar. Das Maß an Begründungsaufwand, welches zu erfüllen ist, um eine bestandsbeschränkende Inhalts- und Schrankenbestimmung verfassungsrechtlich zu rechtfertigen, ist aber sehr hoch, geht es doch um den Entzug oder Teilentzug eines Zuordnungsobjektes, auch wenn allein diese Güterentziehung im Rahmen der Eingriffsqualifizierung nicht als Enteignung einzuordnen war. Ist demgegenüber die Nutzungsgarantie betroffen, sieht sich der Gesetzgeber lediglich, aber immerhin dem Basis- oder Standardschutz verpflichtet. Diese Schutzintensität ist von Anfang an relativ. Das Maß an Legitimationsaufwand, welches zu erfüllen ist, um eine nutzungsbeschränkende Inhalts- und Schrankenbestimmung verfassungsrechtlich zu rechtfertigen, lässt dem Gesetzgeber einen weiten Spielraum bei der Gewichtung seiner Eingriffsziele in Relation zur eigentumsverkürzenden Eingriffsfolge. Allerdings löst nicht jede Nutzungsbeschränkung per se ein bloß geringes Maß an Schutzintensität aus. Belässt eine konkrete Nutzungsbeschränkung dem Eigentümer keine sinnvolle andere Nutzungsmöglichkeit für sein Eigentumsobjekt, nähert sich also seine Rechtsposition einer Lage, in der sie den Namen Eigentum nicht mehr verdient, dann ist die schutzumfänglich gewährleistete Nutzungsgarantie gegenüber den Eingriffszielen mit demselben Maß an Rechtfertigungs aufwand ausgestattet, wie die Bestandsgarantie144. Ausgangspunkt ist die Qualifizierung der konkret betroffenen Nutzungsmöglichkeit in einer Zusammenschau aller zu dem 144
BVerfGE 100, S. 226 (243).
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maßgebenden Zeitpunkt in Bezug auf die konkrete vermögenswerte Position bestehenden Nutzungsbefugnisse. Zweitens kann aus der Eigenart des Eingriffszwecks dessen von vornherein bestehende eingriffslegitimierende Kraft graduell als gering, mittel oder groß evaluiert werden. So rechtfertigt beispielsweise die Kontrolle wirtschaftlicher Machtkonzentration in einem Industriesektor ein Zurücktreten grundrechtlicher Gewährleistungen in einem höheren Maße als die Verfolgung allgemeiner gesellschaftspolitischer Vorstellungen145 wie die Förderung der Internetnutzung für Senioren. Drittens kann das Gewicht eines Gutes in Relation zu dem gegenüberstehenden Gut oder Interesse dadurch verstärkt werden, dass noch ein zweiter verfassungsmäßig anerkannter Wert zu seinen Gunsten in der Waagschale liegt146. So ergibt möglicherweise das Zusammenspiel von Eigentums- und Berufsfreiheit eine Verstärkung des Eigentumsschutzes, die einen größeren Bedarf an gesetzgeberischer Legitimation bedingt. Es kann aber auch ein Zusammenwirken mehrerer Gemeinwohlinteressen zu konstatieren sein, das die gesetzgeberische Legitimationskraft des Eingriffszwecks von vornherein erhöht. Viertens hängt das Gewicht des Eingriffszwecks in Relation zur eingriffsbedingten Grundrechtsverkürzung von einer Evaluierung des Eingriffsmittels in zwei Richtungen ab. Die eine Richtung meint das Maß, in welchem die verfolgten öffentlichen Interessen durch das Eingriffsmittel tatsächlich gefördert werden. Die andere Richtung ergibt sich aus dem Ausmaß, in welchem das Eingriffsmittel durch die Art seiner legistischen Ausgestaltung auf die grundrechtliche Gewährleistung Rücksicht nimmt und auf ihre Schonung bedacht ist. Die fünfte Entscheidungsdeterminante bildet der Maßstab der Sachgerechtigkeit. Sachgerechtigkeit bedeutet das besondere Abgestelltsein einer Regelung auf die sich im jeweiligen Eigentumsrecht artikulierenden und vom Schutz des Eigentumsgrundrechts erfassten Belange und Interessen und dessen Sachgesetzlichkeit überhaupt147. Letztlich geht es um Ausmaß und Qualität der inneren Beziehung zwischen der Schutzgutbeeinträchtigung und der von ihr zu lösenden, mit dem Eingriffsziel umrissenen Gemeinwohlaufgabe. Diese innere Beziehung lässt sich auch als „Näheverhältnis“ des grundrechtlichen Schutzgutes zu der verfolgten Gemeinwohlaufgabe beschreiben. Dabei ist als Spezifikum des grundrechtlich geschützten Eigentums die Individualfunktion und die Sozialfunktion des konkret betroffenen Eigentumsobjektes sowie deren Zusammenwirken zu beachten. Inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen, die gerade diese der Eigentumsgewährleistung innewohnende Sachgesetzlichkeit zu realisieren bezwecken, zeichnen sich durch ein relativ geringes Maß an Legitimationsbedürftigkeit aus. Je enger der Bezug des Eingriffszweckes zum betroffenen Eigentums145 Rudolf Wendt, Der Garantiegehalt der Grundrechte und das Übermaßverbot – Zur maßstabsetzenden Kraft der Grundrechte in der Übermaßprüfung, AöR 104 (1979), S. 414 (459). 146 Rudolf Wendt, Der Garantiegehalt der Grundrechte und das Übermaßverbot – Zur maßstabsetzenden Kraft der Grundrechte in der Übermaßprüfung, AöR 104 (1979), S. 414 (465). 147 Rudolf Wendt, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 14, Rdnr. 107; diesen Maßstab greift auch auf Hanno Kube, Eigentum an Naturgütern, Berlin 1999, S. 262 ff.
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objekt in seiner konkreten, individuellen und sozialen Funktion ist, desto größer ist also die Legitimationskraft des gesetzgeberischen Anliegens und desto geringer ist der Legitimationsaufwand des Gesetzgebers für die konkrete Eigentumsverkürzung. Je weniger „schutzgutspezifisch“ die mit der inhalts- und schrankenbestimmenden Regelung verfolgte Gemeinwohlaufgabe ist, desto höher ist der Begründungsaufwand des Gesetzgebers, will er den Anforderungen der Verfassung genügen. Dabei kann die mit dem Eingriff zu lösende Gemeinwohlaufgabe in einer Weise auf das konkret betroffene Eigentumsobjekt in dessen individualschützender Funktion bezogen sein, dass die Verwirklichung dieser Gemeinwohlaufgabe jedenfalls auch mittelbar dem Grundrechtsträger selbst zugute kommt. Die mit dem Eingriff zu lösende Gemeinwohlaufgabe kann das konkret betroffene Eigentumsobjekt in dessen sozialer Funktion aber auch solchermaßen in Bezug nehmen, dass die Realisierung dieser Gemeinwohlaufgabe eine Aktualisierung der besonderen Sozialpflichtigkeit des Eigentumsobjektes darstellt und gerade deshalb als sachgerecht qualifiziert werden muss. Wenn auf das „konkret betroffenen Eigentumsobjekt in dessen sozialer Funktion“ abgestellt wird, ist damit eine Abstufung der Sozialpflichtigkeit dieses Eigentumsobjektes nach der Art und dem Ausmaß seiner sozialen Verflochtenheit angesprochen148. Ein Anhaltspunkt für den Grad dieser Verflochtenheit ist, in welchem Maß Dritte auf die Nutzung des betreffenden Eigentumsobjektes angewiesen sind. Ein anderer Anhaltspunkt, der die Sozialgebundenheit von Eigentum an Grund und Boden abbildet, ist dessen Situationsgebundenheit. Beide Aspekte sind bereits bei den Vorarbeiten für die eigentliche Abwägung unter dem Prüfungspunkt „Spezifität des konkret betroffenen Schutzgutes“ ausgemessen worden. Hier geht es nun darum, den gesetzgeberischen Legitimationsaufwand für die Eigentumsbeschränkung zu evaluieren, der umso geringer ist, je mehr das betroffene Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug steht und der Gesetzgeber mit dem betreffenden Gemeinwohlanliegen gerade diesen Bezug zu verwirklichen bezweckt. Ist mit Hilfe dieser fünf Determinanten das eigentliche und wertende Abwiegen strukturiert und durchformt worden, kann für jede fallspezifische Relation von eigentumsverkürzender Eingriffsfolge und Eingriffszweck der Bereich der Verfassungsmäßigkeit von derjenigen der Verfassungswidrigkeit klar getrennt werden. c) Zusammenfassung Ausgangspunkt für eine Durchformung des Verfassungsmäßigkeitsprogramms einer Inhalts- und Schrankenbestimmung ist das Spannungsfeld zwischen dem vom Eigentümerinteresse geleiteten Übermaßverbot und dem allgemeinwohlorientierten Sozialpflichtgebot. Dieses Spannungsfeld ist in der Güter- und Interessenabwägung, der Angemessenheitsstation in der Übermaßprüfung, für jede Fallkonstellation gesondert auszumessen. Die Abwägung kann weder allein von einer 148 Rudolf Wendt, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 14, Rdnr. 111.
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inhaltlichen oder umfänglichen Verkürzung des betroffenen Schutzgutes (grundrechtsverkürzende Eingriffsfolge) bestimmt werden noch bloß vom Gemeinwohlzweck der Eigentumsbeeinträchtigung aus (Eingriffsziel) festgelegt werden. Das „Ausgleichsmodell“ der herrschenden Auffassung in Literatur und Rechtsprechung untersucht, ob der Gesetzgeber in der inhalts- und schrankenbestimmenden Regelung einen gerechten Ausgleich zwischen individuellen Eigentümerinteressen und der Sozialpflichtigkeit des Eigentumsobjekts realisiert und dabei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Die Anwendungsferne dieses Modells und der geringe Grad seiner dogmatischen Durchformung des eigentlichen Abwiegens wird durch die hier vertretene Konzeption einer „relationsorientierten“ Durchformung der Güter- und Interessenabwägung überwunden. In zwei vorbereitenden Schritten und anhand von fünf Entscheidungsdeterminanten wird das Abwiegen der Eigentümerinteressen mit denen, die der Gesetzeszweck abbildet, durchstrukturiert und geleitet. Vorbereitend ist die Spezifität des konkret betroffenen Eigentumsobjektes in seiner individualschützenden und sozialen Funktion sowie die Spezifität des Eingriffszweckes für den Einzelfall herauszuarbeiten. Abwägungsleitend gibt dann die Intensität des Eigentumsschutzes eine Vorgabe für das zu fordernde Maß an gesetzgeberischem Legitimationsaufwand. Mit Blick auf die Eigenart des gesetzgeberischen Eingriffszwecks kann dessen eingriffslegitimierende Kraft evaluiert werden. Auch das Eingriffsmittel ist zu bewerten. Dabei sind insbesondere die tatsächliche Zielförderung und im Hinblick auf eine möglichst weitgehende Eigentumsschonung die gesetzestechnische Ausgestaltung der Eingriffsregelung zu berücksichtigen. Der Maßstab der Sachgerechtigkeit bestimmt das spezifische Näheverhältnis zwischen beeinträchtigtem Schutzgut und dem mit der eingreifenden Regelung verfolgten Gemeinwohlzweck. Er liefert weitere Vorgaben für den vom Gesetzgeber zu fordernden Legitimationsaufwand.
3. Zusammenfassung Der Grundgedanke der Enteignung, nämlich die einfachgesetzliche Eigentumsordnung durch güterbeschaffenden Entzug eines Eigentumsrechts zu überwinden, prägt die Vorgaben für die Untersuchung einer staatlichen Maßnahme auf deren Verfassungsmäßigkeit hin. Die Enteignung ist ein Ausnahmetatbestand. Ihre Verfassungsmäßigkeit ist an das engmaschige Voraussetzungennetz des Art. 14 Abs. 3 GG und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geknüpft, durch die der Eigentumsbestand lediglich ausnahmsweise einer Wertwahrung durch Entschädigung zu weichen hat. Demgegenüber ist die Inhalts- und Schrankenbestimmung im Hinblick auf die Normgeprägtheit und Ausgestaltungsangewiesenheit des Eigentums das generelle Eingriffsinstrument des Gesetzgebers in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG. Das Übermaßverbot prägt das Programm für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit einer Inhalts- und Schrankenbestimmung maßgeblich. Die Schwierigkeiten in der Anwendung dieses, die Einschränkbarkeit des Eigentumsgrundrechts begrenzenden Verfassungssatzes, bestehen in den Begriffshülsen „Privatnützig-
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keit“ und „Sozialpflichtigkeit“ des Eigentums, denen der Gesetzgeber mit der von ihm vorgesehenen konkreten Regelung und deren Gemeinwohlzweck Inhalt geben muss. Durch die hier vertretene „relationsorientierte“ Durchformung der eigentlichen Güter- und Interessenabwägung kann dieses Manko überwunden werden.
IV. Zusammenfassung Das Schutzobjekt „Eigentum“ des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG ist die vom einfachen Recht zu einem bestimmten Zeitpunkt festgelegte Zuordnung einer vermögenswerten Position zu einem Rechtsträger. Dieses Schutzobjekt bedarf der Erzeugung und Ausgestaltung durch den Gesetzgeber, ist also normgeprägt und wandelbar. Schutzumfänglich lässt sich das Eigentumsgrundrechts in drei Gewährleistungsebenen einteilen, die Kernebene der Institutsgarantie, die mittlere Ebene der Bestandsgarantie und die äußere Ebene der Nutzungsgarantie. Funktion des „Verfassungseigentums“ ist die grundlegende Sicherung eines Freiraums für den Einzelnen im vermögensrechtlichen Bereich. Im Hinblick auf den Schutzumfang haben die Wertelemente der Institutsgarantie, Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand eine inhaltsvorgebende Bedeutung. Zwei wesentliche Eigentumsbeeinträchtigungen sind zu unterscheiden, die Enteignung einerseits und die Inhalts- und Schrankenbestimmung andererseits. Letztere ist als einheitliche Regelungsermächtigung an den Gesetzgeber zu verstehen. Der enge und strikt an formalen Kriterien orientierte Enteignungsbegriff des Bundesverfassungsgerichts erfasst – nach Maßgabe neuerer Präzisierungen – lediglich einen relativ schmalen Ausschnitt hoheitlicher Eigentumsbeeinträchtigungen: Eine Enteignung ist die rechtsaktförmige, vollständige oder teilweise Entziehung eigentumsgrundrechtlich gewährleisteter Positionen, mit denen güterbeschaffend ein konkretes, der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienendes Vorhaben durchgeführt werden soll. Konsequenz ist ein Rechtsinhaberwechsel. Eine Inhaltsund Schrankenbestimmung bildet demgegenüber jede generell-abstrakte Festlegung von Rechten und Pflichten durch den Gesetzgeber hinsichtlich solcher Rechtsgüter, die als Eigentum im Sinne des Grundgesetzes gelten, um ein abstrakt vorgegebenes, im öffentlichen Interesse stehendes Ziel zu verfolgen. Beide Eigentumsbeeinträchtigungen sind strikt voneinander zu trennen. Sie lösen ein jeweils unterschiedliches Prüfungsprogramm zur Beantwortung der Frage nach der Verfassungsmäßigkeit einer staatlichen Maßnahme aus. Materielle Kriterien zur Abgrenzung einer Inhalts- und Schrankenbestimmung von einer Enteignung sind abzulehnen. Mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist davon auszugehen, dass eine inhalts- und schrankenbestimmende Regelung in ihrer Intensität „enteignend“ wirken kann, ohne dass dies ihre Qualifizierung als Inhalts- und Schrankenbestimmung beeinflusst. Das Rechtfertigungsprogramm für eine Enteignung ist in Art. 14 Abs. 3 GG festgelegt. Demgegenüber muss eine Inhalts- und Schrankenbestimmung der Institutsgarantie des Eigentums, dem Übermaßverbot und dem Gebot der Sozialpflichtigkeit des Art. 14 Abs. 2 GG genügen. Das Über-
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maßverbot ist dabei die bedeutendste Limitierung des Gesetzgebers. Es sichert einen verfassungsmäßigen Standort für die durch den Gesetzgeber konkretisierte Relation zwischen Eigentumsschutz nach dem spezifischen Maß von Privatnützigkeit und Sozialpflichtigkeit des betroffenen Eigentumsobjektes und dem mit der Regelung verfolgten Allgemeinwohlzweck. Dazu bedarf es einer relationsorientierten Durchformung der Güter- und Interessenabwägung.
B. Vereinbarkeit des § 33 Abs. 1 TKG mit dem Grundrecht der Eigentumsfreiheit bezogen auf die Fallkonstellation „entbündelter Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung“ Grundlegende dogmatische Abhandlungen zur Eigentumsfreiheit befassen sich – soweit ersichtlich – bislang nicht mit einfachgesetzlichen Netzzugangsregelungen im Telekommunikationssektor. Von der Erörterung der Besonderheiten des Schutzgutes und des typischen Grundrechtsträgers abgesehen149, wird die Frage, welche Schicht des Schutzumfangs durch Netzzugangsnormen betroffen sein kann, nicht gestellt. Untersuchungen zu einfachgesetzlichen Netzzugangsregelungen streifen die Frage nach deren Verfassungsmäßigkeit meist nur150. Vereinzelt wird in der Literatur pauschal eine Enteignung durch telekommunikationsrechtliche Netzzugangsnormen angenommen151. Überwiegend werden Netzzugangsregelungen – oftmals ohne vertiefte Begründung – als Inhalts- und Schrankenbestimmung qualifiziert152. Dieser apodiktischen Qualifizierung folgen regelmäßig Überlegun149 Ulrich Hösch, Eigentum und Freiheit, Tübingen 2000, S. 44 f., unterscheidet eine nicht von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG geschützte positive Selbstnutzung von dem sehr wohl durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG geschützten Recht des Eigentümers, anderen Personen die Nutzung seines Eigentumsobjektes zu verbieten („Verbotstheorie“) und ordnet Zugangsregelungen zugunsten von Wettbewerbern der Monopolisten im Entmonopolisierungskontext wie § 33 TKG und § 35 TKG der letzten Katagorie zu. 150 Das trifft nicht zu auf Klaus Stern / Johannes Dietlein, Netzzugang im Telekommunikationsrecht – Zur verfassungsrechtlichen Problematik eines entbündelten Zugangs zu den Teilnehmeranschlussleitungen, Teil 1, Archiv PT 1998, S. 309 ff. und Teil 2, RTKom 1999, S. 2 ff., die allerdings auf der Ebene der Schutzbereichsbestimmung unter dem Stichwort „Verfügungsfreiheit des Eigentümers“, Archiv PT 1998, S. 309 (323, Überschrift aa), nur Ausführungen zur Institutsgarantie machen, und die Bestandsgarantie kurz erwähnen, Archiv PT 1998, S. 309 (323), um dann die telekommunikationsgesetzlichen Netzzugangsgewährungspflichten, die teils in § 35 TKG in Verbindung mit §§ 1 ff. NZV, Archiv PT 1998, S. 309 (322), teils in §§ 33 ff. TKG, Archiv PT 1998, S. 309 (323) gesehen werden, an sich als Grundrechtseingriff zu qualifizieren, Archiv PT 1998, S. 309 (323). 151 Wolfgang von Reinersdorff, Anmerkung zu BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 6 / 00, MMR 2001, S. 690 (691); Hans-Willi Hefekäuser, Erneuter Entgeltantrag für den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung, MMR 1998, Heft 11, S. X (XI). 152 Matthias Schmidt-Preuß, Die Gewährleistung des Privateigentums durch Art. 14 GG im Lichte aktueller Probleme, AG 1996, S. 1 (5 ff.); Ulrich Büdenbender, Durchleitungen in
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gen zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Netzzugangsnorm. Sie münden – zur Beantwortung der Frage der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne – in eine Gesamtabwägung zusammengetragener Sachargumente. Die vorliegende Arbeit will die durch einfachgesetzliche Auslegung aufbereitete und für die vorliegend zu untersuchende Fallkonstellation maßgebende Netzzugangsregelung des § 33 Abs. 1 TKG in die Dogmatik des Eigentumsgrundrechts einordnen und an dessen Vorgaben messen. Dabei liegt ein besonderes Augenmerk auf der dogmatischen Durchformung des eingriffsabhängigen Verfassungsmäßigkeitsprogramms.
der Elektrizitätswirtschaft und Eigentumsschutz, WuW 2000, S. 119 (120 f.); Christian Theobald / Ines Zenke, Der Zugang zu Strom- und Gasnetzen: Eine Rechtsprechungsübersicht, WuW 2001, S. 19 (25 f.); Hans-Jürgen Papier, Durchleitungen und Eigentum, BB 1997, S. 1213 (1214 ff., 1218 f.); Michael Fehling, Mitbenutzungsrechte Dritter bei Schienenwegen, Energieversorgungs- und Telekommunikationsleitungen vor dem Hintergrund staatlicher Infrastrukturverantwortung, AöR Bd. 121 (1996), S. 59 (90 ff.); Christian von Weizsäcker, Wettbewerb in Netzen, WuW 1997, S. 572 (576 ff.); Georg Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, Tübingen 1998, S. 375 ff., S. 477 ff.; Matthias Herdegen, „Access“ im Verfassungsrecht: Zugang zu Netzwerken und zu geistigen Ressourcen, in: Festschrift für Hartmut Maurer, München 2001, S. 137 (138 ff.); vgl. zur eigentumsgrundrechtskonformen Auslegung des § 103 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 GWB a. F. BGH, Beschluss vom 15. November 1994, Az. KVR 29 / 93, NJW 1995, S. 2718 (2723); in Bezug auf Zugang zu Telekommunikationsnetzen, siehe VG Köln, Urteile vom 5. November 1998, Az. 1 K 5943 / 97, 1 K 5929 / 97, 1 K 5942 / 97, RTkom 1999, S. 35 (39); OVG Münster, Urteil vom 7. Februar 2000, Az. 13 A 180 / 99, NVwZ 2000, S. 697 (701); BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 6 / 00, NVwZ 2001, S. 1399 (1407); Christian Koenig / Jens-Daniel Braun, Eigentumsschutz nach Art. 14 GG für durch staatliche Beihilfen Erworbenes?, NVwZ 1999, S. 1056 (1058 f.); Hubertus Gersdorf, Die dienende Funktion der Telekommunikationsfreiheiten: Zum Verhältnis von Telekommunikations- und Rundfunkordnung, AfP 1997, S. 424 (428); Peter N. Märkl, Netzzusammenschaltung, Baden-Baden 1998, S. 295 ff.; Martin Geppert / Fabian Schuster / Ernst-Olaf Ruhle, Handbuch Recht und Praxis der Telekommunikation, Baden-Baden 1998, Rdnrn. 354 ff.; Karl-Michael Fuhr / Bärbel Kerkhoff, Entbündelter Zugang – Vereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG?, MMR 1998, S. 6 (9 ff.); Christoph Engel / Günter Knieps, Die Vorschriften des Telekommunikationsgesetzes über den Zugang zu wesentlichen Einrichtungen, Baden-Baden 1998, S. 46; Ludwig Gramlich, Rechtsfragen bei Zusammenschaltungsvereinbarungen, CR 1997, S. 65 (71); Volkmar Götz, Der Netzzugang für Dritte als grundsätzliches rechtliches Problem, in: Netzzugang, hrsg. v. Jürgen Schwarze, Baden-Baden 1999, S. 129 (135 f.); Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 2 NZVAnh § 39, Rdnr. 1; Jürgen Schwarze, Der Netzzugang für Dritte im Wirtschaftsrecht, in: Netzzugang, hrsg. v. Jürgen Schwarze, Baden-Baden 1999, S. 11; in Bezug auf Zugang zum Breitbandkabelnetz, siehe Alexander Roßnagel / Caroline Hilger, Offener Zugang zum digitalisierten Kabel – Realität oder Zielvorstellung?, MMR 2002, S. 445 (447); aus ökonomischer Sicht, siehe Susanne Stürmer, Netzzugang und Eigentumsrechte, Baden-Baden 1997, S. 118 ff.
B. Vereinbarkeit des § 33 Abs. 1 TKG mit dem Grundrecht der Eigentumsfreiheit 251
I. Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG durch § 33 Abs. 1 TKG Erster Schritt für die Einordnung der Zugangsregelung des § 33 Abs. 1 TKG in die Gewährleistungsgehalte des Eigentumsgrundrechts ist die Untersuchung der Schutzbereichsbetroffenheit, und zwar in personaler und sachlicher Hinsicht. In einem zweiten Schritt folgt die Prüfung, ob die in § 33 Abs. 1 TKG auszumachende Eigentumsbeeinträchtigung als Inhalts- und Schrankenbestimmung gemäss Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG oder als Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG zu qualifizieren ist. Damit ist zugleich zum einen über die Aktualisierung einer eigentumsgrundrechtlichen Schranke zu befinden und zum anderen über das verfassungsrechtliche Prüfungsprogramm zu bestimmen, dem sich die Eigentumsbeeinträchtigung als Produkt des Gesetzgebers stellen muss.
1. Personaler Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG enthält keine Beschränkung auf einen besonderen Kreis Grundrechtsberechtigter. Alle natürlichen und, gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auch inländische juristische Personen des Privatrechts können Träger des Eigentumsgrundrechts sein. Eine besondere juristische Person des deutschen Privatrechts, nämlich die Deutsche Telekom AG, ist rechtstatsächlich auf den für Teilnehmeranschlussleitungen relevanten Zugangsmärkten der marktbeherrschende Anbieter und Netzbetreiber. Sie ist demzufolge aus § 33 Abs. 1 TKG in Verbindung mit § 35 Abs. 1 TKG anspruchsverpflichtet. Dass der Deutsche Telekom AG an sich grundrechtliche Gewährleistungsgehalte zugeordnet sein können, ist das Ergebnis der in Teil 4, Kapitel C. durchgeführten Untersuchung. Ob ihr gerade der eigentumsgrundrechtliche Schutz zusteht, ist im folgenden festzustellen. Das Schutzgut des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG, einfachgesetzlich strukturierte Zuordnungsverhältnisse zwischen einzelnen vermögenswerten Positionen und Rechtsträgern, setzt keine Besonderheiten voraus, die allein natürliche Personen aufweisen. Juristischen Personen des Privatrechts können inhaltlich und konstruktiv wie einzelnen Individuen vermögenswerte Positionen einfachgesetzlich zugeordnet werden. Die darin begründeten Befugnisse üben sie durch ihre Organe aus. Auch die Funktion des Eigentumsgrundrechts, die Sicherung der persönlichen wie wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit im vermögensrechtlichen Bereich, ist auf natürliche wie juristische Personen zugeschnitten. Auch besondere juristische Personen des Privatrecht, nämlich „vorübergehend“ gemischt-wirtschaftliche Unternehmen wie die Deutsche Telekom AG, benötigen einen geschützten vermögensrechtlichen Aktionsfreiraum, um wie vollständig privat gehaltene Unternehmen in der privaten wettbewerblichen Wirtschaft tätig sein zu können. Die vorübergehend noch vorhandene Beteiligung des Staates an der Deutsche Telekom AG wirkt sich, so wurde in Teil 4, Kapitel C deutlich, auf diese grundsätzliche Gleichordnung der
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Teil 5: Vorgaben des Grundgesetzes für den entbündelten Zugang
Deutsche Telekom AG mit vollständig privaten juristischen Personen des Privatrechts nicht aus. Der Deutsche Telekom AG ist demzufolge der Schutz der Eigentumsfreiheit eröffnet. Zu diesem Befund gelangen sowohl die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung153 als auch die rechtswissenschaftliche Literatur154. In summa ist der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG allen aus § 33 Abs. 1 TKG in Verbindung mit § 35 Abs. 1 TKG zur Gewährung besonderen Netzzugangs verpflichteten Unternehmen eröffnet, also allen marktbeherrschend diensteanbietenden Netzbetreibern einschließlich der Deutsche Telekom AG.
2. Sachlicher Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG Der sachliche Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG ist vorliegend eröffnet, wenn die Regelung des § 33 Abs. 1 TKG das Schutzgut „Eigentum“ in Hinblick auf einen von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG gewährleisteten Schutzumfang beschränkt. Im hier interessierenden Fall des besonderen Netzzugangs regelt § 33 Abs. 1 TKG die Zugangsermöglichung zum Leistungsgegenstand „Telekommunikationsfestnetz“ des Anspruchsverpflichteten. Vom Telekommunikationsfestnetz umfasst sind dessen Segmente, also Zugangsnetze und das Fernnetz, sowie einzelne Leitungsstrecken. Dazu zählen auch die einzelnen – entbündelten – Teilnehmeranschlussleitungen von unterschiedlichen Zugriffspunkten aus (Hauptverteiler, Kabelverzweiger, Abschlusspunkt der Linientechnik) netzabwärts bis zur Telefonanschlussdose. Dies ergab die einfachgesetzliche Auslegung des § 33 Abs. 1 TKG, siehe Teil 3 Kapitel C. II. 1. Im Hinblick auf das Schutzgut des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG, ein zu einem bestimmten Zeitpunkt einfachgesetzlich strukturiertes Zuordnungsverhältnis zwischen einer vermögenswerten Position und einem Rechtsträger, kommen daher für den Fall des entbündelten Zugangs zu einer Teilnehmeranschlussleitung drei Zuordnungsobjekte in Betracht: Das gesamte Telekommunikationsfestnetz, das betreffende Zugangsnetz sowie die kupferne Teilnehmeranschlussleitung selbst. Das gesamte Telekommunikationsfestnetz besteht gegenständlich im wesentlichen aus meist erdgebundenen Kupferdoppeladern und Glasfaserkabeln samt Zubehör (beispielsweise Kabelschächte), stationären Einrichtungen, die diese zusammenfassen (Kabelverzweiger), der daraufgesetzten Schalt-, Vermittlungs- und Übertragungstechnik nebst weiteren stationären Ein153 BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, S. Az. 6 C 6 / 00, NVwZ 2001, S. 1399 (1406); OVG Münster, Urteil vom 7. Februar 2000, Az. 13 A 180 / 99, NVwZ 2000, S. 697 (701); VG Köln, Urteile vom 5. November 1998, Az. 1 K 5943 / 97, 1 K 5929 / 97, 1 K 5942 / 97, RTkom 1999, S. 35 (39 f.). 154 Insbesondere Karl-Michael Fuhr / Bärbel Kerkhoff, Entbündelter Zugang – Vereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG?, MMR 1998, S. 6 (9); Klaus Stern / Johannes Dietlein, Netzzugang im Telekommunikationsrecht – Zur verfassungsrechtlichen Problematik eines entbündelten Zugangs zu den Teilnehmeranschlussleitungen, Teil 1, Archiv PT 1998, S. 309 (315 – 317, 322); Hermann-Josef Piepenbrock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 2 NZV Anh § 39, Rdnr. 1.
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richtungen für diese (Ortsvermittlungsstellen, Knotenstellen des Fernnetzes). Es handelt sich um ein in sich geschlossenes System zum Zwecke der Ermöglichung von Telekommunikation. Diese Gesamtheit von Kabeln, Zubehör, Technik und stationären Einrichtungen, die funktional durch den Zweck der Telekommunikation verbunden sind, bildet einen materiellen – in Geldeinheiten messbaren – Wert, ist also eine vermögenswerte Position. Weder das betreffende Zugangsnetz noch das begehrte einzelne Kupferkabel sind aus dieser funktionalen Einheit vermögenspositionell so zu isolieren, dass sie einem Rechtsträger unter Wahrung ihrer Funktion gesondert als Vermögenswert zugeordnet werden könnten. Das einzelne Zugangsnetz, in dem die begehrte Teilnehmeranschlussleitung liegt, erhält seinen spezifischen Wert und seine spezifische Funktion erst im Verbund mit den anderen Zugangsnetzen und dem Fernnetz. Diese besondere Funktion äußerst sich beispielsweise in der Zahl möglicher Kommunikationsverbindungen. Die einzelne, entbündelte Teilnehmeranschlussleitung ist – losgelöst von ihrer funktionalen Einbindung in das Gesamtfestnetz – nicht mehr als ein blankes Stück Kupferdraht. Ihre besondere Bedeutung für den Anspruchsverpflichteten des § 33 Abs. 1 TKG erlangt sie erst durch diese telekommunikationsfunktionale Einbindung in das gesamte Netz. Auch kann nicht jede einzelne Teilnehmeranschlussleitung isoliert betrachtet und gesondert als Vermögenswert zugeordnet werden. Die einzelne Teilnehmeranschlussleitung macht lediglich einen Teil des Gesamtgegenstandes Festnetz aus. Somit ist festzuhalten, dass mit Blick auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 33 Abs. 1 TKG maßgeblich auf das Gesamtfestnetz abzustellen ist. Als Rechtsträger, denen das maßgebliche Gesamtfestnetz einfachgesetzlich zugeordnet ist, kommen Netzbetreiber in Betracht, insbesondere die Deutsche Telekom AG. Diese steht daher im Folgenden im Fokus der Untersuchung. Sämtliche einfachgesetzlich bestehenden Rechte an dem gesamten bundesweiten Telekommunikationsfestnetz der Deutsche Bundespost sind zunächst dem Sondervermögen Deutsche Bundespost TELEKOM gemäß § 2 Abs. 1 PostVerfG zugewiesen worden. Im Zuge der Umwandlung der TELEKOM in eine Aktiengesellschaft erfolgte gemäß § 2 Abs. 1 Postumwandlungsgesetz mit dessen Inkrafttreten (am 1. Januar 1995) die Übertragung dieser Rechte auf die Deutsche Telekom AG155. Dieser 155 Ohne Begründung, insbesondere ohne Auseinandersetzung mit § 2 Abs. 1 Postumwandlungsgesetz, ist das Bundesverwaltungsverwaltungsgericht der Auffassung, die Deutsche Telekom AG habe „das Eigentum an ihren öffentlichen Telekommunikationsnetzen frühstens mit ihrem (ersten) Börsengang im November 1996 und der Aufhebung ihrer ausschließlichen Rechte aus § 1 Abs. 2 und Abs. 4 FAG erlangt“, BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 6 / 00, NVwZ 2001, S. 1399 (1407). In einem Börsengang kann aber kein Eigentumserwerbstatbestand in Bezug auf das Festnetz liegen. In dem ersten Börsengang verkaufte der bisherige Alleinaktionär, die Bundesrepublik Deutschland, vielmehr einen bestimmten Teil seiner Aktien an private Interessenten. Dadurch änderte sich die Eigentümerstruktur der Deutsche Telekom AG. Deren Eigentumsbestand bleib davon aber unberührt. Auch in der Aufhebung der Ausschließlichkeitsrechte aus § 1 Abs. 2 und Abs. 4 FAG ist kein Eigentumserwerbstatbestand zu sehen. Diese Entmonopolisierung bewirkt, dass andere Anbieter neben der Deutsche Telekom AG Sprachtelefondienst erbringen dürfen. Die Ausstattung der Eigentumsobjektes Festnetz mit Ausschließlichkeitsrechten endet.
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Teil 5: Vorgaben des Grundgesetzes für den entbündelten Zugang
Eigentumserwerb beruht zwar nicht auf einer eigenen wirtschaftlichen oder unternehmerischen Leistung der Deutsche Telekom AG. Dieser Umstand führt jedoch nicht zur Verneinung des grundrechtlichen Eigentumsschutzes. Das Eigentumsgrundrecht erstreckt sich einheitlich auf alle Rechtsträger, auf den privaten Sacheigentümer ebenso wie auf die Aktiengesellschaft und auf alle Zuordnungsobjekte. Irrelevant ist dabei, welcher Tatbestand die eigentumsrechtliche Zuordnung auslöste156, d. h. ob das Zuordnungsobjekt durch eigene Leistung des Rechtsträgers rechtsgeschäftlich erworben oder urheberrechtlich geschützt oder ihm durch einen Erbfall zugeordnet wurde157. Zu den einfachgesetzlich bestehenden Rechten am Festnetz der Deutsche Telekom AG zählt im wesentlichen das private Eigentum nach bürgerlichem Recht, § 95 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 903 Satz 1 BGB. Das bürgerliche Recht ordnet das überwiegend aus Kabellinien bestehende Festnetz insgesamt gemäß § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB als eine bewegliche Sache ein158. Denn Telekommunikationskabel sind überwiegend – und im Zugangsnetz fast ausschließlich – im Erdreich verlegt. Sie werden aber nicht wesentlicher Bestandteil des jeweiligen, von ihnen durchzogenen Grundstücks und damit der an diesem Grundstück bestehenden privaten Eigentumsrechte. Sie sind vielmehr gemäß § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB dessen Scheinbestandteil159. Dies hat zur Folge, dass die Gesamtheit der netzbildenden Telekommunikationskabel trotz ihrer Unbeweglichkeit wie eine bewegliche Sache nach dem bürgerlichen Recht einzuordnen sind. Entsprechendes gilt für die stationären Einrichtungen Kabelverzeiger, Ortsvermittlungsstellen und sonstige Knotenstellen160. In summa ist der durch § 33 Abs. 1 TKG betroffene 156 Klaus Stern / Johannes Dietlein, Netzzugang im Telekommunikationsrecht – Zur verfassungsrechtlichen Problematik eines entbündelten Zugangs zu den Teilnehmeranschlussleitungen, Teil 1, Archiv PT 1998, S. 309 (322); weitergehend Rudolf Wendt, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 14, Rdnrn. 86, 89, 92, der diesen Aspekt auch bei der Angemessenheitsprüfung unberücksichtigt lassen möchte. 157 Dass es zu diesem Eigentumserwerb nicht nur ohne eine eigene wirtschaftliche oder unternehmerische Leistung der Deutsche Telekom AG kam, sondern das flächendeckende Festnetz zu Staatsmonopolzeiten überwiegend aus Steuergeldern aufgebaut wurde, wird im Rahmen der Eingriffsrechtfertigung zu berücksichtigen sein. 158 Andernfalls würden die Telekommunikationskabel Teil des jeweiligen Grundstücks und wären dessen bürgerlich-rechtlichem Eigentümer zugeordnet. Die Rechte der Deutsche Telekom AG an dem Festnetz beschränkten sich dann auf die Fermeldeleitungsrechte zur telekommunikationsspezifischen Grundstücksnutzung. Auch diese Rechte verkörpern einen Vermögenswert und sind insofern ebenfalls von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG geschützt. 159 Die von § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB geforderte besondere Befugnis der Deutsche Bundespost war das Fernmeldeleitungsrecht zur Grundstücksnutzung. Es ergab sich aus § 1 Telegraphenwegegesetz für der öffentlichen Hand gehörender Grundstücke und aus § 10 Telegraphenwegegesetz für private Grundstücke. Auf dem Boden des Telekommunikationsgesetzes sind entsprechende Befugnisse in §§ 50 und 57 TKG für alle Lizenznehmer nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 TKG vorgesehen. 160 Diese Betrachtung gilt einheitlich in Bezug auf alle kabeldurchzogenen Grundstücke und unabhängig davon, wem wiederum das Grundeigentum an diesen zugeordnet ist, Helmut Heinrichs, in: Kommentar zum Bürgerliches Gesetzbuch, hrsg. v. Otto Palandt, 58. Aufl., München 1999, § 95 Rdnr. 6.
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Leistungsgegenstand aus der Schutzgutsicht des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG das bürgerlich-rechtliche Eigentum an dem wie eine bewegliche Sache behandelten Gesamtfestnetz der Deutsche Telekom AG. Dies gilt auch für den Fall des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung. Darüber hinaus ist dieses vom einfachen bürgerlichen Recht ausgeformte Privateigentum der Deutsche Telekom AG am Telekommunikationsfestnetz der maßgebende Gegenstand, den das Unternehmen auf allen Zugangs- und Endkundenmärkten produktiv einsetzt. Der von § 33 Abs. 1 TKG zugangsadressierte Leistungsgegenstand richtet sich gezielt und ausschließlich auf dieses Telekommunikationsnetz. Ein darüber hinausgehendes Schutzgut in Gestalt des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs erscheint daher daneben sachlich nicht betroffen. Bezogen auf den Schutzumfang ist zu untersuchen, in welche Gewährleistungsschicht des Eigentumsgrundrechts § 33 Abs. 1 TKG für den Fall des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung vordringt. Das hier als Schutzgut betroffene bürgerlich-rechtliche Sacheigentum am Gesamtfestnetz ist als absolutes, d. h. andere ausschließendes, Recht konzipiert. Damit einher geht ein umfangreicher Befugniskanon für den privaten Sacheigentümer. Dieser darf grundsätzlich über das Eigentumsobjekt verfügen, also seine Rechtsstellung daran an einen Dritten ganz oder teilweise übertragen, es verbrauchen oder selbst nutzen. Der Sacheigentümer kann es aber auch schlicht überhaupt nicht nutzen, also brach liegen lassen. Weiterhin ist er berechtigt, das Eigentumsobjekt Dritten zur Nutzung zu überlassen, es also zu vermieten oder dies nicht zu tun, eine entsprechende Anfrage also abzulehnen. Dabei darf er selbst bestimmen, wann er die Sache an wen zu welchen Bedingungen vermietet. All diese Gewährleistungen beschreiben die Nutzungsmöglichkeiten des Rechtsträgers, die in Bezug auf das Sacheigentum nach bürgerlichem Recht bestehen. Sie gehören zu der umfassenden Nutzungsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG. Bezogen auf die Nutzungsbefugnisse des Festnetzeigentümers umfasst diese Garantie also insbesondere dessen Recht, Zugangsinteressenten die Nutzung des Festnetzes zu verweigern. Konstruktiv-technisch darf er es ablehnen, Netzzugangsverträge mit diesen Interessenten auszuhandeln und abzuschließen. Ist der Festnetzeigentümer allerdings grundsätzlich bereit, Dritten die Nutzung seines Netzes zu ermöglichen, so berechtigt ihn seine Eigentümerstellung selbst darüber zu entscheiden, welchem Zugangsinteressenten er unter welchen Konditionen zu welchem Netzsegment Zugang ermöglichen möchte. Ist der Festnetzeigentümer Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen für Endkunden, kontrolliert er durch diese Nutzungsbefugnisse den Zugang zu den Endkundenmärkten. Er wird – gestützt auf seine Eigentümerstellung – vor allem nicht mit (potentiellen) Wettbewerbern auf Endkundenmärkten über Zugangsverträge zur Teilnehmeranschlussleitung, dem unmittelbaren Draht zum Kunden, verhandeln. In summa sind also die Nichtvermietung der Teilnehmeranschlussleitung an Wettbewerber und die Vermietung der Teilnehmeranschlussleitung zu Bedingungen, die der Netzeigentümer selbst bestimmt, von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Eigentumsnutzungen. Insofern betrifft der aus § 33 Abs. 1 TKG folgende Zugangs-
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ermöglichungsanspruch potentieller Wettbewerber des netzbetreibenden Netzeigentümers schutzumfänglich die Nutzungsgarantie des Eigentumsgrundrechts. Die Bestandsgarantie ist indes nicht berührt, wird doch durch den Zugangsanspruch des § 33 Abs. 1 TKG der Bestand des Netzeigentums in den Händen des Netzeigentümers unangetastet gelassen. Er ist weiterhin Vollrechtsinhaber. Ferner bleibt die Substanz des Eigentums am gesamten Festnetz unbeeinträchtigt von diesem Zugangsrecht potentieller Wettbewerber. Auch wenn für den Fall des entbündelten Zugriffs auf die Teilnehmeranschlussleitung am Hauptverteiler der konkrete einzelne Kupferdraht aus dem Zugangsnetz der Deutsche Telekom AG ausgegliedert und mit dem Netz des Wettbewerbers verbunden wird, liegt keine Substanzbeeinträchtigung vor. Das Ausgliedern erfolgt erst in Durchführung des Netzzugangsvertrags. § 33 Abs. 1 TKG erzeugt „nur“ einen privatrechtlichen Anspruch auf Abschluss eines solches Netzzugangsvertrages. Die Leitung als solche bleibt unversehrt und kann auch jederzeit wieder mit dem Zugangsnetz des anspruchsverpflichteten Netzeigentümers verbunden werden. Festzuhalten bleibt insgesamt also, dass der sachliche Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG vorliegend eröffnet ist.
3. Eigentumsbeeinträchtigung durch die Netzzugangsanspruchsnorm § 33 Abs. 1 TKG Ob eine gesetzliche Regelung an sich als Eigentumsbeeinträchtigung zu qualifizieren ist, wird – in Konsequenz der zeitbezogenen Schutzgutdefinition – durch einen Vergleich der einfach-gesetzlichen Rechts- und Befugnispositionen des Rechtsträgers in Bezug auf das Zuordnungsobjekt vor und nach Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung ermittelt (Eingriffsqualität). Ist eine Verkürzung der Rechtsoder Befugnisposition durch die neue gesetzliche Regelung auszumachen, liegt also eine schutzbereichsrelevante Eigentumsbeeinträchtigung vor, ist diese in einem zweiten Schritt als Inhalts- und Schrankenbestimmung oder als Enteignung zu qualifizieren (Eingriffsart).
a) Eingriffsqualität des § 33 Abs. 1 TKG Gemäß § 2 Abs. 1 Postumwandlungsgesetz erlangte die Deutsche Telekom AG mit dessen Inkrafttreten (am 1. Januar 1995) die Position des Vollrechtsinhabers nach bürgerlichem Recht in Bezug auf das einer beweglichen Sache gleichstehende Festnetz. Aus der Rechtsstellung des privaten Sacheigentümers fließt – wie vorstehend gezeigt – insbesondere das Recht, Zugangsinteressenten die Nutzung des Festnetzes nicht zu ermöglichen, also Netzzugangsverträge mit diesen Interessenten weder auszuhandeln noch abzuschließen. Ist der Festnetzeigentümer allerdings grundsätzlich willens, Dritten sein Netz zu öffnen, ist er ebenfalls aus seiner Eigentümerposition heraus berechtigt, selbst darüber zu entscheiden, welchem Zugangs-
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interessenten er unter welchen Bedingungen zu welchem Netzsegment Zugang ermöglichen möchte. Auf diesen eigentumsrechtlichen Istzustand trifft die Anspruchsnorm des § 33 Abs. 1 TKG. Für den Fall des Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung auferlegt sie dem marktbeherrschend diensteanbietenden Netzbetreiber die Verpflichtung, dem Anspruchsberechtigten ein Angebot auf Abschluss eines Netzzugangsvertrages mit einem bestimmten Mindestinhalt zu unterbreiten. Das Recht des anspruchsverpflichteten Festnetzeigentümers, Dritten sein Netz nicht zu öffnen, wird somit durch den in § 33 Abs. 1 TKG verkörperten neuen Rechtszustand eingeschränkt. Eine weitere Rechtsverkürzung erfolgt durch den zugunsten des Anspruchsberechtigten bestehenden Grundsatz nachfragegerechter Entbündelung. In Verbindung mit § 2 Satz 1 NZV muss der aus § 33 Abs. 1 TKG Anspruchsverpflichtete das Vertragsangebot nach den vom Anspruchsberechtigten bestimmten Leistungsumfang gestalten. Dem Anspruchsberechtigten ist damit gesetzlich die Gestaltungsmacht über den Umfang des Leistungsgegenstandes „Netz“ zugewiesen, zu dem ihm der Zugang zu ermöglichen ist. Der anspruchsverpflichtete Netzeigentümer kann damit nicht mehr selbst vollständig Gegenstand, Umfang und Konditionen bestimmen, zu denen er sein Netz öffnen möchte. Er muss diese Entscheidung in wesentlichen Teilen dem Anspruchsberechtigten überlassen. Hinzu kommt, dass anspruchsberechtigt ausschließlich Wettbewerber des Anspruchsverpflichteten sind. Demzufolge ist der anspruchsverpflichtete Netzeigentümer nicht bloß daran gehindert, sich seinen Vertragspartner selbst auszusuchen. Er muss darüber hinaus sogar gerade seinen Gegenspieler auf einem bestimmten Markt akzeptieren und überdies gerade diesem eine inhaltliche Gestaltungsmacht über den Netzzugangsvertrag zugestehen. Das Recht des anspruchsverpflichteten Festnetzeigentümers, selbst über seinen Vertragspartner und die Vertragsbedingungen zu entscheiden, wird somit durch den in § 33 Abs. 1 TKG erzeugten neuen Rechtszustand eingeschränkt. Intensiviert wird diese in § 33 Abs. 1 TKG geschaffene, privatrechtliche Verpflichtungslage durch die Möglichkeit der Regulierungsbehörde, sie bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen gemäß § 33 Abs. 2 TKG zum Gegenstand einer Missbrauchsverfügung zu machen. Festzuhalten ist daher insgesamt, dass die Netzzugangsregelung des § 33 Abs. 1 TKG Eingriffsqualität hat. Greift man – als Kontrollüberlegung – die Unterscheidung zwischen Inhaltsbestimmung und Schrankenziehung auf, ist der Frage nachzugehen, ob § 2 Abs. 1 Satz 1 Postumwandlungsgesetz das der Deutsche Telekom AG originär zugewiesene Eigentum am gesamten Festnetz inhaltlich vorprägte. Die Deutsche Telekom AG könnte möglicherweise das Eigentum am Festnetz bloß mit diesen ihm dann innewohnenden Inhalten des § 2 Abs. 1 Satz 1 Postumwandlungsgesetz erworben haben. Ein negatives Inhaltselement könnte die nicht ausschließliche und nicht vollumfängliche Nutzungsmöglichkeit der Teilnehmeranschlussleitungen sein. Konsequenterweise wäre dann § 33 Abs. 1 TKG lediglich noch eine Deklaration desjenigen Inhalts, den das Eigentum am Festnetz durch den Postumwandlungsgesetzgeber bereits erhalten hätte, ohne dass § 33 Abs. 1 TKG etwas Neues hinzufügte. Dann wäre § 33 Abs. 1 TKG als Inhaltsbestimmung ohne grundrechtliche 17 Kallmayer
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Teil 5: Vorgaben des Grundgesetzes für den entbündelten Zugang
Eingriffsqualität zu qualifizieren. Diesen Überlegungen ist nicht zu folgen. Selbst wenn man annähme, dass der Postumwandlungsgesetzgeber dem bürgerlich-rechtlichen Sacheigentum der Deutsche Telekom AG am Festnetz eine Vorprägung mitgegeben habe, so wäre diese doch allenfalls abstrakt. Erst eine konkrete Vorgeprägtheit könnte jedoch eine eigentumsrelevante Inhaltsbestimmung ausmachen. Die hier hypothetisch anzunehmende abstrakte Vorprägung ist dagegen vielmehr mit einer „charakterlichen Anlage“ zu vergleichen. Andersgewandt ordnetet das Postumwandlungsgesetz der Deutsche Telekom AG originär Eigentum am Festnetz allenfalls mit einer abstrakten Beschränkungsneigung zu. Indes standen mit Inkrafttreten dieses Gesetzes Zeitpunkt, Inhalt und Ausmaß einer dann konkreten Beschränkung, die diese „Anlage“ erst aktualisiert und ihr ein konkretes Gepräge für eine bestimmte Situation gibt, noch gar nicht fest. Zeitpunkt, Inhalt und Ausmaß einer konkreten Beschränkung des Netzeigentums hat erst der Telekommunikationsgesetzgeber im Juli 1996 mit § 33 Abs. 1 TKG bestimmt. In § 33 Abs. 1 TKG ist daher die maßgebliche Beschränkung und Beschwer im Hinblick auf die Eigentumsposition der Deutsche Telekom AG zu sehen. Diese Beschränkung ist qualitativ etwas anderes als die originäre Eigentumszuweisung durch den Postumwandlungsgesetzgeber. Somit führt auch die Kontrollüberlegung zu keinem anderen Ergebnis. § 33 Abs. 1 TKG ist als Eigentumsbeeinträchtigung und damit als Eingriff in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG zu qualifizieren.
b) Eingriffsart des § 33 Abs. 1 TKG: Inhalts- und Schrankenbestimmung oder Enteignung? Mit der Bejahung der grundrechtlichen Eingriffsqualität erhebt sich die Frage nach der Art des Eingriffs. Ist der in § 33 Abs. 1 TKG wurzelnde Zugangsermöglichungsanspruch als Enteignung im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG zu qualifizieren oder als eine einheitliche Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG? Mit dieser Qualifizierung ist zugleich über die Aktualisierung einer der beiden eigentumsgrundrechtlich legitimierten Schranken zu befinden. Den herausgearbeiteten Abgrenzungskriterien zufolge setzt eine Enteignung erstens voraus, dass in Form eines Rechtsaktes vollständig oder teilweise eine konkrete subjektive Position entzogen wird, die Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG gewährleistet. Zweitens hat dies güterbeschaffend mit dem Zweck zu erfolgen, durch die entzogene Position ein konkretes, der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienendes Vorhaben durchzuführen. Die vorhabenbezogene Güterbeschaffung zieht drittens regelmäßig einen Rechtsträgerwechsel nach sich. Mit dieser engen Enteignungsdefinition ist bereits die maßgebende Weichenstellung für die Subsumtion getroffen. Die vorstehend herausgearbeitete Verkürzung der Festnetzeigentümerbefugnisse dient erstens keinem konkreten Gemeinwohlprojekt. Mit der Verkürzung dieser Eigentümerbefugnisse verfolgt der Gesetzgeber vielmehr ein abstrakt-generelles Ziel, nämlich die Wettbewerbseröffnung auf Telekommunikationsmärkten und den Schutz der Interessen zugangsbegehrender Wettbewerber. Dieses Ziel hat weder
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Vorhabencharakter noch reicht es im Konkretheitsgrad an den als Orientierungspunkt dienenden Bau eines Autobahnabschnittes heran. Zweitens reduzieren die in § 33 Abs. 1 TKG wurzelnden Beschränkungen des Netzeigentümers bezüglich seiner eigenverantwortlichen Bestimmung über die Nutzung des Eigentumsobjektes (Auferlegung der Verpflichtung, einen Wettbewerber als Nutzungspetenten zu akzeptieren, mit diesem einen Netzzugangsvertrag abzuschließen und zwar zu einem von diesem in wesentlichen Teilen gestalteten Inhalt) den Umfang der aus der Sacheigentümerstellung entspringenden, prinzipiell umfassenden Verhaltensbefugnisse. Indes entzieht § 33 Abs. 1 TKG nicht den Zuordnungsgegenstand, das Festnetz selbst. Das Festnetz und dessen Segmente bleiben unverändert rechtsformal der Deutsche Telekom AG als zivilrechtliches Eigentum zugeordnet. Selbst wenn man hypothetisch in den aufgeführten Nutzungsbeschränkungen einen Teilentzug von Befugnispositionen des Festnetzeigentümers sehen wollte, so erfolgt doch durch § 33 Abs. 1 TKG nicht deren Übertragung auf einen anderen Rechtsträger. Als Begünstigte einer Eigentumsbeeinträchtigung kommen allein die aus § 33 Abs. 1 TKG anspruchsberechtigten Wettbewerber in Betracht. Allerdings werden diesen durch § 33 Abs. 1 TKG nicht die dem Eigentümer verkürzten Nutzungsbefugnisse am Festnetz übertragen, insbesondere nicht im Hinblick auf die Teilnehmeranschlussleitung. Ein echter Rechtsinhaberwechsel vollzieht sich somit nicht. Den Wettbewerbern wird lediglich ein Anspruch auf Abschluss eines Netzzugangsvertrages mit einem bestimmten Mindestinhalt gewährt. Auch dessen Durchführung eröffnet den Anspruchsberechtigten bloß die tatsächliche Nutzung des Netzes für die Dauer des Vertrages. Zusätzlich mag man in § 33 Abs. 1 TKG die Neuordnung des Rechtsgebiets der Telekommunikation sehen. Für die Zukunft wird das Eigentum aller marktbeherrschend diensteanbietenden Netzbetreiber am Telekommunikationsnetz mit der Beschränkung von privatrechtlichen Zugangsansprüchen belegt. Eine Rechtsverkürzung bezogen auf Altrechte, wie diejenigen, die der Deutsche Telekom AG durch § 2 Abs. 1 Postumwandlungsgesetz eingeräumt wurden, ist dann allerdings als bloße Nebenfolge der insgesamt inhalts- und schrankenbestimmenden Regelung anzusehen.
c) Zwischenergebnis Der Vergleich der einfach-gesetzlichen Rechts- und Befugnisposition des Festnetzeigentümers vor und nach Inkrafttreten des § 33 Abs. 1 TKG ergibt drei eingriffskonstituierende Rechtsverkürzungen: Beschränkung des Rechts, Dritten Zugang zum Netz zu verweigern, ferner Beschränkung der Befugnis, über Inhalt und Bedingungen des Zugangs selbst zu bestimmen sowie Beschränkung des Rechts, sich seinen Vertragspartner auszusuchen. Zudem ist eine Intensivierung dieser Rechtsverkürzungen durch die Ermächtigungsgrundlage des § 33 Abs. 2 TKG für die Regulierungsbehörde auszumachen. Insgesamt ist daher die Eingriffsqualität des § 33 Abs. 1 TKG festzuhalten. § 33 Abs. 1 TKG ist mangels Entzugs einer von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG geschützten Rechtsposition, die konsequenter17*
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weise auch auf keinen neuen Rechtsinhaber übertragen wird, und mangels der Verfolgung eines konkreten Gemeinwohlvorhabens nicht als Enteignung zu qualifizieren. § 33 Abs. 1 TKG beinhaltet eine generell-abstrakte Festlegung der Verhaltensbefugnisse, die (nur noch) aus der Sacheigentümerstellung des Festnetzeigentümers im Hinblick auf die Netzöffnung für dessen Wettbewerber fließen. § 33 Abs. 1 TKG ist somit als inhalts- und schrankenbestimmende Regelung zu qualifizieren. 4. Zusammenfassung Der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz. 1 1. Alt. GG ist durch die gesetzliche Regelung des Zugangsermöglichungsanspruchs des § 33 Abs. 1 TKG personal und sachlich betroffen, und zwar auch für den Fall des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung. § 33 Abs. 1 TKG stellt eine inhalts- und schrankenbestimmende Regelung, insbesondere des zivilrechtlichen Eigentums der Deutsche Telekom AG am gesamten Telekommunikationsfestnetz dar.
II. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der inhalts- und schrankenbestimmenden Regelung des § 33 Abs. 1 TKG unter besonderer Berücksichtigung des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung Bedenken im Hinblick auf die formale Verfassungsmäßigkeit des § 33 Abs. 1 TKG bestehen nicht. Anzeichen für ein Missachten der Kompetenzordnung, der Regeln des Gesetzgebungsverfahrens und der Formvorschriften sind nicht ersichtlich. Wie Kapitel A. III. 2. zeigt, werden die materiellen verfassungsrechtlichen Vorgaben und Grenzen einer inhalts- und schrankenbestimmenden Regelung maßgeblich aus der Institutsgarantie des Eigentums und den aufeinanderbezogenen Prinzipien des Übermaßverbotes in allen seinen Elementen sowie dem Sozialpflichtgebot aus Art. 14 Abs. 2 GG gebildet. Die absolute Grenze der Institutsgarantie ist durch § 33 Abs. 1 TKG nicht tangiert. Der Netzzugangsermöglichungsanspruch stellt die Prinzipien der Privatnützigkeit und grundsätzlichen Verfügbarkeit des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs nicht in Frage. § 33 Abs. 1 TKG setzt sie vielmehr in Gestalt des zivilrechtlichen Sacheigentums am Festnetz voraus. Die nachfolgende Untersuchung ist daher auf die Prüfung des Übermaßverbotes fokussiert, dessen Bezogenheit auf das Sozialpflichtgebot im Rahmen Angemessenheitsprüfung zum Tragen kommt.
B. Vereinbarkeit des § 33 Abs. 1 TKG mit dem Grundrecht der Eigentumsfreiheit 261
1. Überblick: Relationsorientiert durchformte Anwendung des Übermaßverbotes In Kapitel A. III. 2. b) ist abstrakt das Übermaßverbot, insbesondere dessen Angemessenheitsstation in einer relationsorientierten Weise durchformt worden. Dabei steht eine Strukturierung der eigentlichen Güter- und Interessenabwägung im Zentrum des Interesses. „Relationsorientiert“ meint hier das schutzgutspezifische Aufeinanderbezogensein von eingriffsverkürzten Eigentümerinteressen und dem gesetzgeberisch verfolgten Eingriffszweck in der konkreten Fallkonstellation. In der Schutzgutspezifität des konkreten Eigentumsobjektes findet die Gegenläufigkeit der Individual- und der Sozialfunktion des Verfassungseigentums Niederschlag. Die Verfassungsmäßigkeit einer Inhalts- und Schrankenbestimmung kann daher weder allein von einer Verkürzung der grundrechtlichen Gewährleistung bestimmt werden noch allein vom Zweck der Eigentumsbeeinträchtigung abhängen. Die Verfassungsmäßigkeit einer Inhalts- und Schrankenbestimmung ergibt sich letztlich aus der zu entfaltenden Relation von eigentumsverkürzender Eingriffsfolge und dem spezifischen Eingriffszweck. Im Folgenden werden zunächst jedoch diejenigen Stationen des Übermaßverbotes durchlaufen, die erst zur Angemessenheitsprüfung und damit zur wertenden Güter- und Interessenabwägung führen.
2. Zweck der Netzzugangsanspruchsnorm § 33 Abs. 1 TKG Erstes Element der Übermaßprüfung ist die Bestimmung des Eingriffszieles. Es gilt zu ermitteln, welchen Zweck oder welche Zwecke der Gesetzgeber mit dem Einsatz des Eingriffsmittels § 33 Abs. 1 TKG verfolgt. Das Telekommunikationsgesetz formuliert eingangs in § 1 TKG zusammen mit § 2 Abs. 2 TKG die ganze Bandbreite von Gesetzeszielen. Trotz der im Singular formulierten amtlichen Überschrift zu § 1 TKG „Zweck des Gesetzes“ verfolgt der Telekommunikationsgesetzgeber viele unterschiedliche Gesetzesziele. So sind allein in § 1 TKG die drei verschiedenen Ziele: Förderung von Wettbewerb, Gewährleistung flächendeckend angemessener und ausreichender Dienstleistungen sowie Festlegung einer Frequenzordnung genannt. Diese drei Ziele stehen zwar als § 1 TGK an der Spitze des Gesetzes. § 2 Abs. 2 TKG bestimmt jedoch diejenigen Gesetzesziele näher, die durch Regulierungsmaßnahmen umzusetzen sind161, näher. Auf diese Weise konkretisiert § 2 Abs. 2 TKG die in § 1 TKG niedergelegten Gesetzesziele, ergänzt sie aber auch eigenständig. Als Instrument zur Regulierung der privatisierten und entmonopolisierten Telekommunikationsmärkte zählt die Netzzugangsnorm des § 33 Abs. 1 TKG zu solchen Maßnahmen der Regulierung. § 1 TKG, konkretisiert durch und ergänzt um § 2 Abs. 2 TKG – bieten somit die maßgebenden Anknüpfungspunkte für die Bestimmung des Eingriffszieles. 161 Fabian Schuster, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 2 Rdnr. 3.
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Teil 5: Vorgaben des Grundgesetzes für den entbündelten Zugang
a) Wettbewerbseröffnung In der Begründung zum Entwurf eines Telekommunikationsgesetzes seitens der Fraktionen CDU / CSU und F.D.P. vom 30. Januar 1996 heißt es, ein wesentliches Ziel dieses Gesetzes sei, „die staatlichen Rahmenbedingungen in der Telekommunikation so zu gestalten, dass chancengleicher Wettbewerb durch die neu hinzutretenden Anbieter ermöglicht wird, sowie durch regulierende Eingriffe in das Marktverhalten beherrschender Unternehmen einen funktionsfähigen Wettbewerb zu fördern“162. § 1 TKG normiert insbesondere das Ziel, „durch Regulierung im Bereich der Telekommunikation den Wettbewerb zu fördern“. In § 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG wird die Wettbewerbsfähigkeit der Telekommunikationsmärkte erneut aufgegriffen. Ein chancengleicher und funktionsfähiger Wettbewerb, auch in der Fläche, soll sichergestellt werden. In dieser Zielkonkretisierung dokumentiert der Gesetzgeber die Wichtigkeit, die er der Förderung des Wettbewerbs beimisst. Voraussetzung für die Wettbewerbsförderung und -sicherstellung ist allerdings, dass funktionsfähiger Wettbewerb überhaupt vorhanden ist. Von dieser Prämisse kann die Rechtsetzung im allgemeinen Wettbewerbs- und Kartellrecht ausgehen. Der Telekommunikationsgesetzgeber war demgegenüber im Anschluss an die Maßnahmen zur Entmonopolisierung mit der Tatsache konfrontiert, dass die Deutsche Telekom AG einen Anteil von nahezu 100 % auf allen Zugangs- und Endkundenmärkten für Telekommunikationsdienste hatte. Einen funktionsfähigen Wettbewerb konnte der Gesetzgeber also gerade nicht unterstellen163. Vielmehr musste das Telekommunikationsgesetz sozusagen als „Vorziel“ der Wettbewerbsförderung die Eröffnung des Wettbewerbs verfolgen. Diese besondere Facette der Wettbewerbsförderung intendiert § 33 Abs. 1 TKG. Der Netzzugangsanspruch dient also der Wettbewerbseröffnung auf den Märken für Telekommunikationsdienste. Dieses Ziel ist in zweifacher Hinsicht zu präzisieren. Erstens meint Wettbewerb Anbieterpluralität auf einem relevanten Produktmarkt. Zu entwickeln ist eine Anbieterpluralität, wenn der relevante Markt zuvor ausschließlich einem Anbieter rechtlich und tatsächlich zugänglich war. Rechtlich allgemein zugänglich sind alle Märkte für Telekommunikationsdienstleistungen spätestens seit der Aufhebung des Sprachtelefondienstmonopols als letzte Entmonopolisierungsmaßnahme zum 1. Januar 1998. Tatsächlich für neue Anbieter zugänglich sind diese Märkte aber damit nicht geworden. Die Marktstellung der Deutsche Telekom AG von BT-Drucks. 13 / 3609 vom 30. Januar 1996, S. 1 (34). In der Begründung zum Entwurfes eines Telekommunikationsgesetzes seitens der Fraktionen CDU / CSU und F.D.P. vom 30. Januar 1996 heisst es dazu: „Um letzteres Ziel (sic. Wettbewerbsförderung) zu erreichen, sind sektorspezifische Regelungen als Ergänzung zum allgemeinen Wettbewerbsrecht erforderlich. Die bestehenden wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die grundsätzlich die Existenz eines funktionsfähigen Wettbewerbs unterstellen und verhaltenskontrollierende Eingriffe und Vorgaben nur bei Vorliegen von Missbräuchen marktbeherrschender Unternehmen vorsehen, sind für die Umwandlung eines traditionell monopolistisch geprägten Marktes unzureichend“, BT-Drucks. 13 / 3609 vom 30. Januar 1996, S. 1 (34). 162 163
B. Vereinbarkeit des § 33 Abs. 1 TKG mit dem Grundrecht der Eigentumsfreiheit 263
nahezu 100 % auf allen Zugangs- und Endkundenmärkten stand dem tatsächlichen Marktzutritt neuer Anbieter entgegen. Mehr noch stand dem Zutritt neuer Anbieter die hohe Marktzutrittsbarriere des bundesweiten Festnetzes der Deutsche Telekom AG, insbesondere im Teilnehmeranschlussbereich, entgegen. Zutritt zu Endkundenmärkten setzt nämlich den Zugang zu einer Telekommunikationsinfrastruktur voraus, entweder durch Aufbau eigener Netze oder durch Nutzung des existenten Netzes des Deutsche Telekom AG. Wie die ökonomische Betrachtung in Teil 2, Kapitel B. II. zeigt, sind die Kosten für den Aufbau von Telekommunikationsnetzen irreversibel. Insbesondere im hoch investitionsintensiven Teilnehmeranschlussbereich – rund 70 % der Aufbaukosten entfallen auf diesen – ist es grundsätzlich nicht wirtschaftlich sinnvoll, Parallelnetze zum Netz der Deutsche Telekom AG aufzubauen. Mit der Schaffung eines Anspruchs auf Zugang zu allen Segmenten des Netzes der zugangsmarktbeherrschenden Deutsche Telekom AG bezweckt der Gesetzgeber daher über die rechtliche hinaus auch die tatsächliche Wettbewerbseröffnung. Zweitens geht es um die tatsächliche Eröffnung von Wettbewerb auf Endkundenmärkten für Telekommunikationsdienste. Von der Wettbewerbseröffnung profitieren soll letztlich der Verbraucher. Mit ihm wird das Massengeschäft abgewickelt. Er soll aktiver Teil der Informationsgesellschaft sein. Ihm sollen verbilligte Tarife für Telekommunikationsdienste durch Abbau der Monopolgewinne der Deutsche Telekom AG zugute kommen. In summa ist der Gesetzeszweck des § 33 Abs. 1 TKG in der tatsächlichen Eröffnung von Wettbewerb auf Endkundenmärkten für Telekommunikationsdienste zu sehen. Dieses Ergebnis wird durch einen Blick in die maßgebenden verfassungs- und gemeinschaftsrechtlichen Normen bestätigt. Aus dem Wortlaut des Art. 87 Buchstabe f Abs. 2 Satz 1 GG, Dienstleistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation werden als privatwirtschaftliche Tätigkeiten durch die Deutsche Telekom AG „und andere private Anbieter erbracht“, folgt, dass nicht allein das Nachfolgeunternehmen des Staatsmonopolisten, sondern auch andere private Anbieter Telekommunikationsdienste erbringen sollen. Die Verfassung selbst schreibt damit das Anbieten von Telekommunikationsdienstleistungen im Wettbewerb vor. Offeriert mehr als ein Unternehmen Kunden austauschbare Produkte auf einem relevanten Markt, besteht Konkurrenz. Daraus leitet sich das verfassungsrechtliche Gebot eines offenen und fairen Wettbewerbs ab164. Es besteht darin, die rechtliche und faktische Chancengleichstellung der privaten Anbieter mit den Nachfolgeunternehmen anzustreben. Die rechtliche Chancengleichstellung wurde mit der vollständigen Aufhebung der Ausschließlichkeitsrechte realisiert. Die faktische Chancengleichstellung ist wegen der fortbestehenden Marktmacht der Deutsche Telekom AG allerdings nicht automatische Konsequenz der rechtlichen. Daher gebietet Art. 87 Buchstabe f Abs. 2 Satz 1 GG weitergehende gesetzgeberische Maßnahmen zur Förderung und Sicherung des Wettbewerbs165 sowie zu dessen Eröffnung 164 Kay Windthorst, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 87 f., Rdnr. 25.
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Teil 5: Vorgaben des Grundgesetzes für den entbündelten Zugang
an sich. Der Zweck des Regulierungsinstrumentes § 33 Abs. 1 TKG ist somit verfassungsrechtlich geboten und damit selbstredend verfassungslegitim. Die von § 33 Abs. 1 TKG bezweckte Wettbewerbseröffnung, insbesondere auf den Endkundenmärkten für Telekommunikationsdienste ist überdies gemeinschaftsrechtlich vorgegeben. Wie Teil 1, Kapitel B. II. 1. zeigt, war bereits das „Grünbuch über die Entwicklung des Gemeinsamen Marktes für Telekommunikationsdienstleistungen und Telekommunikationsendgeräte“ 166 von dem – allerdings rechtlich unverbindlichen – Gebot durchzogen, einen fairen und chancengleichen Wettbewerb auf dem Gebiet der Telekommunikation durch Gemeinschaftsrechtssetzung zu verfolgen. Die Dienste-Richtlinie 90 / 388 / EWG („Richtlinie über den Wettbewerb auf dem Markt der Telekommunikation“) und die Full-Competition-Richtlinie 96 / 19 / EWG erhoben dieses Gebot zum gemeinschaftssekundärrechtlichen Ziel167. Die Namen beider Richtlinien sind bereits Programm. Stand in diesen Entmonopolisierungsrichtlinien die sukzessive rechtliche Gleichstellung der vormaligen Staatsmonopolisten mit privaten Anbietern im Vordergrund, so zielten die Harmonisierungsrichtlinien auf deren faktische Gleichstellung. Insbesondere Art. 4 Abs. 2 Zusammenschaltungs-Richtlinie 97 / 33 / EG und Art. 16 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 98 / 10 / EG enthalten mit dem Ziel der tatsächlichen Wettbewerbseröffnung Vorgaben für Netzzugänge.
b) Wahrung von Wettbewerberinteressen § 2 Abs. 2 Nr. 1 TKG normiert ein weiteres Ziel des Telekommunikationsgesetzes, das durch Regulierungsmaßnahmen umzusetzen ist. Es lenkt den Blick von der Wettbewerbseröffnung auf die Nutzer des Telekommunikationsnetzes. Ihre Interessen auf dem Gebiet der Telekommunikation sollen gewahrt werden. Nutzer sind nach der Begriffsbestimmung in § 3 Nr. 11 TKG alle Nachfrager von Telekommunikationsdienstleistungen. Damit sind zum einen private Endkunden gemeint. Zum anderen Das sind von dieser Begriffsbestimmung aber auch Telekommunikationsunternehmen erfasst, die auf Endkundenmärkten Telekommunikationsdienstleistungen anbieten (möchten). Ihre Interessen sind zu wahren, wenn sie auf Zugangsmärkten Vorleistungen des marktbeherrschenden Unternehmens nachfragen müssen, um ihrerseits auf Endkundenmärkten Dienstleistungen anbieten zu können. Bedeutende Vorleistung ist beispielsweise der Zugang zum Netz des Zugangsmarktbeherrschers, insbesondere im Teilnehmer anschlussbereich. § 33 Abs. 1 TKG verfolgt mit der Schaffung des Netzzugangsanspruchs für Wettbewer165 Kay Windthorst, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 87 f., Rdnr. 25. 166 Europäische Kommission, Grünbuch vom 30. Juni 1987 Grünbuch über die Entwicklung des Gemeinsamen Marktes für Telekommunikationsdienstleistungen und Telekommunikationsendgeräte, KOM (1987) 290, S. 1 ff. 167 So auch Gerrit Manssen, in: Kommentar zum Telekommunikations- und Medienrecht, hrsg. v. Gerrit Manssen, Grundwerk 1999, Berlin Stand August 1999, § 2, Rdnr. 6.
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ber des marktbeherrschend diensteanbietenden Netzbetreibers zumindest auch die Wahrung dieser Nutzerinteressen. Dieses zusätzliche Ziel des § 33 Abs. 1 TKG ist zwar auf die tatsächliche Eröffnung von Wettbewerb auf den Märkten für Telekommunikationsdienste bezogen. Die Förderung neuer Anbieter durch Absenken der Marktzutrittsschwellen dient zwar auch der Wettbewerbseröffnung. Die Wahrung der Interessen dieser „Anbieternutzer“ hat darüber hinaus aber auch eigenständigen Charakter. Sie ist „unternehmens-personal“ ausgerichtet, wohingegen die Wettbewerbseröffnung marktbezogen ist. Verfassungsrechtlich ist zwar kein ausdrückliches Gebot zur Wahrung dieser Nutzerinteressen auszumachen. Jedenfalls ist diese Interessenwahrung aber grundrechtlich durch Art. 12 Abs. 1 GG unterlegt168 und auch verfassungslegitim. Gemeinschaftssekundärrechtlich ist sie wiederum durch Art. 4 Abs. 2 Zusammenschaltungs-Richtlinie 97 / 33 / EG und Art. 16 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 98 / 10 / EG vorgegeben.
c) Zusammenfassung Der Gesetzgeber des § 33 Abs. 1 TKG verfolgt zwei aufeinander bezogene, jedoch selbständige Zwecke. § 33 Abs. 1 TKG ist insofern also janusköpfig. Zum einen intendiert § 33 Abs. 1 TKG die tatsächliche Eröffnung von Wettbewerb, insbesondere auf Endkundenmärkten für Telekommunikationsdienste. Dieser Gesetzeszweck ist verfassungsrechtlich in Art. 87 Buchstabe f Abs. 2 Satz 2 GG verankert und gemeinschaftsrechtlich letztlich durch Art. 4 Abs. 2 Zusammenschaltungs-Richtlinie 97 / 33 / EG und Art. 16 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 98 / 10 / EG vorgegeben. Zum anderen intendiert § 33 Abs. 1 TKG die Interessen der Nichtinfrastruktureigentümer zu wahren, die auf Endkundenmärkten Telekommunikationsdienstleistungen anbieten möchten. Dieses Ziel ist verfassungsrechtlich nicht ausdrücklich vorgeben, jedoch durch Art. 12 Abs. 1 GG unterlegt und auch den benannten Vorschriften der Harmonisierungsrichtlinien zu entnehmen.
3. Geeignetheit des Zugangsermöglichungsanspruchs des § 33 Abs. 1 TKG bezogen auf die Ziele der Wettbewerbseröffnung und Wahrung der Wettbewerberinteressen Zweites Element des Übermaßverbotes ist die Geeignetheit des Eingriffsmittels im Hinblick auf die Verfolgung der Gesetzeszwecke. Eingriffsmittel ist der Zugangsermöglichungsanspruch des § 33 Abs. 1 TKG. Das Mittel ist als geeignet anzusehen, wenn es die Zweckverfolgung an sich fördert169. § 33 Abs. 1 TKG er168 Vgl. Gerrit Manssen, in: Kommentar zum Telekommunikations- und Medienrecht, hrsg. v. Gerrit Manssen, Grundwerk 1999, Berlin Stand August 1999, § 2, Rdnr. 4, allerdings in unmittelbarem Zusammenhang zum Ziel der Wettbewerbssicherstellung nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG.
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Teil 5: Vorgaben des Grundgesetzes für den entbündelten Zugang
zeugt für den Fall des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung eine gesetzliche Anspruchsgrundlage auf Abschluss eines Netzzugangsvertrages mit gewissen Mindestinhalten. Anspruchsverpflichtet ist der marktbeherrschend dienste-anbietende Netzbetreiber. Der Netzzugangsvertrag ist rechtliche Voraussetzung für einen tatsächlichen Netzzugang und eine tatsächliche Netznutzung in der vom Anspruchsberechtigten nachgefragten Weise. Erst wenn der anspruchsberechtigte neue Anbieter das ihm fremde Netz so nutzen kann, als wäre es Teil seiner eigenen Infrastruktur, ist ihm die Erbringung wettbewerblicher Endkundendienste möglich. Und erst wenn neue Anbieter die tatsächliche Zutrittsbarriere für ein Tätigwerden auf Endkundenmärkten überwinden können, kann Wettbewerb auf ihnen entstehen. Tatsächliche Zutrittsbarriere ist dabei das Fehlen und die Unwirtschaftlichkeit des Aufbaus einer Alternative zum gesamten Zugangsnetz der Deutsche Telekom AG. Die Schaffung des gesetzlichen Anspruchs auf Abschluss eines Netzzugangsvertrags ist somit dem ersten Ziel des § 33 Abs. 1 TKG, der tatsächlichen Wettbewerbseröffnung auf den Endkundenmärkten, förderlich. Indem § 33 Abs. 1 TKG den Anspruch gerade neuen Anbietern solcher Dienste gewährt, fördert diese darüber hinaus Eingriffsnorm auch die Wahrung derer Interessen. § 33 Abs. 1 TKG ist in summa im Hinblick auf die Verfolgung der Gesetzeszwecke geeignet.
4. Erforderlichkeit des Zugangsermöglichungsanspruchs des § 33 Abs. 1 TKG zur Wettbewerbseröffnung und Wahrung der Wettbewerberinteressen Drittes Element des Übermaßverbotes ist die Erforderlichkeit des Eingriffsmittels im Hinblick auf die verfolgten Gesetzeszwecke. Der Zugangsermöglichungsanspruch des § 33 Abs. 2 TKG ist nicht erforderlich, wenn es ein milderes, den anspruchsverpflichteten Netzeigentümer weniger belastendes Mittel gibt, das die Gesetzeszwecke ebenso effektiv förderte170. § 33 Abs. 1 TKG schafft für besondere Dritte, Wettbewerber des Anspruchsverpflichteten, das Recht, den Abschluss eines Netzzugangsvertrages zu verlangen, dessen Inhalt der Wettbewerber in für ihn wesentlichen Punkten bestimmen kann. Insbesondere ist der Wettbewerber berechtigt, Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung des Anspruchsverpflichteten zu verlangen, und zwar an den von ihm bestimmten Zugangspunkten und in einem von ihm definierten Entbündelungsgrad. Dabei kann der Wettbewerber den entbündelten Zugang, also den Zugriff auf den unbeschalteten Kupferdraht verlangen, selbst wenn er zur Befriedigung des konkreten Bedarfs des Teilnehmers nur ein bestimmtes Übertragungsspektrum auf der vom Netzeigentümer beschalteten Kup169 In diesem Sinne die Defintion der Geeignetheit durch das Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 30, S. 292 (316); BVerfGE 33, S. 171 (187). 170 Statt vieler: Rudolf Wendt, Der Garantiegehalt der Grundrechte und das Übermaßverbot – Zur maßstabsetzenden Kraft der Grundrechte in der Übermaßprüfung, AöR 104 (1979), S. 414 (416 f.).
B. Vereinbarkeit des § 33 Abs. 1 TKG mit dem Grundrecht der Eigentumsfreiheit 267
ferleitung benötigt. Will ein Endkunde vollständig zu einem neuen Anbieter wechseln, kommt es nicht zu einer Aufteilung von Kapazitäten zwischen dem Netzeigentümer und diesem Wettbewerber. Der Wettbewerber soll aufgrund des Anspruchs aus § 33 Abs. 1 TKG grundsätzlich uneingeschränkt und frei über die Teilnehmeranschlussleitung zum Endkunden in der Weise bestimmen können, als sei er selbst der Eigentümer dieses Netzleitungsstücks171. Zur tatsächlichen Herbeiführung dieser rechtlichen Beeinträchtigung seines Eigentums kann der Festnetzeigentümer durch eine auf § 33 Abs. 2 TKG gestützte Missbrauchsverfügung der Regulierungsbehörde zusätzlich verpflichtet werden. Dieses speziell für den entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung – nochmals skizzierte Eingriffsmittel des § 33 Abs. 1 TKG ist im Hinblick auf die Zielförderlichkeit mit anderen hypothetischen Eingriffsmitteln zu vergleichen.
a) Primat der Vertragsfreiheit über gesetzlichen Zugangsermöglichungsanspruch des § 33 Abs. 1 TKG? Der Gesetzgeber hätte sich – statt einen zivilrechtlichen Zugangsanspruch zu normieren – möglicherweise mit einem Appell an zugangsmarktbeherrschend diensteanbietende Netzbetreiber, insbesondere also an die Deutsche Telekom AG, begnügen können, zur Wettbewerbseröffnung und Wahrung der Wettbewerberinteressen Netzzugangsverträge interessengerecht auszuhandeln. Ein gesetzlicher Zugangsermöglichungsanspruch wäre nicht erforderlich, wenn die Marktbeteiligten bereit wären, Netzzugangsverträge im Konsens und freiwillig auszuhandeln. Denn in diesem Fall sollte der bloße Appell im Vergleich zum normativen Netzzugangsanspruch das schonendere Mittel sein. Die besondere Struktur auf den Märkten der Telekommunikation zur Stunde null ihrer vollständigen Entmonopolisierung ist hinreichend dargestellt. Die Deutsche Telekom AG hat als vertikal integriertes Unternehmen mit einem Marktanteil von nahezu 100 % auf allen Zugangs- und Endkundenmärkten eine Verhandlungsmacht, die dem Marktzutrittskandidaten keinen Raum für eine eigene Verhandlungsposition belässt. Auch handelte die Deutsche Telekom AG durch die aktive Förderung des Marktzutritts potentieller Wettbewerber ihren eigenen Unternehmens- und Anteilseignerinteressen zuwider. Zu interessengerechten Netzzugangsverträgen wird es daher auf freiwilliger Basis nicht kommen. Die Deutsche Telekom AG wird keine Verkürzung ihrer Rechte am Festnetz vornehmen, um damit auch noch Wettbewerb gegen sich selbst zu erzeugen. Ein Abbau der Marktzutrittsbarrieren durch Netznutzungen zugunsten potentieller Wettbewerber ist bei einem rechtlich unverbindlichen Appell des Gesetzgebers auszuschließen. Eine Förderung der Ziele, Wettbewerbseröffnung und Wahrung der Wettbewerberinteressen, unterbliebe. Damit ist festzuhalten, dass der bloße
171 Kritisch insofern Wolfgang von Reinersdorff, Anmerkung zu BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 6 / 00, MMR 2001, S. 690 (691).
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Teil 5: Vorgaben des Grundgesetzes für den entbündelten Zugang
Appell verglichen mit dem Zugangsanspruch zwar ein milderes, aber kein gleich wirksames Mittel darstellt.
b) Gesetzlicher Anspruch auf Zugangsermöglichung zu „anbieterbestimmt gebündelter Leistung“? Denkbare Alternative zum nachfragebestimmten Zugangsanspruch wäre die Zugangsermöglichung zu anbieterbestimmten Konditionen. Der Anspruchsverpflichtete wäre in diesem Fall aufgrund eines gesetzlichen Zugangsermöglichungsanspruchs zwar verpflichtet, Netzzugangsverträge abzuschließen, und zwar auch mit seinen Wettbewerbern. Er könnte allerdings den wesentlichen Inhalt, nämlich den Bündelungsgrad des Zugriffsobjektes selbst bestimmen. Er hätte es also in der Hand, das Ausmaß der fremden Nutzung seines Eigentumsobjektes zu gestalten und damit so gering wie möglich zu halten. Die anbieterbestimmte Zugangsermöglichung erscheint deshalb im Vergleich zur nachfragebestimmten als milderes Mittel. In diesem Sinne bot die Deutsche Telekom AG Wettbewerbern im Hinblick auf den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung den „Carrier Customer Access“ an, siehe Teil 2, Kapitel A. V. 2. b) aa). Darin offerierte sie drei Varianten definierter Übertragungskapazitäten nebst Schnittstellen und Abschlusseinrichtungen (Übertragungsleistungen für analoge Telefonanschlussleitungen, für ISDN-Basisanschlussleitungen und für ISDN-Multiplexanschlussleitungen). Die vorgeschaltete Technik bestimmt die unterschiedliche Übertragungsleistung, legt die Angebotspalette der Zugangsbegehrenden fest und ist von diesen entgeltlich zu benutzen. Gegenüber der Konzeption des § 33 Abs. 1 TGK, in Verbindung mit § 2 Satz 1 NZV – alle notwendigen Schnittstellen sind Teil der Leistung, die so anzubieten ist, dass nichts abgenommen werden muss, das nicht nachgefragt wurde – ergeben sich bei der „anbieterbestimmt gebündelten“ Lösung für den Anspruchsberechtigten zwei entscheidende Nachteile. Zum einen muss er mehr Vorleistungselemente des Netzeigentümers entgeltlich nutzen, als er für sein Diensteangebot benötigt. Folglich erhöhen sich seine Erstellungskosten. Dies hat unmittelbare Auswirkungen auf die Preisgestaltung seines Diensteangebotes gegenüber dem Endkunden. Der Anspruchsberechtigte ist damit in einer Lage, in der er entweder dem Endkunden kein gegenüber der Deutsche Telekom AG wettbewerbsfähiges Diensteangebot machen oder er nur „unter Einstandspreis“ auf dem Markt auftreten kann. Mit dem Alternativrisiko, keine Kunden oder keine Kostendeckung, lässt sich unternehmerisch kein Marktzutritt durchführen. Zum anderen legt der Netzeigentümer bei der „anbieterbestimmt gebündelten“ Lösung die dem Wettbewerber offerierten Übertragungskapazitäten fest. Damit bestimmt der Netzeigentümer über die Angebotspalette des Wettbewerbers. Er wird dem Wettbewerber aber allenfalls die Kapazitäten einräumen, die dieser für ein dem Netzeigentümer entsprechendes Diensteangebot benötigt. Wettbewerber haben so keine Möglichkeit, selbst neue Diensteangebote zu entwickeln und auf den Markt zu bringen, für die sie größere Übertragungskapazitäten benötigten. Sie könnten zwar mit dem Netzeigentümer in
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neue Verhandlungen – mit offenem Ausgang – treten, müssten dann aber auch ihr geplantes Diensteangebot im Wesentlichen offen legen. Der Vorsprungs der Deutsche Telekom AG in Forschung und Entwicklung gegenüber Wettbewerbern würde somit perpetuiert. Es bestünde für die Deutsche Telekom AG zudem kaum Anreiz, selbst neue Diensteangebote auf den Markt zu bringen. In summa änderte eine „anbieterbestimmt gebündelte“ Konzeption des Zugangsermöglichungsanspruchs weitgehend nichts an der Struktur der Endkundenmärkte. Trotz der Möglichkeit potentieller Wettbewerber, das Netz des ehemaligen Staatsmonopolisten zu nutzen, bliebe die Höhe der Marktzutrittsbarrieren nahezu unverändert. Eine Förderung der Ziele des § 33 Abs. 1 TKG, tatsächliche Wettbewerbseröffnung, insbesondere auf Endkundenmärkten, sowie die Wahrung der Wettbewerberinteressen, unterbliebe faktisch. Festzuhalten ist daher, dass die Zugangsermöglichung zu anbieterbestimmten Konditionen zwar ein gegenüber § 33 Abs. 1 TKG milderes, aber nicht gleichermaßen geeignetes Mittel ist.
c) Gesetzlicher Anspruch auf Zugangsermöglichung nach einem drittbedarfsadäquaten Mitbenutzungsmodell bei fortbestehender Technikherrschaft des Netzeigentümers? Das hier im Vergleich zum nachfragebestimmten Zugangsanspruch zu evaluierende Mitbenutzungsmodell verpflichtete den Netzeigentümer zwar auch, Netzzugangsverträge mit seinen Wettbewerbern abzuschließen. Inhaltlich müsste er allerdings bloß eine nach dem konkreten Bedarf des Zugangsbegehrenden bestimmte Mitbenutzung seines Netzes gewähren. So könnte der Netzeigentümer den Anspruchsberechtigten zwar nicht auf einen unter dessen Bedarf liegenden, allein anbieterbestimmten, Leistungsumfang verweisen. Das Ausmaß der fremden Nutzung seines Eigentumsobjektes wäre allerdings von vornherein drittbedarfsadäquat begrenzt. Dem Anspruchsberechtigten müssten diejenigen Netzkapazitäten bereitgestellt werden, die dieser tatsächlich für ein konkretes Diensteangebot an einen bestimmten Kunden benötigt. Die nicht benötigten Kapazitäten verblieben allerdings beim Netzeigentümer. Dieser könnte sie im Bedarfsfall selbst nutzen oder weiteren Zugangspetenten zur Verfügung stellen. Überdies verbliebe die Herrschaft über die gesamte eingesetzte Netztechnik beim Eigentümer. Im Unterschied zu dem in Teil 2, Kapitel A. V. 2. a) geschilderten – und von § 33 Abs. 1 verwirklichten – „line sharing“ könnte der Netzeigentümer bei dem hier zu bewertenden Mitbenutzungsmodell neben der Technik zur Aufteilung der Teilnehmeranschlussleitung in verschiedene Frequenzbänder auch über den Einsatz von Multiplexern entscheiden. Er hätte damit die Definitionshoheit über die Übertragungskapazitäten172. Eine Mitbenutzungssituation wird in Zukunft häufiger eintreten. Verschiedene Anbieter werden denselben Endkunden für unterschiedliche Dienstleistungen 172 Diese wäre technisch nach der sogenannten „bitstream access“ Lösung zu realisieren, siehe Kurt Schmidt, Line Sharing – Ein Überblick, K&R 2002, S. 377 (379).
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gewinnen, neben dem herkömmlichen Teilnehmeranschluss mit Sprachtelefonie auch für einen schnellen Internetzugang und andere interaktive Dienste. Damit könnte man (möglicherweise) zu dem Schluss kommen, bei dem drittbedarfsadäquaten Mitbenutzungsmodell handele es sich im Vergleich zum nachfragebestimmten Zugangsanspruch um ein milderes Mittel. Aber selbst wenn man diesen Schluss ziehen wollte, ist im Ergebnis festzustellen, dass dieses drittbedarfsadäquate Mitbenutzungskonzept bei fortbestehender Technikherrschaft des Eigentümers die Wettbewerbseröffnung und die Wahrung der Wettbewerberinteressen nicht genauso effektiv fördert wie § 33 Abs. 1 TKG. Dieses Eingriffsmittel ermöglicht dem zuerst anfragenden Anspruchsberechtigten grundsätzlich Zugang zur gesamten und blanken Kupferleitung. Gerade in der Einstiegsphase in das Endkundengeschäft steht zum einen die umfassende Gewinnung des Endkunden durch den neuen Anbieter im Zentrum des Interesses. Diese Kundenbindung erfolgt regelmäßig über die Bereitstellung des herkömmlichen Teilnehmeranschlusses und das Angebot von Sprachtelefondiensten im Orts- und Fernbereich. Ist der Kunde erst einmal zu dem neuen Anbieter gewechselt, hat dieser auch – wegen des Besitzes der Kundenstammdaten und des umfassenden Kundenverhältnisses – den ersten Zugriff auf diesen Kunden, wenn das Angebot neuer Dienste, insbesondere von Hochgeschwindigkeitsinternetzugängen in Rede steht. Die Kundenakquisition wird dem neuen Anbieter signifikant erschwert, wenn der Netzeigentümer und bisherige Alleinanbieter ein fortbestehendes Kundenverhältnis zu dem betreffenden Endkunden unterhält. Dies ist in Teil 2, Kapitel B. I. 1. eingehend erörtert worden. Der Schwierigkeitsgrad für Markteinsteiger, Kunden zu gewinnen, erweist sich als Maß für die Höhe der Marktzutrittsbarrieren und ist eine Hauptvoraussetzung für die Wettbewerbseröffnung auf Endkundenmärkten. Zum anderen ist gerade in dieser Markteinstiegsphase für die Wettbewerbseröffnung entscheidend, dass nicht der Monopolist, sondern ein Wettbewerber die Herrschaft über Kabel und Technik im Hinblick auf die betreffenden Teilnehmeranschlussleitung inne hat. Erst wenn diese Voraussetzung gegeben ist, kann der neue Anbieter technisch umfassend experimentieren und neue Angebote für den Endkunden entwickeln. Werden die technischen Rahmenbedingungen vom Anspruchsverpflichteten gesetzt, ist es für den neuen Anbieter erheblich schwerer, im Teilnehmeranschlussbereich überhaupt neue Dienstleistungen zu entwickeln. Gelingt ihm dies dennoch, müsste er dem Marktbeherrscher auch noch die Entwicklung der neuen, regelmäßig kapazitätsintensiveren Dienstleistung offenbaren, wenn er nämlich bezüglich der Bereitstellung größerer Kapazitäten verhandelt. Das würde den so wichtigen Wettbewerbsvorsprung des Wettbewerbers verkürzen und ihn im Forschungs- und Entwicklungsbereich stets auf Augenhöhe mit dem Anspruchsverpflichteten halten. Insgesamt ist das drittbedarfsadäquate Mitbenutzungsmodell daher zwar ein im Vergleich zu § 33 Abs. 1 TKG möglicherweise milderes, jedoch nicht gleich geeignetes Eingriffsmittel.
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d) Modell des „verbändeverhandelten“, selbstregulierten Netzzugangs? Eine denkbare Alternative zum Zugangsermöglichungsanspruch des § 33 Abs. 1 TKG wäre ein gesetzlicher Anspruch, der lediglich auf Abschluss eines Netzzugangsvertrags gerichtet ist, dessen inhaltliche Ausgestaltung indes den Branchenbeteiligten durch Vereinbarung von Musterbestimmungen überlassen bliebe. Der Netzeigentümer wäre zwar verpflichtet, Netzzugangsverträge abzuschließen, und zwar auch mit seinen Wettbewerbern. Er könnte aber in den Verhandlungen der Branchenbeteiligten über den Musternetzzugangsvertrag dessen Inhalt jedenfalls mitgestalten. Ein Vorbild für eine solche Konzeption böte das in § 6 EnWG verankerte Netzzugangskonzept für den Stromsektor, siehe Teil 1, Kapitel A. II. In der maßgebenden Verbändevereinbarung haben die Branchenbeteiligten Grundregeln für wesentliche Vertragskonstellationen und -inhalte aufgestellt. Diese Grundregeln sind für die vertragliche Gestaltung eines konkreten Netzzugangs allerdings rechtlich unverbindliche Empfehlungen. Durch eine solche Selbstregulierung soll eine Regulierungsbehörde entbehrlich bleiben. Die Befugnisse des Kartellamts beschränkten sich auf eine Kontrolle von Marktmachtmissbrauch. Von den tatsächlichen Schwierigkeiten der Wettbewerbseröffnung durch den „verbändeverhandelten“, selbstregulierten Netzzugang im Stromsektor einmal abgesehen173, knüpft dieses Konzept gerade an die Märktebesonderheiten des Energiesektors an. Es lässt sich nicht auf den Telekommunikationssektor übertragen. Elektrizitätsmärkte sind durch regionale Netzmonopole gekennzeichnet, die sich mit regionalen Versorgungsgebieten decken. In Deutschland gibt es mehrere regionale Strommonopolisten. Telekommunikationsmärkte können geographisch zwar auch nach Regionen aufgeteilt sein, siehe Teil 3, Kapitel C. I. 1. d). Auf jedem dieser Märkte gibt es (bislang) indes nur einen einzigen Marktbeherrscher, die Deutsche Telekom AG. Eine Verhandlungslösung auf Branchenebene setzt eine vergleichbare Stärke der Verhandlungspartner voraus, um einen Interessenausgleich zu erzielen und nicht die Interessendurchsetzung des unerreichbar Stärksten in Form eines Musternetzzugangsvertrages zu verbriefen. Dies ist im Energiebereich im Wesentlichen gegeben. So sind im Elektrizitätssektor die regionalen Netzmonopolisten regelmäßig auch Stromerzeuger. Sie haben daher selbst ein Interesse, Zugang zu für sie fremden Netzen in anderen Regionen zu erhalten, um neue regionale, der Stromerzeugung nachgelagerte Märkte zu erschließen. Für die deutsche Gaswirtschaft gilt ähnliches, denn sie ist pluralistisch geprägt und weist mehr als 700 Leitungsnetzeigentümer auf174. Im Telekommunikationssektor würde die Verbändelösung dagegen inhaltlich allenfalls zu einem „anbieterbestimmten gebündelten Netzzugang“ in Form einer „Verbändevereinbarung“ führen. Sie erweist sich somit zwar als milderes, indes für die Förderung der Gesetzesziele des § 33 Abs. 1 173 Erinnert sei nur an die unzähligen Rechtstreitigkeiten, die die Ausgestaltung von Netzzugangsverträgen nach den Verbändevereinbarungen nach sich zog, und an den geringen Erfolg auf dem Markt für Endverbraucher, siehe Teil 1, Kapitel A. II. 174 FAZ vom 25. April 2002, S. 28.
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TKG, tatsächliche Wettbewerbseröffnung sowie Wahrung der Wettbewerberinteressen, als ineffektives Eingriffsmittel.
e) Verzicht auf regulierungsbehördliche Ermächtigungsgrundlage des § 33 Abs. 2 TKG? Zu denken ist weiterhin an einen Zugangsermöglichungsanspruch, wie ihn § 33 Abs. 1 TKG vorsieht, wobei der Gesetzgeber allerdings auf die Schaffung der regulierungsbehördlichen Ermächtigungsgrundlage des § 33 Abs. 2 TKG verzichtet. Die Anspruchsdurchsetzung würde dann auf dem Zivilrechtsweg erfolgen, siehe Teil 3, Kapitel C. V. Die Regulierungsbehörde hätte nicht die Möglichkeit, durch eine Missbrauchsverfügung dem Anspruchsverpflichteten des § 33 Abs. 1 TKG, der zugleich Normadressat des § 33 Abs. 2 TKG ist, ein bestimmtes Verhalten aufzuerlegen. Sie könnte ihn insbesondere nicht verpflichten, einem Wettbewerber ein Angebot auf Abschluss eines Netzzugangsvertrags mit bestimmten inhaltlichen Vorgaben zu unterbreiten, siehe Teil 3, Kapitel D. II. 2. a). Dieses Konzept ist allerdings bereits kein gegenüber dem in § 33 Abs. 1 TKG realisierten Eingriffsmittel milderes Mittel. Die originär und unmittelbar in § 33 Abs. 1 TKG liegende, eigentumsbeeinträchtigende Rechtsverkürzung für den Anspruchsverpflichteten bliebe unverändert bestehen. Allein die in § 33 Abs. 2 TKG verankerte Intensivierung der nur in § 33 Abs. 1 TKG wurzelnden Eigentumsbeeinträchtigung würde unterbleiben. Selbst wenn man dies einmal ausblendete, könnte eine Netzzugangslösung ohne die Befugnisse der Regulierungsbehörde in § 33 Abs. 2 TKG in ihrer Effektivität allein schon für die Wettbewerbseröffnung auf Endkundenmärkten nie an das Konzept des regulierungsbehördlich instrumentalisierbaren Anspruch des § 33 Abs. 1 TKG heranreichen. Wie in Teil 3, Kapitel C. V. ausführlich erörtert, ist die zivilprozessuale Anspruchsdurchsetzung durch eine Zeitintensität gekennzeichnet, die es einem nicht kooperativen Netzeigentümer ermöglicht, die tatsächliche Netznutzung während der gesamten Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren (über die Abgabe eines bestimmten Vertragsangebotes und über die Verpflichtung zur vertragskonformen Leistung) zu verhindern.
f) Zwischenergebnis Alle untersuchten, potentiell oder tatsächlich aus Sicht des Schutzgutes des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG milderen Eingriffsmittel haben sich als nicht in gleicher Weise förderlich für die Verfolgung der Zwecke des § 33 Abs. 1 TKG erwiesen. Sie sind daher im Vergleich mit dem Eingriffsmittel des § 33 Abs. 1 TKG nicht gleich geeignet, dieses ist somit erforderlich.
B. Vereinbarkeit des § 33 Abs. 1 TKG mit dem Grundrecht der Eigentumsfreiheit 273
5. Angemessenheit der durch den Zugangsermöglichungsanspruch des § 33 Abs. 1 TKG bewirkten Netzeigentumsverkürzung nach Maßgabe einer relationsorientierten Güter- und Interessenabwägung Zum Kern der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 33 Abs. 1 TKG vorgedrungen, ist die herausgearbeitete, relationsorientierte Durchstrukturierung der eigentlichen Güter- und Interessenabwägung zu erinnern. Das schutzgutspezifische Aufeinanderbezogensein von eingriffsverkürzten Eigentümerinteressen und dem gesetzgeberisch verfolgten Eingriffszweck ist für den Zugangsermöglichungsanspruch des § 33 Abs. 1 TKG zu entfalten. Dabei ist die Fallkonstellation des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung besonders zu berücksichtigen. In der Schutzgutspezifität des Netzeigentums findet die Gegenläufigkeit seiner in der Verfassung angelegten Individual- und der Sozialfunktion einen auszumessenden Ausdruck. Das verfassungsmäßige Ausmaß des Zugangsermöglichungsanspruchs des § 33 Abs. 1 TKG kann daher weder allein von einer Verkürzung der grundrechtlich verbrieften Eigentümerinteressen noch ausschließlich durch den gesetzgeberischen Zweck bestimmt werden. Das „rechte Maß“ ergibt sich letztlich aus der wertenden Relation von netzeigentumsverkürzender Eingriffsfolge und dem spezifischen Zweck des § 33 Abs. 1 TKG. In zwei Schritten wird das eigentliche Abwiegen der Eigentümerinteressen mit denen, die der Gesetzeszweck abbildet, vorbereitet. Dazu wird die Spezifität des konkret betroffenen Schutzgutes im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG in seiner individualschützenden und sozialen Funktion sowie die Spezifität des Eingriffszweckes für die betreffende Fallkonstellation ausgemessen. Die folgende Abwägung hat die Funktion festzustellen, ob § 33 Abs. 1 TKG in Anbetracht der auf der „Legitimationswaage“ liegenden Güter und Interessen den Boden der Verfassungsmäßigkeit verlässt. Mit Blick auf diese auf die Waagschalen gelegten Positionen kann kein „verfassungsidealer“ Netzzugangsanspruch gefunden werden, an dem § 33 Abs. 1 TKG zu messen wäre. Zu untersuchen ist allein, aber immerhin die Verfassungsmäßigkeit des § 33 Abs. 1 TKG. Mehr fordert auch das Grundgesetz vom Gesetzgeber nicht. Abwägungsleitend beeinflusst die Intensität des Eigentumsschutzes das Maß an Legitimationsaufwand, den der Gesetzgeber zur Rechtfertigung der durch § 33 Abs. 1 TKG bewirkten Eigentumsbeeinträchtigung betreiben muss. Aus der Eigenart des gesetzgeberischen Eingriffszwecks kann dessen grundsätzliche, eingriffslegitimierende Kraft evaluiert werden. Auch das Eingriffsmittel ist zu bewerten und zwar im Hinblick auf dessen tatsächliche Zielförderung und eigentumsschonende Ausgestaltung. Anhand des Maßstabes der Sachgerechtigkeit kann das spezifische Näheverhältnis zwischen beeinträchtigtem Netzeigentum und dem mit § 33 Abs. 1 TKG verfolgten Gemeinwohlzweck bestimmt werden. Dieses liefert weitere Vorgaben für den vom Gesetzgeber zu fordernden Legitimationsaufwand.
18 Kallmayer
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Teil 5: Vorgaben des Grundgesetzes für den entbündelten Zugang
a) Spezifität des Eigentumsobjektes „Telekommunikationsnetz“ Die Spezifität des Eigentumsobjektes „Telekommunikationsnetz“ ist in zwei Richtungen herauszuarbeiten, zum einen im Hinblick auf die dem Eigentümerinteresse dienende Funktion des Individualschutzes (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG), zum anderen hinsichtlich der den Interessen der Allgemeinheit sowie der Nichteigentümer dienenden sozialen Funktion (Art. 14 Abs. 2 GG). Erst beide Dimensionen zusammen prägen die Eigenart des Eigentumsobjektes.
aa) Als Schutzgut des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG Art und Funktion des Telekommunikationsnetzes für dessen Eigentümer, im Hinblick auf die Teilnehmeranschlussleitung also Art und Funktion des Festnetzes für die Deutsche Telekom AG, sind dabei ebenso zu auszuloten wie Art und Funktion des durch § 33 Abs. 1 TKG konkret betroffenen Gewährleistungsausschnitts des Eigentumsgrundrechts. § 33 Abs. 1 TKG verpflichtet in Verbindung mit § 35 Abs. 1 TKG marktbeherrschend diensteanbietende Netzbetreiber zur wettbewerbernützigen Ermöglichung des Netzzugangs. Leitbild des Anspruchsverpflichteten ist dabei rechtstatsächlich das vertikal integrierte, marktmächtige Telekommunikationsunternehmen. Es bietet Telekommunikationsdienste auf Endkundenmärkten an und zwar auf dem in seinem Eigentum stehenden Telekommunikationsnetz. Die Nutzung des Festnetzes aus Kabeln, Zubehör, Technik und stationären Einrichtungen ist Voraussetzung für das Angebot von Diensten für Endkunden. Das technisch realisierbare Nutzungspotential (insbesondere Übertragungskapazitäten, Übertragungsschnelligkeit) des Netzes bestimmt zudem Art und Bandbreite des potentiellen Diensteangebotes für Endkunden. Aufgrund seines Netzeigentums ist das vertikal integrierte Unternehmen also in der strategisch wichtigen und ökonomisch wertvollen Position, bezüg lich der einzig wesentlichen Vorleistung „Netznutzung“ unabhängig von Dritten zu sein und das Diensteangebot auf Endkundenmärkten steuern zu können. Betrachtet man das bundesweite, flächendeckende Festnetz der Deutsche Telekom AG aus Fernnetz und Zugangsnetzen175, kommt aufgrund des Teilnehmeranschlussbereiches noch die bundesweite und flächendeckende Endkundenbindung hinzu. Die Endkundenbindung, die durch Bereitstellung des Teilnehmeranschlusses nebst Sprachtelefonie erfolgt, wird also auch durch das Netzeigentum vermittelt. Der Funktion nach wird die Eigenart des Netzeigentums der Deutsche Telekom AG somit gekennzeichnet durch die völlige Vorleistungsunabhängigkeit, die exklusive Forschungs- und Entwicklungshoheit für Netztechnik und Diensteangebot sowie die umfassende Vermittlung der Kundenbindung. Das Festnetz ist das Eigentumsobjekt, das den alleinigen unternehmensstrategischen Ausgangspunkt für die wirtschaftliche Betätigung der Deutsche Telekom 175 Zur besonderen Bedeutung der „flächendendeckenden“ Auslegung eines Netzes siehe ausführlich Georg Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, Tübingen 1998, S. 377 ff.
B. Vereinbarkeit des § 33 Abs. 1 TKG mit dem Grundrecht der Eigentumsfreiheit 275
AG auf jedem relevanten Endkundenmarkt bildet. Weiteres Spezifikum dieses Festnetzes ist, dass es sich um ein in sich geschlossenes System handelt. Seine einzelnen Segmente sind Teil dieser einen Sachgesamtheit. Jede einzelne Kabelführung im Zugangsnetzbereich, d. h. jede einzelne Teilnehmeranschlussleitung ist ebenfalls Teil dieses Gesamtfestnetzes. Dieses Netz durchzieht die gesamte Bundesrepublik, erstreckt sich also nicht bloß auf eine bestimmte Region und erreicht im Teilnehmeranschlussbereich nahezu alle Haushalte und Büros.
bb) Als sozialgebundenes Gut des Art. 14 Abs. 2 GG Der soziale Bezug des Eigentumsobjektes „Festnetz der Deutsche Telekom AG“ ist nach Art und Ausmaß dessen sozialer Verflochtenheit zu bestimmen. Welche Bedeutung dieses Netz für die Allgemeinheit und für Nichteigentümer hat, ist anhand seines situativen Kontextes und der Angewiesenheit Dritter auf seine Nutzung herauszuarbeiten. Auch ist das Eigentum am Telekommunikationsnetz auf besondere Merkmale und Charakteristika hin zu untersuchen, die es in seiner sozialen Funktion von anderen Eigentumsobjekten signifikant unterscheiden. (1) Telekommunikationsfestnetz als singuläres Eigentumsobjekt Ein Telekommunikationsfestnetz, das im Teilnehmeranschlussbereich bundesweit flächendeckend ist, ist ein einmaliges Eigentumsobjekt. Wegen seiner umfassenden Endverzweigung ist es eine singuläre Erscheinung in der Welt der Eigentumsobjekte. Die ökonomischen Besonderheiten von Netzinfrastrukturen, siehe Teil 2, Kapitel B. II., liegen darin, dass für Neueinsteiger die Kosten der Netzerrichtung unwiederbringlich verloren sind. Bei Festnetzen, die auch den Teilnehmeranschlussbereich vollständig durchziehen, bewegen sich diese irreversiblen Kosten in einer Größenordnung, die den substantiellen Teil des endlichen Investitionspotentiales von Neueinsteigern punktuell verbraucht. Die erwartbaren Gewinnmargen der über das Netz angebotenen Dienste bei wettbewerblicher Bepreisung liefern dabei keinen annähernden Ausgleich für das eingesetzte Kapital. Die Geschäftstätigkeit lässt daher eine Rendite nicht erwarten. Kein ökonomisch vernünftig denkender Unternehmer wird also in den Aufbau einer umfassenden, alternativen Infrastruktur zum Festnetz der Deutsche Telekom AG im Teilnehmeranschlussbereich investieren. So wie Grund und Boden wegen der Begrenztheit des Festlandes physisch unvermehrbar ist, kann das Festnetz der Deutsche Telekom AG mit seinem flächendeckenden Zugangsnetzbereich nicht wirtschaftlich sinnvoll dupliziert werden. Zudem hat der Aufbau neuer, leitungsgebundener Zugangsnetze grundstücks- und verkehrsrechtliche sowie umweltpolitische Hürden zu nehmen. Das beträchtliche Ausmaß an Erdhubarbeiten entlang unzähliger Verkehrsstrassen und über private Grundstücke zur Verlegung weiterer Kabel würde über größere Zeiträume den Straßenverkehr und die private Grundstücksnutzung stark beeinträchtigen. Die Verlegung erdgebundener Kabel erfolgt daher nach den 18*
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von den Vorschriften der §§ 50 ff. TKG vorgegebenen Regeln. Auch geht die Kabelverlegung mit der Inanspruchnahme und dem Verbrauch von Natur und Landschaft einher176. Somit stehen wirtschaftliche Gründe, die durch verlegungsrechtliche und umweltliche Gründe verstärkt werden, der Errichtung eines dem Festnetz der Deutsche Telekom AG entsprechenden Telekommunikationsnetzes entgegen. Es handelt sich, so ist zu betonen, um ein einmaliges Eigentumsobjekt. Das Potential neuer Zugangstechniken steht dem nicht entgegen. Wie Teil 2, Kapitel A. IV. zeigt, sind die neuen Techniken räumlich begrenzt und noch weit davon entfernt, eine echte Alternative zu einem leitungsgebundenen, flächendeckenden Zugangsnetz zu bieten. (2) Telekommunikationsnetz als „Herrschaftseigentumsobjekt“ In der Informations- und Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts ist nicht mehr das Eigentum an Grund und Boden, an Produktionsmitteln und Kapital entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg, sondern das geistige Eigentum an Herrschaftswissen und das materielle Eigentum an Infrastrukturen, über die Informationen und Daten weltweit verfügbar gemacht werden können177. Ein Telekommunikationsnetz stellt deshalb ein Herrschaftseigentumsobjekt dar. Diese Eigenart des Telekommunikationsnetzes lässt die Angewiesenheit Dritter, der Endkunden wie der neuen Diensteanbieter, und darüber hinaus der gesamten Informationsund Wissensgesellschaft, plastisch werden. Die Besonderheit des Herrschaftseigentums liegt darin, dass der Eigentümer mit der Herrschaft über sein Objekt nicht bloß über dieses, sondern zugleich über weitere zentrale Bereiche der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen oder sozialen Entwicklung bestimmt, hier über denjenigen der Telekommunikationsdienstleistungen. „Content is King, but cable is King Kong“178. Hinzukommt, dass gerade dieser Bereich der Telekommunikationsdienste über immense Entwicklungspotentiale verfügt. Die gesamtwirtschaftliche Neuausrichtung unseres Gemeinwesens von einer Industrie- zu einer Informations- und Wissensgesellschaft ist grundlegend auf die Nutzung des Telekommunikationsfestnetzes angewiesen.
176 Hans-Jürgen Papier, Durchleitungen und Eigentum, BB 1997, S. 1213 (1216 f.); Matthias Herdegen, „Access“ im Verfassungsrecht: Zugang zu Netzwerken und zu geistigen Ressourcen, in: Festschrift für Hartmut Maurer, München 2001, S. 137 (140). 177 Jeremy Rifkin, Access – Das Verschwinden des Eigentums, 2. Aufl., Frankfurt 2000, S. 9 ff. (insbesondere 24 f.). 178 Michael Schmittmann / Jan Rudolf Busemann, Regulierung der letzten Meile, K&R 2000, S. 217 (225).
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(3) Vollständige Angewiesenheit Dritter auf die Nutzung des Telekommunikationsnetzes Endkunden als Teil der Allgemeinheit sind zwingend auf den Zugang zum Netz des Netzeigentümers angewiesen, um überhaupt Telekommunikationsdienste erhalten zu können. Ging es in der Industriegesellschaft bei der Versorgung der Bevölkerung mit Telekommunikationsdiensten noch um eine Facette der Befriedigung des individuellen Kommunikationsbedürfnisses, so steht in der Informationsund Wissensgesellschaft, insbesondere mit dem netzgebunden vermittelten Zugang zum Internet, die Partizipation an allen Gesellschaftsbereichen in Rede. Die Eröffnung des Wettbewerbs im Telekommunikationssektor meint dabei in erster Linie Wettbewerb auf Endkundenmärkten. Doch das Ob und das Wie dieser Wettbewerbseröffnung ist „kabelbestimmt“. Neue Anbieter sind auf die Nutzung des Festnetzes ebenfalls zwingend angewiesen, um überhaupt Dienste auf Endkundenmärkten offerieren zu können. (4) „Sozial-investitative Herkunft“ des Telekommunikationsnetzes Ein weiterer sozialer Bezug des Festnetzes der Deutsche Telekom AG, auf das sich der Zugangsermöglichungsanspruch des § 33 Abs. 1 TKG im konkreten Fall überwiegend richtet, ist dessen „investitative Herkunft“179. Damit ist nicht eine Bewertung des Zuordnungstatbestandes gemeint, der den Eigentumserwerb bewirkte. Es geht vielmehr um eine Bewertung dessen, was die Deutsche Telekom AG durch § 2 Abs. 1 Postumwandlungsgesetz erworben hat. Das Festnetz wurde zu Zeiten des Staatsmonopols auf- und ausgebaut. Die dazu benötigten Mittel stammten aus Telefongebühren, in deren Höhe sich eine Monopolrente niederschlug, ferner aus Steuergeldern und, in den neuen Bundesländern, aus der Solidaritätsabgabe. Die Investitionen in das Festnetz rühren also aus öffentlichen Geldmitteln. Der Aufbau dieses Netzes, so ist festzuhalten, wurde also umfassend staatlich gefördert180. Der Beitrag, den die Allgemeinheit zur Schaffung dieses, nun im Eigentum der Deutsche Telekom AG stehenden Netzes leistete, ist immens. Wenn der Gesetzgeber unter Berücksichtigung dieser sozialen Herkunft des Festnetzes einen Ausschnitt desselben wieder der Allgemeinheit, hier durch die Eröffnung von Wettbewerb, zugute kommen lässt, dann manifestiert sich in seinem Handeln der besondere soziale Bezug des Festnetzes.
179 Matthias Herdegen, „Access“ im Verfassungsrecht: Zugang zu Netzwerken und zu geistigen Ressourcen, in: Festschrift für Hartmut Maurer, München 2001, S. 137 (140) benutzt in diesem Sinn den Begriff „Genese der Netzinfrastruktur“. 180 Christian Koenig / Jens-Daniel Braun, Eigentumsschutz nach Art. 14 GG für durch staatliche Beihilfen Erworbenes?, NVwZ 1999, S. 1056 (1058 f.).
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Teil 5: Vorgaben des Grundgesetzes für den entbündelten Zugang
(5) Verstärkung des Sozialbezugs des Festnetzes der Deutsche Telekom AG durch Zuordnung des Breitbandkabelnetzes Der soziale Bezug des Festnetzes der Deutsche Telekom AG wird ferner dadurch verstärkt, dass sie gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Postumwandlungsgesetz nicht bloß Eigentum an diesem erwarb, sondern ihr darüber hinaus auch das Eigentum am Breitbandkabelnetz zugewiesen wurde. Zu einem späteren Verkauf des Breitbandkabelnetzes wurde die Deutsche Telekom AG nicht verpflichtet. Gemeinschaftsrechtlich oblag ihr lediglich, das Eigentum an beiden Netzen in selbständigen und rechtlich getrennten Einheiten zu halten, Art. 1 Entflechtungs-Richtlinie 99 / 64 / EG181. Auf diese Weise sollte sichergestellt werden, dass Umsätze transparent ausgewiesen und Quersubventionen vermieden werden. Das Breitbandkabelnetz entspricht dem Telekommunikationsfestnetz in seiner Singularität und in seiner sozial-investitativen Herkunft. Beide Infrastrukturen, das herkömmliche Telefonnetz und das zur Übertragung von Fernsehsendungen geschaffene Breitbandkabelnetz, verfügen über eine Ortsnetzebene. Beim Breitbandkabelnetz reicht diese jedenfalls bis zu den Grundstücksgrenzen (Netzebene 3, siehe Teil 2, Kapitel A. IV. 3.) und umfasst zu knapp einem Drittel auch die Grundstücks- und Hausverteilnetze (Netzebene 4). Beide Infrastrukturen sind also zu einem beachtlichen Teil mit der wirtschaftlich und marktstrukturpolitisch wertvollen letzten Kabelmeile ausgestattet. Das technisch als Koaxialnetz geführte Breitbandkabelnetz ist zwar nicht zur Datenübermittlung netzaufwärts konzipiert, also vom Privathaushalt zurück zur Sendezentrale. Es ist aber rückkanalfähig. Marktstrukturpolitisch hat der deutsche Gesetzgeber mit der Rechtsnachfolgeanordnung in § 2 Abs. 1 Satz 1 Postumwandlungsgesetz der Deutsche Telekom AG die Eigentümerstellung an zwei Schlüsselinfrastrukturen zugeordnet. Der Postumwandlungsgesetzgeber hat die Marktmachtstellung der Deutsche Telekom AG, die bereits durch das Telekommunikationsnetz erzeugt wurde, infrastrukturell noch verstärkt182. Wäre das gesamte Breitbandkabelnetz – mit der Verpflichtung zum Ausbau des Rückkanals – einem neuen Anbieter übertragen oder an diesen verkauft worden, konkurrierte ein alternatives Netz mit eigenem Teilnehmeranschlussbereich mit der Vorleistungsmacht der Deutsche Telekom AG. Durch diese marktstrukturpolitische Entscheidung für eine Übertragung auch des Breitbandkabelnetzes auf die Deutsche Telekom AG wurde die Angewiesenheit neuer Anbieter auf die Nutzung des Telekommunikationsfestnetzes noch erhöht.
181 Dass diese rechtlich selbständigen Einheiten einem übergeordneten Rechtsträger, sprich der Holdinggesellschaft Deutsche Telekom AG zugeordnet sind, steht dem nicht entgegen. 182 Hans-Werner Moritz, Schwächen der TK-Liberalisierung – Folgen der Übereignung des Festnetzes an die Deutsche Telekom AG, CR 1998, S. 13(15).
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(6) Zwischenergebnis Das Telekommunikationsfestnetz der Deutsche Telekom AG ist durch einen besonders hohen sozialen Bezug gekennzeichnet. Für neue Anbieter ist es wirtschaftlich nicht sinnvoll, ein dem Festnetz der Deutsche Telekom AG entsprechendes Kupfer- oder Glasfaserkabelnetz zu errichten. Die Deutsche Telekom AG verfügt daher über ein – gerade wegen seines Teilnehmeranschlusssegmentes – einmaliges Netz. Die gesamtwirtschaftliche Neuausrichtung unseres Gemeinwesens von einer Industrie- zu einer Informations- und Wissensgesellschaft hängt grundlegend von der Nutzung des Telekommunikationsnetzes ab. Neue Anbieter, als Katalysatoren für neue Dienste, sind vollständig auf die Nutzung dieses Herrschaftseigentumsobjektes angewiesen, um überhaupt Dienste auf Endkundenmärkten offerieren zu können. Diese Angewiesenheit wird durch die Eigentümerstellung der Deutsche Telekom AG am rückkanalfähigen Breitbandkabelnetz zusätzlich verstärkt. Eine weitere Intensivierung des Sozialbezuges des bundesweiten und flächendeckenden Telekommunikationsfestnetzes ergibt sich aus der Finanzierung seines Aufbaus mit öffentlichen Mitteln. cc) Zusammenfassung Die Eigenart eines Telekommunikationsnetzes wie dasjenige der Deutsche Telekom AG liegt in der Kombination einer mittleren individualschützenden und einer starken sozialen Funktion dieses Eigentumsobjektes. Das Ausmaß des durch § 33 Abs. 1 TKG betroffenen Schutzgutsektors ist im Wesentlichen auf eine unterschiedlich intensive Nutzung der äußersten einzelne Netzenden begrenzt. Konkret bedeutet dies Folgendes: Das Festnetz der Deutsche Telekom AG vermittelt dieser als Eigentümerin eine umfassende wirtschaftliche Machtstellung auf allen Endkundenmärkten und schafft eine nahezu vollständige Abhängigkeit neuer Diensteanbieter von ihrer Bereitschaft, das – ursprünglich mit öffentlichen Mitteln aufgebaute – Festnetz für deren Nutzung zu öffnen. Von der vollständigen Alleinnutzungsbefugnis des Netzeigentümers, die dessen umfassende wirtschaftliche Machtstellung vermittelt, betrifft § 33 Abs. 1 TKG allerdings lediglich einen Ausschnitt, der quantitativ durch bestimmte Teile des Festnetzes abgebildet wird und der qualitativ in Bezug auf diesen Teil von der Mitbenutzung bis zur Alleinnutzung durch Wettbewerber reichen kann. Dieses mittlere Maß an individueller Bedeutung des Netzeigentums trifft auf eine hohes Maß sozialer Bedeutung. So ist das Telekommunikationsfestnetz der Deutsche Telekom AG singulär, da neue Anbieter ein Festnetz mit entsprechendem Teilnehmeranschlussbereich wirtschaftlich nicht sinnvoll duplizieren können. Den Sozialbezug verstärkend kommt hinzu, dass das Festnetz der Deutsche Telekom AG aus öffentlichen Mitteln aufgebaut wurde. Überdies ist unser Gemeinwesen im Zuge der gesamtwirtschaftlichen Neuausrichtung zu einer Informations- und Wissensgesellschaft an sich grundlegend auf die Nutzung des Telekommunikationsnetzes angewiesen. Zudem sind neue Anbieter vollständig auf die Nutzung dieses Herrschaftseigentumsobjektes angewiesen, um überhaupt neue
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und wettbewerblich bepreiste Dienste auf Endkundenmärkten offerieren zu können. Diese Angewiesenheit wird durch die Eigentümerstellung der Deutsche Telekom AG am rückkanalfähigen Breitbandkabelnetz verfestigt.
b) Spezifität der Gesetzeszwecke Wettbewerbseröffnung und Wahrung der Wettbewerberinteressen Vorarbeiten für die „Wertstandortbestimmung“ des in den Gesetzeszwecken verkörperten öffentlichen Interesses Wettbewerbseröffnung und Wahrung der Wettbewerberinteressen finden sich vorstehend unter 2. Um die Bedeutung des Zugangsermöglichungsanspruchs des § 33 Abs. 1 TKG für das öffentliche Interesse zu evaluieren, ist hypothetisch herauszuarbeiten, welche Einbußen mit dem Nichterlass des § 33 Abs. 1 TKG verbunden wären und welche Bedeutung gerade diesem Ausschnitt des öffentlichen Interesses zukommt.
aa) Tatsächliche Wettbewerbseröffnung auf Endkundenmärkten für Telekommunikationsdienste durch Abbau der wesentlichen Marktzutrittsbarriere Ergebnis des Vorarbeiten unter 2. ist, dass der Gesetzgeber mit § 33 Abs. 1 TKG nicht pauschal die Wettbewerbsförderung im Telekommunikationssektor anstrebt. Die rechtlichen Voraussetzungen der Wettbewerbseröffnung sind mit Aufhebung aller Ausschließlichkeitsrechte und Statuierung von grundsätzlich allen Anbietern zugänglichen Lizenzen (§§ 6 ff. TKG) geschaffen. Der Gesetzgeber verfolgt mit dem Regulierungsinstrument des § 33 Abs. 1 TKG vielmehr die tatsächliche Eröffnung von Wettbewerb auf allen aktuellen und potentiellen Endkundenmärkten für Telekommunikationsdienstleistungen. Dieses Ziel soll durch den Abbau der wesentlichen und besonders hohen faktischen Marktzutrittsbarriere, der Nutzung des Telekommunikationsfestnetzes der Deutsche Telekom AG verwirklicht werden, welche die unabdingbare Vorleistung für den Zutritt zu sämtlichen nachgelagerten Endkundenmärkten darstellt. Diese tatsächliche Wettbewerbseröffnung ist verfassungsrechtlich aufgrund der Regelung des Art. 87 Buchstabe f Abs. 2 Satz 2 GG geboten. Art. 87 Buchstabe f Abs. 2 Satz 2 GG beinhaltet keine Kompetenznorm, sondern die inhaltliche Vorgabe des Grundgesetzes für ein Privatisierungs- und Entmonopolisierungsfolgenrecht. Die tatsächliche Eröffnung von Wettbewerb, und zwar durch die mitgliedstaatliche Schaffung von Netzzugangsregelungen, ist zudem gemeinschaftssekundärrechtlich in den Harmonisierungsrichtlinien 97 / 33 / EG und 98 / 10 / EG vorgegeben. Hätte der Gesetzgeber auf die Schaffung einer Zugangsnorm wie derjenigen des § 33 Abs. 1 TKG verzichtet, setzte er sich in Widerspruch zu den Vorgaben aus Art. 87 Buchstabe f Abs. 2 Satz 2 GG und könnte gemeinschaftsrechtlich mit einem Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 226 EGV überzogen werden sein. Abgesehen davon wäre bei Nichterlass des § 33
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Abs. 1 TKG eine Förderung der tatsächlichen Wettbewerbseröffnung nahezu vollständig unterblieben. Die Deutsche Telekom AG hätte ihre faktische Monopolstellung auf sämtlichen Endkundenmärkten im Festnetzsektor perpetuieren können. Vor allem der Zugang zum letzten Segment des Festnetzes, der Teilnehmeranschlussleitung, wäre neuen Anbietern versperrt geblieben. Das öffentliche Interesse wäre also bei Nichterlass des § 33 Abs. 1 TKG nicht bloß in einem bestimmten Ausschnitt betroffen, sondern nahezu in toto. bb) Wahrung der Interessen neuer Anbieter von Endkundendiensten ohne eigenes Netz im Teilnehmeranschlussbereich durch Zugangsermöglichung zur vorhandenen Infrastruktur Die Wahrung der Interessen neuer Anbieter beim Offerieren von Telekommunikationsdiensten auf Endkundenmärkten setzt voraus, dass diese überhaupt in der Lage sind, Dienste anzubieten. Die ökonomischen Vorüberlegungen (Teil 2, Kapitel B. I. 2. und II.) haben ergeben, dass neue Anbieter insbesondere im Teilnehmeranschlussbereich weder über eigene Netze verfügen noch diese wirtschaftlich sinnvoll aufbauen können. Die Überlegungen haben aber auch gezeigt, dass der Zugang gerade zu diesem Netzsegment Schlüsselvoraussetzung ist, um Kunden mit Festnetzdiensten überhaupt bedienen zu können. Die Wahrung der Interessen von Anbieternutzern, die § 33 Abs. 1 TKG verfolgt, ist zu präzisieren: Es muss sich um neue Anbieter von Endkundendiensten ohne eigenes Netz im Teilnehmeranschlussbereich handeln, denen der Zugang zur vorhandenen Infrastruktur erst ermöglicht werden soll. Dieser Gesetzeszweck ist berufsgrundrechtlich unterlegt, worauf im Folgenden noch näher eingegangen wird (siehe d)). Die Wahrung dieser Anbieterinteressen ist zudem gemeinschaftssekundärrechtlich vorgegeben, und zwar in den Harmonisierungsrichtlinien 97 / 33 / EG und 98 / 10 / EG. Die Interessenwahrung der neuen Anbieternutzer ist das unternehmens-personale Pendant zum allgemein-marktbezogenen Gesetzeszweck der tatsächlichen Wettbewerbseröffnung. Ohne einen Zugangsermöglichungsanspruch, der auch auf die entbündelte Teilnehmeranschlussleitung gerichtet sein kann, wären die Interessen dieser neuen Anbieternutzer mangels faktischer Marktzutrittsmöglichkeit in keiner Weise gewahrt. Das gesetzgeberische Interesse wäre also nicht bloß in einem bestimmten funktionalen Sektor betroffen sondern nahezu gänzlich. cc) Zusammenfassung Die mit § 33 Abs. 1 TKG angestrebten gesetzgeberischen Zwecke, die tatsächliche Wettbewerbseröffnung auf Endkundenmärkten und die Wahrung der Interessen zugangsinfrastrukturloser, neuer Anbieter auf diesen Märkten stehen in einem Gegenseitigkeitsverhältnis. Die Wettbewerbseröffnung kann nicht ohne den Marktzutritt neuer Anbieter erreicht werden. Erst die Wahrung der Interessen neuer Anbieter durch Zugangsermöglichung zur vorhandenen Infrastruktur eröffnet den
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Wettbewerb tatsächlich. Durch Nichterlass des § 33 Abs. 1 TKG wären beide gesetzgeberische Interessen nicht nur in einem Sektor betroffen, sondern ihre Verfolgung unterbliebe praktisch vollständig. Das Ausmaß, in dem die Gemeinwohlanliegen ohne eine § 33 Abs. 1 TKG entsprechende Zugangsregelung beeinträchtigt würden, wäre demzufolge beträchtlich.
c) Gesetzgeberischer Legitimationsaufwand nach Maßgabe der eigentumsfreiheitlichen Schutzintensität Abwägungsleitend kann aus der grundrechtlichen Schutzintensität der Legitimationsaufwand des Gesetzgebers für die Eigentumsbeeinträchtigung durch § 33 Abs. 1 TKG graduell als gering, mittel oder groß eingestuft werden. Es ist also herauszuarbeiten, ob der durch § 33 Abs. 1 TKG konkret betroffene Gewährleistungsausschnitt des spezifischen Schutzgutes von zentraler, mittlerer oder geringer Bedeutung für den Grundrechtsträger ist. Dies erfolgt mittels wertender Einordnung der durch § 33 Abs. 1 verkürzten Nutzungsbefugnisse der Deutsche Telekom AG an deren Telekommunikationsfestnetz in die drei „Pfirsichschichten“: Kern-, Mittel- und Randbereich. Ist die Nutzungsbeschränkung in Bezug auf das Festnetz der Deutsche Telekom AG Teil des Randbereichs grundrechtlicher Gewährleistung, so ist der vom Gesetzgeber geforderte Legitimationsaufwand geringer als bei einer Betroffenheit des Mittelbereiches. Dementsprechend muss der Grundrechtsträger eher Einschränkungen hinnehmen. Vorliegend ist ein Indiz für die Betroffenheit des Randbereichs, dass das umfassende Nutzungsbefugnisse vermittelnde, zivil rechtliche Eigentum am gesamten Festnetz aus Zugangs- und Fernbereich betroffen ist, und nicht etwa eine einzelne, eigentumsrechtlich verselbständigte Nutzungsbefugnis an einem Netzsegment. Weiteres Indiz dafür ist, dass § 33 Abs. 1 TKG den Bestand der eigentumsrechtlichen Zuordnung unangetastet lässt. Es werden durch § 33 Abs. 1 TKG bloß einzelne Nutzungsbefugnisse des Netzeigentümers verkürzt, wenn auch für den bedeutenden Teilnehmeranschlussbereich. Diese Verkürzung erfolgt allerdings nur auf der Ebene der Vertragsgestaltung über die Fremdnutzung des Netzes. § 33 Abs. 1 TKG verpflichtet den Netzeigentümer nicht, ohne Vertragsgrundlage zu dulden, dass der Wettbewerber selbst den tatsächlichen Zugriff auf das Festnetz realisiert. Trotz des starken Individualbezugs des Netzes auf die Deutsche Telekom AG in Gestalt der umfassenden wirtschaftlichen Machtstellung, die es ihr vermittelt, betrifft § 33 Abs. 1 TKG immer bloß einen begrenzten Sektor des Eigentumsobjektes und einen ebenfalls begrenzten Gewährleistungsausschnitt. Dies lässt den Schluss zu, dass lediglich die Randschicht der eigentumsgrundrechtlichen Gewährleistung durch § 33 Abs. 1 TKG betroffen ist. Korrelierend ist die Schutzintensität als Standard- und Basisschutz der Eigentumsgarantie einzustufen. Der gesetzgeberische Legitimationsaufwand ist grundsätzlich als eher gering zu bewerten. Ob ausnahmsweise ein höheres Maß an Schutzintensität geboten ist, also das Schutzintensitätsmaß der mittleren Schicht erreicht ist, wird entsprechend der neueren verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung im Hin-
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blick auf die Qualität und die Quantität der konkreten Nutzungsbeeinträchtigung ausgemacht. Einstiegsfrage ist, ob dem Eigentümer durch die konkrete Nutzungsbeschränkung überhaupt noch eine sinnvolle andere Nutzungsmöglichkeit verbleibt. Besteht eine solche, insbesondere wirtschaftlich sinnvolle andere Nutzungsmöglichkeit fort, hat der eigentumsbeeinträchtigende Gesetzgeber „nur“ den besagten Standardschutz zu gewährleisten. Nimmt man den entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung in den Blick, wird deutlich, dass sich die in § 33 Abs. 1 TKG liegende Nutzungsbeschränkung nur auf einen Ausschnitt des Gesamtfestnetzes bezieht. Lediglich dessen äußerste, wenn auch wirtschaftlich – für Ortsgespräche und die Bereitstellung des Teilnehmeranschlusses – bedeutende Enden sind betroffen. Die gesamte – wirtschaftlich ebenfalls wichtige –Abwicklung des Ferngesprächsverkehrs über das Fernnetz ist insofern allerdings nicht berührt. Auch bezieht sich der Zugangsermöglichungsanspruch des § 33 Abs. 1 TKG auf einzelne Teilnehmeranschlussleitungen, zu denen der Wettbewerber in einem konkreten Fall Zugang begehrt. Ein totaler Pauschalzugriff auf alle Teilnehmeranschlussleitungen der Deutsche Telekom AG beispielsweise in einem Ortsvermittlungsbereich ist davon nicht umfasst183. Ferner kann die Deutsche Telekom AG weiterhin Schalt-, Vermittlungs- und Übertragungstechniken im Ortsnetzbereich erforschen, entwickeln und für die ihr verbleibenden – und (bei Wegfall des Nutzungsbedarfs des Wettbewerbers) ihr rücküberlassenen Teilnehmeranschlussleitungen anwenden. Gleiches gilt für Techniken zur Erweiterung von Übertragungskapazitäten. Zudem ist der Anspruch aus § 33 Abs. 1 TKG grundsätzlich bloß auf Abschluss eines Rahmenzugangsvertrags gerichtet. Dieser kann Ausnahmen vorsehen, in denen kein entbündelter, sondern nur ein gebündelter Zugang zu gewähren ist. Gegebenenfalls kann der Zugang sogar ganz verweigert werden. Auch erfolgt die einzelne Zugangsvereinbarung über eine konkrete Teilnehmeranschlussleitung regelmäßig erst aufgrund des Rahmenvertrages, also in einem zweiten Schritt. In summa verbleiben dem Festnetzeigentümer trotz der in § 33 Abs. 1 TKG begründeten, konkreten Nutzungsbeschränkung – insbesondere im Hinblick auf die Nutzung des gesamten Fernnetzes für den Ferngesprächsverkehr sowie die Forschungs- und Entwicklungsmöglichkeiten im Ortsnetzsektor – weit mehr als eine wirtschaftlich sinnvolle andere Nutzungsoption des Telekommunikationsfestnetzes. Somit bleibt es bei der Einstufung des gesetzgeberischen Legitimationsaufwandes für die Eigentumsbeeinträchtigung durch § 33 Abs. 1 TKG als gering. Die Deutsche Telekom AG hat also eher grundrechtliche Einschränkungen hinzunehmen als ein Grundrechtsträger, dessen Schutzgut im mittleren, an der Bestandsgarantie orientierten Gewährleistungsbereich betroffen ist.
183 So müssen – nach Auffassung der Regulierungsbehörde – Wettbewerber, die Zugang zu mehr als 100 Teilnehmeranschlussleitungen in einem Monat vorbestellen, dann aber mangels konkreten Bedarfs weniger abnehmen können, der Deutsche Telekom AG vertragsstrafenähnliche Abstandszahlungen von 10 Euro je Leitung außerhalb bestimmter Toleranzgrenzen leisten, FAZ vom 2. Juli 2002, S. 13.
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d) Eingriffslegitimierende Kraft der spezifischen Gesetzeszwecke Aus der Eigenart des vom Gesetzgeber verfolgten Eingriffszwecks kann dessen an sich bestehende, eingriffslegitimierende Kraft graduell als gering, mittel oder groß evaluiert werden. Vorliegend geht es um die verfassungsrechtlich aus Art. 87 Buchstabe f Abs. 2 Satz 1 GG gebotene und gemeinschaftssekundärrechtlich geforderte, tatsächliche Eröffnung des Wettbewerbs auf allen Endkundenmärkten für Telekommunikationsdienste durch Abbau der Marktzutrittsschranken. Wenn die Verfolgung allgemeiner gesellschaftspolitischer Vorstellungen am unteren Ende der Skala steht, dann ist die eingriffslegitimierende Kraft einer verfassungs- und gemeinschaftsrechtlich gebotenen Zweckverfolgung am oberen Ende der Skala einzuordnen. Entsprechendes gilt für die zweite gesetzgeberische Zweckverfolgung: Die Wahrung der Anbieternutzerinteressen. Beide Gesetzeszwecke legitimieren ein Zurücktreten eigentumsgrundrechtlicher Nutzungsgewährleistungen am Festnetz in einem hohen Maße.
e) Verstärkung der abzuwägenden Güter durch mitbeeinträchtigte beziehungsweise hinzutretende Positionen Das Gewicht des durch § 33 Abs. 1 TKG beeinträchtigten Netzeigentums kann in Relation zur tatsächlichen Wettbewerbseröffnung und der Wahrung der Anbieternutzerinteressen dadurch verstärkt werden, dass noch ein zweiter, verfassungsmäßig anerkannter Wert mit auf seiner Waagschale liegt. So kann eine weitere grundrechtliche Gewährleistung des Anspruchsverpflichteten durch § 33 Abs. 1 TKG beeinträchtigt sein. Dies gilt allerdings auch für die Gegenposition: So kann ebenso der Gesetzeszweck in Relation zum Eigentumsschutz dadurch verstärkt werden, dass eine weitere, vom Grundgesetz anerkannte Position das Gewicht der Waagschale des Gesetzeszwecks erhöht. aa) Eigentumsschutz verstärkt durch Berufsschutz Bei der durch § 33 Abs. 1 TKG bewirkten Eigentumsbeeinträchtigung steht die Abwehr einer Drittnutzung des erworbenen Telekommunikationsnetzes und die Wahrung der vollumfänglichen Selbstnutzung für den Eigentümer im Zentrum der individualschützenden Eigentumsfreiheit. Demgegenüber geht es bei einer Verkürzung der Berufsfreiheit durch § 33 Abs. 1 TKG um die Abwehr einer Beschränkung des Rechts, den wesentlichen Unternehmensgegenstand vollumfänglich selbst zum Erbringen von Dienstleistungen und zur Erzielung von Entgelten einzusetzen. Durch § 33 Abs. 1 TKG sind daher die Wappen- und die Zahlseite ein und derselben Münze betroffen. Der Eigentumsschutz wird also durch den Berufsschutz verstärkt. Auf Einzelheiten der Schutzbereichsbetroffenheit von Art. 12 Abs. 1 GG zugunsten des aus § 33 Abs. 1 TKG Anspruchsverpflichteten wird nachfolgend in einem besonderen Kapitel C. eingegangen.
B. Vereinbarkeit des § 33 Abs. 1 TKG mit dem Grundrecht der Eigentumsfreiheit 285
bb) Verstärkung des Eingriffszwecks Das Gewicht des Eingriffszwecks kann in Relation zum Eigentumsschutz in zwei Richtungen verstärkt werden: Zum einen kann diese Verstärkung darauf beruhen, dass der Gesetzgeber zwei Gesetzeszwecke durch § 33 Abs. 1 TKG verfolgt. Zum anderen kann sich eine Verstärkung daraus ergeben, dass ein bislang noch nicht umfassend berücksichtigter, weiterer Verfassungswert zu dem Gesetzeszweck hinzutritt. Das Gewicht von Art. 87 Buchstabe f Abs. 2 Satz 1 GG ist bei Evaluierung der eingriffslegitimierenden Kraft des spezifischen Gesetzeszweckes bereits berücksichtigt worden. Allerdings ist die Wahrung der Anbieternutzerinteressen darüber hinaus berufsgrundrechtlich unterfüttert. Diesem Aspekt ist hier nachzugehen. (1) Janusköpfigkeit des Eingriffszwecks Mit der tatsächlichen Eröffnung von Wettbewerb auf allen Endkundenmärkten für Telekommunikationsdienste und der Wahrung der Anbieternutzerinteressen verfolgt der Gesetzgeber in quantitativer Hinsicht zwei Gesetzeszwecke. Diese zeichnen sich in qualitativer Hinsicht zudem durch ihr Aufeinanderbezogensein aus. Zwei Stränge vereinen und verstärken sich daher in Richtung der gesetzgeberischen Zweckverfolgung. (2) Berufsgrundrechtliches Gebotensein der Wahrung von Wettbewerberinteressen? Der Gesetzeszweck, Wahrung der Wettbewerberinteressen, könnte durch das Grundrecht neuer Anbieter von Telekommunikationsdiensten auf freie Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) verstärkt werden184. Dies setzt voraus, dass der Gesetzgeber aus Art. 12 Abs. 1 GG verpflichtet ist, zugunsten dieser neuen Anbieter eine Zugangsermöglichung zur vorhandenen Infrastruktur des Marktbeherrschers zu schaffen. Art. 12 Abs. 1 GG müsste also eine Pflicht des Gesetzgebers enthalten, neue netzlose Wettbewerber vor der Marktübermacht des vertikal integrierten Netzbetreibers Deutsche Telekom AG zu schützen. Der Verpflichtung, einen solchen Gewährleistungsgehalt der Berufsfreiheit zugunsten neuer Anbieter zu entfalten, vermag der Gesetzgeber durch Schaffung von Zugangsnormen zu genügen. Im äußersten Fall, d. h. bei Bestehen einer hinreichend konkreten Handlungspflicht, genau die Zugangsregelung des § 33 TKG zu erzeugen, könnte der Nichterlass des § 33 Abs. 1 TKG nebst der ihn intensivierenden Befugnisnorm des § 33 Abs. 2 184 Vgl. Guido Meyer-Arndt, Der Zutritt der neuen Wettbewerber zu den lokalen Märkten der Telekommunikation, ZUM 1996, S. 757 (760 ff.), der bereits in der Übertragung des Breitbandkabelnetzes auf die Deutsche Telekom AG durch § 2 Abs. 1 Satz 1 Postumwandlungsgesetz einen Eingriff in die Berufsfreiheit aktueller und künftiger Wettbewerber des Marktbeherrschers sieht.
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Teil 5: Vorgaben des Grundgesetzes für den entbündelten Zugang
Satz 1 TKG als Verletzung der Berufsfreiheit der Wettbewerber durch gesetzgeberisches Unterlassen qualifiziert werden. Aber auch für den Fall, dass nur ein allgemeine Handlungspflicht des Gesetzgebers im Hinblick auf die Zugangsermöglichung zu Gunsten neuer Anbieter besteht, wäre eine Untätigkeit als Verletzung einer solchen berufsgrundrechtlichen Handlungspflicht einzuordnen. Existiert also bereits eine solche allgemeine Handlungspflicht des Gesetzgebers, kann die Regelung der Zugangsermöglichung als berufsgrundrechtlich geboten qualifiziert werden und im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Eigentumsschutz und Wahrung der Wettbewerberinteressen letztere verstärken. Zu beachten ist allerdings, dass Freiheitsgrundrechte wie Art. 12 Abs. 1 GG grundsätzlich als subjektive Abwehrrechte des Einzelnen gegen staatliche Eingriffe konzipiert sind185, nicht aber als Leistungsrechte, aus denen der Grundrechtsträger vom Staat ein Handeln – wie Schutz vor Konkurrenz – fordern kann. Allerdings enthalten Grundrechte neben dieser subjektiv-rechtlichen Abwehrdimension einen objektiv-rechtlichen Gewährleistungsgehalt186. Das Bundesverfassungsgericht187 und die herrschende Meinung in der Literatur188 leiten vor allem aus diesen objektiven Wertentscheidungen des betroffenen Grundrechts die Existenz staatlicher Schutzpflichten her: Dabei bestehe, so das Bundesverfassungsgericht, eine Verpflichtung des Staates, für die Umsetzung dieser objektiven Wertentscheidungen in der Rechtsordnung zu sorgen. Diese „Verpflichtung zur Werteentfaltung“ gilt in besonderem Maße für den Gesetzgeber. Festzuhalten ist daher, dass die Frage, ob der Gesetzgeber aus Art. 12 Abs. 1 GG verpflichtet ist, zu Gunsten neuer Anbieter von Telekommunikationsdiensten eine Zugangsermöglichung zur vorhandenen Infrastruktur des Marktbeherrschers zu schaffen, erstens davon abhängt, ob und in welchem Umfang eine Schutzpflicht aus Art. 12 Abs. 1 GG besteht. Zweitens ist zu prüfen, ob bereits ergriffene staatliche Maßnahmen diese Schutzpflicht erfüllen, d. h. insbesondere, ob die Handlungspflicht durch den Erlass anderer Gesetze als Zugangsregelungen – vorliegend beispielsweise die Lizenzvorschriften der §§ 6 ff. TKG – bereits erloschen ist. Zum Bestehen und zum Umfang grundrechtlicher Schutzpflichten führt das Bundesverfassungsgericht in der Kalkar-I-Entscheidung aus: „Ob, wann und mit welchem Inhalt . . . (sic. der 185 Statt vieler Bodo Pieroth / Bernhard Schlink, Grundrechte, 17. Aufl., Heidelberg 2001, Rdnrn. 58 f. 186 Statt vieler Bodo Pieroth / Bernhard Schlink, Grundrechte, 17. Aufl., Heidelberg 2001, Rdnrn. 73 ff. 187 BVerfGE 39, S. 1 (42) – Schwangerschaftsabbruch I; BVerfGE 46, S. 160 (164) – Schleyer; BVerfGE 49, S. 89 (141) – Kalkar I; BVerfGE 53, S. 30 (57) – Mühlheim-Kärlich; BVerfGE 56, S. 54 (73) – Fluglärm; BVerfGE 88, S. 203 (251 ff.) – Schwangerschaftsabbruch II; BVerfGE 81, S. 242 (255); BVerfG 92, S. 26 (46); BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 1998, Az. 1 BvR 180 / 88, NJW 1998, S. 3264 (3265). 188 Statt vieler Christian Callies / Axel Kallmayer, Der praktische Fall – Öffentliches Recht: Abwehrrechte und Schutzpflichten aus Grundrechten, JuS 1999, S. 785 (789); Bodo Pieroth / Bernhard Schlink, Grundrechte, 17. Aufl., Heidelberg 2001, Rdnr. 92 f.; Robert Alexy, Theorie der Grundrechte, 2. Aufl., Frankfurt am Main 1994, S. 410 ff.
B. Vereinbarkeit des § 33 Abs. 1 TKG mit dem Grundrecht der Eigentumsfreiheit 287
Gesetzgeber in einem konkreten Fall tätig werden muss), hängt von der Art, der Nähe und dem Ausmaß möglicher Gefahren, der Art und dem Rang des verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgutes sowie von den schon vorhandenen Regelungen ab“189. Legt man diesen Obersatz des Bundesverfassungsgerichts zu Grunde, ist die Frage nach der Existenz einer Schutzpflicht durch Evaluierung der Qualität der Gefahr für das Schutzgut „Beruf“, der Qualität des verfassungsrechtlich geschützten Gutes „Beruf“ sowie der Qualität der bereits vorhandenen Regelungen zu beantworten. Eine konkrete Gefahr für ein wichtiges Verfassungsgut und das Fehlen adäquater Regelungen, um dieser Gefahr zu begegnen, lassen den Schluss auf die Existenz einer Schutzpflicht zu. Im privatwirtschaftlichen Wettbewerb ist das Schutzgut „Beruf“, hier in Gestalt der Erbringung von Telekommunikationsdiensten, vielen Gefahren ausgesetzt, die gerade aus dem berufsgrundrechtlich gewollten Spiel der freien wirtschaftlichen Kräfte von Angebot und Nachfrage auf einem Markt resultieren. Gefahren, die für die Begründung einer Schutzpflicht relevant sind, liegen darin allerdings nicht. Der Anbieter mit dem attraktivsten Angebot kann und soll sich auf dem relevanten Markt durchsetzen und anderen Anbietern Marktanteile „wegnehmen“. Demzufolge ist der Gesetzgeber aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht verpflichtet, die Wettbewerbsfähigkeit des einzelnen Wettbewerbers gegenüber marktmächtigen anderen Anbietern zu schützen. Eine aktive Förderung wirtschaftlicher Chancen der Konkurrenten durch gesetzgeberische Maßnahmen ist mangels einer Schutzpflicht relevanten Gefahr für das Schutzgut „Beruf“ grundrechtlich nicht geboten190. Aus diesem Grund besteht auch keine grundrechtliche Schutzpflicht des Staates, Wettbewerber vor dem Missbrauch desjenigen Wettbewerbsvorteils zu schützen, den der Eigentümer des Zugangsnetzes kraft seiner Zugangskontrollstellung und der daraus resultierenden Zugangsmarktmacht hat191. Ferner besteht demzufolge eine Schutzpflicht relevante Gefahr für das Schutzgut „Beruf“ auch nicht, wenn einem potentiellen neuen Anbieter der Marktzutritt durch hohe faktische Marktzutrittsbarrieren erschwert ist. Der neu in einen Markt eintretende Unternehmer hat alle Investitionen für diesen Markteintritt selbst zu tragen192. Der Abbau faktischer Marktzutrittschranken bei rechtlich gleichen Zutrittsmöglichkeiten liegt regelmäßig außerhalb berufsgrundrechtlicher Gewährleistung. Eine im Hinblick auf eine staatliche Schutzpflicht relevante Gefahr für das Schutzgut „Beruf“ kann aber dann vorliegen, wenn der Gesetzgeber selbst bestehende, gegen potentielle WettBVerfGE 49, S. 89 (142). Ulrich Büdenbender, Durchleitungen in der Elektrizitätswirtschaft und Eigentumsschutz, WuW 2000, S. 119 (131, Fußnote 58). 191 Diesen Gedanken wirft auf Michael Holzhäuser, Essential Facilities in der Telekommunikation, München 2001, S. 168. 192 Matthias Herdegen, „Access“ im Verfassungsrecht: Zugang zu Netzwerken und zu geistigen Ressourcen, in: Festschrift für Hartmut Maurer, München 2001, S. 137 (139); Ulrich Büdenbender, Durchleitungen in der Elektrizitätswirtschaft und Eigentumsschutz, WuW 2000, S. 119. 189 190
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Teil 5: Vorgaben des Grundgesetzes für den entbündelten Zugang
bewerber des Monopolisten gerichtete Grundrechtsbeschränkungen zurückgenommen hat193. Die berufsgrundrechtlichen Beschränkungen potentieller Wettbewerber bestanden vorliegend – im Rahmen einer natürliche Monopole voraussetzenden Ordnung der Telekommunikationsmärkte – in den Ausschließlichkeitsrechten des Monopolisten, insbesondere Telekommunikationsdienste zu erbringen. Das ursprüngliche Spiel der Marktkräfte, welches der Staat durch die Monopolwirtschaft unterbrochen hatte, muss er aktiv wieder in Gang setzten, wenn der Grund für diese Unterbrechung durch eine neue gesetzgeberische Entscheidung, nämlich die Wettbewerbseröffnung in der Telekommunikation, wegfällt194. Ohne die Entfaltung gesetzgeberischer Aktivität im Hinblick auf die „Wiederbelebung“ des Wettbewerbs ist das Schutzgut „Beruf“ potentieller aber netzloser Anbieter chancenlos der Marktübermacht des ehemaligen Staatspmonopolisten ausgeliefert. Denn der faktische Marktzutritt neuer Wettbewerber ist im Wesentlichen determiniert durch die Nutzungsmöglichkeit des bestehenden Festnetzes der Deutsche Telekom AG, und zwar samt dessen Teilnehmeranschlussbereich. Wegen der ökonomischen Besonderheiten von Telekommunikationsnetzen, siehe Teil 2, Kapitel B. IV., steht die wirtschaftliche Unzumutbarkeit für den neuen Anbieter, ein eigenes Zugangsnetz aufzubauen, von vornherein fest. Andere Zugangstechniken stehen nicht als echte Alternative zu einem leitungsgebundenen Zugangsnetz zur Verfügung. Ohne die Ermöglichung des Netzzugangs für neue Anbieter wäre das vormals rechtliche Monopol der Deutsche Telekom AG daher in ein faktisches Monopol umgewandelt und perpetuiert worden. Eine auch nur geringe Chance in Gestalt eines unternehmerischen Anreizes, Telekommunikationsdienste zu erbringen, hätte für potentielle aber netzlose Wettbewerber von vornherein nicht bestanden. Festzuhalten ist somit, dass wegen der besonderen Lage im Bereich der Telekommunikation, die durch die Aufhebung umfassender Monopolrechte und der damit verbundenen Rücknahme einer Beschränkung der Berufsfreiheit potentieller Wettbewerber des Monopolisten, gekennzeichnet ist, vorliegend eine Schutzpflicht relevante und konkrete Gefahr für das Schutzgut „Beruf“ zu bejahen ist. Ferner zeichnet sich das Schutzgut „Beruf“ qualitativ dadurch aus, dass es der Schaffung einer Lebensgrundlage durch Einsatz der eigenen Arbeitskraft oder der Ermöglichung unternehmerischer Betätigung durch Einsatz von Kapital, Sachmitteln und Arbeitskräften dient. Die Berufsfreiheit ist ferner eine Voraussetzung für die Entfaltung einer wettbewerblichen Wirtschaftsordnung. Zwar mag man innerhalb grundrechtlicher Schutzgüter dem Rechtsgut „Leben“ einen besonders hohen verfassungsrechtlichen Schutzbedarf attestieren. Daraus folgt jedoch nicht, dass andere Schutzgüter nicht schutzbedürftig sind. Alle durch besondere Grundrechte 193 Christian Theobald / Ines Zenke, Der Zugang zu Strom- und Gasnetzen: Eine Rechtsprechungsübersicht, WuW 2001, S. 19 (25 f.); Hans-Jürgen Papier, Durchleitungen und Eigentum, BB 1997, S. 1213 (1217 f.). 194 So auch im Hinblick auf den Postsektor, Heike Jochum, Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG, 1. Auflage, Berlin 2001, S. 111 f.
B. Vereinbarkeit des § 33 Abs. 1 TKG mit dem Grundrecht der Eigentumsfreiheit 289
geschützten Verfassungsgüter zeichnen sich durch eine hohe Schutzbedürftigkeit aus. Dies trifft folglich auch auf das Schutzgut „Beruf“ zu. Weiterhin fehlen auch – wie bereits angeklungen ist – adäquate Regelungen, um der Schutzpflicht relevanten Gefahr für potentielle aber netzlose Wettbewerber, die von der Umwandlung der ausgehobenen Monopolrechte in faktische Monopole ausgeht, zu begegnen. Zwar hat der Gesetzgeber in §§ 6 ff. TKG das Lizenzvergabeverfahren geregelt und mit diesen Vorschriften grundsätzlich allen potentiellen Anbietern die rechtliche Möglichkeit eröffnet, Telekommunikationsdienste zu erbringen. Diese Regelungen erweisen sich allerdings lediglich als actus contrarius in Bezug auf die vormaligen Ausschließlichkeitsrechte. Der Gefahr für neue Anbieter, die gerade aus der durch die alten Monopolrechte begründeten faktischen Machtstellung der Deutsche Telekom AG resultiert, wird dadurch überhaupt nicht begegnet. Die rechtlich Eröffnung des Marktzutritts ist im privatisierten und entmonopolisierten Telekommunikationssektor völlig unzureichend, um überhaupt Wettbewerb zu schaffen. Wie vorstehend in Abschnitt 2. a) gezeigt, lässt sich daher auch aus Art. 87 Buchstabe f Abs. 2 Satz 1 GG die faktische Wettbewerbseröffnung als Vorgabe an den Gesetzgeber folgern. Erst Vorschriften, die die Zugangsermöglichung zum Netz des Marktbeherrschers zu Gunsten potentieller aber netzloser Wettbewerber regeln, sind adäquat, um der Gefahr faktisch vollständig unzugänglicher Märkte in der Telekommunikation zu begegnen195. Die tatsächliche Berufsausübungsfreiheit des netzlosen Wettbewerbers „lebt und stirbt zuvorderst mit der Aussicht auf einen vom Grundsatz her im gesamten Bundesgebiet freien und im Vollzug zeitnahen Netzzugang“196. Festzuhalten ist somit, dass vorliegend die Evaluierung der Qualität der Gefahr für das Schutzgut „Beruf“, dessen verfassungsrechtliche Bedeutung sowie des Fehlens adäquater Regelungen, um dieser Gefahr zu begegnen, zur Bejahung einer staatlichen Schutzpflicht aus der objektiv-rechtlichen Wertentscheidung des Art. 12 Abs. 1 GG, das Schutzgut „Beruf“ in einer wettbewerblichen Marktordnung nicht vollständig chancenlos zu lassen, führen. Eine allgemeine Handlungspflicht des Gesetzgebers zur Regelung der Zugangsermöglichung besteht also. Eine darüber hinausgehende konkrete Handlungspflicht des Gesetzgebers, eine ganz bestimmte Zugangsregelung zu schaffen oder gar eine Norm zu erlassen, die § 33 TKG entspricht und demzufolge entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung gewährt, besteht allerdings nicht. Dem Gesetzgeber ist ein grosser Spielraum zuzugestehen, wie er seiner bestehenden Pflicht zum schützenden Tun genügt. Im Hinblick auf das vorliegend zu untersuchende Verhältnis zwischen Eigentumsschutz und Wahrung der Wettbewerberinteressen wird das gesetzgeberische Ziel, die Wettbewerberinteressen zu wahren, allerdings bereits durch die 195 Guido Meyer-Arndt, Der Zutritt der neuen Wettbewerber zu den lokalen Märkten der Telekommunikation, ZUM 1996, S. 757 (763); siehe auch Rupert Scholz, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Theodor Maunz, Günter Dürig u. a., Bd. II, München Stand: Juli 2001, Art. 12, Rdnr. 124. 196 ChristianTheobald / Ines Zenke, Der Zugang zu Strom- und Gasnetzen: Eine Rechtsprechungsübersicht, WuW 2001, S. 19 (25).
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Existenz einer Handlungspflicht des Gesetzgebers, die Zugangsermöglichung zu regeln, verstärkt. Festzuhalten ist insgesamt, die gesetzgeberische Regelung der Zugangsermöglichung zum Netz des Marktbeherrschers als berufsgrundrechtlich geboten qualifiziert werden kann und dass dadurch das Gewicht des Eingriffszwecks in Relation zum Eigentumsschutz verstärkt wird. (3) Zusammenfassung Der Eingriffszweck ist in Relation zum Eigentumsschutz in zweifacher Hinsicht verstärkt, erstens durch die Verfolgung von zwei, zudem aufeinander bezogenen Gesetzeszwecken, zum anderen dadurch, dass die Wahrung der Anbieterinteressen durch eine gesetzgeberische Regelung der Zugangsermöglichung berufsgrundrechtlich geboten ist. cc) Zusammenfassung Die Verstärkung des Eigentumsschutzes zu Gunsten des Netzbetreibers durch Art. 12 Abs. 1 GG wird in Relation zum Eingriffszweck jedenfalls dadurch kompensiert, dass der Gesetzgeber mit § 33 Abs. 1 TKG erstens zwei aufeinanderbezogene Gesetzeszwecke verfolgt und zweitens auch die Wahrung der Anbieternutzerinteressen aus Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geboten ist. Das zunächst berufsgrundrechtlich erhöhte Gewicht des Eigentumsschutzes wird also im Hinblick auf die Verstärkung des Eingriffszweckes zumindest wieder aufgehoben. Dadurch dass die gesetzgeberische Regelung des faktischen Marktzutritts durch Zugangsermöglichung zum Netz des Marktbeherrschers auf Grund der für neue Anbieter streitenden Berufsfreiheit geboten ist, kann sogar von einem Überwiegen auf der Seite der eingriffslegitimierenden Güter ausgegangen werden.
f) Zweidirektionale Evaluierung des Eingriffsmittels § 33 Abs. 1 TKG zur Gewichtsbestimmung des Eingriffszwecks in Relation zum Eigentumsschutz Eine zweidirektionale Evaluierung des Eingriffsmittels § 33 Abs. 1 TKG leistet einen weiteren Beitrag zur Bestimmung des Gewichtes des Eingriffszwecks in Relation zur eingriffsbedingten Eigentumsverkürzung. Die Evaluierung erfolgt erstens im Hinblick auf das Ausmaß, in dem die verfolgten öffentlichen Interessen durch das Eingriffsmittel gefördert werden. Dass § 33 Abs. 1 TKG die Gesetzeszwecke an sich fördert, wurde bereits in der Geeignetheitsprüfung untersucht und bejaht. Zweitens wird bewertet, in welchem Ausmaß § 33 Abs. 1 TKG durch die Art seiner legistischen Ausgestaltung auf den Eigentumsschutz des Anspruchsverpflichteten Rücksicht nimmt. Das jeweilige Ausmaß kann als gering, mittel oder hoch qualifiziert werden.
B. Vereinbarkeit des § 33 Abs. 1 TKG mit dem Grundrecht der Eigentumsfreiheit 291
aa) Ausmaß der Förderung des Eingriffszweckes durch § 33 Abs. 1 TKG Wäre festzustellen, dass § 33 Abs. 1 TKG den vom Gesetzgeber verfolgten Eingriffszweck in einem hohen Ausmaß fördert, so führte dies zu einer Verstärkung seines Gewichts in Relation zum Eigentumsschutz. Der Zugangsermöglichungsanspruch des § 33 Abs. 1 TKG ist mit einem Schlüssel vergleichbar, mit dem die Tür zur tatsächlichen Wettbewerbseröffnung aufgesperrt werden kann. Infolge des Fehlens eines alternativen Festnetzes, das im Zugangsbereich demjenigen der Deutsche Telekom AG entspricht und infolge der wirtschaftlichen Unvertretbarkeit, ein solches aufzubauen, existiert lediglich diese eine Tür zur Wettbewerbseröffnung, dem Zugang zum vorhandenen Netz. § 33 Abs. 1 TKG ermöglicht diesen Zugang idealiter in geordneten, vertraglichen Bahnen, wobei der Leistungsumfang im wesentlichen nachfragegerecht und damit „nachfragerbestimmt“ festgelegt wird. Indem § 33 Abs. 1 TKG neuen Anbietern einen grundsätzlich unbeschränkten Anspruch auf diesen Schlüssel verschafft, fördert er die tatsächliche Wettbewerbseröffnung und die Wahrung der Anbieternutzerinteressen in einem hohen Ausmaß. Diese Bewertung verkennt nicht, dass der anspruchsverpflichtete ehemalige Staatsmonopolist realiter in vielfältiger Weise versucht (hat), die Pflicht zur Zugangsermöglichung von sich abzuwenden, inhaltlich zu begrenzen und ihre Durchführung zu verzögern sowie zu erschweren. Denn die gesetzgeberische Konzeption des Eingriffsmittels ist im Hinblick auf das Maß seiner Zielförderung zunächst für den Normalfall zu evaluieren. Besteht allerdings jedoch wie vorliegend auch nur eine mittlere Wahrscheinlichkeit, dass die Befolgung des neuen Rechts nicht der Regelfall, sondern eher die atypische Ausnahme werden wird, ist zu überprüfen, ob der Gesetzgeber zur Erreichung des Normalfalls besondere Vorkehrungen treffen musste und getroffen hat. Hier konnte der Gesetzgeber sich jedenfalls nicht mit den zivilprozessualen Möglichkeiten einer Geltendmachung und Durchsetzung der Rechte des Anspruchsberechtigten begnügen. Wie Teil 3, Kapitel C. IV. anschaulich zeigt, ist dieser Weg gerade im Hinblick auf die Eröffnung von Wettbewerb zu zeitintensiv und ineffektiv. Der Gesetzgeber begegnet Differenzen zwischen Marktbeherrscher und neuen Anbietern beim Vertragsabschluss und der Diskriminierung neuer Anbieter bei der Durchführung eines Netzzugangsvertrages mit der besonderen Missbrauchsaufsicht nach § 33 Abs. 2 TKG. Wie Teil 3, Kapitel D. II. 2. a) zeigt, ist die Regulierungsbehörde ermächtigt, im Wege einer Missbrauchsverfügung dem Anspruchsverpflichteten die Abgabe eines inhaltlich im Wesentlichen bestimmten Vertragsangebotes aufzuerlegen. Diese besondere Regulierungsbefugnis, die über die bloße Untersagungsbefugnis der allgemeinen Marktmachtaufsicht nach § 32 GWB entscheidend hinausgeht, erscheint auch geboten. Erst gemäß § 33 Abs. 2 TKG kann der Normadressat positiv zu einem bestimmten Tun verpflichtet werden, das dann auf der Grundlage der Missbrauchsverfügung mittels Verwaltungszwanges durchsetzbar und bußgeldbewehrt ist. Dass auch die Entgelthöhe für Leistungen, zu denen nach § 33 Abs. 1 TKG Zugang zu ermöglichen ist, die tatsächliche Wettbewerbseröffnung verzögern 19*
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und erschweren kann, hat der Gesetzgeber mit einem gesonderten Verfahren zur Entgeltregulierung in § 39 TKG bedacht. Der Gesetzgeber hat also genügend besondere Vorkehrungen zur Erreichung des Normalfalls getroffen. § 33 Abs. 1 TKG fördert somit insgesamt in einem hohen Ausmaß die tatsächliche Wettbewerbseröffnung und die Wahrung der Anbieternutzerinteressen. Dies führt zu einer weiteren Verstärkung seines Gewichts in Relation zum Eigentumsschutz.
bb) Ausmaß der Berücksichtigung von Eigentümerinteressen in der Ausgestaltung des § 33 Abs. 1 TKG Berücksichtigt § 33 Abs. 1 TKG die Eigentümerinteressen in seiner gesetzestechnischen Ausgestaltung in einem hohen Ausmaß, geht also das Eingriffsmittel zur Zweckförderung – und im Rahmen des zur Zweckförderung Möglichen – besonders schonend mit den beeinträchtigten Eigentümerinteressen um, verstärkt sich dadurch das Gewicht des Gesetzeszwecks in Relation zum Eigentumsschutz. (1) Immanenter Selbsterledigungscharakter der primären Stoßrichtung des § 33 Abs. 1 TKG gegen die Deutsche Telekom AG Vergegenwärtigt man sich nochmals die ökonomischen Besonderheiten von Telekommunikationsnetzen mit einem flächendeckenden, bundesweiten Teilnehmeranschlussbereich, siehe Teil 2, Kapitel B., ist die Irreversibilität der Errichtungskosten erinnert, die zu 70 % auf den Zugangs-, zu 30 % auf den Fernbereich entfallen. Erinnert ist auch das Ausmaß der Abhängigkeit neuer Anbieter von der Nutzungsgewährung durch den Netzeigentümer. Neue Anbieter von Endkundendiensten verfolgen unter diesen Prämissen eine mehrgleisige Geschäftsstrategie. Sie riskieren die Errichtung eines Fernnetzes, bauen aber nur sehr punktuell, insbesondere in neuen Stadtgebieten und Behördenvierteln oder an Unternehmenssitzen eigene Zugangsnetzes auf, kaufen kleine, alternative Zugangsnetze hinzu und nutzen überwiegend die vorhandene Teilnehmeranschlussleitung des Marktbeherrschers. Mannesmann ARCOR AG & Co. erwarb so beispielsweise das vormals bundesbahneigene, interne Kommunikationsnetz. Es verläuft entlang der Bahnschienen und ergibt so ein Fernnetz im gesamten Bundesgebiet. Die Leitungen reichen indes nur bis zu den Bahnhöfen. Insofern ist Mannesmann ARCOR AG & Co. auf den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung der Deutsche Telekom AG angewiesen, um überhaupt Endkunden mit seinen Diensten erreichen zu können. Unabhängig davon versuchte der neue Wettbewerber, auf lokale Räume begrenzt, eigene Zugangsnetze aufzubauen. So kaufte Mannesmann ARCOR AG & Co. 1999 zum Beispiel den Düsseldorfer Stadtnetzbetreiber Isis GmbH. Mit einer solchen Geschäftsstrategie neuer Anbieter werden sich zwar nicht kurz-, auch nicht mittel-, sondern wohl erst langfristig in lokalen Räumen neue Marktstrukturen herausbilden197. Die 197
Christian von Weizsäcker, Wettbewerb in Netzen, WuW 1997, S. 572 (579).
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Marktposition der Deutsche Telekom AG kann sich auf diese Weise aber doch zumindest langfristig auf einem solch kleinen, aber geographisch relevanten Markt neben Stadtnetzbetreibern zu einer nicht mehr beherrschenden entwickeln. Idealiter verteilen sich die früheren Anteile der Deutsche Telekom AG auf diesem geographischen Zugangsmarkt auf so viele Anbieter, dass keiner der Anbieter mehr die anspruchsauslösende Marktmacht nach § 33 Abs. 1 TKG innehat. Die Anspruchsnorm des § 33 Abs. 1 TKG läuft ab diesem Zeitpunkt leer. Die Zwecke, die sie verfolgt(e), tatsächliche Eröffnung von Wettbewerb auf Endkundenmärkten durch Abbau der faktischen Marktzutrittsbarrieren sowie Wahrung der Anbieternutzerinteressen, sind dann erreicht. Ihre erste, gegen die aus dem Staatsmonopolisten hervorgegangene Deutsche Telekom AG zielende Stoßrichtung hat sich dann „von selbst erledigt“. Eine solche Entwicklung wird künftig zusätzlich durch die Kommunikationsrahmen-Richtlinie 2002 / 21 / EG begünstigt werden, der zufolge eine marktmächtige Position nicht mehr bereits bei 25 %, sondern erst ab 35 % Marktanteil näher zu untersuchen ist. Die Deutsche Telekom AG und zwei Wettbewerber könnten dann bei einem Marktanteil um jeweils 30 % unterhalb der Schwelle liegen, die den Zugangsanspruch aus § 33 Abs. 1 TKG begründet. Ist ein Stadtnetzbetreiber in einem solch kleinen, aber dennoch geographisch relevanten Markt so erfolgreich, könnte dieser selbst zum marktmächtigen Unternehmen im Sinne von § 33 Abs. 1 TKG „aufsteigen“. Die zweite Stoßrichtung des § 33 Abs. 1 TKG, zielend auf jedes marktmächtige Unternehmen, würde in diesem Fall aktiviert. Die Deutsche Telekom AG könnte – bei entsprechender Kundenveranlassung – vom ehemals Anspruchsverpflichteten zum Anspruchsberechtigten werden. Man kann sich auf einer in die Zukunft gedachten Zeitachse eine Wellenbewegung der Marktstrukturen vorstellen. Ausgangslage ist diejenige eines Marktanteils der Deutsche Telekom AG von nahezu 100 % auf allen, hier maßgebenden Zugangs-, und zudem auf allen Endkundenmärkten. Infolge einer Segmentierung des einheitlichen geographischen Raumes Bundesrepublik in viele kleine, an Lizenzen geknüpfte geographisch relevante Märkte werden sich neue Strukturen auf den Zugangsmärkten ergeben. Diese führen langfristig dazu, die Marktmacht der Deutsche Telekom AG abzubauen, bis auf dem relevanten Zugangsmarkt nur noch Anbieter agieren, die sich nicht als Anspruchsverpflichtete des § 33 Abs. 1 TKG qualifizieren. Die sachverhaltsgestaltende Kraft der Normanwendung soll zum Verschwinden desjenigen Sachverhalts führen, der die Normanwendung auslöst198. Der ersten Stoßrichtung des § 33 Abs. 1 TKG gegen den ehemaligen Staatsmonopolisten wohnt also ein „Selbsterledigungselement“ 199 inne. Daran gekoppelt ist die Überprüfung eines Bedarfs für die Ermächtigungsgrundlage des § 33 Abs. 2 198 In diesem Sinn auch Matthias Herdegen, „Access“ im Verfassungsrecht: Zugang zu Netzwerken und zu geistigen Ressourcen, in: Festschrift für Hartmut Maurer, München 2001, S. 137 (141), der als eine Leitlinie für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Zugangsanspruchs benennt, dass eine „Zugangsregelung nur als transitorisches Regime angelegt sein“ dürfe. 199 Vgl. Heike Jochum, Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG, 1. Auflage, Berlin 2001, S. 113 f.
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TKG. In dem Moment, in dem funktionsfähiger Wettbewerb auf einem vormals monopolistisch strukturierten Markt hergestellt ist, könnte der Gesetzgeber den relevanten Markt der allgemeinen Marktaufsicht nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen überlassen. Das hat der Gesetzgeber des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB bereits angekündigt. Ihm zufolge sei, so ist der Gesetzesbegründung zu entnehmen, § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB als Auffangtatbestand konzipiert, der im Telekommunikationsrecht quasi als allgemeiner kartellrechtlicher Ersatz dann greife, wenn künftig – wie vorgesehen – die sektorspezifische Regulierung insbesondere in § 33 Abs. 2 TKG vom Gesetzgeber wieder aufgehoben werde200. § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB in Verbindung mit § 32 GWB fehlt aber gerade die besonders schwerwiegende Befugnis, ein bestimmtes Verhalten aufzuerlegen, die § 33 Abs. 2 TKG der Regulierungsbehörde gibt. Sollte sich die Phase eines funktionsfähigen Wettbewerbs hin zu einer neuen Marktbeherrschungslage entwickeln, beispielsweise eines nun mächtigen Stadtnetzbetreibers, werden die Anspruchsvoraussetzungen des § 33 Abs. 1 TKG wieder mit Tatsachenstoff gefüllt. Die zweite Stoßrichtung des § 33 Abs. 1 TKG lebt dann auf. Sie zielt aber nicht gegen den ehemaligen Staatsmonopolisten, sondern generell gegen alle Anbieter auf Zugangsmärkten, die beherrschend (geworden) sind. Als Netzzugangsanspruch hat § 33 Abs. 1 TKG somit von vornherein zwei Stoßrichtungen. Der ersten Stoßrichtung wohnt ein Selbsterledigungselement inne. Langfristig führt die sachverhaltsgestaltende Kraft seiner Anwendung zum Verschwinden desjenigen Sachverhalts, der seine Anwendung auslöst. Ist es auf diese Weise zu einer tatsächlichen Eröffnung von Wettbewerb auf dem betreffenden Endkundenmarkt gekommen und entwickelt sich die Marktstruktur dann allerdings wieder zu einer Beherrschungslage, kann die zweite Stoßrichtung des § 33 Abs. 1 TKG zum Tragen kommen. Festzuhalten ist, dass § 33 Abs. 1 TKG eine den sich ändernden Marktverhältnissen anpassende – und daher flexible – Berücksichtigung der Netzeigentümerinteressen ermöglicht und dadurch das Gewicht des Gesetzeszweckes in Relation zum Eigentumsschutz verstärkt. (2) Anspruchsbegrenzung gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz TKG, § 2 Satz 3 NZV Wie Teil 3, Kapitel C. III. zeigt, darf der Anspruchsverpflichtete in sachlich gerechtfertigten Grenzen verschiedene Anspruchsberechtigte untereinander oder im Vergleich zu sich selbst ungleich behandeln. Getragen von Billigkeitserwägungen darf der Anspruchsverpflichtete sie bei der Zugangsermöglichung behindern. Unabhängig von der negativen Konnotation, „Ungleichbehandlung“ und „Behinderung“, darf der Anspruchsverpflichtete in dem sachlich gerechtfertigten beziehungsweise billigen Rahmen anspruchsbegrenzend seine Interessen bei der vertraglichen Gestaltung der Zugangsermöglichung durchsetzen. Die Rechtfertigungs200
BT-Drucks. 13 / 9720, vom 29. Januar 1998, S. 1 (37).
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gründe beschränken sich im wesentlichen auf „grundlegende Anforderungen“ im Sinne des Art. 3 Abs. 2, Art. 2 Nr. 6 ONP-Rahmenrichtlinie 90 / 387 / EWG (in Verbindung mit Art 13 Abs. 2 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 98 / 19 / EG). Sie sind nicht wirtschaftlicher Art, äußerst technisch ausgerichtet und bilden in erster Linie das Interesse der Allgemeinheit ab. In der Aufrechterhaltung der Sicherheit des Netzbetriebes findet aber auch ein individuelles Interesse des Anspruchsverpflichteten Niederschlag. Auch dieser möchte nicht um den Preis von Störungen vieler seiner Endkunden einem Zugangsbegehrenden einen bestimmten Zugang zu seinem Netz gewähren. Will der Anspruchsverpflichtete die erstmalige Zugangseröffnung begrenzen, also eine Netzzugangsbeschränkung im Sinne des § 35 Abs. 2 Satz 2 TKG vornehmen, kann er dies nur, wenn und soweit er sich im Rahmen besagter grundlegender Anforderungen bewegt. Weitere Rechtfertigungsgründe können in der Person des Anspruchsberechtigten liegen. Mangelt es beispielsweise an dessen Kreditwürdigkeit, kann der Anspruchsverpflichtete äußerstenfalls sogar den Abschluss eines Netzzugangsvertrages gänzlich verweigern. Weitere Rechtfertigungsgründe sind denkbar. Ob ein Rechtfertigungsgrund vorliegt, ist letztlich durch eine Abwägung der Interessen des Anspruchsverpflichteten und derjenigen des Zugangsbegehrenden im konkreten Einzelfall herauszuarbeiten. Zwar ist diese Abwägung durch die Zwecke des § 33 Abs. 1 TKG zu Gunsten des Anspruchsberechtigten vorgeprägt. Sie ermöglicht dennoch die Aufnahme und das konkrete Abwiegen der Interessen des Anspruchsverpflichteten. Die Billigkeitsprüfung einer Behinderung des Anspruchsberechtigten durch Erschweren oder Verzögern der Zugangsermöglichung erfolgt durch eine entsprechend strukturierte Interessenabwägung. Unbilligkeit ist einer Behinderung zu attestieren, wenn sie einseitig und unangemessen an den Interessen des Anspruchsverpflichteten orientiert ist und dieser die betreffende Zugangsbedingung allein aufgrund seiner Marktmacht durchzusetzen vermag. Überdies darf der Anspruchsverpflichtete – anspruchsbegrenzend – eine nachfragegerechte Entbündelung ablehnen, wenn es dafür einen sachlichen Rechtfertigungsgrund gibt, § 2 Satz 3 NZV. All dies lässt einen – zwar nur – engen Rahmen zulässiger Anspruchsbegrenzungen erkennen, für die der Anspruchsverpflichtete zudem die Darlegungs- und Beweislast trägt. Im Interesse einer tatsächlichen Wettbewerbseröffnung darf der Raum für Anspruchsbegrenzungen aber auch nicht größer sein, will man nicht sogleich die Aufgabe der Zielförderung riskieren. Im Wissen um diese Gefahr hat der Gesetzgeber dennoch diese – wenn auch engen – Anspruchsbegrenzungen vorgesehen. Gerade deshalb verdienen sie besondere Beachtung. Auch sind die Gründe einer möglichen sachlichen Rechtfertigung nicht abschließend bestimmt und auf die besagten „grundlegenden Anforderungen“ begrenzt. Der Gesetzgeber schafft durch diese flexiblen Anspruchsbegrenzungen die Möglichkeit dafür, dass der grundrechtliche Eigentumsschutz des Anspruchsverpflichteten auch auf die Ebene des einfachen Rechts ausstrahlen und – wenn auch in bescheidenem Umfang – entfaltet werden kann. Der Gesetzgeber hat das einfache Recht damit gerade nicht für Einstrahlungen grundrechtlichen Eigentumsschutzes unerreichbar gemacht. § 33 Abs. 1 TKG berücksichtigt daher in seiner gesetzestechnischen Ausgestaltung die Eigentümerinteres-
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sen in dem äußersten, ihm durch die Gesetzeszwecke möglichen Maß, und daher in einem – relativ – hohen Ausmaß. § 33 Abs. 1 TKG geht also zur Förderung der gesetzgeberischen Zwecke besonders schonend mit den beeinträchtigten Eigentümerinteressen um, so dass sich dadurch das Gewicht des Gesetzeszwecks in Relation zum Eigentumsschutz verstärkt. (3) Anspruchsbegrenzung in Abhängigkeit von der Nachfragelage Der für den Netzeigentümer einschneidenste Anspruchsinhalt des § 33 Abs. 1 TKG ist auf den vollständig entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung gerichtet. In Bezug auf eine konkrete Kupferdoppelader geht dabei in Durchführung des Netzzugangsvertrages die Nutzungsherrschaft und die Entscheidungsbefugnis über den Technikeinsatz auf den Anspruchsberechtigten über. Wie Teil 3, Kapitel C. III. 6. zeigt, ist bezogen auf diesen weiten Anspruchsinhalt allerdings immanente Voraussetzung des § 33 Abs. 1 TKG, dass der über die betreffende Teilnehmeranschlussleitung bisher vom Netzeigentümer versorgte Endkunde mit seinem gesamten Dienstebedarf zum Anspruchsberechtigten wechseln möchte. Auf diese Weise berücksichtigt der Gesetzgeber selbst bei dem Maximalanspruchsinhalt die Eigentümerinteressen dahingehend, dass dieser Inhalt erst dann zu gewähren ist, wenn der vertikal integrierte Netzeigentümer seinen bisherigen Kunden vollständig, also mit dessen gesamten Dienstebedarf, an den Anspruchsberechtigten verloren hat und damit auch keinen Eigenbedarf mehr geltend machen kann. Lediglich bei einer vollständigen Nachfrageverschiebung auf einen einzigen Anspruchsberechtigten muss der Anspruchsverpflichtete also umfassend die Nutzungsmöglichkeiten samt Technikeinsatz an der konkreten Teilnehmeranschlussleitung dem Anspruchsberechtigten überlassen. Dazu ist er zwar selbst dann verpflichtet, wenn dies zur Deckung des Dienstebedarfs für den Kunden nicht notwendig ist. Es ergibt sich aus dem Zweck des § 33 Abs. 1 TKG, dass in dieser Konstellation der vollständigen Nachfrageverschiebung nicht nur eine bedarfsadäquate Nutzungsgewährung zu ermöglichen ist. Wenn und solange keine aktuellen Nutzungskonflikte zwischen mehreren Anbietern, den Netzeigentümer eingeschlossen, bestehen, der Kunde also seinen gesamten Telekommunikationsdienstebedarf bei einem einzigen Anbieter befriedigen möchte, soll dieser Anbieter die vollständige Nutzungsherrschaft und die Entscheidungsbefugnis für den Technikeinsatz bezüglich der konkreten Teilnehmeranschlussleitung haben. Denn nur so sind in der tatsächlichen Eröffnungsphase des Wettbewerbs auf Endkundenmärkten die Voraussetzungen dafür gewährleistet, dass ausschließlich der neue Anbieter das umfassende Kundenverhältnis erhält, neue Dienste am Markt ausprobieren, also realen Kunden offerieren kann und – damit einhergehend – in eine dienstegekoppelte Forschung und Entwicklung neuer Netztechniken unternehmerisch sinnvoll investieren kann. Somit ist diese bedarfsüberschießende Überlassung der Teilnehmeranschlussleitung an den Wettbewerber aus der Förderung des Gesetzeszweckes grundsätzlich geboten. Sobald und soweit allerdings aktuelle Nutzungskonflikte aus einer auf mehrere Anbieter, den Netzeigentümer inbegriffen, verteilten Nach-
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fragelage entstehen, ist der Anspruch aus § 33 Abs. 1 TKG auf einen bedarfsadäquaten Nutzungsumfang reduziert. Sobald und soweit also der anspruchsverpflichtete Netzeigentümer den Kunden für seine Dienste zurückgewinnen kann, also wieder einen Eigenbedarf in Bezug auf die konkrete Teilnehmeranschlussleitung hat, steht ihm – den Anspruch aus § 33 Abs. 1 TKG begrenzend – das Recht zu, die Leistungsverpflichtung aus dem Zugangsvertrag bedarfsadäquat anzupassen oder, im Falle eines umfassenden Rückwechsels, diesen zu kündigen. Möchte der Anspruchsberechtigte von vornherein gar nicht die gesamte blanke Kupferleitung anmieten, kann er aus § 33 Abs. 1 TKG im Sinne eines „line sharing“, siehe Teil 2, Kapitel A. V. 2. a), die Zugangsermöglichung zu einem bedarfsadäquaten Frequenzband begehren. Der Netzeigentümer behält bei diesem Anspruchsinhalt einen Teil der Entscheidungsbefugnis über die einzusetzende Technik. Denn er hat die Kontrolle über die Aufteilung der Teilnehmeranschlussleitung in verschiedene – breit- und schmalbandige – Frequenzbereiche. Zudem bleibt das gesamte Kupferkabel Teil seiner Zugangsinfrastruktur. Die nun gemeinsam genutzte Teilnehmeranschlussleitung wird also nicht aus dem Netz des Anspruchsverpflichteten herausgelöst und auch nicht mit dem Netz des Anspruchsberechtigten verbunden. Der Anspruchsberechtigte wiederum erlangt teilweise die Entscheidungsbefugnis über die einzusetzende Technik, die sich in der Auswahl und Kontrolle der Multiplexereinrichtung ausdrückt und zur Bestimmung der Übertragungskapazität führt. Diese dienstegebundene Technikentscheidungsmacht des neuen Anbieters legitimiert sich wiederum aus dem Gesetzeszweck der tatsächlichen Wettbewerbseröffnung. Diese Art der gemeinsamen Nutzung des Kupferkabels nimmt auf die Eigentümerinteressen bis zur Grenze der Förderung des Gesetzeszweckes größtmögliche Rücksicht. § 33 Abs. 1 TKG berücksichtigt somit in summa für jeden möglichen Anspruchsinhalt die Interessen des Netzeigentümers durch seine immanenten Begrenzungen (Maximalanspruchsinhalt nur bei Wechsel des Endkunden mit seinem gesamten Dienstebedarf zu einem Anspruchsberechtigten, ansonsten bedarfsadäquater Anspruchsinhalt im Sinne des „line sharing“) in einem hohen Ausmaß, so dass sich dadurch das Gewicht des Gesetzeszwecks in Relation zum Eigentumsschutz weiter verstärkt. (4) Anspruchsbegrenzung in Abhängigkeit von den Netzkapazitäten Festzuhalten ist, dass § 33 Abs. 1 TKG nicht als Beschaffungsanspruch, sondern als Ermöglichungsanspruch konzipiert ist. Der Anspruchsverpflichtete muss also Zugang bloß zu dem gewähren, worüber er tatsächlich verfügt und – grundsätzlich – auch nur in der Form, in der er es inne hat. Verfügt er über die begehrte Teilnehmeranschlussleitung an sich nicht, kann er die Erfüllung eines jeden darauf gerichteten Zugangsbegehrens verweigern. Ebenso ist der Netzeigentümer nicht zur Schaffung weiterer, die Nachfrage erst befriedigende Kapazitäten durch Einsatz einer anderen als der bisher verwendeten Technik verpflichtet. Er kann das Zugangsbegehren bei nicht hinreichender Kapazität zurückweisen. Der Anspruchsberechtigte hat sein Begehren auf die vorhandenen Kapazitäten zu begrenzen. Dies
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gilt nicht, wenn er die Kosten für den Einsatz der kapazitätserhöhenden Übertragungstechnik übernimmt, die sich auch nicht nachteilig auf das Netz des Anspruchsverpflichteten auswirken darf. Weiterhin ist der Netzeigentümer nicht verpflichtet, seinen eigenen, zur Endkundenversorgung notwendigen Nutzungsbedarf vollständig zurückzustellen, um das Zugangsbegehren des Anspruchsverpflichteten zu bedienen. Versorgt der Netzeigentümer beispielsweise mehrere seiner Endkunden teilweise201 über ein einziges, kapazitätserweitertes Kupferkabel und wechselt einer dieser Kunden vollumfänglich zum Anspruchsberechtigten, kann dieser nicht den Zugriff auf den blanken Draht begehren. Denn das führte dazu, dass der Netzeigentümer seine verbleibenden Kunden nicht mehr selbst versorgen könnte. Der Anspruch aus § 33 Abs. 1 TKG ist vielmehr von vornherein auf die bedarfsadäquate Kapazitätsmenge begrenzt. Zudem ist der Netzeigentümer zwar verpflichtet, seinen eigenen, zur Endkundenversorgung bestehenden Nutzungsbedarf gegebenenfalls zu reduzieren. Er darf also bei Nutzungskonflikten sein Netz nicht vorrangig vor Wettbewerbern für eigene Bedürfnisse nutzen. Werden mehr Kapazitäten nachgefragt, als tatsächlich vorhanden sind und ist auch niemand bereit, die Kosten für den Einsatz einer kapazitätserhöhenden Technik zu tragen, muss das Vorhandene diskriminierungsfrei unter den Nachfragern aufgeteilt werden. Dieser Fall ist jedoch rein theoretischer Natur. Denn zum einen wird der Netzeigentümer Reservekapazitäten vorhalten, um selbst einen Spielraum für das Angebot neuer Dienste zu haben, so dass regelmäßig mehr Kapazität vorhanden ist, als tatsächlich nachgefragt wird. Zum anderen wird ein Nutzungskonflikt typischerweise nach den „line sharing“ Regeln gelöst. Dem skizzierten Extremfall kommt daher keine praktische Bedeutung zu. Entscheidend ist, dass § 33 Abs. 1 TKG nach alldem so ausgestaltet wurde, dass er weder zur Beschaffung von Nichtvorhandenem verpflichtet, noch sich der eigene, zur Endkundenversorgung bestehende Bedarf des Netzeigentümers dem Anspruchsbegehren unterordnen muss. Bei einem solchen Nutzungskonflikt besteht regelmäßig vielmehr eine „line shar-ing“ Konstellation, in der der Anspruch des neuen Anbieters von vornherein nicht auf den Zugang zum blanken Draht gerichtet werden darf. Er ist auf die Nutzung eines bestimmten Frequenzbandes beschränkt und kann selbst die Technik zur Kapazitätsbestimmung einsetzen. Somit nimmt § 33 Abs. 1 TKG auch im Hinblick auf Kapazitätsaspekte die Eigentümerinteressen in den Vorgaben und Begrenzungen des Anspruchsinhalts in einem hohen Ausmaß auf. § 33 Abs. 1 TKG geht schonend mit den beeinträchtigten Interessen des Netzeigentümers um, so dass sich dadurch das Gewicht des Gesetzeszwecks in Relation zum Eigentumsschutz abermals verstärkt.
201 Zum Beispiel auf der Strecke zwischen Hauptverteiler und Kabelverzweiger, wobei der Anspruchsberechtigte den entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung am Hauptverteiler begehrt.
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(5) An den Kosten einer effizienten Leistungserbringung orientiertes Entgelt für die Gewährung von Netzzugang, § 39 TKG in Verbindung mit § 24 Abs. 1 TKG § 33 Abs. 1 TKG regelt in Verbindung mit § 35 Abs. 1 TKG den Anspruch auf Zugangsermöglichung zu Netzleistungen des marktbeherrschend diensteanbietenden Netzbetreibers. Vorgegeben ist, dass der Anspruchsverpflichtete mit dem Anspruchsberechtigten einen Netzzugangsvertrag abzuschließen hat und zwar unter Beachtung bestimmter Mindestanforderung an die Leistung und deren Umfang. § 33 Abs. 1 TKG befasst sich also mit dem Zustandekommen und der Leistungsdimension von Netzzugangsverträgen. Für eine Gegenleistung stellt § 33 Abs. 1 TKG selbst keine Anforderungen auf. Die § 33 Abs. 1 TKG zugrunde liegende Konzeption des Netzzugangsvertrages ist allerdings erstens darauf angelegt, dass die Netzleistung im Synallagma steht. Der Anspruchsverpflichtete muss Netzzugang lediglich gegen Erhalt einer Gegenleistung gewähren. Zweitens ist die Gegenleistung ein Entgelt. All dies folgt aus § 39 TKG. § 39 TKG verweist auf die Vorschriften der §§ 23 ff. TKG zur Regulierung der Entgelte im Anbieter-Endkunden-Verhältnis. Gemäss § 39 TKG in Verbindung mit § 24 Abs. 1 TKG ist das Entgelt für die Gewährung von Netzzugang an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung zu orientieren. Es unterliegt der Genehmigung durch die Regulierungsbehörde, ist also von den Parteien des Netzzugangsvertrages nicht frei auszuhandeln. Nach § 3 Abs. 2 Telekommunikations-Entgeltregulierungsverordnung (nachfolgend: „TEntgV“) ergeben sich diese Kosten „aus den langfristigen zusätzlichen Kosten der Leistungsbereitstellung und einem angemessenen Zuschlag für leistungsmengenneutrale Gemeinkosten, jeweils einschließlich einer angemessenen Verzinsung des eingesetzten Kapitals, soweit diese Kosten für die Leistungsbereitstellung notwendig sind“. Mit „zusätzlichen Kosten“ sind diejenigen Kosten gemeint, die gerade die zusätzliche Bereitstellung der nachgefragten Leistung im Vergleich zu den Kosten der Bereitstellung aller anderen Dienste des Anspruchsverpflichteten verursacht202. Gemeinkosten sind diejenigen Kosten, die nicht der Erbringung einer bestimmten Leistung zuzuordnen sind, sondern durch das Vorhalten von Produktionsfaktoren entstehen, die Voraussetzung für die Erbringung verschiedener Leistungen sind203. Stark vereinfachend kann man also von „Selbstkosten“ des Anspruchsverpflichteten sprechen, die mit dem Entgelt für die Gewährung von Netzzugang abgegolten werden. Der Anspruchsverpflichtete soll also zwar keinen Gewinn für die Nutzungsgewährung an den Anspruchsberechtigten erzielen. Die auferlegte Nutzungsbeschränkung soll sich für ihn aber jedenfalls kostenneutral gestalten. § 33 Abs. 1 nimmt im Regelungszusammenhang mit § 39 TKG somit die Interessen des Anspruchsverpflichteten und Netzeigentümers auf, die 202 Fabian Schuster / Susanne Stürmer, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 3 TEntgV Anh § 27, Rdnr. 7. 203 Fabian Schuster / Susanne Stürmer, in: Beck’scher TKG-Kommentar, hrsg. v. Wolfgang Büchner, u. a., 2. Aufl., München 2000, § 3 TEntgV Anh § 27, Rdnr. 8.
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erstmalige Bereitstellung des Zugangs sowie die vertragsfortwährende Nutzung der Netzleistung nicht ohne eine angemessene Gegenleistung zu erbringen. Feststellen lässt sich insofern jedenfalls, dass die gesetzestechnische Ausgestaltung des Eingriffsmittels die Eigentümerinteressen an sich berücksichtigt. In welchem Ausmaß das Eingriffsmittel zur Zweckförderung die beeinträchtigten Eigentümerinteressen schonend berücksichtigt und dadurch das Gewicht des Gesetzeszwecks in Relation zum Eigentumsschutz verstärkt, ist in einem zweiten Schritt herauszuarbeiten. Der Netzeigentümer erhält eine Gegenleistung, mit der er zum einen den Marktzutritt seines Wettbewerbers zwar ermöglichen, nicht aber zudem noch „subventionieren“ muss. Dieses Ermöglichen gestaltet sich für den Netzeigentümer kostenneutral. Ihm wird dasjenige erstattet, was er zur effizienten Leistungsbereitstellung selbst aufwenden musste. Eine Kompensation für die auferlegte Beschränkung der Selbstnutzungsmöglichkeit erhält der Netzeigentümer indes nicht. Insofern könnte man schließen, dass der Gesetzgeber des § 33 Abs. 1 TKG nur in einem mittleren Ausmaß die Eigentümerinteressen bei der Ausgestaltung des Eingriffsmittels aufnimmt. Dies ist indes in Relation zu dem Spielraum, den der Gesetzeszweck – tatsächliche Förderung der Wettbewerbseröffnung – belässt, zu kurz gegriffen. Für neue Anbieter ist die Nutzung des fremden Netzes lediglich eine notwendige Bedingung für ihren Zutritt zu Endkundenmärkten. Hinreichende, und damit hinzutretende Bedingung ist allerdings eine Bemessung der Vorleistungskosten dergestalt, dass die Dienstleistung auf dem Endkundenmarkt wettbewerblich zu bepreisen ist. Diese Feststellung lenkt den Blick auf die Preiskalkulationsmöglichkeiten der Deutsche Telekom AG. Nur wenn der neue Anbieter für die Beschaffung der Vorleistung nicht mehr aufwenden muss, als es ihn kosten würde, ein dem Marktbeherrscher entsprechendes Zugangsnetz zu unterhalten, kann er seine unternehmerische Leistung und Investition auf die Endkundendienstleistung fokussieren und mit dem Marktbeherrscher in tatsächlichen Wettbewerb treten. Somit ist der Gesetzgeber mit der „Selbstkostenorientierung“ so weit gegangen, wie es der Gesetzeszweck äußerstenfalls zuließ. Um das Ausmaß zu bestimmen, in welchem die Konzeption des Eingriffsmittels den Eigentumsschutz bei der Erbringung der Netzzugangsleistung schonend berücksichtigt, sind zudem sichtkreiserweiternd diejenigen Rahmenbedingungen zu evaluieren, die der Gesetzgeber für den Übergang vom Monopol zur vollständigen Entmonopolisierung schuf. Diese Rahmenbedingungen betreffen letztlich auch die finanzielle Ausstattung des ehemaligen Staatsmonopolisten, mit welcher der Gesetzgeber diesen in rechtlich möglichen Wettbewerb entlassen hat. Im übertragenen Sinne ist also nach finanziellen Reserven zu suchen, die der Gesetzgeber der Deutsche Telekom AG verschaffte, bevor er sie in den Wettbewerb entließ. Im Rahmen dieser Betrachtung ist festzustellen, dass das Inkrafttreten des Telekommunikationsgesetzes und die Aufhebung staatlich verliehener Ausschließlichkeitsrechte zugunsten der Deutsche Telekom AG zeitlich gestaffelt erfolgte, § 100 Abs. 1 TKG. Das lizenzierte Anbieten von Sprachtelefondienst wurde erst zum 1. Januar 1998 dem freien Wettbewerb rechtlich geöffnet. Bis dahin konnten poten-
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tielle Wettbewerber der Deutsche Telekom AG die sich aus einer Lizenz für das Anbieten von Sprachtelefondienst (§§ 6 ff. TKG) ergebenden Rechte nicht ausüben, § 100 Abs. 1 Satz 4 TKG. Damit wurde dem ehemaligen Staatsmonopolisten nicht nur Planungssicherheit und ein fester Zeitrahmen für Umstrukturierungen gewährt. Vielmehr und vor allem wurde dem Unternehmen die Sicherheit eines festen und im Festnetzsegment bis dato größten Einnahmeposten „Sprachtelefondienst“ für einen vorgegeben Zeitraum garantiert. Auf diese Weise hat der Gesetzgeber der Deutsche Telekom AG eine finanzielle Grundlage gegeben, die auch dazu dienen konnte, künftige Nutzungsbeschränkungen durch das Zugangsregime des § 33 TKG abzumildern. Insofern kann in § 100 Abs. 1 TKG auch eine „antizipierte Pauschalausgleichsleistung“ für die Verpflichtung der Deutsche Telekom AG gesehen werden, Wettbewerbern gemäß § 33 Abs. 1 TKG auf Selbstkostenbasis Zugang zum Netz zu gewähren. (6) Zwischenergebnis Der Gesetzgeber hat die Eigentümerinteressen bei der Ausgestaltung des § 33 Abs. 1 TKG in hohem Maß berücksichtigt, wobei er sich lediglich durch die Verfolgung der Gesetzeszwecke begrenzen ließ. Diese Evaluierung fußt auf den herausgearbeiteten Beschränkungen des Anspruchsinhalts in Abhängigkeit von der Nachfragelage und von vorhandenen Kapazitäten sowie denen bei der Gestaltung von Bedingungen der Zugangsermöglichung, § 33 Abs. 2 Satz 2 TKG. Diese Evaluierung berücksichtigt weiterhin das der Norm immanente Selbsterledigungselement, das der primären, gegen den ehemaligen Staatsmonopolisten gerichteten Stoßrichtung inne wohnt. Zudem, so ist zu vermerken, erhält der Anspruchsverpflichtete ein auf Selbstkostenbasis kalkuliertes Entgelt für die jeweilige Nutzung seines Netzes. cc) Zusammenfassung § 33 Abs. 1 TKG fördert in einem hohen Ausmaß das mit ihm verfolgte Gemeinwohlanliegen, die tatsächliche Wettbewerbseröffnung und die Wahrung der Anbieternutzerinteressen. Dadurch wird das Gewicht des Gemeinwohlanliegens in Relation zum Eigentumsschutz verstärkt. Es wird zudem dadurch verstärkt, dass der Gesetzgeber in der Art und Weise, wie er das Eingriffsmittel des § 33 Abs. 1 TKG konzipierte, in ebenfalls hohem Maße auf die Eigentümerinteressen Rücksicht genommen hat. Letzteres wird auch nicht durch die Schaffung des § 33 Abs. 2 TKG relativiert. Die Ermächtigungsgrundlage der Regulierungsbehörde zur Missbrauchsaufsicht aus § 33 Abs. 2 TKG intensiviert zwar die Nutzungsbeschränkungen des § 33 Abs. 1 TKG durch Schaffung eines regulierungsrechtlichen Reaktionsrahmens für den Fall, dass der Anspruchsverpflichtete versucht, seine Interessen bei der Vertragsgestaltung und -durchführung einseitig aufgrund seiner Marktstellung durchzusetzen. Der normale, zivilprozessuale oder allgemeine wettbewerbsrechtliche Weg erscheint aber zur Förderung der Gesetzeszwecke nicht
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genügend. Zusätzliche Vorkehrungen zur Förderung der Gesetzeszwecke sind daher – und wegen der Monopolmacht eines einzigen Anspruchsverpflichteten auf allen relevanten Märkten – geboten.
g) Gesetzgeberischer Legitimationsaufwand nach Maßgabe eigentumsgrundrechtlicher Sachgerechtigkeit des Eingriffsmittels § 33 Abs. 1 TKG Zu evaluieren ist in einem weiteren Schritt, in welchem Ausmaß und in welcher Qualität § 33 Abs. 1 TKG eine inneren Beziehung zwischen der Schutzgutbeeinträchtigung und der von ihr zu lösenden Gemeinwohlaufgabe schafft, also sachgerecht ist. Wenn § 33 Abs. 1 TKG gerade die der Eigentumsgewährleistung innewohnende Sachgesetzlichkeit aus Individual- und Sozialfunktion des Schutzgutes zu realisieren bezweckt, ist diese Zugangsnorm in einem nur geringen Maß legitimationsbedürftig. Je enger der Bezug des Eingriffszweckes zum betroffenen Eigentumsobjekt in seiner konkreten, individuellen und sozialen Funktion ist, desto größer ist die Legitimationskraft des gesetzgeberischen Anliegens und desto geringer ist der Legitimationsaufwand des Gesetzgebers für die Verkürzung der eigentumsgrundrechtlichen Gewährleistung. Die Mannigfaltigkeit der sozialen, also der Allgemeinheit dienenden Funktion des Netzeigentums ist unter a) bb) (1) bis (5) ausführlich entfaltet worden. Insbesondere das Eigentum der Deutsche Telekom AG an dem bundesweiten und flächendeckenden Festnetz stellt eine einmalige Erscheinung in der Welt der Eigentumsobjekte dar. Es handelt sich zudem um ein Eigentumsobjekt mit Schlüsselfunktion, durch das die Welt der Dienste und Inhalte, die über das Netz transportiert werden müssen, zugänglich wird. Dritte, und das sind hier alle Anbieter von Telekommunikationsdiensten auf Endkundenmärkten, die im Zugangsnetzbereich über keine Infrastruktur verfügen, sind nicht nur in besonderem Maße auf die Nutzung des Marktbeherrschernetzes angewiesen. Das „Ob“ ihrer Geschäftsaufnahme hängt einzig und allein von der Nutzungsmöglichkeit des fremden Netzes ab. Sie sind also ganz und gar auf die Netznutzung angewiesen. Auch die gesamte Wissens- und Informationsgesellschaft ist auf den Zugang zu diesem Netz, aber auch auf die wettbewerbliche Bewirtschaftung der Dienste und Inhalte im Endkunden bereich in hohem Maße angewiesen. Zudem hat die Allgemeinheit die Schaffung dieses Netzeigentums aus öffentlichen Mitteln im Wesentlichen finanziert. Wenn der Gesetzgeber dieses Eigentumsobjekt nun in einem eng begrenzten Ausschnitt durch Nutzungsbeschränkungen wieder der Allgemeinheit zur tatsächlichen Eröffnung von Wettbewerb auf Endkundenmärkten zugute kommen lässt, dann handelt er in einem hohen Maße schutzgutspezifisch. Das Gemeinwohlanliegen, tatsächliche Wettbewerbseröffnung auf Endkundenmärkten, nützt neuen Anbietern und Verbrauchern. Es kommt aber erstens auch dem aus § 33 Abs. 1 TKG anspruchsverpflichteten Netzeigentümer selbst und damit letztlich allen Marktbeteiligten zugute. Der durch § 33 Abs. 1 TKG ermög-
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lichte Zugriff, insbesondere auf das einzige flächendeckende Festnetz der Deutsche Telekom AG, schafft die wesentliche Voraussetzung für die tatsächliche Entstehung von Wettbewerb auf Endkundenmärkten. Funktionsfähiger Wettbewerb wiederum regt die wirtschaftliche Entfaltung der in der gesamten Telekommunikationsbranche schlummernden Potentiale an204. Dies führt zu einer branchenweiten Umsatzsteigerung, die jedem Anbieter, also auch der Deutsche Telekom AG zugute kommt. Wettbewerb stimuliert überdies das Erforschen und Entwickeln neuer Produkte. Wettbewerb kann neue Bedürfnisse nach innovativen Dienstleistungen bei Verbrauchern und Geschäftskunden kreieren. Ohne Wettbewerb, dass heißt aus eigenem Antrieb, bewegt sich der vertikal integrierte und märktebeherrschende Netzeigentümer praktisch nicht weiter. Auch seine Umsatz- und Gewinnsituation verändert sich damit nicht. Das heißt, sie wird sich nicht signifikant verschlechtern. Es besteht aber auch kein besonderes Potential, sich zu verbessern. Gerade dieses Verbesserungspotential ist für börsennotierte Unternehmen wie die Deutsche Telekom AG von eminenter Bedeutung. Es bedingt die Bewertung des Unternehmens durch die Finanzmärkte und damit auch die ihm eröffneten finanziellen Spielräume. Wenn § 33 Abs. 1 TKG insbesondere das Netzeigentum der Deutsche Telekom AG zur Wettbewerbseröffnung verkürzt, kommt der Deutsche Telekom AG das mit dieser Verkürzung verfolgte Gemeinwohlanliegen also wiederum selbst zugute. Eine zweite für die Deutsche Telekom AG positive Folge der durch § 33 Abs. 1 TKG bezweckten Wettbewerbseröffnung ist, dass sich die Verpflichtung zur Universaldienstleistung grundsätzlich auf alle Lizenznehmer verteilt. Vor der Wettbewerbseröffnung hatte der staatliche Monopolist allein die Aufgabe, auch für dünn besiedelte oder geographisch schlecht zu erschließende Gebiete eine Grundversorgung mit Telekommunikationsdiensten zu erbringen. Nach der Konzeption des § 18 Abs. 1 TKG ist nun jeder Lizenznehmer zur Sicherstellung des Universaldienstes verpflichtet, der in dem von der Unterversorgung betroffenen Gebiet auf dem betreffenden sachlich relevanten Markt tätig ist und auf diesem bundesweit einen Marktanteil in Höhe von mindestens 4 % hat205. Die tatsächliche Erbringung der Dienstleistung auferlegt die Regulierungsbehörde nach § 19 Abs. 2 TKG zwar zuvorderst einem Lizenznehmer, der auf dem betroffenen Markt beherrschend ist. Diesem steht aber nach §§ 19 Abs. 5, 20 TKG ein Ausgleich für die Erbringung des Universaldienstes zu. Die übrigen pflichtigen Lizenznehmer müssen dann diesen Ausgleich durch eine Universaldienstabgabe 206 nach § 21 TKG finanzieren. Alle Lizenznehmer im Sinne des § 18 Abs. 1 TKG sind also abstrakt tatsächlich und konkret jedenfalls finanziell in jedem aufkommenden Unterversorgungsfall in die Erbringung des Universaldienstes eingebunden. Insofern greift Vgl. Christian von Weizsäcker, Wettbewerb in Netzen, WuW 1997, S. 572 (577). Gerrit Manssen, Das Telekommunikationsgesetz (TKG) als Herausforderung für die Verfassungs- und Verwaltungsrechtsdogmatik, Archiv PT 1998, S. 236 (239). 206 Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Universaldienstabgabe im Postbereich vgl. auch Michael Elicker, Die Abgabe nach § 16 des neuen Postgesetzes als verfassungswidrige Sonderabgabe, Archiv PT 1998, S. 201 ff. 204 205
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auch der Gedanke zu kurz, die Deutsche Telekom AG sei nicht bloß mit der Zugangsverpflichtung des § 33 Abs. 1 TKG belastet, sondern darüber hinaus mit der Verpflichtung zur Sicherstellung des Universaldienstes, wodurch sich die Bedeutung der sozial-investitativen Herkunft ihres Telekommunikationsnetzes bei der Evaluierung des § 33 Abs. 1 TKG verringere207. Drittens hat § 33 Abs. 1 TKG noch eine langfristige, dem ursprünglich marktbeherrschend diensteanbietenden Netzeigentümer zugute kommende Folge. Als Netzzugangsanspruch hat § 33 Abs. 1 TKG zwei Stoßrichtungen. Der ersten Stoßrichtung, die gegen den in den Wettbewerb entlassenen, ehemaligen Staatsmonopolisten gerichtet ist, wohnt ein Selbsterledigungselement inne. Dies ist unter bb) (2) herausgearbeitet worden. Ist es durch die Anwendung des § 33 Abs. 1 TKG in dieser ersten Stoßrichtung zwar zu einer tatsächlichen Eröffnung von Wettbewerb auf dem betreffenden Endkundenmarkt gekommen, kann sich die Marktstruktur dennoch erneut wieder zu einer Beherrschungslage entwickeln. Dann kommt die zweite Stoßrichtung des § 33 Abs. 1 TKG zum Tragen. Investieren neue Anbieter in begrenztem Maß lokal in die Teilnehmeranschlussinfrastruktur und ändert sich die Marktstruktur insbesondere in einem lokalen Lizenzgebiet, kann die Deutsche Telekom AG in diesem räumlichen Markt selbst aus § 33 Abs. 1 TKG anspruchsberechtigt sein. § 33 Abs. 1 TKG kommt der Deutsche Telekom AG in seiner zweiten Stoßrichtung dann letztlich selbst zugute. Damit verteilt sich die Eigentumsbeeinträchtigung von einem auf mehrere Netzeigentümer und schwächt ihre asymmetrisch belastende Wirkung in dem Maß ab, in dem sich ihr Gemeinwohlanliegen, die Wettbewerbseröffnung verwirklicht. Viertens ermöglicht die Konzeption des § 33 Abs. 1 TKG dem Anspruchsverpflichteten, die Situation einer Inanspruchnahme gar nicht entstehen zu lassen. § 33 Abs. 1 TKG zwingt neue Anbieter nicht, von ihren Rechten auf Zugangsermöglichung Gebrauch zu machen und so mit dem Anspruchsverpflichteten in Wettbewerb zu treten. Neue Anbieter werden ihre in § 33 Abs. 1 TKG vorgehaltenen Rechte erst und nur insoweit bemühen, wie sie einen „business case“ haben. Teil dieses „business case“ kann, muss aber nicht der entbündelte Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung sein208. Die Eingriffsintensität des § 33 Abs. 1 TKG verbleibt also zunächst auf der Ebene einer bloß abstrakten Verkürzung der Nutzungsbefugnisse des Netzeigentümers. Solange kein Anspruchsberechtigter gemäß § 33 Abs. 1 TKG die vertragliche Zugangsermöglichung zu einem bestimmten Netzteil in einem bestimmten Umfang begehrt, hat der Eigentümer konkret-uneingeschränkt sämtliche Nutzungsbefugnisse am gesamten Festnetz. Er erlangt diese auch in dem Maße wieder zurück, in dem der 207 Matthias Herdegen, „Access“ im Verfassungsrecht: Zugang zu Netzwerken und zu geistigen Ressourcen, in: Festschrift für Hartmut Maurer, München 2001, S. 137 (140). 208 Regulierungsbehörde, Beschluss vom 31. März 2001, Az. BK 3c-00 / 029, MMR 2001, S. 775 ff., in dem der neuen Anbieter gerade in gebündelter Form Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung begehrte. Denn sein „business case“ war auf das Angebot schneller Internetzugänge beschränkt. Die Anmietung der blanken unbeschalteten Kupferleitung wäre für ihn unwirtschaftlich, weil er selbst für den Einzelfall die Bereitstellung des Teilnehmeranschlusses und von Sprachtelefondiensten teuer einkaufen müsste.
B. Vereinbarkeit des § 33 Abs. 1 TKG mit dem Grundrecht der Eigentumsfreiheit 305
Anspruchsberechtigte die konkrete Netznutzung nicht mehr benötigt. Hinzu kommt, dass der „business case“ des Anspruchsberechtigten davon abhängt, ob er für seine Dienste einen Kunden gewinnen kann. Allein der Kunde bestimmt, welcher Anbieter ihn wie lange mit welchen Telekommunikationsdienstleistungen versorgen soll. Jeder Anbieter, auch der Anspruchsverpflichtete selbst, hat es demzufolge in der Hand, durch attraktive Dienste und Tarife Kunden zu gewinnen, zu halten und wieder zu gewinnen. Nur so lange und nur in dem Maße, wie Kunden für sämtliche oder bestimmte Leistungen – regelmäßig von der Deutsche Telekom AG – zu dem neuen Anbieter wechseln möchten, wird dieser Leitungen des Anspruchsverpflichteten anmieten. Lediglich in diesem Maße wird sich der neue Anbieter folglich des Anspruchs aus § 33 Abs. 1 TKG bedienen. Die Eingriffsintensität des § 33 Abs. 1 TKG im Teilnehmeranschlussbereich wird also dadurch abgemildert, dass der Kunde es veranlasst, ob, inwieweit und wie lange sich der Wettbewerber auf die Anspruchsnorm stützt. Die Beschränkung der Nutzungsbefugnisse des Netzeigentümers ist also letztlich kundenveranlasst. Das Gewinnen, Halten und Wiedergewinnen eines Kunden hängt von Leistung und Erfolg jedes Anbieters ab, also auch von dem des anspruchsverpflichteten Netzeigentümers. In welchem Ausmaß tatsächlich von § 33 Abs. 1 TKG Gebrauch gemacht wird und in welchem Ausmaß die Nutzungsbefugnisse des Netzeigentümers in concreto beschränkt werden, ist also letztlich auch an die unternehmerische Leistung des Anspruchsverpflichteten geknüpft. Dieser kann das Ausmaß seiner Eigentumsverkürzung selbst steuern. Gelingt es dem Anspruchsverpflichteten, seine Endkunden durch ein wettbewerblich bepreistes, innovatives und bedürfnisseaustestendes Diensteangebot zu halten, werden Wettbewerber von ihrem aus § 33 Abs. 1 TKG folgenden Zugangsermöglichungsanspruch keinen Gebrauch machen. Die Gemeinwohlaufgabe, deren Erfüllung der Gesetzgeber mit § 33 Abs. 1 TKG verfolgt, zeichnet sich in summa durch ein besonders enges Näheverhältnis zu dem grundrechtlichen Schutzgut in dessen beiden Funktionen, der sozialen, aber auch der individualschützenden Funktion aus. Ersteres war leichter zu erkennen als letzteres. Der Gesetzgeber hat in § 33 Abs. 1 TKG eine in einem hohen Maß sachgerechte Netzzugangsregelung geschaffen. Der gesetzgeberische Aufwand für die Legitimierung der Verkürzung des Netzeigentums ist somit gering.
h) Zusammenfassung Die Eigenart eines Telekommunikationsfestnetzes wie dasjenige der Deutsche Telekom AG liegt in der Kombination einer starken individualschützenden und einer starken sozialen Funktion dieses Eigentumsobjektes, wobei das Ausmaß des durch § 33 Abs. 1 TKG betroffenen Schutzgutsektors allerdings im Wesentlichen auf eine unterschiedlich intensive Nutzung der Netzenden begrenzt ist. Dadurch dass bloß die Nutzungsgarantie durch § 33 Abs. 1 TKG betroffen ist, dominiert die soziale Funktion die Spezifität dieses Schutzgutes. Im Falle eines Nichterlasses des § 33 Abs. 1 TKG wären demgegenüber beide gesetzgeberischen Interessen, die 20 Kallmayer
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tatsächliche Wettbewerbseröffnung auf Endkundenmärkten und die Wahrung der Anbieternutzerbelange, nicht nur in einem Sektor betroffen. Ihre Verfolgung unterbliebe vielmehr nahezu gänzlich. Der Legitimationsaufwand des Gesetzgebers für die in § 33 Abs. 1 TKG realisierte Nutzungsbeschränkung des Netzeigentums ist insgesamt als gering einzustufen, da § 33 Abs. 1 lediglich eine geringe Schutzintensität des Eigentumsgrundrechts aktiviert und eine in hohem Maße sachgerechte Regelung darstellt. Beide Gesetzeszwecke legitimieren überdies aus sich selbst heraus ein Zurücktreten der eigentumsgrundrechtlichen Nutzungsgewährleistungen am Festnetz in einem hohen Maße. Zwar wird der Eigentumsschutz durch die auch zugunsten des Netzeigentümers als Unternehmer streitende Berufsfreiheit zunächst verstärkt. In Relation zum Eingriffszweck wird dies aber dadurch kompensiert, dass der Gesetzgeber mit § 33 Abs. 1 TKG erstens zwei aufeinanderbezogene Gesetzeszwecke verfolgt und zweitens die Wahrung der Interessen neuer netzloser Anbieter aus Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geboten ist. Weiterhin fördert § 33 Abs. 1 TKG in einem hohen Ausmaß das mit ihm verfolgte Gemeinwohlanliegen, die tatsächliche Wettbewerbseröffnung und die Wahrung der Anbieterinteressen. Dadurch wird das Gewicht des Gemeinwohlanliegens in Relation zum Eigentumsschutz verstärkt. Es wird zudem dadurch verstärkt, dass der Gesetzgeber in der Art und Weise, wie er das Eingriffsmittel des § 33 Abs. 1 TKG konzipierte, in ebenfalls hohem Maße auf die Eigentümerinteressen Rücksicht genommen hat. Die spezifische Relation von eigentumsverkürzender Eingriffsfolge und Eingriffszweck, die der Gesetzgeber in § 33 Abs. 1 TKG realisierte, bewegt sich mithin erkennbar auf dem Boden der Verfassungsmäßigkeit.
6. Zwischenergebnis Die Untersuchung, ob die Inhalts- und Schrankenbestimmung § 33 Abs. 1 TKG dem Übermaßverbotes genügt, ergab zunächst, dass der Gesetzgeber zwei aufeinander bezogene, jedoch selbständige Zwecke verfolgt: die tatsächliche Eröffnung von Wettbewerb auf Endkundenmärkten und die Interessenwahrung für Nichtinfrastruktureigentümer, die auf Endkundenmärkten Telekommunikationsdienste anbieten möchten. Indem der Gesetzgeber die Überwindung der wesentlichen Marktzutrittsbarriere regelt und gerade diesen neuen Anbietern einen Zugangsanspruch gewährt, fördert er durch § 33 Abs. 1 TKG beide Gesetzeszwecke. Das Eingriffsmittel § 33 Abs. 1 TKG ist im Hinblick auf die Zweckverfolgung als geeignet anzusehen. Die das Schutzgut des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG weniger stark beeinträchtigenden Eingriffsmittel haben sich als für die Verfolgung der Gesetzeszwecke nicht in gleicher Weise förderlich erwiesen. § 33 Abs. 1 TKG ist im Hinblick auf die Zweckverfolgung somit auch erforderlich. Kern der Anwendung des Übermaßverbotes ist eine wertende Güter- und Interessenabwägung, die hier „relationsorientiert“ durchstrukturiert wurde: Das schutzgutspezifische Aufeinanderbezogensein von eingriffsverkürzten Eigentümerinteressen und den von § 33 Abs. 1 TKG verfolgten Gesetzeszwecken lässt deutlich werden, dass sich der Ge-
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setzgeber in Anbetracht von Legitimationspotential und -aufwand erkennbar auf dem Boden der Verfassungsmäßigkeit bewegt. Dies gilt auch für den Fall des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung. So zeichnet sich bereits die Spezifität des Eigentumsobjektes „Telekommunikationsnetz“ – wie das Festnetz der Deutsche Telekom AG – durch die Verbindung einer mäßigen individualschützenden und einer starken sozialen Funktion aus. Kennzeichen für das mittlere Maß an Individualschutz ist, dass das Netzeigentum im Zugangsbereich einerseits vollständige Vorleistungsunabhängigkeit, ferner exklusive Forschungs- und Entwicklungsmacht sowie eine umfassende Kundenbindung vermittelt. Diese Feststellung wird aber andererseits dadurch relativiert, dass das Ausmaß des durch § 33 Abs. 1 TKG betroffenen Eigentumssektors dabei allerdings im Wesentlichen auf eine unterschiedlich intensive Nutzung der äußersten einzelnen Netzenden begrenzt ist. Dieses insgesamt mittlere Maß an Individualbedeutung trifft auf eine hohes Maß an Sozialbedeutung des Netzeigentums. So ist das aus öffentlichen Mitteln errichtete Festnetz der Deutsche Telekom AG aus ökologischen Gründen und vor allem mangels wirtschaftlich sinnvoller Duplizierbarkeit singulär. Die Entwicklung einer Informations- und Wissensgesellschaft bedingt das grundlegende Angewiesensein unseres Gemeinwesens auf die Nutzung des Telekommunikationsnetzes. Zudem sind neue Anbieter, als Katalysatoren dieser Entwicklung, vollständig auf die Nutzung dieses Herrschaftseigentumsobjektes angewiesen, um überhaupt neue und wettbewerblich bepreiste Dienste auf Endkundenmärkten offerieren zu können. Die Spezifität der Gesetzeszwecke ist demgegenüber durch ein alles-oder-nichts-Muster charakterisiert: Im Falle eines Nichterlasses des § 33 Abs. 1 TKG wären beide gesetzgeberischen Interessen, die tatsächliche Wettbewerbseröffnung auf Endkundenmärkten und die Wahrung der Anbieterbelange, nicht nur in einem Sektor betroffen. Ihre Verfolgung unterbliebe in toto. Das Ausmaß, in dem die Gemeinwohlanliegen ohne eine § 33 Abs. 1 TKG entsprechende Zugangsregelung beeinträchtigt würden, wäre folglich hoch. Weiterhin haben beide Gesetzeszwecke schon aus sich selbst heraus eine hohe Legitimationskraft, die ein Zurücktreten der eigentumsgrundrechtlichen Nutzungsgewährleistungen am Festnetz bedingen kann. Ihre Verfolgung ist aus Art. 87 Buchstabe f Abs. 2 Satz 1 GG und aus Gemeinschaftssekundärrecht geboten. Hinzu kommt, dass der Legitimationsaufwand des Gesetzgebers für die in § 33 Abs. 1 TKG realisierte Nutzungsbeschränkung des Netzeigentums insgesamt als gering einzustufen ist. § 33 Abs. 1 aktiviert zum einen lediglich eine geringe Schutzintensität des Eigentumsgrundrechts und ist zum anderen eine in hohem Maße sachgerechte Regelung. Das hohe Maß an Sachgerechtigkeit folgt aus der besonders engen inneren Beziehung zwischen der Verkürzung des Netzeigentums in seiner spezifisch sozialen und individuellen Funktion und der Gesetzeszwecke. Zur tatsächlichen Wettbewerbseröffnung entfaltet § 33 Abs. 1 TKG die hohe soziale Funktion des Netzeigentums durch einen Zugangsanspruch, der zugleich auch den individuellen Eigentümerinteressen zugute kommt. Denn auch der Netzeigentümer Deutsche Telekom AG partizipiert an der wettbewerbsbedingt branchenweiten Umsatzsteigerung sowie an der Stimulation von Forschung und Entwicklung. Die in erster Linie anspruchsver20*
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pflichtete Deutsche Telekom AG kann trotz der Wettbewerbseröffnung durch ein innovatives, wettbewerblich bepreistes und bedürfnisseaustestendes Diensteangebot ihre Endkunden an sich binden. Sie hat es dadurch selbst in der Hand, inwieweit sich neue Anbieter des Zugangsanspruchs bedienen. In der zweiten Stoßrichtung des § 33 Abs. 1 TKG kann auch die Deutsche Telekom AG selbst anspruchsberechtigt sein. Überdies wird zwar der Eigentumsschutz durch die zugunsten des Netzeigentümers als Unternehmer streitende Berufsfreiheit zunächst verstärkt. Dadurch dass der Gesetzgeber mit § 33 Abs. 1 TKG allerdings erstens zwei aufeinanderbezogene Gesetzeszwecke verfolgt und zweitens die Wahrung der Anbieterinteressen aus Art. 12 Abs. 1 GG geboten ist, wird dies sogleich – jedenfalls aufwiegend – relativiert. Zudem fördert § 33 Abs. 1 TKG in einem hohen Ausmaß die mit ihm verfolgten Gemeinwohlanliegen, die tatsächliche Wettbewerbseröffnung und die Wahrung der Anbieterinteressen. Dadurch wird das Gewicht der Gemeinwohlanliegen in Relation zum Eigentumsschutz abermals verstärkt. Es wird ferner dadurch verstärkt, dass der Gesetzgeber in der Art und Weise, wie er das Eingriffsmittel des § 33 Abs. 1 TKG konzipierte, in ebenfalls hohem Maße auf die Eigentümerinteressen Rücksicht genommen hat (immanenter Selbsterledigungscharakter der primären Stoßrichtung des § 33 Abs. 1 TKG gegen die Deutsche Telekom AG; Anspruchsbegrenzungen in Abhängigkeit zur Nachfragelage sowie zu den Netzkapazitäten; Entgeltpflichtigkeit der Nutzungsgewährung). § 33 Abs. 1 TKG wahrt somit insgesamt – auch für den Anspruchsinhalt „entbündelter Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung“ – die spezifischen Anforderungen des Übermaßverbotes.
III. Zwischenergebnis Die Zugangsregelung des § 33 Abs. 1 TKG greift als Inhalts- und Schrankenbestimmung gemäß dem Regelungsvorbehalt des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG ein. Sie verstößt aber nicht gegen das Übermaßverbot, das die verfassungsrechtlichen Rechtfertigungs anforderungen an diese Inhalts- und Schrankenbestimmung prägt.
C. Vereinbarkeit des § 33 Abs. 1 TKG mit dem Grundrecht auf Berufsfreiheit, insbesondere für den Fall „entbündelter Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung“ § 33 Abs. 1 TKG – in Verbindung mit § 35 Abs. 1 TKG – betrifft aus Sicht des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG das zivilrechtliches Sacheigentum des Anspruchsverpflichteten am Festnetz und den Gewährleistungsausschnitt „potentielle Eigennutzung“, die Dritte ausschließt. Der Netzeigentümer kann daher aus Art. 14 Abs. 1
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Satz 1 1. Alt. GG Nutzungsbegehren von Konkurrenten abwehren, auch wenn er den begehrten Teil des Netzes oder die Übertragungskapazitäten selbst momentan nicht nutzt. Das ist die eine, die eigentumsfreiheitsrechtliche Seite der sachverhaltlichen Medaille. Die andere Seite bildet die Berufsfreiheit ab. § 33 Abs. 1 TKG kann auch das Schutzgut „Beruf“ des Anspruchsverpflichteten betreffen und den Gewährleistungsausschnitt, dasjenige wirtschaftliche Potential strategisch-unternehmerisch entfalten zu können, das in der Eigennutzungsmöglichkeit des Netzes liegt. Ob § 33 Abs. 1 TKG in den Schutzbereich der Berufsfreiheit eingreift und dies in verfassungsrechtlich legitimierter Weise, wird im Folgenden untersucht.
I. Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG durch § 33 Abs. 1 TKG Das aus sachverhaltlichen Gegebenheiten angenommene Verhältnis der Idealkonkurrenz von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG (siehe Teil 4, Kapitel D.) lässt sich bestätigen, wenn auch der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG personal und sachlich für den von § 33 Abs. 1 TKG geregelten Netzzugang eröffnet ist. Zudem ist zu untersuchen, ob § 33 Abs. 1 TKG auch in berufsgrundrechtliche Gewährleistungen eingreift.
1. Sachlicher und personaler Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet in sachlicher Hinsicht die Freiheit der beruflichen Betätigung umfassend, und zwar von der Berufswahl, über die Wahl der Ausbildungsstätte und des Arbeitsplatzes bis zu grundsätzlich jeder Facette der Berufsausübung (einheitlicher Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG)209. Alle Handlungen, die mit der beruflichen Tätigkeit in Zusammenhang stehen und ihr zu dienen bestimmt sind, sind Teil der Gewährleistung210. Der Berufsbegriff ist dabei weit zu fassen211. Er ist trotz seines in erster Linie starken personalen Bezugs212 nicht personal gebunden213. Im „Mitbestimmungsurteil“ hat das Bun209 Statt vieler Bodo Pieroth / Bernhard Schlink, Grundrechte, 17. Aufl., Heidelberg 2001, Rdnrn. 808 f. 210 Statt vieler BVerfGE 85, S. 248 (256). 211 Manfred Gubelt, in: Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, begr. v. Ingo von Münch, hrsg. v. Philip Kunig, 5. Aufl., München 2000, Art. 12, Rdnr. 8. 212 Rudolf Wendt, Berufsfreiheit als Grundrecht der Arbeit, DÖV 1984, S. 601 ff. 213 BVerfG, Urteil vom 17. Februar 1998, Az. 1 BvF 1 / 91, NJW 1998, S. 1627; Manfred Gubelt, in: Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, begr. v. Ingo von Münch, hrsg. v. Philip Kunig, 5. Aufl., München 2000, Art. 12, Rdnrn. 6, 18; Karl Heinrich Friauf, Die Freiheit des Berufs nach Art. 12 Abs. 1 GG, JA 1984, S. 537 (540); Rüdiger Breuer, Freiheit des Berufs, in: Handbuch des Staatsrechts, hrsg. v. Josef Isensee und Paul Kirchhof, Heidelberg 1989, Bd. VI, § 147, Rdnr. 23.
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desverfassungsgericht ausdrücklich den Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG auf die „Unternehmerfreiheit“ im Sinne freier Gründung und Führung von Unternehmen erstreckt, sofern es sich dabei um „berufliche“ Tätigkeiten handelt214. Dies gilt sowohl für Klein- und mittelständische Betriebe, bei denen der persönliche Einsatz des Unternehmensinhabers noch stärker im Vordergrund steht, als auch für die Tätigkeit von Großunternehmen und Konzernen215. In personaler Hinsicht können daher Individuen und juristischen Personen im Sinne des Art. 19 Abs. 3 GG die grundrechtlichen Gewährleistungen des Art. 12 Abs. 1 GG zustehen. Entscheidend ist, dass sie in „beruflichen“ Tätigkeiten betroffen sind. Machen natürliche Personen den Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG geltend, ist jede Tätigkeit als eine berufliche im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG anzusehen, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Aufrechterhaltung einer Lebensgrundlage dient216. Aus Sicht juristischer Personen im Sinne des Art. 19 Abs. 3 GG meint „berufliche Betätigung“ jede auf Erwerb gerichtete Beschäftigung, die sich nicht in einem einmaligen Erwerbsakt erschöpft, insbesondere den Betrieb eines Gewerbes217. Hat Art. 12 Abs. 1 GG beim Individuum die Existenzsicherung und den Erhalt der Lebensgrundlage durch Einsatz eigener Arbeitskraft vor Augen, geht es bei juristischen Personen um die unternehmerische Betätigung zur Gewinnerzielung durch Einsatz von Kapital, Sachmitteln und Arbeitskräften. Anbieter von Telekommunikationsdiensten sind regelmäßig gesellschaftsrechtlich organisiert. Sie erbringen kontinuierlich bestimmte Dienstleistungen für Telekommunikationskunden auf der Basis von Dauerschuldverhältnissen zur Erzielung eines Unternehmensgewinns. Der personale Schutzbereich ist daher für alle aus § 33 Abs. 1 TKG anspruchsverpflichteten Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen eröffnet, die juristische Personen im Sinne des Art. 19 Abs. 3 GG sind. Im Fall des besonderen Netzzugangs sind dies in Verbindung mit § 35 Abs. 1 Satz 1 TKG alle zugangsmarktbeherrschend diensteanbietenden Netzbetreiber. Aufgrund der Begrenzung des Schutzbereichs des Art. 12 Abs. 1 GG auf deutsche Grundrechtsträger ergibt sich für juristische Personen gemäss Art. 19 Abs. 3 GG keine weitere Anforderung. Diese können lediglich dann grundrechtsfähig sein, wenn sie inländisch sind, also ihren Sitz, d. h. den tatsächlichen Mittelpunkt ihrer Geschäftstätigkeit, im Bundesgebiet haben218 oder nach deutschem Recht gegrün214 BVerfG, Urteil vom 1. März 1979, Az. 1 BvR 532, 533 / 77, 419 / 78, 1 BvL 21 / 78, NJW 1979, S. 699 (708); so auch Manfred Gubelt, in: Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, begr. v. Ingo von Münch, hrsg. v. Philip Kunig, 5. Aufl., München 2000, Art. 12, Rdnr. 18. 215 BVerfG, Urteil vom 1. März 1979, Az. 1 BvR 532, 533 / 77, 419 / 78, 1 BvL 21 / 78, NJW 1979, S. 699 (707); Manfred Gubelt, in: Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, begr. v. Ingo von Münch, hrsg. v. Philip Kunig, 5. Aufl., München 2000, Art. 12, Rdnr. 18. 216 BVerfGE 7, S. 377 (399); BVerfGE 54, S. 301 (313); BVerfGE 68, S. 272 (281); Manfred Gubelt, in: Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, begr. v. Ingo von Münch, hrsg. v. Philip Kunig, 5. Aufl., München 2000, Art. 12, Rdnr. 8. 217 BVerfG, Urteil vom 17. Februar 1998, Az. 1 BvF 1 / 91, NJW 1998, S. 1627; in diesem Sinne bereits BVerfG, Urteil vom 1. März 1979, Az. 1 BvR 532, 533 / 77, 419 / 78, 1 BvL 21 / 78, NJW 1979, S. 699 (707 f.).
C. Vereinbarkeit des § 33 Abs. 1 TKG mit dem Grundrecht auf Berufsfreiheit
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det sind219. Auch für die in der ersten Regulierungsphase hauptsächlich aus § 33 Abs. 1 TKG anspruchsverpflichtete Deutsche Telekom AG ist somit der personale Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG eröffnet. Sie ist Festnetzbetreiber und Anbieter von Telekommunikationsdiensten mit Sitz in Bonn sowie als „vorübergehend“ gemischt-wirtschaftliches Unternehmen auch grundsätzlich grundrechtsberechtigt. Umfänglich gewährleistet Art. 12 Abs. 1 GG in Bezug auf die Leitung von Unternehmen auch die Unternehmensführung durch Dispositions-, Produktions-, Investitions- und Entwicklungsfreiheit 220, kurzum die unternehmerische Gestaltungsfreiheit in der Geschäftsführung schlechthin, sofern es sich dabei um „berufliche“ Tätigkeiten handelt. Diese Gestaltungsfreiheit umfasst namentlich, die Dienstleistungs- und Produktpalette des Unternehmens selbst zu bestimmen und damit auch nach freiem Willen festzulegen, auf welchen Märkten mit welcher Strategie agiert werden soll221. Die Führung eines Unternehmens nach den eigenen Vorstellungen des Unternehmers oder nach denjenigen der durch die Kapitaleigner eingesetzten Unternehmensleitung äußert sich typischerweise in der rechtsgeschäftlichen Betätigung des Unternehmens. Diese rechtsgeschäftliche Betätigung wird umfänglich von Art. 12 Abs. 1 GG allerdings lediglich gegen solche – insbesondere gesetzgeberische – Einschränkungen geschützt, die sich unmittelbar auf die berufliche Tätigkeit der juristischen Person beziehen oder zumindest eine objektiv berufsregelnde Tendenz haben222. Letzteres ist der Fall, wenn sich die gesetzgeberische Einschränkung mittelbar mit berufsregelnder Tendenz auf die berufliche Betätigung auswirkt und dazu führt, dass diese jedenfalls teilweise unterbunden wird oder nicht mehr in der gewünschten Weise ausgeübt werden kann223. Bewirkt eine gesetzliche Regelung, dass der Normadressat bestimmte, für sein Unternehmen „ökonomisch relevante Verträge“224 nicht mehr abschließen 218 Hartmut Krüger, in: Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, GG, Art. 19, Rdnr. 49; Hans D. Jarass, in: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, hrsg. v. Hans D. Jarass und Bodo Pieroth, 5. Aufl. München 2000, Art. 19, Rdnr. 15. 219 Hartmut Krüger, in: Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, GG, Art. 19, Rdnr. 49; Hans D. Jarass, in: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, hrsg. v. Hans D. Jarass und Bodo Pieroth, 5. Aufl. München 2000, Art. 19, Rdnr. 15. 220 Fritz Ossenbühl, Die Freiheiten des Unternehmers nach dem Grundgesetz, AöR 115 (1990), S. 1 (18 ff., 25); Rüdiger Breuer, Freiheit des Berufs, in: Handbuch des Staatsrechts, hrsg. v. Josef Isensee und Paul Kirchhof, Heidelberg 1989, Bd. VI, § 147, Rdnr. 63. 221 Vgl. Klaus Stern / Johannes Dietlein, Netzzugang im Telekommunikationsrecht – Zur verfassungsrechtlichen Problematik eines entbündelten Zugangs zu den Teilnehmeranschlussleitungen, Teil 1, Archiv PT 1998, S. 309 (318). 222 Ständige Rechtsprechung, siehe nur BVerfG, Urteil vom 17. Februar 1998, Az. 1 BvF 1 / 91, NJW 1998, S. 1627 (1628); BVerfG, Urteil vom 8. April 1997, Az. 1 BvR 48 / 94, NJW 1997, S. 1975 (1976). 223 BVerfGE 82, S. 209 (223); Manfred Gubelt, in: Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, begr. v. Ingo von Münch, hrsg. v. Philip Kunig, 5. Aufl., München 2000, Art. 12, Rdnr. 42. 224 So ausdrücklich BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 6 / 00, NVwZ 2001, S. 1399 (1407) unter Verweis auf BVerfGE 81, S. 156 (188 f.); BVerfGE 99, S. 202 (211).
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darf oder umgekehrt abschließen muss, so ist diese Regelung in Bezug auf Art. 12 Abs. 1 GG schutzbereichserheblich225. Ökonomisch relevant für ein Unternehmen sind solche Rechtsgeschäfte, die dessen Strategie in einem bestimmten Geschäftsbereich betreffen. Ökonomisch relevant sind ferner diejenigen Verträge, die sich mit einem wesentlichen Vorleistungsprodukt befassen, auf das das Unternehmen zur Erstellung seines Endprodukts angewiesen ist oder aber das Endprodukt selbst betreffen, welches das Unternehmen auf dem relevanten Markt anbietet. Ein Telekommunikationsunternehmen mit eigenem Festnetz und einem Diensteangebot für Endkunden hält das wesentliche Vorleistungsprodukt für Endkundendienste, nämlich die Nutzung des Festnetzes, intern vor. Es entscheidet unternehmerisch-gestaltend, wann es das Festnetz für welche Dienste in welchem Ausmaß selbst nutzt. Es entscheidet weiterhin, ob es Dritten die Nutzung seines Festnetzes ermöglicht und wenn ja, wann, in welchem Ausmaß und zu welchen Konditionen. Diese Entscheidungen bestimmen die unternehmerische Strategie, ob überhaupt Dritten der Marktzutritt eröffnet werden soll und wenn ja, inwieweit das vertikal integrierte Unternehmen Marktzutritte durch Art und Ausmaß der gewährten Netznutzung kontrollieren kann. So bot die Deutsche Telekom AG ihren Wettbewerbern im Hinblick auf den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung vertraglich ausschließlich eine gebündelte Zugangsform an. Sie offerierte verschiedene Übertragungskapazitäten für bestimmte Dienste. Sie verfolgte so die Strategie, den technischen Überblick über die von Wettbewerbern mittels ihrer Teilnehmeranschlussleitung erbrachten Dienste zu behalten und gegebenenfalls mit vergleichbaren oder besseren Angeboten schneller auf den Markt zu kommen. Unternehmensstrategie ist also, nur solche Rechtsgeschäfte über das wesentliche Vorleistungsprodukt, Netznutzung, abzuschließen, welche die Sicherung des Wettbewerbsvorsprungs nicht gefährden. Gewährt eine gesetzliche Regelung Dritten einen Anspruch auf die Ermöglichung des Zugangs zum Netz eines Telekommunikationsunternehmens, so ist diese Regelung schutzbereichsrelevant.
2. Verkürzung der Berufsfreiheit durch § 33 Abs. 1 TKG § 33 Abs. 1 TKG ist – in Verbindung mit § 35 Abs. 1 TKG und § 2 NZV – eine gesetzliche Regelung, die dem Anspruchsverpflichteten auferlegt, seinen Wettbewerbern ein Angebot auf Abschluss eines Netzzugangsvertrages mit einem Mindestinhalt zu unterbreiten, den diese in wesentlichen Teilen bestimmen können. So ist der anspruchsverpflichtete Anbieter von Telekommunikationsdiensten grundsätzlich sogar zum Abschluss eines Zugangsvertrages über die entbündelte Teil225 Vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 9. Oktober 2000, Az. 1 BvR 1627 / 95, GRUR 2001, S. 266; Matthias Cornils, Vertragsfreiheit und kartellrechtlicher Kontrahierungszwang, NJW 2001, S. 3758 ff.; Zur grundrechtlichen Gewährleistung der Vertragsfreiheit unter Berücksichtigung der Novelle zum urheberrechtlichen Vergütungsanspruch siehe auch Klaus Ritgen, Vertragsparität und Vertragsfreiheit, JZ 2002, S. 114 (116, 118 f.).
C. Vereinbarkeit des § 33 Abs. 1 TKG mit dem Grundrecht auf Berufsfreiheit
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nehmeranschlussleitung verpflichtet. § 33 Abs. 1 TKG verkürzt die Abschlussund partiell auch die Inhaltsgestaltungsfreiheit des Berufsgrundrechtsträgers für ökonomisch und unternehmensstrategisch bedeutsame Verträge. Dass der Anspruchsverpflichtete Leistungen anbieten muss, die er von sich aus nicht oder nicht in dieser Form auf den Markt gebracht hätte, ist eine Konsequenz des Kontrahierungszwangs226. Mit der Verkürzung der Vertragsfreiheit geht ferner die Weitergabe bestimmter Betriebsinformationen an den Vertragspartner einher227. Dazu zählen technische Angaben zu Schnittstellen und Netzeigenschaften. Verknüpft der Gesetzgeber eine berufliche Tätigkeit mit zusätzlichen Indienstnahmen des Berufstätigen228, so ist darin zwar ein starkes Indiz für einen Eingriff in dessen Berufsfreiheit zu sehen, indes nicht allein der konkrete Eingriff selbst. Die Inpflichtnahme eines marktbeherrschend diensteanbietenden Netzbetreibers zu einer konkurrentennützigen Tätigkeit wird daher erst in der Auferlegung des Kontrahierungsund Inhaltsgestaltungszwangs konkretisiert. Darin liegt dann auch der Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG. Die in § 33 Abs. 1 TKG liegende Einschränkung für die berufliche Betätigung des anspruchsverpflichteten Telekommunikationsdiensteanbieters lässt eine stark berufsregelnde Tendenz erkennen und führt dazu, dass dieser Netzzugangsverträge abschließen muss beziehungsweise nicht mehr in der gewünschten Weise abschließen kann. Hierin liegt der konkrete Eingriff in die Berufsfreiheit des Anspruchsverpflichteten229.
226 Vgl. Klaus Stern / Johannes Dietlein, Netzzugang im Telekommunikationsrecht – Zur verfassungsrechtlichen Problematik eines entbündelten Zugangs zu den Teilnehmeranschlussleitungen, Teil 1, Archiv PT 1998, S. 309 (320 f.), die darin allerdings einen selbständigen Eingriff in den Gewährleistungsbereich „unternehmerische Organisationsfreiheit“ des Art. 12 Abs. 1 GG sehen. Die berufsgrundrechtliche relevante Beschwer liegt aber be-reits in der Auferlegung des Kontrahierungs- und partiellen Inhaltsgestaltungszwangs. In die „unternehmerische Organisationsfreiheit“ würde nur dann selbständig eingegriffen, wenn der Gesetzgeber einen Zugriffsanspruch auf das Netz geschaffen hätte, der Zugangsbegehrenden also ohne vertragliche Grundlage bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen direkt den Realakt „Netzzugang“ in einer bestimmten Form hätte verlangen können. 227 Vgl. OVG Münster, Beschlussvom 7. Februar 2000, Az. 13 A 180 / 99, NVwZ 2000, S. 697 (701); Klaus Stern / Johannes Dietlein, Netzzugang im Telekommunikationsrecht – Zur verfassungsrechtlichen Problematik eines entbündelten Zugangs zu den Teilnehmeranschlussleitungen, Teil 1, Archiv PT 1998, S. 309 (321). 228 Darin allein sehen bereits einen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG Klaus Stern / Johannes Dietlein, Netzzugang im Telekommunikationsrecht – Zur verfassungsrechtlichen Problematik eines entbündelten Zugangs zu den Teilnehmeranschlussleitungen, Teil 1, Archiv PT 1998, S. 309 (318). 229 Klaus Stern / Johannes Dietlein, Netzzugang im Telekommunikationsrecht – Zur verfassungsrechtlichen Problematik eines entbündelten Zugangs zu den Teilnehmeranschlussleitungen, Teil 1, Archiv PT 1998, S. 309 (319) nehmen zudem einen Eingriff in einen Gewährleistungsbereich „Wettbewerbsfreiheit“ des Art. 12 Abs. 1 GG an, der dann verkürzt werde, wenn der „Staat das Verhalten von Unternehmen im Wettbewerb regele“. Eine solche Gewährleistung setzt aber voraus, dass überhaupt Wettbewerb in einem bestimmten Markt besteht. Gerade daran fehlt es aber auf den hier relevanten Märkten für Telekommunikationsdienste. § 33 Abs. 1 TKG soll die Entstehung tatsächlichen Wettbewerbs erst ermöglichen.
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Teil 5: Vorgaben des Grundgesetzes für den entbündelten Zugang
3. Zusammenfassung Der Schutzbereich der Berufsfreiheit ist trotz seines starken personalen Bezugs auch juristischen Personen im Sinne des Art. 19 Abs. 3 GG eröffnet. Das gilt in concreto für alle aus § 33 Abs. 1 TKG Anspruchsverpflichteten, insbesondere für die Deutsche Telekom AG. Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet jeden Aspekt einer „beruflichen“ Betätigung, d. h. einer auf Er werb gerichteten Beschäftigung, die sich nicht in einem einmaligen Erwerbsakt erschöpft. Umfänglich gewährleistet Art. 12 Abs. 1 GG auch die unternehmerische Gestaltungsfreiheit in der Geschäftsführung, die sich typischerweise im Abschluss von Rechtsgeschäften niederschlägt, sofern diese ökonomisch relevant sind. Der Schutzbereich der Berufsfreiheit ist vorliegend sachlich wie persönlich und damit idealkonkurrierend zur Eigentumsfreiheit betroffen. Eine gesetzliche Begrenzung der Abschlussfreiheit bezüglich ökonomisch relevanter Verträge ist jedenfalls eine Norm mit objektiv berufsregelnder Tendenz und weist Eingriffsqualität auf. Indem § 33 Abs. 1 TKG in einem wirtschaftlich bedeutsamen und unternehmensstrategisch relevanten Bereich, nämlich Wettbewerbern die wesentliche Vorleistung für Endkundenprodukte anzubieten, für den Vorleistungsverfügenden einen Kontrahierungs- und partiellen Inhaltsgestaltungszwang normiert, greift § 33 Abs. 1 TKG in dessen Berufsgrundrecht ein.
II. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Berufsausübungsregelung des § 33 Abs. 1 TKG Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG enthält nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen einheitlichen Regelungsvorbehalt für alle Eingriffe in die Berufsfreiheit. Dieser Regelungsvorbehalt macht Art. 12 Abs. 1 GG ungeachtet des differenzierenden Wortlauts zu einem einschränkbaren Grundrecht für alle Berufsausübungs- und Berufswahlregelungen. Maßgebliche Schranken-Schranke ist das an den berufsregelnden Gesetzgeber adressierte Übermaßverbot. Im Sinne der durch die „Stufen-Theorie“ des Bundesverfassungsgerichts vorstrukturierten Übermaßprüfung variiert der gesetzgeberische Aufwand, Verkürzungen beruflicher Betätigungen zu legitimieren, in Abhängigkeit von der betroffenen „Gewährleistungsstufe“230. Ist die Stufe „Berufswahl“ betroffen, sind relativ hohe Anforderungen an den verfolgten Eingriffszweck zu stellen. „Die Freiheit der Berufswahl darf nur eingeschränkt werden, soweit der Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter es zwingend erfordert. Ist ein solcher Eingriff unumgänglich, so muss der Gesetzgeber stets diejenige Form des Eingriffs wählen, die das Grundrecht am wenigsten beschränkt“231. Diese hohen Anforderungen werden weiter verschärft, wenn es 230 BVerfGE 7, S. 377 (402 ff.); siehe auch BVerfGE 25, S. 1 (12); kritisch insbesondere Manfred Gubelt, in: Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, begr. v. Ingo von Münch, hrsg. v. Philip Kunig, 5. Aufl., München 2000, Art. 12, Rdnr. 46. 231 BVerfGE 7, S. 377 (378, Leitsatz Nr. 6 b)).
C. Vereinbarkeit des § 33 Abs. 1 TKG mit dem Grundrecht auf Berufsfreiheit
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sich um objektive Berufswahlregelungen handelt. Diese sind im Unterschied zu subjektiven Berufswahlregelungen nur durch „die Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut“232 zu rechtfertigen. Den relativ geringsten Anforderungen haben bloße Berufsausübungsregelungen zu genügen: „Die Freiheit der Berufsausübung kann beschränkt werden, soweit vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls es zweckmäßig erscheinen lassen; der Grundrechtsschutz beschränkt sich auf die Abwehr in sich verfassungswidriger, weil etwa übermäßig belastender und nicht zumutbarer Auflagen“233. Diese durch die „Stufen-Theorie“ vorstrukturierten Übermaßprüfung ist kein starres „Wenn-Dann-Schema“. Die einzelnen Stufen sind durchlässig in dem Sinne, dass eine in ihren Auswirkungen gravierende Berufsausübungsregelung erst dann verfassungsgemäß sein kann, wenn sie den Anforderungen an eine Berufswahlregelung genügt234. Die „Stufen-Theorie“ fungiert mit der Abschichtung der Gewährleistungsbereiche, Berufswahl und Berufsausübung, und mit der Bestimmung des modellhaften gesetzgeberischen Legitimationsaufwandes vielmehr als Ausgangspunkt für die dann einsetzende und den konkreten Fall aufnehmende Übermaßprüfung235.
1. Qualifizierung des § 33 Abs. 1 TKG als Berufsausübungsregelung? Eine Berufswahlregelung liegt vor, wenn sie die Freiheit des Grundrechtsträgers betrifft, selbstbestimmt einen selbsterfundenen oder bereits gesetzlich geregelten Beruf zu ergreifen, fortzuführen und zu beenden. Sie ist subjektiv, wenn sie an Voraussetzungen geknüpft wird, die in der Person des Grundrechtsträgers liegen236 und objektiv, wenn sie unabhängig von solch personalen Voraussetzungen ist237. Demgegenüber ist eine gesetzliche Bestimmung als Berufsausübungsregelung zu qualifizieren, wenn sie eine Facette oder Modalität der ergriffenen und praktizierBVerfGE 7, S. 377 (378, Leitsatz Nr. 6 c)). BVerfGE 7, S. 377 (378, Leitsatz Nr. 6 a)); siehe auch BVerfGE 80, S. 1 (28); BVerfGE 85, S. 248 (259); kritisch Ralph Alexander Lorz, Die Erhöhung der verfassungsgerichtlichen Kontrolldichte gegenüber berufsrechtlichen Einschränkungen der Berufsfreiheit, NJW 2002, S. 169 (174), der bei der Verfolgung von Sonderinteressen etablierter Berufsvertreter diese grundsätzlich nicht als vernünftige Gemeinwohlbelange ausreichen lassen möchte. Es sei denn, diese Sonderinteressen seien ausnahmsweise zwingend geboten. 234 BVerfGE 61, S. 291 (311); Manfred Gubelt, in: Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, begr. v. Ingo von Münch, hrsg. v. Philip Kunig, 5. Aufl., München 2000, Art. 12, Rdnr. 45. 235 Heike Jochum, Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG, Berlin 2001, S. 59; vgl. auch Karl Heinrich Friauf, Die Freiheit des Berufs nach Art. 12 Abs. 1 GG, JA 1984, S. 537 (543 f.); vgl. auch Jörn Ipsen, „Stufentheorie“ und Übermaßverbot – Zur Dogmatik des Art. 12 GG, JuS 1990, S. 634 (636 f.); Christoph Gusy, Die Freiheit von Berufswahl und Berufsausübung, JA 1992, S. 258 (263 f.). 236 Beispielsweise Alter, Zuverlässigkeit und erbrachte Prüfungsleistungen. 237 Beispielsweise Bedürfnisprüfungen im Taxenverkehr. 232 233
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ten beruflichen Betätigung betrifft. Die Berufsausübung umfasst das gesamte Spektrum einer beruflichen Betätigung, deren Form und Mittel sowie deren Umfang und Inhalt238. Aus Sicht der „Unternehmerfreiheit“ zählen dazu beispielsweise Regelungen, die den Umfang der unternehmerischen Tätigkeit in ökonomisch relevanter Hinsicht begrenzen239. § 33 Abs. 1 TKG verpflichtet – in Verbindung mit § 35 Abs. 1 TKG – den marktbeherrschend Dienste anbietenden Netzbetreiber mit Wettbewerbern Verträge über deren Zugang zu seinem Netz abzuschließen. Der Anspruchsverpflichtete kann allerdings weiterhin selbst und praktisch vollumfänglich Telekommunikationsdienste für seine Endkunden anbieten. Er kann weiterhin auch sein Festnetz als Vorleistungsprodukt im Fern- und im Teilnehmeranschlussbereich größtenteils selbst nutzen. Tatsächlich wird lediglich die potentielle Eigennutzung durch die von § 33 Abs. 1 TKG eröffneten Rechte der Wettbewerber begrenzt. Der Fernbereich ist von Zugängen zur Teilnehmeranschlussleitung überhaupt nicht berührt, das Zugangsnetz nur in einem begrenzten, maßgeblich endkundenbestimmten Ausmaß. Deutlich wird daraus, dass § 33 Abs. 1 TKG bloß eine Facette der beruflichen Tätigkeit des anspruchsverpflichteten Anbieters von Telekommunikationsdiensten regelt. Die Fortführung dieser Tätigkeit ist von § 33 Abs. 1 TKG nicht in Frage gestellt. § 33 Abs. 1 TKG ist somit als Berufsausübungsregelung zu qualifizieren240.
2. Verfassungsrechtliches Rechtfertigungsprogramm für die Berufsausübungsregelung des § 33 Abs. 1 TKG Als Parlamentsgesetz aktualisiert die Berufsausübungsregelung des § 33 Abs. 1 TKG die Grundrechtsschranke des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG „durch Gesetz“. Art. 12 Abs. 1 GG ist nicht grenzenlos einschränkbar. Eine berufsbeschränkende Regelung muss ihrerseits in jeder Hinsicht verfassungsmäßig sein. § 33 Abs. 1 TKG ist kompetenz-, verfahrens- und formgerecht zustande gekommen. Maßgebende materielle Gegenschranke ist das Übermaßverbot. Vorliegend bedeutsam ist das schutzbereichs- und das schrankenrechtliche Aufeinanderbezogensein der beiden Maßstabsnormen, Eigentums- und Berufsfreiheit. Insbesondere die Deutsche Telekom AG will als Netzeigentümerin den Zugriff Dritter auf ihr Festnetz abwehren und ihre selbstbestimmte Nutzungsmöglichkeit an sich wahren. Als Trägerin der Berufsfreiheit geht es ihr darum, über diese Nutzungsmöglichkeit unternehmerisch-strategisch zu entscheiden, um den Zutritt von Wettbewerbern zu End238 Manfred Gubelt, in: Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, begr. v. Ingo von Münch, hrsg. v. Philip Kunig, 5. Aufl., München 2000, Art. 12, Rdnr. 38. 239 Peter J. Tettinger, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 12, Rdnr. 57; Manfred Gubelt, in: Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, begr. v. Ingo von Münch, hrsg. v. Philip Kunig, 5. Aufl., München 2000, Art. 12, Rdnr. 38. 240 So im Ergebnis auch BVerwG, Urteil vom 25. April 2001, Az. 6 C 6 / 00, NVwZ 2001, S. 1399 (1407); OVG Münster, Beschluss vom 7. Februar 2000, Az. 13 A 180 / 99, NVwZ 2000, S. 697 (701).
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kundenmärkten zu steuern und so möglichst lang ihre Gewinnmargen zu halten. Während die Eigentumsfreiheit also in einer statischen Stoßrichtung die selbstbestimmte Nutzungsmöglichkeit des Festnetzes wahren möchte, geht es der Berufsfreiheit in einer dynamischen, zukunftsgerichteten Stoßrichtung um die unternehmerische Entscheidung über diese Nutzungsmöglichkeiten. Sind die durch § 33 Abs. 1 TKG betroffenen Gewährleistungssektoren von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG und Art. 12 Abs. 1 GG in einer solchen Weise „funktional aufeinander bezogen“241, kann im Ergebnis die verfassungsrechtliche Beurteilung des § 33 Abs. 1 TKG anhand des Übermaßverbotes – auch wenn sie sich nach den zu Art. 12 Abs. 1 GG entwickelten Regeln zu richten hat – in der Regel keine andere sein als diejenige, die zu Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG herausgearbeitet wurde242. Dieser Befund wird dadurch verstärkt, dass sich die Schrankenregelungen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG und des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG im Wesentlichen entsprechen und typischerweise eine verfassungsrechtlich zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung auch eine verfassungsrechtlich zulässige Berufsausübungsregelung sein wird243. Das gilt aber lediglich typischerweise und nicht per se für alle Fallkonstellationen244. Ob diese grundsätzliche Beurteilungskongruenz auch für den vorliegenden Fall zutrifft, ist durch eine erneute Durchführung der Übermaßprüfung für § 33 Abs. 1 TKG, diesmal als Berufsausübungsregelung, zu ermitteln. Als Berufsausübungsregelung muss § 33 Abs. 1 TKG also im Sinne der durch die „Drei-Stufen-Theorie“ vorstrukturierte Übermaßprüfung erstens vernünftige Gemeinwohlinteressen verfolgen245. Zweitens hat sich der Netzzugangsanspruch als ein geeignetes und erforderliches Mittel zur Förderung dieses Gesetzeszweckes zu erweisen. Drittens muss das Ausmaß der verkürzten Berufsausübung in einem angemessenen Verhältnis zu dem Ausmaß und dem Gewicht des eingriffslegitimierenden Gesetzeszweckes stehen.
241 BVerfG, Urteil vom 1. März 1979, Az. 1 BvR 532, 533 / 77, 419 / 78, 1 BvL 21 / 78, NJW 1979, S. 699 (708). 242 Vgl. BVerfG, Urteil vom 1. März 1979, Az. 1 BvR 532, 533 / 77, 419 / 78, 1 BvL 21 / 78, NJW 1979, S. 699 (708); Manfred Gubelt, in: Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, begr. v. Ingo von Münch, hrsg. v. Philip Kunig, 5. Aufl., München 2000, Art. 12, Rdnr. 98. 243 Manfred Gubelt, in: Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, begr. v. Ingo von Münch, hrsg. v. Philip Kunig, 5. Aufl., München 2000, Art. 12, Rdnr. 98; Rudolf Wendt, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 14, Rdnr. 186; zu weitgehend Brun-Otto Bryde, in: Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, begr. v. Ingo von Münch, hrsg. v. Philip Kunig, 5. Aufl., München 2000, Art. 14, Rdnr. 109; 244 So auch Rupert Scholz, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Theodor Maunz, Günter Dürig u. a., Bd. II, München Stand: Juli 2001, Art. 12, Rdnrn. 142. 245 BVerfGE 7, S. 377 (405); BVerfGE 80, S. 1 (28); BVerfGE 85, S. 248 (259); kritisch Ralph Alexander Lorz, Die Erhöhung der verfassungsgerichtlichen Kontrolldichte gegenüber berufsrechtlichen Einschränkungen der Berufsfreiheit, NJW 2002, S. 169 (174), der bei der Verfolgung von Sonderinteressen etablierter Berufsvertreter diese grundsätzlich nicht als vernünftige Gemeinwohlbelange ausreichen lassen möchte. Es sei denn, diese Sonderinteressen seien ausnahmsweise zwingend geboten.
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a) Vernünftiges Gemeinwohlinteresse als Vorgabe für den Zweck des § 33 Abs. 1 TKG Wie Kapitel B. II. 2. a) zeigt, verfolgt § 33 Abs. 1 TKG zwei selbständige, jedoch aufeinander bezogene Zwecke: die tatsächliche Eröffnung von Wettbewerb auf Endkundenmärkten für Telekommunikationsdienste und die Wahrung der Interessen von Nichtinfrastruktureigentümern, die Anbieter auf diesen Endkundenmärkten sein möchten. Die tatsächliche Wettbewerbseröffnung soll zu verbilligten Tarifen für und zum Angebot neuer Dienste führen. Sie soll damit letztlich dem Verbraucher zugute kommen und ist notwendige Voraussetzung für die Transformation des Gemeinwesens in eine Informationsgesellschaft. Die eigenständige Wahrung der Anbieterinteressen bei der Überwindung der maßgebenden Marktzutrittsbarriere, Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung, soll neuen Anbietern eine Geschäftsaufnahme ermöglichen und einen Geschäftsplan finanzierbar machen. Diese gezielte Förderung neuer Anbieter ist wiederum auf die tatsächliche Wettbewerbseröffnung bezogen und effektuiert diese. Beide Zielsetzungen lassen sich nicht nur als vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls qualifizieren, sondern betreffen auch besonders wichtige Gemeinschaftsgüter. Dies folgt aus ihrer Bedeutung für den Übergang unserer Gesellschaft in eine Informations- und Wissenswelt. Insofern können diese Ziele sogar Berufswahlregelungen legitimieren oder eine Berufsausübungsregelung, die in ihrer Eingriffsintensität einer Wahlregelung gleich kommt. Beide Zielsetzungen sind ferner charakteristisch für ein verfassungsrechtlich aus Art. 87 Buchstabe f Abs. 2 Satz 2 GG vorgegebenes Privatisierungs- und Entmonopolisierungsfolgerecht, ohne das die Entlassung des staatlich monopolisierten Telekommunikationssektors in die private Wirtschaft praktisch keine marktstrukturellen Konsequenzen gezeitigt hätte. Die Zielsetzungen des § 33 Abs. 1 TKG sind zudem in den Harmonisierungsrichtlinien vorgegeben246.
b) Geeignetheit und Erforderlichkeit des Zugangsermöglichungsanspruchs des § 33 Abs. 1 TKG zur Wettbewerbseröffnung und Wahrung der Wettbewerberinteressen § 33 Abs. 1 TKG, der – in Verbindung mit § 35 Abs. 1 TKG – neuen Anbietern einen An spruch auf Zugang zum Netz des Marktbeherrschers – und zwar insbesondere zur entbündelten Teilnehmeranschlussleitung – gewährt, fördert die Eröffnung von Wettbewerb sowie neue Wettbewerber und ist damit zur Zweckverfolgung geeignet. Ein milderes, also die berufliche Betätigung des anspruchs246 Man könnte daher sogar der hier nicht entscheidenden Frage nachgehen, ob die bereits durch den Gemeinschaftsgesetzgeber erfolgte Qualifizierung eines Gesetzeszwecks als „vernünftig“ dazu führt, dass der mitgliedstaatliche Gesetzgeber gemäss Art. 10 Abs. 1 EGV nur noch diesen Zweck verfolgen muss, ohne ihn selbständig als vernünftigen Belang des allgemeinen Wohls einzustufen.
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verpflichteten Anbieters von Telekommunikationsdiensten weniger verkürzendes Eingriffsmittel, das aber in der Zweckförderlichkeit § 33 Abs. 1 TKG gleich kommt, gibt es nicht, siehe Kapitel B. II. 4.
c) Angemessenheit der Berufsausübungsverkürzung bezogen auf das Gewicht des eingriffslegitimierenden Gesetzeszweckes Die relationsorientierte, aus den Maßstäben des Eigentumsgrundrechts gewonnene Güter- und Interessenabwägung, siehe Kapitel B. II. 5., fußt auf einer allgemeinen Matrix, die jeder grundrechtlichen Angemessenheitsprüfung zugrunde gelegt werden kann. Diese Matrix hilft, die jeweiligen, grundrechtsspezifischen Maßstäbe zu enthüllen. Ihre Bestandteile sind: – Spezifität von Schutzgut und Gesetzeszweck – grundrechtliche Schutzintensität als Maßstab für den Legitimationsaufwand – eingriffslegitimierende Kraft des spezifischen Gesetzeszweckes – Verstärkung der abzuwägenden Güter durch mitbeeinträchtigte oder hinzutretende Positionen – Evaluierung des Eingriffsmittels – Sachgerechtigkeit des Eingriffsmittels als Maßstab für den Legitimationsaufwand.
Anhand dieser Elemente werden nachfolgend die berufsgrundrechtsspezifischen Maßstäbe entfaltet, welche die Evaluierung des Ausmaßes zwischen der Berufsausübungsverkürzung und dem eingriffslegitimierenden Gesetzeszweck leiten. Diese Elemente dienen auch dazu, im Vergleich mit der eigentumsgrundrechtlichen Güter- und Interessenabwägung zu lokalisieren, anhand welcher Aspekte die berufsgrundrechtliche Abwägung im Vergleich zur eigentumsgrundrechtlichen zu einer anderen Gesamtevaluierung gelangen kann. Sie dienen einem Gewinn an Rationalität in der Abwägung247. aa) Berufsgrundrechtliche Maßstäblichkeiten für die Güter- und Interessenabwägung Aus der Spezifität des Schutzgutes und des betroffenen Gewährleistungsausschnitts, der Berufsausübungsfreiheit des anspruchsverpflichteten Anbieters von 247 Heike Jochum, Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG, Berlin 2001, S. 60; vgl. Rudolf Wendt, Der Garantiegehalt der Grundrechte und das Übermaßverbot – Zur maßstabsetzenden Kraft der Grundrechte in der Übermaßprüfung, AF6R 104 (1979), S. 414 (467 f.); Rüdiger Breuer, Die staatliche Berufsregelung und Wirtschaftslenkung, in: Handbuch des Staatsrechts, hrsg. v. Josef Isensee und Paul Kirchhof, Bd. VI, Heidelberg 1989, § 148, Rdnrn. 8 ff.
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Telekommunikationsdiensten, können sich berufsgrundrechtlich spezifische Unterschiede ergeben, die in der eigentumsgrundrechtlichen Abwägung sachnotwendig noch nicht enthalten waren. Gleiches gilt für die berufsgrundrechtliche Schutzintensität und die Sachgerechtigkeit des Eingriffsmittels als Maßstäbe für den gesetzgeberischen Legitimationsaufwand zur Verkürzung gerade der Berufsausübungsfreiheit des aus § 33 Abs. 1 TKG Anspruchsverpflichteten. Sie nehmen die berufsgrundrechtlichen Eigenheiten auf und verarbeiten diese. Aus ihnen können sich Unterschiede in der Gesamtevaluierung im Vergleich zur eigentumsgrundrechtlichen Abwägung ergeben. So kann ein Eingriffsmittel, hier § 33 Abs. 1 TKG, je nach dem Schutzgut der betroffenen Freiheit eine unterschiedliche Intensität in der Beschränkung für den Grundrechtsträger aufweisen. Das eine Eingriffsmittel kann also einen von Grundrecht zu Grundrecht verschiedenen Freiheitsverlust bewirken. Dementsprechend kann der gesetzgeberische Legitimationsaufwand für die bewirkte Grundrechtsverkürzung variieren. (1) Spezifität des Schutzgutes Aus § 33 Abs. 1 TKG ist für Fälle des besonderen Netzzugangs anspruchsverpflichtet, wer ein Festnetz betreibt und einen Markt für Zugangsdienste beherrscht. Rechtstatsächlich handelt es sich um ein vertikal integriertes Unternehmen, das auch Telekommunikationsdienste für Endkunden anbietet. Hinter diesem stehen regelmäßig nicht ein zu individualisierender Unternehmer, sondern verschiedene Kapitalgeber, die eine Geschäftsleitung einsetzen. Aus dieser personalen Komponente ergibt sich bereits eine gewisse Ferne zu dem Grundrechtskern, der in erster Linie und in besonderem Maße auf die Existenzsicherung von Individuen durch berufliche Betätigung zugeschnitten ist. Weiterhin ist die berufliche Betäti gung des aus § 33 Abs. 1 TKG Anspruchsverpflichteten nicht auf das Anbieten von Zugängen zu Teilnehmeranschlussleitungen beschränkt. Sie umfasst vielmehr das Anbieten von sämtlichen, durch die Infrastruktur „Festnetz“ möglichen Zugangsdienstleistungen und das Anbieten verschiedenster, entwicklungsoffener Endkundendienste. Die spezifische berufliche Betätigung ist hier also besonders weit gefächert. § 33 Abs. 1 TKG verkürzt zudem nur einen kleinen Bereich der unternehmerisch-strategischen Gestaltungsfreiheit, nämlich im Zugangsdienstebereich ökonomisch-relevante Verträge selbstbestimmt abzuschließen und inhaltlich zu gestalten. Dass die Offenlegung von betrieblichen Informationen des Anspruchsverpflichteten damit einher geht, intensiviert diese Gewährleistungsverkürzung nicht signifikant. Die Angabe interner Daten gegenüber dem Vertragspartner ergibt sich aus der Natur des Vertragsgegenstandes, Zugang zum Netz. Die Nutzung eines Netzsegmentes erfordert ein Maß an Offenlegung und Abstimmung technischer Koordinaten zur störungsfreien Vertragsdurchführung, das andere Vertragsgegenstände, wie beispielsweise die Nutzung einer Mietwohnung, naturgemäß nicht mit sich bringen. Auch kommt es zu der Beschränkung in der Berufsausübung erst, wenn und weil der Anbieter von Telekommunikationsdiensten eine marktbeherrschende Stellung hat oder erlangt hat. „Verliert“
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er sie, so ist er auch nicht länger anspruchsverpflichtet. Die Gewährleistungsverkürzung ist also konzeptionell nicht dauerhaft, sondern marktregulierungsabhängig. (2) Berufsgrundrechtliche Schutzintensität als Maßstab für den gesetzgeberischen Legitimationsaufwand Mit der Qualifizierung des § 33 Abs. 1 TKG als Regelung der Berufsausübung ist bereits eine grobe Voreinordnung in den äußeren Bereich der berufsgrundrechtlichen Gewährleistungen erfolgt. Erweist sich die Bedeutung des konkret betroffenen Gewährleistungsausschnitts für den Grundrechtsträger als gering, kann diese Voreinstufung bekräftigt werden. Mit einer begrenzten rechtsgeschäftlichen Kontrolle über die wesentliche Marktzutrittsbarriere, den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung, verkürzt der Gesetzgeber einen unternehmens-strategisch wichtigen Hebel in der Hand des Anspruchsverpflichteten. Jedoch behält der Anspruchsverpflichtete es selbst in der Hand, seine Kunden durch innovative Diensteangebote und attraktive Tarife zu halten. Dann läuft der Netzzugangsanspruch des § 33 Abs. 1 TKG für den anspruchsberechtigten Wettbewerber leer. Der Gesetzgeber motiviert den Anspruchsverpflichteten durch § 33 Abs. 1 TKG letztlich dazu, einer anderen Unternehmensstrategie Priorität einzuräumen, sich also von einer wettbewerbshemmenden weg und hin zu einer wettbewerbsfördernden Strategie zu orientieren. Insofern ist der konkret betroffene Gewährleistungsausschnitt für den Grundrechtsträger von geringer Bedeutung. Eine Erhöhung des gesetzgeberischen Legitimationsaufwandes im Sinne der Anforderungen, die an eine Berufswahlregelung zu stellen wären, kommt daher nicht in Betracht. Der Aufwand des Gesetzgebers zur Eingriffsrechtfertigung ist vielmehr als gering einzustufen. (3) Berufsgrundrechtliche Sachgerechtigkeit des Eingriffsmittels als weiterer Maßstab für den gesetzgeberischen Legitimationsaufwand § 33 Abs. 1 TKG legt zwar nicht ein frei entstandenes Berufsbild des Anbieters von Telekommunikationsdiensten fest. Auch statuiert § 33 Abs. 1 TKG nicht für alle Anbieter gleiche Voraussetzungen für die Aufnahme dieser beruflichen Betätigung. Eine Differenzierung ist insbesondere schon durch das Lizenzvergabeverfahren nach §§ 6 ff. TKG erfolgt. § 33 Abs. 1 TKG reguliert vielmehr mit der Anknüpfung an einen dominanten oder dominant gewordenen Anbieter eine nicht oder nicht mehr wettbewerbliche Marktstruktur. Das Eröffnen und Wahren eines tatsächlich funktionsfähigen Wettbewerbs kommt aber wiederum jedem einzelnen Anbieter selbst zugute, also auch dem Anspruchsverpflichteten. Dies wurde in Kapitel B. II. 5. g) herausgearbeitet. Aus diesem Grunde ergibt sich die besondere und enge innere Beziehung zwischen der wettbewerbseröffnenden Regelung des § 33 Abs. 1 TKG zu den berufsgrundrechtlichen Belangen des anspruchsverpflichteten Diensteanbieters. § 33 Abs. 1 TKG ist auch aus berufsgrundrechtlicher Sicht 21 Kallmayer
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eine in hohem Maße sachgerechte Regelung. Der gesetzgeberische Legitimationsaufwand ist dementsprechend gering. (4) Zwischenergebnis Die spezifische berufliche Betätigung umfasst das Anbieten sämtlicher, durch die Infrastruktur „Festnetz“ möglicher Zugangsdienstleistungen und zudem das Anbieten einer vom Grundrechtsträger bestimmten und erweiterbaren Palette von Endkundendiensten, welche die Nutzung des Festnetzes voraussetzen. § 33 Abs. 1 TKG verkürzt diesen weiten Bereich der beruflichen Betätigung nur in einem kleinen Gewährleistungsausschnitt, nämlich der unternehmerisch-strategischen Gestaltungsfreiheit, im Zugangsdienstebereich ökonomisch-relevante Verträge selbstbestimmt abzuschließen. Die Schutzintensität ist aus drei Gründen gering. Zum einen greift § 33 Abs. 1 TKG als Berufsausübungsregelung lediglich in den Randbereich der grundrechtlichen Gewährleistung ein. Zum anderen steht der als juristische Privatrechtsperson verfasste Grundrechtsträger durch diese Organisationsform dem individual-geprägten Grundrechtskern fern. Zudem ist mit der Verkürzung seiner rechtsgeschäftlichen Gestaltungsfreiheit bloß die Begrenzung einer wettbewerbshemmenden Unternehmensstrategie verbunden, so dass zugleich eine innovative, Wettbewerb voraussetzende Strategie gefördert wird. Der Legitimationsaufwand des Gesetzgebers für sein Gemeinwohlanliegen ist also gering. § 33 Abs. 1 TKG steht auch in einer engen inneren Verbindung zur beruflichen Betätigung des Anspruchsverpflichteten. Die durch § 33 Abs. 1 TKG verfolgte Wettbewerbseröffnung kommt diesem letztlich selbst zugute. Alle individualschützenden Erwägungen zur Sachgerechtigkeit aus eigentumsgrundrechtlicher Sicht greifen auch für die Berufsausübung. Das schutzgutspezifische Näheverhältnis entspricht demjenigen der Eigentumsfreiheit. bb) Spezifität und eingriffslegitimierende Kraft des Gesetzeszweckes; Verstärkung der abzuwägenden Güter durch zusätzliche Positionen; Evaluierung des Eingriffsmittels Die maßstabsetzende Bedeutung der Berufsfreiheit tritt bei der Bestimmung von Spezifität und eingriffslegitimierender Kraft des Gesetzeszweckes ebenso in den Hintergrund wie bei der Evaluierung des Eingriffsmittels. Entsprechendes gilt für die Verstärkung der abzuwägenden Güter durch zusätzliche Positionen: Die Janusköpfigkeit des Eingriffszwecks und das berufsgrundrechtliche Gebotensein der Wahrung von Wettbewerberinteressen geben dem Gemeinwohlanliegen des Gesetzgebers weiteres Gewicht. Die Verstärkung des Berufsschutzes durch den Eigentumsschutz wurde in umgekehrter Richtung bereits gewürdigt. Dies lässt den Schluss zu, das insoweit die eigentumsgrundrechtliche Abwägung in Bezug genommen werden kann.
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III. Zusammenfassung Wegen der als gering einzustufenden Schutzintensität und der hohen Sachgerechtigkeit des § 33 Abs. 1 TKG variiert der gesetzgeberische Legitimationsaufwand für die bewirkte Grundrechtsverkürzung nicht gegenüber demjenigen, der aus den Maßstäben des Eigentumsgrundrechts entwickelt wurde. Er ist jeweils – und dadurch abermals verstärkt – gering. Die maßstabsetzende Bedeutung des Berufsgrundrechts wirkt sich auf die Abwägungsaspekte, die den Gesetzeszweck und das Eingriffsmittel gewichten, nicht signifikant aus. Auf die eigentumsgrundrechtliche Abwägung wird insofern verwiesen. Das geringe Ausmaß der Berufsausübungsverkürzung steht somit in einem angemessenen Verhältnis zu dem bedeutenden Gewicht des eingriffslegitimierenden Gesetzeszweckes. § 33 Abs. 1 TKG verfolgt mit der tatsächlichen Wettbewerbseröffnung auf Endkundenmärkten und der Wahrung von Interessen neuer Anbieter zwei Gesetzeszwecke, die jedenfalls „vernünftige“ Erwägungen des allgemeinen Wohls im Sinne der „Stufentheorie“ des Bundesverfassungsgerichts abbilden. § 33 Abs. 1 TKG ist insoweit als geeignet, erforderlich und angemessen anzusehen. § 33 Abs. 1 TKG ist im Sinne der „Stufen-Theorie“ als Berufsausübungsregelung zu qualifizieren und genügt den Anforderungen des berufsgrundrechtsspezifischen Übermaßverbotes. § 33 Abs. 1 TKG steht auch nach den Maßstäben der Berufsfreiheit, die idealkonkurrierend zu denen der Eigentumsfreiheit treten, auf dem Boden der Verfassungsmäßigkeit.
D. Vereinbarkeit des § 33 Abs. 1 TKG mit dem allgemeinen Gleichheitssatz, insbesondere für den Fall „entbündelter Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung“ Idealkonkurrierend zu den Grundrechten der Eigentumsfreiheit und der Berufsfreiheit tritt Art. 3 Abs. 1 GG248 als weiterer Maßstab für die Untersuchung der Verfassungsmäßigkeit des § 33 Abs. 1 TKG hinzu. Die bereits ausgemessenen Freiheitsverbürgungen von Eigentum und Beruf und die noch zu entfaltende 248 Zum entstehungsgeschichtlichen Hintergrund des allgemeinen Gleichheitssatzes: Manfred Gubelt, in: Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, begr. v. Ingo von Münch, hrsg. v. Philip Kunig, 5. Aufl., München 2000, Art. 3 Rdnr. 1; Konrad Hesse, Der Gleichheitsgrundsatz im Staatsrecht, AöR 77 (1951 / 1952), S. 167 (167 – 172); Christoph Gusy, Der Gleichheitsschutz des Grundgesetzes, JuS 1982, S. 30 (31 f.); Christian Starck, in: Das Bonner Grundgesetz, begr. v. Hermann von Mangoldt, fortgef. v. Friedrich Klein, hrsg. v. Christian Starck, Bd. 1, 4. Aufl., München 1999, Art. 3, Rdnr. 1; Wolfgang Rüfner, Der allgemeine Gleichheitssatz als Differenzierungsgebot, in: Festschrift für Martin Kriele, München 1997, S. 271 (273 f.); zu den rechtsphilosophisch gefüllten Begriffen „Gerechtigkeit“ und „Gleichheit“: Paul Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, in: Handbuch des Staatsrechts, hrsg. v. Josef Isensee und Paul Kirchhof, Heidelberg 1992, Bd. V, § 124, Rdnrn. 44 – 81; Gerhard Robbers, Gerechtigkeit als Rechtsprinzip, Baden-Baden 1980, S. 163; Michael Kloepfer, Gleichheit als Verfas-
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Gleichheitsverbürgung sind im Sinne des hier angenommenen Verhältnisses von Freiheit und Gleichheit aufeinander bezogen und greifen sinnzusammenhängend ineinander, siehe Teil 4, Kapitel D. II. Dieses besondere Aufeinanderbezogensein ist in das Ausloten der Gleichheitsverbürgung für den Sachverhalt des § 33 Abs. 1 TKG einzuweben. Der inhalts- und schrankenbestimmende und zugleich berufsausübungsregelnde Gesetzgeber muss also vor dem Werte- und Abwägungshintergrund von Eigentums- und Berufsfreiheit zusätzlich noch etwaige, durch § 33 Abs. 1 TKG bewirkte Ungleichbehandlungen legitimieren können und zwar insbesondere für den Fall des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung. Dass auch der Gesetzgeber an den Gehalt des Verfassungssatzes, „alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“, gebunden ist, legt der Wortlaut nicht nahe. Die Gewährleistung der Rechtsetzungsgleichheit ergibt sich aber systematisch aus Art. 1 Abs. 3 GG249. Anknüpfungspunkte für eine durch § 33 Abs. 1 TKG bewirkte Ungleichbehandlung können sich vorliegend in zwei Richtungen ergeben. Zum einen sind sie in der Relation der zugangsmarktbeherrschenden gegenüber den nicht zugangsmarktbeherrschenden Anbietern von Telekommunikationsdiensten auszumachen. Damit ist insbesondere die Relation der aus § 33 Abs. 1 TKG verpflichteten Deutsche Telekom AG gegenüber ihren Wettbewerbern angesprochen. Zum anderen kann sich eine „Gleichheitsrelevanz“250 des § 33 Abs. 1 TKG in der Relation der zugangsmarktbeherrschenden Anbieter von Telekommunikationsdiensten gegenüber Anbietern anderer Produkte ergeben, die relevante Vorleistungsmärkte beherrschen.
I. Entwicklung eines Prüfungsprogramms Eine gesetzliche Regelung ist grundsätzlich in zwei Schritten am allgemeinen Gleichheitssatz zu messen. Erstens sind die für den konkreten Fall sachgerechten Vergleichsgruppen herauszuarbeiten, anhand derer die durch die zu untersuchende Norm bewirkte Ungleichbehandlung sichtbar wird. Zweitens geht es um die Frage nach der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung. Welche Anforderungen aus der Verfassung für die Legitimation einer gesetzlichen Ungleichbehandlung zu gewinnen und im konkreten Fall zu stellen sind, bedarf der besonderen Untersuchung. sungsfrage, Berlin 1980, S. 11 – 14; Arthur Kaufmann, Theorie der Gerechtigkeit, Frankfurt am Main 1984, S. 1 ff.; Friedrich Schoch, Der Gleichheitssatz, DVBl. 198, S. 863 (877 f.); Konrad Hesse, Der Gleichheitsgrundsatz im Staatsrecht, AöR 77 (1951 / 52), S. 167 (215 f.); Robert Alexy, Theorie der Grundrechte, 2. Aufl., Frankfurt am Main 1994, S. 377 – 389. 249 Manfred Gubelt, in: Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, begr. v. Ingo von Münch, hrsg. v. Philip Kunig, 5. Aufl., München 2000, Art. 3, Rdnr. 8; Friedrich Schoch, Der Gleichheitssatz, DVBl. 1988, S. 863 (868); Robert Alexy, Theorie der Grundrechte, 2. Aufl., Frankfurt am Main 1994, S. 357 – 363. 250 Heike Jochum, Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG, Berlin 2001, S. 166.
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1. Ermittlung der relevanten Ungleichbehandlung durch sachgerechte Bildung vergleichbarer Gruppen Eine durch die zu untersuchende Norm bewirkte Ungleichbehandlung ist lediglich in der Relation von zwei unterschiedlichen Gruppen erkennbar, die miteinander verglichen werden. Das Herausarbeiten dieser für den konkreten Fall relevanten Vergleichsgruppen ist eine besondere Schwierigkeit der Gleichheitsprüfung. Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass die zu untersuchende Norm eine unterschiedliche Behandlung verschiedenster, rechtlich erfasster Sachbereiche bewirkt. Diese Sachbereiche können aber nur dann in Vergleichsgruppen eingeteilt und verglichen werden, wenn sie vergleichbar sind. Logische Voraussetzung eines Vergleichs ist die Vergleichbarkeit dessen, was verglichen werden soll251. Das meint der Volksmund, wenn er sagt, man könne nicht Äpfel mit Birnen vergleichen252. Die eine Vergleichsgruppe wird stets durch den Sachbereich gebildet, an den die zu untersuchende Regelung anknüpft. Die andere Vergleichsgruppe ist durch sachgerechtes Evaluieren der in Betracht kommenden, übrigen rechtlich erfassten Sachbereiche zu ermitteln. Dazu sind die Besonderheiten des von der zu untersuchenden Norm betroffenen Regelungsbereiches zu berücksichtigen253. In Betracht kommen allerdings nur Sachbereiche, die durch dieselbe Rechtsetzungsgewalt erfasst wurden254. Die Merkmale, die die Eigenart der einen Vergleichsgruppe ausmachen, müssen sich auch im Wesentlichen in der anderen Vergleichsgruppe finden. Dies lässt sich durch einen gemeinsamen, beiden potentiellen Vergleichsgruppen innewohnenden Bezugspunkt255 ermitteln, der zugleich die jeweilige Gruppe charakterisiert. Dieser gemeinsame Bezugspunkt wird auch als „gemeinsamer Oberbegriff“256 bezeichnet. Ob er dann im einzelnen die Vergleichbarkeit der beiden Gruppen ausmacht, ist eine Wertungsfrage257. Dieses Evaluierungsprozedere steckt letztlich hinter der Formulierung des Bundesverfassungsgerichts, der Gesetzgeber dürfe nicht „wesentlich“ Gleiches ungleich behanRudolf Wendt, Der Gleichheitssatz, NVwZ 1988, S. 778 (782). Nicht verkannt wird dabei, dass Äpfel und Birnen im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG sehr wohl vergleichbar sein können, nämlich beispielsweise dann, wenn der Gesetzgeber die Einfuhr von Obst regelt und für Äpfel andere Einfuhrbedingungen vorsieht als für Birnen. 253 Heike Jochum, Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG, Berlin 2001, S. 167. 254 Hans D. Jarass, in: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, hrsg. v. Hans D. Jarass und Bodo Pieroth, 5. Aufl., München 2000, Art. 3, Rdnr. 10; Bodo Pieroth / Bernhard Schlink, Grundrechte, 17. Aufl., Heidelberg 2001, Rdnr. 431. 255 Bodo Pieroth / Bernhard Schlink, Grundrechte, 17. Aufl., Heidelberg 2001, Rdnrn. 431, 433. 256 Bodo Pieroth / Bernhard Schlink, Grundrechte, 17. Aufl., Heidelberg 2001, Rdnr. 433. 257 So ausdrücklich Konrad Hesse, Der allgemeine Gleichheitssatz in der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtsetzungsgleichheit, in: Festschrift für Peter Lerche, München 1993, S. 121 (121); siehe auch Manfred Gubelt, in: GrundgesetzKommentar, Bd. 1, begr. v. Ingo von Münch, hrsg. v. Philip Kunig, 5. Aufl., München 2000, Art. 3, Rdnrn. 16 a, 17. 251 252
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deln258. Sind die für den konkreten Fall relevanten, sachgerechten Vergleichsgruppen gebildet, lässt sich die gesetzliche Ungleichbehandlung exakt benennen.
2. Entwicklung eines Maßstabs für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung Welchen Anforderungen eine gesetzliche Ungleichbehandlung zu ihrer verfassungsrechtlichen Legitimierung genügen muss, ist eine Frage, die sich Wissenschaft und Praxis immer wieder neu stellt. Ihrer Beantwortung wird hier nachgegangen und zwar insbesondere im Hinblick auf Konstellationen, in denen die gesetzliche Ungleichbehandlung zugleich die Ausübung von Freiheitsgrundrechten verkürzt.
a) Maßstabsentwicklung in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung Ausgangspunkt aller Entwicklungen in der Dogmatik zum allgemeinen Gleichheitssatz ist dessen Interpretation als Willkürverbot. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts formulierte in seinem „Südweststaat-Urteil“, „der Gleichheitssatz verbietet, wesentlich Gleiches willkürlich ungleich . . . zu behandeln“259. Eine gesetzliche Bestimmung, so definierte er, sei als willkürlich zu bezeichnen – und damit die Verletzung des Gleichheitssatzes anzunehmen, „wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung . . . nicht finden lässt“260. Das Bundesverfassungsgericht präzisierte das Willkürverbot später dahin, dass objektive Willkür ausreiche, d. h. die tatsächliche und eindeutige Unangemessenheit der gesetzlichen Regelung in Bezug auf den zu ordnenden Gesetzgebungsgegenstand261 beziehungsweise im Verhältnis zu der tatsächlichen Situation, derer die Regelung Herr werden soll262. Willkürfrei handelt der Gesetzgeber, wenn er die Ungleichbehandlung auf einen rational nachvollziehbaren und tatsächlich vorliegenden, sachgerechten Grund gestützt hat263. Dabei hat er einen weiten Spielraum, der erst dort endet, „wo die ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo also ein einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung BVerfGE 1, S. 14 (52); BVerfGE 49, S. 148 (165). BVerfGE 1, S. 14 (52). 260 BVerfGE 1, S. 14 (52). 261 BVerfGE 4, S. 144 (155); BVerfGE 36 S. 174 (187). 262 BVerfGE 2, S. 266 (281). 263 So zusammenfassend unter Verweis auf das Südweststaat-Urteil beispielsweise: BVerfGE 49, S. 148 (165); BVerfGE 61, S. 138 (147); BVerfGE 68, S. 237 (250); BVerfGE 72, S. 141 (150); BVerfGE 83, S. 1 (23); BVerfGE 86, S. 81 (87); BVerfGE 89, S. 133 (141). 258 259
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fehlt“264. Die Unsachlichkeit der gesetzlichen Regelung müsse dabei allerdings evident sein265, womit die verfassungsgerichtliche Kontrolldichte angesprochen ist. Zeichnet man die große Linie der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts weiter nach266, markiert die Leitentscheidung des Ersten Senats zu Präklusionsvorschriften im Zivilprozess267 eine weitere Etappe in der Dogmatik des Art. 3 Abs. 1 GG. Das Gericht erkannte, dass der – sowohl inhaltlich als auch in seiner verfassungsgerichtlichen Nachprüfbarkeit – grobmaschige Legitimationsmaßstab des Willkürverbots nicht in jedem Fall der Bedeutung der Gleichheitsverbürgung im Gefüge des Grundgesetzes und dem daraus resultierenden Gleichheitsschutzniveau genügte. Selbst wenn der Gesetzgeber einen sachgerechten Grund für die Ungleichbehandlung vorweist, kann dies nicht immer ausreichen, um eine gesetzliche Ungleichbehandlung nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 GG zu legitimieren. Es bedurfte eines weiteren Evaluierungsmaßstabes. Dieser gewann Gestalt in der sogenannten „neuen Formel“ des Bundesverfassungsgerichts. Ihr zufolge liegt ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor, „wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten“268. Der Gesetzgeber überschreitet dann in einer nicht mehr zu legitimierenden Weise die Grenzen seines Gestaltungsspielraums. Dieser neue und strengere Legitimationsmaßstab nimmt die Relation zwischen Differenzierungskriterium und Ungleichbehandlung in den Blick269. Daraus lässt sich folgern, dass zunächst diejenigen Unterschiede, BVerfGE 55, S. 72 (90) unter Verweis auf BVerfGE 9, S. 334 (337). BVerfGE 55, S. 72 (90) unter Verweis auf BVerfGE 12, S. 326 (333); BVerfGE 23, S. 135 (143). 266 Wobei die Unterschiede in der Judikatur zwischen dem Ersten und Zweiten Senat nicht vertieft werden sollen. 267 BVerfGE 55, S. 72 (88 ff.). 268 BVerfGE 55, S. 72 (88); seither ständige Rechtsprechung, aufgegriffen beispielsweise in BVerfGE 64, S. 229 (239); BVerfGE 74, S. 9 (24); BVerfGE 85, S. 238 (244); BVerfGE 93, S. 386 (397); zuletzt BVerfG, Urteil vom 6. März 2002, Az. 2 BvL 17 / 99, NJW 2002, S. 1103 (1104), in dem die Gruppe der „Normadressaten“ um diejenige der „Normbetroffenen“ erweitert wird. 269 Terminologische Eindeutigkeit ist an dieser Stelle geboten. Differenzierungskriterien bezeichnen diejenigen Merkmale, die die eine Vergleichsgruppe von der anderen unterscheiden und deren (Nicht-)Vorliegen der Gesetzgeber zum Anknüpfungspunkt seiner Regelung gemacht hat. Als Synonyme zu „Differenzierungskriterium“ werden auch die Begriffe „Differenzierungsanlaß“, „Differenzierungsmerkmal“ und „Differenzierungsgrund“ gebraucht. Hier wird aus Gründen terminologischer Stringenz nur von „Differenzierungskriterium“ gesprochen. Das Differenzierungskriterium kann identisch sein mit dem „sachlichen Grund“, der eine gesetzliche Ungleichbehandlung im Sinne der Willkürformel zu rechtfertigen vermag. Der Begriff „Ungleichbehandlung“ wird oft synonym für „Differenzierung“ und „Verschiedenbehandlung“ verwendet. Das „Differenzierungsmittel“ ist die konkrete, zu untersuchende gesetzliche Regelung, die die Ungleichbehandlung bewirkt. Vorliegend werden die Begriffe „Ungleichbehandlung“ und Differenzierungsmittel bemüht. 264 265
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die trotz Vergleichbarkeit zwischen den beiden Vergleichsgruppen bestehen, nach ihrer (Eigen-)Art und ihrem Gewicht bestimmt und sodann Art und Ausmaß der Ungleichbehandlung ermittelt werden. Schließlich und maßgebend werden Art und Gewicht der Unterschiede zwischen den Vergleichsgruppen zum Ausmaß der Ungleichbehandlung ins „Verhältnis“ gesetzt und miteinander abgewogen270. Die „neue Formel“ sah sich drei Schwierigkeiten gegenüber. Zum einen begrenzte sie sozusagen auf der Tatbestandsseite271 ihre Anwendbarkeit auf personenbezogene Differenzierungskriterien. Das steckt letztlich hinter der Formulierung „eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten“. Sach- oder verhaltensbezogene Differenzierungskriterien waren demzufolge nicht erfasst272. Ebenso wenig sind andere Anknüpfungspunkte berücksichtigt, die einen strengeren Prüfungsmaßstab bedingen können, wie die Auswirkung der Ungleichbehandlung auf den Gebrauch von Freiheitsgrundrechten. Zum anderen blieb offen, ob es lediglich zwei Prüfungsmaßstäbe gibt, nämlich Stufe eins Willkürverbot als allgemeiner Prüfungsmaßstab und Stufe zwei „neue Formel“ als strenger Prüfungsmaßstab, oder ob dazwischenliegende, weitere Prüfungsmaßstäbe auszumachen sind. Weiterhin beschränkte sich die „neue Formel“ auf eine abwägende Prüfung in der Relation zwischen Differenzierungskriterien und Ungleichbehandlung. Ein – über die Privilegierung beziehungsweise Benachteiligung aufgrund des Differenzierungskriteriums hinausgehendes – gesetzgeberisches Ziel, das mit dem Einsatz des Differenzierungsmittels und der dadurch bewirkten Ungleichbehandlung verfolgt wird, kommt dabei nicht zum Tragen. Die Relation zwischen gesetzgeberischem Ziel und Ungleichbehandlung wird ebenso wenig evaluiert wie das Verhältnis zwischen gesetzgeberischem Ziel und Differenzierungskriterium. Das Legitimationspotential, das in der Eigenart und dem Ausmaß des gesetzgeberischen Regelungszweckes liegt, wird also nicht entfaltet. In den nachfolgenden Entscheidungen entwickelt das Bundesverfassungsgericht die Dogmatik des Art. 3 Abs. 1 GG daher auch in drei Richtungen weiter. Erstens stellt es fest, dass das Willkürverbot stets als Mindestprüfungsmaßstab fungiert273. Lässt sich nicht irgendein sachlicher Grund zugunsten der Ungleichbehandlung objektiv aufführen, ist Art. 3 Abs. 1 GG jedenfalls verletzt. Als Maximalprüfungsmaßstab benennt es die strenge Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse: „Aus dem allgemeinen
270 In diesem Sinne Kerstin Odendahl, Der allgemeine Gleichheitssatz: Willkürverbot und „neue Formel“ als Prüfungsmaßstäbe, JA 2000, S. 170 (172 f.). 271 Kerstin Odendahl, Der allgemeine Gleichheitssatz: Willkürverbot und „neue Formel“ als Prüfungsmaßstäbe, JA 2000, S. 170 (171). 272 Zu den tatsächlichen Schwierigkeiten, zwischen personen-, sach- und verhaltensbezogenen Merkmalen zu unterscheiden, Heike Jochum, Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG, Berlin 2001, S. 155; Konrad Hesse, Der allgemeine Gleichheitssatz in der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtsetzungsgleichheit, in: Festschrift für Peter Lerche, München 1993, S. 121 (128 f.). 273 BVerfG, Urteil vom 6. März 2002, Az. 2 BvL 17 / 99, NJW 2002, S. 1103 (1104).
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Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen“274, wobei allerdings „genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall das Willkürverbot oder das Gebot verhältnismäßiger Gleichbehandlung durch den Gesetzgeber verletzt ist,“ sich „nicht abstrakt und allgemein, sondern nur bezogen auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen275“ lassen. Zweitens macht das Bundesverfassungsgericht eine Reihe von Kriterien aus, die einen strengeren Prüfungsmaßstab als denjenigen des Willkürverbots auslösen können und zugleich Anknüpfungspunkte dafür bilden, wie streng der Prüfungsmaßstab im konkreten Fall zu sein hat276. Zu nennen sind: – Nähe eines personenbezogenen Differenzierungskriteriums zu den in Art. 3 Abs. 3 GG genannten verbotenen Differenzierungskriterien277 – Ausmaß der Auswirkung sachbezogener Differenzierungskriterien auf Personen278 – Ausmaß, in dem die Betroffenen den Eintritt eines verhaltensbezogenen Differenzierungskriteriums beeinflussen können279 – Ausmaß, in dem hinter einer juristischen Person stehende natürliche Personen von der Ungleichbehandlung betroffen sind280 – Ausmaß der gesetzgeberischen Einschätzungsprärogative bei der Beurteilung der Ausgangslage und bei den Auswirkungen des ausgewählten Differenzierungsmittels281
274 BVerfGE 88, S. 5 (12); BVerfGE 88, S. 87 (96); BVerfGE 93, S. 99 (111); BVerfGE 101, S. 54 (101); zuletzt BVerfG, Urteil vom 6. März 2002, Az. 2 BvL 17 / 99, NJW 2002, S. 1103 (1104). 275 Ständige Rechtsprechung des Zweiten Senates seit BVerfGE 75, S. 108 (157); BVerfGE 93, S. 386 (397); zuletzt BVerfG, Urteil vom 6. März 2002, Az. 2 BvL 17 / 99, NJW 2002, S. 1103 (1104); vgl. auch aus der Rechtsprechung des Ersten Senates BVerfGE 88, S. 5 (12 f.); BVerfGE 88, S. 87 (96); BVerfGE 90, S. 226 (239). 276 Dabei geht es um die Bestimmung des gesetzgeberischen Legitimationsaufwandes für eine Ungleichbehandlung. Davon zu unterscheiden ist die Frage nach der verfassungsgerichtlichen Kontrolldichte für die Prüfung der Gleichheitskonformität einer gesetzlichen Ungleichbehandlung. Sie kann von einer bloßen Evidenzkontrolle bis zu einer intensivierten inhaltlichen Kontrolle reichen, BVerfG, Urteil vom 2. März 1999, Az. 1 BvL 2 / 91, NJW 1999, S. 1535 (1536); zum Begriff der Evidenzkontrolle Michael Krugmann, Gleichheit, Willkür, Evidenz, JuS 1998, S. 7 (9 ff.). 277 BVerfGE 88, S. 87 (96). 278 BVerfGE 65, S. 277 (384); BVerfGE 88, S. 87 (96); BVerfGE 99, S. 367 (388). 279 BVerfG, Urteil vom 2. März 1999, Az. 1 BvL 2 / 91, NJW 1999, S. 1535 (1536). 280 BVerfG, Urteil vom 2. März 1999, Az. 1 BvL 2 / 91, NJW 1999, S. 1535 (1536). 281 BVerfG, Urteil vom 2. März 1999, Az. 1 BvL 2 / 91, NJW 1999, S. 1535 (1536).
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– Ausmaß, in dem die Ungleichbehandlung die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten erschwert282.
Das letzte Kriterium, der Kontext zwischen Ungleichbehandlung und Freiheitsverkürzung, wurde dabei herausgehoben und als „wesentliches“ Kriterium für das Eingreifen und die genaue Bestimmung eines strengeren Prüfungsmaßstabes bezeichnet283. Drittens erweitert das Bundesverfassungsgericht die Dimensionen des Prüfungsmaßstabes um die Koordinate des Zieles, das der Gesetzgeber mit dem Einsatz des Differenzierungsmittels verfolgt. Zunächst untersucht das Gericht die Verfassungslegitimität dieses Zieles284. In manchen Entscheidungen betrachtet es sodann die Relation zwischen gesetzgeberischem Ziel und Ungleichbehandlung. So betont das Gericht beispielsweise, „die gesetzliche Auswirkung (sic. der Verschiedenbehandlung) darf nicht weiter greifen, als der die Verschiedenbehandlung legitimierende Zweck es rechtfertigt, und sie darf schutzwürdige Belange der Nichtbegünstigten nicht ohne hinreichenden sachlichen Grund vernachlässigen“285. In einer anderen Entscheidung heißt es: „Die angegriffene Regelung (sic. das Differenzierungsmittel, das die Ungleichbehandlung bewirkt) verfehlt jedoch das angestrebte Ziel, indem sie unzulässig typisiert286. Weiterhin nimmt es die Relation zwischen gesetzgeberischem Ziel und dem Differenzierungskriterium, das der Gesetzgeber auswählte, in den Blick. So untersuchte das Bundesverfassungsgericht beispielsweise, ob die „Differenzierungsmerkmale, die der Gesetzgeber zur Erreichung seines verfassungsrechtlich bedenkenfreien Ziels gewählt hat,“287 mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sind.
b) Maßstabsvorschläge in der Literatur In der Lehre ist jedenfalls ein sich verbreiternder Strom von Auffassungen zu erkennen, die Art. 3 Abs. 1 GG einen über das bloße Willkürverbot hinausgehenden, materiellen Gehalt entnehmen288. Damit einhergehend wird dem Gesetzgeber ein größerer Legitimationsaufwand für Ungleichbehandlungen abverlangt. 282 BVerfGE 74, S. 9 (24); BVerfGE 75, S. 382 (393); BVerfGE 82, S. 126 (146); BVerfGE 88, S. 87 (96); BVerfGE 90, S. 46 (56); BVerfGE 91, S. 346 (362 f.); BVerfGE 95, S. 267 (316 f.); BVerfGE 99, S. 367 (388). 283 BVerfG, Urteil vom 6. März 2002, Az. 2 BvL 17 / 99, NJW 2002, S. 1103 (1104). 284 BVerfG, Urteil vom 2. März 1999, Az. 1 BvL 2 / 91, NJW 1999, S. 1535 (1537); BVerfGE 100, S. 59 (92 f.). 285 BVerfGE 85, S. 238 (245). 286 BVerfGE 100, S. 59 (92 f.). 287 BVerfG, Urteil vom 2. März 1999, Az. 1 BvL 2 / 91, NJW 1999, S. 1535 (1538). 288 Rudolf Wendt, Der Gleichheitssatz, NVwZ 1988, S. 778 (781); Brun-Otto Bryde / Ralf Kleindiek, Der allgemeine Gleichheitssatz, JurA 1999, S. 36 (41); Michael Sachs, Die Maßstäbe des allgemeinen Gleichheitssatzes – Willkürverbot und sogenannte neue Formel, JuS 1997, S. 124 (128 – 129); Friedrich Schoch, Der Gleichheitssatz, DVBl. 1988, S. 863 (874).
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Teilweise wird die generelle, also voraussetzungslose Anwendung eines über das Willkürverbot hinausgehenden Legitimationsmaßstabes angenommen289. Überwiegend knüpft man jedoch an bestimmte Voraussetzungen an, die einen höheren Legitimationsaufwand auslösen. Sie reichen vom gesetzgeberischen Anknüpfen an personenbezogene Differenzierungskriterien, über das Verfolgen externer gesetzgeberischer Zwecke290, sowie dem Abstellen auf die Sachbereiche und Regelungsmaterien des Einzelfalls291, bis zur Bildung eines „Mittelbaus“ an Kriterien, die zwischen Einzelfall und Sachmaterie liegen292. Darüber hinaus wird überwiegend ein strengerer Rechtfertigungsmaßstab angenommen, wenn die Ungleichbehandlung die Ausübung von grundrechtlichen Freiheitsgewährleistungen verkürzt293. Der dogmatische Hintergrund dieser Übereinstimmung liegt in der sich verdichtenden Erkenntnis, dass der positive verfassungsrechtliche Gehalt und dessen Justiziabilität aus dem jeweils maßgeblichen verfassungsrechtlichen Kontext 289 Lerke Osterloh, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 3, Rdnrn. 18 ff.; für eine generelle Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in seiner ursprünglichen, auf Freiheitsgrundrechte bezogenen Konzeption: Michael Kloepfer, Gleichheit als Verfassungsfrage, Berlin 1980, S. 54 ff., insbesondere S. 61 – 64. 290 Stefan Huster, Gleichheit und Verhältnismäßigkeit – Der allgemeine Gleichheitssatz als Eingriffsrecht, JZ 1994, S. 541 (543 ff., insbesondere 546). 291 Brun-Otto Bryde / Ralf Kleindiek, Der allgemeine Gleichheitssatz, JurA 1999, S. 36 (41 ff.). 292 Systemgerechtigkeit verstanden als Sachgesetzlichkeit und Folgerichtigkeit, Typengerechtigkeit, Chancengleichheit, Steuergerechtigkeit, so Friedrich Schoch, Der Gleichheitssatz, DVBl. 1988, S. 863 (877 ff.). 293 Konrad Hesse, Der allgemeine Gleichheitssatz in der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtsetzungsgleichheit, in: Festschrift für Peter Lerche, München 1993, S. 121 (130 f.); Michael Sachs, Die Maßstäbe des allgemeinen Gleichheitssatzes – Willkürverbot und sogenannte neue Formel, JuS 1997, S. 124 (127 f.); Hans D. Jarass, Folgerungen aus der neueren Rechtsprechung des BVerfG für die Prüfung von Verstößen gegen Art. 3 I GG – Ein systematisches Konzept zur Feststellung unzulässiger Ungleichbehandlungen, NJW 1997, S. 2545 (2547); Brun-Otto Bryde / Ralf Kleindiek, Der allgemeine Gleichheitssatz, JurA 1999, S. 36 (43); Bodo Pieroth / Bernhard Schlink, Grundrechte, 17. Aufl., Heidelberg 2001, Rdnr. 438; Manfred Gubelt, in: Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, begr. v. Ingo von Münch, hrsg. v. Philip Kunig, 5. Aufl., München 2000, Art. 3, Rdnr. 14; Hans D. Jarass, in: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, hrsg. v. Hans D. Jarass und Bodo Pieroth, 5. Aufl., München 2000, Art. 3, Rdnr. 21; Lerke Osterloh, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 3, Rdnrn. 23, 42, 94; siehe auch Christian Starck, in: Das Bonner Grundgesetz, begr. v. Hermann von Mangoldt, fortgef. v. Friedrich Klein, hrsg. v. Christian Starck, Bd. 1, 4. Aufl., München 1999, Art. 3, Rdnrn. 11, 16 f., 275, der allerdings davon ausgeht, dass sich eine im Zusammenhang mit Freiheitsgrundrechten stehende Ungleichbehandlung stets und nur am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz messen lassen müsse. Konsequent zu Ende gedacht, erübrigt sich dann aber nach erfolgter Subsumtion unter das betreffende Freiheitsgrundrecht ein eigenständiger Prüfungsansatz unter Art. 3 Abs. 1 GG. Dies klingt auch bei Christian Starck selbst an, a. a. O., Rdnr. 275, „aus der Verhältnismäßigkeit einer Regelung unter dem Gesichtspunkt eines Freiheitsrechts folgt die Legitimität der entsprechenden Gattungsbildung unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes“.
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Teil 5: Vorgaben des Grundgesetzes für den entbündelten Zugang
zu gewinnen ist294. Neben der Frage nach den Voraussetzungen für einen engmaschigeren Rechtfertigungsmaßstab, stellt sich die Frage nach den Inhalten, die diesen Maßstab bilden. Im Wesentlichen wird zu deren Beantwortung auf die Elemente des Verhältnismäßigkeitsprinzips (Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit) zurückgegriffen. Diese auf eine Abwägung zweier verschiedener Positionen zielenden Elemente werden daher auch in Anwendung auf den Gleichheitssatz in unterschiedlichen Beziehungen eingesetzt. Diese Beziehungen bilden sich zum einen aus Elementen des Gleichheitsgebotes selbst, Differenzierungskriterium und Ungleichbehandlung, zum anderen aus dem Zweck, den der Gesetzgeber mit der Ungleichbehandlung verfolgt. Manche entfalten diese Elemente in der Relation zwischen Differenzierungskriterium und Ungleichbehandlung295. Untersucht wird dann, ob die zwischen den Vergleichsgruppen ausgemachten Unterschiede ihrer Art nach (Geeignetheit), ihrem Ausmaß nach (Erforderlichkeit), und ihrem Gewicht nach (Angemessenheit) gerade eine solche Ungleichbehandlung wie die vorgenommene zu tragen vermögen, ob sie also die angeordnete unterschiedliche Rechtsfolgensetzung in Art und Ausmaß legitimieren können296. Es müsse, so wird gefordert, ein innerer, regelungsadäquater Zusammenhang zwischen diesen Unterschieden und der unterschiedlichen Rechtsfolgensetzung bestehen297. Andere strukturieren anhand der Verhältnismäßigkeitselemente die Relation zwischen Differenzierungskriterium und gesetzgeberischem Ziel298. Vorherrschend werden Verhältnismäßigkeitserfordernisse allerdings in der Relation zwischen dem Ziel, das der Gesetzgeber mit der Ungleichbehandlung verfolgt, und der Ungleichbehandlung selbst entfaltet299. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde,
294 Christian Starck, in: Das Bonner Grundgesetz, begr. v. Hermann von Mangoldt, fortgef. v. Friedrich Klein, hrsg. v. Christian Starck, Bd. 1, 4. Aufl., München 1999, Art. 3, Rdnrn. 11 ff.; Lerke Osterloh, in: Grundgesetz, Kommentar, hrsg. v. Michael Sachs, 2. Aufl., München 1999, Art. 3, Rdnrn. 7, 11. 295 Christoph Brüning, Gleichheitsrechtliche Verhältnismäßigkeit, JZ 2001, S. 669 (671 f.); Rudolf Wendt, Der Gleichheitssatz, NVwZ 1988, S. 778 (784 ff.), der allerdings den Regelungszweck in Vorüberlegungen zur Bestimmung des „sachgerechten Maßstabs“ einbezieht und den Zusammenhang zwischen Auswahl des Differenzierungskriteriums und dem Gesetzeszweck betont (782, 784); Kerstin Odendahl, Der allgemeine Gleichheitssatz: Willkürverbot und „neue Formel“ als Prüfungsmaßstäbe, JA 2000, S. 170 (172 f.). 296 Rudolf Wendt, Der Gleichheitssatz, NVwZ 1988, S. 778 (781). 297 Rudolf Wendt, Der Gleichheitssatz, NVwZ 1988, S. 778 (784). 298 Manfred Gubelt, in: Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, begr. v. Ingo von Münch, hrsg. v. Philip Kunig, 5. Aufl., München 2000, Art. 3, Rdnrn. 22, 29, der allerdings genau genommen nur die Geeignetheit des gewählten Differenzierungskriteriums zur Zielverfolgung untersucht, die Frage nach der Erforderlichkeit des Differenzierungskriteriums zur Zielverfolgung, ob es also andere, „mildere“ Kriterien zur Zielverfolgung gibt, verneint und das Element der Angemessenheit in der Relation zwischen Differenzierungskriterium und Ungleichbehandlung entfaltet; Friedrich Schoch, Der Gleichheitssatz, DVBl. 1988, S. 863 (874), der ausdrücklich die Relation zwischen „Differenzierungskriterium und Differenzierungsziel“ als maßgebend bezeichnet, letztlich aber doch die Differenzierung als solche auf Geeignetheit, Erforderlichkeit und Sachangemessenheit zur Zielerreichung untersuchen will.
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dass der Gesetzgeber mit einer Ungleichbehandlung Zwecke verfolgt, die zwar die Auswahl von Differenzierungskriterium und -mittel beeinflussen, aber darüber hinaus ein eigenständiges Legitimationspotential enthalten können, das andernfalls keine Berücksichtigung fände. Geprüft wird, ob der Gesetzgeber mit der Ungleichbehandlung einen verfassungslegitimen Regelungszweck300 verfolgt, und ob weiterhin die Ungleichbehandlung geeignet, erforderlich und angemessen ist, diesen Zweck zu erreichen301. Präzisierungen zur Angemessenheit ergeben, dass die Ungleichbehandlung „in einem angemessenen Verhältnis zu der durch sie bewirkten Belastung des Grundrechtsberechtigten steht“302, dass sie „sachangemessen“ ist303 oder dass sie „in einem sonst angemessenen Verhältnis zum Wert des Zwecks steht“304. c) Individueller Maßstab, der im jeweiligen Einzelfall aus dessen Besonderheiten zu ermitteln ist Dem Bundesverfassungsgericht folgend gibt es keinen allgemeingültigen Maßstab, der den gesetzgeberischen Legitimationsaufwand für alle denkbaren Fälle gesetzlicher Ungleichbehandlungen gleichermaßen bestimmt. Ebenso wenig gibt es einen allgemeingültigen Voraussetzungenkatalog, aus dem man ablesen könnte, wann ein über den Willkürerfordernissen liegender Rechtfertigungsmaßstab anzu299 Bodo Pieroth / Bernhard Schlink, Grundrechte, 17. Aufl., Heidelberg 2001, Rdnrn. 440 ff.; Christian Koenig, Die gesetzgeberische Bindung an den allgemeinen Gleichheitssatz – Eine Darstellung, des Prüfungsaufbaus zur Rechtsetzungsgleichheit, JuS 1995, S. 313 (314, 316 f.); Hans D. Jarass, Folgerungen aus der neueren Rechtsprechung des BVerfG für die Prüfung von Verstößen gegen Art. 3 I GG – Ein systematisches Konzept zur Feststellung unzulässiger Ungleichbehandlungen, NJW 1997, S. 2545 (2549); Konrad Hesse, Der allgemeine Gleichheitssatz in der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtsetzungsgleichheit, in: Festschrift für Peter Lerche, München 1993, S. 121 (131); Stefan Huster, Gleichheit und Verhältnismäßigkeit – Der allgemeine Gleichheitssatz als Eingriffsrecht, JZ 1994, S. 541 (544), sofern es um externe Zwecke geht, die von außen an eine Ungleichbehandlung herangetragen werden; Heike Jochum, Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG, Berlin 2001, S. 168; letztlich auch Friedrich Schoch, Der Gleichheitssatz, DVBl. 1988, S. 863 (874). 300 Terminologisch wird der gesetzgeberische Zweck der Ungleichbehandlung mit dem „Differenzierungsziel“ gleich gesetzt, Friedrich Schoch, Der Gleichheitssatz, DVBl. 1988, S. 863 (874). 301 Konrad Hesse, Der allgemeine Gleichheitssatz in der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtsetzungsgleichheit, in: Festschrift für Peter Lerche, München 1993, S. 121 (131); Bodo Pieroth / Bernhard Schlink, Grundrechte, 17. Aufl., Heidelberg 2001, Rdnrn. 440 ff.; Friedrich Schoch, Der Gleichheitssatz, DVBl. 1988, S. 863 (875 ff.). 302 Konrad Hesse, Der allgemeine Gleichheitssatz in der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtsetzungsgleichheit, in: Festschrift für Peter Lerche, München 1993, S. 121 (131). 303 Friedrich Schoch, Der Gleichheitssatz, DVBl. 1988, S. 863 (874, 877). 304 Bodo Pieroth / Bernhard Schlink, Grundrechte, 17. Aufl., Heidelberg 2001, Rdnr. 440.
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Teil 5: Vorgaben des Grundgesetzes für den entbündelten Zugang
wenden ist und welche inhaltlichen Vorgaben dieser aufstellte. Der Rechtfertigungsmaßstab ist vielmehr für jeden Einzelfall aus dessen Eigenheiten zu entwickeln, insbesondere aus dem Sachbereich und der Regelungsmaterie, in die er einzuordnen ist. Das betrifft sowohl die Frage, ob überhaupt ein strengerer Maßstab als das Willkürverbot anzuwenden ist, als auch die Frage, wenn ja, wie dieser Maßstab beschaffen ist. Versetzt man sich in die Perspektive des Gesetzgebers, an den das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG gerichtet ist, so sind Anhaltspunkte notwendig, anhand derer der jeweilige individuelle Legitimationsmaßstab entwickelt werden kann. Dieser ist auf einer gleitenden Skala von allgemeinem Willkürverbot (Mindestlegitimationsmaßstab) und dem Gebot streng verhältnismäßiger Gleichbehandlung (Maximallegitimationsmaßstab) zu finden. Folgende Untersuchungsstationen sind zu durchlaufen. Erstens ist die gesetzliche Ungleichbehandlung am Willkürverbot zu messen. Denn kann der Gesetzgeber bereits nicht irgendeinen objektiv sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung benennen, ist Art. 3 Abs. 1 GG jedenfalls verletzt. Überlegungen zu einem weitergehenden Rechtfertigungsmaßstab erübrigen sich. Oftmals wird sich in der Praxis solch eine sachliche Erwägungen für die Ungleichbehandlung allerdings finden. Zweitens ist aus den Eigenheiten des konkreten Falls, dem Sachbereich und der Regelungsmaterie, der er zuzuordnen ist, herauszuarbeiten, ob es einer Bindung des Gesetzgebers an Verhältnismäßigkeitserfordernisse bedarf und wenn ja, wie intensiv diese Bindung ist. Eine Ungleichbehandlung im Telekommunikationssektor kann einen anderen Sachhintergrund haben als eine Ungleichbehandlung im Bereich der pharmazeutischen Industrie. Regelungen im Schulrecht unterscheiden sich von Regelungen im Bereich des Steuerrechts. Weiterhin kann die Eigenart des Differenzierungskriteriums von Bedeutung sein, insbesondere dessen Nähe zu den Merkmalen des Art. 3 Abs. 3 GG und die Steuerbarkeit dessen Vorliegens durch den potentiell Normbetroffenen. In jedem Fall ist ein Legitimationsmaßstab jenseits des Willkürverbots anzunehmen, wenn sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung freiheitsgrundrechtlicher Gewährleistungen nachteilig auswirkt. Greift der Gesetzgeber durch ein- und dieselbe Regelung in den Schutzbereich eines Freiheitsgrundrechts ein und behandelt den Freiheitsgrundrechtsträger als Betroffenen einer Vergleichsgruppe zudem ungleich gegenüber der anderen Vergleichsgruppe, dann genügt nicht irgendein objektiv sachgerechter Grund, um auch noch die Ungleichbehandlung rechtfertigen zu können. Die Verkürzung von Freiheitsgrundrechten kann sich nur aus dem Zweck, der mit der Verkürzung verfolgt wird, legitimieren. Diese Legitimationsdimension bliebe gleichheitsrechtlich irrelevant, wenn man sich auf reine Willkürerfordernisse beschränkte. Die Auswahl des Differenzierungskriteriums und die getroffene Ungleichbehandlung müssen aber auch vor diesem Gesetzeszweck bestehen können. Hierin wird der besondere Sinnzusammenhang zwischen Ungleichbehandlung und Freiheitsverkürzung sichtbar. Andernfalls würde auch die Schutzbedeutung des Gleichheitssatzes gegenüber den Freiheitsgrundrechten relativiert. Die Botschaft an den Gesetzgeber wäre, Gesetzeszwecke in erster Linie im Hinblick auf ihre freiheitsverkürzende Legitimationskraft zu be-
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stimmen. Bei der sich auch aus all diesen Vorgaben speisenden Bestimmung, in welcher Intensität eine Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse gegeben ist, kann drittens eine Einteilung der gleitenden Maßstabsskala in drei Zonen dienlich sein. Aus Gründen der Praktikabilität, der Nachvollziehbarkeit und damit letztlich auch der Rechtssicherheit ist der individuelle Rechtfertigungsmaßstab entweder in einer Zone der lockeren Bindung an das Gebot verhältnismäßiger Gleichbehandlung zu lokalisieren, in einer Zone mittlerer oder strenger Bindung an dieses Gebot. Dem korrespondiert aus Sicht verfassungsgerichtlicher Nachprüfbarkeit eine an Evidenz ausgerichtete Kontrolle für die erste Zone (die Nichteinhaltung der Verhältnismäßigkeitserfordernisse muss sich also aufdrängen), weiterhin eine an Vertretbarkeitserwägungen orientierte Kontrolle in der zweiten Zone (die Erwägungen des Gesetzgebers zu den einzelnen Verhältnismäßigkeitselementen müssen objektiv nachvollziehbar sein), schließlich eine volle inhaltliche Nachprüfung der gesetzgeberischen Erwägungen zu den Verhältnismäßigkeitserfordernissen in der dritten Zone. Viertens folgt die Untersuchung, ob die gesetzliche Ungleichbehandlung dem Gebot verhältnismäßiger Gleichheit nach Maßgabe der ausgemachten Intensitätszone genügt. Das Messen der Ungleichbehandlung an Erfordernissen der Verhältnismäßigkeit bedingt zum einen eine Abwägung zweier sich gegenüberstehender, widerstreitender Positionen. Zum anderen setzt es die Einbindung des Zwecks voraus, den der Gesetzgeber mit der ungleiche Rechtsfolgen setzenden Regelung verfolgt. Damit sind auch die ins Verhältnis zu setzenden Positionen bestimmt: Ungleichbehandlung und gesetzgeberischer Zweck. Denkbar ist, dass sich dieser „interne“ Zweck in der Privilegierung oder Benachteiligung der einen Vergleichsgruppe gerade wegen deren Unterscheidungsmerkmal gegenüber der anderen Vergleichsgruppe erschöpft. Dieser Umstand steht dem hier entwickelten Ansatz aber nicht entgegen. Die gegenteilige Auffassung führt nämlich dazu, dass aus der gesetzgeberischen Zweckverfolgung kein über die Auswahl des Differenzierungskriteriums hinausgehendes Legitimationspotential für die Ungleichbehandlung gewonnen werden könnte. Die Auffassung, die die Elemente der Verhältnismäßigkeit in der Relation zwischen Differenzierungskriterium und Ungleichbehandlung entfaltet, geht daher in dem hier vorgeschlagenen Ansatz auf. Regelmäßig knüpft der Gesetzgeber allerdings weitergehende „externe“ Zwecke an eine Ungleichbehandlung. In der eigentlichen Evaluierung des Verhältnisses zwischen gesetzlicher Ungleichbehandlung und gesetzgeberischer Zweckverfolgung ist zunächst zu untersuchen, ob der vom Gesetzgeber bestimmte Regelungszweck verfassungslegitim ist, also nicht an sich Verfassungssätzen widerspricht. Denn nur ein verfassungslegitimer Zweck hat das Potential, die an ein ausgewähltes Differenzierungskriterium geknüpfte Ungleichbehandlung zu legitimieren. Aus diesem Grunde ist auch sodann das vom Gesetzgeber zur Zweckverfolgung gewählte Differenzierungskriterium daraufhin zu prüfen, ob es „sachangemessen“ oder „tauglich“ gerade im Hinblick auf die Zweckverfolgung ist. Die gesetzliche Regelung kann legitimerweise ungleiche Rechtsfolgen nur an ein Differenzierungskriterium knüpften, das in einem inneren Sachzusammenhang zum Gesetzeszweck steht. Das ist das letztlich maßgebliche Substrat aus der Relation zwischen Differenzie-
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Teil 5: Vorgaben des Grundgesetzes für den entbündelten Zugang
rungskriterium und Gesetzeszweck305. Weiterhin ist die Geeignetheit, die Erforderlichkeit sowie die Angemessenheit der konkreten Ungleichbehandlung im Hinblick auf den Gesetzeszweck bewertend herauszuarbeiten. Art und Ausmaß der Ungleichbehandlung sowie das Ausmaß der Beeinträchtigung des von ihr Betroffenen müssen sich dabei aus Art und Bedeutung des Regelungszwecks legitimieren. Ob diese Evaluierung auf Evidenz, Vertretbarkeit oder streng inhaltlich zu überprüfen ist, hängt – darauf sei nochmals hingewiesen – von der im spezifischen Fall anzuwendenden Intensität der gesetzgeberischen Bindung an die Erfordernisse der Verhältnismäßigkeit ab. d) Zwischenergebnis In der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur ist das Nutzbarmachen von Elementen des Verhältnismäßigkeitsgebotes für die Dogmatik des Gleichheitssatzes auszumachen. Sie dienen dazu, einen Legitimationsmaßstab für gesetzliche Ungleichbehandlungen zu bilden, der über die Erfordernisse des Willkürverbotes hinausgeht. Im Fluss sind dabei erstens die Voraussetzungen, die einen solchermaßen strengeren Legitimationsmaßstab auslösen, zweitens die Vorstellung darüber, in welcher inhaltlichen und kontrollierbaren Intensität der Gesetzgeber an das Gebot verhältnismäßiger Gleichheit gebunden ist, und drittens die Einschätzung, welche Positionen nach Maßgabe der Elemente des Verhältnismäßigkeitsgebotes miteinander abzuwiegen sind. Die vorliegende Untersuchung integriert ebenfalls Verhältnismäßigkeitserfordernisse bei Rechtfertigung gesetzlicher Ungleichbehandlungen. Weiterentwickelnd bildet sie allerdings einen individuellen Maßstab, der sich aus der jeweiligen Spezifität des konkreten Falls sowie aus dem Sachbereich und der Regelungsmaterie der Ungleichbehandlung ergibt. Greift der Gesetzgeber mit der ungleiche Rechtsfolgen setzenden Regelung zugleich in den Schutzbereich eines Freiheitsgrundrechts ein, ist unabhängig von weiteren Gesichtspunkten in jedem Fall ein über das Willkürverbot hinausgehender Legitimationsmaßstab anzuwenden. Der Intensität nach ist dieser individuelle Maßstab zwischen den beiden Extremen, Willkürverbot und strenge Bindung an das Gebot verhältnismäßiger Gleichbehandlung, zu lokalisieren, und zwar in einer von drei Zonen, lockerer, mittlerer oder strenger Bindung an das Gebot verhältnismäßiger Gleichbehandlung. Das eigentliche Messen der Ungleichbehandlung an Erfordernissen der Verhältnismäßigkeit setzt die Einbindung des Zwecks voraus, den der Gesetzgeber mit der ungleiche Rechtsfolgen setzenden Regelung verfolgt. Abzuwägen sind die Ungleichbehandlung und dieser gesetzgeberische Zweck. Zunächst ist zu untersuchen, ob das vom Gesetzgeber zur Zweckverfolgung gewählte Differenzierungskriterium „sachangemessen“ gerade im Hinblick auf die Verfolgung eines verfassungslegitimen Zwecks ist. Sodann sind die Geeignetheit, die 305 Das wird von Manfred Gubelt, in: Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, begr. v. Ingo von Münch, hrsg. v. Philip Kunig, 5. Aufl., München 2000, Art. 3, Rdnr. 29 im Ergebnis auch zugegeben.
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Erforderlichkeit sowie die Angemessenheit der konkreten Ungleichbehandlung im Hinblick auf den Gesetzeszweck evaluierend herauszuarbeiten. Ob diese Evaluierung auf Evidenz, Vertretbarkeit oder streng inhaltlich nachzuprüfen ist, hängt von der im konkreten Fall anzuwendenden Intensität der gesetzgeberischen Bindung an die Erfordernisse der Verhältnismäßigkeit ab.
3. Zusammenfassung Das Prüfungsprogramm besteht somit insgesamt aus drei Teilen. Zuerst sind die vergleichbaren Gruppen sachgerecht zu bilden. Gelingt dies, kann die relevante Ungleichbehandlung, die durch die betreffende gesetzliche Regelung bewirkt wird, aus dem Vergleich der einen mit der anderen Gruppe abgelesen werden. Sodann ist der individuelle Maßstab für die Legitimation der gesetzlichen Ungleichbehandlung aus den Besonderheiten des betreffenden Falls, namentlich dem Sachbereich und der Regelungsmaterie der Ungleichbehandlung, zu entwickeln. Schließlich ist die gesetzliche Ungleichbehandlung anhand des so bestimmten Maßstabes zu evaluieren.
II. Anwendung des entwickelten Prüfungsprogramms auf § 33 Abs. 1 TKG, insbesondere für den Fall des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung Art. 3 Abs. 1 GG ist auf juristische Personen im Sinne des Art. 19 Abs. 3 GG anwendbar. Auch der Deutsche Telekom AG, die die Anspruchsverpflichtung des § 33 Abs. 1 TKG in dessen erster Stoßrichtung hauptsächlich trifft, ist die Gleichheitsverbürgung rechtlich zugewiesen306. § 33 Abs. 1 TKG – in Verbindung mit § 35 Abs. 1 TKG – knüpft die Verpflichtung zum Netzzugang regelungstechnisch an die zugangsmarktbeherrschende Stellung eines Anbieters von Telekommunikationsdienstleistungen. Die Verpflichtung umfasst im Fall des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung das nachfragegerechte Anbieten dieses Netzsegmentes. Gegenüber nicht zugangsmarktbeherrschenden Anbietern von Telekommunikationsdienstleistungen greift die Verpflichtung des § 33 Abs. 1 TKG ebenso wenig, wie eine entsprechend weitreichende Verpflichtung für Anbieter anderer Produkte besteht, die relevante Vorleistungsmärkte beherrschen.
306 Unter ausdrücklicher Thematisierung der juristischen Person „Deutsche Telekom AG“: Manfred Gubelt, in: Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, begr. v. Ingo von Münch, hrsg. v. Philip Kunig, 5. Aufl., München 2000, Art. 3, Rdnr. 6; Andreas von Arnauld, Grundrechtsfragen im Bereich von Postwesen und Telekommunikation – Ein Beitrag zur Geltung der Grundrechte für und gegen gemischtwirtschaftliche Unternehmen und staatliche Eigengesellschaften, DÖV 1998, S. 437 (450 f.).
22 Kallmayer
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Teil 5: Vorgaben des Grundgesetzes für den entbündelten Zugang
1. Ermittlung der relevanten Ungleichbehandlung durch sachgerechte Bildung vergleichbarer Gruppen Die sachgerechte Bildung vergleichbarer Gruppen erfordert eine Wertung in zwei Richtungen. Zum einen ist ein gemeinsamer Bezugspunkt für die zwei potentiell vergleichbaren Gruppen zu finden. Zum anderen sind die verbleibenden markanten Unterschiede zu bestimmen. Zunächst zu evaluieren ist die Gruppe, an die § 33 Abs. 1 TKG belastende Rechtsfolgen knüpft. Das sind zugangsmarktbeherrschende Anbieter von Telekommunikationsdiensten, insbesondere die Deutsche Telekom AG. Sie ist als vertikal integriertes Unternehmen auch auf den Endkundenmärkten tätig. Als erste vergleichbare Gruppe kommt diejenige der nicht zugangsmarktbeherrschenden Anbieter von Telekommunikationsdiensten in Betracht. Gemeinsamer Bezugspunkt ist das Agieren auf Märkten für Telekommunikationsdienste, und zwar jeweils als Anbieter. Die Vergleichbarkeit dieser Gruppen ergibt sich aus der gleichgerichteten Tätigkeit auf denselben Märkten und an sich im Telekommunikationssektor. Darin manifestiert sich auch die Sachgerechtigkeit dieser Vergleichsgruppenbildung. Verbleibender Unterschied ist das Marktbeherrschungsmerkmal, das beide Vergleichsgruppen deutlich voneinander unterscheidbar macht. Die durch § 33 Abs. 1 TKG bewirkte Ungleichbehandlung offenbart sich in Folgendem: Der Netzzugangsanspruch des § 33 Abs. 1 TKG – in Verbindung mit § 35 Abs. 1 TKG – auferlegt marktbeherrschend Zugangsdienste anbietenden Netzbetreibern einen konkurrentenberechtigenden Kontrahierungs- und partiellen Inhaltsgestaltungszwang. Der Anspruchsverpflichtete ist rechtstatsächlich typischerweise vertikal integriert. Zugang kann auch zu solchen Leistungen begehrt werden, die der Anspruchsverpflichtete nur intern nutzt, aber nicht auf den Markt bringt. Der Zugangsberechtigte kann dabei nachfragegerecht die Entbündelung der Zugangsleistung verlangen und damit den Entbündelungsgrad selbst bestimmen. Ob der Anspruchsverpflichtete die konkret entbündelte Leistung selbst nutzt, ist unerheblich. Weiter hin wird der Netzzugangsanspruch des § 33 Abs. 1 TKG dadurch intensiviert, dass die Regulierungsbehörde unter den Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 TKG dem Marktbeherrscher auferlegen kann, den nachgefragten Netzzugangsvertrag zu einem bestimmten Mindestinhalt, insbesondere zu dem nachgefragten Entbündelungsgrad, mit dem Anspruchsberechtigten abzuschließen. Darin, dass den nicht zugangsmarktbeherrschenden Anbietern von Telekommunikationsdiensten dieser Pflichtenkanon nicht auferlegt wird, liegt die Ungleichbehandlung. Sie zeichnet sich zudem durch die Besonderheit aus, dass die der einen Vergleichsgruppe auferlegte Belastung in der Zuordnung von Ansprüchen zu der anderen Vergleichsgruppe liegt, also über eine bloße relative Begünstigung oder einen positiven Rechtsreflex hinausgeht. Eine weitere vergleichbare Gruppe sind diejenigen Unternehmen, die in anderen infrastrukturgebundenen Wirtschaftsbereichen zugangsmarktbeherrschend sind. Darunter fallen Gas- und Stromnetzbetreiber, die regelmäßig auch nachgelagert
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Gas und Strom anbieten, aber auch Unternehmen wie die Deutsche Bahn AG, die ein flächendeckendes Schienennetz betreibt und zudem vertikal integriert ist. Darüber hinaus ist auch die Gruppe aus Unternehmen in Betracht zu ziehen, die in sonstigen, nicht infrastrukturgebundenen Wirtschaftssektoren Vorleistungsmärkte dominieren. Denkbar sind beispielsweise Chemieunternehmen, die, stark vereinfachend, aus Rohstoffen wie Erdöl, Wasser und Kohle in komplexen Verfahren Vor- und Zwischenprodukte gewinnen, die wesentliche Bausteine für Endprodukte sind. Beherrscht ein Unternehmen Märkte für diese Vor- und Zwischenprodukte, kann es Einfluss auf nachgelagerte Märkte für Endprodukte ausüben. Gemeinsamer Bezugspunkt dieser beiden Gruppen in Relation zu der fixen Vergleichsgruppe der zugangsmarktbeherrschenden Anbieter von Telekommunikationsdiensten ist die marktbeherrschende Stellung der jeweiligen Unternehmen. Welche dieser beide Gruppen ist nun die sachgerecht vergleichbare? Teil 1, Kapitel A. I. zeigt die Besonderheiten infrastrukturgebundener Wirtschaftsbereiche auf. Dazu zählt, dass Netze meist nicht ökonomisch vertretbar zu duplizieren sind. „Kontrolle des Infrastrukturmarktes“ bedeutet typischerweise „Kontrolle nachgelagerter Märkte“. Demgegenüber ist das Angebot auf Märkten für Vor- und Zwischenprodukte in anderen Wirtschaftssektoren nicht von einer einzigen Koordinate, dem Netz, sondern von vielen grundsätzlich frei verfügbaren Ausgangsstoffen geprägt. Die Abhängigkeit der Endproduktemärkte von den Vorleistungsmärkten ist jedenfalls nicht zwingend. Die Sachnähe des Telekommunikationssektors, der selbst ein infrastrukturgebundener Wirtschaftsbereich ist, zu anderen netzgeprägten Sektoren, wird vor diesem Hintergrund sichtbar. Vergleichbar sind daher zugangsmarktbeherrschende Anbieter von Telekommunikationsdiensten mit zugangsmarktbeherrschenden Anbietern in anderen netzgebundenen Wirtschaftsbereichen. Die Ungleichbehandlung des Telekommunikationsunternehmens durch § 33 Abs. 1 TKG in Relation zu Marktbeherrschern in anderen infrastrukturgebundenen Sektoren wird aus einem Vergleich der für diese Unternehmen im allgemeinen Marktmachtmissbrauchsrecht 307 begründeten Zugangsverpflichtungen deutlich. Wie Teil 1, Kapitel A. II. zeigt, verpflichtet § 33 Satz 1 1. Halbsatz GWB in Verbindung mit § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB Eigentümer von Netzen und anderen Infrastruktureinrichtungen, die nicht der Telekommunikation dienen, anderen Unternehmen Zugang zu diesen Einrichtungen zu gewähren. Das folgt rechtstechnisch aus § 33 Satz 1 1. Halbsatz GWB, der bei einem Verstoßverhalten gegen eine Verbotsnorm des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen dem durch die Verbotsnorm Geschützten einen Unterlassensanspruch gewährt. § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB ist eine Verbotsnorm. Verbotsadressat ist der Infrastruktureigentümer. Der Anspruch ist gerichtet auf die Unterlassung, den Infrastrukturzugang zu verweigern und inhaltlich kongruent mit einem Zugangsanspruch beziehungsweise mit der Verpflichtung, Zugang zu gewähren. Allerdings ist § 33 Satz 1 1. Halbsatz 307 Das allgemeine Marktmachtmissbrauchsrecht ist Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen.
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Teil 5: Vorgaben des Grundgesetzes für den entbündelten Zugang
GWB in Verbindung mit § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB lediglich auf die Verpflichtung zum Vertragsabschluss gerichtet. Zu einer bestimmten Inhaltsgestaltung verpflichtet er nicht. Insbesondere besteht keine Verpflichtung, intern genutzte Leistungen auch noch nachfragegerecht entbündelt anzubieten. Weiterhin ist das Bundeskartellamt aus § 32 GWB in Verbindung mit § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB bei Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch Verweigerung des Netzzugangs nur befugt, das beanstandete Verhalten zu verbieten. Das demgemäss an einen Netzbetreiber gerichtete Verbot, den Zugang in einem konkreten Fall zu verweigern, kommt zwar der Anordnung gleich, in diesem Fall Zugang zu gewähren. Das Bundeskartellamt kann aber nur das Ob einer Netzzugangsverpflichtung für eine bestimmte Fallkonstellation anordnen. Es kann indes nicht das Wie regeln, also inhaltlich den Netzzugangsvertrags in Teilen vorgeben. Die Zugangsverpflichtungen aus § 33 Satz 1 1. Halbsatz GWB in Verbindung mit § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB sind also weniger weitgehend als diejenigen aus § 33 Abs. 1 TKG.
2. Entwicklung der individuellen Legitimationsmaßstäbe für die durch § 33 Abs. 1 TKG bewirkten Ungleichbehandlungen Dadurch dass § 33 Abs. 1 TKG in die Schutzbereiche der Eigentums- und Berufsfreiheit eingreift, sich seine Grundrechtsrelevanz also nicht in der Gleichheitsbeeinträchtigung erschöpft, ist jedenfalls ein über das bloße Willkürverbot hinausgehender Legitimationsmaßstab für die durch § 33 Abs. 1 TKG bewirkten Ungleichbehandlungen angezeigt. Das gilt in beiden hier zu untersuchenden Vergleichsrelationen.
a) In der Relation zugangsmarktbeherrschende Anbieter von Telekommunikationsdiensten, insbesondere Deutsche Telekom AG, zu ihren Wettbewerbern Einerseits ist der Telekommunikationssektor wegen der angestrebten Anbietertransformation von einem vertikal integrierten Staatsmonopolisten zu möglichst vielen privaten – netzlosen wie vertikal teilintegrierten – Unternehmen in funktionsfähigem Wettbewerb besonders auf staatliche Intervention durch regulierende Maßnahmen angewiesen. Die spezielle sachbereichlich-historische Ausgangslage, die der Gesetzgeber in der Telekommunikation vorfand, muss zu Regelungen führen, die die Marktmacht des Zugangsmarktbeherrschers, der wegen dieser Ausgangslage zugleich auch alle Endkundenmärkte zu fast 100 % dominiert, beschränkt, um potentiellen Wettbewerbern überhaupt eine Chance zum Marktzutritt zu geben. Dass dazu regelungstechnisch an die Machtstellung im Zugangsbereich angeknüpft wird, folgt aus dessen Schlüsselfunktion für den Marktzutritt. Das zugangsbetroffene Telekommunikationsnetz der Deutsche Telekom AG ist zudem durch dessen sozial-investitative Herkunft besonders „fremdnutzungsverpflichtet“.
D. Vereinbarkeit des § 33 Abs. 1 TKG mit dem allgemeinen Gleichheitssatz
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Andererseits verkürzt der Gesetzgeber dadurch auch die Eigentums- und Berufsfreiheit des Zugangsmarktbeherrschers. Allerdings agiert er dabei jeweils nur in den Randbereichen dieser freiheitsgrundrechtlichen Gewährleistungsbereiche. Aus all dem ergibt sich ein Maßstab mittlerer Legitimationsintensität, der in der Relation zwischen Ungleichbehandlung und gesetzgeberischem Zweck anhand der Elemente des Verhältnismäßigkeitsgebotes entfaltet wird und sich auf eine Vertretbarkeitskontrolle der gesetzgeberischen Abwägung beschränkt.
b) In der Relation Anbieter von Telekommunikationsdiensten zu Anbieter von Produkten anderer infrastrukturgebundener Wirtschaftsbereiche, die jeweils zugangsmarktbeherrschend, insbesondere Deutsche Telekom AG zu Gasversorgern Der Sachbereich Telekommunikation unterscheidet sich von anderen infrastrukturgebundenen Wirtschaftsbereichen dadurch, dass nur einem einzigen Anbieter ein einziges bundesweit flächendeckendes Netz gehört. Dieses Festnetz verfügt über einen vollständigen Zugangsbereich und erreicht alle Endkunden. Die Kumulation dieser Charakteristika erfordert besondere gesetzgeberische Maßnahmen. Gas- und Stromnetze beschränken sich demgegenüber auf bestimmte Regionen. Regelmäßig gibt es pro Region einen Netzeigentümer, so dass bereits von vornherein mehrere Anbieter aktiv sind. Das Schienennetz der Deutsche Bahn AG ist zwar bundesweit flächendeckend, hat aber keinen Zugangsbereich. Ferner enthält das Marktaufsichtsrecht für diese Infrastrukturen auch Zugangsregelungen. Der Gesetzgeber hat im Telekommunikationsbereich mit dem Anspruch auf nachfragegerechte Entbündelung und den positiven Gestaltungsbefugnissen der Regulierungsbehörde „nur“ eine weitergehende Belastung geschaffen. Dem steht allerdings sein Agieren im eigentums- und berufsgrundrechtlichen Bereich gegenüber. Aus all dem erweist sich hier ebenfalls ein Maßstab mittlerer Rechtfertigungsintensität als individuell sachgerecht. Eine Vertretbarkeitskontrolle der gesetzgeberischen Abwägung genügt.
c) Zwischenergebnis In beiden zu untersuchenden Relationen folgt aus der eigentums- und berufsgrundrechtlichen Relevanz der Ungleichbehandlungen, dass das Willkürverbot nicht als Maßstab zur Rechtferti gung der Ungleichbehandlungen ausreicht. Aus den sachbereichlichen Besonderheiten der Telekommunikation ergibt sich sozusagen im „Sektorinnenverhältnis“ der Telekommunikationsanbieter zueinander und auch im Verhältnis zu Unternehmen anderer infrastrukturgebundener Wirtschaftsbereiche ein mittlerer Legitimationsmaßstab für die jeweilige Ungleichbehandlung, der sich aus den auf Vertretbarkeit zu prüfenden Inhalten des Verhältnismäßigkeitsgebots speist.
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Teil 5: Vorgaben des Grundgesetzes für den entbündelten Zugang
3. Legitimation der durch § 33 Abs. 1 TKG bewirkten Ungleichbehandlungen nach Maßgabe der jeweils individuellen Maßstäbe Der Zweck, den der Gesetzgeber mit § 33 Abs. 1 TKG verfolgt, ist für die Ungleichbehandlungen in beiden Relationen Bezugspunkt der mittleren Verhältnismäßigkeitsprüfung. Aus der Untersuchung in Kapitel B. II. 2. folgt erstens, dass § 33 Abs. 1 TKG die tatsächliche Eröffnung von Wettbewerb auf Endkundenmärkten für Telekommunikationsdienste sowie die Wahrung der Interessen von Nichtnetzeigentümern intendiert. Zweitens hat diese Untersuchung nicht nur die Verfassungslegitimität dieser Gesetzesziele ergeben, sondern deren Gebotensein von Verfassungs wegen.
a) In der Relation zugangsmarktbeherrschende Anbieter von Telekommunikationsdiensten, insbesondere Deutsche Telekom AG, zu ihren Wettbewerbern Der Gesetzgeber knüpft die Ungleichbehandlung an das Differenzierungskriterium der Zugangsmarktbeherrschung. Die Auswahl gerade dieses marktstrukturbezogenen Unterscheidungsmerkmals ist in nachvollziehbarer Weise sachgerecht und tauglich, den Zweck, tatsächliche Wettbewerbseröffnung auf Endkundenmärkten, zu verfolgen. Wettbewerbsdienliche Maßnahmen sind sachgerecht, wenn sie die Besonderheiten der Märkte verarbeiten, auf die sie sich beziehen. Die Marktstruktur (Beherrschungssituation, Konzentrationen oder Anbieterpluralität) hat Aussagekraft über die Wettbewerbsintensität eines Marktes. Untersucht man nun, ob die Ungleichbehandlung zur Zweckverfolgung geeignet und erforderlich ist und auch das Ausmaß der Ungleichbehandlung beim Grundrechtsträger sachangemessen im Verhältnis zur Bedeutung des Gesetzeszweckes ist, so fällt auf, dass bei dieser „Telekommunikationsbinnenrelation“ erneut die Positionen des regelungsbetroffenen Marktbeherrschers den Positionen der anderen Anbieter, die sich aus dem Gesetzeszweck ergeben, gegenüberstehen. Die Freiheitsverkürzung des Normbetroffenen der einen Vergleichsgruppe legitimiert sich gerade aus den Positionen der anderen Vergleichsgruppe, die der Gesetzeszweck verkörpert. Die Ungleichbehandlung des Marktbeherrschers im Verhältnis zu dessen Wettbewerbern ist die Konsequenz der Zweckverfolgung. Der Gesetzgeber muss die Freiheit des Marktbeherrschers verkürzen, um dieses Stück des „Gewährleistungskuchens“ den potentiellen Wettbewerbern zur Verfolgung der Wettbewerbseröffnung überhaupt zugänglich zu machen. Die Verfolgung dieses Gesetzeszwecks kann allein durch eine freiheitsverkürzend ermöglichte Ungleichbehandlung verfolgt werden. Aus dieser besonderen Konstellation folgt, dass das zur Rechtfertigung der Verkürzung von Eigentums- und Berufsfreiheit zusammengetragene, evaluierte und abgewogene Potential (siehe Kapitel B. und C., jeweils II.) auch diese Ungleichbehandlung trägt. Der Gesetzgeber verfolgt daher einen Gesetzeszweck, der die Ungleich-
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behandlung nach Maßgabe einer Vertretbarkeitskontrolle jedenfalls auch als geeignet, erforderlich und angemessen im Hinblick auf diesen Zwecke erscheinen lässt.
b) In der Relation Anbieter von Telekommunikationsdiensten zu Anbieter von Produkten anderer infrastrukturgebundener Wirtschaftsbereiche, die jeweils zugangsmarktbeherrschend, insbesondere Deutsche Telekom AG zu Gasversorgern Der Gesetzgeber knüpft die Ungleichbehandlung an das Differenzierungskriterium „Infrastrukturen“, Telekommunikationsnetz versus Netze anderer Wirtschaftssektoren. Regelt der Gesetzgeber mit § 33 Abs. 1 TKG eine Zugangsverpflichtung im Telekommunikationsbereich, so hat er in mehr als vertretbarer Weise zur Verfolgung des Gesetzeszweckes, Wettbewerbseröffnung auf Endkundenmärkten gerade für Telekommunikationsdienste, ein sachgerechtes Differenzierungskriterium ausgewählt. Auch diese Ungleichbehandlung muss in vertretbarer Weise zur Zweckverfolgung als geeignet, erforderlich und sachangemessen sein. Auffällt, dass die Ungleichbehandlung in dieser Relation aus dem Gesetzeszweck neu zu legitimieren ist. Sie geht über das „Telekommunikationsbinnenverhältnis“ hinaus. Der Gesetzgeber ist hier in die Pflicht genommen, den weitergehenden Anspruchsinhalt auf nachfragegerechte Leistungsentbündelung sowie die korrespondierenden und positiven Gestaltungsbefugnisse der Regulierungsbehörde gegenüber den geringeren Zugangsverpflichtungen anderer Infrastrukturmarktbeherrscher wie Gasversorger (aus § 33 Satz 1 1. Halbsatz GWB und § 32 GWB jeweils in Verbindung mit § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB) zu rechtfertigen. Diese Ungleichbehandlung dient der tatsächlichen Wettbewerbseröffnung auf Endkundenmärkten der Telekommunikation. Die Geeignetheit ist vertretbar zu bejahen. Im Telekommunikationssektor sind alle Zugangsmärkte von einem einzigen Anbieter dominiert und zwar fast zu 100 %, was wiederum dessen Marktbeherrschung auf allen Endkundenmärkten zu ebenfalls nahezu 100 % bedingt. Erst der Anspruch auf entbündelten Netzzugang gibt potentiellen Wettbewerbern in der Anfangsphase der Märkteöffnung die Möglichkeit, nicht nur leitungssegmentbezogen die Nutzungsmacht, sondern auch die Entscheidungshoheit über den Technikeinsatz zu bekommen. Nur diese Kombination eröffnet dem potentiellen Wettbewerber, gegenüber den etablierten Angeboten des Marktbeherrschers für Endkunden innovative und wettbewerblich bepreiste Dienste zu offerieren. Somit ist gerade dieses Mehr an Zugangsverpflichtung aus § 33 Abs. 1 TKG im Vergleich zu § 33 Satz 1 1. Halbsatz GWB in Verbindung mit § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB erforderlich, um den Gesetzeszweck zu verfolgen. Weiterhin ist das Ausmaß der Ungleichbehandlung dadurch gekennzeichnet, dass es nicht um das „Ob“ einer Zugangsverpflichtung geht. Auch Gasversorger sind gesetzlich verpflichtet, konkurrentennützigen Zugang zu ihren Netzen zu gewähren. Nur das „Wie“ der Zugangsverpflichtung ist allein in einem Sektor betroffen, der sich durch die besondere Konstellation der Zugangsmarktstruktur im Telekommunikationssektor ergibt. Überdies ist dieses Mehr an Zugangsverpflichtung aus sich
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Teil 5: Vorgaben des Grundgesetzes für den entbündelten Zugang
selbst heraus auf Zeit angelegt. § 33 Abs. 1 TKG lässt Zugangsmärkte entstehen und soll dadurch zu Wettbewerb auch auf Endkundenmärkten führen. Die Zugangsmärkte werden sich geographisch von einem bundesweiten zu vielen regionalen und lokalen Märkten segmentieren und damit die Bedeutung regionaler und lokaler Festnetze alternativer Betreiber erhöhen. In der Gesetzesbegründung zu § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB hat der Gesetzgeber daher bereits die Einebnung des sektoriellen Infrastrukturzugangsrechts der Telekommunikation und dessen Angleichung an das allgemeinen Marktmachtmissbrauchsrecht thematisiert308. Somit ist das Ausmaß dieser Ungleichbehandlung im Verhältnis zum Wert des Gesetzeszwecks den Besonderheiten des Telekommunikationssektors nach Maßgabe einer Vertretbarkeitskontrolle als angemessen zu qualifizieren. Auch diese Ungleichbehandlung legitimiert sich daher insgesamt nachvollziehbar und plausibel aus dem Gesetzeszweck. 4. Zwischenergebnis In summa bewirkt § 33 Abs. 1 TKG zwei Ungleichbehandlungen. Eine Differenzierung liegt im Verhältnis zugangsmarktbeherrschender gegenüber nicht zugangsmarktbeherrschenden Anbietern von Telekommunikationsdiensten. Gemeinsamer Bezugspunkt ist das Anbieten dieser Dienste, markantes Unterscheidungsmerkmal die Stellung auf den Zugangsmärkten. Die Ungleichbehandlung besteht in der Nichtbelastung der anderen Diensteanbieter mit einer entsprechenden Zugangsverpflichtung und deren korrespondierender Privilegierung durch den Zugangsanspruch. Eine zweite Ungleichbehandlung ergibt sich in der Relation zwischen zugangsmarktbeherrschenden Anbietern von Telekommunikationsdiensten und zugangsmarktbeherrschenden Anbietern in anderen infrastrukturgebundenen Wirtschaftsbereichen. Gemeinsamer Bezugspunkt ist die Beherrschung von Infrastrukturmärkten, markantes Unterscheidungsmerkmal ist die Wirtschaftssektorzugehörigkeit, Telekommunikation und Nicht-Telekommunikation. Die Ungleichbehandlung liegt in dem weitergehenden Anspruchsinhalt auf nachfragegerechte Leistungsentbündelung und den korrespondierenden und positiven Gestaltungsbefugnissen der Regulierungsbehörde. In beiden Relationen bedingt die eigentumsund berufsgrundrechtliche Nähe der Ungleichbehandlungen, dass das Willkürverbot nicht als Legitimationsmaßstab genügt. Aus den sachbereichlichen Besonderheiten der Telekommuni kation ergibt sich ein mittlerer Rechtfertigungsmaßstab für die jeweilige Ungleichbehandlung, die vertretbar den Inhalten des Verhältnismäßigkeitsgebots genügen muss. In der „Binnenrelation“ im Telekommunikationssektor wird die Evaluierung der Ungleichbehandlung im Verhältnis zum Gesetzeszweck durch das Legitimationsgeflecht der Freiheitsverkürzungen gerechtfertigt. An dieser Stelle offenbart sich erneut der besondere Sinnzusammenhang zwischen Freiheits- und Gleichheitsverbürgungen. In der „Außenrelation“, Telekommunika308
BT-Drucks. 13 / 9720 vom 29. Januar 1998, S. 1 (36 f.).
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tion versus andere Infrastruktur, muss eine eigenständige Legitimation der Ungleichbehandlung aus dem Gesetzeszweck einsetzen. Nach Maßgabe einer Vertretbarkeitskontrolle kann die Ungleichbehandlung nicht nur als geeignet und erforderlich angesehen werden, der tatsächlichen Wettbewerbseröffnung und der Interessenwahrung neuer Anbieter zu dienen. Ihr geringes Ausmaß erscheint nach Maßgabe einer Vertretbarkeitskontrolle auch als sachangemessen zum hohen Wert der verfassungsrechtlich gebotenen Gesetzeszwecke.
III. Zusammenfassung § 33 Abs. 1 TKG genügt auch den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Maßgabe eines individuellen, aus den Besonderheiten jedes Einzelfalles entwickelten Legitimationsmaßstabes in der „Telekommunikationsbinnenrelation“ sowie in der Außenrelation“ zwischen Anbietern von Telekommunikationsdiensten zu Anbietern von Produkten anderer infrastrukturgebundener Wirtschaftsbereiche, die jeweils zugangsmarktbeherrschend sind.
E. Gesamtergebnis Der Gesetzgeber hat gemessen an Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG, Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG den Zugangsermöglichungsanspruch des § 33 Abs. 1 TKG – auch für den Fall des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung – in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise geschaffen. Die Zugangsregelung des § 33 Abs. 1 TKG greift als Inhalts- und Schrankenbestimmung gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG in den Schutzbereich der Eigentumsfreiheit ein. Personal ist er allen aus § 33 Abs. 1 TKG Anspruchsverpflichteten eröffnet, einschließlich der Deutsche Telekom AG. Sachlich ist das zivilrechtliche Eigentum an dem gesamten Festnetz, schutzumfänglich die Nutzungsgarantie betroffen. § 33 Abs. 1 TKG verkürzt die einfach-gesetzlichen Rechts- und Befugnispositionen des Festnetzeigentümers durch die Beschränkung des Verweigerungsrechts, Dritten sein Netz überhaupt zu öffnen, durch die Beschränkung der Befugnis, über Inhalt und Bedingungen des Zugangs selbst zu bestimmen und sich seinen Vertragspartner auszusuchen. § 33 Abs. 1 TKG ist mangels Entzugs einer von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG geschützten Rechtsposition, die konsequenterweise auch auf keinen neuen Rechtsinhaber übertragen werden konnte, und mangels der Verfolgung eines konkreten Gemeinwohlprojektes nicht als Enteignung zu qualifizieren. § 33 Abs. 1 TKG legt vielmehr generell-abstrakt die Befugnisse fest, die den Festnetzeigentümer im Hinblick auf die konkurrentennützige Netzöffnung aus seines zivilrechtlichen Sacheigentum (noch) zustehen. Die weitere Untersuchung ergibt keinen Verstoß des § 33 Abs. 1 TKG gegen das Übermaßverbot, die
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maßgebende Gegenschranke für diese Inhalts- und Schrankenbestimmung: § 33 Abs. 1 TKG verfolgt zwei Gesetzeszwecke, die tatsächliche Eröffnung von Wettbewerb auf Endkundenmärkten für Telekommunikationsdienste sowie die Wahrung der Interessen neuer Diensteanbieter. Zur Förderung dieser Zwecke ist das Eingriffsmittel § 33 Abs. 1 TKG geeignet. Ein weniger belastendes und zumindest gleich geeignetes Mittel existiert nicht. Die „relationsorientiert“ strukturierte Güter- und Interessenabwägung entfaltete das schutzgutspezifische Aufeinanderbezogensein von eingriffsverkürzten Eigentümerinteressen und den Zwecken des § 33 Abs. 1 TKG. Die Abwägung ergibt, dass sich der Gesetzgeber in Anbetracht eines großen Legitimationspotentials und eines geringen Legitimationsaufwandes erkennbar auf dem Boden der Verfassungsmäßigkeit bewegt. Dies gilt auch für den Fall des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung. § 33 Abs. 1 TKG verkürzt idealkonkurrierend zu Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG auch Gewährleistungen der Berufsfreiheit. Personal ist dieser Schutzbereich wiederum allen aus § 33 Abs. 1 TKG Anspruchsverpflichteten eröffnet, insbesondere der Deutsche Telekom AG. Sachlich gewährleistet Art. 12 Abs. 1 GG jeden Aspekt einer „beruflichen“, also einer auf Erwerb gerichteten, nicht einmaligen Betätigung. Umfänglich ist auch die unternehmerische Gestaltungsfreiheit in der Geschäftsführung geschützt, die sich im Abschluss ökonomisch relevanter Rechtsgeschäfte niederschlägt. Als Begrenzung der Vertragsschluss- und Inhaltsgestaltungsfreiheit des Netzbetreibers für ökonomisch relevante und unternehmensstrategische Verträge, nämlich Wettbewerbern wesentliche Vorleistungen für Endkundenprodukte anzubieten, hat § 33 Abs. 1 TKG jedenfalls objektiv berufsregelnde Tendenz und damit Eingriffsqualität. § 33 Abs. 1 TKG ist im Sinne der „StufenTheorie“ als Berufsausübungsregelung zu qualifizieren und genügt den Anforderungen des berufsgrundrechtsspezifischen Übermaßverbotes. § 33 Abs. 1 TKG verfolgt mit der tatsächlichen Wettbewerbseröffnung auf Endkundenmärkten und der Wahrung von Anbieterinteressen zwei Gesetzeszwecke, die jedenfalls „vernünftige“ Erwägungen des allgemeinen Wohls im Sinne der „Stufen-Theorie“ abbilden. § 33 Abs. 1 TKG ist im Hinblick auf die Verfolgung dieser Gesetzeszwecke geeignet und erforderlich. Die zur wertenden Güter- und Interessenabwägung herauszuarbeitende, spezifische Relation zwischen verkürzter Berufsausübung und Gesetzeszwecken ergab Folgendes: Wegen der als gering einzustufenden Intensität des Berufsschutzes und der hohen Berufssachgerechtigkeit des § 33 Abs. 1 TKG variiert der gesetzgeberische Legitimationsaufwand für die Verkürzung der Berufsausübung nicht gegenüber demjenigen, der aus den Maßstäben des Eigentumsgrundrechts entwickelt wurde. Er ist jeweils als gering zu bewerten. Die verbleibende, maßstabsetzende Bedeutung des Berufsgrundrechts (Spezifität des Schutzgutes) wirkt sich auf die Abwägungsaspekte, die den Gesetzeszweck und die Eingriffsfolgen gewichten, nicht signifikant aus. Das große Legitimationspotential der eigentumsgrundrechtlichen Abwägung wird insofern in Bezug genommen. § 33 Abs. 1 TKG bewirkt letztlich idealkonkurrierend und sinnzusammenhängend mit Eigentum und Beruf zwei nach Art. 3 Abs. 1 GG relevante Ungleich-
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behandlungen. Die eine Ungleichbehandlung liegt im Verhältnis der zugangsmarktbeherrschenden gegenüber den nicht zugangsmarktbeherrschenden Anbietern von Telekommunikationsdiensten. Gemeinsamer Bezugspunkt ist das Anbieten dieser Dienste, markantes Unterscheidungsmerkmal die Stellung auf Zugangsmärkten. Die Ungleichbehandlung besteht in der Nichtbelastung der anderen Diensteanbieter mit einer entsprechenden Zugangsverpflichtung und deren entsprechender Berechtigung durch den Zugangsanspruch. Die zweite Ungleichbehandlung liegt in der Relation zwischen zugangsmarktbeherrschender Anbieter von Telekommunikationsdiensten und zugangsmarktbeherrschender Anbieter in anderen infrastrukturgebundener Wirtschaftsbereichen. Gemeinsamer Bezugspunkt ist die Beherrschung von Infrastrukturmärkten, markantes Unterscheidungsmerkmal ist die Wirtschaftssektorzugehörigkeit, Telekommunikation und NichtTelekommunikation. Die Ungleichbehandlung liegt in dem weitergehenden Anspruchsinhalt auf nachfragegerechte Leistungsentbündelung und den korrespondierenden, positiven Gestaltungsbefugnissen der Regulierungsbehörde. In beiden Relationen schließt die eigentums- und berufsgrundrechtliche Nähe der Ungleichbehandlungen das Willkürverbot als Legitimationsmaßstab aus. Aus den sachbereichlichen Besonderheiten der Telekommunikation ergibt sich ein mittlerer Rechtfertigungsmaßstab für die jeweilige Ungleichbehandlung, die nach Maßgabe einer Vertretbarkeitskontrolle den Inhalten des Verhältnismäßigkeitsgebots genügen muss. Beide Ungleichbehandlungen sind nach Maßgabe dieser Rechtfertigungsanforderungen gleichheitssatzrechtlich nicht zu beanstanden. In der „Binnenrelation“ im Telekommunikationssektor wird die Evaluierung der Ungleichbehandlung im Verhältnis zum Gesetzeszweck durch das Legitimationsgeflecht der Freiheitsverkürzungen gerechtfertigt. An dieser Stelle offenbart sich erneut der besondere Sinnzusammenhang zwischen Freiheit und Gleichheit. In der „Außenrelation“, Telekommunikation versus andere Infrastruktur, setzt eine eigenständige Legitimation der Ungleichbehandlung aus den Gesetzeszwecken ein. Nach Maßgabe einer Vertretbarkeitskontrolle ist insbesondere das Ausmaß der Ungleichbehandlung in Relation zum Wert der Gesetzeszwecke nachvollziehbar als sachangemessen zu qualifizieren.
Zusammenfassung der Ergebnisse 1. Die konkurrentennützige Zugangsöffnung fremder Netze ist kein singuläres Marktaufsichtsinstrument für den Telekommunikationssektor. Es existiert in verschiedenen infrastruk turgebundenen Wirtschaftsbereichen und ist Gegenstand nationalen wie supranationalen Marktaufsichtsrechts. 2. Die Entstehungsgeschichte des deutschen Telekommunikationsgesetzes vom 25. Juli 1996 steht im gemeinschaftseuropäischen Kontext. Vorgaben für mitgliedstaatliche Regelungen des Regulierungsinstruments „Netzzugang“ sind erst als „nachgeschobenes“ Gemeinschaftsrecht in der ZusammenschaltungsRichtlinie 97 / 33 / EG, der ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 98 / 10 / EG und in der Teilnehmeranschlussverordnung 2000 / 2887 / EG zu finden. Letztere erfasst die besondere Netzzugangsproblematik „entbündelter Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung“. 3. Die Teilnehmeranschlussleitung ist Teil eines einzelnen Ortsnetzbereiches, der erst zusammen mit vielen weiteren Ortsnetzen und dem Fernnetz zum Festnetz im Ganzen wird. Die Teilnehmeranschlussleitung bildet in einem Ortsnetz eine einzelne Netzstrecke, und zwar vom Hauptverteiler in der Ortsvermittlungsstelle, über den Kabelverzweiger, den Abschlusspunkt der Linientechnik und die Inhouse-Verkabelung bis zur Telefonanschlussdose in der Zimmerwand des Endkunden. Die Beschaltung dieser schmalbandigen Kupferdoppelader mit Übertragungstechniken bestimmt die Übertragungskapazität und entscheidet damit über das Diensteangebot. Gebündelt ist der Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung, wenn dem Zugangsbegehrenden nur eine vom Netzbetreiber bestimmte Übertragungskapazität zur Nutzung gewährt wird. Entbündelt ist der Zugang hingegen, wenn der Zugangsbegehrende den gesamten, unbeschalteten Kupferdraht nutzen und die Übertragungstechnik selbst einsetzen kann. 4. Wirtschaftlich betrachtet vermittelt die Teilnehmeranschlussleitung den direkten „Draht“ zum Endkunden und zu dessen Dienstebedürfnis. Sie bewirkt regelmäßig seine Bindung an denjenigen Telekommunikationsdiensteanbieter, der die Teilnehmeranschlussleitung vollumfänglich nutzt und die technischen Einzelheiten der Nutzung selbst bestimmen kann. Telekommunikationsnetze zeichnen sich ökonomisch durch Größenvorteile und hohe irreversible Errichtungskosten aus. Rund 70 % dieser Errichtungskosten entfallen auf die Ortsnetzbereiche. Sie bilden die wesentliche Marktzutrittsbarriere für potentielle Diensteanbieter ohne eigenes Netz.
Zusammenfassung der Ergebnisse
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5. § 33 TKG ist die maßgebende Zugangsregelung des deutschen Telekommunikationsrechts. Sie besteht aus einer privatrechtlichen Anspruchsgrundlage, Absatz 1, und einer öffentlich-rechtlichen Ermächtigungsgrundlage für die Regulierungsbehörde, Absatz 2. Normadressat beider Absätze ist jedes Unternehmen, das Telekommunikationsdienste für die Öffentlichkeit auf einem im konkreten Fall sachlich und räumlich relevanten Zugangsmarkt anbietet und diesen Markt zugleich beherrscht. Geht es um besondere Netzzugänge (§ 35 Abs. 1 Satz 1 TKG), muss der Normadressat zudem Netzbetreiber sein. Einheitlicher Normbegünstigter ist jeder aktuelle oder potentielle Wettbewerber des Normadressaten auf einem Endkunden- oder Zugangsmarkt. 6. Das Verhältnis zwischen § 33 TKG und § 35 TKG zeichnet sich für den Fall besonderen Netzzugangs dadurch aus, dass § 33 TKG die Grundnorm ist, die von § 35 TKG und von § 2 NZV teilweise konkretisiert wird. In § 33 Abs. 1 TKG wurzelt der Anspruch auf Zugangsermöglichung zu entbündelten Leistungen, insbesondere auf entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung. Dies wird von § 2 NZV klargestellt und präzisiert. § 35 Abs. 1 Satz 1 TKG qualifiziert den Kreis der Normadressaten durch deren Netzbetreibereigenschaft. § 33 Abs. 2 TKG ermächtigt die Regulierungsbehörde bei Missbrauchsfällen, gerade des besonderen Netzzugangs, einzuschreiten. 7. Der privatrechtliche Anspruch aus § 33 Abs. 1 TKG ist auf Ermöglichung des diskriminierungsfreien Zugangs zu wesentlichen, nachfragegerecht entbündelten (Vor-)Leistungen des Normadressaten gerichtet. Geht es um den Zugang zu dessen Teilnehmeranschlussleitung, wird dem Normadressaten ein konkurrentennütziger Kontrahierungs- und partieller Inhaltsgestaltungszwang auferlegt, wobei der anspruchsberechtigte Konkurrent einen Teilinhalt – nachfragegerecht – selbst bestimmen kann. Der entbündelte Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung (an den Zugangspunkten „Hauptverteiler“, „Kabelverzweiger“ und „Abschlusspunkt der Linientechnik“) kann ebenso verlangt werden wie „Line-Sharing“ mit dem Normadressaten. Auch beim „Line-Sharing“ hat der Zugangsbegehrende die Entscheidungsbefugnis über den kapazitätsbestimmenden Technikeinsatz. Anspruchs begrenzungen können sich aus sachlich gerechtfertigten Ungleichbehandlungen, billigen Behinderungen, Kapazitätsvorbehalten und in Abhängigkeit von der Nachfragelage ergeben. Der Abschluss eines § 33 Abs. 1 TKG genügenden Netzzugangsvertrages und dessen diskriminierungsfreie und vertragskonforme Durchführung sind auf dem Zivilrechtsweg durchsetzbar. 8. Die Ermächtigungsgrundlage des § 33 Abs. 2 TKG knüpft die Eingriffsbefugnisse der Regulierungsbehörde an einen Verstoß des Normadressaten gegen § 33 Abs. 1 TKG. Hinzukommen muss dessen missbräuchliches Ausnutzen seiner Marktmacht. Einleitung und Beendigung des Missbrauchsverfahrens stehen grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen der Regulierungsbehörde. Sie kann in einer Missbrauchsverfügung den Normadressaten verpflichten, ein inhaltlich näher beschriebenes, nachfragegerechtes Vertragsangebot auf entbündelten Zu-
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gang zur Teilnehmeranschlussleitung gegenüber einem konkreten Wettbewerber abzugeben. 9. Die privatrechtliche Zugangsverpflichtung des § 33 Abs. 1 TKG ist Prüfungsgegenstand für die Untersuchung der Verfassungsmäßigkeit des telekommunikationsrechtlichen Regulierungsinstruments § 33 TKG. § 33 Abs. 2 TKG intensiviert nur die bereits in § 33 Abs. 1 TKG wurzelnde grundrechtlich relevante Beschwer. 10. Prüfungsmaßstab ist das deutsche Grundgesetz. Die Gemeinschaftsgrundrechte finden keine Anwendung. 11. Die Deutsche Telekom AG ist aus § 33 Abs. 1 TKG in erster Linie anspruchsverpflichtet. Als „vorübergehend“ gemischt-wirtschaftliches Unternehmen ist sie trotz der Kapitalbeteiligung des Bundes vom Moment ihrer Gründung an gemäss Art. 19 Abs. 3 GG abstrakt grundrechtsberechtigt. 12. Prüfungsprogramm ist die Eigentumsfreiheit, die Berufsfreiheit und der allgemeine Gleichheitssatz. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG, Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG sind in Idealkonkurrenz nebeneinander zu prüfen, wobei sich Eigentums- und Berufsfreiheit wechselseitig verstärken und sich der besondere Sinnzusammenhang zwischen Freiheits- und Gleichheitsverbürgungen bei der Entfaltung des Gleichheitssatzes offenbart. 13. Zur Dogmatik des Eigentumsgrundrechts ist festzuhalten, dass Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG als einheitliche Regelungsermächtigung an den Gesetzgeber verstanden wird, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen. Weiterhin erfasst der enge und strikt an formalen Kriterien orientierte Enteignungsbegriff des Bundesverfassungsgerichts – nach Maßgabe neuerer Präzisierungen – nur die rechtsaktförmige, vollständige oder teilweise Entziehung eigentumsgrundrechtlich gewährleisteter Positionen, mit denen güterbeschaffend ein konkretes, der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienendes Vorhaben durchgeführt werden soll. Die hier gezogene Konsequenz dieses Enteignungsbegriffs ist ein Rechtsinhaberwechsel. Alle materiellen Kriterien zur Abgrenzung einer Inhalts- und Schrankenbestimmung von einer Enteignung sind abzulehnen; eine inhalts- und schrankenbestimmende Regelung kann in ihrer Intensität „enteignend“ wirken, ohne dass dies die Qualifizierung als Inhalts- und Schrankenbestimmung beeinflusst. Das Übermaßverbot ist die bedeutendste verfassungsrechtliche Grenze für den inhalts- und schrankenbestimmenden Gesetzgeber. Es trennt verfassungsmäßige Standorte für die gesetzgeberisch konkretisierte Relation zwischen Eigentumsschutz – nach dem spezifischen Maß von Privatnützigkeit und Sozialpflichtigkeit des betroffenen Eigentumsobjektes – und dem mit der Regelung verfolgten Allgemeinwohlzweck von nicht verfassungsmäßigen Standorten. Dazu bedarf es einer „relationsorientierten“ Durchformung der wertenden Güter- und Interessenabwägung, durch die der spezifische Legitimationsaufwand und das spezifische Legitimationspotential in der Relation von eingriffsverkürzten Eigen-
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tümerinteressen und gesetzgeberischem Eingriffszweck entfaltet und evaluiert werden. 14. Der Zugangsermöglichungsanspruch aus § 33 Abs. 1 TKG greift als inhaltsund schrankenbestimmende Regelung (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) der Nutzung zivilrechtlichen Eigentums am gesamten Festnetz sachlich in den Schutzbereich der Eigentumsfreiheit ein. Personal ist dieser Schutzbereich allen aus § 33 Abs. 1 TKG Anspruchsverpflichteten, einschließlich der Deutsche Telekom AG, eröffnet. § 33 Abs. 1 TKG verkürzt die einfach-gesetzlichen Befugnispositionen des Festnetzeigentümers durch die Beschränkung seiner Rechte, Dritten das Netz nicht zu öffnen sowie über Inhalt und Bedingungen eines Netzzugangs und über den Netznutzer selbst zu entscheiden. § 33 Abs. 1 TKG verstößt auch für den Fall des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung nicht gegen die eigentumsspezifische Ausprägung des Übermaßverbotes. Die „relationsorientiert“ wertende Abwägung von nutzungsverkürztem Netzeigentum und tatsächlicher Wettbewerbseröffnung plus Interessenwahrung neuer Diensteanbieter ergibt, dass § 33 Abs. 1 TKG in Anbetracht eines großen Legitimationspotentials (starke Sozialfunktion des Netzeigentums; hohe Legitimationskraft der aus Art. 87 Buchstabe f Abs. 2 GG gebotenen Gesetzeszwecke; eigentumsschonende Ausgestaltung des Eingriffsmittels) und eines geringen Legitimationsaufwandes (geringe Schutzintensität der Nutzungsverkürzung; große Sachgerechtigkeit des Eingriffsmittels) erkennbar auf dem Boden der Verfassungsmäßigkeit steht. 15. § 33 Abs. 1 TKG verkürzt in Idealkonkurrenz zur Eigentumsfreiheit auch Gewährleistungen der Berufsfreiheit. Personal ist der Berufsschutz allen aus § 33 Abs. 1 TKG Anspruchsverpflichteten eröffnet, insbesondere der Deutsche Telekom AG. Sachlich gewährleistet Art. 12 Abs. 1 GG die unternehmerische Gestaltungsfreiheit durch Abschluss ökonomisch relevanter Rechtsgeschäfte. Als konkurrentennützige Begrenzung der Abschluss- und Inhaltsgestaltungsfreiheit, Netznutzungsverträge abzuschließen, hat § 33 Abs. 1 TKG objektiv berufsregelnde Tendenz. Als Berufsausübungsregelung genügt § 33 Abs. 1 TKG den Anforderungen des berufsgrundrechtsspezifischen Übermaßverbotes. Die Zwecke des § 33 Abs. 1 TKG, tatsächliche Wettbewerbseröffnung und Wahrung von Anbieterinteressen, sind jedenfalls „vernünftige“ Erwägungen des allgemeinen Wohls. Die „relationsorientiert“ strukturierte Abwägung zwischen verkürzter Vertragsfreiheit und diesen Eingriffszwecken ergibt eine geringe Intensität des Berufsschutzes und eine hohe Berufssachgerechtigkeit der Regelung des § 33 Abs. 1 TKG. Der gesetzgeberische Legitimationsaufwand für die Verkürzung der Berufsausübung variiert daher nicht gegenüber demjenigen, der aus den Maßstäben des Eigentumsgrundrechts entwickelt wurde. Er ist jeweils gering. Ein eigenes berufsspezifisches Abwägungspotential folgt nur noch aus der Spezifität der verkürzten Vertragsfreiheit, die hier leicht überwindbar ist. Das große, im Kontext zu und aus den Eingriffszwecken gewonnene Legitimationspotential der eigen-
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Zusammenfassung der Ergebnisse
tumsgrundrechtlichen Abwägung rechtfertigt § 33 Abs. 1 TKG auch als Berufsausübungsregelung. 16. § 33 Abs. 1 TKG bewirkt idealkonkurrierend und sinnzusammenhängend mit Eigentum und Beruf zwei nach Art. 3 Abs. 1 GG relevante Ungleichbehandlungen. Die eine Ungleichbehandlung liegt in der „Telekommunikationsbinnenrelation“, d. h. im Verhältnis der zugangsmarktbeherrschenden gegenüber den nicht zugangsmarktbeherrschenden Anbietern von Telekommunikationsdiensten. Die andere Ungleichbehandlung besteht in der „Außenrelation“, d. h. im Verhältnis der zugangsmarktbeherrschenden Anbieter von Tele kommunikationsdiensten zu den zugangsmarktbeherrschenden Anbietern anderer infrastrukturgebundener Wirtschaftsbereiche. In beiden Relationen bedingt die eigentums- und berufsgrundrechtliche Nähe der Ungleichbehandlungen, dass das Willkürverbot nicht als Legitimationsmaßstab genügt. Aus den sachbereichlichen Besonderheiten der Telekommunikation ergibt sich als individueller Maßstab hier jeweils ein mittlerer Rechtfertigungsmaßstab, der aus den Inhalten des Verhältnismäßigkeitsgebots besteht, dessen Wahrung nach Maßgabe einer Vertretbarkeitskontrolle zu überprüfen ist. Beide Ungleichbehandlungen sind nach Maßgabe dieser Legitimationsanforderungen gleichheitssatzrechtlich nicht zu beanstanden. In der „Binnenrelation“ wird die Evaluierung der Ungleichbehandlung im Verhältnis zum Gesetzeszweck durch das Abwägungsgeflecht der bereits die Freiheitsverkürzungen tragenden Legitimation gerechtfertigt. An dieser Stelle offenbart sich erneut der besondere Sinnzusammenhang zwischen Freiheits- und Gleichheitsverbürgungen. In der „Außenrelation“ muss eine eigenständige Legitimation der Ungleichbehandlung aus dem Gesetzeszweck einsetzen, die nach Maßgabe einer Vertretbarkeitskontrolle gelingt.
Schlussbetrachtung Kennzeichen des untersuchten Zugangskonfliktes sind seine Zusammenhänge mit der Folgenbewältigung von Privatisierung und Entmonopolisierung im Wirtschaftssektor der Telekommunikation. Dessen Zugangs- und Endkundenmärkte waren bei der Entlassung in die private Wirtschaft und den freien Wettbewerb von einem einzigen Anbieter, dem ehemaligen Staatsmonopolisten, zu 100 % beherrscht. Gerade diese besondere Ausgangs- und Transformationslage sowie das Erfordernis, tatsächlich Wettbewerb auf den rechtlich geöffneten Märkten zu schaffen, bietet dem Gesetzgeber ein großes Legitimationspotential für konkurrentenberechtigende Nutzungsbeschränkungen des Netzeigentums des Märktebeherrschers. Schon bei Zugangsregelungen in Bezug auf andere „wesentliche Tätigkeitsermöglichungsobjekte“ wie Hafenanlagen und Brücken ist dieses spezifische Rechtfertigungsmaterial nicht vorhanden. In einer Informations- und Wissensgesellschaft werden sich Zugangskonflikte zwischen Eigentümern von „Herrschaftsobjekten“, Nichteigentümern und der Allgemeinheit von materiellen zu immateriellen Zugangsgegenständen, d. h. zu geistigem Eigentum verlagern. Regelungen, die die konkurrentenberechtigende Nutzung von zu geistigem Eigentum auskristallisiertem Herrschaftswissen ermöglichen, beispielsweise in Form von Zwangslizenzen, stehen in gänzlich anderen Legitimationszusammenhängen. Typischerweise beziehen sie sich auf privatwirtschaftliche Märkte, die nicht durch Ausschließlichkeitsrechte reglementiert waren. Der Schöpfer späteren Herrschaftswissens erkennt, was Potential zu Herrschaftswissen hat, tätigt Forschungsinvestitionen und trägt das unternehmerische Risiko. Für den Erfolgsfall muss der Unternehmer die ausschließliche Kontrolle des geistigen Eigentums und der nachgelagerten Märkte für einen bestimmten Zeitraum in seine Kalkulation einbeziehen. Andernfalls könnten sich weder die Forschungskosten für Erfolgsfälle und Fehleinschätzungen amortisieren noch ließen sich Gewinne aus der Nutzung des geistigen Eigentums erzielen1. Diese Situation verschärft sich, wenn die Nutzung des geistigen Eigentums nur einen kurzen Lebenszyklus auf dem Markt hat und dementsprechend nur in einem kurzen Zeitraum Gewinne zu erzielen sind2. Eine 1 Jeremy Rifkin, Access – Das Verschwinden des Eigentums, 2. Aufl., Frankfurt 2000, S. 41; vgl. auch Hanno Kube, Die Zugänge der Informationsgesellschaft und der Gegenstandsbezug des Rechts – Eigentumsschutz, Urheberrecht, Steuerrechtfertigung, JZ 2001, S. 944 ff. 2 Diese Besonderheit erkennt der Gesetzgeber des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB, wenn es in der Gesetzesbegründung heißt: „Mit dem zusätzlichen Beispielstatbestand wird der wettbewerbspolitische Grundsatz, Pioniergewinne als Innovationsanreiz zu akzeptieren, nicht in Frage
23 Kallmayer
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Schlussbetrachtung
andere Nuancierung ergibt sich beispielsweise, wenn die Erforschung dessen, was später geistiges Eigentum wird, mit öffentlichen Mitteln gefördert wurde. Das Kräfte- und Wertefeld eigentumsgrundrechtlicher Legitimation ist daher für jede einzelne Zugangsregelung neu auszuloten. Festgehalten werden kann allerdings, dass auch geistiges Eigentum Verfassungseigentum ist. Gesetzliche Regelungen, die Dritten unter bestimmten Voraussetzungen, zu bestimmten Konditionen und in bestimmtem Umfang die Nutzung fremden Herrschafts wissens ermöglichen, sind in Konsequenz der neuen Präzisierungen des Bundesverfassungsgerichts zum Enteignungsbegriff typischerweise als Inhalts- und Schrankenbestimmungen zu qualifizieren3, 4. Die Konzeptionsmöglichkeiten, die der Gesetzgeber für eine Zugangsregelung zu geistigem Eigentum hat, bestimmen sich letztlich aus den eigentumsspezifischen Grenzen, die das Übermaßverbot in dem konkreten Fall setzt. Sie werden bei konsequenter Anwendung der hier entfalteten, „relationsorientierten“ Abwägung des spezifischen Eigentumsschutzes und des spezifischen Regelungszwecks für den Gesetzgeber erkennbar. Eine Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmende Regelung, die zugleich die Ausübung einer beruflichen Betätigung verkürzt, hat jeweils die verfassungsrechtlichen Grenzen zu wahren, die das Übermaßverbot für die Eigentums- und für die Berufsverkürzung setzt. Der Schluss von einer dem eigentumsfreiheitsrechtlichen Übermaßverbot genügenden Regelung auf deren Rechtfertigung auch aus der Berufsfreiheit heraus ist nicht zwingend. Dies offenbart sich in der „relationsorientierten“ Abwägung der eingriffsverkürzten spezifischen Freiheitsgewährleistung und des spezifischen Gesetzeszweckes. Ein schutzgutspezifisches Legitimationsmaterial kann dabei von einem gesetzeszweckspezifischen Rechtfertigungsmaterial abgeschichtet werden. Das gesetzeszweckspezifische Rechtfertigungsmaterial bleibt konstant. Nur das schutzgutspezifische Legitimationsmaterial variiert von Grundrecht zu Grundrecht. Eine Divergenz in der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung einer Regelung kann sich daher nur aus schutzgutspezifischen Gesichtspunkten ergeben, insbesondere aus der Eigenart des Schutzgutes, aus der Intensität des Freiheitsschutzes und aus der Freiheitssachgerechtigkeit der eingreifenden Regelung. Das Übermaßverbot ist zum einen formale Begrenzung jeder gesetzgeberischen Freiheitsverkürzung und bekommt zum anderen aus jeder spezifischen Freiheitsgewährleistung heraus einen eigenen materiellen Gehalt. gestellt. Das gilt insbesondere für geistiges Eigentum.“, BT-Drucks. 13 / 9720 vom 29. Januar 1998, S. 1 (37). 3 Ein konkretes Gemeinwohlprojekt fehlt. Das Zuordnungsverhältnis wird von der Zugangsregelung nicht geändert. Ein Rechtsinhaberwechsel findet nicht statt. 4 Es sei denn, der Gesetzgeber vergemeinschaftet das Eigentumsobjekt, hierzu aus ökonomischer Sicht Susanne Stürmer, Netzzugang und Eigentumsrechte, Baden-Baden 1997, S. 147 ff., oder isoliert eine bestimmte Nutzungsbefugnis und macht diese zu einer selbständigen vermögenswerten Position, die er einem neuen Rechtsträger, beispielsweise einer Gemeinschaft aktueller und potentieller Nutzer, zuordnet. Zu dieser Entwicklung siehe auch Hanno Kube, Die Zugänge der Informationsgesellschaft und der Gegenstandsbezug des Rechts – Eigentumsschutz, Urheberrecht, Steuerrechtfertigung, JZ 2001, S. 944 ff.
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Sachwortverzeichnis Anspruchsberechtigter des § 33 Abs. 1 TKG 142 Anspruchsverpflichteter des § 33 Abs. 1 TKG 122 Berufsausübung 309 Berufsausübungsregelung 315 Berufsfreiheit 309 Berufsgrundrechtliche Sachgerechtigkeit 321 Berufswahl 309 Beträchtliche Marktmacht 138 Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. GG 212 Eigentumsbeeinträchtigungen 220, 235 Endkundenmärkte 124, 340, 353 Entbündelter Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung 99 Enteignung 224 Entmonopolisierung 35, 63, 300, 353 Entmonopolisierungsrichtlinien 63 Ermächtigungsgrundlage zur besonderen Missbrauchsaufsicht 167 essential facilities doctrine 48 essential facility 44, 45 Ex-ante-Formalisierungskonzept 131 Ex-post-Bedarfsmarktkonzept 129 fernmeldetechnische Grundbegriffe 82 Fernnetz 87 Festnetz der Deutsche Telekom AG 83, 147, 277, 278 Gasbinnenmarkt-Richtlinie 98 / 30 / EG 40 gebündelter Zugang 97, 124, 283 Gemeinschaftsgrundrechte 183 Gleichheitsverbürgung 324 Grundrechtsberechtigung der Deutsche Telekom AG 191, 196, 203
Harmonisierungsrichtlinien 66, 74, 280, 281 Infrastruktureigentümer 34, 48, 339 infrastrukturgebundene Wirtschaftssektoren 339 Inhalts- und Schrankenbestimmung 221 Inhaltsbestimmung 221 Inhouse-Zugang 102 Kommunikationsrichtlinien 140, 191 Kontrahierungszwang 38, 182 Leistungsbegriff des § 33 Abs. 1 TKG 144, 150 Liberalisierung 35 line-sharing 97 Marktmachtbestimmung 124, 129, 136 Maßstab der Sachgerechtigkeit 245 Netzzugangsregulierung 66, 113, 183 Netzzugangsvereinbarungen 40, 175 Netzzugangsverordnung 58, 97, 114 Ortsnetz 84, 87 Postreform I 53, 192 Postreform II 55, 94, 192 Postreform III 56 Primärmarkt 50 Privatisierung 197, 353 Regulierung 34, 35, 74, 113, 119 Relationsorientiert durchformte Anwendung des Übermaßverbotes 261 Schrankenziehung 221 Sekundärmarkt 50 Stufen-Theorie 314 Teilnehmeranschlussverordnung 71, 140, 186
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Sachwortverzeichnis
Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit 82, 122, 179
Verhältnismäßigkeitsprinzip 332 wesentliche Einrichtungen 49 Willkürverbot 326, 334
Übermaßverbot 237, 241, 314, 316 Verbändevereinbarung Erdgas II 41 Verbändevereinbarung Strom II 38 Verhältnis von § 33 TKG zu § 35 TKG 114 Verhältnis zwischen Eigentums- und Berufsfreiheit 206 Verhältnis zwischen grundrechtlichen Gleichheits- und Freiheitsverbürgungen 207
Zugang am Abschlusspunkt der Linientechnik 102 Zugang am Hauptverteiler 100 Zugang am Kabelverzweiger 101, 102 Zugang zu wesentlichen Leistungen 25, 121 Zugangsermöglichungsanspruch des § 33 Abs. 1 TKG 151 Zugangsmärkte 124, 136 Zugangsregulierung 51, 117