Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde nach §§ 66 ff. TKG: Zur organisationsrechtlichen Verselbständigung staatlicher Verwaltungen am Beispiel der Privatisierung in der Telekommunikation [1 ed.] 9783428498499, 9783428098491

Mit der Privatisierung der Telekommunikation nach Art. 87f GG stellt sich der Staat der Aufgabe, die Leistungsverwaltung

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German Pages 520 Year 2000

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Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde nach §§ 66 ff. TKG: Zur organisationsrechtlichen Verselbständigung staatlicher Verwaltungen am Beispiel der Privatisierung in der Telekommunikation [1 ed.]
 9783428498499, 9783428098491

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 818

Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde nach §§ 66 ff. TKG Zur organisationsrechtlichen Verselbständigung staatlicher Verwaltungen am Beispiel der Privatisierung in der Telekommunikation

Von Klaus Oertel

Duncker & Humblot · Berlin

KLAUS OERTEL

Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde nach §§ 66 ff. TKG

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 818

Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde nach §§ 66 if. TKG Zur organisationsrechtlichen Verselbständigung staatlicher Verwaltungen am Beispiel der Privatisierung in der Telekommunikation

Von Klaus Oertel

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Oertel, Klaus: Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde nach §§66 ff. TKG : zur organisationsrechtlichen Verselbständigung staatlicher Verwaltungen am Beispiel der Privatisierung in der Telekommunikation / Klaus Oertel. - Berlin : Duncker und Humblot, 2000 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 818) Zugl.: Heidelberg, Univ., Diss., 1998/99 ISBN 3-428-09849-8

D 16 Alle Rechte vorbehalten © 2000 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-09849-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ

Vorwort Diese Arbeit lag im Wintersemester 1998/99 der Juristischen Fakultät der Universität Heidelberg als Dissertation vor. Sie wurde zwischenzeitlich geringfügig ergänzt und auf den Stand von April 1999 gebracht. Meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Schmidt-Aßmann, danke ich sehr für die Anregung, die von seiner Arbeit ausgeht, und für den Ansporn, den ich von ihm als Betreuer erfahren durfte. Für die zügige Zweitbegutachtung und seine Anmerkungen bedanke ich mich bei Herrn Prof. Dr. Hommelhoff. Die Entstehung der Regulierungsbehörde konnte ich 1997 als Mitarbeiter der heutigen o.tel.o communications unmittelbar verfolgen. Den dortigen Kollegen schulde ich gleichfalls Dank; insbesondere gilt dies Frau Dr. Bärbel Kerkhoff. Herzlichen Dank sage ich schließlich den Freunden, die die Entwicklung dieser Arbeit begleitet haben, namentlich Dr. Martin Eifert und Dr. Raimund Schütz, und denen, die die Schlußkorrektur auf sich genommen haben - Axel v. Goldbeck, Oliver Laforet, Dr. Rüdiger Merz. Meine Mutter hat sich als erste der Mühe unterzogen, den gesamten Text zu lesen. Sie alle haben mich vor manchem Fehler bewahrt. Die verbliebenen Irrtümer waren mir nicht auszureden. Gewidmet ist diese Arbeit meiner geduldigen Frau Gertrude. Ohne sie wäre mir die hiermit abgeschlossene Zeit nicht als eine so segensreiche in Erinnerung.

Pfingsten 1999

Klaus Oertel

Inhaltsübersicht Fragestellung

27 Erster

Teil

Unabhängigkeit als organisationshistorische Konstante Erster Abschnitt:

34

Das PostVwG 1953: Daseinsvorsorge in der Leistungsverwaltung 35

Zweiter Abschnitt: Das PostStrukturG 1989: Gewinnung ordnungspolitischen Gestaltungsspielraums

45

Dritter Abschnitt: gramm

60

Vierter Abschnitt:

Das PTNeuOG 1994: Ausrichtung auf das PrivatisierungsproDas TKG 1996: Entscheidung für die Marktöffnung

Fünfter Abschnitt: Eine steuerungswissenschaftliche Bilanz

Zweiter

93

Teil

Die funktionelle Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde Erster Abschnitt:

81

Die Grundlagen der funktionellen Unabhängigkeit

104 105

Zweiter Abschnitt: Die Ziele der funktionellen Unabhängigkeit

113

Dritter Abschnitt:

123

Vierter Abschnitt:

Die Dimensionen der funktionellen Unabhängigkeit Die Faktoren der funktionellen Unabhängigkeit

140

Fünfter Abschnitt: Die funktionelle Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde nach §§66 ff TKG 154 Sechster A bschnitt: Fazit

184

Dritter

Teil

Die politische Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde Erster Abschnitt:

187

Die Regulierungsbehörde als bundeseigene Verwaltung,

Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG

188

A. Die zentrale Anbindung der bundeseigenen Verwaltung

188

B. Die institutionelle Zuordnung der Regulierungsbehörde zum Bund

200

C. Die personelle Zuordnung der Regulierungsbehörde zum Bund

209

D. Die verfahrensrechtliche Zuordnung der Regulierungsbehörde zum Bund

218

E.

232

Die materiell-rechtliche Zuordnung der Regulierungsbehörde zum Bund

8

Inhaltsübersicht F.

Zwischenergebnis

Zweiter Abschnitt:

237

Die Regulierungsbehörde als weisungsgebundene Verwaltung.. 238

A. Die Einzelweisungsfreiheit als Schlüssel zur politischen Unabhängigkeit

238

B.

245

Der Grundsatz der Weisungsbindung und seine Ausnahmen

C. Die Ministerialfreiheit der Regulierungsbehörde und das Privatisierungsprogramm des Art. 87f GG 261 D. Die verfassungsrechtlichen Funktionen des Weisungsrechts

289

E.

Die Weisungsbefugnis als Bedingung ministerieller Verantwortlichkeit

303

F.

Die Weisungsbindung als Vermittlung ministerieller Legitimation

310

G. Das TKG als legitimatorische Variation des Ministerialmodells

317

H. Der institutionelle Gesetzesvorbehalt fur die Entlassung in den ministerialfreien Raum

344

I.

345

Zwischenergebnis

Dritter Abschnitt:

Die politische Unabhängigkeit der Organe

348

A. Der Präsident, § 66 Abs. 2 S. 1 TKG

349

B.

382

Die Beschlußkammern, § 73 Abs. 1 TKG

C. Die Präsidentenkammer, §§ 73 Abs. 3, 11, 19 TKG

420

D. Die Organe der Behörde als Träger einer politischen Verselbständigung der Regulierung 446

Vierter

Teil

Die Einwirkung der Länder auf die Regulierungsbehörde Fünfter

451

Teil

Die gemeinschaftsrechtliche Integration der Regulierungsbehörde Sechster Resümee

463

Teil 488

Zusammenfassende Thesen

496

Literaturverzeichnis

502

Sachverzeichnis

514

Inhaltsverzeichnis

Fragestellung

27

Erster

Teil

Unabhängigkeit als organisationshistorische Konstante

34

Erster Abschnitt Das PostVwG 1953: Daseinsvorsorge in der Leistungsverwaltung A. Die Aufgabenstellung, Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG a.F B. Die Organisation der Deutschen Bundespost I. Der Postminister und der Postverwaltungsrat II. Die Versuche einer Organisationsreform C. Fazit

35 35 37 38 41 43

Zweiter Abschnitt Das PostStrukturG 1989: Gewinnung ordnungspolitischen Gestaltungsspielraums

45

A. Die Ausdifferenzierung des Leistungsregimes

46

B. Die Reorganisation der Deutschen Bundespost

47

I. Der Status der Unternehmen II. Die Ausbildung funktionell getrennter Organe

48 49

1. Die betrieblichen Organe

50

2. Die politischen Organe

51

III. Die Kompetenzverteilung

52

C. Fazit

58

10

nsverzeichnis Dritter Abschnitt Das PTNeuOG 1994: Ausrichtung auf das Privatisierungsprogramm

A. Das Privatisierungsprogramm der Postreform II I. Organisationsprivatisierung

60 61 61

II. Vermögensprivatisierung

62

III. Materielle Privatisierung

64

1. Privatwirtschafilichkeit als wettbewerbliche und unternehmerische Orientierung

65

2. Funktionale Privatisierung

67

3. Unechte Aufgabenprivatisierung

69

IV. Die Regulierung zur Privatisierung

69

B. Die Organisation der Verwaltung nach der Postreform II

71

I. Neue Handlungsformen der Unternehmensaufsicht

72

II. Die entstehende Unternehmensverwaltung

74

III. Die zentrale Stellung des Postministeriums

74

1. Der Regulierungsrat

76

2. Die Beschlußkammern

78

C. Fazit

80

Vierter Abschnitt Das T K G 1996: Entscheidung für die Marktöffnung

81

A. Ein Überblick über das TKG

83

B. Die postministerielle Konkretisierung des TKG

86

I. Materiell-rechtliche Grundentscheidungen

86

II. Verfahrensrechtliche Freiheit

89

C. Vom Ministerium zur Regulierungsbehörde

91

D. Fazit

92

Fünfter Abschnitt Eine steuerungswissenschaftliche Bilanz

93

A. Die Postreformen als Organisationsreformen

93

B. Die strukturelle Steuerungsleistung des Organisationsrechts

95

nsverzeichnis C. Das Organisationsrecht in der Rechtsdogmatik I. Das Organisationsrecht als Zurechnungsordnung II. Das Organisationsrecht als Staatsordnung III. Das Organisationsrecht als Legitimationsordnung D. Zum topos der funktionellen und politischen Unabhängigkeit

Zweiter

11 97 97 98 99 101

Teil

Die funktionelle Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde

104

Erster Abschnitt Die Grundlagen der funktionellen Unabhängigkeit

105

A. Funktionelle Unabhängigkeit nach Art. 5a ONP-Rahmenrichtlinie

105

B. Funktionelle Unabhängigkeit nach Art. 87f GG

108

C. Funktionelle Unabhängigkeit nach Art. 87e GG

111

D.Fazit

112

Zweiter Abschnitt Die Ziele der funktionellen Unabhängigkeit

113

A. Kartellrechtliche Abwehr einer Funktionspotenzierung

113

B. Verwaltungsrechtliche Vermeidung institutioneller Befangenheit

116

C. Vom Interessenmittler zum Interessenträger

120

Dritter Abschnitt Die Dimensionen der funktionellen Unabhängigkeit

123

A. Ein funktionaler Begriff hoheitlicher Regulierung

124

B. Die Regulierung im Gegensatz zur Leistungserbringung

128

C. Die Regulierung im Gegensatz zur Unternehmensverwaltung

129

I. Die Aufgaben der Unternehmensverwaltung

130

II. Gemeinsamer Infrastrukturauftrag und verschiedene Instrumente

134

D. Die verfahrensübergreifende Bedeutung funktioneller Unabhängigkeit

137

E. Fazit

139

12

Inhaltsverzeichnis Vierter Abschnitt Die Faktoren der funktionellen Unabhängigkeit

A. Richtliniengestützte Verwaltungsautonomie im Gemeinschaftsrecht I. Autonome Stellen der Agrarverwaltung II. Unabhängige Stellen des Datenschutzes und der Vergabeüberwachung III. Unabhängige Gerätezulassung

140 140 141 142 144

B. Die Rechtsprechung des EuGH

146

C. Die Äußerungen von Rat und Kommission

148

D. Die einzelnen Faktoren der funktionellen Unabhängigkeit

150

I. Institutionelle Faktoren und Organisationsrecht

150

II. Personelle Faktoren und Dienstrecht III. Formelle Faktoren und Verfahrensrecht E. Zur Effektivität funktioneller Unabhängigkeit

151 152 153

Fünfter Abschnitt Die funktionelle Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde nach §§66 ff T K G

154

A. Die institutionelle Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde

155

I. Zur Unabhängigkeit von der Leistungserbringung

155

II. Zur Unabhängigkeit von der Unternehmensverwaltung 1. Das Organisationsstatut der Anstalt

157 158

2. Die anstaltliche Aufgabenwahrnehmung im Verhältnis zu den Unternehmen 160 3. Die ministerielle Aufsicht über die Anstalt

164

4. Das Ressortprinzip als Garant funktioneller Unabhängigkeit

168

B. Die personelle Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde

171

C. Die verfahrensrechtliche Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde

174

I. Das Beschlußkammerverfahren, §§ 73 ff TKG II. Die Transparenz der behördlichen Tätigkeit III. Die informatorische Abhängigkeit der Regulierungsbehörde

174 179 182

Sechster Abschnitt Fazit

184

nsverzeichnis Dritter

13

Teil

Die politische Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde

187

Erster Abschnitt Die Regulierungsbehörde als bundeseigene Verwaltung, Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG A. Die zentrale Anbindung der bundeseigenen Verwaltung I. Die Zurechnung der Regulierungsbehörde zum Bund II. Die Zuordnung der Regulierungsbehörde zum Bund III. Die Faktoren einer Zuordnung bundeseigener Verwaltung B. Die institutionelle Zuordnung der Regulierungsbehörde zum Bund I. Die Gesetzgebungsgeschichte des § 66 TKG

188 188 189 193 196 200 200

II. Die Ausgliederung aus dem Ministerium

202

III. Keine „selbständige" Bundesoberbehörde

203

IV. Die Eingliederung des Bundesamtes für Post und Telekommunikation

204

V. Die Geschäftsordnungsgewalt über die Regulierungsbehörde VI. Die Haushaltsgewalt für die Regulierungsbehörde VII. Fazit C. Die personelle Zuordnung der Regulierungsbehörde zum Bund I. Die Bediensteten der Regulierungsbehörde II. Die Präsidenten der Regulierungsbehörde

205 208 209 209 209 210

1. Die Ernennung der Präsidenten

211

2. Die Entlassung der Präsidenten

212

3. Das Amtsverhältnis der Präsidenten als Ausnahmeregelung iSd. Art. 33 Abs. 4 GG III. Fazit D. Die verfahrensrechtliche Zuordnung der Regulierungsbehörde zum Bund I. Die Zuständigkeiten der Regulierungsbehörde

216 217 218 218

1. Allgemeine Zuständigkeit zur Rechtsüberwachung

218

2. Einzelne Zuständigkeiten zur Politikentwicklung

220

3. Übergeordnete Zuständigkeiten des Ministeriums

221

II. Die informatorische Öffnung der Regulierungsbehörde

223

1. Die Informationserhebung der Regulierungsbehörde

223

nsverzeichnis 2. Die Informationsverteilung der Regulierungsbehörde

225

3. Informierende Institutionen bei der Regulierungsbehörde

226

4. Die Informationsmächtigkeit der Regulierungsbehörde

230

III. Fazit

231

E. Die materiell-rechtliche Zuordnung der Regulierungsbehörde zum Bund I. Die abstrakt-generelle Programmierung

232 232

1. Die gesetzliche Regelungsdichte des TKG

232

2. Die Verordnungen nach dem TKG

233

3. Allgemeine Weisungen, § 66 Abs. 5 TKG

235

II. Die konkret-individuelle Weisung F. Zwischenergebnis

236 237

Zweiter Abschnitt Die Regulierungsbehörde als weisungsgebundene Verwaltung A. Die Einzelweisungsfreiheit als Schlüssel zur politischen Unabhängigkeit I. Die Weisung und das hierarchische Prinzip im demokratischen Staat

238 238 240

II. Die pluralisierte Verwaltung zwischen Legitimationsverdünnung und Legitimationsverschiebung III. Die Regulierungsbehörde und das Ministerialmodell B. Der Grundsatz der Weisungsbindung und seine Ausnahmen

242 243 245

I. Zur Notwendigkeit einer verfassungsorganisatorischen Ausnahmeregelung 246 II. Zur Notwendigkeit einer verfassungsgewichtigen Ausnahmebegründung.... 252 III. Zur Notwendigkeit eines verfassungsanerkannten Ausnahmegrundes

252

IV. Zur verfassungsrechtlichen Verzichtbarkeit der Weisungsbefugnis

259

V. Fazit C. Die Ministerialfreiheit der Regulierungsbehörde und das Privatisierungsprogramm des Art. 87f GG I. Der Wortlaut des Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG II. Zur historischen Auslegung III. Zur systematischen Auslegung

260 261 261 262 265

nsverzeichnis

15

IV. Die politische Verselbständigung als Konsequenz des Privatisierungsprogramms

267

1. Politische, nicht fachliche Verselbständigung

268

2. Staatsinterne Distanzierung als ratio politischer Verselbständigung

269

3. Die Distanzierung der Regulierung als Korrelat formeller Privatisierung des bundeseigenen Unternehmens 271 4. Die Distanzierung der Regulierung in Fortschreibung funktioneller Trennung

272

5. Die Distanzierung der Regulierung und das Vertrauen der Marktteilnehmer auf die materielle Privatisierung 274 6. Fazit

275

V. Eine europarechtliche Andeutung politischer Verselbständigung, Art. 5a ONP-Rahmenrichtlinie

275

VI. Ein rechtsvergleichender Blick auf verselbständigte Regulierungsbehörden 279 1. Die Federal Communications Commission

279

2. Das Office for Telecommunications

283

3. Fazit

285

VII. Die Weisungsfreiheit als Symbol der politischen Unabhängigkeit VIII. Fazit D. Die verfassungsrechtlichen Funktionen des Weisungsrechts I. Die Anbindungsfunktion, Art. 8 6 f f G G II. Die Leitungsfunktion, Art. 65 S. 2 GG 1. Der Grundsatz der Gewaltenteilung und die Weisungsbefugnis

287 288 289 290 292 293

2. Die Weisungsbefugnis als Kernbereich exekutivischer Leitungsfunktion 294 3. Fazit III. Die Legitimationsfunktion, Art. 20 Abs. 2 GG

298 298

1. Die sog. Ministerverantwortlichkeit als Chiffre für Leitung und Legitimation

299

2. Zur Entbehrlichkeit der Chiffre von der Ministerverantwortlichkeit

301

3. Die Ministerverantwortlichkeit als fragwürdige Rechtsfigur

302

E. Die Weisungsbefugnis als Bedingung ministerieller Verantwortlichkeit I. Die Weisungsbefugnis als ministerielle Reaktionsmöglichkeit

303 303

II. Die Weisungsbefugnis als verfassungsrechtliche Zurechnungsbedingung.... 305

nsverzeichnis

16

III. Die Weisungsbefugnis als Instrument struktureller Leitung

306

IV. Die Ressortzuständigkeit als unmittelbare Bedingung ministerieller Verantwortlichkeit 308 V. Fazit

310

F. Die Weisungsbindung als Vermittlung ministerieller Legitimation I. Die abstrakte Weisungsbindung und die Notwendigkeit effektiver Legitimation II. Das Ministerialmodell als Standard des Legitimationsniveaus

310

311 313

III. Die Weisungsbindung im Legitimationsgefuge

315

IV. Fazit

317

G. Das TKG als legitimatorische Variation des Ministerialmodells I. Das Beschlußkammerverfahren als Element materieller Legitimation

317 317

1. Ein Vergleich von Gesetz und Weisung

318

2. Das formelle Recht als Element materieller Legitimation

320

3. Das justizähnliche Verfahren, §§73 ff TKG, als legitimierendes Element

321

II. Das Präsidentenamt als Institut personeller Legitimation 1. Ein Vergleich von Gesetz und Zuweisung

322 322

2. Das öffentlich-rechtliche Amtsverhältnis der Präsidenten, § 66 Abs. 3 u. 4 TKG, § 8 PersBG

326

a) Das Amt als Kristallisationspunkt der personellen Legitimation

327

b)Die Zuweisung als legitimationsstiftender Akt

328

c) Die Widerruflichkeit der Zuweisung als legitimationserhaltendes Element 329 d)Die persönliche Abhängigkeit des Amtswalters und die Apersonalität des Organisationsrechts 3. Fazit III. Die beiratliche Kontrolle als zusätzlicher Legitimationsstrang

330 331 331

1. Der Beirat als parlamentarisches Organ

333

2. Zur Parlamentsähnlichkeit der beiratlichen Kontrolle

336

a) Das Auskunftsrecht

336

b)Das Initiativrecht

337

c) Das personelle Vorschlagsrecht

337

d)Eine verstetigte Kontrolle

338

nsverzeichnis

17

e) Keine Verkürzung von parlamentarischen Rechten

339

f) Qualitative Unterschiede zum Parlament

340

3. Die Wirkung vorverlagerter parlamentarischer Kontrolle

342

4. Fazit

343

H. Der institutionelle Gesetzesvorbehalt für die Entlassung in den ministerialfreien Raum

344

I. Zwischenergebnis

345

Dritter Abschnitt Die politische Unabhängigkeit der Organe A. Der Präsident, § 66 Abs. 2 S. 1 TKG I. Der Präsident als fachliche Marktaufsicht 1. Die Regulierungsbehörde als Genehmigungsbehörde

348 349 349 350

a)Die Lizenzierung nach §§6 ff TKG

350

b) Anzeigepflicht, § 4 TKG

356

c) Zulassung, §§ 59 ff TKG

356

d)Fazit

360

2. Die Regulierungsbehörde als Zuteilungsbehörde

360

a) Frequenzordnung, §§ 44 ff TKG

360

b)Numerierung, § 43 TKG

363

c) Wegerechte, § 50 Abs. 4 TKG

366

d)Fazit

366

3. Die Regulierungsbehörde als Aufsichtsbehörde

367

a) Informationssicherheit, §§ 85 ff TKG

367

b)Kundenschutz, §§ 40 f TKG

369

4. Fazit II. Die monokratische Verfassung der Regulierungsbehörde

370 370

III. Zur Weisungsfreiheit des Präsidenten

372

IV. Zum ministeriellen Weisungsverzicht

375

2 Oertel

1. Verfassungsrechtliche Unverbindlichkeit eines Weisungsverzichtes

376

2. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines Weisungsverzichtes

377

3. Fazit

379

18

nsverzeichnis V. Die politische Verselbständigung des Präsidenten

B. Die Beschlußkammern, § 73 Abs. 1 TKG

380 382

I. Die Beschlußkammern als sektorspezifische, asymmetrische Mißbrauchsaufsicht

382

1. Die Mißbrauchsaufsicht im Unterschied zur Marktaufsicht

383

2. Die Mißbrauchsaufsicht im Unterschied zur Tätigkeit der Präsidentenkammer

383

3. Die sektorspezifische Ausformung der Mißbrauchsaufsicht gegenüber dem GWB

385

4. Die asymmetrische Anlage der Mißbrauchsaufsicht

386

5. Die Mißbrauchsaufsicht unter dem Privatisierungsauftrag

388

6. Fazit

389

II. Die Entscheidungsmuster der Beschlußkammern

390

1. Die Entgeltregulierung nach dem Dritten Teil des TKG

390

2. Der Zugang zu Leistungen nach dem Vierten Teil des TKG

393

3. Fazit

397

III. Die Weisungsfreiheit der Beschlußkammern nach dem TKG

397

1. Die gesetzliche Entlassung in den ministerialfreien Raum

397

a) Zu Wortlaut und Entstehungsgeschichte des TKG

398

b)Die Beschlußkammern als Kollegialorgane

399

c) Das justizähnliche, transparent Verfahren der Beschlußkammern

400

d)Die personelle Qualifikation der Beschlußkammermitglieder

401

e) Die organisatorische Sonderstellung der Beschlußkammern

403

f) Der Verzicht auf ein Vorverfahren und ein ministerielles Einspruchsrecht

403

g)Die Aufwertung der Beschlußkammern gegenüber dem Bundeskartellamt 404 h) Fazit 2. Zur Reichweite der Weisungsfreiheit

405 406

a)Kein präsidentielles Weisungsrecht

406

b) Keine Freiheit von allgemeinen Weisungen

408

c) Ministerielle Empfehlungen an Verfahrensbeteiligte

409

d) Fazit

411

nsverzeichnis IV. Verfassungsrechtliche Grenzen der Weisungsfreiheit 1. Die Beschlußkammern als Organ der Privatisierung

19 411 411

2. Funktionale Äquivalente zur Weisungsbindung der Beschlußkammern . . 4 1 2 a) Zur Anbindungsfunktion, Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG

412

b)Zur Leitungsfunktion, Art. 65 S. 2 GG

412

c) Zur Legitimationsfunktion, Art. 20 Abs. 2 GG

413

(1) Zur Legitimation der Entgeltregulierung

413

(2) Die legitimatorische Leistungsfähigkeit des Beschlußkammerverfahrens (3) Zur Legitimation in der Regulierung des Netzzuganges V. Die politische Verselbständigung der Beschlußkammern C. Die Präsidentenkammer, §§73 Abs. 3, 11, 19 TKG

416 417 419 420

I. Die Präsidentenkammer als Marktstrukturaufsicht

421

1. Die Kompetenzen der Präsidentenkammer

421

2. Die Entscheidungsmuster der Präsidentenkammer

423

3. Die Bedeutung der Präsidentenkammer

430

II. Die gesetzliche Weisungsfreiheit d"," Präsidentenkammer

432

1. Die Freiheit von ministeriellen Einzelweisungen

432

2. Die Freiheit von allgemeinen Weisungen

434

III. Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Weisungsfreiheit

435

1. Die Distanzierung der Präsidentenkammer und Art. 87f GG

435

2. Funktionale Äquivalente der Weisungsbindung in der Präsidentenkammer

437

a) Zur Anbindungsfunktion, Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG

437

b)Zur Leitungsfunktion, Art. 65 S. 2 GG

438

c)Zur Legitimationsfunktion, Art. 20 Abs. 2 GG

442

(1) Die Transponierung ministerieller Verantwortlichkeit auf die Regierung 442 (2) Die Legitimation von Entscheidungen der Präsidentenkammer IV. Die politische Verselbständigung der Präsidentenkammer

443 444

D. Die Organe der Behörde als Träger einer politischen Verselbständigung der Regulierung 446 I. Behördeninterne Verselbständigung

446

20

nsverzeichnis II. Politische Verselbständigung gegenüber dem Ministerium

448

III. Die Ressortordnung innerhalb der Bundesregierung

448

IV. Politische Verselbständigung innerhalb verfassungsrechtlicher Grenzen

449

Vierter

Teil

Die Einwirkung der Länder auf die Regulierungsbehörde

451

Erster Abschnitt Der Beirat als Mittler des föderalen Einflusses

451

A. Die Zusammensetzung des Beirats

451

B. Die Mitwirkungsrechte des Beirats

452

Zweiter Abschnitt Der Beirat als Institution der Mischverwaltung A. Die verfassungsanerkannten Belange der Länder in der Telekommunikation

454 455

B. Die Gewichtung der Länderbelange in der Zusammenarbeit mit der Reglierungsbehörde 460

Dritter Abschnitt Fazit

Fünfter

462

Teil

Die gemeinschaftsrechtliche Integration der Regulierungsbehörde

463

Erster Abschnitt Die Regulierungsbehörde unter der Umsetzungsaufsicht der Kommission 463

Zweiter Abschnitt Die Regulierungsbehörde unter der Wettbewerbsaufsicht der Kommission 469 A. Die kartellrechtliche Fusionskontrolle der Kommission

471

B. Die kartellrechtliche Mißbrauchsaufsicht der Kommission

472

C. Die Überlagerung von sektorspezifischer Regulierung und gemeinschaftlichem Kartellrecht

476

nsverzeichnis

21

Dritter Abschnitt Die Kooperation der mitgliedstaatlichen Regulierungsbehörden mit der Kommission

476

A. Der ONP-Ausschuß als zentrales Modul

477

B. Das Verfahrensrecht der Ausschüsse

479

C. Die Regulierungsbehörde zwischen Kooperation und Koordination

481

Vierter Abschnitt Die Bildung einer Europäischen Regulierungsbehörde

483

Fünfter Abschnitt Die Regulierungsbehörde zwischen gemeinschaftlicher Integration und binnenstaatlicher Autonomie

Sechster

486

Teil

Resümee

488

Erster Abschnitt Die funktionelle Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde

488

Zweiter Abschnitt Die politische Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde

491

Dritter Abschnitt Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde als bleibendes Thema

493

Zusammenfassende Thesen

496

Literaturverzeichnis

502

Sachverzeichnis

514

Abkürzungsverzeichnis Für die einschlägigen Vorschriften, Mitteilungen, Behörden und Unternehmen verwendet die Arbeit die im folgenden erläuterten Kurzbezeichnungen. Änderungsrichtlinie Richtlinie 96/19/EG der Kommission vom 13.3.1996 zur Änderung der Richtlinie 90/388/EWG hinsichtlich der Einführung des vollständigen Wettbewerbs auf den Telekommunikationsmärkten, ABl. EG Nr. L 74 v. 22.3.1996, S. 13. Aufgabenbeschreibung Aufgabenbeschreibung der -> Reg TP, zitiert nach dem Entwurf v. 4.3.1998 (unveröffentlicht). BAnst PT Bundesanstalt fur Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost, seit 1995 zuständig für die Unternehmensverwaltung der Deutschen Telekom AG durch den Bund nach Art. 87f Abs. 3 GG iVm. -> BAPostG. Ursprünglich unterstand die Anstalt der Aufsicht des BMPT, nunmehr untersteht sie dem -> BMF. BAPostG Gesetz über die Errichtung einer Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost (Bundesanstalt Post-Gesetz - BAPostG), verkündet als Art. 1 des -> PTNeuOG v. 22.9.1994, BGBl. I S. 2325. BAPT Bundesamt für Post und Telekommunikation, ursprünglich eine dem BMPT nachgeordnete Oberbehörde, eingerichtet nach Mitt. BMPT 2004/1990, Einrichtung einer Behörde, ABl. BMPT 49/1990, S. 814. Gemäß Art. 3 ^ BegleitG wurden die Zuständigkeiten des BAPT ab dem 1.1.1998 auf die -> Reg TP übertragen. BegleitG Begleitgesetz zum Telekommunikationsgesetz (BegleitG) v. 17.12.1997, BGBl. I, S. 3108. BMF Bundesministerium der Finanzen, seit dem 1.1.1998 zuständig für die Aufsicht über die BAnst PT. Vgl. Bekanntmachung des Organisationserlasses des Bundeskanzlers v. 17.12.1997, BGBl. I 1998, S. 68. BMPT Bundesministerium kanntmachung des 1998, S. 68. Zuvor iVm. §§66 ff TKG

für Post und Telekommunikation, zum 1.1.1998 aufgelöst. Vgl. BeOrganisationserlasses des Bundeskanzlers v. 17.12.1997, BGBl. I hatte es die Zuständigkeiten der jetzigen -> RegTP gem. § 98 S. 1 wahrgenommen sowie die Aufsicht über die BAnst PT geführt.

Abkürzungsverzeichnis

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BMWi Bundesministerium für Wirtschaft, in dessen Geschäftsbereich die Reg TP nach § 66 Abs. 1 -> TKG eingeordnet ist und das auch im übrigen ab dem 1.1.1998 in die Zuständigkeiten des -> BMPT eingetreten ist, soweit sie nicht anderen Stellen zugewiesen wurden. Vgl. Bekanntmachung des Organisationserlasses des Bundeskanzlers v. 17.12. 1997, BGBl. I 1998, S. 68. Deutsche Bundespost Bezeichnung der Verwaltung des Post- und Fernmeldewesens unter der Leitung des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen im Status eines Sondervermögens nach § 1 Abs. 1 -» PostVwG. Deutsche Bundespost T E L E K O M Bezeichnung des mit dem Fernmeldewesen befaßten Teilsondervermögens der Deutschen Bundespost nach 1989 gemäß § 1 Abs. 2 PostVerfG. Deutsche Telekom AG Bezeichnung der Aktiengesellschaft, in die das Teilsondervermögen der -> Deutschen Bundespost TELEKOM 1995 gemäß dem -> PostUmwG umgewandelt wurde. Diensterichtlinie Als „Diensterichtlinie" wird die rungsrichtlinie bezeichnet.

Wettbewerbsrichtlinie seit Inkrafttreten der

Ände-

Endgerätekonformitätsrichtlinie Richtlinie des Rates v. 29.4.1991 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Telekommunikationsendeinrichtungen einschließlich der gegenseitigen Anerkennung ihrer Konformität (91/263/EWG), ABl. EG Nr. L 128 v. 23.5.1991, S. 1, aufgehoben durch Art. 34 iVm. Anhang X Teil A Konformitätsrichtlinie. Endgeräterichtlinie Richtlinie der Kommission v. 16.5.1988 über den Wettbewerb auf dem Markt fur Telekommunikations-Endgeräte (88/302/EWG), ABl. EG Nr. L 131 v. 27.5.1988, S. 73. Geändert durch die -> Satellitenrichtlinie. Genehmigungsrichtlinie Richtlinie 97/13/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates über einen gemeinsamen Rahmen fur Allgemein- und Einzelgenehmigungen ftir Telekommunikationsdienste, ABl. EG Nr. L 117 v. 7.5.1997, S. 15. GO Beirat Geschäftsordnung des Beirates bei der öffentlicht).

Reg TP in der Fassung vom 9.2.1998 (unver-

GO Reg TP Geschäftsordnung der

Reg TP auf dem Stand v. 1.1.1998 (unveröffentlicht).

Kabelfernsehrichtlinie Richtlinie 95/61/EG der Kommission zur Änderung der Richtlinie 30/388/EWG hinsichtlich der Aufhebung der Einschränkungen bei der Nutzung von Kabelfernsehnetzen fur die Erbringung bereits liberalisierter Telekommunikationsdienste, ABl. EG Nr. L 256 v. 26.10.1995, S. 49.

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Abkürzungsverzeichnis

Konformitätsrichtlinie Richtlinie 98/13/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates v. 12.2.1998 über Telekommunikationsendeinrichtungen und Satellitenfunkanlagen einschließlich der gegenseitigen Anerkennung ihrer Konformität, ABl. EG Nr. L Nr. 74 v. 12.3.1998, S. 1. Diese Richtlinie führt die -> Endgerätekonformitätsrichtlinie mit der Richtlinie des Rates v. 29.10.1993 zur Ergänzung der Richtlinie 91/263/EWG hinsichtlich Satellitenfunkanlagen (93/97/EWG), ABl. EG Nr. L 290 v. 24.11.1993, S. 1, zusammen. Mitteilung über die Umsetzung 1995 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über den Stand der Umsetzung der Richtlinie 30/388/EWG über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikationsdienste (95/C 275/02), ABl. EG Nr. C 275 v. 20.10.1995, S. 2. Mitteilung über die Umsetzung 1997 Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament, den Wirtschafits- und Sozialausschuß und den Ausschuß der Regionen über die Umsetzung des Reformpaketes für den Telekommunikationssektor 1997, COM (97)236 v. 29.5.1997. Mobilkommunikationsrichtlinie Richtlinie 96/2/EG der Kommission zur Änderung der Richtlinie 90/388/EWG betreffend die mobile Kommunikation und Personal Communications, ABl. EG Nr. L 20 v. 26.1.1996, S. 59. ONP-Anpassungsrichtlinie Richtlinie 97/51/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates v. 6.10.1997 zur Änderung der Richtlinien 90/387/EWG und 92/44/EWG zwecks Anpassung an ein wettbewerbsorientiertes Telekommunikationsumfeld, ABl. EG Nr. L 295 v. 29.10.1997, S. 23. ONP-Mietleitungsrichtlinie Richtlinie 92/44/EWG des Rates zur Einführung des offenen Netzzugangs bei Mietleitungen v. 5.6.1992, ABl. EG Nr. L 165 v. 19.6.1992, S. 27. Diese Richtlinie ist durch die -> ONP-Anpassungsrichtlinie 1997 geändert worden. Soweit es auf die unterschiedlichen Fassungen ankommt, wird sie als „ONP-Mietleitungsrichtlinie 1995" bzw. als „ONP-Mietleitungsrichtlinie 1997" zitiert. Ohne Jahreszahl meint „ONP-Mietleitungsrichtlinie" die Fassung von 1997. ONP-Rahmenrichtlinie Richtlinie des Rates zur Verwirklichung des Binnenmarktes für Telekommunikationsdienste durch Einführung eines offenen Netzzuganges (Open Network Provision - ONP) v. 28.6.1990, ABl. EG Nr. L 192 v. 24. 7.1990 (90/387/EWG), S. 1. Diese Richtlinie ist durch die -> ONP-Anpassungsrichtlinie 1997 geändert worden. Soweit sie als „ONPRahmenrichtlinie" zitiert wird, ist damit die geänderte Fassung gemeint. Sollte es auf die jeweilige Fassung ankommen, wird die Richtlinie entweder als „ONP-Rahmenrichtlinie 1995" oder als „ONP-Rahmenrichtlinie 1997" zitiert. ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1995 Richtlinie 95/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung des offenen Netzzugangs (ONP) beim Sprachtelefondienst v. 13.12.1995, ABl. EG Nr. L 321 v. 30.12.1995, S. 6. Diese Richtlinie wurde durch die -> ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1997 ersetzt.

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ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1997 Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates über die Anwendung des offenen Netzzugangs (ONP) beim Sprachtelefondienst und den Universaldienst im Telekommunikationsbereich in einem wettbewerbsorientierten Umfeld v. 26.2.1998, ABl. EG Nr. L 101 v. 1.4.1998, S. 24. PersBG Personalrechtliches Begleitgesetz zum Telekommunikationsgesetz (PersBG), verkündet als Art. 1 BegleitG. PostStruktG Gesetz zur Neustrukturierung des Post- und Fernmeldewesens und der Deutschen Bundespost (Poststrukturgesetz - PostStruktG) v. 8.6.1989, BGBl. I 1989, S. 1026, bildete den Kern der Postreform I und enthielt in Art. 1 das -> PostVerfG. PostUmwG Gesetz zur Umwandlung der Unternehmen der Deutschen Bundespost in die Rechtsform der Aktiengesellschaft (Postumwandlungsgesetz - PostUmwG), vom 14. September 1994, BGBl. I S. 2325, 2339, verkündet als Art. 3 des PTNeuOG. PostVerfG Gesetz über die Unternehmensverfassung der Deutschen Bundespost (Postverfassungsgesetz - PostVerfG), verkündet als Art. 1 des -> PostStruktG v. 8.6.1989, BGBl. I 1989, S. 1026. PostVwG Gesetz über die Verwaltung der Deutschen Bundespost (Postverwaltungsgesetz PostVwG) v. 24.7.1953, BGBl. I, S. 676. PTNeuOG Gesetz zur Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation (Postneuordnungsgesetz - PTNeuOG) v. 14.9.1994, BGBl. I, S. 2325, bildete zusammen mit dem verfassungsändernden Gesetz den Kern der Postreform II. Es enthielt in Art. 7 das PTRegG, in Art. 1 das ->BAPostG sowie in Art. 3 das PostUmwG. PTRegG Gesetz über die Regulierung der Telekommunikation und des Postwesens (PTRegG), verkündet als Art. 7 des PTNeuOG v. 14.9.1994, BGBl. I S. 2325. Reg TP Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post nach den §§ 66 ff -> TKG. Satellitenrichtlinie Richtlinie 94/46/EG der Kommission v. 13.10.1994 zur Änderung der Richtlinie 88/301/EWG und 30/388/EWG, insbesondere betreffend die Satelliten-Kommunikation, ABl. EG L Nr. 268 v. 19.10.1994, S. 15. TKG Telekommunikationsgesetz (TKG) v. 25.7.1996, BGBl. I, S. 1120, zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 6 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen v. 26.8.1998, BGBl. I, S. 2521.

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Abkürzungsverzeichnis

Wettbewerbsrichtlinie Richtlinie 90/388/EWG der Kommission über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikationsdienste v. 28.6.1990, ABl. EG Nr. L 192 v. 24.7.1990, S. 10. Geändert durch -> Kabelfernsehrichtlinie, -> Satellitenrichtlinie, -> Mobilkommunikationsrichtlinie, -> Anpassungsrichtlinie. Für die Fassung der Wettbewerbsrichtlinie nach Inkrafttreten der Anpassungsrichtlinie hat sich auch die Bezeichnung -> Diensterichtlinie eingebürgert. Zusammenschaltungsrichtlinie Richtlinie 97/33/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 30.6.1997 über die Zusammenschaltung in der Telekommunikation im Hinblick auf die Sicherstellung eines Universaldienstes und der Interoperabilität durch Anwendung der Grundsätze für einen offenen Netzzugang (ONP), ABl. EG Nr. L 199 v. 26.7.1997, S. 32; geändert durch Richtlinie 98/61/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates zur Änderung der Richtlinie 97/33/EG hinsichtlich der Übertragbarkeit von Nummern und der Betreibervorauswahl vom 24.9.1998, ABl. EG L N r . 268 v. 3.10.1998, S. 37.

Fragestellung Wer vor Zeiten zum Telefonhörer griff, der bat sprichwörtlich um ein Amt. Telefonie war ein Angebot der staatlichen Leistungsverwaltung, der Deutschen Bundespost. Wer heute zum Telefonhörer greift, bedient sich derselben Apparatur, aber eines anderen Systems. Aus der Deutschen Bundespost ist 1995 das Unternehmen Deutsche Telekom AG hervorgegangen, eine privatrechtlich organisierte Aktiengesellschaft. 1 Die Deutsche Telekom AG steht seit dem 1. Januar 1998 im vollständigen Wettbewerb auf den Märkten für Telekommunikation. Zu diesem Datum beendete das Telekommunikationsgesetz (TKG) das ausschließliche Recht des Bundesuntemehmens, Sprachtelefondienstleistungen für die Öffentlichkeit anzubieten.2 Zwar ist der Bund noch der bestimmende Anteilseigner des Unternehmens.3 Von der Organisationsprivatisierung und der Aufhebung der Monopolrechte her hat aber ein ordnungspolitischer Modellwechsel seinen rechtlichen Ausgang genommen. Die frühere Leistungsverwaltung versteht sich nunmehr als ein privatwirtschaftliches Unternehmen. Der Übergang vom staatlichen Fernmeldewesen zum wettbewerblichen Telekommunikationssektor setzte 1994 eine Verfassungsänderung voraus.4 Ausgehend von dem neuen Art. 87f GG hat sodann das Telekommunikationsgesetz ein wettbewerbliches Ordnungsmodell kodifiziert, das 1997 durch ein Begleitgesetz abgerundet wurde. 5 Art. 87f GG, das TKG sowie das BegleitG bilden den Kern des heutigen Telekommunikationsrechtes. Dessen Durchdringung ist

1 Vgl. Gesetz zur Umwandlung der Unternehmen der Deutschen Bundespost in die Rechtsform der Aktiengesellschaft (Postumwandlungsgesetz - PostUmwG), vom 14. September 1994, BGBl. I, S. 2325, 2339, verkündet als Art. 3 des Gesetzes zur Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation vom selben Tage; abgedruckt in Büchner/Lorenz Nr. 253, Sartorius Nr. 900. 2 Telekommunikationsgesetz (TKG) v. 25.7.1996, BGBl. I, S. 1120, zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 6 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen v. 26.8.1998, BGBl. I, S. 2521. Überblick über das TKG unten S. 83. Zur Aufhebung des Sprachtelefondienstmonopols vgl. § 97 Abs. 2 TKG. Allgemein Thomas Langer, Monopole als Handlungsinstrumente der öffentlichen Hand, Berlin 1998. 3 Zur Vermögensprivatisierung unten S. 62. 4 Unten S. 61. Zur Begriffsentwicklung vom Fernmeldewesen zur Telekommunikation Windthorst, Universaldienst, S. 8 ff. 5 Begleitgesetz zum Telekommunikationsgesetz (BegleitG) v. 17.12.1997, BGBl. I, S. 3108.

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Fragestellung

der Verwaltungsrechtswissenschaft aufgegeben. 6 Sie nähert sich ihrem Gegenstand aus verschiedenen Richtungen: Als Recht der technischen Übermittlung bildet das Telekommunikationsrecht einen Teil der Informationsordnung, die dem öffentlichen Recht in der Informationsgesellschaft aufgetragen ist. 7 Als Recht des staatlichen Aufgabenwandels begleitet das Telekommunikationsrecht einen Privatisierungsvorgang. 8 Indem der Bund sich nach Art. 87f Abs. 1 GG darauf zurückzieht, die sog. Universaldienstleistungen zu gewährleisten, soll sich eine neue Kombination von staatlicher Verwaltung und gesellschaftlicher Verantwortung herausbilden. 9 Damit verschiebt das Telekommunikationsrecht zugleich die Grenze zwischen staatlicher und gesellschaftlicher Regulierung. 10 Diese Arbeit nimmt sich aber nicht die Verschiebungen im Verhältnis des Staates zur Gesellschaft, die sich aus der Privatisierung in der Telekommunikation ergeben, zum Gegenstand. Sie richtet ihren Blick vielmehr in den eigenen Bereich der staatlichen Verwaltung hinein. Das TKG legt seinen Vollzug im Einklang mit Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG in die Hände der bundeseigenen Verwaltung. In § 66 Abs. 1 TKG heißt es dazu: „Zur Wahrnehmung der sich aus diesem Gesetz und anderen Gesetzen ergebenden Aufgaben wird die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post als Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundeswirtschaftsministers mit Sitz in Bonn errichtet."

Dabei kann die Zwecksetzung des TKG illustrieren, welche Bedeutung der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post zukommt: 11 Ihre Tätigkeit soll den Wettbewerb im Telekommunikationsmarkt fördern, flächendekkend angemessene und ausreichende Dienstleistungen gewährleisten und eine Frequenzordnung festlegen. Wettbewerbsförderung als Auftrag zur Marktöff6 § 80 TKG weist Rechtsstreitigkeiten der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu und entscheidet damit gegen den Vorschlag des Bundesrates, BT-Drs. 13/4438, S. 5 Ziff. 2, die Kartellgerichtsbarkeit für zuständig zu erklären. 7 Vgl. Friedrich Schoch, Hans-Heinrich Trute, Öffentlich-rechtliche Rahmenbedingungen einer Informationsordnung, VVDStRL 57 (1998), S. 158 u. S. 216. Einleitend zur „Informationsgesellschaft" Hans-Jörg Bullinger, in: Jung/Warnecke (Hrsg.), S. 63 ff. 8 Lerke Osterloh, Hartmut, Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, VVDStRL 54 (1995), S. 204 u. S. 234. 9 Vgl. Martin Eifert, Telekommunikationsleistungen im Gewährleistungsstaat, Baden-Baden 1998. Für die vorzeitige Überlassung des Manuskripts und die bereitwillige Unterstützung an dieser Stelle herzlichen Dank. Vgl. auch Kay Windthorst, Der Universaldienst im Bereich der Telekommunikation, Berlin 1997. 10 Vgl. Matthias Schmidt-Preuß, Udo di Fabio , Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, VVDStRL 56 (1996), S. 160 u. S. 235; Hermes, S. 139 ff. 11 Vgl. § 1 TKG. Den Gesetzeszweck unterscheidet Ehlers, Wirtschaftsaufsicht, S. 9, begrifflich von den Verwaltungszielen (dazu § 2 Abs. 2 TKG), ohne ihm aber seine leitende Funktion für die Verwaltung abzusprechen.

Fragestellung

nung, Gewährleistung als Haftung für eine Grundversorgung und Frequenzordnung als Verteilung benötigter Ressourcen umreißen die zentralen Verwaltungsagenden, mit denen die Regulierungsbehörde betraut ist. 12 In den organisatorischen Schnittpunkt dieser Aufgaben hat der Gesetzgeber bewußt die Regulierungsbehörde nach §§66 ff TKG gestellt.13 Er entschied sich nach reiflicher Überlegung dagegen, die Regulierung einer obersten Bundesbehörde anzuvertrauen. 14 Das frühere Bundespostministerium löste sich zum 1.1.1998 auf; seine Bediensteten wurden, soweit sie sich nicht anders orientiert hatten, auf die zum gleichen Datum errichtete Behörde übergeleitet. 15 Die Regulierungsbehörde steht damit in der Tradition postministerieller Organisationen. Zugleich stellt sie ein novum in der Verwaltungsorganisation der Bundesrepublik dar. Denn der Gesetzgeber hat die Regulierungsbehörde zwar in den sog. Beschlußkammern den Beschlußabteilungen des Bundeskartellamtes nachgebildet, ist dem GWB aber nicht durchgängig aufs Wort gefolgt. So wird der Präsident der Regulierungsbehörde von einem dem Kartellrecht fremden Beirat aus Bundesrat und Bundestag vorgeschlagen und von der gesamten Bundesregierung ernannt. Eine besondere Präsidentenkammer befindet über Fragen der Universaldienstleistungsgewähr und der Frequenzzuteilung. In der Organisation der Regulierungsbehörde hat das Gesetz also nicht eine vorhandene karteil- oder fachbehördliche Lösung kopiert, sondern ein sektorspezifisches Verwaltungsorganisationsrecht geschaffen. Neues Recht gibt häufig Anlaß, alte Probleme neu zu überdenken. So scheint sich an der Regulierungsbehörde der Streit um die Unabhängigkeit des Bundeskartellamtes unter veränderten Vorzeichen fortzusetzen. Wenngleich dessen faktische Weisungsfreiheit unbestritten ist, gilt das Kartellamt einer überwie-

12 Einen Überblick über die Tätigkeiten im Ersten Halbjahr bietet http://www.regtp. de/Aktuelles/pm 1507.htm, Stand 25.7.1998. Zwischenzeitlich ist unter dieser Adresse auch der Jahresbericht der Reg TP 1998 abzurufen. Vgl. auch Torsten Gerpott, Reregulierung der Telekommunikation in Deutschland, K & R 1999, 49; Wilhelm Eschweiler, Regulierung der Telekommunikation und erste Entscheidungspraxis der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post, K & R 1998, 530 (553). 13 Wörtlich heißt es im Regierungsentwurf zum Begleitgesetz, BT-Drs. 13/8016: „Politischer Konsens, der Industrie, Gewerkschaften und Verbände einschließt, besteht darüber, daß die Umsetzung der mit dem TKG und auch mit dem PostG-E verfolgten Zielsetzung der Schaffung von Wettbewerb in bisher von Monopolen geprägten Märkten sowie der Infrastruktursicherung eine besondere Anstrengung auf organisatorischer und personeller Ebene für die Bildung einer effizienten Regulierungsbehörde erfordert." Vgl. auch Windthorst, Universaldienst, S. 439 f. 14 Unten S. 200. 15 Vgl. Bekanntmachung des Organisationserlasses des Bundeskanzlers v. 17.12.1997, BGBl. I 1998, S. 68, § 1 ff des Personalrechtlichen Begleitgesetzes zum Telekommunikationsgesetz (PersBG), verkündet als Art. 1 BegleitG (oben Fn. 5). Ausführlich unten S. 91.

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Fragestellung

genden Meinung zufolge als rechtlich weisungsabhängig. 1 6 Eine ähnliche Diskussion zeichnet sich für die Regulierungsbehörde ab. So nahm ihr Präsident in seiner Eröffnungsrede die Zusicherung des Bundeswirtschaftsministers

dan-

kend auf, der Minister werde die Unabhängigkeit der Behörde respektieren. 17 Was aber unter „Unabhängigkeit" zu verstehen ist und wie weit sie i m Einzelfall reicht, bleibt in der politischen D i k t i o n offen. 1 8 A u c h die fachjuristische Debatte hierzu steht noch am Anfang: Manchen gilt es als europarechtliche Pflicht, die Regulierungsbehörde institutionell unabhängig zu stellen; sie müsse aus der ministeriellen Leitung herausgenommen werden, solange der Bund zugleich Mehrheitseigner des größten regulierten Unternehmens sei. 1 9 Andere erklären die Regulierungsbehörde wegen des Privatisierungsauftrages aus Art. 87f GG für ministerialfrei. 2 0 Jedenfalls die Beschlußkammern der Regulierungsbehörde sollten deswegen ministeriellen Weisungen enthoben sein. 2 1 Andere Stimmen halten hingegen alle Organe der Regulie-

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Dazu Jürgen Rodegra, Zum Problem aufsichtsfreier Verwaltung durch das Bundeskartellamt untersucht am Beispiel des Fusionskontroll verfahrene, Frankfurt u.a. 1992; Schultz, in: Langen/Bunte, § 49 Rnr. 5. 17 Vgl. http://www.regtp.de/Regulierung/scheurle2.html , Stand 25.7.1998; http:// www.bmwi.de/reden/1998/0107redl.html, Stand 25.7.1998. 18 Typisch hierfür sind die Äußerungen des Behördenpräsidenten Scheurle. Im politischen Kontext betont er stets die Unabhängigkeit seiner Behörde, vgl. in „Der Weg für Telefon-Wettbewerb ist frei", FAZ v. 30.12.1997, Nr. 302, S. 11 (13) zur Unabhängigkeit seiner Behörde von der Politik und in „Bedenken gegen Telekom-Ablösegebühren", FAZ v. 10.1.1998, Nr. 8, S. 13, zur Unabhängigkeit seiner Behörde von der Europäischen Kommission. Im juristischen Zusammenhang äußert er sich vorsichtiger; so heißt es bei Scheurle/Lehr/Mayen, Einführung, S. 17: „Zur Stärkung der Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde wurden statt [einer obersten Bundesbehörde oder einer unabhängigen Anstalt des öffentlichen Rechts] Beschlußkammern ... eingerichtet." Differenzierend auch Scheurle, Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post nimmt Arbeit auf, MMR 1998 (1), VII. Vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten 1996/1997, Tz. 30. Zur „Widersprüchlichkeit der gesetzlichen Regelung" auch Ladeur, K & R 1998, 479 (486). 19 Schwintowksi, CR 1997, 630 (636); ders., in: Ulrich Immenga/Natalie Lübben/Hans-Peter Schwintowski (Hrsg.), Telekommunikation: Vom Monopol zum Wettbewerb, Baden-Baden 1998, S. 11 (39); ebenso Moritz, CR 1998, 13 (20); jeweils unter Verweis auf die Diensterichtlinie (Richtlinie der Kommission über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikationsdienstleistungen v. 28.6.1990 (90/388/EWG), ABl. EG Nr. L 192 v. 24.7.1990, S. 10). Ähnlich Windthorst, Universaldienst, S. 441, nach dem die Doppelstellung des Bundes als Träger der Regulierung und Mehrheitseigentümer die ministerialfreie Organisation gestatten soll. In dieser Richtung auch Grämlich, CR 1998, 463 (465, Fn. 17). 20

Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 87f Rnr. 112; ; Möschel, MMR-Beilage 3/1999, S. 3(5). 21 Müller-Terpitz, ZG 1997, 257 (271 f), folgt Lerche im Ansatz, beschränkt die Weisungsfreiheit aber ' ' .tutionell auf die kollegial verfaßten Beschlußkammern in der Regulierungsbehörde und temporär auf die besondere Wettbewerbssituation. Ebenso befürwortet Kerkhoff, in: Beck'scher TKG-Kommentar, München 1997, § 73 Rnr. 32 die

Fragestellung

rungsbehörde für weisungsgebunden. Sie empfehlen dem Minister gleichwohl, die Weisungsbefugnis nur zurückhaltend auszuüben.22 Unter dem Titel „Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde" gehen demnach verschiedene Überlegungen des Schrifttums ineinander über: Die gewünschte Unabhängigkeit vom Unternehmen führt zur Unabhängigkeit vom Ministerium; Unabhängigkeit vom Ministerium versteht sich als Unabhängigkeit von Weisungen; verwaltungsrechtliche Abhängigkeit soll verwaltungspraktische Unabhängigkeit nicht ausschließen.23 Die vorliegende Arbeit will diesen Überlage-

Freiheit der Beschlußkammern von Einzelweisungen. In dieser Richtung auch Grämlich, CR 1998, 463 (466), anders aber aaO. (464). Der im Gesetzgebungsverfahren maßgeblich beteiligte Abgeordnete Börnsen, in: Witte (Hrsg.), S. 11 (13) berichtet: „Die Entscheidungen] der Beschlußkammern ... sind nicht weisungsgebunden." In diese Richtung auch der Referent im BMWi Wilhelm Eschweiler, Regulierung der Telekommunikation und erste Entscheidungspraxis der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post, K & R 1998, 530 (553). 22 Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, München 1997, § 66 Rnr. 20 scheint Einzelweisungen auch gegenüber den Beschlußkammern grundsätzlich für zulässig zu halten, möchte allerdings eine „die relative Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde wahrende, zurückhaltende Praxis des BMWi erwarten". Ähnlich gehen Ulmen/Gump, Die neue Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post, CR 1997, 396 (40lf) davon aus, daß die Behörde „grundsätzlich auch weisungsabhängig" ist, halten aber „faktisch gesehen - [nur] eine allgemeine Fachaufsicht für möglich". Windthorst, Universaldienst, S. 444 f, will erwarten, „daß sich der Bundeswirtschaftsminister mit Einzelweisungen zurückhalten wird" und rät, das Weisungsrecht de lege ferenda zu beschränken. Er hält aber in CR 1998, 340 (342) die Regulierungsbehörde für weisungsunterworfen. Auch Ebsen, DVB1. 1997, 1039 (1043), hält die Regulierungsbehörde für „voll in die Behördenhierarchie eingeordnet", meint aber daß „das gerichtsähnliche Verfahren [der Beschlußkammern] Einzelweisungen faktisch sehr unwahrscheinlich macht. 23 Vgl. etwa Grämlich, CR 1998, 463 (465): „doch ist die im Telekommunikationsssektor für ntowendig erachtete Unabhängigkeit ohnehin von einer anderen Art, sie betrifft nicht (primär) den Binnenraum staatlicher Verfaßtheit". Einen Klärungversuch unternimmt der Wissenschaftliche Arbeitskreis für Regulierungsfragen in seinen „Leitlinien für die Regulierungspolitik", abgedr ; n CR 1998, 577 unter Ziffer 7: „Bei ihrer Tätigkeit kommt der Regulierungsbehörde Unabhängigkeit zu, vor allem gegenüber regulierten marktbeherrschenden Unternehmen, aber auch gegenüber der Einflußnahme anderer Unternehmen und Institutionen, die sich jenseits der Regulierungsziele primär an Partikularinteressen orientieren. Diese unabhängige Stellung ergibt sich aus Vorgaben des internationalen WTO- und des europäischen Rechts, sie entspricht auch der Konzeption des Art. 87f GG. Unabhängigkeit bedeutet u.a., daß der Staat auf die strikte Trennung zwischen Eigentümerfunktion beim regulierten Unternehmen und Regulierungsfunktion auf den für den Wettbewerb zu öffnenden Sektor achtet. Es ist zu vermeiden, daß Interessenkonflikte zwischen diesen beiden Funktionen in der Weise durchschlagen, daß die Regulierungsbehörde zugunsten spezifischer Eigentümerinteressen etwa des Staates oder einer anderen Gruppe in Anspruch genommen wird. Das Trennungs- und Unabhängigkeitsgebot soll die nach allen Erfahrungen stets vorhandene Gefahr einer Einvernahme („capture") von Regulierungsbehörde und Regulierungspolitik durch mächtige staatliche oder private Akteure minimieren. Zu verwirklichen ist dieses Prinzip insbesondere durch die Verfassung der Regulierungsbehörde, durch die Qualität der Personalpolitik bei der Besetzung der Führungs- und Fachpositionen in der Regulie-

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Fragestellung

rungen nachforschen und die Unabhängigkeit der Behörde normativ absichern. Sie fragt, inwiefern das Organisationsrecht die Regulierungsbehörde unabhängig stellt. Im einem ersten Teil sollen dazu die begrifflichen und methodischen Grundlagen verdeutlicht werden. Er stellt die historische Entwicklung von der Deutschen Bundespost zur Regulierungsbehörde dar. Das Organisationsrecht trug dazu bei, innerhalb der Einheit der Deutschen Bundespost verschiedene Identitäten herauszubilden und gegen andere Funktionskreise abzugrenzen, also Unabhängigkeit zu gewinnen. So läßt sich die Abgrenzung der Regulierungsbehörde vom Unternehmen des Bundes und seiner Verwaltung unter dem Aspekt funktioneller Unabhängigkeit erfassen. Unter dem Aspekt politischer Unabhängigkeit läßt sich ihr Verhältnis zu Minister, Regierung und Parlament thematisieren. Zunächst wird sich die Arbeit im zweiten Teil dem Aspekt der funktionellen Unabhängigkeit zuwenden. Hier steht in Frage, inwieweit die Regulierungsbehörde nach Verfassung und Europarecht von den übrigen Aktivitäten des Bundes in der Telekommunikation abzuschirmen ist und welchen Beitrag ihr Organisationsrecht dazu leistet.24 Ein dritter Teil wird sich der politischen Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde widmen. Dazu ist das unter Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG gewollte und zulässige Maß der Verselbständigung einer bundeseigenen Verwaltungseinheit gegenüber dem Bund auszuloten. Hinsichtlich der Weisungsfreiheit spitzt sich die Frage auf ein angebliches Verbot des ministerialfreien Raumes zu, weitet sich aber über die speziellen Aussagen des Art. 87f GG hinweg zu einer allgemeinen verfassungsrechtlichen Beobachtung der Weisungsbindung aus. Sie ergibt den Rahmen, innerhalb dessen die einzelnen Organe der Regulierungsbehörde politische Unabhängigkeit erlangen können. Über die politische Unabhängigkeit gegenüber dem Bund hinaus richtet der vierte Teil den Blick auf die Einwirkungsmöglichkeiten der Länder. Ein fünfter Teil behandelt die gemeinschaftsrechtliche Integration der Regulierungsbehörde, bevor die Arbeit mit einem Resümee schließt.

rungsbehörde, durch qualifizierte Beratung sowie durch abschirmende Führung seitens des zuständigen Ressortministeriums gegenüber politischem Druck von dritter Seite." Ganz ähnlich Eberhard Witte, in: Jung/Warnecke (Hrsg.), S. 6-44. 24 Ausgeklammert bleiben hier und im folgenden die unter dem GATS getroffenen Vereinbarungen, die inhaltlich nicht über das Europarecht hinausführen. Dazu Dietrich Barth, Die Liberalisierung der Telekommunikationsdienstleistungen in der Welthandelsorganisation, Arch PT 1997, 112.

Fragestellung

Der vorblätternde Leser wird feststellen, daß dieses Resümee zu einer differenzierenden Antwort auf die Ausgangsfrage gelangt; der eilige Leser mag dies den abschließenden Thesen entnehmen/ '

25

Unten S. 496.

3 Oertel

Erster T e i l

Unabhängigkeit als organisationshistorische Konstante Die organisationshistorische Betrachtung untersucht, welche Parameter den Organisationswandel von der Deutschen Bundespost zur Regulierungsbehörde hin erfassen. In der Telekommunikation zeigt sich exemplarisch und typisch eine Entwicklung von der nationalen Leistungsverwaltung im Staat der Daseinsvorsorge zur Regulierung in der globalen Informationsgesellschaft. 1 Die technischen, politischen und verfassungsrechtlichen Paradigmenwechsel, die dieser Entwicklung zugrundeliegen, sind andernorts bereits beschrieben worden.2 Die hiesige Betrachtung kann sich daher auf das Organisationsrecht konzentrieren. Sie nimmt ihren Ausgang von einer Darstellung des Postverwaltungsgesetzes (Erster Abschnitt). Es bildete von 1953 bis 1989 das Organisationsstatut der Deutschen Bundespost, die sich als eine Leistungsverwaltung verstand. Erst im Zuge der Postreform I gelang es mit dem Poststrukturgesetz, die verschiedenen Verwaltungsagenden im Fernmeldewesen organisatorisch voneinander abzulösen und so ordnungspolitischen Gestaltungsspielraum zu gewinnen (Zweiter Abschnitt). Mit der Neufassung des Art. 87f GG im Rahmen der Postreform II legte sich die Ordnungspolitik 1994 auf ein Programm formeller und materieller Privatisierung fest (Dritter Abschnitt). In der Folge wandelte sich das bisherige Sondervermögen des Bundes in Aktiengesellschaften um. Das verbliebene Sprach- und Netzmonopol der Deutschen Telekom AG hob aber erst das TKG 1996 auf (Vierter Abschnitt). Der Gesetzesvollzug fiel

1 Zur Internationalisierung vgl. tur die Bundespost Monopolkommission, Sondergutachten 9, Tz. 51, die keine nennenswerte Auslandstätigkeit verzeichret, und Gerpott, Wettbewerbsstrategien, S. 199-208, der die Deutsche Telekom AG als „global player" betrachtet. Zur Daseinsvorsorge vgl. Monopolkommission, Sondergutachten 9, Tz. 12 u. 49, mit Monopolkommission Sondergutachten 20, Tz. 114-120 u. 134-136. Zur Informationsgesesellschaft vgl. Friedrich Schoch, Hans-Heinrich Trute, Öffentlich-rechtliche Rahmenbedingungen einer Informationsordnung, VVDStRL 57 (1998), S. 158 u. S. 216. 2 Vgl. Martin Eifert, Telekommunikationsleistungen im Gewährleistungsstaat, Diss. Hamburg 1998; Raymund Werle, Telekommunikation in der Bundesrepublik, Frankfurt 1990 ftir die Zeit bis 1989, für die Folgezeit Markus Voeth, Entmonopolisierung von Märkten - Das Beispiel Telekommunikation, Baden-Baden 1996. Abrisse auch bei Grämlich, VerwArch 88 (1997), 598; Mayer, Bundespost, S. 37-56; Matthias Sprießler, Das Fernmeldemonopol und seine rechtshistorische Entwicklung in Deutschland, Archiv PF 1991, 159; Ruprecht Niepold und Jörg Wenzel, in: Jung/Warnecke (Hrsg.), S. 619 ff.

. Abschnitt: Das P o s t G 19

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zunächst dem Postministerium zu, das bis 1998 die Funktionen der Regulierungsbehörde wahrnahm. Die regulatorischen Aufgaben haben sich also schrittweise aus der ursprünglich umfassenden Zuständigkeit der Deutschen Bundespost und der unmittelbaren ministeriellen Kontrolle herausgelöst. In der Ablösung von den Unternehmen der Deutschen Bundespost erlangte die Organisation der Regulierung funktionelle Unabhängigkeit. Über die Einbettung in das Ministerium ließ sich ihre politische Abhängigkeit bestimmen. In ihren beiden Aspekten stellt die Unabhängigkeit daher ein bleibendes Element organisationsrechtlicher Steuerung in der Neugestaltung des Fernmeldewesens dar (Fünfter Abschnitt).

Erster

Abschnitt

Das PostVwG 1953: Daseinsvorsorge in der Leistungsverwaltung Die Deutsche Bundespost war die Organisation, in der der bundesdeutsche Staat seinen Bürgern alltäglich gegenübertrat. 3 Ihre staatsrechtliche Aufgabe läßt sich am ehesten mit dem Begriff der Daseinsvorsorge umschreiben (A). Unter diesem Begriff blieb der Status der Deutschen Bundespost zwischen wirtschaftlicher Anstalt und behördlicher Verwaltung letztlich ungeklärt (B). Die Spannungslage zwischen gemeinwirtschaftlichem Auftrag und erwerbswirtschaftlichen Motiven versuchte das Postverwaltungsgesetz (PostVwG) 4 über die Einrichtung eines kondominialen Verwaltungsrates aufzulösen, ohne die postministerielle Verantwortlichkeit aufzugeben (B.I). Dieses Organisationsstatut konnte sich über 40 Jahre hinweg gegen alle Reformversuche behaupten (B.II). Nach ihm vereinte die Deutsche Bundespost als Leistungsverwaltung betriebliche, unternehmerische und hoheitliche Funktionen in sich, ohne von Rechts wegen über die politisch geringe Eigenständigkeit eines Sondervermögens hinauszugelangen (C).

A. Die Aufgabenstellung, Art. 87 Abs. 1 S. 1 G G a.F.

Das Grundgesetz erfaßte die Deutsche Bundespost nicht von ihrer Aufgabe, sondern von ihrer Organisation her: Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG a.F. bestimmte, daß die Deutsche Bundespost als bundeseigene Verwaltung mit eigenem Verwal-

3 Darauf weist Rottmann, Arch PT 1994, 193 (193), hin. Mit insgesamt 547 000 Beschäftigten, zwei Drittel davon Beamte, galt die Deutsche Bundespost 1985 auch als der größte zivile Arbeitgeber der Bundesrepublik (Herrmann, Bundespost, S. 142). 4 Gesetz über die Verwaltung der Deutschen Bundespost (Postverwaltungsgesetz PostVwG) v. 24.7.1953, BGBl. I, S. 676.

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1. Teil: Unabhängigkeit als organisationshistorische Konstante

tungsunterbau geführt werde. 5 M i t der „Bundespost" bezeichnete das Grundgesetz zunächst ein vorgefundenes Organisationsgebilde, die vormalige Reichspost. Ihre Zuständigkeiten wurden über den technisch umrissenen B e g r i f f des „Post- und Fernmeldewesens" konkretisiert. 6 Damit wies Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG a.F. in Fortsetzung des Art. 88 Abs. 1 W R V 1919 7 die Verwaltungskompetenz dem Bund zu. Über den föderalen Kompetenzgehalt hinaus entnahm die Lehre dem Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG a.F. weiterhin Aussagen zum Aufgabengehalt. 8 Demnach war die bundeseigene Verwaltung darauf verpflichtet, einen Kernbestand an Fernmeldediensten zu erbringen, aber auch gehindert, kaufmännisch, z.B. über die Grenzen des Bundes hinweg, tätig zu werden. 9 Ob die Deutsche Bundespost angesichts ihrer Versorgungspflichten ein verfassungsrechtliches Monopol genoß, blieb dabei offen. 1 0 Jedenfalls hielt das B V e r f G das einfachgesetzliche Fernmeldemonopol nicht für verfassungswidrig. 1 1 Aus der Perspektive des Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG a.F. stellte sich die Deutsche Bundespost also als historisch geprägter, technisch bestimmter, der Daseinsvorsorge verpflichteter Teil einer bundeseigenen Leistungsverwaltung dar. 1 2

5 Die Beifügung a.F. soll im folgenden verdeutlichen, daß auf den Wortlaut des Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG vor dessen Änderung durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 30.8.1994, BGBl. I, S. 2245, Bezug genommen wird. Die Änderung strich den Begriff „Bundespost" aus Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG. 6 Zur Abgrenzung des Fernmeldewesens vom Rundfunk BVerfG E 12, 205 (227-237) - Deutschland-Fernsehen -. Zur Begriffsbestimmung der Deutschen Bundespost auch Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Stand Dezember 1992, Art. 87 Rnr. 99. 7 Abgedruckt z.B. bei Broß, in: v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Band 3, München, 2. Aufl. 1983, Art. 87, vor. 1. 8 Vgl. zu den verschiedenen Normgehalten Schmidt-Aßmann/Fromm, S. 53 f. Eine Normgehaltslehre entwickelt daraus Jestaedt, in: Aulehner u.a. (Hrsg.), Föderalismus, S. 315 (326-328), und ders., KondominialVerwaltung, S. 444-448. 9 Zur Reichweite des Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG vgl. Rupert Scholz/Josef Aulehner, „Postreform Ι Γ und Verfassung - Zu Möglichkeiten und Grenzen einer materiellen oder formellen Privatisierung der Post -, Arch PT 1993, 221; Rupert Scholz/Josef Aulehner, Tochtergesellschaften und Unternehmensbeteiligungen der Deutschen Bundespost im Ausland, Arch PT 1993, 103, jeweils mwN. 10 Zu den Betriebs-, Versorgungs- und Tarifpflichten der Deutschen Bundespost vgl. Fehling, AöR 121 (1996), 59 (68 f). 11 BVerfG E 46, 120 (136) - Direktruf -. Dazu eine differenzierende Darstellung bei Steiner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb StR III, 2. Aufl., § 81 Rnr. 38. Kurze Zusammenfassung der Diskussion durch Möschel, in: Regierungskommiss ;on Fernmeldewesen, S. 32f. 12 Ausgehend von seiner Schrift zur Verwaltung als Leistungsträger, Stuttgart 1938, stellt Forsthoff, Lehrbuch, S. 368 ff, Leistungs- und Eingriffsverwaltung einander gegenüber Dazu auch Langer, S. 123 f mwN. Zur Begriffsphilosophie der Daseinsvorsorge Ernst Rudolf Huber, Vorsorge für das Dasein. Ein Grundbegriff der Staatslehre Hegels und Lorenz v. Steins, in: Roman Schnur (Hrsg.) FS-Forsthoff, München 1972, S. 139. Begriffskritisch Windthorst, Universaldienst, S. 237 ff, und Scherer, Telekommunikationsrecht, S. 160, der am Beispiel der „Daseinsfürsorge" beobachtet, wie sich Wirt-

. Abschnitt: Das P o s t G 19

37

B. Die Organisation der Deutschen Bundespost Unter diesen Prämissen bestimmte das PostVwG die Deutsche Bundespost zur Bundesverwaltung mit dem Status eines Sondervermögens. 13 Darin Schloß das PostVwG an das Reichspostfinanzgesetz von 1924 an, das vor allem den Reichshaushalt gegen drohende Belastungen aus der Reichspost

isolieren

w o l l t e . 1 4 Auch nach dem PostVwG konnte der Bund im Wege der Ablieferungen von der Eigenwirtschaftlichkeit der Deutschen Bundespost profitieren, ohne für ihre Defizite eintreten zu müssen. 1 5 Über eine haushaltsrechtliche Verselbständigung ging das PostVwG aber ersichtlich nicht hinaus. 1 6 Deswegen war in der Literatur umstritten, ob die Bundespost schon als eine nichtrechtsfähige Anstalt des Bundes oder noch als ein nicht verselbständigter Teil der Bundesverwaltung gelten sollte. 1 7 Dieser - ungeklärte - Streit setzte sich in der Frage fort, ob die Deutsche Bundespost eher als Unternehmen oder als Ver-

schaftsrecht der öffentlichen Unternehmen und Gemeinwirtschaftslehre „wechselseitig als Legitimationswissenschaften" dienen. Ähnlich Eifert, S. 88 f; Windisch, in: ders. (Hrsg.), S. 1 (31 f)· Dabei bemühte sich aber gerade Forsthoff, Lehrbuch, S. 513 ff, den öffentlichen Unternehmen der Daseinsvorsorge organisationsrechtliche Kontur zu verleihen. Zur Bedeutung des Begriffs Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, S. 148 f. 13 Vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 u. § 3 PostVwG: Dazu Herrmann, Bundespost, S. 111; Kämmerer, DVB1. 1966, 396 (396). Gscheidle, Jahrb. DP 1980, 9 (23) bezeichnet dies als ,,kleinste[n] Schritt zur Verselbständigung eines Verwaltungskörpers". Vgl. zum Sondervermögen Bundesbahn Schmidt-Aßmann/Fromm, S. 106. 14 Vgl. § 1 Abs. 2 Reichspostfinanzgesetz v. 18.3.1924 (RGBl. I S. 287), abgedruckt bei Eidenmüller, Grundlagen, S. 119-124. Zu seiner Entstehung Mayer, Bundespost, S. 130-132. Das zwischenzeitlich geltende Gesetz zur Vereinfachung und Verbilligung der Verwaltung v. 27.2.1934 (RGBl. I S. 130), abgedruckt bei Eidenmüller, Grundlagen, S. 125-129, hatte demgegenüber auch die Fernmeldeverwaltung dem Führerprinzip unterworfen. 15

Vgl. § 15 und § 21 PostVwG. Die Auffassung, daß der Bund dennoch äußerstenfalls hätte einstehen müssen, vertritt Herrmann, Bundespost, S. 112 mwN. Aus § 15 ließ sich aber auch ableiten, daß die Deutsche Bundespost selbst möglichst kostendeckende Gebühren erheben konnte. Vgl. BVerfG E 28, 66 (85f) - Gebührenverordnung -; BVerfG NJW 1984, 1871 (1871); BVerwG E 28, 36 (48). 16 Vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 PostVwG. Da die Bundespost nach § 4 Abs. 1 PostVwG unter eigenem Namen klagen und verklagt werden konnte, spricht Grämlich, VerwArch 88 (1997), 598 (607) von „Quasi-Rechtsfahigkeit". Dienstherrin ihrer Beamten war nicht die Post, sondern die Bundesrepublik Deutschland selbst. Vgl. § 23 Abs. 1 PostVwG; Kämmerer, DVB1. 1966, 357 (361). 17 Forsthoff Lehrbuch, S. 496 betrachtete die Bundespost wie die Bundesbahn als Anstalt, während Wolff in: Wolff/Bachof II, § 98 I b) 4., S. 368, im Anschluß an Kämmerer, DVB1. 1966, 357, von einem anstaltsähnlichen Zweig der unmittelbaren Bundesverwaltung spricht. Darstellung mwN. bei Eidenmüller, Grundlagen, S. 101-115; Herrmann, Bundespost, S. 115f; Martin Wienke, Die Anwendbarkeit des Deutschen Wettbewerbs- und Kartellrechts und der Einfluß des Europäischen Rechts auf das Verhalten der Deutschen Bundespost im Fernmeldebereich, Diss. Bochum 1989, S. 16-30.

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1. Teil: Unabhängigkeit als organisationshistorische Konstante

waltung zu charakterisieren sei. 18 Indem namentlich die Juristen der Post die Zugehörigkeit zur Bundesverwaltung betonten, erschwerten sie die Rezeption einer Theorie des öffentlichen Unternehmens ebenso wie die Umsetzung einer positiven Theorie der Regulierung. 19 Beide Theorien hätten dazu beitragen können, Zielsetzungen und Zielkonflikte staatlicher Einwirkung auf bzw. staatlicher Tätigkeit in der Wirtschaft deutlicher zu formulieren. Derartige Zielkonflikte deuteten sich schon in den Leitungsgrundsätzen des § 2 PostVwG an. Mit den Grundsätzen der Politik der Bundesrepublik Deutschland, den Interessen der deutschen Volkswirtschaft, der Entwicklung der verschiedenen Nachrichtenzweige innerhalb der Deutschen Bundespost und den Anforderungen des Verkehrs benannte diese Vorschrift Leitpunkte, die einer wechselseitigen Abwägung bedurften. 20

/. Der Postminister und der Postverwaltungsrat Das PostVwG unternahm es, eventuelle Zielkonflikte nicht materiellrechtlich, sondern organisationsrechtlich aufzulösen. 21 Nach § 1 Abs. 1 S. 2 PostVwG wurde die Deutsche Bundespost von dem Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen unter Mitwirkung eines Verwaltungsrates geleitet. Im Amt des Ministers vereinigte sich die Position des Unternehmenschefs mit der des Regierungsmitglieds. Aus dieser Doppelstellung heraus ließ sich keine

18 Dazu Eidenmüller, Grundlagen, S. 73 u. 115; Herrmann, Bundespost, S. 237, Gscheidle, Jahrb. DP 1980, 9 (24 u. 30); Dittmann, S. 179 jeweils mwN. 19 Vgl. Scherer, Telekommunikationsrecht, S. 156; Hesse/Klisch, Unternehmensvision, Unternehmensphilosophie, Unternehmensethik, Unternehmenskultur - Eine theoretische Analyse zum Selbstverständnis und dem Verhalten von privaten und öffentlichen Unternehmen, Archiv PF 1991, 40-47. Zur positiven Theorie der Regulierung G. Stigler, The Theory of Economic Regulation, (1971) 2 Bell Journal of Economics and Management Science S. 3-21; S. Peltzmann, Towards a More General Theory of Regulation, (1976) 19 Journal of Law and Economics, S. 211-240; R.A. Posner , Theories of economic regulation, (1974) 5 Bell Journal of Economics and Management Science, S. 335358. 20 Evtl. Widersprüche verstand als „schöpferisches Prinzip" Bundespostminister Gscheidle, Jahrb. DP 1980, 9 (24). Die Rechtsprechung engte den Abwägungsspielraum kaum ein. BVerfG NJW 1984, 1871 (1872) erklärte den internen Kostenausgleich zwischen Post und Fernmeldewesen ausdrücklich für zulässig. Bei der Erfüllung des Zulassungsanspruches räumte BVerwG E 36, 352 (356) der Bundespost weites Planungsermessen ein. Zur Gebührenbemessung auch Ferdinand Kirchhof, Gebührenflexibiltät der Deutschen Bundespost, Baden-Baden 1988. Daß sich der Aufgabengehalt des Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG a.F. unterhalb des Verfassungsrechts „tendenziell in einer materiell kaum strukturierten Einschätzungsprärogative verlor," beobachtet Eifert, S. 137. 21 Vgl. auch Eifert, S. 105 ff.

. Abschnitt: Das P o s t G 19

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der beiden Funktionen ohne Rücksicht auf die jeweils andere durchhalten: 2 2 In seiner ministeriellen Ressortleitung bedurfte der Postminister z.B. für den Erlaß von

Benutzungsverordnungen

des

Einvernehmens

mit

dem

Bundeswirt-

schaftsminister; 23 die Präsidenten der Oberpostdirektionen konnte er nur im Benehmen mit den betroffenen Landesregierungen bestimmen. 2 4 Als Unternehmenschef hatte der Postminister nicht nur mit dem dank des hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrades sehr einflußreichen Personalrat zusammenzuarbeiten. 2 5 V o r allem unterlagen seine Entscheidungen, soweit sie grundsätzliche Bedeutung hatten, der Beschlußfassung des Verwaltungsrates. 2 6 Der Verwaltungsrat seinerseits war kondominial besetzt. Er bestand aus Vertretern des Unternehmenspersonals, der Gesamtwirtschaft, des Bundestages und des Bundesrates sowie Sachverständigen. 27 Die insgesamt 24 Mitglieder entschieden auftrags- und weisungsfrei. 2 8 Beschlüsse des Verwaltungsrates, die der Minister für nicht verantwortbar hielt, konnte er der Bundesregierung zur Entscheidung vorlegen. 2 9 Dank deren Letztentscheidungsrechtes verletzte die

22 Vgl. Herrmann, Bundespost, S. 131; Gscheidle, Jahrb. DP 1980, 9 (27). Zur Sonderstellung des Bundesverkehrsministers in und gegenüber der Bundesbahn SchmidtAßmann/Fromm, S. 111. Allgemein zur Stellung des Ressortchefs Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 144 ff. 23 Vgl. § 14 PostVwG. Die Auseinandersetzung zwischen Bundespostministerium und Bundeswirtschaftsministerium um das Angebot von Telefax-Endgeräten, die letztlich mit einer freiwilligen Marktanteilsbeschränkung der Deutschen Bundespost endete, schildert Scherer, Telekommunikationsrecht, S. 408-414. Zu weiteren Einwirkungsrechten anderer Ministerien Herrmann, Bundespost, S. 131. Ob die ressortielle „Eigenständigkeit der Kommunikationspolitik" (Gscheidle, Jahrb. DP 1980, 9 (22)), dem Unternehmen zum Vorteil gereichte, wie Eidenmüller, Grundlagen, S. 74, annimmt, oder die Ministerstellung schwächte, wie es Herrmann, Bundespost, S. 124 und Mayer, Bundespost, S. 124 f, darlegen, ist eine offene Frage. 24 Vgl. § 29 Abs. 1 PostVwG. 25 Vgl. § 25 PostVwG iVm. §§ 75-78 Bundespersonalvertretungsgesetz. Bundespostminister Gscheidle stammte selbst aus der Deutschen Postgewerkschaft. Dazu pointiert bis polemisch Herrmann, S. 137-139. 26 § 12 Abs. 1 PostVwG wies dem Verwaltungsrat die Beschlußfassung zu über die Feststellung des Voranschlages, die Genehmigung über- und außerplanmäßiger Ausgaben, die Genehmigung des Jahresabschlusses und der Gewinnverwendung bzw. Verlustdeckung, die Benutzungsbedingungen, einschließlich der Gebühren, die Übernahme, Änderung oder Aufgabe von Dienstzweigen und die grundlegenden technischen Entscheidungen. Darüber hinaus hatte er zur Verwendung bzw. Aufnahme finanzieller Mittel Stellung zu nehmen( § 12 Abs. 3 PostVwG). 27

Vgl. §§ 6, 7 PostVwG. Die Beteiligung der Länder rechtfertigte Dittmann, S. 181 f, unter Verweis auf BVerfG E 28, 66 (76-78) - Gebührenverordnung -. 28 § 5 Abs. 3 S. 1 PostVwG. 29 Vgl. § 13 PostVwG. Nach Roßnagel/Wedde, DVB1. 1988, 562 (564 Fn. 24) wurde dieses Verfahren nur in einem Fall beschritten und zwar wegen einer 1964 zu beschließenden Gebührenerhöhung.

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1. Teil: Unabhängigkeit als organisationshistorische Konstante

Beteiligung des Verwaltungsrates nach Ansicht des BVerfG das Prinzip der parlamentarischen Ministerverantwortlichkeit nicht. 30 Der Verwaltungsrat sollte nach seiner Zusammensetzung die verschiedenen betroffenen Interessengruppen - mit Ausnahme der Postkunden - zusammenführen. 31 Das Ministeramt ließ sich sowohl dazu nutzen, die Interessen des Unternehmens in der Regierung zu vertreten als auch im Gegenzuge das Unternehmen auf eine allgemeinpolitische Linie zu verpflichten. 32 Das PostVwG unternahm es also, etwaige Gegensätze innerhalb der einzelnen Organe aufzulösen. Es versagte sich damit der latenten Forderung, betriebliche und hoheitliche Aufgaben zu trennen. 33 Die Endgerätezulassung z.B. übertrug die Deutsche Bundespost erst 1982 einem gesonderten Amt, obwohl sie selbst solche Geräte vertrieb. 34 Der organinterne Interessenausgleich erwies sich in der Praxis nur als begrenzt leistungsfähig. 35 In den Verwaltungsrat wurden als Sachverständige vorwiegend Vertreter von Banken bzw. der Fernmeldeindustrie berufen, so daß sich die gesetzlich vorgesehene Quotierung zugunsten der Gesamtwirtschaft verschob. 36 Entscheidungen des Verwaltungsrates nahm das Unternehmen inhaltlich vorweg, indem es sie in informalen Arbeitskreisen mit Vertretern der

30 BVerfG E 28, 66 (78) - Gebührenverordnung -. Ebenso BVerwG E 28, 36 (44). Umfassend Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 454-465. Kritisch Herrmann, Bundespost, S. 129. 31 Als Mangel betrachtete dies z.B. Gscheidle, Jahrb. DP 1980, 9 (26). Ob Nutzer zukünftiger Dienstleistungen sich organisieren lassen, bezweifelt Scherer, Telekommunikationsrecht, S. 154. 32 Daher kam es nach Eidenmüller, Grundlagen, S. 73, entscheidend auf die Person des Ministers an. 33 Die in § 1 Abs. 1 u. 2 PostVwG angesprochene Unterscheidung von Leitung einerseits und Wahrnehmung öffentlicher Rechte und Pflichten andererseits baute das Organisationsrecht nicht aus. Kritisch daher Mayer, Bundespost, S. 131 f, ähnlich Monopolkommission, Sondergutachten 9, Tz. 23 u. 217; Herrmann, Bundespost, S. 120f; Scherer, Telekommunikationsrecht, S. 417 Fn. 95 zitiert weiterhin einen dahingehenden Beschluß der Wirtschaftsministerkonferenz v. 19.3.1980. Abwehrend aber Bundespostminister Gscheidle, Jahrb. DP 1980, 9 (21, 22). 34 Die Kritik an der Zulassungspraxis der Deutschen Bundespost verstummte aber nicht, vgl. Schatzschneider, Privatisierung, S. 25 f. Zum Zentralamt für Zulassungen Martin Wienke, Die Anwendbarkeit des Deutschen Wettbewerbs- und Kartellrechts und der Einfluß des Europäischen Rechts auf das Verhalten der Deutschen Bundespost im Fernmeldebereich, Diss. Bochum 1989, S. 162-164. 35 Zusammenfassend Scherer, Telekommunikationsrecht, S. 744, aber auch S. 169 („verfahrensrechtlich defizitär"), S. 172 („Vollzugsdefizit"). Ähnlich Eifert, S. 111 ff („Vorprogrammierte Defizite der Praxis"). In diese Richtung ebenfalls Herrmann, Bundespost, S. 113, 220 f. 36 Vgl. Herrmann, Bundespost, S. 128.

. Abschnitt: Das P o s t G 19

41

Industrie abstimmte.37 Außerdem war es imstande, über Betriebsversuche technische Sachzwänge zu schaffen, denen sich der Verwaltungsrat nicht (mehr) entziehen konnte. 38 Die Auseinandersetzung zwischen Unternehmensführung und politischer Einflußnahme verlagerte sich insoweit aus dem gesetzlichen Rahmen heraus.

IL Die Versuche einer Organisationsreform Daß die bestehende Organisationsverfassung auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Deutschen Bundespost nicht garantierte, trat schon 1964 zutage. 39 Die Regierung legte daher 1970 den Entwurf eines neuen Organisationsstatuts vor. 40 Es sollte das Unternehmen in eine nicht rechtsfähige Anstalt überführen. Die ministerielle Kompetenz sollte auf eine beschränkte Fach- und Rechtsaufsicht zurückgeführt werden. 41 Die Unternehmensleitung wäre einem Vorstand und einem dem Verwaltungsrat nachgebildeten Aufsichtsrat überantwortet worden. Der Entwurf scheiterte letztlich am Widerstand der Deutschen Postgewerkschaft. 42 Sie hielt die vorgesehene Mitbestimmungsregelung nicht für ausreichend. So galt das PostVwG, wenn auch kaum aus eigener Kraft, fort. 43 Gleichfalls blieben auch untergesetzliche Versuche, die Fernmeldeverwaltung politisch enger in den Griff zu nehmen, in Ansätzen stecken:

37 Zusammenfassend Scherer, Telekommunikationsrecht, S. 746, detailliert S. 475485; S. 368-392. Ähnlich Herrmann, Bundespost, S. 130. 38 Zusammenfassend Scherer, Telekommunikationsrecht, S. 745, detailliert S. 462474. 39 Überblick über das Reformvorhaben bei Herrmann, Bundespost, S. 112-113 und Mayer, Bundespost, S. 134-138. Ausführlich Kühn, Jahrb. PW 1971, 9. Nach Eidenmüller, Grundlagen, S.67f sank die Eigenkapitalquote von 73 % (1949) auf 13,8 % (1963), weil der Bund Kapitalaufstockungen oder Gebührenerhöhungen unterließ, aber auf Ablieferungen bestand. Ähnliche Zahlen bei Herrmann, Bundespost, S. 142 für 1964. Zum Nachfragestau vgl. Mayer, Bundespost, S.135. 40

„Entwurf eines Gesetzes über die Unternehmensverfassung der Deutschen Bundespost", BT-Drs. VI/1385; abgedruckt bei Kühn, Jahrb. PW 1971, 9 (71-86). Dazu Eidenmüller, Grundlagen, S. 70f; Eifert, S. 115 f. 41 Vgl. Kühn, Jahrb. PW 1971, 9 (35) zu §§ 19, 3 u. 25 des Entwurfes. 42 Vgl. Eidenmüller, Grundlagen, S. 71; Herrmann, Bundespost, S. 113 Fn. 59; Mayer, Bundespost, S. 16 u. 137. Zu verfassungsrechtlichen Bedenken vgl. Joachim Voges, Zur Verfassungsmäßigkeit der „Spitzenorganisation" nach dem Regierungsentwurf des Gesetzes über die Unternehmensverfassung der DBP, DVB1. 1975, S. 972 (974f). 43 Weiteren Reformwillen bekundete Hans-Georg Kretschmann, Die organisatorische Neuordnung der Deutschen Bundespost, Jahrb. PW 1971, S. 132-185. Bundespostminister Gscheidle hielt an den Zielen des Entwurfes, den er als Staatssekretär begleitet hatte, ausdrücklich fest, vgl. Gscheidle, Jahrb. DP 1980, 9 (26).

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1. Teil: Unabhängigkeit als organisationshistorische Konstante

Verwaltungsintern galt die Zuständigkeitsordnung der Deutschen Reichspost von 1928 bis 1976 fort. 4 4 So blieben die hierarchische Gliederung, die Einheit von Post- und Fernmeldewesen 4 5 und die gemeinsame Zuständigkeit für betriebliche und hoheitliche Aufgaben 4 6 über Jahrzehnte hinweg erhalten. 4 7 Die Aufgaben, die die Bundesregierung 1973 einer Kommission für den technischen Ausbau des Kommunikationssystems ( K t K ) übertragen hatte, fielen alsbald wieder an die Stabstellen des Ministeriums zurück. 4 8 Ein Versuch des Bundestages von 1981, über die Enquetekommission „Neue Informationsund Kommunikationstechniken", Einfluß auf die Entscheidungen i m Fernmeldewesen zu gewinnen, scheiterte letztlich. 4 9 Das von Scherer 1985 vorgelegte Konzept, Planungsprozesse rechtlich stärker zu strukturieren und dadurch in die Verantwortlichkeit der (Länder-) Par44 Vgl. Nr. 136/1928 Zuständigkeitsordnung, Amtsblatt des Reichspostministers v. 19.3.1928, Nr. 28, S. 115. Die Verordnung über die Vertretung der Deutschen Bundespost v. 1.8.1953 (BGBl. I, S. 715) nach § 4 Abs. 2 PostVwG ist abgedruckt bei Eidenmüller, Grundlagen, S. 239-246 (mit Kommentierung) und bei Ohnheiser, Ferdinand, Postrecht, C.F. Müller, Heidelberg, 3. Aufl. 1980, S. 379-384. Zuständigkeitsordnung v. 30.4.1976, Vfg. 702-1 1204-0, in Kraft getreten zum 1.5.1976. Dazu den Entwurf auf dem Stand vom Mai 1972, abgedruckt und ausführlich erläutert bei Siegfried Kutz/Richard Tietz, Die Zuständigkeitsordnung der Deutschen Bundespost - System und Anwendung, Jahrb. PW 1972, 25. Die beiden Zuständigkeitsordnungen unterschieden sich weniger inhaltlich als in ihrer Regelungsmethodik. 45

Zu den betrieblichen Unterschieden Herrmann, Bundespost, S. 141-143. Überblick bei Eidenmüller, Grundlagen, S.75-79; Regierungskommission Fernmeldewesen., S. 14-18; Dittmann, S. 175-177. Das Ministerium beschäftigte 1985 etwa 1.200 Mitarbeiter in den Abteilungen Post- und Postbankwesen, Fernmeldewesen (Netze), Fernmeldewesen (Dienste), Personalwesen, Finanzwesen, Bau- und Liegenschaftswesen, Presse, Öffentlichkeit und Markt sowie der Zentralabteilung. Diese Abteilungen fanden sich in den Querschnittsbehörden der Mittelstufe, den 18 (1985) Oberpostdirektionen wieder. Sie beschäftigten etwa 20.000 Mitarbeiter. Daneben verfolgten verschiedene Mittelbehörden spezifische Aufgabenstellungen, so die Fachhochschulen, das Sozialamt, die beiden fernmeldetechnischen und posttechnischen Zentralämter und eine Zentralstelle für Entwicklung. A u f unterer Ebene arbeiteten 330 Postämter, 100 Fernmeldeämter, 15 Fernmeldezeugämter, 13 Postgiroämter und 2 Postsparkassenämter mit zwischen 1.000 und 2.000 Beschäftigten (Angaben für 1985 nach Herrmann, Bundespost, S. 121 f). 47 Folgerichtig erklärt Eidenmüller, Grundlagen, S. 102-104 und passim, das PostVwG aus seiner historischen Kraft. Kritisch, aber ebenfalls das PostVwG als eine Übernahme des Vorgegebenen ansehend, Herrmann, Bundespost, S. 113 und 237. 48 Vgl. Scherer, Telekommunikationsrecht, S. 310-323; Eifert, S. 112. Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen (Hrsg.), Kommission für den Ausbau des technischen Kommunikationssystems, Telekommunikationsbericht mit acht Anlagebänden, Berlin 1976. 49 Vgl. Scherer, Telekommunikationsrecht, S. 328-334; dazu Wolfgang HoffmannRiem, Schwierigkeiten interner Politikberatung. Eine Bilanz wissenschaftlicher Politikberatung in der Enquête-Kommission „Neue Informations- und Kommunikationstechniken", KritV 1987,331. 46

. Abschnitt: Das P o s t G 19

43

lamente zu überfuhren, fand keinen Widerhall. 50 Die noch 1988 in die Diskussion eingeführte Skizze eines Planungsgesetzes blieb unbeachtet.51 Die Bundesregierung hielt selbst in ihrem die Postreform I einleitenden Auftrag an die Regierungskommission Fernmeldewesen vom 13.3.1984 ausdrücklich an den im PostVwG festgelegten Grundlinien fest. 52

C. Fazit Unter dem PostVwG verstand sich die Bundespost als Leistungsverwaltung, ein Begriff, der die Spannungen zwischen unternehmerischem Selbstverständnis und der Rechtsform bundeseigener Verwaltung aufnimmt, aber nicht löst. Eine Auflösung war nicht notwendig, solange aus dem Unternehmen heraus die Ordnungspolitik unter Berufung auf technische Sachrationalitäten bestimmt werden konnte. Das PostVwG traf zwar organisatorische Vorkehrungen, um eine ordnungspolitische Steuerung dieser Sachrationalitäten zu ermöglichen. So fungierte der Minister zugleich als Unternehmenschef und als politisch Verantwortlicher. Der Verwaltungsrat sollte die verschiedenen systemimmanenten Anforderungen formulieren. Damit wäre es organisationsrechtlich möglich gewesen, auf Kabinetts- oder Verwaltungsratsebene eine politische Abwägung der Interessen vorzunehmen. Organisationspraktisch blieb diese Möglichkeit weithin ungenutzt. Damit überließ das Organisationsrecht die Fernmeldeverwaltung in der Deutschen Bundespost sich weithin selbst. Das PostVwG hatte über den Status des Sondervermögens und den kondominialen Verwaltungsrat die politische Abhängigkeit der Deutschen Bundespost von der parlamentarischen Budgetierung und der ministeriellen Weisung gelockert. Im Amt des Ministers und in der Besetzung des Verwaltungsrates hielt es aber die in ihrer Verschiedenheit bereits erkannten politischen und unternehmerischen Verwaltungsfunktionen zusammen. Eine deutlichere funktionelle Trennung war entbehrlich, solange die technischen Notwendigkeiten immer wieder einheitsstiftend wirken konnte. Das Fernmeldewesen der Deutschen Bundespost begriff sich ungeachtet aller internen Spannungen als ein technisches Handlungssystem.53 Das technikbezogene Grundverständnis prägte sowohl die zu dieser Zeit 50 1985 erschien ebenfalls die die Doppelnatur der Bundespost verteidigende Darstellung von Eidenmüller, Grundlagen der Verwaltung und Leitung der Post, 1986 die anstaltsfreundliche Schrift von Herrmann, Die Deutsche Bundespost. 51 Vgl. Roßnagel/Wedde, DVB1. 1988, 562 (5701). 52 Vgl. Regierungskommission Fernmeldewesen, S. 9. 53 Vgl. Werle, S. 351-361; Eifert, S. 121 ff. Vgl. auch Steiner, in: Isensee/Kirchhof, Hb StR III, 2. Aufl., § 81 Rnr. 6; ; Eberhard Witte in: Jung/Warnecke (Hrsg.), S. 6-36. So ist der zentrale Rechtsbegriffe des FAG der der „Anlage" gewesen. Vgl. nur BVerfG E 46, 120 (140-144) - Direktruf -; BMPT, Regulierungen zum Telefondienstmonopol des Bundes vom 13.7.1992, auszugsweise abgedruckt bei Heringer (Hrsg.), Rechtsvor-

44

1. Teil: Unabhängigkeit als organisationshistorische Konstante

vorherrschende wirtschaftswissenschaftliche

Theorie des natürlichen M o n o -

p o l s 5 4 als auch die staatswissenschaftliche Idee der Daseinsvorsorge. 55 Das Fernmeldewesen stellt sich in diesem Zusammenhang als technisch notwendige, wirtschaftlich sinnvoll nur von einem Anbieter zu erbringende, den Staat zusammenhaltende Infrastruktur dar. 5 6 Die Ordnungspolitik rückt in die Rolle eines Nutznießers des technischen Systems, das sich weitgehend selbst steuert und deswegen auch einer - organisationsrechtlich vermittelten - Fremdsteuerung entbehren kann. 5 7 M i t den Worten Mestmäckers

- : 5 8 „Je anspruchsvoller

die Technik ist, desto mehr tendiert sie zur Selbstrechtfertigung bei denen, die sie entwickeln oder anwenden, und j e enger sich die Technik mit Großorganisationen verbindet, desto ausgeprägter ist die Tendenz, die Interessen der Organisation als technisch begründet erscheinen zu lassen." Die technische Rechtfertigung der Deutschen Bundespost verlor an Selbstverständlichkeit, j e mehr internationale und europäische Erfahrungen die wirtschaftstheoretische Vorstellung des natürlichen Monopols in Zweifel zogen. 5 9 Schriften, Kapitel 04.92.02. Erst das TKG stellt den „Markt" in den Mittelpunkt. Vgl. §§ 17 ff, §§ 24 ff, §§ 33 ff TKG. Dies führt iVm. § 82 S. 2 TKG zum Bedarfsmarktkonzept des GWB und somit von einer technikzentrierten zu einer nachfragebestimmten Definition. Zum Bedarfsmarktkonzept Wemhard Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Köln u.a. 1983, Rjir. 94ff u. 505 ff.; ders., in Immenga/Mestmäcker, GWB, § 22 Rnr. 34ff. Ebenso Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Wettbewerbsregeln auf Zugangsvereinbarungen im Telekommunikationsbereich - Rahmen, relevante Märkte und Grundsätze (98/C 265/02), ABl. EG Nr. C 256 v. 22.8.1998, S. 2, Ziff. 39. 54 Dazu Windisch, in: ders. (Hrsg.), S. 1 (41 ff); Klodt/Laaser/Lorz/Maurer, Wettbewerb, S. 35 f; Hermes, S. 316 ff. 55 Vgl. zur Bedeutung der Technik im Leistungsstaat Forsthoff, Lehrbuch, S. 74-79; Mestmäcker, in: ders. (Hrsg.), Kommunikation II, S. 13 (18f); Eifert, S. 88. 56 Zur „Kommunikationsinfrastruktur", Hermes, S. 235 ff; zur Infrastruktur als Voraussetzung von staatlicher Einheitsbildung ders., S. 324 ff. 57 Typisch dafür die Ablieferungspflicht, § 21 PostVwG. 58 Mestmäcker, in: ders. (Hrsg.), Kommunikation II, S. 13 (31). 59 Zu diesen Zweifeln vgl. Monopolkommission, Sondergutachten 9, Tz. 27 u. 230 zu Monopolkommission, Sondergutachten 20, Tz. 105; Ähnlich Klodt/Laaser/Lorz/Maurer, Wettbewerb, S. 168; im Rückblick auch Gerpott, Wettbewerbsstrategien, S. 17; Eberhard Witte in: Jung/Warnecke (Hrsg.), S. 6-37 u. 6-39. Angesichts des technologischen Fortschritts gab die These des natürlichen Monopols schließlich grundsätzlich auf der Fraktionsentwurf zum TKG, BT-Drs. 13/3609, S. 33. Noch nicht vollständig abzusehen ist, inwiefern sich das Ortsnetz weiterhin als natürliches Monopol darstellt. Vgl. hierzu Monopolkommission, Hauptgutachten 1996/1997, Tz. 19; Monopolkommission, Sondergutachten 20, Tz. 36 u. 107; Horn/Müller/Kn\Qps, Deregulierungsmaßnahmen, S. 43 mit Fn. 5; Klodt/Laaser/Lorz/Maurer, Wettbewerb, S. 50; Werner Neu/Jörn Kruse, Monopolpreiskontrolle in der Telekommunikation, in: Mestmäcker (Hrsg.), Kommunikation II, S. 567 (585); Sondhof/Theurer, Wettbewerb in den lokalen Fernmeldemärkten, WuW 1996, 177-187. Zu den technischen Entwicklungen unter den Stichworten „Glasfaser und Digitalisierung", „Intelligente Netze", „Datenkompression" und weiteren Vermittlungs- bzw. Anschlußtechniken Gerpott, Wettbewerbsstrategien, S. 18-42 und zu Satel-

2. Abschnitt: Das PostStrukturG 1989

45

Diese Zweifel wurden im Inland dadurch genährt, daß, nachdem in den alten Bundesländern die Infrastrukturleistungen weithin erbracht waren, 60 gerade beim Ausbau des Telefonnetzes in den neuen Bundesländern und bei der Breitbandverkabelung - die Leistungsgrenzen des Fernmeldemonopols deutlich wurden. 61 Damit eröffnete sich die Möglichkeit, die dominanten Paradigmen in der Telekommunikation neu zu definieren. Diese Aufgabe rief notwendig die Ordnungspolitik auf den Plan.

Zweiter Abschnitt

Das PostStrukturG 1989: Gewinnung ordnungspolitischen Gestaltungsspielraums Im Rückblick erscheint der Paradigmenwechsel vom natürlichen Monopol der Deutschen Bundespost zum wettbewerblichen Anbieter Deutsche Telekom AG als nahezu zwangsläufig. Den damaligen Zeitgenossen forderte er eine außerordentliche ordnungspolitische Anstrengung ab: In immer schnellerer Abfolge sollten sich die Postreformen aneinanderreihen. Den ersten Reformschritt unternahm die Postreform I 1989.62 Sie gab der Deutschen Bundespost mit dem Postverfassungsgesetz (PostVerfG) ein neues Organisationsstatut. 63 Daher wurde sie zu ihrer Zeit - als eine Postreform II noch nicht absehbar war - auch als „Poststrukturreform" bezeichnet.64 Diese Reform präzisierte die Aufgabenstellung der Deutschen Bundespost, der sie bis

litenkommunikation und Intelligenten Netzen Monopolkommission, Sondergutachten 20, Tz. 94-96 u. 97-99. 60 Vgl. Konzeption der Bundesregierung zur Neuordnung des Telekommunikationsmarktes - BR-Drs. 241/88 -, abgedr. in Jb. d. DBP 1991, S. 139 (162). 61 Vgl. Monopolkommission, Sondergutachten 20, Tz. 11 ff. 62 Vgl. die Auswahlbibliographie von Lutz Büchner, Die Neustrukturierung des Postund Fernmeldewesens der Deutschen Bundespost, Archiv PF 1990, 107 u. Archiv PF 1991,47. 63 Das Gesetz über die Unternehmensverfassung der Deutschen Bundespost (Postverfassungsgesetz - PostVerfG), verkündet als Art. 1 des Gesetzes zur Neustrukturierung des Post- und Fernmeldewesens und der Deutschen Bundespost (Poststrukturgesetz PostStruktG) v. 8.6.1989, BGBl. I, , S. 1026, ist u.a. abgedr. in Jb. d. DBP 1991, S. 1243. 64 Das Poststrukturgesetz - PostStruktG v. 8.6.1989, kommentiert von Fangmann/Scheurle/Schwemmle/Wehner, Handbuch, verband als Artikelgesetz das Postverfassungsgesetz mit weniger weitreichenden Änderungen des Fernmeldeanlagengesetzes (Art. 3 Poststrukturgesetz) und des Postgesetzes (Art. 2 Poststrukturgesetz) sowie einigen Folgeänderungen. Das geänderte FAG wird im folgenden als „FAG n.F." zitiert; die vorgesehene Neufassung (Art. 5 PoststrukturG) findet sich in BGBl. I v. 3.7.1989 S. 1455. Die bisherige Paragraphenzählung behielt die Neufassung bei.

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1. Teil: Unabhängigkeit als organisationshistorische Konstante

auf weiteres das Fernmeldemonopol vorbehielt (A). Sie gliederte die bisherige Einheit der Bundespost in drei Teilsondervermögen, die gleichwohl Teil der Bundesverwaltung blieben (B.I). Die betriebliche Führung der einzelnen Sondervermögen wurde unternehmerischen Organen anvertraut, während dem Minister und dem ihm beigeordneten Infrastrukturrat politische Kompetenzen zufielen (B.II). Über diese Binnendifferenzierung konnten sich die betrieblichen Aufgabenträger funktionell emanzipieren, wenngleich die Ordnungspolitik insgesamt auch ihnen gegenüber Gestaltungsspielraum gewann (C).

A. Die Ausdifferenzierung des Leistungsregimes Die Postreform I setzte sich zum Ziel, die Kräfte des Wettbewerbs freizusetzen und der Bundespost unternehmenspolitisches Handeln zu ermöglichen, ohne die einheitliche Infrastruktur der Telekommunikation zu gefährden. 65 Den Unternehmen der Deutschen Bundespost gab § 4 PostVerfG daher auf, die Nachfrage nach Leistungen der Post-, Postbank- und Fernmeldedienste zu decken, die Dienste zu entwickeln, Infrastrukturdienste unter Rücksicht auf das wirtschaftlich Mögliche zu sichern und sich in Wahrnehmung dieser Aufgaben am Wettbewerb zu beteiligen. 66 Im Fernmeldewesen trat an die Stelle des umfassenden Fernmeldemonopols nach dem bisherigen FAG ein dreistufiges System von (1) Monopolleistungen, (2) Pflichtleistungen, und (3) freien Leistungen.67 Den Monopolschutz genoß die Deutsche Bundespost beim Betrieb von Übertragungswegen und Funkanlagen (Netzmonopol) 68 sowie bei der Vermittlung von Sprache für andere (Telefondienstmonopol). 69 Pflichtleistungen sollte sie im Wettbewerb oder im Schutze des Monopols erbringen müssen, dies aber durch einen internen Finanzausgleichs oder dank einer Beschränkung des Wettbewerbs finanzieren können. 70 Als freie Leistungen betrachtete

65

Zusammenfassend Regierungskommission Fernmeldewesen, S. VII. § 4 Abs. 1 S. 1-5 PostVerfG. Dies bezeichneten Roß nage l/Wedde, DVB1. 1988, 562 (566) als „Quadratur des Kreises". Zustimmend Schatzschneider, NJW 1989, 2371 (2374); ähnlich Windthorst, Universaldienst, S. 389. Eingehend Eifert, S. 162 f. 67 Vgl. Konzeption der Bundesregierung zur Neuordnung des Telekommunikationsmarktes - BR-Drs. 241/88 -, abgedr. in Jb. d= DBP 1991, S. 139 (193f); Regierungskommission Fernmeldewesen, S. 88-104, mit einer Graphik auf S. 105; Scholz/Aulehner, Arch PT 1993, 221 (225); Windthorst, Universaldienst, S. 390 ff. 68 § 1 Abs. 2 FAG n.F. 69 § 1 Abs. 4 S. 2 FAG n.F. 70 Vgl. §37 Abs. 4 PostVerfG und § 1 a Abs. 2 FAG n.F. Zunächst veipflichtete § 65 Abs. 2 PostVerfG die Bundespost, die bisher angebotenen Leistungen weiterzuführen. 66

2. Abschnitt: Das PostStrukturG 1989

47

das Gesetz den Betrieb und die Errichtung von Endeinrichtungen 71 sowie Telekommunikationsdienstleistungen jenseits der Sprachtelefonie. 72 Hier sollte die Bundespost in den Wettbewerb mit anderen Anbietern treten. Ob und wie dieser Wettbewerbsbereich ausgedehnt wurde, stellte § 2 FAG n.F. in das Verleihungsermessen des Bundespostministers. 73 Wenngleich die Bundesregierung angekündigt hatte, das bislang bestehende Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten des Wettbewerbs umzukehren, 74 lizenzierte der Bundesminister neue Anbieter zunächst nur in wirtschaftlichen Randbereichen, 75 und zwar bei den Mehrwert- und Satellitendiensten, sowie schrittweise im Mobilfunkmarkt. 76

B. Die Reorganisation der Deutschen Bundespost Als Bedingung für die Möglichkeit von Wettbewerb galt allgemein, die Aufgaben der Politik von denen der Unternehmen zu trennen. 77 Der Bund als Schiedsrichter dürfe nicht in einer Person Mitspieler auf dem sich öffnenden Telekommunikationsmarkt sein. 78 Für den Teilmarkt der Endgeräte folgte schon aus Art. 6 Endgeräterichtlinie, daß nicht nur das bislang ausschließliche Vertriebsrecht der Deutschen Bundespost aufzuheben war, sondern auch die

71 § 1 Abs. 3 FAG n.F. iVm. § 25 FAG n.F., der zum 1.7.1990 das ausschließliche Recht der DBP aufhob. 72 Vgl. § 1 Abs. 4 S. 1 FAG n.F. iVm. § 1 a Abs. 1 S. 1 FAG n.F. 73 Allerdings hatte die Bundesregierung ihre Konzeption zur Neuordnung des Telekommunikationsmarktes mit dem Poststrukturgesetz verbunden und somit ihren politischen Handlungsspielraum begrenzt. Vgl. BR-Drs. 241/88, abgedr. in Jb. d. DBP 1991, S. 139-220. 74 Vgl. Bundesregierung, BR-Drs. 240/88, abgedr. in Jb. d. DBP 1991, S. 63 (130). 75 So Bundesregierung , BR-Drs. 240/88, abgedr. in Jb. d. DBP 1991, S. 63 (100). Darstellung bei Grämlich, VerwArch 88 (1997), 598 (620). 76 Das Mobilfunknetz der Deutschen Bundespost TELEKOM, D 1, wurde ursprünglich reguliert durch Verwaltungsvorschrift über Verhaltensregelungen beim Errichten und Betreiben des Dl-Netzes vom 6.7.1990, die später in die Lizenz vom 23.12.1992 in der Fassung vom 23.6.1994, ABl. BMPT 14/1994, S. 406, einging. Der zweite Betreiber D 2 wurde durch Vertrag vom 15.2.1990, Mitt. BMPT 2007/1991, ABl. BMPT v. 23.5.1991, S. 1680, neugefaßt als Lizenz am 11.3.1994, ABl. BMPT 14/1994, S. 415 zugelassen, der dritte Betreiber E 1 durch Lizenz vom 4.5.1993, ABl. BMPT 11/1993, S. 229. Die erste und bislang letzte Lizenz nach § 6 Abs. 2 a) TKG erhielt E 2, vgl. Lizenz vom 15.5.1997, ABl. BMPT 14/1997, S. 680. 77

Vgl. § 1 Abs. 1 PostVerfG; Bundesregierung, BR-Drs. 240/88, abgedr. in Jb. d. DBP 1991, S. 65; Regierungskommission Fernmeldewesen, S. 106 f; im Rückblick Windthorst, Universaldienst, S. 388. 78 Regierungskommission Fernmeldewesen, S. 71. Zustimmend z.B. Schatzschneider, Privatisierung, S. 22 mwN.

48

1. Teil: Unabhängigkeit als organisationshistorische Konstante

Kontrolle und Zulassung von Endgeräten unabhängig von den Unternehmen organisiert werden sollte. 7 9

/. Der Status der Unternehmen Nach dem PostVerfG nahm die hoheitlichen bzw. politischen Aufgaben der Bundesminister fiir Post und Telekommunikation wahr; der Deutschen Bundespost oblagen nunmehr betriebliche und unternehmerische Aufgaben. 8 0 Sie gliederte sich in Teilsondervermögen, die fortan als Deutsche Bundespost T E L E K O M , Deutsche Bundespost P O S T D I E N S T und Deutsche Bundespost POSTBANK

firmierten. 81

Dabei ließ das Reformwerk offen, inwiefern den

Unternehmen über das Haushaltsrecht hinaus eigene Rechte von Gesetzes wegen zustehen sollten. 8 2 Folglich konnte sich die ministerielle Telekommunikationspolitik weithin auf Verwaltungsvorschriften stützen. 8 3 Namentlich in der Konkretisierung der Monopolrechte erfüllten diese Vorschriften die Funktion von ansonsten außenrechtsförmlichen Genehmigungen. 8 4 A l s Instrument der 79

Vgl. Art. 2 u. Art. 6 Endgeräterichtlinie. Zu Art. 6 auch unten S. 113 ff. Vgl. § 1 Abs. 1 S. 3 PostVerfG. 81 § 1 Abs. 2 PostVerfG. Dazu Königshofen,, Jb. d. DBP 1991, 499 (519f); Scholz/ Aulehner, Arch PT 1993, 221 (256). Zur Selbständigkeit im Rechtsverkehr § 5 S. 1 u. 2 PostVerfG. Dabei waren die drei Teil sondervermögen einander aber durch die wechselseitige Einstandspflicht nach § 2 Abs. 1 S. 2 u. Abs. 2 S. 2 2. Hs. PostVerfG und den Finanzausgleich nach § 37 Abs. 3 verbunden. Zur Ablieferung an den Bund vgl. § 43 Abs. 1 S. 1 u. § 63 Abs. 1 PostVerfG. In der Summe überstiegen der Finanzausgleich von der Deutschen Telekom an ihre Schwesterunternehmen ( D M 12 Milliarden) und die Ablieferung an den Bund in gleicher Höhe in der Zeit von 1990-1995 die Belastungen, die sich bei einer gewinnorientierten Besteuerung ergeben hätten. Vgl. Hefehauser, ZGR 1996, 385 (387). 82 § 1 Abs. 5 S. 2 FAG n.F. lautete: „Die Befugnis zur Ausübung dieser [ausschließlichen] Rechte wird auf die Deutsche Bundespost TELEKOM weiterübertragen, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben ... erforderlich ist." Aus dieser Vorschrift leiteten Königshofen, Jb. d. DBP 1991, 499 (564, 571-573); Rütter, Archiv PF 1991, 57 (83) einen umfassenden gesetzlichen Schutz des TELEKOM-Monopols ab. Ossenbühl, Archiv PF 1991, 141 (146 ff); Scherer, Arch PT 1993, 261 (266); Riehmer, in: Mestmäcker (Hrsg.), Kommunikation II, S. 369 (388f); Mestmäcker, in: ders. (Hrsg.), Kommunikation II, S. 13 (95); Berger/Schöttner, ZögU 14 (1991), 223 (232), hielten hingegen den Minister für befugt, die Reichweite des Monopols durch Verwaltungsvorschriften zu bestimmen. 80

83 Vgl. BMPT, Regulierungen zum Telefondienstmonopol des Bundes, September 1992; BMPT, Regulierungen zum Netzmonopol des Bundes, 2. Aufl. Dezember 1993; BMPT, Grundsätzliche Überlegungen zum Kostenmaßstab für die Genehmigung von Monopoltarifen, Mai 1993; BMPT, Genehmigungskonzept bezüglich der Tarife für allgemeine Mietleitungen, die dem Netzmonopol des Bundes zuzuordnen sind, April 1992; BMPT, Price Cap Regulierung für Monopoldienstleistungen zum Zwecke des digitalen Zellularmobilfunkts, März 1993. Weitere Nachweise bei Grämlich, VerwArch 88 (1997), 598 (615) Fn. 104. 84 Vgl. Scherer, CR 1994, 418 (423).

2. Abschnitt: Das PostStrukturG 1989

49

Regulierung bildeten sie aber auch i m Verhältnis zu Dritten, beispielsweise den Lizenznehmern i m Mobilfunk, eine „Geschäftsgrundlage" der Lizenzvergabe. 8 5 Die Regulierung durch Verwaltungsvorschrift fand angesichts des mehrdeutigen Wortlautes des § 1 Abs. 5 S. 1 u. 2 F A G ihre entscheidende Stütze in einer Tradition, die die Deutsche Bundespost T E L E K O M als T e i l einer rechtlich nicht verselbständigten, bundeseigenen Verwaltung betrachtete. 86 Daher konnten die Unternehmen der Deutschen Bundespost auch nach der Poststrukturreform allenfalls als teilrechtsfähig gelten. 8 7

II. Die Ausbildung funktionell

getrennter

Organe

Die organisatorische Trennung von betrieblichen und hoheitlichen Aufgaben setzte daher an der verwaltungsinternen Binnengliederung an. 8 8 Hier sind Un85

Zitat Riehmer, in: Mestmäcker (Hrsg.), Kommunikation II, S. 369 (389). Dabei regelte meist eine Vorschrift den Umfang des der Telekom verbleibenden Monopols, eine weitere Vorschrift bestimmte die Bedingungen der Zusammenarbeit, insbesondere der Zusammenschaltung mit den Wettbewerbern. Vgl. Anlage Β zur El-Lizenz, ABl. BMPT 23/94, S. 887, Vfg 260/1994 Verwaltungsvorschriften, nämlich die Vfg 260.1 Verwaltungsvorschrift fur die Bereitstellung von Monopolleistungen für Zwecke des digitalen zellularen Mobilfunks (Dl-Netz, D2-Netz, El-Netz) und die Vfg 260.2 Verwaltungsvorschrift für die Bereitstellung von Monopoldienstleistungen für Zwecke des analogen zellularen Mobilfunks (C-Netz). Die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift für Zwecke des digitalen zellularen Mobilfunks sicherte das BMPT der Lizenznehmerin zu, vgl. Ziff. 3 der Anlage A zur El-Lizenz. 86

Zum Streit vgl. Grämlich, Arch PT 1993, 51 (54 f mwN.). Ossenbühl, Archiv PF 1991, 141 (144 f) rekurriert im Anschluß an Peter Badura, Die Wirtschaftstätigkeit der öffentlichen Hand und die neue Sicht des Gesetzesvorbehalts, in: FS-Steindorff 1990, S. 835 (837), darauf, daß die Ausübung von Monopolrechten eine Hoheitsaufgabe sei, die Unternehmen der Deutschen Bundespost mithin „Einheiten der Leistungsverwaltung, nicht der unternehmerischen Betätigung der öffentlichen Hand". Unter Berufung auf Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG verlangten auch Autoren, die eine weitere Verselbständigung der Deutschen Bundespost befürworteten, daß sie vom Bund in besonderem Maße beherrscht werde. Vgl. Mayer, Bundespost, S. 109f; Scholz/Aulehner, Arch PT 1993, 221 (249-251). Ähnlich Herrmann, Bundespost, S. 231. Bull, in: Alternativkommentar, Ärt. 87 Rnr. 20; Regierungskommission Fernmeldewesen, S. 36f. 87 Rütter, Archiv PF 1991, 57 (80); ähnlich Fangmann, CR 1989, 647 (650); Königshofen, Jb. d. DBP 1991, 499 (538 Fn. 98); Bullinger, in: Mestmäcker (Hrsg.), Kommunikation II, S. 349 (361). Eine Annäherung an die volle Rechtsfähigkeit sieht Grämlich, VerwArch 88 (1997), 598 (612). Die Bundesregierung hielt hier daran fest, daß die Bundespost gem. Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG als rechtlich identisch mit dem Bund fortbestand, eröffnete aber in § 5 S. 2 PostVerfG die Möglichkeit von In-Sich-Prozessen, um Streitigkeiten zwischen der Bundespost als Anbieter und dem Bund als Kunden durch Gerichte entscheiden zu lassen, vgl. Bundesregierung,- BR-Drs. 240/88, abgedr. in Jb. d. DBP 1991, S. 63 (106 zu § 5). Kritisch dazu Fangmann/Scheurle/Schwemmle/Wehner, Handbuch, § 5 Rnr. 11. 88 Die Kompetenzen der einzelnen Organe hielt für gerichtlich wehrfähig Königshofen, Jb. d. DBP 1991, 499 (526). 4 Oertel

50

1. Teil: Unabhängigkeit als organisationshistorische Konstante

ternehmensorgane einerseits und politische Organe andererseits zu unterscheiden.

1. Die betrieblichen Organe Jedes der drei Unternehmen erhielt nach dem PostVerfG zwei Organe, den Vorstand und den Aufsichtsrat. 89 Gemeinsam bildeten die drei Vorstandsvorsitzenden das Direktorium der Deutschen Bundespost.90 Die Unternehmensverfassung der Deutschen Bundespost nach der Poststrukturreform ahmte somit eine aktienrechtliche Organisationsstruktur nach. 91 Dabei täuschen die aus dem Gesellschaftsrecht entlehnten Titel aber über wesentliche Unterschiede hinweg: Die Vorstandsmitglieder standen in einem öffentlichrechtlichen Amtsverhältnis zum Bund, nicht zu dem jeweiligen Unternehmen. 92 Das Direktorium der Deutschen Bundespost war einem Gesamtvorstand nicht vergleichbar. 93 Es befaßte sich vielmehr vornehmlich mit gemeinsamen Finanzund Sozialangelegenheiten, ohne eine unternehmerische Führung zu übernehmen. Die Aufsichtsräte setzten sich nicht aus Vertretern der Anteilseigner und des Personals zusammen, sondern aus Vertretern des Bundes, der Anwender, der Kunden und der Bediensteten.94 Damit traten sie in den jeweiligen Unternehmen die Nachfolge des Postverwaltungsrates an. 95 Ihnen ermangelte insbesondere die aktienrechtliche Befugnis, den Vorstand zu bestellen.96 Eine Haupt89

§ 3 Abs. 2 PostVerfG. § 3 Abs. 1 PostVerfG. 91 Vgl. Grämlich, VerwArch 88 (1997), 598 (612). 92 Vgl. § 12 Abs. 3 PostVerfG. Fangmann/Scheurle/Schwemmle/Wehner, Handbuch, § 12 Rnr. 5 u. § 13 Rnr. 1 hielten den Funktionsvorbehalt aus Art. 33 Abs. 4 GG für unterlaufen. Die Anstellung beruhte auf Verträgen, die die Vorstandsmitglieder mit dem Bundesminister fur Post und Telekommunikation unter Zustimmung der Bundesregierung abschlossen (§ 12 Abs. 5 PostVerfG). In gleicher Weise waren die Beschäftigten der zweiten Leitungsebene - Geschäftsbereichsleiter, Präsidenten von Ober- oder zentralen Mittelbehörden - in ein öffentlich-rechtliches Amtsverhältnis zu berufen (§ 47 PostVerfG). 90

93 Vgl. §§8-11 PostVerfG. Dazu Fangmann/Scheurle/Schwemmle/Wehner, Handbuch, § 3 Rnr. 4; Grämlich, VerwArch 88 (1997), 598 (612); Schulz, Bundespost, S. 23. 94 Vgl. Eifert, S. 171. 95 Vgl. § 62 Abs. 1 PostVerfG als Übergangsregelung. Zur Besetzung §§16 f PostVerfG und § 96 AktG. Der Aufsichtsrat der Unternehmen nahm also nicht die Interessen der im Unternehmens vertretenen Gruppen wahr, sondern die an das Unternehmen herangetragenen Interessen. Vgl. Schulz, Bundespost, S. 159, der deswegen eine Haftung des Aufsichtsrates nach dem PostVwG analog § 116 AktG ablehnt. Übersicht über die Mitglieder bei Fangmann/Scheurle/Schwemmle/Wehner, Handbuch, S. 449f. 96 Nach § 13 Abs. 1 PostVerfG lag das Vorschlagsrecht bei Aufsichtsrat und Minister gemeinsam und ein Letztentscheidungsrecht bei der Bundesregierung. Vgl. auch § 23 PostVerfG und § 84 Abs. 1 S. 1 AktG; § 15 Abs. 4 PostVerfG und § 90 AktG.

2. Abschnitt: Das PostStrukturG 1989

51

Versammlung fehlte ganz. Das PostVerfG beruhte nicht auf der Idee der Kapitalgesellschaft, Unternehmenseignerschaft und Geschäftsführung zu trennen, sondern auf dem Anliegen, betriebliche und politische Funktionen des Bundes voneinander zu isolieren.

2. Die politischen Organe Während die Vorstände die Unternehmen unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten führten, 97 war der Bundesminister dafür verantwortlich, daß die Deutsche Bundespost nach den Grundsätzen der Politik der Bundesrepublik Deutschland geleitet wurde. 98 Ihm war dazu auf Verlangen des Bundesrates ein Infrastrukturrat beigesellt worden. 99 Diese neuartige, nicht mit dem bisherigen Verwaltungsrat gleichzusetzende Institution, 100 bestand aus je 11, später 16 101 Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates. 102 Sie entschied mit einfacher Mehrheit. 103 Der Rat wirkte an Entscheidungen des Bundesministers, die von infrastruktureller Bedeutung waren und die wesentliche Belange der Länder berührten, mit. 1 0 4 Dazu standen ihm neben Auskunfts- und Antragsrechten Beschlußrechte und Rechte zur Stellungnahme zu. 1 0 5 Beschlüsse des Infrastrukturrates, an denen dieser trotz Bedenken des Ministers festhielt, konnte der Bundespostminister der Bundesregierung zur Letztentscheidung vorlegen. 106 Im Gegensatz zum Postverwaltungsrat war der Infrastrukturrat demnach weniger

97

§ 4 Abs. 1 S. 6 iVm. § 12 u. § 15 PostVerfG. § 1 Abs. 1 S. 1 u. § 25 Abs. 1 S. 1 PostVerfG. Übersicht über den Geschäftsbereich des BMPT bei Kührlings, S. 32-35. 99 Stellungnahme des Bundesrates - Anlage 2 zur BT-Drs. 11/2854, abgedr. in Jb. d. DBP 1991, S. 237 (240-242). Zur Entstehungsgeschichte Fangmann/Scheurle/Schwemmle/Wehner, Handbuch, § 32 Rnr. 2. 100 Vgl. das Fehlen einer Übergangsregelung in § 62 PostVerfG. 101 Infolge des Beitritts der neuen Länder gem. Einigungsvertrag, Anlage I, Kap. XIII, Sachgeb. Α., Abschn. II, Nr. la). 102 § 32 Abs. 1 S. 2 u. Abs. 3 PostVerfG. Angabe der Mitglieder bei Fangmann/Scheurle/Schwemmle/Wehner, Handbuch, S. 453. Das Fehlen von Arbeitnehmervertretern sehen als Schwächung der Gewerkschaften Hustädt/Bach, Demokratie und Recht 17(1989), 294 (306). 103 § 33 Abs. 3 S. 2 PostVerfG. 104 § 34 Abs. 1 PostVerfG. 105 Vgl. § 34 Abs. 2-7 PostVerfG. 106 § 35 PostVerfG. Zur Begründung aus der Ressortverantwortlichkeiten des Ministers vgl. Bundesregierung, BT-Drs. 11/2854, abgedr. in Jb. d. DBP 1991, S. 247 (249f zu Nr. 13); Ausschußbericht, BT-Drs. 11/4316, abgedr. in Jb. d. DBP 1991, S. 315 (390). Dazu Fangmann/Scheurle/Schwemmle/Wehner, Handbuch, § 35 Rnr. 2; Windthorst, Universaldienst, S. 372. 98

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1. Teil: Unabhängigkeit als organisationshistorische Konstante

als Interessenvertretung beim Minister, sondern als Institution parlamentarischer und föderaler Kontrolle über den Minister gedacht. 107

III. Die Kompetenzverteilung Mit der Gegenüberstellung von Unternehmensorganen einerseits und Minister und Infrastrukturrat andererseits schuf das PostVerfG Organe, an denen sich die angestrebte Trennung von betrieblichen und hoheitlichen Aufgaben festmachen ließ. Inwieweit diese Trennung gelang, kann sich aber erst aus einer Betrachtung der jeweiligen Kompetenzen ergeben: Die Führung der Unternehmen war nach dem PostVerfG Sache des jeweiligen Vorstandes. 108 Er galt als das vorbehaltlich besonderer Regelungen grundsätzlich zuständige Unternehmensorgan und trat insoweit das Erbe des Bundesministers an. 1 0 9 Vor einer abschließenden Entscheidung des Vorstandes hatte der Aufsichtsrat u.a. zur Einfuhrung neuer Dienstzweige oder ihrer wesentlichen Änderung bzw. Aufgabe, zu grundlegenden technischen Neuerungen und zu den wesentlichen Leistungsentgelten fìir Pflichtleistungen Stellung zu nehmen. Ein etwaige Mitwirkungsrechte des Ministers und ggf. des Infrastrukturrates erst auslösender Beschluß des Aufsichtsrates war insoweit aber nicht erforderlich. Nach dem PostVerwG waren - wenn auch mit begrenztem Erfolg - vergleichbare Entscheidungen noch dem Verwaltungsrat vorbehalten gewesen.110 Das PostVerfG stärkte mithin die Verantwortung der Unternehmensorgane für die Leistungserbringung erheblich. 111

107 Ähnlich Eifert, S. 173. Ein „Gegengewicht zur Entpolitisierung der Deutschen Bundespost" erhofften sich davon Fangmann/Scheurle/Schwemmle/Wehner, Handbuch, § 32 Rnr. 3, während das Kommissionsmitglied Möschel, in: Mestmäcker (Hrsg.), Kommunikation II, S. 397 (407), sich zynisch zur dem Argument der Regierungskommission Fernmeldewesen, S. 108, äußerte, die politische Natur der Ordnungsfunktion lasse eine Verminderung der ministeriellen Verantwortlichkeit entsprechend dem britischen Oftel (dazu unten S. 283 ff) nicht zu. Zur ministeriellen Verantwortlichkeit auch § 25 Abs. 1 S. 1, § 26 PostVerfG. 108 Vgl. §§ 12 Abs. 1 u. § 15 PostVerfG. Ausdeutung der Begriffe bei Schulz, Bundespost, S. 1-11. Gegen die Autonomie des Vorstandes unter Berufung auf Art. 87 Abs. 1 GG Fangmann/Scheurle/Schwemmle/Wehner, Handbuch, § 15 Rnr. 2. 109 Vgl. § 62 Abs. 2 S. 2 PostVerfG; Fangmann/Scheurle/Schwemmle/Wehner, Handbuch, § 15 Rnr. 3. Zur Vorgesetztenbefugnis § 48 Abs. 1 u. 2 iVm. §49 PostVerfG. Zur Rücknahme von Arbeitnehmerrechten kritisch Hustädt/Bach, Demokratie und Recht 17 (1989), 294 (306); dazu auch Büchner, Arbeitsbeziehungen im Telekommunikationssektor der Deutschen Bundespost, ZögU 14 (1991), 401-412. 110 Oben S. 38 ff. 111 Vgl. Fangmann, CR 1989, 647 (650); Königshofen., Jb. d. DBP 1991, 499 (518) und Roßnagel/Wedde, DVB1. 1988, 562 (564f), die auf den Unterschied zu § 12 BbG hinweisen. Europarechtlich galt damit die Ausübung der Monopolrechte als unterneh-

2. Abschnitt: Das PostStrukturG 1989

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Den unternehmerischen und betrieblichen Aufgaben stellte das PostVerfG ein Bündel politischer und hoheitlicher Kompetenzen gegenüber: (1) Zur Benennung der Unternehmensführung schlug der Bundespostminister der Bundesregierung die Mitglieder des Vorstandes, der zweiten Leitungsebene und auch die Vertreter des Bundes im Aufsichtsrat zur Ernennung vor. 1 1 2 (2) Als Vertreter des Bundes entschied der Bundespostminister im Einvernehmen mit dem Bundesfinanzminister darüber, wie der nach der Erfüllung der gesetzlichen Pflichten verbleibende Unternehmensgewinn verwandt werden solle. 113 (3) Der Minister war nach dem Gesetz auch ausdrücklich befugt, mittel- und langfristige- - also nicht kurzfristige - Unternehmensziele festzulegen. 114 Genutzt wurde diese Befugnis erst 1994, als der Minister den Ausbau der Fernmeldenetze in den neuen Bundesländern, die Breitbandverkabelung und das Angebot von ISDN-Diensten anmahnte.115 (4) Der Minister hatte bestimmte Aufsichtsratsbeschlüsse zu genehmigen, darunter insbesondere die Festsetzung der Leistungsentgelte im Monopolbereich. 116 Wollte er diese Genehmigung versagen, mußte er auch den Infrastrukturrat befassen. 117 Um dies zu vermeiden, stimmten Unternehmen und Ministerium etwa die Tarifstrukturreform 1996 so lange ab, bis eine Einigung erzielt war. 118

merische Tätigkeit, so daß Art. 86 EGV unmittelbar, nicht erst über Art. 90 EGV anzuwenden war, vgl. Deipenbrock, S. 11 Of. Allerdings bleiben die Führungsbefugnisse des Vorstandes hinter dem einer Aktiengesellschaft zurück, vgl. Schulz, Bundespost, S. 41 f. 112 § 13 Abs. 1 S. 1 PostVerwG, § 47 Abs. 1 PostVerfG, § 17 Abs. 1 PostVerfG. Zum Abschluß der Anstellungsverträge § 12 Abs. 5 PostVerfG. 113 § 42 Abs. 4 S. 2 PostVerfG. 114 Vgl. § 25 Abs. 1 PostVerfG. Zur Mitwirkung des Infrastrukturrates § 34 Abs. 4 Nr. 1 PostVerfG. Vgl. auch Königshofen, Jb. d. DBP 1991, 499 (518). 115 Vfg 53/1994 Politische Zielvorgaben fur die Unternehmen der Deutschen Bundespost, ABl. BMPT 5/1994, S. 239. Daraufhin legte die TELEKOM ihr „Investitionsprogramm 2000" mit einem Volumen von etwa D M 40 Milliarden auf und hielt sich in ihren Aktivitäten bei der Hausverkabelung mit Breitband zugunsten des Handwerks zurück. Vgl. Hefekäuser, ZGR 1996, 385 (388). 116 § 23 Abs. 3 iVm. § 28 Abs. 1 S. 1 PostVerfG. Dabei bot die Weite der Genehmigungsmaßstäbe Raum für das sogleich beschriebene Abstimmungsverfahren. Vgl. auch Grämlich, Arch PT 1993, 51 (56). 1,7 §34 Abs. 2 Nr. 1 PostVerfG. 118 Vgl. Ossenbühl, Arch PT 1996, 207 (233). Die Nachwirkungen im Bundestagsausschuß beschreibt Börnsen, Jahrbuch Telekommunikation und Gesellschaft 1996, 396 (396); Börnsen, Jahrbuch Telekommunikation und Gesellschaft 1997, 367 (373f).

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1. Teil: Unabhängigkeit als organisationshistorische Konstante

(5) Darüberhinaus hatte der Minister dann zu entscheiden, wenn der Vorstand Einspruch gegen einen Vorschlag des Aufsichtsrates einlegte. 119 Weiterhin war der Minister imstande, Berichte und Prüfungen des Unternehmens zu veranlassen und im Wege der Rechtsaufsicht z.B. die mißbräuchliche Ausübung von Monopolrechten zu beanstanden.120 Die vorgenannten ministeriellen Aufgaben lassen sich als Wahrnehmung von Rechten des Bundes als Unternehmensträger verstehen. 121 Sie verbinden die allgemeine Rechtsaufsicht über eine nachgeordnete Verwaltungseinheit mit speziellen Einwirkungsrechten, die etwa auch der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft zustehen.122 Folgerichtig stand dem Bundesminister die Rechtskontrolle über das Unternehmen allein und unbeschränkt zu, während ihm in fachlicher Hinsicht nur enumerativ bestimmte Aufsichtsrechte zugestanden wurden. Soweit sie finanzielle Bedeutung hatte, war die Ausübung der Fachaufsicht zudem mit dem Bundesfinanzminister, soweit sie allgemeinwirtschaftliche Bedeutung hatte, mit dem Bundeswirtschaftsminister, soweit sie infrastrukturelle Bedeutung hatte, mit dem Infrastrukturrat und soweit sie personelle Bedeutung hatte, mit der Bundesregierung abzustimmen.123 Das bisherige institutionelle Arrangement, in dem die Wahrnehmung konkurrierender Interessen dem Verwaltungsrat bzw. über Einvernehmensregelung dem Bundeswirtschafts- bzw. Finanzminister zugewiesen war, erübrigte sich aber, soweit die Trennung zwischen betrieblicher und ministerieller Ebene eine ähnliche Leistung erbrachte. 124 Ein zweiter Schwerpunkt der ministeriellen Arbeit lag darin, in den Märkten der Telekommunikation Wettbewerb zu eröffnen und die Versorgung der Bevölkerung zu sichern. 125 Daher ist die begonnene Aufzählung ministerieller Kompetenzen fortzusetzen:

119

§ 24 Abs. 3 S. 1 PostVerfG. Vgl. § 31 und § 27 PostVerfG. Dazu Scherer, CR 1994, 418 (424). 121 Ähnlich Königshofen, Jb. d. DBP 1991, 499 (544 mit Fn. 115); Grämlich, Arch PT 1993,51 (56). 122 Vgl. § 119 Abs. 1 AktG Nr. Bestellung des Aufsichtsrates; Nr. 2 Verwendung des Bilanzgewinnes; Nr. 3 Entlastung des Vorstandes; Nr. 4 u. 7 Bestellung von Prüfern. 123 Bei der Genehmigung des Wirtschaftsplanes, des Jahresabschlusses und der Wirtschaftsführung war das Benehmen mit dem Bundesfinanzminister herzustellen (§ 28 Abs. 3 Nr. 1 PostVerfG), hinsichtlich der Leistungsentgelte mit dem Bundeswirtschaftsminister (§ 28 Abs. 3 Nr. 2 PostVerfG). Der Infrastrukturrat hatte zu beschließen, wenn der Minister Entgelten nicht zustimmte (§ 34 Abs. 2 PostVerfG). 124 Vgl. Regierungskommission Fernmeldewesen, S. 110 u. 114. Ähnlich zur Streichung von Einvernehmensrechten des Bundesministers für Finanzen Ausschußbericht, BT-Drs. 11/4316, abgedr. in Jb. d. DBP 1991, S. 315 (391). Vgl. auch Steinberg, S. 268. 125 Kühn/Reinke, Einführung, Jb. d. DBP 1991, S. 45 (57). 120

2. Abschnitt: Das PostStrukturG 1989

55

(6) Die weitere Marktöffnung i m Wege der Verleihung bzw. Lizenzierung 1 2 6 stellte § 2 Abs. 1 S. 1 F A G n.F. in das Ermessen des Bundesministers. 1 2 7 I m Anschluß an die Verleihung, war der Bundesminister ebenfalls kompetent, die ggf. benötigten Funkfrequenzen zuzuteilen. 1 2 8 Das Ministerium entwickelte dazu namentlich für den M o b i l f u n k Lizenzierungsmodelle, 1 2 9 die sich durch ein hohes Maß an Transparenz und Sachgerechtigkeit auszeichneten. 1 3 0 Gleichwohl blieb es verfassungsrechtlich bedenklich, daß der Gesetzgeber die weiteren L i beralisierungsentscheidungen weder materiell noch formell konturiert hatte. 1 3 1 (7) Für den entstehenden Wettbewerb war es von großer Bedeutung, inwiefern die Unternehmen der Deutschen Bundespost die Preise ihrer freien Leistungen aus den Erträgen von monopolgeschützten Diensten stützen konnten. Das PostVerfG ließ eine solche Quersubvention i m Wege des sog. Finanzausgleiches z u . 1 3 2 Sofern der Bundeswirtschaftsminister aber feststellte, daß eine

126 Diesen Begriff verwandte das BMPT, um die schon nach bisherigem Recht zu erteilenden Genehmigungen von den marktöffnenden Lizenzen zu unterscheiden, vgl. Berger/Schöttner, ZögU 14 (1991), 329 (331). 127 Ein Anspruch auf Verleihung wurde fur Energieversorgungseinrichtungen und Satellitenfunkanlagen niedriger Bitraten eingeräumt (§ 2 Abs. 2 S. 2 u. 3 FAG n.F.). Im übrigen stand die Lizenzvergabe im ministeriellen Ermessen. Die Deutsche Bundespost TELEKOM konnte sich mit ihrer Ansicht, daß ihr Handlungsauftrag aus § 4 Abs. 1 PostVerfG eine negative Ermessensschranke bilde, nicht durchsetzen (vgl. Königshofen, Jb. d. DBP 1991, 499 (540 mit Fn. 102)). Andererseits folgte das Ministerium nur zögerlich den Liberalisierungsforderungen der Europäischen Gemeinschaft (vgl. Scherer, Arch PT 1993, 261 (26lf) mwN.). 128

Vgl. Königshofen, Jb. d. DBP 1991, 499 (540). Grundlegend Der Bundesminister für Post und Telekommunikation (Hrsg.), Gutachten der Gutachterkommission fur Grundsatzfragen der Frequenzregulierung im zivilen Fernmeldewesen, Bonn 1991, dazu Berger/Schöttner, ZögU 14 (1991), 329 (340f). 129 Vgl. etwa Bundesministerium fur Post und Telekommunikation, Lizenzierung und Regulierung im Mobil- und Satellitenfunk, Juni 1992. 130 Vgl. Scherer, Arch PT 1993, 261 (266); Berger/Schöttner, ZögU 14 (1991), 329 (330-332 mwN.). 131 Die Konzeption der Bundesregierung zur Neuordnung des Telekommunikationsmarktes - BR-Drs. 241/88 -, abgedr. in Jb. d. DBP 1991, S. 139 (153) hatte „spätere Weiterentwicklung des Fernmelderechts zu einem Gesetz zur Regelung des Wettbewerbs auf den Fernmeldemärkten" nur für einen unbestimmten Zeitpunkt in den Blick genommen, obwohl sie im gleichen Atemzug das Interesse an Rechts- und Planungssicherheit betonte. Die sich im Anschluß an eine Lizenzierung ergebenden Folgefragen nach Interconnection, Dienstqualität, Tarifstruktur und -höhe (dazu Berger/Schöttner, ZögU 14 (1991), 329 (333ff)) beantwortete das FAG n.F. nicht. Vgl. allgemein Scherer, Arch PT 1993, 261 (266f). Die Kritik Scherers aufnehmend auch Grämlich, Arch PT 1993,51 (57). 132 Vgl. § 37 Abs. 3 S. 1 PostVerfG. Dazu Riehmer, in: Mestmäcker (Hrsg.), Kommunikation II, S. 369 (383). Den Vorschlag der Regierungskommission Fernmeldewesen, S. 86ff, 112, 116f, den als wettbewerbsverzerrende Quersubvention eingestuften Finanzausgleich zu beschränken, hatte die Konzeption der Bundesregierung zur Neuord-

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1. Teil: Unabhängigkeit als organisationshistorische Konstante

Quersubvention die Möglichkeiten anderer Wettbewerber beeinträchtigte, sollte der Bundespostminister Gegenmaßnahmen ergreifen. 1 3 3 Er fungierte also als sektorspezifische Mißbrauchsaufsicht. 1 3 4 (8) Welche Leistungen als Pflichtleistungen von den Unternehmen zum Zwecke einer infrastrukturell

notwendigen Grundversorgung

bereitzuhalten

waren, bestimmte die Bundesregierung i m Wege einer Rechtsverordnung. 1 3 5 Den Preis für diese Leistungen konnte der Bundespostminister beeinflussen, indem er entsprechenden Tarifvorlagen des Unternehmensvorstands

wider-

sprach. 1 3 6 Dabei hatte er einen Beschluß des Infrastrukturrates zu veranlassen und das Benehmen mit dem Bundeswirtschaftsminister herzustellen. Soweit diese Festsetzungen die Wettbewerbsfähigkeit

der Deutschen

Bundespost

T E L E K O M in finanziell nicht auszugleichender Weise beeinträchtigten, hätte der Postminister anderen Unternehmen pflichtleistungsschützende Angebotsbedingungen auferlegen k ö n n e n . 1 3 7 I h m oblag also die hoheitliche Sicherstellung einer Grundversorgung. (9) Der Rahmen der fortan privatrechtlichen 1 3 8 Kundenverhältnisse 1 3 9 und des Datenschutzes 1 4 0 war zunächst durch Rechts Verordnungen der Bundesregie-

nung des Telekommunikationsmarktes - BR-Drs. 241/88 -, abgedr. in Jb. d. DBP 1991, S. 139 (203), ausdrücklich zurückgewiesen. 133 § 37 Abs. 4 S. 2-4 PostVerfG. Die Vereinbarkeit mit Art. 86 EWGV bejaht Deipenbrock, S. 129f. Kritisch Möschel, in: Mestmäcker (Hrsg.), Kommunikation II, S. 397 (408). Vgl. Marcus Weinkopf/Werner Neu, Zur Regulierung des Finanzausgleichs zwischen Monopol- und Wettbewerbsdiensten nach § 37 Abs. 4 Postverfassungsgesetz (PostVerfG), Archiv PF 1991, 422. Obwohl das Bundeskartellamt eine entsprechende Beeinträchtigung für den paketvermittelten Datendienst feststellte, sind Maßnahmen des BMPT nicht ersichtlich (vgl. Mestmäcker/Witte, Gutachten, S. 42; Stürmer, S. 55 ff). 134 Zur Zuständigkeit des Bundeskartellamtes nach dem früheren § 44 Nr. 1 e) GWB Berger/Schöttner, ZögU 14 (1991), 223 (229). 135 Vgl. § 25 Abs. 2 PostVerfG. Die Verordnung zur Regelung der Pflichtleistungen der Deutschen Bundespost TELEKOM v. 16.9.1992, BGBl. I, S.1614, bestimmte zu Pflichtleistungen die Rufnummernauskunft, die Herausgabe von Teilnehmerverzeichnissen, das Bereitstellen öffentlicher Telefonstellen einschließlich einer Notrufmöglichkeit sowie das Übermitteln von Fernschreiben und Telegrammen. Obwohl dem Verordnungserlaß eine Expertenbefragung vorausging, handelte es sich letztlich um eine ordnungspolitische Entscheidung. Dazu Grämlich, Arch PT 1993, 51 (53); Scherer, Arch PT 1993, 261 (264) u. Frank Volkers, Telekommunikationsinfrastruktur und Wettbewerb, Baden-Baden 1994. 136 § 28 Abs. 2 iVm. § 34 Abs. 2 Nr. 2 PostVerfG. Fangmann/Scheurle/Schwemmle/Wehner, Handbuch, § 28 Rnr. 26 weisen darauf hin, daß die Mitwirkung des Infrastrukturrates durch einen informellen Konsens zwischen Vorstand und BMPT vermieden werden konnte. 137 Eine dahingehende Verordnung nach § la Abs. 2 S. 1 FAG n.F. hätte sich an Art. 90 EWGV messen lassen müssen (vgl. Deipenbrock, S. 142 f u. 162 f), wurde aber nie erlassen. Vgl. Grämlich, VerwArch 88 (1997), 598 (617 u. 619). 138 § 9 Abs. 1 FAG n.F.

2. Abschnitt: Das PostStrukturG 1989

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rung zu ordnen. 1 4 1 Federführende Stelle war hier wiederum der Bundespostminister, der die Unternehmen anhörte und den Infrastrukturrat einbezog. 1 4 2 (10) Soweit, z.B. der Endgerätemarkt bereits anderen Unternehmen zugänglich war, nahm das Ministerium schließlich Überwachungsaufgaben der Geräteund Personenzulassung w a h r . 1 4 3 Hier ähnelt seine Aufgabe einer allgemeinen Wirtschaftsaufsicht. Nach dieser Darstellung galten die ministeriellen Kompetenzen teilweise dem gesamten Markt (vgl. 6-9), während sich die erstgenannten Rechte (1-5) auf das Unternehmen des Bundes konzentrieren. 1 4 4 Marktaufsicht und Unternehmensaufsicht konnten zusammenfallen, weil das marktbeherrschende Unternehmen bundesbeherrscht war. Das Gesetz verzichtete darauf, auch diese beiden Aufgabenkreise organisatorisch voneinander zu trennen. 1 4 5 Insoweit zog es eine vertikale Abschichtung zwischen ministeriellen

139 § 30 Abs. 1 PostVerfG und die Telekommunikationsverordnung - TKV - v. 24.6.1991 (BGBl. I, S. 1376), geändert durch 1. Änderungsverordnung v. 16.9.1992 (BGBl. I, S. 1612). Dazu . Königshofen, Jb. d. DBP 1991, 499 (551-553). 140 § 30 Abs. 2 PostVerfG und die TELEKOM - Datenschutzverordnung - TDSV v. 24.6.1991 (BGBl. I, S. 1390 sowie § 14a Abs. 2 FAG n.F. und die Verordnung für den Datenschutz fur Unternehmen, die Telekommunikationsdienstleisungen erbringen UDSV - v. 18.12.1991 (BGBl. I, 2337). Dazu Königshofen,, Jb. d. DBP 1991, 499 (553555) und Grämlich, VerwArch 88 (1997), 598 (616 mwN.). 141 Königshofen, Jb. d. DBP 1991, 499 (516f) erklärt die Zuständigkeit der Bundesregierung aus dem Gewicht der betroffenen Kommunikations- und Berufsgrundrechte sowie aus der dienenden Funktion des Fernmeldewesens gegenüber anderen Politikbereichen. 142 Vgl. § 30 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 2 S. 1; § 34 Abs. 3 PostVerfG. Dazu Kühn/Reinke, Einführung, Jb. d. DBP 1991, S. 45 (55); Königshofen, Jb. d. DBP 1991, 499 (544); Deipenbrock, S. 125. 143 Endgeräte waren durch das dem Ministerium nachgeordnete Zentralamt fur Zulassungen gemäß der vom Minister zu erlassenden Verordnung zuzulassen (§ 2a Abs. 3 S. 2 u. Abs. 1 S. 1 FAG n.F.) und Ordnungswidrigkeiten vom Ministerium zu verfolgen (§ 19a Abs. 3 FAG n.F.). Damit sollte eine Art. 6 Endgeräterichtlinie genügende Trennung von hoheitlichen und betrieblichen Funktionen erreicht werden. Vgl. Deipenbrock, S. 119 u. Berger/Schöttner, ZögU 14 (1991), 329 (339). Zur Anzeige anderer Dienste vgl. § la Abs. 1 FAG n.F. 144 Eigentümerfunktion und Schiedsrichterfunktion unterscheiden Berger/Schöttner, ZögU 14 (1991), 223 (226). Ansätze in diese Richtung auch bei Rütter, Archiv PF 1991, 57 (81); Regierungskommission Fernmeldewesen, S. 107 E. 31 u. 32. 145 Dabei ahnte der Postausschuß wohl, daß sich aus der Funktion des BMPT als Regulierungsbehörde und Rechtsaufsichtsbehörde für die DBP Konflikte ergeben konnten. Vgl. Fragenkatalog für die öffentliche Anhörung am 28., 29. u. 30.11.1988, abgedr. in Jb. d. DBP 1991, 287 (293). Im Streit um die rechten Regulierungsinstrumente (oben Fn. 91) zeigte sich alsbald der ,,grundsätzliche[n] Mangel, daß nicht der Versuch unternommen wird, die hoheitlichen Aufgaben inhaltlich zu erfassen" (Ossenbühl, Archiv PF 1991, 141 (144).

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1. Teil: Unabhängigkeit als organisationshistorische Konstante

und nachzuordnenden Aufgaben einer funktionalen Aufteilung vor. 1 4 6 Hier konnte sich der Gesetzgeber auf die Regierungskommission Fernmeldewesen berufen, die die Zuweisung der einzelnen Aufgaben ausdrücklich für eine „gestaltungsbedürftige Dimension der Ordnungspolitik" hielt. 1 4 7

C. Fazit Im wesentlichen sollte die Poststrukturreform den Betrieb der Deutschen Bundespost in eine leistungsfähige Organisation überfuhren, 148 die mit den Mitteln moderner Unternehmensleitung die Wachstumschancen auf dem sich öffnenden europaweiten Telekommunikationsmarkt nutzen würde. 149 Die Trennung der betrieblichen von den politischen Aufgaben war darum nicht nur im Außenverhältnis zu anderen Anbietern als eine Bedingung der Möglichkeit von Wettbewerb, sondern auch im Innenverhältnis des Unternehmens zum Bund geboten. Dabei ging das PostVerfG nicht soweit, den Unternehmen der Deutschen Bundespost eine eigene außenrechtsförmliche Identität zu verleihen. Unter dem Verfassungsgebot bundeseigener Verwaltung entspann sich vielmehr ein „sich ergänzende[s] System" von Mitwirkungsrechten. 150 Die bislang in der Aufgabenstellung der Bundespost verschmolzenen öffentlichen und unternehmerischen Motive lösten sich voneinander, ihr Widerstreit fand rechtliche Formen, die sich an den Typen privatrechtlichen Unternehmenseigentums einerseits und öffentlich-rechtlicher Wirtschaftsaufsicht andererseits orientieren konnten. 151 Damit stieß die Postreform I in den verfassungsrechtlichen Inter-

146 Als „Trennung .. in der vertikalen Ebene" bezeichnet auch Ausschußbericht, BTDrs. 11/4316, abgedr. in Jb. d. DBP 1991, S. 317 (388f) die Neugliederung. Ebenso Königshofen,, Jb. d. DBP 1991, 499 (531); Windthorst, Universaldienst, S. 388. 147 Regierungskommission Fernmeldewesen, S. 71. 148 Diese hielten auch Kritiker des Gesetzesentwurfs für notwendig, z.B. Roßnagel/Wedde, DVB1. 1988, 562 (570). 149 Vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung - BR-Drs. 240/88, abgedr. in Jb. d. DBP 1991, S. 63 (94 f). Beispielhaft auch die Begründung des Einsatzes von Vorständen mit der erwarteten Erhöhung der Effizienz in der Leitung, aaO. (95). Ähnlich Königshofen,, Jb. d. DPB 1991, 499 (502) u. Berger/Schöttner, ZögU 14 (1991), 223 (227). 150 Gesetzesentwurf der Bundesregierung - BR-Drs. 240/88, abgedr. in Jb. d. DBP 1991, S. 63 (97); ebenso Königshofen,, Jb. d. DBP 1991, 499 (543). Schwierigkeiten auf den Ebenen der nachgeordneten Behörden befürchtete der Ausschuß für Post- und Fernmeldewesen in seinem Fragenkatalog für die öffentliche Anhörung am 28., 29. u. 30.11.1988, abgedr. in Jb. d. DBP 1991, 287 (295). Ein „,Beschäftigungsprogramm 4 der Kompetenzabgrenzungen" befürchtete Fangmann, CR 1989, 647 (649), der eine „saubere Trennung" vermißt (aaO., (650). Ähnlich Berger/Schöttner, ZögU 14 (1991), 223 (231). 151

Vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung - BR-Drs. 240/88, abgedr. in Jb. d. DBP 1991, S. 63 (95) „Offenlegung der politischen und infrastrukturellen Vorgaben".

2. Abschnitt: Das PostStrukturG 1989

59

pretationsspielraum vor, den die dogmatische Abschichtung des Aufgabengehaltes vom Organisationsgehalt des Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG a.F. eröffnet hatte. 1 5 2 Das zukünftige Ordnungsmodell für das Fernmeldewesen stand jedoch 1989 keineswegs fest. 153 Im Wort vom „Randwettbewerb" wird noch heute deutlich, daß es um die Abgrenzung leistungsstaatlicher von privatwirtschaftlicher Leistungserbringung ging. 1 5 4 Das organisationsrechtliche Arrangement des PostVwG entsprach dieser offenen - Situation, indem es einerseits die neuen Rationalitäten zur Geltung brachte, andererseits aber der Ordnungspolitik weitreichende Gestaltungsspielräume gewann. So richtete das Poststrukturgesetz die verschiedenen Organe deutlicher auf bestimmte Interessen aus. Es wies die betriebliche Leitung der Unternehmen ihren Vorständen zu und ordnete ihnen gemeinwirtschaftlich besetzte Aufsichtsräte bei. Währenddessen bildeten die Vertreter von Bundestag und Bundesrat im Infrastrukturrat ein genuin politisches Gremium. Über ein sich ergänzendes System von Mitwirkungsrechten blieb das gesamte Gefuge dem Bundespostminister verbunden. Da das PostVerfG dem Postminister sowohl die Befugnisse eines Unternehmenseigentümers als auch die regulatorischen Befugnisse vorbehielt, verfugte er über ein umfassendes Handlungsinstrumentarium. Er konnte, solange das Organisationsrecht den Status der bundeseigenen Verwaltung nicht aufgegeben hatte, über VerwaltungsVorschriften Ähnlich Königshofen,, Jb. d. DBP 1991, 499 (532). Bullinger, in: Mestmäcker (Hrsg.), Kommunikation II, S. 349 (354 u. 366). 152 Rückblickend zu den Normgehalten des Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG a.F. Eifert, S. 127 ff. Aus der zeitgenössischen Literatur Roßnagel/Wedde, DVB1. 1988, 562 (564) unter Verweis auf Schmidt-Aßmann/Fromm, S. 53f; Dittmann, S. 172. Zur verfassungsrechtliche Kritik des PostVerfG vgl. Roßnagel/Wedde, DVB1. 1988, 562; Hustädt/Bach, Demokratie und Recht 17 (1989), 294; Fangmann,, CR 1989, 647 (650); Fangmann/Scheurle/Schwemmle/Wehner, Handbuch, § 1 Rnr. 7; Schatzschneider, NJW 1989, 2371 (2373), ausfuhrlich Schatzschneider, Privatisierung, S. 27-36, und den Kurzvermerk über die Ergebnisse der öffentlichen Anhörung v. 29.11.1988, abgedr. in Jb. d. DBP 1991, S. 310-312, bei der Badura und Battis Einwände aus Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG abwehrten. Den verfassungsrechtlichen Spielraum zu weiterer Verselbständigung vermaßen Reiner Schmidt, in: FS-Lerche, S. 365; Scholz/Aulehner, Arch PT 1993, 221. 153 Dies gilt sowohl in wettbewerbspolitischer als auch in kartellrechtlicher Hinsicht. So konnte Mestmäcker, in: ders. (Hrsg.), Kommunikation II, S. 13 (26) noch 1993 feststellen, daß die Eigengesetzlichkeiten der Digitalisierung und der Globalisierung sich „in fast beliebiger Weise" in Dienst verschiedener Wettbewerbspolitiken stellen ließen. Ob die kartellrechtlich begründeten Kommissionsrichtlinien nach Art. 90 Abs. 3 EWGV Bestand haben würden, war 1989 noch nicht abzusehen. Vgl. EuGH v. 19.3.1991 Rs. C 202/88 - Frankreich u.a./Kommission (Endgeräterichtlinie) - Slg. 1991 I, S. 1225; EuGH v. 17.11.1992 Rs. C-271/90, C-281/90 u. C-289/90 - Spanien u.a./Kommission (Diensterichtlinie) Slg. 1992 I, S. 5833. Darstellung der Auseinandersetzung bei Alexiadis, in: Long, Telecommunications Law, 16-05. Rückblickend spricht Voeth, S. 131 ff, von „Instabilitäten" des Marktes, der Organisatation und der Ordnungspolitik. 154 Von einem ,,halbherzige[n] Kompromiß" spricht rückblickend Windthorst, versaldienst, S. 393.

Uni-

60

1. Teil: Unabhängigkeit als organisationshistorische Konstante

ein neues Ordnungsmodell für die Bundespost skizzieren. In der Postreform I verschaffte sich die Ordnungspolitik also Handlungsspielraum, indem sie die funktionelle Unabhängigkeit innerhalb des Fernmeldewesens steigerte, ohne seine politische Abhängigkeit aufzugeben. 155 Funktionsentlastung und Interessentrennung gegenüber den Unternehmen einerseits und Funktionsbündelung und politische Anbindung im Ministeramt andererseits versetzten die Ordnungspolitik damit in die Lage, die weitere Entwicklung voranzutreiben. So lancierte der Bundespostminister gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Postausschusses bereits 1991 den Vorschlag, die Deutsche Bundespost TELEKOM formell zu privatisieren. 156 Die Poststrukturreform sollte ein Übergangsstadium eröffnen, es aber auch bleiben. 1994 folgte ihr die „Postreform II".

Dritter Abschnitt

Das PTNeuOG 1994: Ausrichtung auf das Privatisierungsprogramm Die Postreform II fügte die Art. 87f und 143b in das Grundgesetz ein und enthielt mit dem Gesetz zur Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation ein umfangreiches verfassungsbegleitendes Gesetzeswerk. 157 Die verfassungsbegleitende Gesetzgebung traf erste Vorkehrungen dazu, das grundgesetzliche Programm formeller und materieller Privatisierung auszufüllen (A). Mit der Umwandlung der Deutschen Bundespost TELEKOM in die Deutsche Telekom AG gewann das Unternehmen rechtliche Selbständigkeit, seine Verwaltung wurde nach Art. 87f Abs. 3 GG einer eigenen Anstalt anvertraut, während zur eigentlich ministeriellen Aufgabe die Regulierung wurde (B). So trennten sich die verschiedenen Funktionen des Staates in der Telekommunikation organisatorisch, die Regulierung genoß aber besondere politische Aufmerksamkeit (C).

155 Zur Herausbildung selbständiger Verwaltungseinheiten im Zuge eines Systemübergangs Scholz/Aulehner, Arch PT 1993, 221 (234). 156 Vgl. Kühn/Reimann, S. 6. 157 Die Postreform II umfaßte dasGesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 30.8.1994 (BGBl. I, S. 2245). Es faßte Art. 73 Nr. 7 u. 80 Abs. 2 neu, änderte Art. 87 Abs. 1 S. 1 und fügte Art. 87f u. 143b ein. Als Artikelgesetz erging nahezu zeitgleich das Gesetz zur Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation (Postneuordnungsgesetz - PTNeuOG) v. 14.9.1994 (BGBl. I, S. 2325), abgedr. bei Kühn/Reimann, S. 27-30 u. 31-232. Von einem „verfassungspolitischen Paradigmenwechsel" spricht Windthorst, Universaldienst, S. 170.

3. Abschnitt: Das PTNeuOG 1994

61

A. Das Privatisierungsprogramm der Postreform I I In der Postreform II erlangte der ordnungspolitische Modellwechsel in Post und Telekommunikation Verfassungsrang: 158 Das Wort „Bundespost" wurde aus Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG a.F. gestrichen; Art. 143b Abs. 1 S. 1 GG sah vor, das bisherige Sondervermögen in Unternehmen privater Rechtsform umzuwandeln; nach Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG sollten diese Unternehmen ihre Dienstleistungen neben anderen privaten Anbietern als privatwirtschaftliche Tätigkeit erbringen. Für eine Übergangszeit gestattete Art. 143b Abs. 2 S. 1 GG gleichwohl, daß die privatisierten Bundesunternehmen ausschließliche Rechte, also Monopolschutz, genossen. Gemeinsam formulierten Art. 87f GG und Art. 143b GG ein ausfüllungsbedürftiges Privatisierungsprogramm. 159 Anders als Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG a.F. konnte die Neufassung nicht auf einen vorgefundenen Verwaltungszustand verweisen. Sie ist Teil eines umfassenden Privatisierungsprozesses, dem sich der Bund unterzogen hat und in dem es zugleich darum geht, die Staatsaufgaben neu zu definieren. 160 Daher kann die folgende Darstellung der Postreform II an die Kategorien anknüpfen, mit denen die Rechtswissenschaft diesen Prozeß beschreibt. 161

I. Organisationsprivatisierung Zur Organisationsprivatisierung der Deutschen Bundespost führte zunächst Art. 143b Abs. 1 S. 1 GG. Demnach wurden die einzelnen Unternehmen des früheren Sondervermögens in Gesellschaften privater Rechtsform umgewandelt, d.h. formell privatisiert. 162 Zum 1.1.1995 entstanden die Deutsche Telekom AG, die Deutsche Post AG und die Deutsche Postbank AG.

158

Zur „Ökonomisierung der Politik" Schock, VVDStRL 57 (1998), S. 158 (174 f). In einem ähnlichen Sinne bezeichnen Hommelhoff/Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), 521 (524) Art. 87e GG als eine „Verfassungsvorschrift mit einer spezifischen Entwicklungsperspektive". 160 Fraktions- und Regierungsentwurf, BT-Drs. 12/6717, S. 4, sahen in Art. 87f eine „weitgehende Entstaatlichung". Dem folgend Grämlich, VerwArch 1997 (88), 598 159

(622).

161 Die hier verwandte Typologie folgt Schock, DVB1. 1994, 962 (962f); Bauer, VVDStRL 54 (1995), S. 243 (25Ii); Windthorst, Universaldienst, S. 180 ff; ähnlich Scholz/ Aulehner, Arch PT 1993, 221 (238f); im einzelnen abweichend Osterloh, VVDStRL 54 (1995), S. 204 (223); dort jeweils auch Nachweise zu anderen Auffassungen. Zur älteren Literatur Sybille von Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, Berlin 1982. Weiter ausdifferenzierend Gunnar Folke Schuppert, Die öffentliche Verwaltung im Kooperationsspektrum staatlicher und privater Aufgabenerfüllung: Zum Denken in Verantwortungsstufen, Die Verwaltung 1998, 415 (416 f). 162 Vgl. § 1 des Gesetzes zur Umwandlung der Unternehmen der Deutschen Bundespost in die Rechtsform der Aktiengesellschaft (Postumwandlungsgesetz - PostUmwG),

62

1. Teil: Unabhängigkeit als organisationshistorische Konstante Infolge der Umwandlung verloren diese Unternehmen ihren Verwaltungs-

status, so daß sie hoheitliche Rechte, darunter namentlich die Dienstherrenbefugnisse, nur noch aufgrund einer

förmlichen

Beleihung ausüben konnten. 1 6 3

Der Bund blieb allerdings den Unternehmen nach Art. 87 Abs. 3 GG in besonderer Weise verpflichtet. Unter dem Dach der dort angesprochenen Anstalt führte er etwa die Sozialeinrichtungen der Deutschen Bundespost f o r t . 1 6 4

II.

Vermögensprivatisierung

Inwieweit der Bund seine Anteile an der Deutschen Telekom A G veräußern, also sein Vermögen privatisieren darf, regelt die Verfassung nicht ausdrückl i c h . 1 6 5 Lediglich an der Deutschen Post A G muß der Bund von Verfassungs wegen zumindestens bis zum Jahre 2000 eine Kapitalmehrheit halten. 1 6 6 Die Veräußerung von Anteilen an der Deutschen Telekom A G kann daher i m Gegenschluß als verfassungsrechtlich zulässig angesehen w e r d e n . 1 6 7 Ihr zieht aber das einfache Recht anstelle der ursprünglich vorgesehenen verfassungsrechtlichen Regelung 1 6 8 eine recht verschlungene Grenze. 1 6 9 Ihr zufolge sollte der

vom 14. September 1994, BGBl. I, S. 2325, 2339, verkündet als Art. 3 des Gesetzes zur Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation vom selben Tage. Darstellung bei Windthorst, Universaldienst, S. 208 ff, S. 396 ff. 163 Zum dienstrechtlichen Beleihungsmodell Art. 143b Abs. 3 GG; Fraktions- und Regierungsentwurf, BT-Drs. 12/76717, S. 4 f. Dazu Hanspeter Benz, Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Beleihung einer Aktiengesellschaft mit Dienstherrenbefugnissen, Frankfurt 1995; Grämlich, NJW 1994, 2785 (2788); F angmann/Löreher/Scheurle/Schwemmle/Wehner, Art. 143b Rnr. 14f; Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 4. Nach Angaben der Deutschen Telekom AG ging der Anteil der Beamten an den Mitarbeitern von 51 % in 1994 auf 47,4 % Mitte 1998 zurück. Vgl. FAZ v. 31.12.1998, Nr. 303, S. 20, „Telekom mit höherem Pro-Kopf-Umsatz". Zu Wegerechten § 1 Telgraphenwegegesetz idF. d. Art. 8 PTNeuOG und Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 41; zur Planfeststellung § 7 Abs. 2 S. 2 Telegraphenwegegesetz idF. d. Art. 8 PTNeuOG; zu Vollstreckungsbefugnissen § 9 Abs. 2 - 4 FAG idF. d. Art. 5 PTNeuOG. Vgl. auch Königshofen, Arch PT 1995, 112 (117); Grämlich, VerwArch 1997 (88), 598 (622 Fn. 153). 164 Vgl. §§ 25 ff des Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost (Bundesanstalt Post-Gesetz - BAPostG), verkündet als Art. 1 des PTNeuOG v. 22.9.1994, BGBl. I, S. 2325. Zu den Aufgaben nach Art. 87fAbs. 3 GG ausfuhrlich unten S. 130 ff. Zur sog. Privatisierungsfolgenverantwortung vgl. Bauer, VVDStRL 54 (1995), S. 243 (279). 165 Zur Vermögensprivatisierung Grämlich, VerwArch 88 (1997), 598 (624 mwN.). 166 Vgl. Art. 143b Abs. 2 S. 2 GG. 167 Vgl. Badura, in: Bonner Kommentar, Art. 87f Rnr. 22; Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 54; tendenziell auch Grämlich, VerwArch 88 (1997), 598 (624). Fraktionsund Regierungsentwurf, BT-Drs. 12/6717, S. 4. 168 Der Fraktions- und Regierungsentwurf, BT-Drs. 1276717, S. 3 sah in Art. 143b Abs. 1 S. 2 u. 3 noch vor: „Der Bund hält die Kapitalmehrheit an den aus der

3. Abschnitt: Das PTNeuOG 1994

63

Bund bis zum 31.12.1999 Mehrheitsgesellschafter der Telekom bleiben. 1 7 0 I m Zuge einer Kapitalerhöhung hat der Bund 1996 etwa 25,2 % des Kapitals der Deutschen Telekom in private Hände überfuhrt. Weitere Tranchen des Bundes von 13,47 %, etwa 11 % und zuletzt 1,2 % sind 1997, 1998 und Anfang 1999 der Kreditanstalt für Wiederaufbau übertragen w o r d e n . 1 7 1 Eine zweite Kapitalerhöhung soll i m Herbst 1999 an der Börse erfolgen. 1 7 2 Die Einführung am Kapitalmarkt unterwarf das Unternehmen Kontroll- und Steuerungsmechanismen, denen auch eine ursprünglich private, börsennotierte Aktiengesellschaft ausgesetzt i s t . 1 7 3 Damit führt die Vermögensprivatisierung zur privatwirtschaftlichen Leistungserbringung iSd. Art. 8 7 f Abs. 2 S. 1 GG hinüber.

Deutschen Bundespost POSTDIENST und der Deutschen Bundespost TELEKOM hervorgegangenen Unternehmen. Danach kann die Kapitalmehrheit auf Grund einer gesetzlichen Regelung aufgegeben werden, wenn dies zur wirtschaftlichen Sicherung des jeweiligen Unternehmens oder zur Strukturierung des Marktes erforderlich erscheint." Die endgültige Regelung beruht auf dem Vorschlag des Rechtsausschusses, BT-Drs. 12/8108, S. 4. Zu ihrer Begründung vgl. Ausschußbericht, BT-Drs. 12/8060, S. 183. 169

§ 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 2. Halbs. BAPostG sieht vor, daß die Aktiengesellschaft Telekom bis zum 31. Dezember 1999 nur durch Kapitalerhöhung gegen Einlage am Kapitalmarkt eingeführt werden darf. Die Satzung der Telekom ermächtigt den Vorstand für diese fünf Jahre, eine Kapitalerhöhung vorzunehmen, jedoch um nicht mehr als einen Nennwert von fünf Milliarden DM. Die Festlegung auf die Kapitalerhöhung hat zur Folge, daß der Privatisierungserlös dem Unternehmen zugute kommt. Vgl. Ausschußbericht, BT-Drs. 12/8060, S. 183f. Fangmann/Lörcher/Scheurle/Schwemmle/Wehner, §3 BAPostG Rnr. 18f. Zum Verfahren Herres, Arch PT 1994, 302 (305f). 170 Vgl. Ausschußbericht, BT-Drs. 12/8060, S. 183. 171 Vgl. zur sog. „Platzhalterlösung" Börsenzeitung , Veröffentlichung der Deutschen Telekom AG gem. § 25 Abs. 1 S. 1 WpHG vom 5.1.1998; wib 9/97, S. 50, „Über Verkauf von Aktien nachdenken"; FAZ v. 26.6.1997, „Bund parkt Telekom-Aktien bei der KfW"; FAZ v. 12.11.1998, Nr. 263, S. 26, „KfW übernimmt Telekom-Aktien"; FAZ v. 23.1.1999, S. 22, „Weitere Telekom-Aktien des Bundes bei der KfW". Zur zugrundeliegenden Strategie, eine Überkreuzbeteiligung mit der France Telecom herbeizuführen, vgl. FAZ v. 27.6.1997, „Sommer: Die Telekom ist frei für neue Partner"; Die Welt v. 2.6.1997, „Verkauf von Telekom-Aktien möglich und sinnvoll" (Interview mit dem Vorstand der BAnst PT Bernrath). 2 % ihrer Aktien veräußerte die KfW daher 1998 an die France Telecom weiter. Vgl. FAZ v. 18.9.1998, Nr. 217, S. 27, „KfW: 2 Prozent der Telekom-Aktien verkauft". Für die Deutsche Post AG stellt das BMF ähnliche Überlegungen an, vgl. FAZ v. 9.7.1998, Nr. 156, S. 16, „Platzhalterlösung für Verkauf der Post". 172

Vgl. FAZ v. 26.10.1998, Nr. 248, S. 17, „Telekom verschiebt zweiten Börsen-

gang". 173 Dabei wurde die Veräußerungsbereitschaft der Kleinanleger aber durch das Versprechen von Treueaktien zunächst gedämpft. Vgl. Forum T-Aktie direkt 1/99, S. 4 und zum Streit um die Besteuerung dieser Aktien FAZ v. 27.8.1998, Nr. 198, S. 15, „Steuer auf Telekom-Treueaktien".

64

1. Teil: Unabhängigkeit als organisationshistorische Konstante

III. Materielle Privatisierung Die zentrale Aussage des Art. 87f GG ist das Bekenntnis zur Privatwirtschaftlichkeit. 174 Das nach einiger Überlegung gewählte Adverb „privatwirtschaftlich" bezeichnet eine Wirtschaftsweise. 175 Damit setzt das Grundgesetz eine etwas andere Betonung als der staatsrechtliche Privatisierungsbegriff. Dessen Begrifflichkeit kommt typischerweise vom Staat als Subjekt her. 176 Sie geht von traditionellen Leitvorstellungen der Systematik des Verwaltungsrechts aus, namentlich einem an die Rechtspersönlichkeit anknüpfenden Staatsverständnis, das die sphärische Trennung von Staat, Gesellschaft und Individuum betont und etwaige Übergänge als punktuelle Eingriffe begreift. 177 Dies akzentuiert „Privatisierung" anders als die der Postreform vorangegangene wirtschaftswissenschaftliche Diskussion über die Privatisierung der Telekommunikation. 178 Im volkswirtschaftlichen Kontext zielt der Privatisierungsbegriff ähnlich wie der der Deregulierung auf Verhaltensmuster und Regelungsstrukturen, die als staatlich oder gesellschaftlich gelten. 179 Das Europarecht verwendet hierfür den noch deutlicher modal gefärbten Begriff der Liberalisierung. 180 Die Gemeinschaft ist durch Art. 222 EGV daran gehindert, eine am Rechtssubjekt ansetzende Verlagerung von eigentümerischer Verantwortlichkeit im Sinne einer

174

Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 1; Windthorst,

Universaldienst,

S. 165. 175

Zur Entstehungsgeschichte vgl. Windthorst, Universaldienst, S. 171 f. Vgl. Osterloh, VVDStRL 54 (1995), S. 204 (21 Of). Beispielhaft Bauer, VVDStRL 54(1995), S. 243 (250f). 177 Dazu Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Schuppert (Hrsg.), Reform, S. 11 (36). Weiterführend Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1996), S. 160 (225227); Di Fabio , VVDStRL 56 (1996), S. 235 (264 und passim). 178 Zum Verhältnis der Rechtswissenschaft gegenüber der Wirtschaftswissenschaft Osterloh, VVDStRL 54 (1995), S. 204 (208f und 211 Fn. 20). Gegen die ideologische Besetzung des Begriffes „Privatisierung" durch eine bestimmte Richtung innerhalb der Wirtschaftswissenschaften Schoch, DVB1. 1994, 962 (965). 179 Vgl. Windisch, in: ders. (Hrsg.), S. 1 (8): „Vom Standpunkt einer ökonomischen Theorie der Verfugungsrechte aus bezeichnet „Privatisierung" alle Prozesse, die den Einflußbereich politischer Verfügungsrechte über ökonomische Güter zugunsten des Dispositionsraums privater Verfugungsrechte vermindern. Daß die Unterscheidung eine zwischen verschiedenen Ordnungsstrukturen ist, wird auch deutlich bei Hermes, S. 152. Vgl. zur Deregulierung Angelika Benz, Privatisierung und Deregulierung - Abbau von Staatsaufgaben?, Die Verwaltung 1995, 337. Das modale Verständnis nehmen Schoch, DVB1. 1994, 962 (973) und Isensee, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 54 (1995), 303, auf, die eine reine Organisationsprivatisierung als „Scheinprivatisierung" ansehen. Damit wird die aus der englischen Erfahrung zu gewinnende Erkenntnis vorweggenommen, daß eine formelle oder Vermögensprivatisierung keinen Wettbewerb schafft. Vgl. Dagtoglou, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 54 (1995), 321. 176

180 Vgl. Windthorst, Universaldienst, S 118; Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1997, S. 3; Mitteilung über die Umsetzung 1995, S. 2.

3. Abschnitt: Das PTNeuOG 1994

65

Vermögens- oder Organisationsprivatisierung zu verlangen. 181 Folglich ist die Kommission unter dem Panier der Liberalisierung angetreten, gemeinschaftsweit Verhaltensoptionen zu schaffen, d.h. Märkte zu öffnen. Diese modale Konnotation nimmt der Wortlaut des Art. 87f auf, wenn er von der „privatwirtschaftlichen" Tätigkeit spricht. Der Verfassung geht es daher nicht allein darum, die Verantwortung für die Leistungserbringung auf die Unternehmen des Bundes und andere Private zu verlagern. Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG erklärt vielmehr die privatwirtschaftliche Verhaltensweise in der Telekommunikation zum Verfassungsgebot. Eine solche Öffnung zugunsten gesellschaftstypischer Verhaltensweisen läßt sich als materielle oder Aufgaben-Privatisierung bezeich-

1. Privatwirtschaftlichkeit als wettbewerbliche und unternehmerische Orientierung Der ursprüngliche Entwurf des Art. 87f GG hatte das Angebot der Dienstleistungen als eine „private Tätigkeit" der Unternehmen des Bundes und seiner „Wettbewerber" bezeichnet.183 Die Verpflichtung auf die Privatwirtschaftlichkeit bringt noch deutlicher zum Ausdruck, daß das Privatisierungsprogramm für die Unternehmen des Bundes ein Doppeltes bedeutet: 184 Nach außen hin hat sich die Deutsche Telekom AG dem Wettbewerb durch andere private Anbieter zu stellen. Dies ergibt sich deutlich aus der ursprünglichen Formulierung des Art. 87f GG. 1 8 5 Es entspricht auch den europäischen Richtlinien, die Art.87f GG gewissermaßen rezipierte. 186 Systematisch ist die Öffnung für den Wettbewerb die notwendige Konsequenz des Art. 143b Abs. 2 S. 1 GG. Denn diese Vorschrift gestattete es zwar, den Unternehmen des Bun-

181 Die z.B. von de Cockbome, in: Scott/Audéoud, 97 (103) betonte europarechtliche Privatisierungneutralität schließt daher nicht aus, daß die Gemeinschaft einen materiellen Privatisierungsdruck aufbaut. Vgl. Bauer, VVDStRL 54 (1995), S. 243 (260); Reiner Schmidt, Privatisierung und Gemeinschaftsrecht, Die Verwaltung 28 (1995), 281. 182 So Stern, DVB1. 1997, 309 (310); Osterloh, VVDStRL 54 (1995), S. 204 (223); Bauer, VVDStRL 54 (1995), S. 243 (251 Fn. 41); Fangmann/Lörcher/Scheurle/Schwemmle/Wehner, Einleitung Rnr. 2; ausfuhrlich Windthorst, Universaldienst, S. 181. Zur Lehre von den Staatsaufgaben Schmidt-Aß mann, Ordnungsidee, S. 138 ff. 183 Fraktions- und Regierungsentwurf, BT-Drs. 12/6717, S. 2. Zur Änderung Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 54 Fn. 4; Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87f Rnr. 25. 184 Vgl. Windthorst, Universaldienst, S. 173. Zum Doppelgehalt der Privatwirtschaftlichkeit auch Stern, DVB1. 1997, 309 (310). 185 Vgl. Fraktions- und Regierungsentwurf, BT-Drs. 12/6717, S. 2; Rechtsausschuß, BT-Drs. 12/8108, S. 5. 186 Vgl. Windthorst, Universaldienst, S. 195; Badura, in: Bonner Kommentar, Art. 87f Rnr. 7-9.

5 Oertel

66

1. Teil: Unabhängigkeit als organisationshistorische Konstante

des ausschließliche Rechte zu verleihen und erhob damit das Fernmeldemonopol ex post zum Verfassungssatz. Dies galt aber nur für eine Übergangszeit.187 Nach dieser Zeit mußte das ausschließliche Recht aufgehoben und die privat wirtschaftliche, d.h. wettbewerbliche Leistungserbringung gefordert werden. 188 Innerhalb des Unternehmens tritt die privatwirtschaftliche an die Stelle der gemeinwirtschaftlichen Orientierung. 189 Die Verfassung normiert in Art. 87f GG ein Primat der Kommerzialisierung, 190 Sie verlangt eine an kaufmännischen Grundsätzen ausgerichtete, gewinnorientierte Unternehmensfuhrung. 191 Eine dem bisherigen § 4 PostVerfG vergleichbare Zielsetzung für das Bundesunternehmen wurde damit ausgeschlossen.192 Mit der privatwirtschaftlichen Ausrichtung gibt Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG der Rechtsformumwandlung der Deutschen Bundespost ihren inhaltlichen Sinn. 193 Indem das Eigentum an den Wirtschaftsgütern des Fernmeldewesens formell privatisiert wird, wandelt sich seine Funktion: 194 Es sichert die Gemeinwohldienlichkeit seiner Verwendung nicht mehr unmittelbar. Vielmehr entsteht der öffentliche Nutzen erst aus der Summe privatnütziger Eigentumsverwendungen. 195 Um dieser mittelbaren Nützlichkeit willen verpflichtet Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG das Unternehmen nicht nur auf die privatwirtschaftliche Orientierung, er schützt es auch gegen eine an anderen Maximen orientierte Einflußnahme des Bundes. 196 Folgerichtig versagt sich die 187 Zu weitgehend aber Scheurle/Mayen/Lehr, Einleitung, S. 2, die aus Art. 87f iVm. 143b GG eine auf den 1.8.1996 befristete Handlungspflicht des Gesetzgebers ableiten. 188 Eingehend zum Wettbewerbsziel Windthorst, Universaldienst, S. 195-207. 189 Eine Absage an die verwaltungsmäßige Leistungserbringung erkennt Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 2; Badura, in: Bonner Kommentar, Art. 87f Rnr. 24, verlangt die „unternehmerische Aufgabenerfullung"; ähnlich Rottmann, Arch PT 1994, 193 (194) und Hubertus Gersdorf, Der Staat als Telekommunikationsunternehmer, AfP 1998, 470 (471 f). Für die Bundesbahn Hommelhoff/Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), 521 (532-537); Wieland, Die Verwaltung 28 (1995), 315 (332). 190

Begriff und Darlegung der Einschränkungen (Infrastrukturauftrag, Regulierung, Monopol, Bundesunternehmensverwaltung) bei Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 34-36. Ähnlich Badura, in: Bonner Kommentar, Art. 87f Rnr. 20: „Unternehmenswirtschaftlichkeit". 191 Vgl. Windthorst, Universaldienst, S. 173. 192 Vgl. Uerpmann, in: v. Münch/Kunig, Art. 87f Rnr. 11, zur Herausnahme aus dem immanenten Gemeinwohlauftrag der staatlichen Verwaltung. 193 Einen Effizienzvergleich öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Form bietet Peter Vest, Die formelle Privatisierung öffentlicher Unternehmen, ZögU 21 (1998), 189. 194 Vgl. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR III, § 59 Rnr. 85. 195 Im Wortsinne fabelhafte Darstellung dieser Vermittlung in der Satire von Bernard de Mandeville, Die Bienenfabel oder Private Laster, öffentliche Vorteile, Erstaufl. London 1714, neu aufgelegt, übersetzt und kritisch kommentiert, Frankfurt 1968. 196 Diese Bedeutung der Privatwirtschaftlichkeit stellt Badura, in: Bonner Kommentar, Art. 87f Rnr. 24, heraus. Ähnlich Windthorst, Universaldienst, S. 192 u. 207. Zur politischen Instrumentalisierung der früheren Deutschen Bundespost Eifert, S. 119 ff.

3. Abschnitt: Das PTNeuOG 1994

67

Bundesverwaltung nach Art. 87f Abs. 3 GG, über das gesetzliche Maß hinaus Einfluß auf die Unternehmen auszuüben bzw. an ihrem operativen Geschäft teilzunehmen. 197

2. Funktionale Privatisierung Infolge der Entfaltung des Wettbewerbs und des unternehmensinternen Maximenwechsels wandelt sich die Aufgabe des Staates im Fernmeldewesen. 198 Dieser Rollenwandel findet einen deutlichen Ausdruck in Art. 87f Abs. 1 GG. Demnach gewährleistet der Bund, daß angemessene und ausreichende Telekommunikationsdienstleistungen flächendeckend vorgehalten werden. Diese Vorschrift präzisiert die im vormaligen Aufgabenkern des Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG enthaltene Verpflichtung zur Daseinsvorsorge nach ihrem Umfang, nach der Art und Weise ihrer Erfüllung und ihrer Fortschreibung. 199 Den Umfang der staatlichen Verpflichtung bestimmt sie als eine Grundversorgungsgarantie. 200 Die Erfüllung des Gewährleistungsauftrages ist privatwirtschaftlich zu organisieren. 201 Die Dienstleistungen iSd. Art. 87f Abs. 1 GG sollen nach Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG durch die Unternehmen des Bundes und andere private Anbieter erbracht werden. 202

197

Vgl. § 3 Abs. 4 BAPostG; § 2 Abs. 3 S. 1 Satzung BAnst PT. Auch die Satzung der Deutschen Telekom AG, Anhang zu § 11 Abs. 2 PostUmwG, verpflichtete das Unternehmen nicht auf ein besonderes öffentliches Interesse. 198 Zum folgenden ausfuhrlich Windthorst, Universaldienst, S. 232 ff; sektorübergreifend Hermes, S. 336 ff. 199 Zur Reichweite der Versorgungspflicht unter Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG a.F. Mayer, Bundespost, S. 104-106 mwN.; Steiner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb StR III, 2. Aufl., § 81 Rnr. 35. Zur Abgrenzung der Gewährleistungsverantwortung von der Daseinsvorsorge Hermes, S. 340 ff; zur Kontinuität des Gemeinwohlgedankens Eberhard Witte, Bleibt das Gemeinwohl auf der Strecke? Zur Deregulierung der Telekommunikation, ZögU 20(1997), 434. 200

Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 79; Windthorst, Universaldienst, S. 257 f; Eifert, S. 192 f; Trute, VVDStRL 57 (1998), S. 216 (253). 201 Vgl. zur Instrumentalisierung der privatwirtschaftlichen Rationalität für Zwecke der Daseinsvorsorge für die Schienennetzversorgung durch Art. 87e Abs. 3 GG Homme! hoff/Schmidt-Aß mann, ZHR 160 (1996), 521 (528). Allgemein auch Osterloh, VVDStRL 54 (1995), S. 204 (229). Hermes, S. 341, beobachtet hierin einen Übergang von der Leistungs- zur Lenkungsverwaltung. 202 Zur Unterscheidung von Universaldienst Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG und Universaldienstgewährleistung nach Abs. 1 auch Windthorst, Universaldienst, S. 89.

68

1. Teil: Unabhängigkeit als organisationshistorische Konstante Der Bund hat also lediglich daflir zu sorgen, daß das privatwirtschaftliche

System

die

Grundversorgung

bereitstellt.

Die

unmittelbare

Erfullungs-

verantwortung des Art. 87 Abs. 1 S. 1 G G a.F. nimmt Art. 8 7 f Abs. 1 G G auf eine Systemverantwortung z u r ü c k . 2 0 3 D e m entspricht es, daß die Grundversorgung typischerweise mit den M i t t e l n der eingreifenden und korrigierenden Hoheitsverwaltung zu gewähren i s t 2 0 4 und daß Art. 8 7 f Abs. 1 GG sich als ein Staatsziel, nicht als ein Anspruch gegen den Staat versteht. 2 0 5 Die Dynamik des Telekommunikationssektors w i r d allerdings eine Fortschreibung des Gewährleistungskernes erfordern. 2 0 6 Dafür sieht Art. 8 7 f Abs. 1 G G eine gesetzliche Regelung vor und deutet damit einen auch organisationsrechtlich zu bewältigenden Ausgestaltungsauftrag a n . 2 0 7 Zunächst w i r d aber die von Art. 8 7 f Abs. 1 GG gebotene Grundversorgung, soweit der Bund sie i m Wege bundeseigener Verwaltung bislang selbst bereitgestellt hatte, funktional privatisiert.

203

„Systemverantwortung" meint dabei daß, der Staat wird aus der Erfüllungsverantwortung im Einzelfall entlassen wird, aber für die Funktion des Gesamtsystems verantwortlich bleibt, dabei aber dessen Struktur achten und erhalten muß. In der Abgrenzung zur Erfül lungs Verantwortung spricht Windthorst, Universaldienst, S. 235 von einer komplementär-akzessorischen, aber eben nicht subsidiären „Förderungs-, Ordnungs-, Kontroll- und Einstandsverantwortung des Staates". Die dem Einzelfall übergeordnete Bedeutung hebt Hermes, S. 340 hervor, wenn er von „Systemsteuerung" spricht. Zur Systemkompatibilität zwischen Privatisierungsgebot und Infrastrukturgewährleistung Stern, DVB1. 1997, 309 (315 f) und Eifert, S. 208. Allgemein zur Kategorie staatlicher Verantwortung Hermes, S. 154 ff, der die Gewährleistungsverantwortung auf einer abstrakteren Ebene sieht als die von Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann/Schuppert (Hrsg.), Reform, S. 11 (44) unterschiedenen Formen der Rahmen-, Beratungs-, Überwachungs-, Organisations-, Einstands- und Erfüllungsverantwortung. Dazu auch Schoch, DVB1. 1994, 962 (975) und Bauer, VVDStRL 54 (1995), S. 243 (278 ff). Zur Klärung der Begrifflichkeit Gunnar Folke Schuppert, Die öffentliche Verwaltung im Kooperationsspektrum staatlicher und privater Aufgabenerfullung: Zum Denken in Verantwortungsstufen, in: Die Verwaltung 1998, 415 (419 ff); SchmidtAßmann, Ordnungsidee, S. 154 ff. 204 Vgl. §§ 8, 4 Abs. 3, 7 PTRegG, § 1 a Abs. 2 FAG; §§ 17 ff TKG. § 2 Abs. 3 PTRegG forderte, die Ziele der Regulierung „mit möglichst marktkonformen Mitteln" zu verfolgen. 205 Ausführlich Stern, DVB1. 1997, 309 (313ff); ebenso Badura, in: Bonner Kommentar, Art. 87f Rnr. 28; Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87f Rnr. 14; eingehend ders., Universaldienst, S. 330-342. Ähnlich Uerpmann, in: v. Münch/Kunig, Art. 87f Rnr. 7: Objektiv rechtlicher Verfassungsauftrag. Undeutlich Fangmann/Lörcher/Scheurle/Schwemmle/Wehner, Art. 87f Rnr. 3: Inhaltliche Infrastrukturgarantie. Zur Umsetzung im Verfahren der Präsidentenkammer unten S. 421 ff. 206 Vgl. § 17 Abs. 1 u. Abs. 2 S. 2 TKG sowie Eifert, S. 185; Windthorst, Universaldienst, S. 235 f; Hermes, S. 250 f. 207 Zu letzterem Eifert, S. 198 ff.

3. Abschnitt: Das PTNeuOG 1994

69

3. Unechte Aufgabenprivatisierung Da sich der Staat nach der Postreform II aus der Verantwortung für Fernmeldedienste zurückzieht, kommt es zu einer materiellen Privatisierung. Solange der Bund aber noch bestimmender Anteilseigner des marktbeherrschenden Telekommunikationsunternehmens bleibt, läßt sich nur von einer unechten Aufgabenprivatisierung sprechen. 208

IV. Die Regulierung zur Privatisierung Das skizzierte Privatisierungsprogramm ist zugleich ein Verwaltungsauftrag: Der Staat muß den Wandel der eigenen Aufgaben voranbringen, indem er sich aus der Erfullungsverwaltung zurückzieht, die private Leistungserbringung im Wettbewerb stimuliert und einen Gewährleistungsmechanismus installiert. Im Anschluß an Art. 87f GG bezeichnete das verfassungsbegleitende Gesetz über die Regulierung der Telekommunikation und des Postwesens (PTRegG) daher die Regulierung als hoheitliche Aufgabe des Bundes. 209 Es setzte ihr zum Zweck, ein flächendeckendes, angemessenes und ausreichendes Angebot von Dienstleistungen sicherzustellen. 210 Die staatliche Regulierung erscheint damit als eine Folge der Privatisierung und ein Instrument der Liberalisierung. 211 Ihre Intensität bildet in einer Momentaufnahme zu jedem Zeitpunkt eine bestimmte

208 Vgl. zur unechten Aufgabenprivatisierung Badura, in: Bonner Kommentar, Art. 87f Rnr. 24; ebenso Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87f Rnr. 24; Fangmann/Lörcher/Scheurle/Schwemmle/Wehner, Art. 87f Rnr. 1. Zum Begriff Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 19 mit Fn. 17-19. Nach Reiner Schmidt, in: FS-Lerche, S. 365 (971) läßt sich spätestens dann von einer Aufgabenprivatisierung sprechen, wenn die staatliche Steuergewalt nicht mehr über die Mittel der normalen Wirtschaftsaufsicht hinausgeht. Die CDU/CSU-Fraktion in Ausschußbericht, BT-Drs. 12/8060, S. 179 sieht die „volle ... Aufgabenprivatisierung" im Grundgesetz verankert. Windthorst, Universaldienst, S. 185, meint, dazu müßte der Bundesanteil an der Deutschen Telekom AG unter 25 % absinken. 209 Gesetz über die Regulierung der Telekommunikation und des Postwesens (PTRegG), verkündet als Art. 7 des PTNeuOG v. 14.9.1994, BGBl. I, S. 2325. 210 Vgl. § 1 PTRegG. Ihre hoheitliche Instrumentalität unterscheidet die Regulierung nach dem PTRegG von der sog. gesellschaftlichen Selbstregulierung. Dazu SchmidtPreuß, VVDStRL 56 (1996), S. 160 (162-165); Di Fabio , VVDStRL 56 (1996), S. 235 (238-241). 211 Vgl. Joachim Wieland, Der Wandel von Verwaltungsaufgaben als Folge der Postprivatisierung, Die Verwaltung 28 (1995), 315; Windthorst, Universaldienst, S. 344. Gunnar Folke Schuppert, Staatsaufsicht im Wandel, DÖV 1998, 831. Zur „Reregulierung" auch die Diskussionsbeiträge von Pitschas, VVDStRL 54 (1995), 324 u. Schuppert, VVDStRL 54 (1995), 309.

70

1. Teil: Unabhängigkeit als organisationshistorische Konstante

Konstellation staatlicher und gesellschaftlicher Verantwortung ab. 212 Dynamisch, über einen gewissen Zeitraum hinweg, erweist sich die staatliche Regulierung ebenso wie Privatisierung und Liberalisierung als ein Prozeß. 213 Folgerichtig definierte PTRegG den Begriff der Regulierung nicht abschließend.214 Vielmehr umschrieb es ihn über sein hoheitliches Instrumentarium und den benannten Zweck. Diesen Zweck fächerte es in weitere Ziele auf, namentlich ein flächendeckendes, modernes und preisgünstiges Dienstleistungsangebot, die Chancengleichheit ländlicher Räume, den diskriminierungsfreien Zugang zu Telekommunikationsdienstleistungen, die effektive Verwaltung knapper Ressourcen sowie soziale, Verbraucher- und datenschützende Belange. 215 Diese Zielsetzung trennt die Regulierung im Fernmeldewesen von der privatwirtschaftlichen Disposition der Unternehmen. Das PTRegG fügte damit dem im bisherigen PostVerfG nur angedeuteten Unterscheidungsmerkmal der hoheitlichen Aufgabe ein finales Kriterium hinzu. Dennoch bleiben die genannten Belange vage und ausfüllungsbedürftig. Zu ihrer weiteren Ausführung trug der Gesetzgeber weder im PTRegG noch im gleichfalls geänderten F A G 2 1 6 entscheidend bei. 2 1 7 Die treibenden Kräfte der Postreform II erschöpften sich in der Organisationsprivatisierung. 218 So blieb es bei der schon in der Postreform I vorgenommenen Dreiteilung des Leistungsregimes in Monopolbereich, Wettbewerbsbereich und Pflichtlei-

212

Vgl. Hermes, S. 5 f, S. 337 ff. Skalen hierfür hat die Rechtswissenschaft bereitgestellt. Vgl. Trute, DVB1. 1996, 950 (952-954); Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb.d.StR., § 57 Rnr. 139. 213 Zur Prozeßnatur der Privatisierung Bauer, VVDStRL 54 (1995), S. 243 (254). Die grundlegende Theorie eines Lebenszyklus der Regulierung formulierte Marver H. Bernstein Regulating Business by Independent Commission, Princeton 1955. 214 Zu einer funktionalen Definition der Regulierung unten S. 124 ff. 215 Vgl. § 2 Abs. 1 u. Abs. 2 PTRegG. Dazu Eifert, S. 167 f. 216 Vgl. Art. 5 PTNeuOG v. 14.9.1994, BGBl. I, S. 2325, ber. BGBl. I, S. 103. Das gesamte FAG in dieser Fassung ist abgedr. bei Fangmann/Lörcher/Scheurle/Schwemmle/Wehner, S. 416-432. 217 Von einer „Privatisierung ohne Liberalisierung" spricht daher Scherer, CR 1994, 418. Ähnliche Mestmäcker, in: ders. (Hrsg.), Kommunikation II, S. 13 (101); Grämlich, NJW 1994, 2785 (2790f); Riehmer, in: Mestmäcker (Hrsg.), Kommunikation II, S. 369 (372). 218 Mit ihr sollte die TELEKOM für die Kosten des Netzaufbaus in den neuen Bundesländern entschädigt, von personellen Lasten befreit und in die Tätigkeit jenseits der Grenzen einer Bundesverwaltung entlassen werden. Vgl. Berger, ZögU, Beiheft 19, 1996, 36, 38-40 u. Grämlich, NJW 1994, 2785 (2786); Fangmann/Löreher/Scheurle/Schwemmle/Wehner, Art. 143b Rnr. 2.; Bullinger, in: Mestmäcker (Hrsg.), Kommunikation II, S. 349 (354-366); Scholz/.Aulehner, Arch PT 1993, 221 (232f). Aus Sicht des Unternehmens Hefekäuser, ZGR 1996, 385 (390). Zur Auslandstätigkeit Bundesrat, BTDrs. 12/7269, S. 7; Rechtsausschuß, BT-Drs. 12/8108, S. 6; Scholz/.Aulehner, Arch PT 1993,221 (233).

3. Abschnitt: Das PTNeuOG 1994

71

stungen. 219 Das wettbewerbsöffnende Verleihungsermessen war durch eine ministerielle Verordnung, aber nicht aus dem Gesetzes heraus zu konturieren. 220 Als Kriterien für die Bestimmung der Pflichtleistungen nannte § 8 PTRegG lediglich das öffentliche Interesse, insbesondere der Daseinsvorsorge, einerseits und die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Unternehmen andererseits. Die Entgeltregulierung wurde nicht - wie vorgeschlagen 221 - durch Diskriminierungsverbote strukturiert, sondern lediglich an die Regulierungsziele gebunden. 222 Sie konnten in ihrer Ambivalenz kaum leitende Kraft entfalten. 223 Als final steuerndes Regelwerk eröffnete das PTRegG also das Privatisierungsprogramm des Art. 87f GG, überließ seine Ausfüllung aber dem vollziehenden Ministerium. 224 B. Die Organisation der Verwaltung nach der Postreform I I In seiner materiell-rechtlichen Zurückhaltung lenkt das verfassungsbegleitende Gesetzeswerk den Blick zurück auf seinen organisationsrechtlichen Gehalt. Die Überführung der Deutschen Bundespost in die Rechtsform der Aktiengesellschaft zog neue Handlungsformen der Unternehmensaufsicht nach sich (dazu I) und ließ eine eigenständige Unternehmensverwaltung entstehen (dazu II), ohne aber die zentrale Bedeutung des Postministeriums zu schmälern (dazu III).

219

Die Deutsche Telekom AG genoß demnach bis auf weiteres das Netz- und Telefondienstmonopol (§ 1 Abs. 2 S. 2 u. Abs. 4 S. 4 FAG). Soweit Monopolleistungen in Rede standen, blieb es bei einer den veränderten Bedingungen angepaßten Tarifgenehmigung. Vgl. § 4 Abs. 1 S. 1 PTRegG, den der Fraktionsentwurf, BT-Drs. 12/6718, S. 108 Zu § 4 zutreffend als „Nachfolgeregelung" zu § 28 Abs. 1 iVm. § 23 Abs. 3 Nr. 4 PostVerfG bezeichnet. Pflichtleistungen konnten im Verordnungswege abverlangt werden. Vgl. § 8 Abs. 1 PTRegG, der dem bisherigen § 25 Abs. 2 PostVerfG entspricht. So Fraktionsentwurf, BT-Drs. 12/6718, S. 109 Zu § 8. Als liberalisiert konnte nur der Endgerätemarkt gelten (§ 1 Abs. 3 u. §§ 2a- 2e FAG; dazu Grämlich, NJW 1994, 2785 (2791)). Allerdings durften nicht alle geeigneten Anrichtungen an das öffentliche Netz angeschlossen werden (§ 2b Abs. 1 FAG). 220 Die Verordnungsermächtigung des § 2 Abs. 2 FAG nannte keine Bedingungen für die weitere Marktöffnung und war deswegen mit Art. 80 GG nur schwer zu vereinbaren. Auch der parallele § 1 Abs. 5 FAG konnte dem Gesetzesvorbehalt kaum genügen. Vgl. Scherer, CR 1994, 418 (425); Martina, NJW 1995, 681 (683-585) mwN. 221 Vgl. Ausschußbericht, BT-Drs. 12/8060, S. 110. 222 Vgl. § 4 Abs. 2 S. 1 PTRegG u. Ausschußbericht, BT-Drs. 12/8060, S. 200 Zu § 4. Eingehend Ossenbühl, Arch PT 1996, 207 (232-234). Eine weitere, systematisch nicht zweifelsfreie Konkretisierung erfolgte durch § 13 Abs. 4 TKV 1995. 223 Vgl. Ossenbühl, Arch PT 1996, 207 (234) zur Tarifregulierung. Ähnlich Riehmer, in: Mestmäcker (Hrsg.), Kommunikation II, S. 369 (394). Die Grenzen zivilgerichtlicher Kontrolle zeigt BGH, CR 1998, 664 = K & R 1998, 397 zur „Tarifreform 1996". 224 Martina, NJW 1995, 681 (685) spricht zusammenfassend von einer „der Exekutive eingeräumtefn] Machtfülle".

72

1. Teil: Unabhängigkeit als organisationshistorische Konstante /. Neue Handlungsformen

der

Unternehmensaufsicht

Der Deutschen Telekom A G entzog die Organisationsprivatisierung

der

Deutschen Telekom ihren Status als Bundesverwaltung. 2 2 5 Dies zog eine A n passung der Regulierungsinstrumente nach sich. Die abstrakt-generelle A b grenzung der Monopolrechte konnte nicht mehr durch allgemeine Verwaltungsvorschriften erfolgen; 2 2 6 eine ministerielle Rechtsverordnung übernahm diese Regelungsfunktion. 2 2 7 Daneben schuf das PTRegG eine weitere, handlungsförmlich nicht näher kategorisierte Möglichkeit, Änderungen an Inhalt und Umfang der ausschließlichen Rechte der Deutschen Telekom zu bestimmen.228

Auch

im

übrigen

wich

die allgemeine

T E L E K O M enumerativen Eingriffsbefugnissen.

229

Rechtsaufsicht

über

die

Namentlich die Entgeltre-

225 In der Folge verlor sie auch ihre bisherigen Zuständigkeiten für Erwerbsanzeigen, Durchsuchungen und Außerbetriebsetzungen in der Anlage- und Einrichtungsüberwachung von den Fernmeldeämtern der Deutschen Telekom, die auf den Bundesminister fur Post und Telekommunikation übergingen. Vgl. §§ 5b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 lit. h) u. i) u. Nr. 3, 21 Abs. 2, 22 Abs. 1 S. 3 FAG. Sie wurde nach Stefan Küppers, Die Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost und ihre Stellung gegenüber dem Petitionsausschuß des Deutschen Bundestages, Arch PT 1995, 109, auch den Verpflichtungen gegenüber dem Ausschuß gem. Art. 17 GG entzogen, der daher Eingaben wegen überhöhter Telefonrechnungen nicht nachgehen konnte. Dagegen Erich Röper, Parlamentarische Kontrolle privatisierter öffentlicher Daseinsvorsorge, Der Staat 37 (1998), 249 (274). Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat deswegen eine Organklage unter dem Az. 2 BvE 2/97 erhoben. 226 Vgl. Martina, NJW 1995, 681 (682); Scherer, CR 1994, 418 (424). 227 § 2 Abs. 2 FAG. Aufgrund dieser Vorschrift ergingen die Verordnung zur Öffnung von Märkten für Dienstleistungen sowie zur Regelung von Inhalt, Umfang und Verfahren der Verleihung im Bereich der Telekommunikation (TelekommunikationsVerleihungsverordnung - TverleihV) v. 19.10.1995, BGBl. I., S. 1434), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 36 Begleitgesetz, BGBl. I, 1997, S. 3108, abgedr. bei Fangmann/Lörcher/Scheurle/Schwemmle/Wehner, S. 542-556, die den Markt für geschlossene Benutzergruppen (§ 2), erweiterte Grundstücksanlagen (§ 8), Empfangs- und Verteilanlagen für Rundfunksignale (§ 13) und bestimmte Funkanlagen (§ 20) teils durch Allgemeingenehmigungen selbst öffnete bzw. die Erteilung von Einzelgenehmigungen oder Verleihungen gestattete. Zum Verfahren §§ 26ff. Für Mobilfunknetze die Verordnung über Verleihungen zum Errichten und Betreiben privater Übertragungswege in öffentlichen Mobilfunknetzen (Mobilfunk-Telekommunikations-Verleihungsverordnung MTVerleihV) v. 23.10.1995, BGBl. I, S. 1446, aufgehoben durch Art. 2 Abs. 37 Begleitgesetz, BGBl. I, 1997, S. 3108, abgedr. bei Fangmann/Lörcher/Scheurle/Schwemmle/Wehner, S. 556-557. Zur Unklarheit der Abgrenzung zwischen § 1 Abs. 5 und § 2 Abs. 2 FAG Grämlich, VerwArch 88 (1997), 598 (627). Dort auch weitere Nachweise zur TverleihV. 228 Zu § 1 Abs. 5 FAG vgl. Scherer, CR 1994, 418 (425 Fn. 51). Wegen der Außenwirkung gegenüber der Deutschen Telekom nimmt Grämlich, VerwArch 88 (1997), 598 (627) eine Allgemein Verfügung an. Kritisch zur Reichweite des § 1 Abs. 5 FAG Königshofen,, Arch PT 1995, 112 (124). 229 Die ursprünglich angedachte umfassende Überwachungskompetenz (vgl. Ausschußbericht, BT-Drs. 12/8060, S. 109; Königshofen, Arch PT 1995, 112 (124)) be-

3. Abschnitt: Das PTNeuOG 1994

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gulierung, die sich bislang in eine Kontrolle von Aufsichtsratbeschlüssen gekleidet hatte, vollzog sich nunmehr durch Verwaltungsakte. 2 3 0 Die zuvor einheitlich verwaltungsbinnenrechtlich getragene Rechtsbeziehung des Bundes zu seinen Unternehmen spaltete sich also in eigentümerische, aktienrechtlich vermittelte und in regulatorische, hoheitlich vermittelte Einwirkungsrechte. Damit wurde zugleich das „sich ergänzende System von Mitwirkungsrechten" des PostVerfG entzerrt. 2 3 1 Insoweit führte die gesellschaftsrechtliche Verselbständigung der Deutschen Telekom nicht nur zu einer Kanalisierung, sondern auch zu einer Einbuße an ministeriellen Steuerungsmöglichkeiten. 2 3 2 Postkritische Beobachter hielten dieses „Vertrauen auf die Selbstkontrolle der früheren Staatsunternehmen" für verfrüht. 2 3 3 Es stellt sich aus Sicht des Parlamentes zugleich als eine Verkürzung von parlamentarischen Kontrollrechten dar, zumal die Bundesregierung die Auskunft darüber verweigert, wie ihre Vertreter im Aufsichtsrat der Deutschen Telekom A G abstimmen. 2 3 4

schränkte sich nach § 3 Abs. 1 PTRegG auf den Monopolbereich und ließ offen, ob sie auch eine Eingriffsbefugnis eröffnete. Vgl. Scherer, CR 1994, 418 (424); Grämlich, VerwArch 88 (1997), 598 (625); Riehmer, in: Mestmäcker (Hrsg.), Kommunikation II, S. 369 (377). 230 Für den Monopolbereich vgl. § 4 Abs. 1 PTRegG als Nachfolgeregelung zu §§23 Abs. 3 Nr. 4 iVm. 28 Abs. 3 Nr. 3 PostVerfG. Zu Pflichtleistungen vgl. § 4 Abs. 3 PTRegG als Nachfolgeregelung zu § 28 Abs. 2 PostVerfG. Vgl. auch die Untersagungsund Abschöpfungsbefügnisse in §§ 5 Abs. 2, 6 PTRegG. 231 Dazu oben S. 52 ff. Hommelhoff/Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), 521 (544 ff) fassen die Parallelentwicklung bei der Bundesbahn unter die Überschrift: „Von der Kompetenzvermischung zur Kompetenztrennung". 232 Auf der Mängelliste finden sich der Verzicht auf eine der Verleihung an Wettbewerber entsprechende Genehmigung für die Deutsche Telekom AG zugunsten ihrer gebührenfreien gesetzlichen Privilegierung; der Wegfall der Rechtsaufsicht, den die befugnislose Zuständigkeit des Ministers zur Monopolaufsicht kaum kompensieren konnte (vgl. § 27 PostVerfG u. § 3 Abs. 1 PTRegG); das gänzliche Fehlen von Auskunftsrechten und Untersuchungsbefugnissen (§ 31 PostVerfG); der Wegfall der politischen Zielvorgabe (§ 25 Abs. 1 S. 2 PostVerfG); und der Möglichkeit, zwischen Aufsichtsrat und Vorstand vermittelnd einzugreifen (§ 24 Abs. 3 S. 1 PostVerfG) sowie die Wirtschaftsführung der Unternehmen über die Genehmigung von Aufsichtsratbeschlüssen zu beeinflussen (vgl. § 23 Abs. 3 iVm. § 28 PostVerfG). Zusammenfassend Riehmer, in: Mestmäcker (Hrsg!), Kommunikation II, S. 369 (375f); Scherer, CR 1994, 418 (423 f)· 233 Zitat Mestmäcker, in: ders. (Hrsg.), Kommunikation II, S. 13 (107). Ähnlich So Scherer, CR 1994, 418 (423); Riehmer, in: Mestmäcker (Hrsg.), Kommunikation II, S. 369 (373, 394). A.A. Königshofen, Arch PT 1995, 112 (127), der kaum materielle Änderungen wahrnimmt. 234 Vgl. dazu die Anfrage des Abgeordneten Kiper, ob der Staatssekretärs im BMF Stark im Aufsichtsrat der Deutschen Telekom AG einer Klage gegen die Interconnection-Entscheidung des BMPT zugestimmt habe. Die Bundesregierung sah sich zu einer Antwort außerstande, weil die Fragestellung auch unternehmensinterne Entscheidungsvorgänge ziele, „die besonderen Vertraulichkeitspflichten unterliegen", BT-Drs. 13/8748, S. 57, abgedruckt in Arch PT 1998, S. 93. Vgl. BGH Ζ 63, 325 (332); Mertens, in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, hrsg. von Wolfgang Zöllner, 2. Aufl., Dez.

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1. Teil: Unabhängigkeit als organisationshistorische Konstante

Ungeachtet dieser einzelnen Bedenken ist hervorzuheben, daß die Reduktion unternehmerischer Einwirkungsrechte im Ganzen mit ihrer Konzentration und Formalisierung einherging. 235 Mit der Organisationsprivatisierung nahm das Instrumentarium der Regulierung die aus dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht vertrauten Handlungsformen des Außenrechts an.

IL Die entstehende Unternehmensverwaltung Im Schatten der Organisationsprivatisierung entstand auch die Bundesanstalt Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost (BAnst PT). 2 3 6 Dieser Anstalt wurden nach Art. 87f Abs. 3 GG die Aufgaben des Bundes in Bezug auf die Unternehmen übertragen. Zwischen den Bund und sein Unternehmen trat eine unternehmensverwaltende Stelle. Ihr wies die verfassungsbegleitende Gesetzgebung vor allem die Verwaltung der Anteile des Bundes an den Unternehmen sowie die Fortführung der betrieblichen Sozialeinrichtungen zu. 2 3 7 Trotz ihrer rechtlichen Verselbständigung blieb die Anstalt in der Wahrnehmung dieser Aufgaben aber eng an das aufsichtsführende Postministerium angebunden.238 So bestimmte das Ministerium vor allem die Eckdaten der Börseneinführung und damit der Vermögensprivatisierung der Deutschen Telekom A G . 2 3 9 Die anstaltliche Unternehmensverwaltung konnte sich zunächst kaum aus dem postministeriellen Bannkreis herauslösen.

III. Die zentrale Stellung des Postministeriums Zentrale politische Instanz blieb auch nach der Postreform II das Bundespostministerium (BMPT). 2 4 0 Hinsichtlich der materiellen Privatisierung ergab 1995, § 116 Rnr. 50; Hans-Peter Schwintowksi, Verschwiegenheitspflicht für politisch legitimierte Mitglieder des Aufsichtsrates, NJW 1990, 1009 (1014); Eberhard SchmidtAßmann/Peter Ulmer, Die Berichterstattung von Aufsichtsratsmitgliedern einer Gebietskörperschaft nach § 394 AktG, BB 1988, Beilage 13. Zum Verlust parlamentarischer Kontrolle über ein formell privatisiertes Unternehmen vgl. Gusy, ZRP 1998, 265 (267 ff). 235 Vgl. Bullinger, in: Mestmäcker (Hrsg.), Kommunikation II, S. 349 (366); Königshofen, Arch PT 1995, 112 (127); Michael Rottmann, Zur Postreform II, Arch PT 1993, 220. Aus Sicht des Unternehmens auch Hefekäuser, ZGR 1996, 385 (393). 236 Vgl. Art. 87f Abs. 3 GG; § 1 Abs. 1 BAPostG. 237 Vgl. § 3 BAPostG. Aus diesem Grunde spricht das folgende von Unternehmensverwaltung. Einzelheiten unten S. 130 ff. 238 Vgl. § 2 BAPostG. Ausführlich unten S. 164 ff. 239 Vgl. BAnst PT, Geschäftsbericht 1995, Bonn o.J., S. 9 f. 240 Ähnliche Bewertung aus politologischer Sicht bei Thorein, Rundfunk und Fernsehen 1997, 185 (293).

3. Abschnitt: Das PTNeuOG 1994

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sich die Schlüsselstellung des B M P T in erster Linie aus der durch das PTRegG in seiner Befristung angeordneten weiteren Gesetzesreform. 241 Hierzu legte das B M P T 1995 ein Eckpunktepapier v o r . 2 4 2 Gleichzeitig vermittelte es als Fachressort die Einflußnahme auf die Fortschreibung des europarechtlichen Harmonisierungs- und Liberalisierungsprogramms. 2 4 3 A u c h soweit die Bundesregierung relevante Verordnungen erließ, 2 4 4 wiesen die einschlägigen Ermächtigungen ausdrücklich dem Bundespostministerium die Federführung z u . 2 4 5

Der

Postminister selbst erließ namentlich die Verordnungen bzw. Anordnungen, die die weitere Marktöffnung

strukturierten. 2 4 6 I h m oblag es weiterhin, durch

Verleihung i m Einzelfall Konkurrenz zur Deutschen Telekom A G zu lizensieren. 2 4 7 Dabei setzte er auch die Gebühren für eine Verleihung und für ggf. erforderliche Frequenznutzungen fest. 2 4 8 M i t h i n bestimmte der Minister die Rechtsbedingungen des weiteren Marktzutritts. Die übrigen Befugnisse des Ministers i m Wettbewerbs- und Pflichtleistungsbereich blieben unverändert. 2 4 9

241 Vgl. § 28 FAG u. § 23 PTRegG. Politischen Druck erzeugte indes vor allem die Befristung des PostG. Vgl. Postgesetz (PostG) v. 22.12.1997, BGBl. I, 1997, s. 3294; Knauth/Husch, Ordnungspolitische Neugestaltung des Postsektors, Arch PT 1997, 5-18. 242 Vgl. BMPT\ Eckpunkte eines künftigen Regulierungsrahmens im Telekommunikationsbereich v. 27.3.1995, abgedr. in Arch PT 1995, 149-153 und den Referentenentwurf für ein TKG v. 27.7.1995. Aus Sicht des Bundestagsausschusses für Post und Telekommunikation dazu Börnsen, Jahrbuch Telekommunikation und Gesellschaft 1996, 396 (396); Börnsen, Jahrbuch Telekommunikation und Gesellschaft 1997, 367 (367373). 243 Der Beschluß des Ministerrates, das Telefondienstmonopol aufzuheben, ging der Verabschiedung der Postreform II voraus, der Beschluß zur Aufhebung des Netzmonopols folgte ihr nach. Vgl. Martina, NJW 1995, 681 (685) und die Entschließung des Rates v. 22.7.1993 zur Prüfung der Lage im Bereich Telekommunikation und zu den notwendigen künftigen Entwicklungen in diesem Bereich (93/C 213/01), ABl. EG Nr. C 213 v. 6.8.1993, S. 1 (3) sowie die Entschließung des Rates v. 22. 12. 1994 über die Grundsätze und den Zeitplan für die Liberalisierung der Telekommunikationsinfrastrukturen (94/C 379/03), ABl. EG Nr. C 379 v. 31.12.1994, S. 4, Ziff. 3. 244

Die Bundesregierung blieb wie bisher für den Erlaß der Verordnungen über Pflichtleistungen, Kundenschutz und Datenschutz zuständig. Auch die Benehmenserfordernisse, die dem Wirtschaftsminister einen gewissen Einfluß auf die Entgeltregulierung verliehen, entsprachen denen des PostVerfG (vgl. § 4 Abs. 1 S. 1 PTRegG für die Genehmigung von Monopolleistungsentgelten u. § 4 Abs. 3 S. 2 PTRegG für den Widerspruch gegen Pflichtleistungsentgelte und die früheren § 28 Abs. 3 Nr. 1 u. § 28 Abs. 2 S. 2 PostVerfG). Insoweit trifft es im Vergleich zur bisherigen Rechtslage nicht zu, daß die Postreform II die grundlegenden Entscheidungen in die Hand der Bundesregierung gelegt hätte. So aber Königshofen, Arch PT 1995, 112 (125 u. 127). 245

Vgl. § 8 Abs. 1 S. 1, § 9 S. 1 PTRegG, die weithin wörtlich den § 30 PostVerfG wiederholen. 246 § 1 Abs. 5 u. § 2 Abs. 2 FAG. Vgl. oben Fn. 227 ff. 247 § 2 Abs. 1 FAG. 248 § 2 Abs. 3 S. 1 FAG. 249 Zum Endgerätemarkt vgl. § 2a Abs. 3 S. 1, 2b Abs. 5, 2c Abs. 1 S. 1, 2 e Abs. 2 S. 1 FAG sowie die Verordnung über die Personenzulassung zum Aufbauen, Anschal-

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1. Teil: Unabhängigkeit als organisationshistorische Konstante

Erste Konturen gab das Gesetz den Anforderungen an die technische Sicherh e i t 2 5 0 und der Frequenzordnung, ohne aber die ministerielle Kompetenz insoweit zu schmälern. 2 5 1 U m so bedeutsamer ist die Gestaltung, die die ministerielle Organisation durch das PTRegG erfahr. Es bildete den bisherigen Infrastrukturrat zum Regulierungsrat fort (1) und errichtete erstmals Beschlußkammern ( 2 ) . 2 5 2

1. Der Regulierungsrat Wie der bisherige Infrastrukturrat setzte sich der Regulierungsrat aus 32 Mitgliedern zusammen, von denen 16 den Bundestag vertraten. Die übrigen 16 waren jedoch nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes nicht mehr Vertreter des Bundesrates, sondern der Länder. 2 5 3 Wichtigen Beschlüssen mußte nunmehr eine Mehrheit der Ländervertreter zustimmen (Sperrquorum). 2 5 4 Die i m PostVerfG noch enthaltene Regelung, daß die Mitglieder des Rates weder auftrags- noch weisungsgebunden seien, entfiel. 2 5 5

ten, Ändern und Instandhalten von Telekommunikationsendeinrichtungen 1995 (Personenzulassungverordnung 1995 - PersZulV 1995) v. 13.12.1995, BGBl. I, 1995, S. 1691, abgedr. bei Fangmann/Lörcher/Scheurle/Schwemmle/Wehner, S. 557-567, und Verordnung über die Konformitätsbewertung, Kennzeichnung, Zulassung und das Inverkehrbringen von Telekommunikationseinrichtungen (Telekommunikationszulassungsverordnung 1995 - TKZulV 1995) v. 13.12.1995, BGBl. I, 1995, S. 1671, ber. BGBl. I, 1996, S. 451, abgedr. aaO., S. 567-581. Zur Anzeige nicht genehmigungspflichtiger Dienste § la Abs. 2 S. 1 FAG. Zur Pflichtleistungsgewähr vgl. § 4 Abs. 3 u. § 13 Abs. 3 Nr. 2 PTRegG sowie § la Abs. 2 S. 1 FAG. Zur Entgeltregulierung im Monopolbereich § 4 Abs. 1 S. 1, § 5 Abs. 2 , § 6 Abs. 1 S. 1 PTRegG. Zur Quersubventionierung § 7 S. 2 u. 3 PTRegG. Dazu Peter Badura, Die Regulierungsbefugnisse des Bundesministers für Post und Telekommunikation bei einem Ausgleich zwischen Dienstleistungen der Deutschen Post AG, Arch PT 1996, 318. 250 Vgl. § 10a Abs. 2 S. 1 FAG. 251 § 3 Abs. 2 S. 2 enthielt eine Verordnungsermächtigung, § 3 Abs. 2 S. 1 PTRegG eine Aufgabenstellung. Zur Mitwirkung des Regulierungsrates vgl. § 13 Abs. 2 Nr. 4 u. § 13 Abs. 3 Nr. 6 PTRegG. 252 Vgl. zur Gliederung des Ministeriums im übrigen die Graphik in BMPT, Das Bundesministerium für Post und Telekommunikation und sein Geschäftsbereich, Bonn o.J. (1997), S. 3. 253 Vgl. § 11 Abs. 1 PTRegG u. § 33 Abs. 1 S. 2 PostVerfG. Der Bundesrat selbst hatte, ohne auf Widerstand der Bundesregierung zu stoßen, noch angeregt, zur früheren Form zurückzukehren. Vgl. Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 12/7270, S. 17 Nr. 48. 254 § 13 Abs. 3 S. 2 PTRegG im Gegensatz zu § 33 Abs. 3 S. 2 PostVerfG. Auch das Sperrquorum hatte der Bundesrat nicht für notwendig erachtet. Vgl. Bundesrat, BT-Drs. 12/7270, S. 17 Nr. 48. 255 Vgl. § 32 Abs. 2 PostVerfG.

3. Abschnitt: Das PTNeuOG 1994

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Zwar führte § 14 PTRegG die Regelung des Poststrukturgesetzes 256 fort, nach der der Bundesminister angesichts eines Beschlusses des Regulierungsrates, der nach seiner Ansicht im Interesse der Politik der Bundesrepublik nicht zu berücksichtigen war, eine Letztentscheidung der Bundesregierung veranlassen konnte. Aber auch hier galt, daß die gesetzlich vorgesehene Balance nur durch eine behutsame Ausübung des Letztentscheidungsrechts zu halten war. Insgesamt stärkte das PTRegG die Position der einzelnen Landesregierung innerhalb des Regulierungsrates. 257 Im Verhältnis zum Minister stand dem Regulierungsrat vor allem das Recht zu, über Vorlagen des Ministers zu den Verordnungen der Bundesregierung, über ministerielle Entscheidungen zur Marktöffhung und über Maßnahmen der Entgeltregulierung zu beschließen.258 Leitende Positionen in der Regulierung sollte der Minister im Benehmen mit dem Rat besetzen.259 Das PTRegG löste zudem das Recht des Regulierungsrates, Auskünfte einzuholen, Anträge zu stellen und Stellungnahmen herbeizuführen, aus seiner Beschränkung auf infrastrukturelle Angelegenheiten.260 Wenngleich er auf einzelne Mitwirkungsrechte in der Unternehmensverwaltung verzichten muß, gewann der Rat also insgesamt an Bedeutung. 261 Insbesondere die Länder erlangten Mitwirkungsrechte, die über die herkömmlich föderalen Belange der Infrastruktursicherung und der Frequenzordnung hinausgingen.262 Deswegen hat der Vorwurf, die bundesstaatliche Kompetenzgliederung sei mißachtet worden, manches für sich. 263

256

§ 35 PostVerfG, der seinerseits an § 13 PostVerwG anknüpfte. Betont im Fraktionsentwurf, BT-Drs. 12/6718, S. 3. 258 Vgl. § 13 Abs. Abs. 2 u. 3 PTRegG. In der Entgeltregulierung war seine Mitwirkung somit nicht mehr auf die Versagung der Genehmigung beschränkt, sondern erstreckte sich auf jede Entscheidung und war somit gegen Umgehungsversuche besser gefeit. Vgl. die Forderung des Bundesrates, BT-Drs. 12/7270, S. 18 Nr. 52, gegen die sich die Bundesregierung ohne Erfolg wandte, aaO., S. 30 Zu Nr. 52. Zu § 34 Abs. 2 Nr. PostVerfG oben Fn. 117 ff. Zu diesen Mitwirkungsbefugnissen gesellte sich an versteckter Stelle das Recht, im Streit über die Abschaltung von Endgeräten durch einen Netzbetreiber dann durch den Teilnehmer angerufen zu werden, wenn der Minister der Abschaltung bereits zugestimmt hatte. Vgl. § 2a Abs. 5 S. 3 FAG. 257

259 Vgl. §13 Abs. 4 u.Abs. 7 PTRegG und Fraktionsentwurf, BT-Drs. 12/6718, S. 109 Zu § 13. 260 Vgl. § 13 Abs. 5 PTRegG u. § 33 Abs. 5 PostVerfG. 261 Der Forderung in der Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 12/7270, S. 7 Nr. 1, in den Verwaltungsrat der BAnst PT zwei Vertreter zu entsenden, hielt die Gegenäußerung der Bundesregierung, aaO., S. 26 Zu Nr. 1, entgegen, daß die Länder auf die Erfüllung des Infrastrukturauftrages über den Regulierungsrat Einfluß nehmen könnten.

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1. Teil: Unabhängigkeit als organisationshistorische Konstante

Über den Ländervertretern dürfen aber die Repräsentanten des Bundestages nicht vernachlässigt werden. 264 Die Stärkung des Regulierungsrates führte ungeachtet seiner föderalen Schieflage auch dazu, daß die parlamentarische Kontrolle über das Postministerium an Intensität zunahm. Sie kompensierte gewissermaßen die Offenheit des materiellen Gesetzesrechts organisatorisch. Innerhalb eines offenen, in hohem Maße konkretisierungsbedürftigen Programmes ist die Mitwirkung eines solchen, parlamentarisch beschickten Gremiums systemstimmig. 265

2. Die Beschlußkammern Während der Regulierungsrat aus der Tradition des Infrastrukturrates kam, waren die Beschlußkammern nach §§ 15ff PTRegG ein novum in der Geschichte der Postverwaltung. Ihr einziges und im Gesetzestext deutlich erkennbares Vorbild waren die Beschlußabteilungen nach den damaligen §§48 Abs. 2-5 u. 5 I f f GWB. 2 6 6 Nach diesem Vorbild richtete das BMPT je eine Beschlußkammer für die Telekommunikation und das Postwesen ein. Diese Kammern setzten sich aus drei Lebenszeitbeamten mit der Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst zusammen. Sie sollten in einem justizähnlichen Verfahren über Verstöße gegen gesetzliche oder ministerielle Verhaltensanordnungen befinden. 267 Anstelle eines Vorverfahrens sah das Gesetz vor, daß die Beschlußkammern ihre Entscheidungen in einem sog. Schlichtungsverfahren wechselseitig überprüften. 268 Dem Minister räumte das Gesetz das Recht ein, die Be-

262 Unter Hinweis auf die Präsenz föderaler Belange im Regulierungsrat wies daher die Bundesregierung die Forderung des Bundesrates zurück, Verordnungsermächtigungen um ein Zustimmungsrecht des Bundesrates zu erweitern. Vgl. Bundesrat, BT-Drs. 12/7270, S. 12/7270, S. 16 Nr. 44 u. Bundesregierung, aaO., S. 30 Zu Nr. 44. Zur Bewertung vgl. Mestmäcker, in: ders. (Hrsg.), Kommunikation II, S. 13 (108); Scherer, CR 1994,418(426). 263 Eine - unzulässige - Misch Verwaltung beobachten Uerpmann, in: v. Münch/Kunig, Art. 87f Rnr. 13; Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 38; Windthorst, Universaldienst, S. 373. 264 So war der Vorsitzende des Postausschusses im Bundestag, Arne Börnsen, nicht nur Mitglied des Regulierungsrates; er rückte 1998 auch in die Position eines Vizepräsidenten der Regulierungsbehörde ein. 265 Vgl. Ossenbühl, Arch PT 1996, 207 (234). 266 Vgl. § 16 PTRegG und § 51 GWB; § 17 PTRegG und § 53 GWB; § 18 und § 57 PTRegG. Dazu Fraktionsentwurf, BT-Drs. 12/6718, S. 110. In der Fassung des GWB v. 26.8.1998 entspricht dem bisherigen § 48 nunmehr § 51, die bisherigen §§ 51 ff den §§ 54 ff. 267 Vgl. §§ 15-17 PTRegG.

3. Abschnitt: Das PTNeuOG 1994

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schlußkammern i m Interesse der Bundesrepublik Deutschland zu veranlassen, ihren Beschluß zu überdenken und erneut zu beschließen. 2 6 9 I m übrigen lenkte das PTRegG die ministerielle Einwirkung auf die Beschlußkammern in die Formen von zu veröffentlichenden Richtlinien und einer Geschäftsordnung. 2 7 0 Unter diesen Vorbehalten bezeichnete es die Beschlußkammern ausdrücklich als „ u n a b h ä n g i g " . 2 7 1 Z u einer Probe auf die Unabhängigkeit der Beschlußkammern vom Postminister kam es jedoch nicht. Denn die Beschlußkammern hatten sich nach dem Gesetz auf eine ex post-Aufsicht in Einzelfallen zu beschränken. 2 7 2 Diese Kompetenzregelung war zu eng, als daß die Beschlußkammern die weitere Entwicklung auch nur in Ansätzen hätten prägen können. 2 7 3 Die erste Beschlußkammerverfugung erging erst i m Dezember 1995. 2 7 4

268

Vgl. §§ 19 Abs. 1, 20 Abs. 3 PTRegG. Vgl. zu dieser form- und fristgebundenen Aufforderung § 21 Abs. 2 PTRegG. Dem Fraktionsentwurf, BT-Drs. 12/6718, S. 110 Zu § 21, schien dieses Instrument notwendig, um die verfassungsrechtliche Ressortverantwortung des Ministers im Einzelfall realisieren zu können. 270 § 21 Abs. 1 PTRegG. 271 § 15 Abs. 1 PTRegG. 272 So ausdrücklich Fraktionsentwurf, BT-Drs. 12/6718, S. 110 Zu § 15. Von sekundären Aufsichtsrechten spricht Mestmäcker, in: ders. (Hrsg.), Kommunikation II, S. 13 (109). Ähnlich Berger, ZögU, Beiheft 19, 1996, 36 (45). 273 Die erste Kompetenz der Beschlußkammern knüpfte an Anordnungen an, die der Minister aufgrund des § 3 Abs. 1 PTRegG erlassen hatte (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 PTRegG). Da diese Norm nur eine Aufgabe bestimmte, ohne eine Befugnis zu gewähren, blieb ihre Reichweite zweifelhaft. Die zweite Kompetenz der Beschlußkammern bestand in der Überwachung von Maßnahmen gegen eine beeinträchtigende Quersubventionierung (§ 15 Abs. 2 Nr. 2 iVm. § 7 S. 2 PTRegG). Zu solchen Maßnahmen kam es nicht. Drittens konnten die Beschlußkammern die Anwendung genehmigter Leistungsentgelte überwachen (§ 15 Abs. 2 Nr. 3 iVm. § 4 PTRegG). Dabei blieb aber ungeklärt, wie sich die Aufsicht der Beschlußkammern zur Kompetenz des Ministeriums verhielt, die Anwendung ungenehmigter Tarife zu unterbinden und Mehrerlöse abzuschöpfen (§ 5 Abs. 2 PTRegG; § 6 PTRegG. Dazu BK-Vfg, Arch PT 1996, 179 (181)). Zur Tarifkontrolle durch die Zivilgerichtsbarkeit vgl. Ossenbühl, Arch PT 1996, 207 und BGH, Pressemitteilung 53/1998 v. 2.7.1998, abgedr. in NJW 31/1998, XV. Potentiell umfassend war lediglich die vierte und letzte Kompetenzzuweisung, nach der die Beschlußkammern die Einhaltung der Pflichtleistungsverordnung, der Kundenschutzverordnung und der Datenschutzverordnung überwachen sollten (§ 15 Abs. 2 Nr. 4 PTRegG). 269

274 Vgl. BK-Vfg, Arch PT 1996, 179 mit Anm. Leffler (182). Die Verfügung behandelte die Umrüstung von Freistempelmaschinen und stützte sich auf § 15 Abs. 2 Nr. 1,3 und 4 PTRegG. Erstritten wurde sie in eigener Sache von einer Rechtsanwaltskanzlei (!). Soweit ersichtlich ist lediglich eine weitere Entscheidung ergangen und zwar zur Schließung einer Postfiliale. Vgl. FAZ v. 26.9.1998, Nr. 224, S. 16, „Briefmarkenver-

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1. Teil: Unabhängigkeit als organisationshistorische Konstante

C. Fazit Mit der Grundsatzentscheidung für die privatwirtschaftliche Verfassung der Telekommunikation akzeptierte die Ordnungspolitik in der Postreform II eine neue Systemsicht. An die Stelle des technischen Codes tritt ein wirtschaftlicher. Dies impliziert auch, daß mit fortschreitender Privatisierung der leistungsstaatliche Charakter des Systems zugunsten seiner wirtschaftlichen Eigenrationalität zurücktritt. Dazu formulierte die Postreform II ein verfassungsrechtliches Privatisierungsprogramm, ohne aber selbst über eine Organisationsprivatisierung hinauszugelangen. Die Umwandlung der Deutschen Bundespost TELEKOM in die Deutsche Telekom AG lenkte die Beziehungen des Bundes zu seinem Unternehmen in außenrechtsförmliche, hoheitlich und aktienrechtlich gesicherte Bahnen. Sie entzerrte das bisherige System von Mitwirkungsrechten. Es kam zu einer Funktionstrennung zwischen hoheitlicher Regulierung und unternehmerischer Aktiengesellschaft. Zwischen diesen beiden Institutionen bildete sich in der Anstalt nach Art. 87f Abs. 3 GG die Wahrnehmung von Aufgaben des Bundes in bezug auf die Unternehmen als dritter Aufgabenkreis heraus. Die Organisationsprivatisierung vertiefte und erweiterte also die funktionelle Unabhängigkeit. Die BAnst PT unterlag aber, zumal während der Vermögensprivatisierung der Deutschen Telekom AG, intensiver postministerieller Aufsicht. Das BMPT war zugleich für die Regulierung zuständig. Die Postreform II erhob die Regulierung zwar zum Gegenstand eines eigenen Gesetzes, entwickelte das Leistungsregime aber im Vergleich zur Postreform I kaum weiter. Das PTRegG zielte im wesentlichen auf die Binnenorganisation des Ministeriums. Dabei erwiesen sich die von ihm vorgesehenen „unabhängigen" Beschlußkammern als praktisch wirkungslos. Sie konnten keinen Einfluß auf die weitere Entwicklung des Privatisierungsprogrammes nehmen. Dessen Fortschreibung oblag dem Minister. Seine Befugnisse goß die Postreform II in die Formen des Außenrechts und unterwarf sie der Einflußnahme des Bundestages und der Länder, vertreten durch den Regulierungsrat. Der Übergang zu Handlungsformen des Außenrechts ist zunächst eine rechtstechnisch notwendige Konsequenz der formellen Privatisierung. Gemeinsam mit der Errichtung des Regulierungsrates dokumentiert er aber auch das Bemühen, die ministerielle Ordnungspolitik in der Ausführung des gesetzlich nur angerissenen Privatisierungsprogramms organisationsrechtlich und handlungsförmlich zu konturieren und so parlamentarisches und föderales Terrain zu gewinnen. In diesem Zuge stellt sich auch der Regulierungsrat als ein Gremium dar, daß die Einbindung der großen Parteien in die Konkretisierung des Art. 87f GG kauf im Container aus Protest gegen die Post". Diese Ende 1997 getroffene Entscheidung dürfte aber sogleich durch das neue PostG überholt worden sein.

. Abschnitt: Das T G 199

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sicherstellt und damit die in der Verfassungsänderung zum Ausdruck kommende Intensität politischer Abhängigkeit organisationsrechtlich fortfuhrt.

Vierter Abschnitt

Das T K G 1996: Entscheidung für die Marktöffnung Kaum, daß sich Nachfolgeunternehmen zu Aktiengesellschaften gewandelt hatten, begann im Frühjahr 1995 die Arbeit an der Nachfolgeregelung zu PTRegG und FAG. 2 7 5 In Verbindung mit einer politikwissenschaftlichen Analyse zeigt sich hier, daß das Organisationsrecht über seine Parameter funktionelle und politische Unabhängigkeit die Leistungsfähigkeit der weiteren Gesetzgebung bestimmte: 276 Indem das federführende Postministerium von der Deutschen Telekom AG abgelöst wurde, gewann es Distanz zu seinem wichtigsten Informationslieferanten. 277 In den Zwischenraum konnten andere Informations- und Interessenträger eindringen. 278 Die funktionelle Trennung vergrößerte demnach die Informationsaufnahmefahigkeit der politischen Zentrale. Das BMPT war einerseits hinreichend eng mit der Politik verbunden, um gesetzesvorbereitend tätig zu sein, andererseits aber von den beteiligten Interessenkoalitionen so weit distanziert, um als ehrlicher Vermittler akzeptiert zu werden. So konnte es sich zum zentralen Politikmakler in der Vorbereitung des TKG entwickeln. 279 Binnen Jahresfrist entstand das TKG. Es trat zum 1. Au-

275 Vgl. den Vorsitzenden des Postausschusses Börnsen, Jahrbuch Telekommunikation und Gesellschaft 1996, 396 (396) u. Jahrbuch Telekommunikation und Gesellschaft 1997,367 (367). 276 Vgl. dazu die wissenszentrierte Analyse zum Zustandekommen des TKG von Thorsten Thorein, Liberalisierung und Re-Regulierung im Politikfeld Telekommunikation, Rundfunk und Fernsehen 1997, 286. Dieser Artikel referiert die Ergebnisse von Thorein, Policy-Analyse im Politikfeld Telekommunikation in der Bundesrepublik Deutschland, Wiesbaden 1997. Aus Sicht der polit-ökonomischen Theorie vgl. Markus Voeth, Entmonopolisierung von Märkten - Das Beispiel Telekommunikation, BadenBaden 1996, S. 157 ff. 277 Zur Informationsasymmetrie zugunsten der Deutschen Telekom vgl. nur Thorein, Rundfunk und Fernsehen 1997, 286 (296) für die Verhandlungen um das TKG. Für den früheren Zustand vgl. Scherer, Telekommunikationsrecht, S. 478 u. 745 f. 278

Prägnant hierfür die von Börnsen, Jahrbuch Telekommunikation und Gesellschaft 1996, 367 (371) berichtete Auseinandersetzung um die technische Möglichkeit der Netzbetreiberportabilität. 279 Vgl. Voeth, S. 170 ff u. 177ff; Thorein,, Rundfunk und Fernsehen 1997, 286 (293295). Im Anschluß an Mayntz hält auch Dreier, S. 197 Fn. 174 die Spitzenbürokratie für eine „wichtige Repräsentationsinstanz und Vermittlungsagentur gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen". 6 Oertel

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1. Teil: Unabhängigkeit als organisationshistorische Konstante

gust 1996 in Kraft und bildet seitdem den Kern des deutschen Telekommunikationsrechts. 2 8 0 Das T K G verdiente sich gleichwohl nicht den Titel „Postreform

III".281

Denn es beschränkte sich auf das Fernmeldewesen. Die verschieden starke europarechtliche Durchdringung, die Unterschiede in Grad und Tempo der Marktö f f n u n g 2 8 2 und der grundgesetzlich festgeschriebene Verzicht auf eine Vermögensprivatisierung der Deutschen Post A G 2 8 3 beschleunigten das regulatorische Auseinanderdriften von Post und Telekommunikation, deren betriebliche Einheit schon lange fraglich gewesen w a r . 2 8 4 In der Organisation der Regulierung

280 Vgl. § 100 Abs. 1 S. 3 TKG. Darstellungen des TKG bei Joachim Scherer, Das neue Telekommunikationsgesetz, NJW 1996, 2953; ders., Die Entwicklung des Telekommunikationsrechts in den Jahren 1996 und 1997, NJW 1998, 1607; Geriti Manssen, Das Telekommunikationsgesetz (TKG) als Herausforderung für die Verfassungs- und Verwaltungsrechtsdogmatik, Archiv PT 1998, 236; Roland Doli, Das Neue Telekommunikationsgesetz, in: Kubicek/Klump/Müller/Neumann/Raubold/Roßnagel (Hrsg.), Jahrbuch Telekommunikation und Gesellschaft 1996, S. 350; dersin: Jung/Warnecke (Hrsg.), S. 6-47 ff; Ludwig Grämlich, Entwicklungen der staatlichen Wirtschaftsaufsicht: Das Telekommunikationsrecht als Modell?, VerwArch 88 (1997), 598; Christoph Hiltl/Klaus Großmann, Grundfragen des neuen deutschen Telekommunikationsrechts, BB 1996, 169; Anne Kemmler, Telekommunikationsgesetz (TKG), Arch PT 1996, 321; Hubertus Leo/Martin Schellenberg, Die Regulierungsbehörde fur Telekommunikation und Post, Z U M 1997, 188; Raimund Schütz/Michael Esser-Wellié , Wettbewerb in der Telekommunikation. Anmerkungen zum Entwurf eines Telekommunikationsgesetzes, AfP 1995, 580; Hans-Peter Schwintowski, in: Ulrich Immenga/Natalie Lübben/HansPeter Schwintowski (Hrsg.), Telekommunikation: Vom Monopol zum Wettbewerb, Baden-Baden 1998, S. 11 (39); Felicitas Twickel, Die neue deutsche Telekommunikationsordnung, NJW-CoR 1996, 226. Textzusammenstellung mit Einfuhrung bei Klaus Dieter Scheurle/Gernot Lehr/Thomas Mayen, Telekommunikationsrecht, München 1997. Monographisch aus Sicht der neuen Wettbewerber Wolfgang Büchner/Jörg Ehmer/Martin Geppert/Bärbel Kerkhoff/Hermann-Josef Piepenbrock/Raimund Schütz/Fabian Schuster (Hrsg.), Beck'scher TKG-Kommentar, München 1997, als Materialzusammenstellung Helmut Fangmann, Das neue Telekommunikationsgesetz, Heidelberg 1997; wirtschaftswissenschaftlich orientiert Klaus Lammich, Telekommunikationsrecht, Neuwied u.a., Loseblatt, Stand: März 1998; anwendungsfreundlich Martin Geppert/Ernst-Olav Ruhle/Fabian Schuster, Handbuch Recht und Praxis der Telekommunikation, Baden-Baden 1998; im Eigenverlag Martina Etling-Ernst, Kommentar zum Telekommunikationsgesetz, Ratingen 1996. 281 Den z.B. Scherer, CR 1994, 418 (426) vorweggenommen hatte. Dazu auch Windthorst, Universaldienst, S. 402. 282 Postgesetz (PostG) v. 22.12.1997, BGBl. I, 1997, S. 3294. Hier hatte § 31 PostG a.F. buchstäblich eine Einigung in letzter Minute erzwungen. Diese Vorschrift hatte die Geltung des PostG auf den 31.12.1997 befristet, so daß ohne eine Neuregelung das gesetzliche Postmonopol ersatzlos entfallen wäre. Der neue § 51 PostG gestand der Deutschen Post AG eine gesetzliche Exklusivlizenz zu, bis zum 31.12.2002 Briefe unter 200 g zu befördern. 283 Art. 143b Abs. 2 S. 2 GG verbietet eine Aufgabe der Kapitalmehrheit vor dem 1.1.2000, ließe also eine Teilprivatisierung zu. 284 Oben S. 76 ff.

. Abschnitt: D s

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besteht die Einheit allerdings fort: Das neue PostG verweist ausdrücklich auf den Zehnten Teil des TKG über die Regulierungsbehörde. 285 Diese bezeichnete sich auch schon im TKG als „Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post". 286 Insoweit mag das TKG als Post-Organisations-Reform III gelten. Für das Fernmeldewesen setzte das TKG zunächst die europarechtlichen Vorgaben zur Marktöffnung und das verfassungsrechtliche Programm in einen Kodex der Regulierung um (A). Dessen materiell-rechtliche Vorschriften traten sogleich in Kraft, während organisationsrechtlich zunächst die Zuständigkeit des Postministeriums unangetastet blieb (B). Neben seinen regulatorischen Aufgaben hatte das Ministerium daher zugleich die eigene Überführung in die Regulierungsbehörde nach §§66 ff TKG zu organisieren (C). Indem deren Errichtung gesetzlich verzögert wurde, blieb der Postminister für weitere anderthalb Jahre die zentrale Instanz der Telekommunikationspolitik (D).

A. Ein Überblick über das T K G Das TKG vollzog im Fernmeldewesen, was die Diensterichtlinie angeordnet und Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG iVm. Art. 143b Abs. 2 S. 1 GG ermöglicht hatten: die rechtliche Öffnung der Telekommunikationsmärkte. Zum 1. August 1996 erlosch das ausschließliche Recht der Deutschen Telekom, Übertragungswege zu betreiben (Netzmonopol). 287 Das Sprachtelefondienstmonopol wurde auf den 31.12.1997 befristet. 288 An die Stelle des staatlichen Monopols trat ein System hoheitlicher Regulierung, das sich dem Zweck verpflichtete, den Wettbewerb zu fördern, flächendeckend ausreichende und angemessene Dienstleistungen zu gewähren und eine Frequenzordnung festzulegen. 289 Unternehmen, die im bisherigen Monopolbereich tätig werden wollen, benötigen demnach eine Lizenz. 290 Das TKG regelt in seinem Zweiten Abschnitt zunächst die Lizenzerteilung und räumt, vorbehaltlich gewisser Zulassungsvoraussetzungen und der Knappheit von Frequenzen, einen Anspruch auf Lizenzierung ein. An die Stelle der bisherigen Konzessionspflicht trat ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. 291 Die sogleich nach Inkrafttreten des TKG er285

§ 44 PostG. § 66 Abs. 1 TKG. 287 § 99 Abs. 1 Nr. 1 a) TKG hob § 1 Abs. 2 FAG auf. 288 § 99 Abs. 1 Nr. 1 b) TKG u. § 1 Abs. 4 FAG. Änderungen aufgrund des § 1 Abs. 5 FAG idF. des § 99 Abs. 1 Nr. lc) TKG sind, soweit ersichtlich, nicht erfolgt. 289 § 1 TKG. Zu den Regulierungszielen nach § 2 Abs. 2 TKG vgl. Windthorst, Universaldienst, S. 414 ff. 290 § 6 Abs. 1 Nr. 1 TKG für Übertragungswege, Nr. 2 fur Sprachtelefondienst. 291 So zu § 6 TKG Schütz, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 6 Rnr. 3. Spoerr/Deutsch, DVB1. 1997, 300 (309) qualifizieren die Lizenz wegen der Verbindung mit 286

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1. Teil: Unabhängigkeit als organisationshistorische Konstante

teilten Lizenzen für den Sprachtelefondienst durften aber erst nach dem 1.1.1998 ausgenutzt werden; § 100 Abs. 1 S. 3 TKG gewährte der Deutschen Telekom damit die äußerste, europarechtlich mögliche Schonfrist. Zugleich sieht das TKG die Deutsche Telekom allerdings auch als selbstverständliche Trägerin der Grundversorgung an. Das Gesetz richtete zwar in der Nachfolge der Pflichtleistungen ein Universaldienstregime ein und sorgte daftir, daß die Universaldienstleistungen durch Rechtsverordnung bestimmt wurden. 292 Gleichzeitig verpflichtete es die Deutsche Telekom aber, einen Rückzug aus Universaldienstleistungen ein Jahr vor seinem Wirksamwerden anzuzeigen.293 Mithin ist das Unternehmen bis auf weiteres materiell universaldienstpflichtig. 294 Als marktbeherrschendes Unternehmen ist der bisherige Monopolist Adressat zahlreicher weiterer Pflichten des TKG. Neben der Auferlegung von Universaldienstleistungen 295 sind dies vor allem die Entgeltregulierung 296 und die Pflicht, den Netzzugang zu ebenfalls regulierten Tarifen zu ermöglichen. 297 Zur Zusammenschaltung ihrer Netze sind im Interesse ihrer Teilnehmer hingegen alle Betreiber öffentlicher Netze unabhängig von ihrer jeweiligen Marktmacht verpflichtet. 298 Dem Kundenschutz widmet das TKG eine Verordnungsermächtigung, 299 ausführlich befaßt es sich selbst mit der Informationssicherheit. 300 In der Ressourcenverwaltung überträgt das TKG gegen den Widerstand der Kommunen allen Lizenznehmern ein unentgeltliches Wegerecht, um Übertra-

Wegerechten u. ggf mit Frequenzrechten als „Kontrollerlaubnis mit leistungsrechtlichem Annex". 292 §§ 17ff TKG. Die Universaldienstleistungsverordnung v. 30.1.1997 (TUDLV), BGBl. I, S.141, abgedr. bei Schütz, in: Beck'scher TKG-Kommentar, Anh § 17, beruht auf § 17 Abs. 2 S. 1 TKG. Universaldienstleistungen sind demnach der digitale Sprachtelefondienst, die Erteilung von Auskünften, die Herausgabe von Teilnehmerverzeichnissen, die Bereitstellung von öffentlichen Telefonstellen (Telefonzellen), die Bereitstellung bestimmter Mietleitungen. Zur terminologischen Entwicklung Windthorst, Universaldienst, S. 84 ff. 293

§ 97 Abs. 1 TKG. Allerdings ist sie nicht formell verpflichtet iSd. § 19 TKG, so daß sie auch keinen Ausgleich nach § 20 TKG verlangen kann. Zum Universaldienstregime Raimund Schütz/Matthias Cornils, Universaldienst und Telekommunikation, DVB1. 1997, 1146. 295 Vgl. § 22 Abs. 2 TKG zur Verpflichtung des marktbeherrschenden Unternehmens durch Verwaltungsakt. 296 Dritter Teil, §§ 24-32 TKG. 297 Vierter Teil, §§ 33-39 TKG. 298 § 37 TKG. 299 § 41 TKG. 300 Elfter Teil zu Fernmeldegeheimnis, Datenschutz und Sicherung. 294

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gungsleitungen zu verlegen. 301 Gleichzeitig führt es die Inhalte des Telegraphenwegegesetzes und des Gesetzes zur Vereinfachung des Planverfahrens für Fernmeldelinien in seinem Achten Teil zusammen.302 Die bisherige Frequenzverwaltung nach dem PTRegG löst das TKG durch eine ausführliche Regelung zur Frequenzordnung ab. 303 Auch zur Numerierung enthält es eine eigene, schon recht detaillierte Vorschrift. 304 Schließlich enthält das TKG einen zentralen, organisationsrechtlichen Abschnitt. Der Zehnte Teil errichtet die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post, ordnet ihr einen Beirat zu, regelt das Beschlußkammerverfahren innerhalb der Behörde und die Zusammenarbeit mit anderen Stellen. 305 Die Regulierungsbehörde versteht sich demnach als Oberbehörde im Geschäftsbereich des Bundeswirtschaftsministeriums (§ 66 Abs. 1 TKG). Sie wird von einem Präsidenten geleitet, den die Bundesregierung benennt und ggf. aus wichtigem Grund entläßt. 306 Der Präsident sitzt einer eigenen Beschlußkammer vor, in der ihm die beiden Vizepräsidenten zur Seite stehen. Letztere werden in einem ähnlichen Verfahren ernannt und entlassen.307 Die Präsidentenkammer entscheidet über die Zuteilung knapper Frequenzen und über die Auferlegung von Universaldienstleistungspflichten. 308 Über die Entgelte und die Netzzugangsbedingungen des marktbeherrschenden Unternehmens wachen nach dem Gesetz allgemeine Beschlußkammern, die in einem justizähnlichen Verfahren entscheiden.309 Der gesamten Behörde ordnet das TKG einen Beirat bei, in den Bundesrat und Bundestag je neun Mitglieder entsenden.310 Der Beirat unterbreitet der Bundesregierung Vorschläge für die Auswahl der Präsidenten, sein Benehmen ist für verschiedene Entscheidungen der Präsidentenkammer erforderlich. Im übrigen verfügt er über Kontroll- und Initiativrechte.

301 § 50 TKG und den gesamten Achten Teil. Zum Streit zwischen Bund und Kommunen Schacke/Rosin, Die Zuständigkeit des Bundes zur Regelung der unentgeltlichen Benutzung öffentlicher Verkehrswege für die Telekommunikation, DVB1. 1997, 471 mwN. 302 Vgl. § 100 Abs. 3 TKG. 303 Vgl. den Siebenten Teil und die Aufhebung von §§ 3 Abs. 2, 13 Abs. 2 Nr. 4 u. Abs. 3 Nr. 6 PTRegG durch § 99 Abs. 2 TKG. 304 § 43 TKG. 305 Zur Regulierungsbehörde vgl. Ralf Müller-Terpitz, Die Regulierungsbehörde für den Telekommunikationsmarkt, ZfG 1997, 257; Winfried Ulmen/Thomas Klaus Gump, Die neue Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post, CR 1997, 396; Ludwig Grämlich, Ohne Regulierung kein Wettbewerb, CR 1998, 463. 306 Vgl. § 66 Abs. 2-4 TKG u. § 8 Abs. 5 S. 3 PersBG. Einzelheiten unten S. 210 ff. 307 Vgl. § 8 Abs. 8 PersBG. 308 Vgl. § 73 Abs. 3 TKG. Im einzelnen unten S. 421 ff. 309 Vgl. §§ 73 ff TKG und unten S. 382 ff. 310 Vgl. §§ 67 ff TKG. Dazu S. 331 ff und S. 451 ff.

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1. Teil: Unabhängigkeit als organisationshistorische Konstante

Im Beirat scheint das TKG damit die Tradition des Regulierungsrates fortzufuhren. Auch Beschlußkammern bildete bereits das PTRegG. Das TKG löste gleichwohl das PTRegG nicht einfach ab. Vielmehr traten seine materiellen Vorschriften sogleich in Kraft und verdrängten damit das frühere Recht, während das Organisationsrecht des Zehnten Teils erst zum 1. Januar 1998 einsetzte. 311 Damit umriß das TKG eine weitere Übergangsphase, in der die bisherige ministerielle Organisation fortwirkte, das neue materielle Regime aber schon galt.

B. Die postministerielle Konkretisierung des T K G Wie sich aus § 100 Abs. 1 S. 1 TKG ergibt, sollten die Vorschriften über die Errichtung der Regulierungsbehörde und das Beschlußkammerverfahren erst ab dem 1. Januar 1998 in Kraft treten, also etwa anderthalb Jahre nach den materiellen Regelungen des TKG. 3 1 2 Für die Übergangszeit nahm das BMPT die Aufgaben der Regulierungsbehörde wahr. 313 Es vereinigte in einer Zeit, die der Marktöffnung unmittelbar voranging und in der strategische Entscheidungen zu treffen waren, Funktionen der Regulierung mit solchen der Regierung, ganz abgesehen von den anstaltlichen Aufgaben in bezug auf die Unternehmen. 314 Es konnte - ohne in vollem Umfange an das formelle Recht des TKG gebunden zu sein - dessen materiellen und organisatorischen Gehalt konkretisieren (I und II).

I. Materiell-rechtliche

Grundentscheidungen

Damit erlangte und nutzte das Ministerium in einem Zustand beginnender rechtlicher Durchdringung des Gesetzes die Gelegenheit, regulatorische Grundentscheidungen zu treffen. 311 Vgl. § 100 Abs. 1 S. 1 u. 2 TKG. Kritisch zur dieser Verzahnung Windthorst, Universaldienst, S. 408 f. 312 Für eine erste Bilanz der Regulierungsbehörde vgl. Wilhelm Eschweiler, Regulierung der Telekommunikation und erste Entscheidungspraxis der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post, K & R 1998, 530 (534 f). 313 Es bediente sich dazu - wie bisher - des Bundesamtes für Post und Telekommunikation (BAPT), das mit dem gleichfalls nachgeordneten Bundesamt für Zulassungen in der Telekommunikation (BZT) zusammengelegt wurde. Vgl. Vfg 139/1996, Zusammenlegung von BAPT und BTZ, ABl. BMPT 20/1996, S. 1222; Vfg 143/1996, Wahrnehmung von Aufgaben und Befugnissen des BAPT und BZT, ABl. BMPT 20/1996, S. 1246; Vfg. 211/1996, Wahrnehmung von Aufgaben und Befugnissen nach dem 11. Teil des TKG, ABl. BMPT 28/1996, S. 1630. Dazu Ehmer, in: Beck'scher TKGKommentar, § 98 Rnr. 3. 314 Dazu oben S. 74.

. Abschnitt: D s

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Soweit ein Anspruch auf Lizenzerteilung bestand, fällt hier weniger die Entscheidung des Einzelfalles als die Vorgabe einer allgemeinen Praxis ins Gewicht. So stellte das Ministerium Bedingungen für die Lizenzerteilung nach § 6 Abs. 2 Nr. 3 u. 4 T K G (Übertragungswege- und Sprachtelefondienstlizenz) a u f . 3 1 5 Gleichzeitig formulierte das Ministerium die Lizenzgebühren Verordnung, die die rückwirkend zu erhebenden Lizenzgebühren festsetzte. 316 Das Ministerium vergab auch Lizenzen nach § 11 T K G , also unter Knappheitsbedingungen. 3 1 7 Den vor dem 1.8.1996 erteilten Verleihungen nach § 2 F A G verspricht § 97 Abs. 5 T K G Bestandsschutz und läßt so ministerielle Entscheidungen nach altem Recht fortgelten. 3 1 8 A l l e Anbieter, die in der ersten Phase der Marktöffnung tätig wurden, haben ihre Lizenz also vom und nach Maßgabe des B M P T erhalten. Hinsichtlich der Universaldienstversorgung entstand in den ersten Jahren der Marktöffnung kein akuter Handlungsbedarf. § 97 Abs. 1 T K G sorgte dafür, daß die Telekom die Grundversorgung bis auf weiteres leistete. Die Inhalte der Universaldienstverpflichtung bestimmte die Bundesregierung durch eine Verordnung mit Zustimmung des Bundesrates und des Bundestages. 3 1 9 Die Vorlage

315 Vfg 116/96, Beantragung von Lizenzen zum Betreiben von Übertragungswegen, ABl. BMPT 17/1996, S. 951; Vfg 193/1997, Beantragung von Lizenzen zum Betreiben von Übertragungswegen für Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit durch den Lizenznehmer oder andere, für die eine Zuteilung von Frequenzen zur Übertragung von Rundfunkprogrammen (§ 47 Abs. 3 TKG) erforderlich ist, ABl. BMPT 23/1997, S. 1278. 316 Vgl. § 16 Abs. 1 S. 2 TKG und Telekommunikations-Lizenzgebührenverordnung (TKLGebV) v. 28.7.1997, BGBl. I, S. 1936, Anlage Nr. A. 3, abgedruckt bei Schütz, in: Beck'scher TKG-Kommentar, Anh § 16. Zur Entstehungsgeschichte Schütz, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 16 Rnr. 3. Zur rückwirkenden Gebührenerhebung vgl. nur Ziff. 6.1 E-2-Lizenz vom 15.5.1997, ABl. BMPT 14/1997, S. 680 und allgemein aus Ziff. 6 der Vfg 116/96, Beantragung von Lizenzen zum Betreiben von Übertragungswegen, ABl. BMPT 17/1996, S. 951. 317

So erteilte das Ministerium die vorerst letzte bundesweite Mobiltelefonielizenz. Vgl. E-2-Lizenz vom 15.5.1997, ABl. BMPT 14/1997, S. 680. 318 Dies führt dazu, daß etwa im Mobilfunkmarkt Lizenznehmer unter ganz unterschiedlichen Lizenzbedingungen miteinander konkurrieren Vgl. etwa die E - l - Lizenz vom 4.5.1993, ABl. BMPT 11/1993, S. 229, und die E-2- Lizenz vom 15.5.1997, ABl. BMPT 14/1997, S. 680. Ob § 98 Abs. 5 S. 3 TKG einen Anpassungsanspruch gewährt ist unklar. Schuster, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 97 Rnr. 13ff nimmt an, daß die begünstigenden Vorschriften des TKG vorgehen. Zur Konkurrenz zwischen Lizenznehmern nach altem und nach neuem Recht Scheurle/Mayen/Lehr, Einleitung, S. 18, ohne Stellungnahme zu Zweifelsfragen. 319

§ 17 Abs. 1 S. 1 TKG und die Telekommunikations-Uni versaldienstleistungsverordnung (TUDLV) v. 30.1.1997, BGBl. I, S. 141, abgedr. bei Schütz, in: Beck'scher TKG-Kommentar, Anh § 17.

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1. Teil: Unabhängigkeit als organisationshistorische Konstante

zu dieser Verordnung hatte innerhalb der verfassungsrechtlichen, europarechtlichen und einfachgesetzlichen Grenzen wiederum das B M P T e n t w i c k e l t . 3 2 0 A u c h zur Entgeltregulierung erarbeitete das B M P T die einschlägige Verordnung der Bundesregierung, die Verfahren und Maßstäbe bestimmte. 3 2 1 I m Rahmen dieser Verordnung bildete das B M P T sodann die einschlägigen Warenkörbe und setzte die sog. Price-Cap-Rate, also die Maßgrenzen, innerhalb derer die Deutsche Telekom ihre Tarife halten m u ß . 3 2 2 Außerhalb der PriceCap-Regulierung genehmigte das B M P T weitere Tarife der Deutschen Telek o m . 3 2 3 § 97 Abs. 3 T K G ermöglichte es dem B M P T schließlich, die Tarife der Deutschen Telekom für den Sprachtelefondienst nach Maßgabe des PTRegG bis zum 31.12.2002 festzuschreiben. Hier ist daran zu erinnern, daß das PTRegG auf wettbewerbsbezogene Genehmigungsmaßstäbe verzichtet hatte. 3 2 4 Aber auch dort, wo das T K G solche Maßstäbe setzte, bestand über ihren Inhalt keine Gewißheit. Ähnliche Unsicherheit bestand über die Bedingungen für den Zugang zum Netz der Deutschen Telekom, auf das die Dienste und Netze der

320

Der inhaltsgleiche Entwurf ist abgedr. bei Scheurle/Mayen/Lehr, Nr. 3, S. 83f. Vgl. Scheurle, Was versteht man künftig in Deutschland unter Universaldienst und wie soll er von wem festgelegt werden?, in: Klump/Kubice k et .al. (Hrsg.), Jahrbuch Telekommunikation und Gesellschaft 1996, 217. 321 Telekommunikations-Entgeltregulierungsverordnung (TEntgV) v. 1.10.1996, BGBl., S. 1492, abgedr. bei Scheurle/Mayen/Lehr, Nr. 4, S. 85-89. 322 Vgl. § 27 Abs. 1 Nr. 2 TKG iVm. §§ 4f TEntgV; BMPT, Mitteilung Nr. 202/1997, Price-Cap-Regulierung Telefondienst, ABl. BMPT 34/1997, S.1891; BMPT, Mitteilung Nr. 55/1997, Entgeltregulierung, ABl. BMPT 11/1997, S. 606. Kritisch Monopolkommission, Hauptgutachten 1996/1997, Tz. 29. 323 Z.B. BMPT, Vfg 103/1997, Veröffentlichung gemäß § 8 Abs. 2 und § 9 Telekommunikationsentgeltregulierungsverordnung, ABl. BMPT 11/1997, S. 603. Zur Auskunft BMPT, Pressemitteilung Nr. 42/97 v. 2.5.1997, „Postministerium trifft erste Entscheidung zur ex-post-Regulierung". Im ersten Streit um Zusammenschaltungsentgelte ließ es sich der Minister nicht nehmen, die Entscheidung am 12.9.1997 selbst zu verkünden. Vgl. Sprechzettel für das Pressegespräch am 12.9.1997. BMPT, Mitteilung Nr. 173/1997, Antrag der Mannesmann Arcor AG & Co. auf Erlaß einer Zusammenschaltungsanordnung v. 3.7.1997, ABl. BMPT 30/1997, S. 1721; BMPT, Mitteilung Nr. 174/1997, Anrufung der Regulierungsbehörde gem. § 37 Abs. 1 TKG iVm. § 9 NZV durch die o.tel.o communications GmbH & Co v. 23.7.97, ABl. BMPT 30/1997, S.1721; ; BMPT, Mitteilung Nr. 193/1997, Anrufung der Regulierungsbehörde gem. § 37 Abs. 1 TKG iVm. § 9 NZV durch die VIAG Interkom GmbH & Co v. 23.7.97, ABl. BMPT 32/1997, S. 764; BMPT, Mitteilung Nr. 194/1997, Anrufung der Regulierungsbehörde gem. § 37 Abs. 1 TKG iVm. § 9 NZV durch die COLT TELECOM GmbH v. 2.9.97, ABl. BMPT 32/1997, S. 1754. Die Eckdaten dieser Entscheidungen sind in das sog. „Grundangebot" eingegangen, das die Regulierungsbehörde späterhin veröffentlichte, vgl. Reg TP, Vfg 11/1998, Veröffentlichung nach § 9 Abs. 6, § 6 Abs. 5 NZV, ABl. Reg TP 3/1998, S. 288. 324

Vgl. § 4 Abs. 2 S. 1 PTRegG einerseits und § 24 Abs. 2 TKG andererseits. Zum PTRegG oben S. 69. Kritisch auch Schuster, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 97 Rnr. 4.

. Abschnitt: D s

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neuen Wettbewerber zurückgreifen mußten. 3 2 5 Damit kam es dem B M P T zu, im Wege der regelmäßig sofort vollziehbaren A n o r d n u n g 3 2 6 die tariflichen und technischen Plandaten des Wettbewerbs zu bestimmen. Über die Vorbereitung der entsprechenden Verordnung der Bundesregierung (unter Zustimmung des Bundesrates) paßte das B M P T weiterhin das Recht des Kundenschutzes an die neue Marktlage a n . 3 2 7 In der Informationssicherheit konkretisierte es die Anforderungen des Datenschutzes und der Datensicherh e i t . 3 2 8 Schließlich mußte das B M P T die notwendige Ressourcenzuweisung vornehmen. 3 2 9 In der Summe hatte das Ministerium also in allen Feldern der Regulierung nach dem T K G richtungsweisende Entscheidungen zu treffen.

IL Verfahrensrechtliche

Freiheit

W i e bisher richtete sich das Verfahren des Ministeriums dabei grundsätzlich nach dem PTRegG. Übergangsweise sollte der Regulierungsrat die Rechte des zukünftigen Beirates ausüben. 3 3 0 Zwar sah das T K G vor, den Beirat bereits zum 1.10.1997, also 325 Vgl. neben den in Fn. 323 zitierten Entscheidungen auch den Streit um den entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlußleitung, VG Köln, Beschl. V. 18.8.1997, CR 1997, 639 (641); OVG Münster, M M R 1998, 98; VG Köln, CR 1999, 79; VG Köln, CR 1999, 161; Reg TP, Vfg 124/1998, Entscheidung der Beschlußkammer 3 über den Zugang zur Teilnehmeranschlußleitung, ABl. Reg TP 21/1998, S. 2626. Allgemein Vfg 104/1997, Hinweise zur Zusammenschaltung von öffentlichen Telekommunikationsnetzen, ABl. BMPT 11/1997, S. 603, abgedr. bei Piepenbrock, in: Beck'scher TKGKommentar, § 37 Rnr. 15. 326 Vgl. § 80 Abs. 2 TKG. 327 Vgl. § 41 TKG und die Telekommunikations-Kundenschutzverordnung (TKV) v. 11.12.1997, BGBl. I, S. 2910. Zu deren Kommentierung hatte ebenfalls das BMPT aufgefordert, vgl. Mitteilung Nr. 57/1997 Öffentliche Kommentierung des Entwurfs der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung 1997 (TKV 1997), ABl. BMPT 11/1997, S. 609. 328 Dabei waren vor allem Änderungen des G10-Gesetzes, des Bundesdatenschutzgesetzes, des StGB und der Strafprozeßordnung vorzubereiten. Vgl. Art. 2 Abs. 1, 5, 9, 10, 13 Begleitgesetz. 329 Zur Frequenzordnung nur Vfg 51/1997, Bereitstellung von Frequenzen für die drahtlose Teilnehmeranschlußleitung im lizenzierten Bereich (Wireless Local Loop WLL), ABl. BMPT 5/1997, S. 338.Vgl. Zur Numerierung Vfg 61/1997, Zuteilung von Rufnummern für Auskunftsdienste; Vorläufige Regeln, ABl. BMPT 8/1997, S. 443; Vfg 62/1997, Vorläufige Regeln für die Zuteilung von Kennzahlen für Verbindungsnetzbetreiber, ABl. BMPT 8/1997, S. 448; Vfg 109/1997, Vorläufige Regeln für die Zuteilung von Rufnummern in den Ortsnetzbereichen, ABl. BMPT 13/1997, S. 650. Weiterführend Mellewigt, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 43 Rnr. 8-61. 330 § 98 S. 2 TKG u. § 100 Abs. 1 S. 2 iVm. § 67ff TKG.

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1. Teil: Unabhängigkeit als organisationshistorische Konstante

vor der Behörde selbst, zu errichten. 331 Mit der sofortigen Einfuhrung der neuen Regulierungsinstrumente nach dem TKG verloren aber schon zum 1.8.1996 die Beschlußrechte des Regulierungsrates aus § 13 Abs. 2 u. 3 PTRegG ihre Anknüpfungspunkte. An ihre Stelle traten die weit allgemeiner und schwächer gehaltenen Mitwirkungsrechte nach § 69 TKG. In einem zweiten Schritt wurde zum 1. Oktober 1997 das Gremium von 32 Mitgliedern des Regulierungsrates auf 18 Beiratsmitglieder verkleinert. 332 Das TKG entband den Minister also vorzeitig von den weitreichenden Mitwirkungsrechten des Regulierungsrates und verwies diesen schon 1996 auf die schwächeren Rechte des Beirates. 333 Vor allem aber verzichtete das Gesetz darauf, die Regelungen über das Beschlußkammerverfahren nach dem TKG vor dem 1.1.1998 in Kraft zu setzen. Demzufolge liefen zum einen die Kompetenzen der Beschlußkammern nach den §§15 ff PTRegG, die an dessen Eingriffsermächtigungen anknüpften, leer. 334 Zum anderen griffen aber auch die Vorschriften der §§73 ff TKG noch nicht. So entstand für die Regulierung von Netzzugang und Entgelten ein verfahrensrechtliches Vakuum, das nur unter Rückgriff auf die §§ 9ff VwVfG zu füllen war. Das BMPT entschied insoweit im bisherigen (Ministerial-) Verwaltungsverfahren, nicht im Beschlußkammerverfahren. In der Folge blieben beispielsweise Beteiligungsrechte weit hinter dem bisherigen und zukünftigen Standard zurück. 335 In den Schlüsselfragen der Marktöffnung - Tarifen und Netzzugang - stattete das TKG also das BMPT mit den neuen Regulierungsbefügnissen aus, ohne es an die entsprechenden Verfahrenspflichten zu binden. Das BMPT war damit mehr als ein treuhänderischer Vorgänger der Regulierungsbehörde. Es

331

§ 98 S. 2 u. § 100 Abs. 1 S. 2 iVm. §y 67f TKG. Zu möglichen Gründen Kemmler, Arch PT 1996, 321 (328); Müller-Terpitz, ZfG 1992, 257 (266). 332 Auf die rechtliche „Diskontinuität" zwischen beiden Gremien weist Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 67 Rnr. 2, hin. Tatsächlich gehörten z.B. fast alle Bundestagsvertreter im Beirat - aus der CDU/CSU die MdB Protzner, Müller (Kirchheim), Schulhoff, Pohler; aus der SPD die MdB Bulmahn, Bury, Kurzhals; aus Bündnis 90/Die Grünen MdB Kiper; aus der FDP MdB Stadler bereits dem Regulierungsrat an, vgl. wib 16/1997, S. 38 „In Beirat der Regulierungsbehörde berufen"; Bund transparent+aktuell, D 10, S. 343; Amtliches Handbuch des Deutschen Bundestages, Grem, S. 81, Stand: Februar 1998. 333

Der Regulierungsrat trat dennoch in 1997 zu acht Sitzungen im Abstand von jeweils zwei Monaten zusammen. Bemerkenswert an der Terminvereinbarung vom 15.10.1996 ist, daß sie auch zwei Sitzungen im Oktober und Dezember 1997 terminiert, obwohl dann bereits der Beirat eingerichtet sein sollte. 334 Dazu oben S. 78. 335 Vgl. § 13 Abs. 2 S. 1 VwVfG einerseits und § 74 Abs. 2 Nr. 3 TKG u. § 16 Abs. 2 Nr. 3 PTRegG andererseits. Sein Ermessen nach § 13 Abs. 2 VwVfG konnte das Ministerium in verschiedener Weise nutzen, etwa in Zusammenschaltungsangelegenheiten eine Beteiligung gestatten, sie aber in der Entgeltregulierung ablehnen.

. Abschnitt: D s

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bestimmte über die zitierten Grundentscheidungen auch ihre Marschroute. Dies gilt auch für die organisatorische Ausgestaltung der Behörde.

C. Vom Ministerium zur Regulierungsbehörde Organisationsrechtlich war das TKG in Fragen des Personals der Regulierungsbehörde, der Anstellung des Präsidiums und der Zuordnung des bisherigen Bundesamtes für Post und Telekommunikation (BAPT) zu ergänzen. Antworten auf diese Fragen verband das Begleitgesetz zum TKG in einem Artikelgesetz mit zahlreichen weiteren Folgeänderungen. 336 Die gesetzgebungstechnische Paketlösung sicherte dem BMPT die Federführung in der Formulierung des Entwurfs, wenngleich die Regulierungsbehörde in den Geschäftsbereich des Wirtschaftsministeriums fallen sollte. Inhaltlich sollte das Begleitgesetz die Beamten und sonstigen Bediensteten des BMPT und des BAPT vorbehaltlich anderweitiger Verwendung auf die Regulierungsbehörde überleiten. 337 Dabei blieben ihnen ministerielle Zulagen, Beförderungserwartungen und Sozialleistungen erhalten, dies allerdings nur bis zum Jahr 2002. 338 Daher konnte es den Beamten attraktiver erscheinen, in das Finanz- oder Wirtschaftsministerium zu wechseln. Beide Ministerien nahmen Beamte des BMPT auf, um sie in ihren einschlägigen und nach Auflösung des BMPT auszubauenden Fachreferaten zu verwenden. Außerdem erleichterte das Begleitgesetz den Bediensteten des BMPT den Wechsel zu einer der Aktiengesellschaften. 339 Mithin erscheint die Regulierungsbehörde als die Dienststelle, in der sich das nicht in andere Positionen abgewanderte Personal des BMPT wiederfindet. 340 Die leitenden Beamten der Regulierungsbehörde entstammen durchgängig dem BMPT. 3 4 1 Ihr erster Präsident wurde der frühere persönliche 336

Begleitgesetz zum Telekommunikationsgesetz (BegleitG) v. 17.12.1997, BGBl. I, S. 3108. 337 § 1 PersBG. Dazu Regierungsentwurf, BT-Drs. 13/8016, S. 19. Das BAPT selbst wurde als Abteilung Technische Regulierung in die Regulierungsbehörde eingegliedert. Vgl. Art. 3 BegleitG und Organisationsplan der Regulierungsbehörde v. 28.11.1997. Kritisch dazu z.B. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 66 Rnr. 3. 338 §§2, 3 u. 7 PersBG. 339 Vgl. § 2 Abs. 2a Postpersonalrechtsgesetz idF. des Art. 1 § 9 Abs. 2 Nr. 2 BegleitG. Die Begründung sieht darin die Möglichkeit, „personelle Überhänge kostengünstig [zu] reduzieren". Vgl. Regierungsentwurf, BT-Drs. 13/8016, S. 22. Im einzelnen unten S. 171 ff. 340 Im Gegensatz dazu litt das Bundeskartellamt in seiner Entstehungszeit zunächst an Personalmangel. Vgl. Klaus Weber, Geschichte und Aufbau des Bundeskartellamtes, in: 10 Jahre Bundeskartellamt, Köln u.a. 1968, S. 263 (266). 341 Z.B. hatten die Vorsitzenden der Beschlußkammern für Telekommunikation zuvor die entsprechenden Referate im BMPT geleitet. Vgl. den Organisationsplan der Regulierungsbehörde v. 28.11.1997 mit dem Organisationsplan des BMPT v. 1.8.1997.

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1. Teil: Unabhängigkeit als organisationshistorische Konstante

Referent des Bundespostministers und Abteilungsleiter im BMPT Scheurle, 342 Aus dem BMPT heraus entstand auch der untergesetzliche Organisationsplan der Regulierungsbehörde. 343 Schließlich hatte das BMPT auch das Anliegen der Behörde in den Haushaltsverhandlungen für 1998 zu vertreten. 344 Daß die Organisation der Regulierungsbehörde aus dem Bundespostministerium heraus entwickelt wurde, hatte seinen Grund: Mit der Errichtung der Regulierungsbehörde zum 1.1.1998 sollte das Ministerium aufgelöst werden. 345 Personell und institutionell gingen Abwicklung des BMPT und Einrichtung der Regulierungsbehörde also ineinander über. 346

D. Fazit Nach dem Zustandekommen des TKG war das ordnungspolitische Programm für die Telekommunikation im wesentlichen kodifiziert. Materiellrechtlich setzte das TKG den europa- und verfassungsrechtlichen Auftrag zur Marktöffnung um. Organisationsrechtlich hielt es bis 1998 aber an der Ministerialverfassung der Regulierung fest. So konnte das BMPT die Verwaltungspraxis der Regulierungsbehörde in einem entscheidenden Abschnitt der Marktöffnung prägen, ohne den verfahrensrechtlichen Bindungen des TKG oder des PTRegG zu unterliegen. Zudem bestimmte das Ministerium die organisationsrechtlichen Eckdaten der einzurichtenden Regulierungsbehörde. Die ministerielle Funktionsbündelung von Regierung, Regulierung und Organisationsgewalt wiegt um so schwerer, als sie sich auch auf die anstaltlich wahrgenommen Aufgaben in bezug auf die Unternehmen erstreckte. 347 Die funktionelle Unab342 Vgl. BMPT und BMWi, Pressemitteilung v. 2. Juli 1997, „Spitzenposten der Regulierungsbehörde im Kabinett entschieden". Zum Verfahren unten S. 452 ff. 343 Schon im Januar 1997 hatte das BMPT daher eine öffentliche Anhörung zur Regulierungsbehörde durchgeführt. Vgl. Vfg 3/1997, Anhörung im Zusammenhang mit der Errichtung der Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation, ABl. BMPT 2/1997, S. 35. 344 Vgl. FAZ v. 10.11.1997, S. 19, „Das Postministerium fällt weg, doch die Ausgaben steigen". Der Haushaltsplan für 1998 überträgt demnach von den 344 Stellen des Postministeriums 60 auf das Finanzministerium und 70 auf das Wirtschaftsministerium. Für die Regulierungsbehörde verbleiben damit 214 Stellen aus dem Ministerium, die um 20 Planstellen des BAPT und 40 befristete Stellen aufgestockt wurden. Insgesamt sind dies 274 Mitarbeiter in der Regulierungsbehörde sowie 2.497 Bedienstete im BAPT. Vgl. dazu Bundeshaushaltsplan 1998, Titel 0910. Zum früheren Personalstand vgl. BTDrs. 13/9934, S. 14, abgedruckt in Arch PT 1998, 178. 345 Vgl. Bekanntmachung des Organisationserlasses des Bundeskanzlers v. 17.12.1997, Ziff. II. 2., BGBl. I 1998, S. 68. 346 Vgl. zur Einmaligkeit des Vorgangs, Regierungsentwurf, BT-Drs. 13/8016, S. 19 Zu § 2. Zur Begrifflichkeit Wolff in: Wolff/Bachof II, § 74 III. a), S. 57 f. 347 Oben S. 74.

5. Abschnitt: Eine steuerungswissenschaftliche Bilanz

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hängigkeit gelangte also nur gegenüber den Unternehmen zu außenrechtlicher Qualität; ansonsten blieben die gesetzlich eröffnete Möglichkeit, Anstaltsaufsicht und Regulierung institutionell voneinander zu trennen, zunächst ungenutzt. Die Aufsicht über die Bundesanstalt Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost ging erst zum 1.1.1998 auf das Bundesfinanzministerium über. 348 Politisch hing die Regulierung weiterhin unmittelbar vom Minister ab. Im Zuge der Kodifikation fiel lediglich der Regulierungsrat vorzeitig auf die Rolle des künftigen Beirates zurück. Im übrigen schien die Ordnungspolitik erst willens, den weiteren Vollzug des Privatisierungsprogramms in die Hände einer nachgeordneten Behörde zu legen, nachdem die Vermögensprivatisierung begonnen und zahlreiche regulatorische Grundentscheidungen getroffen waren.

Fünfter A bschnitt

Eine steuerungswissenschaftliche Bilanz Am Ende des historischen Überblick ist Bilanz zu ziehen über die Bedeutung des Organisationsrechts im Wandel des Fernmeldewesens (A). Die Bilanz fuhrt zu dem Befund, daß das Organisationsrecht als ein Instrument struktureller Steuerung anzusehen ist (B). Dieser Befund wird in der Lehre des Verwaltungsorganisationsrechts erst in jüngerer Zeit aufgenommen (C). Ausgehend von der steuerungswissenschaftlichen Bilanz und ihrer dogmatischen Einordnung kann der Begriffsinhalt funktioneller und politischer Unabhängigkeit für die weitere Untersuchung präzisiert werden (D).

A. Die Postreformen als Organisationsreformen In der Bilanz erscheinen die Postreformen als eine Kette von Organisationsreformen, die sich um eine zentrale ordnungspolitische Entscheidung, das Bekenntnis des Art. 87f GG zur Aufgabenprivatisierung, schließt. Den organisationsrechtlichen Regelungsansatz gab schon das PostVwG vor, das die Spannungslage zwischen erwerbswirtschaftlicher Orientierung und gemeinwirtschaftlicher Verpflichtung in seinen Organen - Verwaltungsrat und Minister - aufzulösen suchte. Unter dem einigenden technischen Rational der Fernmeldeverwaltung waren die internen Funktionskonflikte nicht so stark, daß die funktionale Einheit von Verwaltung und Unternehmen sprengen konnten. 348 Vgl. die Bekanntmachung des Organisationserlasses des Bundeskanzlers v. 17.12.1997, Ziff. Π. 2., BGBl. I 1998, S. 68.

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1. Teil: Unabhängigkeit als organisationshistorische Konstante

Ihre unternehmerische Ausrichtung trug die Deutsche Bundespost aber in eine im Status des Sondervermögens angelegte und in der kondominialen Besetzung des Verwaltungsrates ausgedrückte politische Sonderstellung hinein. Erst als sich die technische Entwicklung gewissermaßen selbst überholte und damit die eigene Systemdominanz in Frage stellte, brach das ordnungspolitische, unter der Vorstellung des natürlichen Monopols geeinte Modell der Leistungsverwaltung auf. 349 Gemein- und erwerbswirtschaftliche, technische und hoheitliche Anforderungen waren in ein neues Verhältnis zueinander zu setzen. Ein neues wettbewerbliches Ordnungsmodell war zwar zu erahnen, aber noch keineswegs gewiß. Zu seiner Entwicklung bediente sich die Postreform I wie schon die vorangegangenen Reformversuche wiederum eines primär organisationsrechtlichen Steuerungsansatzes.350 Sie bezeichnete sich selbst als Poststrukturreform. 351 Ihr wesentlicher Ertrag war die Binnengliederung der bisherigen Verwaltungseinheit Deutsche Bundespost in nach Unternehmenszweigen und Verwaltungsfunktionen unterschiedene Organe. Aus der Kombination binnenorganisatorischer funktioneller Unabhängigkeit mit einer Intensivierung des politischen Einflusses über den Infrastrukturrat entstand das organisationsrechtliche Potential für einen ordnungspolitischen Modell Wechsel. In der Folge bekannte sich die Postreform I I in Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG umfassend zur Privatwirtschaftlichkeit des Fernmeldewesens. Während die materielle Privatisierung aber wegen der Übergangsfrist des Art. 143b Abs. 2 S. 1 GG ein Programmsatz blieb, wurde die Organisationsprivatisierung nach Art. 143b Abs. 1 S. 1 GG sogleich vollzogen. Mit der Umwandlung der Unternehmen in Aktiengesellschaften erlangte deren funktionelle Unabhängigkeit außenrechtliche und verfassungsrechtlich abgesicherte Qualität. Im Gegenzuge bildeten sich die nunmehr gesetzlich auch so benannte Regulierung und die Wahrnehmung von Aufgaben des Bundes in bezug auf seine Unternehmen heraus. Mit der Rechtsformumwandlung der Deutschen Bundespost in die Deutsche Telekom AG entstand auch die Bundesanstalt fur Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost nach Art. 87f Abs. 3 GG. Das materiell-rechtlich eher karge PTRegG konzentrierte sich indessen auf die Binnenverfassung des Postministeriums. Im Tenor stellt sich daher auch die Postreform II als eine Organisationsreform dar. Das Versprechen umfassender Aufgabenprivatisierung sollte einfachgesetzlich erst das TKG einlösen. Hinter seinen materiellen Regelungen stand wiederum ein über die Übergangsregelungen differenziertes organisatorisches 349

Darstellung bei Eifert, S. 140 ff. Eifert, passim, identifiziert im organisationsrechtlichen Steuerungsansatz eine letztlich verfassungsrechtliche Konstante. 351 Zu ihrem organisationsrechtlichen Schwerpunkt auch Scherer, Arch PT 1993, 261 (262); Grämlich, VerwArch 88 (1997), 598 (6110 350

5. Abschnitt: Eine steuerungswissenschaftliche Bilanz

95

Konzept. Es kehrte die Abfolge von Postreform I und II sozusagen chronologisch um: Organisationsreform kam nicht vor, sondern nach materieller Reform. Indem es das Inkrafittreten seines Zehnten Teiles verzögerte, verlängerte das TKG die relative verfahrensrechtliche Freiheit ministerieller Regulierung. Erst zum 1.1.1998 sollte die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post errichtet werden. Deren besondere gesetzliche Ausgestaltung zeigt gleichfalls, welche Aufmerksamkeit der Gesetzgeber dem Organisationsrecht in der Privatisierung der Telekommunikation widmete.

B. Die strukturelle Steuerungsleistung des Organisationsrechts Daß sich die Postreformer vornehmlich des Organisationsrechts bedienten, läßt sich aus seiner spezifischen Leistungsfähigkeit erklären. In einer aus der Steuerungslehre entnommenen Begrifflichkeit gilt das Organisationsrecht als ein Recht struktureller Steuerung. 352 Strukturelle Steuerung bezeichnet die Fähigkeit des Organisationsrechts, über die Organisation dem Verwaltungshandeln selbst eine umfassende, dauerhafte und allgemeine Orientierung zu geben. So kann die Rechtsform der einzelnen Organisation das Verwaltungshandeln über das einschlägige materielle Recht hinaus prägen. Schon der Reformentwurf des Jahres 1970 hatte sich von der Rechtsform der Anstalt eine deutlicher unternehmerische Ausrichtung der Deutschen Bundespost versprochen. 353 Mit der Rechtsform der Aktiengesellschaft verbindet sich eine Renditeerwartung. 354 Die verschiedenen Formen öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Organisation bergen typisierte Handlungsmaximen. Über die organisationsformtypische Handlungsorientierung leistet das Organisationsrecht also eine dem materielle Recht vorgreifende und es begleitende inhaltliche Steuerung. Im Zusammenspiel der einzelnen Organisationen bestimmt das Organisationsrecht zudem darüber, welche Handlungsformen der jeweiligen Verwaltung

352

Vgl. Trute, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht, S. 249 (256 fï); zur „mediatisierten" Wirkung des Organisationsrechts auch Schmidt-Aßmann, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht, S. 9 (20); Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, S. 211; zur „kontextbezogenen Steuerung" Groß, Kollegialprinzip, S. 24. Zum steuerungswissenschaftlichen Ansatz SchmidtAßmann, Ordnungsidee, S. 18 ff; Gunnar Folke Schuppert, Verwaltungswissenschaft als Steuerungswissenschaft. Zur Steuerung des Verwaltungshandelns durch Verwaltungsrecht, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Schuppert (Hrsg.), Reform, S. 65. 353 Zum „ E n t w u r f e i n e s Gesetzes über die Unternehmensverfassung der Deutschen Bundespost", BT-Drs. VI/1385; abgedruckt bei Kühn, Jahrb. PW 1971, 9 (71-86), siehe S. 41. 354 Vgl. Hommelhoff/Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), 521 (532-537) für die Bundesbahn; Wieland, Die Verwaltung 28 (1995), 315 (332).

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1. Teil: Unabhängigkeit als organisationshistorische Konstante

zu Gebote stehen und welche Handlungsformen ihr gegenüber zu verwenden sind. Als bundeseigene Verwaltung war die Deutsche Bundespost noch in den Formen des Innenrechts beherrschbar. 355 Rechtsschutz und Bestandsschutz auslösende Verwaltungsakte wurden erforderlich, nachdem die Unternehmen privatrechtsförmlich verfaßt waren. 356 Organisationsrecht und Handlungsformen des Verwaltungsrechts laufen synchron; Organisationsformen bringen Handlungsformen mit sich. Über diese formelle Synchronisation steuert das Organisationsrecht die Durchsetzungsbedingungen und Änderungschancen des materiellen Rechts. Zugleich bestimmt das Organisationsrecht die Strukturen mit, in denen Politik und Verwaltung zu einer Veränderung des materiellen Rechts gelangen. Der materiell-rechtliche Übergang von der leistungsstaatlichen zu privatwirtschaftlichen Ausrichtung der Deutschen Bundespost war, wie dargestellt, keine Selbstverständlichkeit. Die Entscheidung für die Marktöffnung im TKG war nicht nur rechtlich, sondern auch politisch durch die Organisationsreformen der Postreformen I und I I vorbereitet worden. 357 Die organisatorische Ausdifferenzierung der Unternehmen und des Ministeriums hatte die Rahmenbedingungen des politischen Prozesses verändert: Während bislang die beteiligten Interessen sich auf das gemeinsame Leitmotiv der Deutschen Bundespost in Gestalt des Gemeinwohls bezogen hatten, konnte nun jede Organisation ihre eigenen Interessen unvermittelt vertreten. 358 Dies veränderte zugleich die Rollen von Ministerium und Gesetzgebung. Das Ministerium übernahm zunehmend die Funktion eines Politikmaklers, der das Zusammenwirken der verschiedenen Interessenträger steuerte. 359 In der Folge fielen die wesentlichen Entscheidungen der Gesetzgebung zu. In der Art eines „divide et impera" gelang es dem Gesetzgeber, durch die Aufspaltung der Postunternehmen in der Postreform I die organisatorische Einheit der Deutschen Bundespost so zu öffnen, daß das Verwaltungshandeln zunehmend außenrechtlicher Steuerung zugänglich wurde und sogar danach verlangte. Die politische Triebkraft für die Fortführung der Postreform I entstand nicht zuletzt in den Postunternehmen selbst. 360 Allgemein formuliert: Die Verwaltung nimmt ihre Aufgaben im doppelten Sinne wahr: Sie führt sie aus und beobachtet sie. Ihre Wahrnehmungen übermittelt sie der Regierung und der Gesetzgebung. Die Differenzierung der Verwaltungsorganisation bestimmt somit über die Mannigfaltigkeit dieser Wahrnehmungen. Aus der Vielfalt der Sichtweisen entstehen wiederum Hand355 356 357 358 359 360

Siehe S. 48 f. Siehe S. 72 f. Siehe S. 58 ff u. S. 81 f. Vgl. Voeth, S. 197, zur zunehmenden Eigennutzenorientierung. S. 81 f. Vgl. Eberhard Witte in: Jung/Wamecke, S. 6-38.

5. Abschnitt: Eine steuerungswissenschaftliche Bilanz

97

lungsalternativen. Über die Organisation ihrer Verwaltungsumgebung nehmen Regierung und Gesetzgebung also Einfluß auf ihre eigene Reformkapazität. Das Organisationsrecht dient insofern dazu, die strukturellen Handlungsbedingungen des politischen Systems zu steuern. Es ist nicht nur ein Recht der Fremdsteuerung, sondern auch ein Instrument der reflexiven, vermittelt auf die Normsetzung selbst zurückwirkenden Steuerung.

C. Das Organisationsrecht in der Rechtsdogmatik Die Steuerungsleistung des Organisationsrechts war deswegen hervorzuheben, weil sich das Verwaltungsorganisationsrecht in den dogmatischen Schulen traditionell als Zurechnungsordnung (I) oder als Staatsordnung (II) zeigt. Daß es eine vor allem steuernde Ordnung schafft, tritt erst in der jüngeren Diskussion hervor, die das Organisationsrecht folgerichtig als Legitimationsordnung entfaltet (III).

I. Das Organisationsrecht

als Zurechnungsordnung

Eine Lehre, die das Organisationsrecht als Recht der Zurechnung konzipiert, begreift die Organisation als aufgabenbezogenen Wirkungszusammenhang. 361 Die wesentliche Aufgabe einer Organisation sieht diese Lehre darin, zweckbestimmte, verbindliche Entscheidungen herzustellen. 362 Indem das Organisationsrecht die rechtserheblichen Handlungen eines Amtswalters einerseits einer Organisation zurechnet, andererseits aber auch diesen Amtswalter wiederum in die Pflicht der Organisation nimmt, trägt es dazu bei, das materielle Recht durchzusetzen. Das Organisationsrecht ist demnach ein dienendes, für sich genommen aber zweckneutrales Recht der Zurechnung. 363 In dieser Lehre wird das Organ zur zentralen Kategorie, weil es erklärt, wieso individuelles Handeln rechtlich als Akt einer Organisation gilt. 3 6 4 Ausgehend 361 Wolff in: Wolff/Bachof II, § 71 I a), S. 2, im Anschluß an Ernst-Wolfgang Bökkenförde, Organ, Organisation, Juristische Person, in: Christian-Friedrich Menger (Hrsg.), Fortschritte des Verwaltungsrechts, FS-Wolff, München 1973, S. 292 (298). Zu diesem Begriff auch Trute, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht, S. 249 (253). 362 Wolff in: Wolff/Bachof II, § 71 II. e), S. 6. 363 Vgl. Wolff in: Wolff/Bachof II, §71 IV. a) u. b), S. 11; Krebs, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 69 Rnr. 25. Zur Fortwirkung der Wolffschen Lehre in den Darstellungen von Achterberg, Maurer und Rudolf vgl. Oebbecke, S. 8 Fn. 18. 364 Wolff in: Wolff/Bachof II, § 74 I. f), S. 48, definiert Organ im engeren Rechtssinne als ein „durch organisierende Rechtssätze gebildetes, selbständiges institutionelles Subjekt von transitorischen Zuständigkeiten zur funktionsteiligen Wahrnehmung von 7 Oertel

98

1. Teil: Unabhängigkeit als organisationshistorische Konstante

von diesem Institut entwickelt die Zurechnungslehre einen Definitionenkatalog, in dem die verschiedenen Organbeziehungen und -typen greifbar werden. Einer streng juristischen Methode verpflichtet erbringt sie damit eine rechtskonstruktive Ordnungsleistung. 365 Sie löst nicht zuletzt die Verwaltungsorganisation begrifflich vom Staat ab. Für Wolff ist der Staat lediglich in einem weiteren Sinne eine Organisation, im engeren Sinne hat der Staat eine Organisation, durch die er tätig wird. 3 6 6

II. Das Organisationsrecht

als Staatsordnung

Die zitierte Schlußfolgerung stößt auf den Widerspruch einer Lehre, die die Aufgabe des Verwaltungsorganisationsrechts gerade darin sieht, die Gesamtinstitution Staat als eine Wirkungseinheit herauszubilden. 367 Diese Lehre zeichnet sich weniger durch ein organisatorisches als durch ein organisches Verständnis des Staates aus, den sie als „Arbeitsinstitution" erfassen will. 3 6 8 Innerhalb des Organisationsrechts tritt an die zentrale Stelle des Organs als einigendes Dogma die Institution. 369 „Alles, was in den Zuständigkeitsbereich einer Amtsinstitution gehört und von ihr ins Werk gesetzt wird, ist sohin staatliches Werk, Verwaltung und den Regeln des Verwaltungsrechts unterworfen, mag es sich um Verwaltungsakte oder Erbringung technischer Leistungen im weiteren Sinne des Wortes handeln." 370 In der Institution des Amtes soll also die amtswalterische Tätigkeit eo ipso staatliches Handeln werden. 371 Wie diese Einheit binnenrechtlich konstruiert wird, thematisiert die Lehre von der Staatsordnung nur

Aufgaben einer (teil-) rechtsfähigen Organisation." Dazu eingehend Ernst-Wolfgang Böckenförde, Organ, Organisation, Juristische Person, in: Christian-Friedrich Menger (Hrsg.), FS-Wolff, München 1973, S. 269 (270 ff). Vgl. auch Krebs, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 69 Rnr. 23. 365 Sie gipfelt in der juristischen Person als einer unverzichtbaren „Kunstfigur". So Krebs, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 69 Rnr. 24. Dazu, daß unterhalb dieses Gipfels die Steige der Teilrechtsfähigkeit noch zu kartographieren sind, SchmidtAßmann, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht, S. 9 (23). 366 Wolff in: Wolff/Bachof II, § 71 II. b), S. 4 f. 367 Vgl. Forsthoff Lehrbuch, S. 447, 449. 368 Den Begriff der „Arbeitsinstitution" verwendet Forsthoff Lehrbuch, S. 439 im Anschluß an von Stein. Er soll insbesondere das öffentliche Unternehmen (aaO., S. 485 ff) einbinden. Zur Gegenübersetzung von organischen und organisatorischer Einheit vgl. Oebbecke, DVB1. 1987, 866 (866). Gegen die Gleichsetzung von Organisationen und Organismen Wolff in: Wolff/Bachof II, § 71 d) 1., S. 4. 369 Forsthoff Lehrbuch, S. 447f. 370 Zitat Forsthoff Lehrbuch, S. 449. 371 Kritisch Wolff/Bachof II, § 74 I e) u. f), S. 47 ff.

5. Abschnitt: Eine steuerungswissenschaftliche Bilanz

99

am R a n d e . 3 7 2 Ihr k o m m t es entscheidend darauf an, die Einheit des Staates nach außen h i n zu demonstrieren. 3 7 3

III. Das Organisationsrecht

als

Legitimationsordnung

D i e neuere Diskussion schließt methodisch an das staatswissenschaftliche Vorgehen der Staatsordnungslehre an, ohne aber i n gleicher Weise den Staat z u m kategorialen Oberbegriff zu erheben. 3 7 4 Sie erfaßt die Organisation m i t Hilfe der Soziologie als ein soziales System m i t einem abgrenzbaren M i t g l i e derkreis, der eine eigene Identität erlangt und gemeinsame

Verhaltenspro-

gramme und Ziele v e r f o l g t . 3 7 5 Das bestimmende M e r k m a l der Organisation ist demnach nicht ihre fremdbezogene Leistung, sondern ihre sie selbst konstituierende Identität. Diese Beschreibung gesteht der Organisation i m Vergleich zur Zweckrationalität des Weberschen Bürokratiemodells ein höheres Maß an E i genrationalität, an „ E i g e n w i l l i g k e i t " zu.

76

Diese Eigenwilligkeit läßt sich auch

der Verwaltungsorganisation unter dem Grundgesetz nicht absprechen; sie ist aber über das Organisationsrecht verfassungsrechtlich aufzufangen und auszunutzen.

372 Die Kompetenzlehre Forsthojfs, S. 450 ff, will alle internen Streitigkeiten letztlich einer übergeordneten Instanz übertragen, sie also hierarchisch aufheben. Sie lehnt etwa einen Innenrechtsstreit strikt ab. 373 So hält Forsthoff, Lehrbuch, S. 442, 450 ff, strikt an der Scheidung von Innenund Außenrecht fest und lehnt aaO., S. 437, auch eine grundrechtliche Einwirkung der Staatsorganisation ab. Zur heutigen Lehre von der Grundrechtsrelevanz der Organisation vgl. Krebs, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. ΠΙ, § 69 Rnr. 64-72. 374 Vgl. Eberhard Schmidt-Aßmann/Wolfgang Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, Baden-Baden 1997. Dazu die Tagungsberichte von Martin Eifert, Reform des Verwaltungsrechts: Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, DVB1. 1996, S. 1114; Margarete Schider-Harms, Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, Staatswissenschaft und Staatspraxis, 1996, 571. Hierauf aufbauend Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, S. 204 ff. Vgl. auch Matthias Ruffert, Interessenausgleich im Verwaltungsorganisationsrecht, DÖV 1998, 897. Zur Methode vgl. Forsthoff, Lehrbuch, S. 439 u. 449 mit Schmidt-Aßmann, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht, S. 9(15 ff). 375 Vgl. Schmidt-Aßmann, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht, S. 9 (34) im Anschluß an Renate Mayntz, Soziologie der öffentlichen Verwaltung, 1978, S. 82. Ähnlich Trute, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht, S. 249 (254). Groß, Kollegialprinzip, S. 13, spricht von „Handlungsgefüge" 376 Vgl. Schmidt-Aßmann, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht, S. 9 (19); Tritte, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht, S. 249 (257 f). Zur „institutionellen Prägung" auch Klaus Grimmer, Die Gestaltbarkeit von Verwaltungen, Die Verwaltung 1998,481 (495 f) mwN.

100

1. Teil: Unabhängigkeit als organisationshistorische Konstante

Hier wird neben den spezifischen grundrechtlichen und den rationalisierenden rechtsstaatlichen Elementen das Demokratieprinzip zum zentralen Bezugspunkt grundgesetzlicher Verwaltungsorganisation. 377 Es unterwirft die Organisationsgewalt einer vorwirkenden Legitimationsverantwortung. 378 Sie muß darauf ausgehen, die potentielle Gemeinwohlverträglichkeit der organisatorischen Entscheidungen sicherzustellen. 379 Eine legitimationsordnende Dogmatik wird daher die Gesamtheit eines Entscheidungszusammenhanges in den Blick nehmen. Sie betrachtet nicht ein einzelnes Organ oder Amt, sondern ein institutionelles Arrangement. 380 Als kategorialer Ausgangspunkt einer Legitimationslehre ist das institutionelle Arrangement ein zunächst heuristischer Oberbegriff. Er überspannt ein dogmatisches Untersuchungsprogramm, innerhalb dessen sich je nach ihrer Binnenstruktur, ihrer Zwecksetzung und ihrer Kombination von staatlichen und gesellschaftlichen Elementen verschiedene organisationsrechtliche Bauformen wiederfinden. 381 Damit löst sich die Lehre von der Legitimationsordnung einerseits ab von dem Ideal einer Einheit der Verwaltung, innerhalb derer Binnenkonflikte verwaltungsrechtlich kaum zu thematisieren waren. 382 Andererseits hebt sie das Organisationsrecht aber auch aus der dienenden Rolle heraus, die ihm die Zurechnungslehre zugewiesen hatte. Das Organisationsrecht gilt vielmehr als Teil der Organisationsstruktur und bestimmt als solches auch die Leistungsfähigkeit einer Organisation mit. Es erfüllt sowohl konstituierende und als auch steuernde Funktionen. 383 In seiner interessenidentifizierenden, -modifizierenden und -balancierenden Wirkung

377 Ausführlich Groß, Kollegialprinzip, S. 184 ff. Vgl. Hoffmann-Riem, in: SchmidtAßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), S. 355 (375 Krebs, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 69 Rnr. 9. Im Ausgangspunkt auch Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 27. Zu Demokratie als Legitimations- und Organisationsprinzip auch Emde, S. 41. 378 Schmidt-Aßmann, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht, S. 9 (58). 379 Zu den Gemeinwohlanforderungen Trute, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht, S. 249 (270 f)· Ein weitergehendes Konzept organisationsrechtlicher Richtigkeit skizziert Hoffmann-Riem, aaO., S. 355 (380) an. 380 Vgl. Schmidt-Aßmann, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht, S. 9 (20); Hoffmann-Riem, aaO., S. 355 (378 f); Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, S. 211. 381 Vgl. Schmidt-Aßmann, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht, S. 9 (48). Zur Ausfüllung dieses Programms die Untersuchung von Thomas Groß, Das Kollegialprinzip, Habilitationsschrift Heidelberg 1998, für deren vorzeitige Überlassung ich herzlich danke. 382 Vgl. Schmidt-Aßmann, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht, S. 9 (59 f). 383 Vgl. Groß, Kollegialprinzip, S. 11 ff.

5. Abschnitt: Eine steuerungswissenschaftliche Bilanz

101

wird das Organisationsrecht ein differenzierungsfähiges, aber auch legitimationsträchtiges Instrument struktureller Steuerung. 384

D. Zum topos der funktionellen und politischen Unabhängigkeit Vor dem Hintergrund der steuerungswissenschaftlichen Bilanz und der organisationsrechtlichen Dogmatik ist nun der topos zu präzisieren, mit dessen Hilfe die Steuerungswirkung des Organisationsrechts in der Telekommunikationsverwaltung im folgenden untersucht werden wird. Dies ist der topos der Unabhängigkeit. „Unabhängigkeit" soll dabei die organisationsrechtsgetragene Fähigkeit einer Verwaltungsstelle bezeichnen, in ihrer Aufgabenwahrnehmung eigene Interessen zu entfalten. In dieser Verwendung nimmt der topos zunächst die Idee der Lehre von der Legitimationsordnung auf, die Leistung von Organisation und Organisationsrecht in der Interessenbildung zu suchen.385 Daß eine Verwaltung ihre Interessen entfaltet, soll bedeuten, daß sie in ein umfassendes institutionelles Arrangement eingebunden ist, aus sich heraus eine nach außen wirkende Leistung erbringt. 386 Indem er auf die organisationseigenen Interessen abstellt, soll der topos schließlich betonen, daß die Organisation eine eigene Identität ausbildet ist, in sich selbst ein Kompendium von interessenleitenden Verhaltensroutinen findet und bewahrt, die sie letztlich von anderen Organisationen abgrenzen. Dabei ist von Unabhängigkeit wie von Abhängigkeit letztlich präzise nur im Hinblick auf einen jeweils bezogenes anderes Handlungssystem zu sprechen. 387 Um solche gegenseitigen Bezogenheiten zu kennzeichnen, ist von funktioneller und politischer Unabhängigkeit die Rede. 388

384

Vgl. Trute, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht, S. 249 (256 ff); zur „mediatisierten" Wirkung des Organisationsrechts auch Schmidt-Aßmann, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht, S. 9 (20); Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, S. 211; zur „kontextbezogenen Steuerung" Groß, Kollegialprinzip, S. 24. 385 Zum „Interesse" als erkenntnisleitendem Begriff Schmidt-Aßmann, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann/Schuppert (Hrsg.), Reform, S. 11 (37 f); ders., Ordnungsidee, S. 133. Daran anknüpfend Ruffert, DÖV 1998, 897 (898 ff). 386 Inhaltsgleich, aber aus der Außenperspektive her fragt Schuppert, Verselbständigte Verwaltungseinheiten, S. 169, unter dem topos der „Abhängigkeit", danach, ob der jeweilige Zurechnungsträger in der Lage ist, die verselbständigte Einheit zu steuern, d.h. maßgeblich zu beeinflussen. 387 Ähnlich schon Vorbrugg, S. 28. 388 Eine ähnliche Unterscheidung findet sich bei Konrad von Bonin, Zentralbanken zwischen funktioneller Unabhängigkeit und politischer Autonomie, Baden-Baden 1979, S. 192 ff.

102

1. Teil: Unabhängigkeit als organisationshistorische Konstante

Funktionelle Unabhängigkeit soll bezeichnen, daß eine Stelle als Funktionsträger von anderen Verwaltungsfunktionen abgerückt wird. So trug das Organisationsrecht der Postreform I und II dazu bei, verschiedene Verwaltungsrollen des Staates voneinander zu isolieren. Über die Bildung verschiedener Verwaltungsstellen, ihre Besetzung und ihre Zuständigkeiten initiierte es die Entwicklung organisatorischer Identitäten. Sie sollten sich typischerweise mit bestimmten - betrieblichen, unternehmerischen, infrastrukturellen oder politischen - Verwaltungsinteressen verbinden. In dieser interessensteuernden Qualität erweist sich die funktionelle Unabhängigkeit als eine organisationsrechtliche Variable im Sinne der Lehre von der Legitimationsordnung. Aus der Sicht der Zurechnungslehre kann eine organisationsrechtlich verfestigte funktionelle Unabhängigkeit stützend wirken, indem sie eine Übereinstimmung von rechtlicher Verantwortlichkeit und faktischer Entscheidungsgewalt herbeifuhrt. 389 Wenn es über die funktionelle Abschichtung gelingt, die berührten Interessen organisationsrechtlich zutreffend abzubilden, wird der Anreiz sinken, diese Interessen außerhalb des rechtlichen Rahmens zur Geltung zu bringen. Einer der staatlichen Einheit verpflichteten Organisationsrechtslehre mag eine institutionelle Trennung verschiedener Verwaltungsfunktionen hingegen als ambivalent erscheinen. Die Aufgliederung der staatlichen Handlungseinheit birgt aber zugleich die Möglichkeit, deren Einheit auf höherer Ebene wiederum zu realisieren, indem sich ein übergeordnetes Interesse formuliert. Hier führt die funktionelle Unabhängigkeit in die politische Unabhängigkeit hinüber. Politische Unabhängigkeit soll die Entscheidungsautonomie einer Verwaltungsstelle umschreiben und damit auf das Gewicht hindeuten, das sie den von ihr vertretenen Interessen innerhalb des gesamten institutionellen Arrangements mitgeben kann. Dies hängt offenbar von ihrer hierarchischen Einstufung ab. Sie äußert sich vornehmlich in der Weisungsgebundenheit, auf die etwa die gesetzliche Bezeichnung der Beschlußkammern nach § 15 Abs. 1 PTRegG als „unabhängig" zielen, auf die aber auch die zu Beginn dieser Untersuchung zitierten Stellungnahmen zur Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde hinauslaufen. 390 Über die in der Weisungsabhängigkeit exemplifizierte Sachleitungsgewalt hinaus kann der topos der politischen Unabhängigkeit aber auch Fragen der Organisations-, Personal- und Haushaltsgewalt aufnehmen. 391 Dabei hat der organisationshistorische Rückblick gezeigt, daß sich organisationsrechtliche Unabhängigkeit in verschiedenen Graden und Formen herausbildet. Daher soll die „Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde" nicht ei-

389

Dazu oben S. 97. Oben S. 98. Allein auf die Einzel Weisungsfreiheit verengt Vorbrugg, S. 48 u. S. 77, seinen Begriff der „Unabhängigkeit". 391 In diese Richtung schon Schuppert, Verselbständigte Verwaltungseinheiten, S. 169. 390

5. Abschnitt: Eine steuerungswissenschaftliche Bilanz

103

nen bereits erreichten Zustand völliger Autonomie betiteln. Vielmehr will die Unabhängigkeit als Maßeinheit auf einer Skala verstanden werden, anhand derer die Regulierungsbehörde als mehr oder weniger abhängig zu bezeichnen ist. 3 9 2 Eine solche Skala findet sich in der Literatur auch unter dem Titel der verselbständigten Verwaltungseinheit. 393 „Verselbständigung" deutet zugleich eine dynamische Komponente an, die einen Ablösungsprozeß beschreibt. Daher soll dieser Begriff namentlich dann verwandt werden, wenn das Organisationsrecht nicht so sehr einen Zustand rechtlicher Unabhängigkeit schafft, als vielmehr einen Entwicklungsprozeß einleitet, in dessen Verlauf eine Stelle faktisch unabhängig werden kann. Juristisch fixieren läßt sich die so umschriebene Unabhängigkeit immer nur in einzelnen Instituten und Momenten, sei es die Weisungsfreiheit oder die Rechtsfähigkeit. Ein umfassender und gleichzeitig konturenscharfer Rechtsbegriff für die Unabhängigkeit einer Organisation als solcher fehlt. Deswegen kann der topos der Unabhängigkeit nicht Rechtsfolgen bündeln, sondern nur eine Fragestellung fokussieren. In dieser erkenntnissuchenden, nicht schon erkenntnisspeichernden Funktion wird er hier verwandt. Die folgenden Teile untersuchen das Organisationsrecht der Regulierungsbehörde nach §§ 66 ff TKG auf seine Gewähr funktioneller Unabhängigkeit (Zweiter Teil) und seine Grundlegung zu einer politischen Verselbständigung hin (Dritter Teil).

392 Vgl. die Abhängigkeitsstufen bei Schuppert, Verselbständigte Verwaltungseinheiten, S. 168-171, dessen Skala über den hier interessierenden innerstaatlichen Bereich hinausreicht. Allgemein zur Bildung von „Typenreihen" Larenz/Canaris, Methodenlehre, 3. Aufl. München 1994, S. 299 ff. 393 Vgl. außer Schuppert, Verselbständigte Verwaltungseinheiten, auch Dreier, S. 225; Wagener, passim.

Zweiter Teil

Die funktionelle Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde Es belegt die Steuerungsrelevanz des Organisationsrechts, daß dem Europarecht als zentraler Grundsatz der Telekommunikationspolitik eine organisatorische Aussage galt: Der Grundsatz, daß die regulatorischen Funktionen des Staates von seinen betrieblichen Tätigkeiten zu trennen sind.1 Dieser Grundsatz führte dazu, die Regulierungsbehörde funktionell unabhängig zu verfassen. Der Begriff funktioneller Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde findet seine Rechtsgrundlage in Art. 5a ONP-Rahmenrichtlinie und Art. 87f GG. Europarecht und Verfassungsrecht verlangen, die verschiedenen Funktionen des Staates innerhalb der Telekommunikation organisatorisch voneinander zu trennen (Erster Abschnitt). In diesem Trennungsverlangen verbindet sich ein kartellrechtliches Verbot, betriebliche und hoheitliche Funktionen in der Deutschen Telekom AG zu potenzieren, mit dem verwaltungsrechtlichen Anliegen, die Regulierungsbehörde dem Vorwurf zu entziehen, sie sei institutionell zugunsten des staatseigenen Unternehmens befangen. Gemeinsam verfolgen diese Rechtsinstitute das Ziel, die verschiedenen staatlichen Interessen in ihrer jeweils eigenen Rationalität zu artikulieren (Zweiter Abschnitt). Die Regulierung ist als eine staatliche Funktion daher gegenüber den gleichfalls staatlichen Funktionen der Leistungserbringung und der Unternehmensverwaltung in der Telekommunikation zu isolieren. Diese drei verschiedenen Dimensionen sind aber zunächst von der jeweiligen Funktion her, nicht von der jeweils ausführenden Institution her zu begreifen. Dabei schließt die Funktion der Regulierung entscheidungsvorbereitende Tätigkeiten ein (Dritter Abschnitt). Daher sind die funktionstragenden Organisationen - neben der Regulierungs-

1

Vgl. Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 58/96 vom Rat festgelegt am 12.9.1996 im Hinblick auf den Erlaß der Richtlinie 96/.../EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom ... zur Änderung der Richtlinien 90/387/EWG und 92/44/EWG des Rates zwecks Anpassung an ein wettbewerbsorientiertes Telekommunikationsumfeld (96/C 315/07), ABl. EG Nr. C 315 v. 24.10.1996, S. 41 (52 II.): „Die wichtigste Änderung der ONP-Rahmenrichtlinie betrifft die Bestimmungen zur Sicherstellung der Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden ...". Ähnlich Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1995, S. 9; GA Tesauro, in: EuGH v. 27.10.1993 Rs. C69/91 - Decoster - Slg. 1993 I, S. 5333, S. 5335 u. 5360 mit Fußn. 9 zum Markt für Endgeräte. Zustimmend Grill, in: Lenz (Hrsg.), EGV, Art. 90 Rnr. 29.

. Abschnitt: Die

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behörde selbst namentlich die Deutsche Telekom AG als Dienstleistungsbetrieb und die Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost als Behörde der Unternehmensverwaltung - so zu verfassen, daß die verschiedenen Funktionen einander nicht beeinflussen. Hierzu läßt sich aus dem Vergleich mit anderen autonomen Verwaltungsstellen, aus der Rechtsprechung des EuGH und den Äußerungen von Rat und Kommission ein Katalog einschlägiger organisationsrechtlicher Faktoren entwickeln. Über diese Faktoren ist die funktionelle Unabhängigkeit der Regulierung herzustellen (Vierter Abschnitt). An ihnen läßt sich abschließend bemessen, inwiefern das Organisationsrecht der Regulierungsbehörde nach §§ 66 ff TKG zu ihrer funktionellen Unabhängigkeit beiträgt (Fünfter Abschnitt).

Erster Abschnitt

Die Grundlagen der funktionellen Unabhängigkeit Einleitend sind die Rechtsgrundlagen der funktionellen Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde darzustellen. Der Begriff der funktionellen Unabhängigkeit entstammt Art. 5a Abs. 2 ONP-Rahmenrichtlinie 1997 (A). Er faßt eine Aussage zusammen, die bereits der Systematik, den Entstehungsumständen und dem telos des Art. 87f GG zu entnehmen ist (B). Funktionelle Unabhängigkeit wird in ähnlicher Weise auch der Eisenbahnverwaltung abverlangt (C). Insbesondere der Vergleich mit Art. 87e GG fuhrt zu dem Schluß, daß die funktionelle Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde mit ihrem Privatisierungsauftrag einhergeht (D).

A. Funktionelle Unabhängigkeit nach Art. 5a ONP-Rahmenrichtlinie Art. 5a Abs. 2 ONP-Rahmenrichtlinie lautet:2 „Um die Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden zu gewährleisten, - müssen diese sich rechtlich von allen Organisationen unterscheiden, die Telekommunikationsnetze, -gerate oder -dienste bereitstellen, und von diesen funktionell unabhängig sein;3 - müssen Mitgliedstaaten, wenn sie Eigentum an Organisationen behalten, die Telekommunikationsnetze und/oder -dienste bereitstellen, oder über diese eine wesentli2 In der Fassung der Richtlinie 97/51/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 6.10.1997 zur Änderung der Richtlinien 90/387/EWG und 92/44/EWG des Rates zwecks Anpassung an ein wettbewerbsorientiertes Telekommunikationsumfeld, ABl. EG Nr. L 295, S. 23. 3 Englischer Text: „legally distinct from and functionally independent of 4 .

106

2. Teil: Die funktionelle Unabhängigkeit

che Kontrolle ausüben, eine wirksame strukturelle Trennung der hoheitlichen Funktion von Tätigkeiten im Zusammenhang mit Eigentum oder Kontrolle bereitstellen." 4

Diese Vorschrift erhebt die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde zum europarechtlichen Postulat. Sie versteht die Regulierungsbehörde aber nicht als absolut unabhängig. Vielmehr setzt der Wortlaut des Art. 5a Abs. 2 ONPRahmenrichtlinie die Regulierungsbehörde in einen gezielten Gegensatz zu zwei anderen ggf. gleichfalls staatlichen Organisationskreisen: den Organisationen, die Telekommunikationsleistungen bereitstellen, und den Organisationen, die in den Formen des Gesellschaftseigentums eine staatliche Kontrolle über ein Unternehmen der Leistungserbringung vermitteln. Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde versteht sich nach Art. 5a ONP-Rahmenrichtlinie also relativ. Sie bezieht sich auf die Organisationen der Leistungserbringung und die diesen Unternehmen selbst gesellschaftsrechtlich übergeordnete eigentümerische Unternehmensverwaltung. Um diese relative Natur der Unabhängigkeit nach Art. 5a ONP-Rahmenrichtlinie deutlich zu machen, wird sie im folgenden als „funktionelle" Unabhängigkeit bezeichnet. Denn sie richtet sich gegen andere Funktionsträger. 5 Zudem muß sie sich auch im Ergebnis in der Funktion der Regulierungsbehörde zeigen. Denn nach UnterAbs. 2 hat die Behörde gegenüber der Unternehmensverwaltung „wirksam" getrennt zu sein. UnterAbs. 1 läßt dabei erkennen, daß die rechtliche Unterscheidung von Regulierungsbehörde und Leistungsträger nur eine Voraussetzung ihrer Unabhängigkeit ist. Entscheidend ist die im weiteren Fortgang des UnterAbs. 1 benannte funktionelle Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde. Sie ist das gemeinsame Ziel, dem sich die rechtliche Unterscheidung von der Leistungserbringung und die strukturelle Trennung von der Unternehmensverwaltung letztlich unterordnen. Zu diesem Zweck verlangt das Erfordernis funktioneller Unabhängigkeit vor allem, verschiedene Funktionen innerhalb des Staates organisatorisch voneinander zu trennen. Zwar sind die Organisationen, die Dienstleistungen iSd. Art. 5a Abs. 2 1. UnterAbs. ONP-Rahmenrichtlinie bereitstellen, auch privaten Ursprungs. Die marktbeherrschenden Unternehmen in der Telekommunikation sind aber die früheren Staatsmonopolunternehmen. Nur soweit der Staat sie noch nicht veräußert hat, kommt auch Art. 5a Abs. 2 2. UnterAbs. ONPRahmenrichtlinie zum Tragen. In seiner binnenstaatlichen Ausrichtung greift Art. 5 Abs. 2a ONP-Rahmenrichtlinie in die sog. Organisationsautonomie der Mitgliedstaaten ein. 6 Dieser

4 Englischer Text: „effective structural separation of the regulatory function from activities associated with ownership or control". 5 Dazu auch unten S. 123 ff.

. Abschnitt: Die

n e n

107

E i n g r i f f erscheint aber nicht als unzulässig. Vorbehaltlich entsprechender Rechtsgrundlagen kann das Gemeinschaftsrecht auch das mitgliedstaatliche Organisationsrecht beeinflussen. 7 In Einzelfällen führte das Europarecht sogar dazu, daß v ö l l i g neue Organisationen errichtet wurden. 8 Insbesondere

Art. 5a

ONP-Rahmenrichtlinie

gingen

Art. 6

Endgeräte-

richtlinie und Art. 7 Diensterichtlinie voran. Diese Vorschriften hatten bereits verlangt, die regulatorischen Funktionen in der Telekommunikation aus den damaligen Staatsunternehmen herauszulösen. Beide Normen hat der E u G H gegen die Klagen verschiedener Mitgliedstaaten bestätigt. 9 In seiner Reichweite steht Art. 100a E W G V als Rechtsgrundlage des Art. 5a ONP-Rahmenrichtlinie den dem in den Fällen des E u G H bemühten Art. 90 Abs. 3 E W G V keinesfalls nach. 1 0 Die aufgrund von Art. 90 Abs. 3 E W G V verlangte Herauslösung der regulatorischen Funktionen aus der staatlichen Unternehmung erforderte zudem eine organisatorische Umgestaltung von weit größerem Gewicht als die Sicherstellung der Unabhängigkeit nach Art. 5a ONP-Rahmenrichtlinie. 6 Zur institutionellen und verfahrensmäßigen Autonomie der Mitgliedstaaten vgl. v. Bogdany, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 5 Rnr. 43 mwN., der diesen topos angesichts des Subsidiaritätsprinzips für entbehrlich hält, und Pernice/Kadelbach, Verfahren und Sanktionen im Wirtschaftsverwaltungsrecht, DVB1. 1996, 1100 (1 l O l f Fn. 10), die ihn als Zuständigkeitsvermutung zugunsten der mitgliedstaatlichen Ebene verstehen. Weitere Nachweise bei Stefan Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, Tübingen 1999, S. 113 mit Fn. 351. Verwunderung darüber, daß das Thema bislang nicht vertieft behandelt worden ist, äußert von Danwitz, Europäische Integration, S. 202, der aaO. selbst einen kurzen Überblick bietet und zu dem Schluß gelangt, daß die „weitverbreitete Vorstellung der Verwaltungsorganisation als domaine réservée der Mitgliedstaaten schon überwiegend zur Vergangenheit der Integration gehört" (S. 203). Ähnlich Hatje, S. 129. 7

Vgl. Hatje, S. 100 ff und 116 ff, sowie die Darstellung von Janbernd Oebbecke, Die europäische Integration und die Organisation der Verwaltung, in: FS-Carl Heymanns Verlag, Köln u.a. 1995, S. 607. Zurückhaltend standen dieser Befugnis die bei Scheuing, Rechtsprobleme bei der Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts in der Bundesrepublik Deutschland, EuR 1985, 229 (269) in Fn. 129 nachgewiesenen Autoren gegenüber. Gegenüber sekundärrechtlich motivierter Einwirkung auf das Organisationsrecht treten deren Bedenken aber zurück, vgl. Rudolf Streinz, Europarecht, 3. Aufl., Heidelberg 1996, Rnr. 470 u. 473; ders., Der Einfluß des Europäischen Verwaltungsrechts auf das Verwaltungsrecht der Mitgliedstaaten, in: Schweitzer, Michael, Europäisches Verwaltungsrecht, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ,Wien 1991, S. 241 (259-261). Hilf, S. 203-208, verweist darauf, daß die Legitimation für eine organisatorische Maßnahme des Rates letztlich von den Mitgliedstaaten selbst ausgeht. 8

Beispiele bei Scheuing, Europarechtliche Impulse für innovative Ansätze im deutschen Verwaltungsrecht, in: Wolfgang Hoffmann-Riem/Eberhard Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, Baden-Baden 1994, S. 289 (319-321). 9 Vgl. EuGH v. 19.3.1991 Rs. C 202/88 - Frankreich u.a./Kommission {Endgeräterichtlinie) - Slg. 1991 I, S. 1225; EuGH v. 17.11.1992 Rs. C-271/90, C-281/90 u. C289/90 - Spanien u.a./Kommission {Diensterichtlinie) Slg. 1992 I, S. 5833. 10 Vgl. statt aller Langeheine, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 100 Rnr. 8ff.

108

2. Teil: Die funktionelle Unabhängigkeit

Art. 6 Endgeräterichtlinie und Art. 7 Diensterichtlinie lösten immerhin in Deutschland mit der Postreform II eine Verfassungsänderung aus.11 Damit mag die Gemeinschaft an die Grenze gelangt sein, jenseits derer sie mitgliedstaatliche Verfassungsprinzipien beachten muß. 12 Diese Grenze wird aber erst dann zur unüberwindbaren Schranke, wenn grundlegende Verfassungsbestimmungen berührt werden. 13 Dies ist für Art. 5a ONPRahmenrichtlinie nicht der Fall. Denn in Art. 87f GG findet sich bei näherer Betrachtung ein Trennungsgebot, das das europarechtliche Verlangen nach funktioneller Unabhängigkeit in die bundesdeutsche Verfassung aufnimmt.

B. Funktionelle Unabhängigkeit nach Art. 87f GG Der Wortlaut des Art. 87f GG unterscheidet von Verfassungs wegen drei Aufgabenkreise: (1) die Leistungserbringung (Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG), (2) die Hoheitsaufgaben (Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG) und (3) die Aufgaben in bezug auf die Unternehmen (Art. 87f Abs. 3 GG). Ebenso wie das Begriffspaar des Postwesens und der Telekommunikation ist jede Agenda selbst Normbegriff und damit normsystematisch gegen die jeweils gleichrangigen Begriffe abgegrenzt. Deswegen kann Art. 87f Abs. 3 GG formulieren, daß die Unternehmensaufgaben „unbeschadet" der Hoheitsaufgaben ausgeführt werden. 14 Damit wird nach allgemeiner Auffassung der Unternehmensverwaltung sowohl die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben einerseits als auch die unmittelbare Einwirkung auf die Dienstleistungen andererseits verwehrt. 15 Jedem Funktionskreis ordnet die Verfassung systematisch einen eigenen Organisationsentwurf zu. Art. 87f GG verweist die Hoheitsaufgaben in die bundeseigene Verwaltung, die Unternehmensaufgaben in eine bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts und die Dienstleistungen in die Unternehmen, die, vorbehaltlich der gewährleistenden Obhut des Bundes, die Leistungen er11

Siehe S. 60 ff. Vgl. BVerfG E 89, 155 (174f, 202) - Maastricht -. 13 Vgl. v. Bogdany, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 5 Rnr. 82 mwN.; Klein, in: Hailbronner, Kay/Klein, Eckart/Magiera, Siegfried/Müller-Graff, Peter-Christian (Hrsg.), Handkommentar zum EUV, EGV, Köln u. a. 1997, Art. 5 Rnr. 49f. 14 Diese Formulierung wurde bewußt gewählt, um zu vermeiden, „daß auch die Aufgaben nach Artikel 87f Abs. 2 GG durch eine Anstalt des öffentlichen Rechts wahrgenommen werden sollten", Rechtsausschuß, BT-Drs. 12/8108 S. 6. 15 Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 117 u. 121; Badura, in: Bonner Kommentar, Art. 87f Rnr. 16; Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87f Rnr. 3 u. 39; ders., Universaldienst, S. 379 f. Ähnlich für die Bundesbahnverwaltung Schmidt-Aßmann/ Röhl, DÖV 1994, 577 (578). 12

. Abschnitt: Die

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bringen. Daher ist der Systematik des Art. 87f GG zu entnehmen, daß die verschiedenen Funktionskreise auch organisatorisch zu trennen sind. Ein vergleichbares Trennungsverlangen ergibt sich aus der Systematik der Art.87a und b GG für die Unterscheidung von Bundeswehr und Wehrverwaltung. 16 Historisch bringt Art. 87f GG die in der Poststrukturreform gesäte Funktionentrennung zu verfassungsrechtlicher Reife. 17 Ihre Frucht ist ein Verfassungsgebot, die verschiedenen, bislang nur gesetzlich auseinanderdividierten Aufgaben auch verwaltungsorganisatorisch zu trennen. 18 Teleologisch geht dieses Trennungsverlangen auf zwei Motivationen zurück: Das wettbewerbspolitische Argument, der Mitspieler dürfe nicht Schiedsrichter sein, bezeichnet die erste. Der Bund ist gegenwärtig als Anteilseigner des marktbeherrschenden Telekommunikationsunternehmens Etat actionnaire und Etat régulateur zugleich. 19 Der Wert der veräußerten, aber auch der in Bundeshand verbliebenen Anteile an der Deutschen Telekom AG schwankt mit der Einschätzung des regulatorischen Umfeldes. So reagierte die Börse auf die Bekanntgabe der ersten Interconnection-Entscheidung des Postministers mit einem Kursverlust im Volumen von DM 8 Milliarden; die Erwartung eines Regierungswechsels stärkte wiederum den Aktienkurs im September 1998.20 Ein Bund, der den Unternehmenswert erhalten und eine weitere Veräußerung unter günstige Vorzeichen stellen will, mag sich daher versucht fühlen, das regulatorische Umfeld im Sinne seines Unternehmens zu beeinflussen. 21 Eine solche Unterstützung bleibt einem privatwirtschaftlichen Unternehmen iSd. Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG regelmäßig versagt. Deswegen entspricht es der verfassungsrechtlich gebotenen Wettbewerbsgleichheit, die hoheitlichen Interessen des Bundes von seinen erwerbswirtschaftlichen Anliegen zu trennen. 22 Dies

16 Zur Trennung von Streitkräften und Wehrverwaltung und den Schwierigkeiten, sie in der „Truppenverwaltung" durch „Abgrenzungserlasse" zu bewältigen Kokott, in: Sachs, Art. 87b Rnr. 2 u. 13; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 87b Rnr. 13 ff. 17 Zur Poststrukturreform siehe S. 45ff. Die frühere ordnungspolitiiche Argumentation skizziert Scherer, Telekommunikationsrecht, S. 404 f. 18 So auch Grämlich, NJW 1994, 2785 (2787); Stern, DVB1. 1997, 309 (311). 19 Vgl. Lasserre, AJDA 1997, 224 (225 f)· Die Schweiz zog hieraus die Konsequenz, die zuständige Kommission unabhängig zu stellen. Vgl. Art. 56 Fernmeldegesetz v. 30.4.1997, Gesetzblatt S. 1520 und die Botschaft dazu, S. 1423. Ähnlich das österreichische TKG. Dazu Christian Hoenig/Georg Kresbach/Angnieszka Jacob, Das neue österreichische Telekommunikationsgesetz, K & R 1998, 187. 20 Vgl. Der Spiegel v. 15.9.1997, „Ein rabenschwarzer Tag"; FAZ v. 4.9.1998, Nr. 205, S. 31, „Telekom-Aktie als Wahlgewinner". 21 Beispiele siehe S.272. 22 Zur Wettbewerbsgleichheit vgl. Windthorst, Universaldienst, S. 201 ff.

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2. Teil: Die funktionelle Unabhängigkeit

dient nicht zuletzt dem privatisierten Unternehmen selbst, das damit nicht (privat·) wirtschaftlichen Ansprüchen des Staates entzogen wird. 23 Aus dem Privatisierungsauftrag folgt die zweite Motivation des Trennungsgebotes. Denn erst im Zuge einer Trennung der verschiedenen öffentlichen Aufgabenbereiche sind Lasten und Rechte der Unternehmen zu identifizieren. Indem einzelne Aufgaben als hoheitliche Aufgaben bezeichnet werden, wird ihre Erfüllung durch die Unternehmen als eine öffentlich auferlegte Last erkennbar; erst wenn die betriebswirtschaftliche Verantwortung in den Unternehmensbereich fällt, läßt sich privates Versagen bezeichnen.24 Diese Bezeichnung und Offenlegung öffentlicher und privater Lasten und Vorteile ist wiederum rechtstechnische Voraussetzung dafür, überhaupt privatisieren zu können. So setzen die gemeinschaftsrechtlichen Instrumente der Monopol- und Beihilfenkontrolle nach Art. 90 und Art. 92-94 EGV voraus, daß öffentliche Zuwendungen oder Privilegien als solche erkennbar sind. 25 Nichts anderes gilt für ein verfassungsrechtliches Privatisierungsprogramm: Der Bund kann sich nur dann auf eine Gewährleistung der Grundversorgung nach Art. 87f Abs. 1 GG zurückziehen, wenn ihre etwaigen Kosten als eine öffentliche Last bezifferbar werden; eine Entkleidung der bisherigen Leistungsverwaltung von ihren staatlichen Vorteilen ist nur möglich, wenn diese einem anderen Funktionsbereich zugerechnet werden. Damit ist die Trennung der staatlichen Funktionsbereiche nicht Ergebnis des Privatisierungsprogramms, sondern Bedingung seiner Möglichkeit. Erst wenn der Staat selbst regulatorische, betriebliche und unternehmerische Aufgaben organisatorisch identifiziert hat, kann er die letzeren formell und materiell privatisieren. In der Trennung der staatlichen Funktionen folgt das Verfassungsrecht mithin dem Europarecht.

23

Auch die Entschließung des Rates v. 22.7.1993 zur Prüfung der Lage im Bereich Telekommunikation und zu den notwendigen künftigen Entwicklungen in diesem Bereich (93/C 213/01), ABl. EG Nr. C 213 v. 6.8.1993, S. 1 (S. 2, Ziff. 4) erkennt die Unabhängigkeit der Telekommunikationsorganisationen bei der Festlegung ihrer Unternehmenspolitik als Schlüsselfaktor an. 24 Vgl. zum folgenden Bullinger, in: Mestmäcker (Hrsg.), Kommunikation II, S. 349 (356-358). 25 Vgl. auch Christian Koenig/Jens-Daniel Braun/Eva Mareike Lekar, Erfüllen die Einstandspflichten des Bundes für die betrieblichen Altersversorgungssysteme der privatisierten Bahn- und Postunternehmen den Beihilfentatbestand des Art. 92 EGV?, EuZW 1998, 5, die die Titelfrage im Ergebnis bejahen.

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C. Funktionelle Unabhängigkeit nach Art. 87e GG Diese Auslegung des Art. 87f GG findet eine Bestätigung im vergleichenden Blick auf Art. 87e GG. Art. 87e GG unterscheidet in Wortlaut, Systematik und Zielsetzung zwischen Eisenbahnverwaltung und Eisenbahnunternehmen. Daraus wird allgemein abgeleitet, diese Funktionskreise seien zu trennen. 26 Dem Verfassungswortlaut ist allerdings zunächst lediglich eine Zweiteilung zu entnehmen. Er unterscheidet augenscheinlich nur zwischen unternehmerischem Bereich und Verwaltungsbereich. 27 Der Verwaltungsbereich zerfällt in der verfassungsbegleitenden Gesetzgebung aber wiederum in hoheitliche Aufgaben und Aufgaben der Unternehmensverwaltung. Unter letzteren verstehen sich namentlich die Übertragung des Bahnvermögens auf die Deutsche Bahn Aktiengesellschaft und die Personal-, Schulden- und Liegenschaftsverwaltung. 28 Diese - nicht hoheitlichen - Aufgaben der Unternehmensverwaltung sind dem Bundeseisenbahnvermögen übertragen. Es ist als Sondervermögen des Bundes verfaßt. Die Zwischenschaltung eines Sondervermögens zwischen Bund und Bahn entspricht § 8 Abs. 1 AEG iVm. Art. 4 der Richtlinie 91/440/EWG. 29 Danach sind Eisenbahnunternehmen öffentlicher Körperschaften aus deren Leitung, Kontrolle und budgetärem Zusammenhang herauszulösen.30 Auf der einfachgesetzlichen Ebene stellt sich die verfassungsrechtliche Funktionentrennung im Bahnwesen also als Dreiteilung dar. Die staatlichen Tätigkeiten zerfallen in (1) Leistungserbringung durch die Deutsche Bahn AG, (2) Regulierung durch die Verkehrsverwaltung des Bundes bzw. der Länder 26 Vgl. Homme Ihoff/Schmidt-Aß mann, ZHR 160 (1996), 521 (525 f); SchmidtAßmann/Röhl, DÖV 1994, 577 (585); Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87e Rnr. 3; Schulz, Eisenbahnwesen, S. 93; auch Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 87e Rnr. 4: „Wirtschaftsunternehmen im Unterschied zur Eisenbahnverkehrsverwaltung". 27 § 3 Abs. 1 Gesetz zur Zusammenführung und Neugliederung der Bundeseisenbahnen v. 27.12.1993, BGBl. I, S. 2378, verkündet als Art. 1 Eisenbahnneuordnungsgesetz, im folgenden abgekürzt „ZNBG". 28 Vgl. § 3 Abs. 2 ZNBG. 29 Art. 4 der Richtlinie 91/440/EWG des Rates v. 29.7.1991 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft, ABl. EG Nr. L 237, S. 25, lautet: „Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit die Eisenbahnunternehmen in bezug auf ihre Leitung, Geschäftsführung und Verwaltung sowie hinsichtlich der verwaltungstechnischen und wirtschaftlichen Kontrolle und der Kontrolle der internen Rechnungsführung einen Unabhängigkeitsstatus besitzen, nach welchem sie insbesondere über ein Vermögen, einen Haushaltsplan und eine Rechnungsführung verfügen, die von denen des Staates unabhängig sind." 30 § 8 Abs. 1 AEG lautet: „Öffentliche Eisenbahnen müssen in der Leitung, Geschäftsführung und Verwaltung sowie hinsichtlich der verwaltungstechnischen und wirtschaftlichen Kontrolle sowie der internen Rechnungsführung von staatlichen und kommunalen Gebietskörperschaften unabhängig sein. Ihr Wirtschaftsplan und ihre Rechnungsführung sind von den Haushalten staatlicher oder kommunaler Gebietskörperschaften zu trennen." Dazu Schulz, Eisenbahnwesen, S. 326.

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2. Teil: Die funktionelle Unabhängigkeit

sowie (3) die Unternehmens Verwaltung durch das Sondervermögen des Bundes.31 Über die grundgesetzliche Verpflichtung der Bahn auf die privatrechtliche Rechtsform erhält diese Dreiteilung auch im Bahnwesen verfassungsrechtlichen Rang. Art. 87e Abs. 3 S. 1 GG nimmt nämlich privatrechtliche Gesellschaftsformen in den Blick, die sich durch eine Abkoppelung der Unternehmensleitung vom Eigentümer auszeichnen.32 Indem Art. 87e GG auf die gesellschaftsrechtliche Trennung von betrieblicher Geschäftsführung und eigentümerischer Unternehmensüberwachung verweist, führt er zu einer funktionellen Dreiteilung der staatlichen Funktionen hin. Ebenso wie Art. 87f GG unterscheiden Verfassungs- und Gesetzesrecht der Bahn zwischen Leistungserbringung, Unternehmensverwaltung und Hoheitsaufgaben. Diese drei Funktionskreise sind organisatorisch voneinander zu trennen.

D. Fazit Das Erfordernis des Art. 5a ONP-Rahmenrichtlinie, die Regulierungsbehörde funktionell unabhängig von der Leistungserbringung und der Unternehmensverwaltung der regulierten Unternehmen zu verfassen, findet eine Entsprechung im deutschen Verfassungsrecht. Art. 87f enthält nach Wortlaut, Systematik und Entstehungszusammenhang ein gleichgerichtetes Trennungsgebot. Dabei geht die funktionelle Unabhängigkeit der Regulierung, wie der Vergleich mit dem Eisenbahnwesen zeigt, mit der formellen Privatisierung des Staatsunternehmens einher. Dieses verliert mit der Ausgliederung seine Fähigkeit, hoheitliche Vorrechte anders als im Wege der Beleihung oder Konzessionierung auszuüben. Zugleich ist die funktionelle Unabhängigkeit der Regulierung Bedingung für eine weitere materielle Privatisierung. Der Staat kann sich nur dann auf eine Gewährleistungsverantwortung zurückziehen, wenn seine eigentlichen, hoheitlichen Funktionen von denen der Leistungserbringung und der Unternehmensverwaltung abgeschichtet werden. Damit erweist sich die funktionelle Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde als eine organisationsrechtliche Bedingung der Privatisierung in der Telekommunikation.

31 Überblick über die verschiedenen Organisationen bei Schulz, Eisenbahnwesen, S. 136 f f 32 Vgl. Hommelhoff/Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), 521 (543 ff); Schulz, Eisenbahnwesen, S. 94.

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Zweiter Abschnitt

Die Ziele der funktionellen Unabhängigkeit Um die Zielsetzung der funktionellen Unabhängigkeit deutlicher zu bestimmen, ist ihren Ursprüngen nachzugehen: In seiner europarechtlichen Entwicklung entstammt das Erfordernis funktioneller Unabhängigkeit dem Kartellrecht (A). Im deutschen Verwaltungsrecht findet es Anschluß an den Gedanken der institutionellen Befangenheit (B). Daraus ergibt sich sein Auftrag, die verschiedenen Funktionsträger zur selbständigen Interessenwahrnehmung zu befähigen (C).

A. Kartellrechtliche Abwehr einer Funktionspotenzierung Der Grundsatz, betriebliche und regulatorische Funktionen zu trennen, durchzieht verschiedene Schichten des gemeinschaftlichen Telekommunikationsrechts. Ursprünglich aus den Art. 3 lit. f, 86 und 90 EWGV abgeleitet, ist er durch Art. 6 Endgeräterichtlinie und Art. 7 Wettbewerbsrichtlinie 1990 konkretisiert und schließlich durch Art. 5a ONP-Rahmenrichtlinie 1997 fortgeschrieben worden. 33 Für die Zeit vor Inkrafittreten der einschlägigen Richtlinien leitete der EuGH das Kerngebot funktioneller Unabhängigkeit unmittelbar aus den primärrechtlichen Wettbewerbsregeln her. In der Sache GB-INNO-BM erkannte die 5. Kammer des Gerichtshofes: 34 „Die Artikel 3 Buchstabe f, 86 und 90 EWG-Vertrag untersagen es einem Mitgliedstaat, der Gesellschaft, die das öffentliche Fernmeldenetz betreibt, die Befugnis zu übertragen, Normen für Fernsprechgeräte zu erlassen und deren Einhaltung durch die Wirtschaftsteilnehmer zu überwachen, wenn diese Gesellschaft gleichzeitig auf dem Markt für diese Geräte im Wettbewerb mit den Wirtschaftsteilnehmern steht."

Die Kammer konnte sich dabei auf die Ansicht des Plenums stützen35 und ist von diesem seitdem mehrfach bestätigt worden. 36 Die Rechtsprechung des 33

Zu den europarechtlichen Vorgaben auch Müller-Terpitz, ZG 1997, 257 (258-261). Vgl. EuGH v. 13.12.1991 Rs. C-18/88 - GB-INNO-BM - Slg. 1991 I, S. 5941 (5985). 35 Vgl. EuGH v. 19.3.1991 Rs. C 202/88 - Frankreich u.a./Kommission {Endgeräterichtlinie) - Slg. 1991 I, S. 1225 Rnr. 51 u. EuGH v. 13.12.1991 Rs. C-18/88 - GBINNO-BM - Slg. 1991 I, S. 5941 Rnr. 25. 36 Vgl. EuGH v. 17.11.1992 Rs. C-271/90, C-281/90 u. C-289/90 - Spanien u.a./Kommission {Diensterichtlinie) Slg. 1992 I, S. 5833 Rnr. 22; EuGH v. 27.10.1993 Rs. C-46/90 u. C-93/91 - Lagauche u.a. - Slg. 1993 I, 5267 Rnr. 44; EuGH v. 27.10.1993 Rs. C-69/91 - Decoster - Slg. 1993 I, S. 5335 Rnr. 22; . EuGH v. 9.11.1995 Rs. C-91/94 - Tranchant - Slg. 1995 I, S. 3911 Rnr. 18. 34

8 Oertel

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2. Teil: Die funktionelle Unabhängigkeit

EuGH betrachtet die Unabhängigkeit der Regulierung von der Leistungserbringung demnach als eine Voraussetzung für das vom Vertrag angestrebte System unverfälschten Wettbewerbs. Der für dieses System elementaren Chancengleichheit liefe es zuwider, wenn ein Wettbewerber sich über den Einfluß auf regulatorische Funktionen Wettbewerbsvorteile verschaffen könnte. 37 Gegenüber einem Monopolunternehmen ließ sich das Trennungsverlangen noch auf eine zweite Überlegung gründen: 38 Die Ausdehnung eines Monopols vom Netzbereich auf angrenzende Märkte mithilfe staatlicher Maßnahmen verfälscht den Wettbewerb, wenn sie sich staatlicher Hilfe bedient. Dann verstößt sie gegen Art. 86 iVm. Art. 90 EWGV. 3 9 Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde dient mithin der Aufrechterhaltung wirksamen Wettbewerbs und der Gewährleistung von Transparenz auf einem Markt, der bislang von einem noch dazu staatlichen - Unternehmen dominiert wird. 4 0 Ob das Trennungsprinzip auch aus Art. 30 EWGV abgeleitet werden kann und damit auch gegenüber nicht marktbeherrschenden Unternehmen verwirklicht werden muß, kann hier dahinstehen.41 Denn auf der Ebene des Sekundärrechts hat der Grundsatz der Unabhängigkeit zwischenzeitlich verbindliche Gestalt erhalten. Schon Art. 6 der Endgeräterichtlinie verlangte, daß ab dem 1. Juli 1989 die Festschreibung der technischen Spezifikationen, die Kontrolle ihrer Anwendung und die Gerätezulassung von einer Stelle vorgenommen wurde, die von den im Bereich der Telekommunikation Waren oder Dienstleistungen anbietenden öffentlichen oder privaten Unternehmen unabhängig war. Dies zielte unter den damaligen Umständen auf die Staatsunternehmen, die zugleich Zulassungsfunktionen wahrnahmen und damit gegenüber Wettbewerbern einem

37 Vgl. EuGH v. 19.3.1991 Rs. C 202/88 - Frankreich u.a./Kommission (Endgeräterichtlinie) - Slg. 1991 I. S. 1225 Rnr. 51. 38 Zur zweifachen Begründung auch Windthorst, Universaldienst, S. 138. 39 Vgl. EuGH v. 13.12.1991 Rs. C-18/88 - GB-INNO-BM - Slg. 1991 I, S. 5941 Rnr. 18 u. 24; GA Lenz, in EuGH v. 27.10.1993 Rs. C-46/90 u. C-93/91 - Lagauche u.a. - Slg. 1993 I, 5267 Rnr. 27, 39 u. 53. 40 So EuGH v. 13.12.1991 Rs. C-18/88 - GB-INNO-BM - Slg. 1991 I, S. 5941 Rnr. 26. Die Urteile EuGH v. 19.3.1991 Rs. C 202/88 - Frankreich u.a./Kommission (Endgeräterichtlinie) - Slg. 1991 I, S. 1225 Rnr. 51; EuGH v. 17.11.1992 Rs. C-271/90, C-281/90 u. C-289/90 - Spanien u.a./Kommission (Diensterichtlinie) Slg. 1992 I, S. 5833 Rnr. 22; EuGH v. 27.10.1993 Rs. C-69/91 - Decoster - Slg. 1993 I, S. 5335 Rnr. 22; EuGH v. 27.10.1993 Rs. C-46/90 u. C-93/91 - Lagauche u.a. - Slg. 1993 I, 5267 Rnr. 44 erwähnen diesen Zwischenschritt nicht. 41 Dafür GA Tesauro, in EuGH v. 27.10.1993 Rs. C-69/91 - Decoster - Slg. 1993 I, S. 5335 (5362); dagegen EuGH v. 27.10.1993 Rs. C-46/90 u. C-93/91 - Lagauche u.a. Slg. 1993 I, 5267 Rnr. 29 und GA Lenz, in EuGH v. 27.10.1993 Rs. C-46/90 u. C-93/91 - Lagauche u.a. - Slg. 1993 I, 5267 (5294 Rnr. 18).

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offenkundigen Interessenkonflikt 42 ausgesetzt waren, der Zweifel an der Transparenz, Objektivität und Diskriminierungsfreiheit der Regulierung nährte. 43 Die Bundesrepublik übertrug in der Folge die Gerätezulassung dem Zentralamt für Zulassungen im Fernmeldewesen. Es war ursprünglich eine zentrale Mittelbehörde der Deutschen Bundespost gewesen, wurde nunmehr aber unmittelbar dem Ministerium zugeordnet. 44 Für Telekommunikationsdienste ordnete Art. 7 der Wettbewerbsrichtlinie 1990 an, daß die Erteilung der Genehmigungen, die Überwachung der Zulassungen und der verbindlichen Spezifikationen, die Zuteilung der Frequenzen und die Überwachung der Nutzungsbedingungen von einer von den Anbietern unabhängigen Einrichtung durchgeführt werde. Die Begründung hierfür leitete sich wiederum aus dem Wettbewerbsrecht her: Die Koppelung von hoheitlichen und betrieblichen Funktionen stelle einen Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne von Art. 86 EWG Vertrag dar. Der in der Doppelfünktion angelegte Interessenkonflikt könne die Zugangsmöglichkeiten der Wettbewerber beschränken. 45 Dieser Begründung folgte der EuGH. Er stellte sowohl zu Art. 6 Endgeräterichtlinie als auch zu Art. 7 Diensterichtlinie fest, daß die Kommission in ihnen die vertraglichen Wettbewerbsregeln zulässig konkretisiert habe.46

42 So die Formulierung in Grund (17) Richtlinie der Kommission v. 16.5.1988 über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikations-Endgeräte (88/301 /EWG), ABl. EG Nr. L 131 v. 27.5.1988, S. 73 [Endgeräterichtlinie]. 43 Vgl. Grund (9) Richtlinie der Kommission v. 16.5.1988 über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikations-Endgeräte (88/301/EWG), ABl. EG Nr. L 131 v. 27.5.1988, S. 73 [Endgeräterichtliniel. 44 Vgl. Königshofen, Jb. d. DBP 1991, 499 (543) zu § 2a Abs. 3 S. 2 FAG in der Fassung des Poststrukturgesetzes v. 8.6.1989 (BGBl. I, S. 1026). 45

Vgl. Grund 29 der Diensterichtlinie. Besonders deutlich wird das am Beispiel der Satellitendienste, in denen das Staatsunternehmen als „anerkannter Netzbetreiber" zugleich den Staat in den internationalen Organisationen wie INTELSAT, INMARSAT oder EUTELSAT vertrat. Vgl. Grund 20 Satellitenrichtlinie und Entschliessung des Rates v. 22.12.1994 über die Weiterentwicklung der Politik der Gemeinschaft im Bereich der Satellitenkommunikation unter besonderer Berücksichtigung des Zugangs zur Raumsegmentkapazität und deren Bereitstellung (94/C 379/04), ABl. EG Nr. C 379 v. 31.12.1994, S. 5 (Ziff. 3.2 a)). 46 Vgl. EuGH v. 19.3.1991 Rs. C 202/88 - Frankreich u.a./Kommission {Endgeräterichtlinie) - Slg. 1991 I, S. 1225 Rnr. 51f.; EuGH v. 17.11.1992 Rs. C-271/90, C-281/90 u. C-289/90 - Spanien u.a./Kommission {Diensterichtlinie) Slg. 1992 I, S. 5833 Rnr. 22. Dabei ist es der Kommission nach Art. 90 Abs. 3 EWGV insbesondere möglich, die Wettbewerbsregeln verschärfend zu konkretisieren. Art. 6 Endgeräterichtlinie und Art. 7 Wettbewerbsrichtlinie 1990 konnten demnach Anforderungen aufstellen, die über das hinausgehen, was der Gerichtshof unmittelbar aus Art. 3 lit. f 86, 90 EWGV ableitete. Illustrativ hierzu EuGH v. 27.10.1993 Rs. C-46/90 u. C-93/91 - Lagauche u.a. - Slg. 1993 I, 5267 Rnr. 40 u. 51. GA Lenz, aaO. Rnr. 32 führt aus, daß der Kommission bei der Konkretisierung der mitgliedstaatlichen Pflichten nach Art. 90 Abs. 3 EWGV ein

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Demnach war der europarechtliche Grund für die funktionelle Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde zunächst in der Liberalisierung der Telekommunikation zu suchen. In den jüngeren Richtlinien wird sie zunehmend durch harmonisierende Regeln ausgestaltet.47 Seine jüngste Fassung erhält das Gebot der Unabhängigkeit durch den zitierten Art. 5a Abs. 2 der ONPRahmenrichtlinie 1997 auf der Grundlage der Art. 100 und 100a EGV. Auch Art. 2 Abs. 1 b) Genehmigungsrichtlinie bezeichnet als „nationale Regulierungsbehörde": 48 „die Behörde bzw. die Stellen in den einzelnen Mitgliedstaaten, die von den Telekommunikationsorganisationen rechtlich getrennt und funktionell unabhängig sind und von dem betreffenden Mitgliedstaat unter anderem mit den in dieser Richtlinie angesprochenen Regulierungsfunktionen betraut wurden."

Die hiesige Untersuchung konzentriert sich auf Art. 5a Abs. 2 ONPRahmenrichtlinie 1997, weil diese Vorschrift die jüngste, detaillierteste und umfassendste ist. 49 Sie reicht weiter als Art. 2 Abs. 1 b) Genehmigungsrichtlinie und Art. 6 Endgeräterichtlinie, Art. 7 Diensterichtlinie sowie Art. 3 f, 86, 90 EWGV: Deren Verlangen nach rechtlicher Trennung und funktioneller Unabhängigkeit der Regulierung von den Telekommunikationsorganisationen geht im 1. Spiegelstrich des Art. 5a Abs. 2 ONP-Rahmenrichtlinie auf. Wenn daher im folgenden Art. 5a ONP-Rahmenrichtlinie zitiert wird, dann ist diese Vorschrift nicht alleine, sondern als vorläufiger Schlußstein einer europarechtlichen Entwicklung gemeint. Sie ging vom Kartellrecht aus und führte zum Gebot funktioneller Unabhängigkeit hin.

B. Verwaltungsrechtliche Vermeidung institutioneller Befangenheit Neben dem europäischen Kartellrecht fließt das nationale allgemeine Verwaltungsrecht in die funktionelle Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde ein. 50 Die Trennung der verschiedenen Funktionsträger soll den Vorwurf aus-

„gewisses Gestaltungsermessen" obliege. Denn sonst hätte eine Richtlinie nach Art. 90 Abs. 3 EWGV keinen anderen Sinn als die Feststellung eines Vertragsverstoßes (vgl. EuGH v. 19.3.1991 Rs. C 202/88 - Frankreich u.a./Kommission (Endgeräterichtlinie) - Slg. 1991 I, S. 1225 Rnr. 17 gegen GA Tesauro, aaO. Rnr. 42-55). 47 Zur Gegenüberstellung von „Harmonisierung" und „Liberalisierung" auch Windthorst, Universaldienst, S. 118 f und unten S. 463463 ff. 48 Diese Vorschrift lehnt sich an die Definitionen des Art. 2 Abs. 2 3. Spiegelstrich der ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1995 und Art. 2 Abs. 2 4. Spiegelstrich ONPMietleitungsrichtlinie 1992 an. 49 Auf Art. 5a ONP-Rahmenrichtlinie verweist auch die ONP-Mietleitungsrichtlinie 1997 in Art. 2 Abs. 2 3. Spiegelstrich. 50 Vgl. die entsprechenden Ansätze für die DBP bei Königshofen, Jb. d. DBP 1991, 499 (535) unter Verweis auf KG Berlin RdE 1991, 5.

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räumen, die staatliche Behörde sei institutionell zugunsten staatseigener Erwerbsinteressen voreingenommen. Unter dem Titel der institutionellen Befangenheit ist dieser Vorwurf ein altbekanntes Thema des Verwaltungsrechts. Schon 1955 hatte das BVerwG zu beurteilen, ob eine Dienststelle dann nicht hoheitlich tätig werden darf, wenn der Dienstherr in seiner fiskalischen Eigenschaft einem Verfahrensbeteiligten verbunden ist. 51 Das Gericht entschied, daß die Funktionsverquickung zwar die Dienststelle nicht am Tätigwerden hindere, aber eine besonders sorgfältige, streng zu überprüfende Ausübung ihres hoheitlichen Ermessens verlange. 52 Nach Inkrafttreten des VwVfG konnte die Diskussion an § 20 VwVfG anknüpfen. 53 Diese Vorschrift regelt zwar selbst nur den individuellen Interessenkonflikt. 5 4 Sie befaßt sich mit dem Interessenwiderstreit zwischen dem Amtsträger als Person und seinem Amt oder zwischen verschiedenen Ämtern im funktionalen Sinne.55 Mit § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 VwVfG hat der Gesetzgeber aber einen Amtswalter bewußt auch dann von der hoheitlichen Tätigkeit ausgeschlossen, wenn dieser Amtswalter kraft seines Amtes den Staat in Gremien eines beteiligten Unternehmens vertritt. 56 Es ist also gesetzlich und gerichtlich anerkannt, daß die Vereinigung erwerbswirtschaftlicher und hoheitlicher Tätigkeiten in einer Person den bösen Schein der Befangenheit entstehen läßt. 57 Die Rechtsprechung ging zwar nicht so weit, auch die gesamte Behörde, das Amt im organisatorischen Sinne, für unzuständig zu erklären, wenn sie in einer anderen Zuständigkeit zugleich erwerbswirtschaftliche Interessen eines Beteiligten wahrnahm. 58 Auch das Verfassungsrecht verlangte es nicht, etwa den 51

Vgl. BVerwG E 3, 1 (8). BVerwG E 3, 1 (10). Ähnlich KG, Beschl. v. 4.4.1990, RdE 1991, 5 zu § 70 Abs. 5 S. 1 GWB a. F. für das Vorgehen des Berliner Senates im Wege der Kartellaufsicht gegen ein von ihm selbst vertraglich zugunsten eines Energieversorgers begründetes Ausschließlichkeitsrecht, zitiert nach Königshofen, Jb. d. DBP 1991, 499, 535. 52

53

Vgl. Kopp, VwVfG, § 20 Rnr. 3; BVerwG E 69, 256 (264). Vgl. Kazele, S. 70-79, der selbst den Vorwurf institutioneller Befangenheit durch eine weite Auslegung dieser Vorschriften ausräumen will, aaO., S. 163 ff. 55 Vom Konflikt zwischen Amt und Person, der persönlichen Befangenheit, geht namentlich die dem VwVfG vorausgehende Darstellung von Kirchhof VerwArch 66 (1975), 370 (371u. 380) aus. Dieser Konflikt ist aber, wie BVerwG E 69, 256 (263 f) feststellte, nicht der alleinige Regelungsgegenstand des § 20 VwVfG geworden. § 20 VwVfG behandelt auch den Amtskonflikt zwischen verschiedenen Ämtern im funktionalen Sinne. Dazu Scheuing, NVwZ 1982, 487. Zum Begriff des Amtes im funktionalen Sinne Kunig, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), BVwR, 6. Abschn. IV 2 a) aa), Rnr. 70, S. 610; Battis , BBG, § 26 Rnr. 2. 54

56 Vgl. § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 VwVfG. Dazu BVerwG E 69, 250 (263 ff); zustimmend Obermayer, VwVfG, § 20 Rnr. 22. 57 Vgl. auch BVerwG E 69, 256 (264). 58 Vgl. BVerwG N V w Z 1988, 532 (533) im Anschluß an VGH Kassel, DÖV 1985, 927 (928) zu § 36 Abs. 4 BBahnG; zu § 36 Abs. 2 BBahnG vgl. BVerwG NVwZ 1987,

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früheren § 36 Abs. 4 BBahnG so zu korrigieren, daß Organe der Bundesbahn nicht zugleich als Planfeststellungsbehörde für den Bau neuer Bahnstrecken füngierten. 59 Gleichwohl gilt es als Ausfluß eines rechtsstaatlichen Prinzips des fairen Verfahrens, die institutionelle Befangenheit einer Behörde tunlichst zu vermeiden. 60 Es ist verfassungsrechtlich erwünscht, die Figur der individuellen Befangenheit organisationsrechtlich fortzuschreiben. 61 Eine institutionelle Trennung der betroffenen staatlichen Interessen kann demnach die Objektivität und die Ausgewogenheit der hoheitlichen Entscheidung sichern. Indem sie Zuständigkeiten trennt, bewahrt sie die hoheitlich entscheidende Behörde vor dem Vorwurf, zugunsten eines einzelnen, fiskalischen oder unternehmerischen Interesses voreingenommen zu sein. In der Distanzierung zu Einzelinteressen wird es der zuständigen Behörde leichter fallen, die Gesamtheit staatlicher Interessen aus ihrer eigenen Kompetenz heraus in den Blick zu nehmen.62 Diese Gesamtheit drückt sich vordringlich in den materiell-rechtlichen Entscheidungsvorgaben aus. Sie können besonders dann in den Vordergrund treten, wenn sie außenrechtliche Qualität erlangen oder im Innenrechtsstreit zum Gegenstand gemacht werden können. Aber auch ohne gerichtliche Streitentscheidung trägt eine institutionelle Trennung der beteiligten Verwaltungsstellen dazu bei, den Gesetzesvollzug stärker am abgrenzenden und zugleich einigenden Gesetz zu orientieren. Zugleich kann sie das Verwaltungsverfahren formalisieren. Die funktionelle Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde gegenüber anderen staatlichen Instanzen kann also das materielle Recht betonen, die gesetzliche Zuständigkeitsordnung stärken und die Verfahrensrechte Dritter effektuieren. 63 Über sie gelingt es, die verschiedenen Verwaltungsinteressen innerhalb des Staates organisatorisch zu isolieren und verfahrensrechtlich in ihrem Zu886 f. mit identischer Begründung. Zustimmend Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 20 Rnr. 8, der die nachträgliche gerichtliche Kontrolle für ausreichend hält, um rechtserhebliche Interessenkollisionen abzufangen. Obermayer, VwVfG, § 20 Rnr. 21, fürchtet andernfalls eine Lahmlegung des öffentlichen Entscheidungsprozesses. Einen gewissen Rückhalt findet dieses Argument in BVerwG E 58, 344 (349). Dazu auch Scheuing, NVwZ 1982, 487 (489). 59 Das BVerfG, NVwZ 1988, 523, konnte in der Entscheidung BVerwG NVwZ 1988, 532 (533) keine eine Verfassungsbeschwerde tragende Grundrechtsverletzung erkennen, verhielt sich aber zu den objektiv-rechtlichen Fragen der institutionellen Befangenheit nicht. 60 Aus der Rechtsprechung BVerwG E 75, 214 (230). Vgl. Kopp, VwVfG, §20 Rnr. 3; Kazele, S. 45 ff u. 173. Im Ansatz auch Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 20 Rnr. 8; Badura, in: Erichsen (Hrsg.), AVwR, § 35 II Rnr. 7, S. 496. 61 Daß die oben Fn. 59 zitierten Entscheidungen den „Wunsch nach gesetzgeberischer Remedur" deutlich erkennen lassen, hält Kühling, Rechtsprechung zum Fachplanungsrecht, DVB1. 1989, 221 (227) fest. 62 Vgl. Kirchhol\ VerwArch 66 (1975), 370 (376). 63 Vgl. BVerwG E 75, 214 (230 f).

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sammenwirken zu steuern. Der rechtsstaatlich motivierte Gedanke der institutionellen Befangenheit verbindet sich daher mit dem demokratischen Anliegen, ein differenziertes Arsenal der staatsinternen Interessenlenkung bereitzuhalten. 64 Insofern ist das Gebot der funktionellen Unabhängigkeit kein novum im deutschen Verfassungs- und Verwaltungsrecht. Es nimmt lediglich Entwicklungsstränge auf, die von den Verfassungsstrukturprinzipien ausgehen und in Gesetzgebung,65 Rechtsprechung 66 und Lehre 67 bereits fortgesponnen wurden und die letztlich zur Neutralität als Legitimationsgrund des Staates hinfuhren. 68 Dabei erhält die institutionelle Befangenheit nicht von ungefähr im Zuge der Privatisierung Verfassungsrang. In der Privatisierung transponiert das Gebot der funktionellen Unabhängigkeit ein ursprüngliches Motiv der individuellen Befangenheit auf die Ebene der Institution. Auf der Ebene des Individuums begleitete die Rechtsfigur der Befangenheit die Ablösung des Amtes von der Person. Indem sie das Amt apersonalisierte, konnte sich der Staat als überindividueller Bestand herausbilden. 69 Auf der Ebene der Institution geht die Rechtsfigur der funktionellen Unabhängigkeit hingegen mit einem Wandel der Staatsaufgaben einher. Indem sie die verschiedenen staatlichen Tätigkeiten getrennt organisiert, soll sich der Staat in seinem Aufgabenbestand verändern können. Das Gebot der funktionellen Unabhängigkeit erweist sich in seiner verfassungsstaatlichen Leistung als ein Korrelat der staatlichen Entwicklung, so wie sich die individuelle Befangenheit als ein Korrelat staatlicher Entstehung darstellt.

64 Vgl. dazu Bryde, VVDStRL 46 (1988), S. 181 (209) am Beispiel der Konkurrenz fachbehördlicher Genehmigungen. Im englischen Verwaltungsrecht verbuchen Wade/Forsyth, S. 175, und Craig , S. 99 f, die Einrichtung unabhängiger Regulierungsbehörden als Gewinn gegenüber dem undurchsichtigen Status der public corporation. Dazu unten S. 283283 ff. 65 Daß § 50 Abs. 4 TKG dem Wegebaulastträger unterstellt, er könne Konkurrenzunternehmen benachteiligen, also institutionell befangen sein, kritisiert der Bundesrat, BT-Drs. 13/4438, S. 16 Ziff. 62. Zur Interessenkollision bei der unteren Wasserbehörde nach § 96 Abs. 1 S. 1 2. Hs. WG-BW vgl. VGH Mannheim, DÖV 1990, 395 (396). Speziell zur institutionellen Befangenheit in der Planfeststellung fur die Bahn Fromm, DVB1. 1994, 187 (192 bei Fn. 49). Vgl. für die organisatorische und sachliche Trennung von Sachverständigen und staatsanwaltlicher Ermittlung § 81 f StPO. 66 Insbesondere BVerwG E 75, 214 (230) u. BVerwG E 69, 256 (263 ff). 67 Vgl. zur Trennung von Anhörungs- und Entscheidungsbehörde nach §§73 f VwVfG Bryde, VVDStRL 46 (1988), S. 181 (199). Allgemein Kopp, VwVfG*, §20 Rnr. 3. 68 Diese Formulierung bei Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), § 57 Rnr. 58. 69 Vgl. die Darstellung dieses Zusammenhanges bei Kirchhof, VerwArch 66 (1975), 370 (371) im Anschluß an Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl., Stuttgart u.a. 1996, S. 266 f.

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2. Teil: Die funktionelle Unabhängigkeit

C. Vom Interessenmittler zum Interessenträger Im Privatisierungsprogramm nach Art. 87f GG treffen sich also kartellrechtliche und verwaltungsrechtliche Entwicklungszüge. Aus Sicht des Staates war es eine Bedingung der formellen und materiellen Privatisierung, die staatsinterne Einheit von Betrieb und Regulierung in der Deutschen Bundespost aufzubrechen. Gegen eine solche staatsinterne Machtpotenzierung richtet sich das verwaltungsrechtliche Befangenheitsverbot. 70 Aus Sicht des Marktes verlangt eine materielle Privatisierung, den Wettbewerb als alternatives Ordnungsmodell gegen die unternehmerische Funktionspotenzierung im marktbeherrschenden Unternehmen kartellrechtlich zu schützen.71 In der Entwicklung zur funktionellen Unabhängigkeit begegnen die kartellrechtliche Rechtsprechung des EuGH und die verwaltungsrechtliche Betrachtung des Bundesverwaltungsgerichtes folgerichtig ähnlichen Problemlagen: Das System eines „unverfälschten" Wettbewerbs erfordert ebenso wie die Neutralität des Verwaltungsverfahrens eine transparente, objektiv nachvollziehbare Entscheidungsfindung. 72 Rechtsstaat und Markt gründen letztlich auf das Vertrauen der Beteiligten. Deswegen wenden sich Kartellrecht und Verwaltungsverfahrensrecht gemeinsam schon gegen die abstrakte Mißbrauchsgefahr, gegen das Entstehen des „bösen Scheins".73 Beide schließen 70 Vgl. dazu Kirchhof, VerwArch 66 (1975), 370 (380 Fn. 66); Scheuing, NVwZ 1982, 487 (489). 71 Vgl. zur Kumulierung von Funktionen in der Telekommunikationsgerätezulassung aus kartellrechtlicher Sicht GA Lenz, in EuGH v. 27.10.1993 Rs. C-46/90 u. C-93/91 Lagauche u.a. - Slg. 1993 I, 5267 (5304) Rnr. 17 u. 31. 72 Vgl. EuGH v. 17.11.1992 Rs. C-271/90, C-281/90 u. C-289/90 - Spanien u.a./Kommission {Diensterichtlinie) Slg. 1992 I, S. 5833 Rnr. 22; EuGH v. 19.3.1991 Rs. C 202/88 - Frankreich u.a./Kommissioη (Endgeräterichtlinie) - Slg. 1991 I, S. 1225 Rnr. 51; EuGH v. 13.12.1991 Rs. C-18/88 - GB-INNO-BM - Slg. 1991 I, S. 5941 Rnr. 25, einerseits; BVerwG E 75, 214 (230) andererseits. 73 Vgl. Scheuing, NVwZ 1982, 487 (489 f). So genügt nach § 20 VwVfG schon die abstrakte Zugehörigkeit zu den genannten Personenkreisen zum Ausschluß (Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 20 Rnr. 9). Zu einer Aufhebung der Entscheidung führte die Mitwirkung ausgeschlossener Personen, wenn sich die Möglichkeit abzeichnete, daß durch deren Tätigwerden die vorzunehmende Abwägung in Richtung auf eine bestimmte Entscheidung beeinflußt worden war (BVerwG E 69, 256 (270)). Auch die europarechtlichen Vorgaben rechtfertigen sich aus der abstrakten Mißbrauchsgefahr von Organisation. So GA Lenz in. EuGH v. 27.10.1993 Rs. C-46/90 u. C-93/91 - Lagauche u.a. - Slg. 1993 I, 5267 (530lf) Rnr. 51 f. gegen Belgien in EuGH v. 27.10.1993 Rs. C46/90 u. C-93/91 - Lagauche u.a. - Slg. 1993 I, 5267 (5277) und GA Darmon in EuGH v. 13.12.1991 Rs. C-18/88 - GB-INNO-BM - Slg. 1991 I, S. 5941 Rnr. 18, 20, 35-37, 43-44, der es ablehnte, eine Mißbrauch von Marktmacht wegen der Organisationsstruktur zu vermuten, ohne eine tatsächlich feststellbare Behinderung nachzuweisen, mit seiner konkreten Betrachtung aber nicht durchdrang. Der EuGH folgt im Ergebnis der abstrakten Betrachtungsweise (vgl. EuGH v. 13.12.1991 Rs. C-18/88 - GB-INNO-BM Slg. 1991 I, S. 5941 Rnr. 23f).

. Abschnitt: Die

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aber nicht aus, daß ein korrektes Verfahren zu einer Entscheidung fuhrt, die inhaltlich den Interessen des staatlichen Unternehmens voll und ganz entspricht, oder daß dieses Unternehmen in einem unverfälschten Wettbewerb seine Marktmacht noch steigert. Deswegen setzt das Gebot der funktionellen Unabhängigkeit nicht an den Entscheidungsinhalten der Regulierung an. Der Grundsatz des „nemo judex in causa sua", auf den Kartellrecht und Verwaltungsrecht zurückgreifen, 74 ist ein Verfahrensprinzip. 75 Die funktionelle Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde lenkt also weniger die vertretenen Interessen als solche, sondern deren Darstellung innerhalb des Staatsganzen. Sie veranlaßt die getrennten Stellen, jeweils eigene Interessen zu formulieren, zu isolieren und zu balancieren. Die Trennung der Entscheidungsstrukturen gibt verschiedenen Entscheidungsrationalitäten Raum. 76 Maximen der Privatwirtschaftlichkeit bestimmen das Unternehmen, der auf eine Gewährleistung konzentrierte Gedanke der Daseinsvorsorge einerseits und das Anliegen der materiellen Privatisierung andererseits leiten die Regulierung. 77 Der Unternehmensverwaltung ist das erwerbswirtschaftliche Interesse des Staates angelegen, sie bereitet auch eine weitere Vermögensprivatisierung der Bundesunternehmen vor. Die Trennung der staatlichen Organisationen in der Telekommunikation verfolgt damit das Ziel, die Eigenrationalität der verschie-

74 Vgl. Kirchhof VerwArch 66 (1975), 370 (370); GA Darmon in EuGH v. 13.12.1991 Rs. C-18/88 - GB-INNO-BM - Slg. 1991 I, S. 5941 Rnr. 1. Vgl. auch Königshofen, Jb. d. DBP 1991, 499 (534f) für das Verhältnis von BMPT zur Deutschen Bundespost TELEKOM nach § 27 PostVerfG. 75 Er ist besonders dann einschlägig, wenn die Regulierungsbehörde schlichtend auftritt und zwischen dem marktbeherrschenden, noch bundeseigenen Unternehmen und seinen Wettbewerbern vermitteln muß. Vgl. beispielsweise Art. 12 Nr. 1 ONPMietleitungsrichtlinie 1992 und 1997, Art. 27 Nr. 1 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1995 und Art. 26 Nr. 1 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1997; Art. 5 S. 2 ONPMietleitungsrichtlinie 1992 und 1997, Art. 6 Abs. 2 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1995 bzw. Art. 22 Abs. 3 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1997, Art. 10 Abs. 3 ONPSprachtelefondienstrichtlinie 1995, Art. 16 Abs. 2 S. 1 u. Abs. 4 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1997; Art. 9 Abs. 3 S. 1 Zusammenschaltungsrichtlinie; vgl. schon E r schliessung v. 18.9.1995 zur Entwicklung des künftigen ordnungspolitischen Rahmens für die Telekommunikation (95/C 258/01), ABl. EG Nr. C 258 v. 3.10.1995, S. 1 (Ziff. 3 c) 4. Spiegelstrich)). In Umsetzung des Art. 13 Abs. 1 u. Art. 26 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1997 und der Art. 8 Abs. 1 u. Art. 12 ONP-Mietleitungsrichtlinie sieht die deutsche TKV 1997 in § 32 vor, daß die Regulierungsbehörde auf Anrufung über die Berechtigung von Netzzugangsbeschränkungen entscheidet und Rechtsstreitigkeiten zwischen Endkunden und bestimmten Anbietern mit dem Ziel gütlicher Einigung schlichtet (§ 33 TKV 1997). Nach § 8 NZV bietet sich die Regulierungsbehörde zudem zur Schlichtung von Netzzugangsstreitigkeiten an. Aus dem TKG siehe nur §§ 33 ff iVm. § 73 Abs. 1 TKG. Dazu auch unten S. 393 ff. 76

Vgl. Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 577 (579). Zum Übergang von der Daseinsvorsorge zur Gewährleistungsverantwortung vgl. Hermes, S. 340-342; Windthorst, Universaldienst, S. 229 ff. 77

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2. Teil: Die funktionelle Unabhängigkeit

denen Funktionskreise zur Geltung zu bringen. 78 Dies fordert Auseinandersetzungen, in denen Rationalitätskonflikte öffentlich ausgetragen werden: Die Deutsche Telekom AG, ein Unternehmen des Bundes, kritisiert die Regulierungsbehörde des Bundes in ganzseitigen Zeitungsanzeigen.79 Sie erhält darin Unterstützung vom Parlamentarischen Staatssekretär im Finanzministerium, dessen Angriffe wiederum der Bundeswirtschaftsminister abwehrt. 80 Eine regulatorische Entscheidung läßt den Kurswert des öffentlichen Unternehmens an einem Tag um acht Milliarden D M absinken.81 Um gegen diese Entscheidung zu klagen, erwirkt der Vorstand der Deutschen Telekom AG einen Aufsichtsratsbeschluß, an dem auch Vertreter der Bundesregierung mitwirken. 82 Diese Beispiele sind keine Einzelfälle, 83 sondern verfassungsrechtlich gewollte Konsequenz der funktionellen Trennung. Das Gebot funktioneller Unabhängigkeit ist daher dann erfüllt, wenn die jeweilige staatliche Institution vom Interessenmittler zum Interessenträger geworden ist. Die Trennungsleistung, die das jeweilige Organisationsgefüge erbringen muß, hängt von der Intensität der binnenstaatlichen Interessenkonflikte ab. Die organisationsrechtliche Bedeutung der funktionellen Unabhängigkeit wird schwinden, sobald sich der Staat aus der Leistungserbringung zurückzieht. 84 Indes ist der Bund deswegen weder verfassungsrechtlich (Art. 143b GG) noch

78

Vgl. Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 577 (580): „Das Ziel ist eine hinreichende Eigenständigkeit der Eisenbahnunternehmen in der Organisation und ein eigenwirtschaftliches Denken in ihren Entscheidungsgremien.". 79 Vgl. FAZ v. 25.4.1998, Nr. 96, S. 5, Anzeige der DTAG unter der Überschrift „Wir machen den Wettbewerb möglich. Subventionieren können wir ihn nicht." (Die Kritik betraf die Genehmigung der sog. „Wechselgebühr" für Preselection und Portierung.) 80 Vgl. FAZ v. 27.4.1998, Nr. 97, S. 17, „Rexrodt nimmt Telekom-Regulierer in Schutz" (hinsichtlich der Genehmigung von Kabelfernsehgebühren). Dazu unten S. 272272 ff. 81 Vgl. Der Spiegel v. 15.9.1997, „Ein rabenschwarzer Tag". 82 Eine Anfrage des Abgeordneten Kiper, ob der Staatssekretärs im BMF Stark im Aufsichtsrat der Deutschen Telekom AG einer Klage gegen die InterconnectionEntscheidung des BMPT zugestimmt habe, beantwortete die Bundesregierung mit beredtem Schweigen. Sie berief sich auf unternehmerische Vertraulichkeitspflichten. Vgl. BT-Drs. 13/8748, S. 57, abgedruckt in Arch PT 1998, S. 93. Kritisch dazu Gusy, ZRP 1998, 265 (268). 83 Monopolkommission, Hauptgutachten 1996/1997, Tz. 31, interpretiert weiter die dividendensenkende - Rückstellung der Deutschen Telekom AG im Kabelbereich als Druck auf den Regulierer. Eine solche Rückstellung wurde allerdings trotz dahingehender Drohungen nicht vorgenommen. Vgl. FAZ v. 29.7.1998, Nr. 173, S. 16, „Die Deutsche Telekom ist im Wettbewerb noch gewachsen". Vgl. für die Bahn etwa SZ v. 4./5.10.1997, Nr. 228, S. 33, „Bahn soll eine Milliarde D M erstatten. Aufsichtsamt kritisiert Mißwirtschaft." 84 Vgl. Müller-Terpitz, ZG 1997, 257 (271 f). Ähnlich schon Witte, in: Mestmäkker/Witte, Gutachten, S. 48.

3. Abschnitt: Die Dimensionen

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europarechtlich (Art. 222 EGV) gehalten, sich seiner Anteile an der Deutschen Telekom zu begeben. Art. 5a ONP-Rahmenrichtlinie und Art. 87f GG begründen ein subtileres Konzept funktioneller Unabhängigkeit. Es ist im folgenden zu entwickeln.

Dritter Abschnitt

Die Dimensionen der funktionellen Unabhängigkeit Das Konzept funktioneller Unabhängigkeit bezweckt, daß sich die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde in ihrer Funktion verwirklicht. Es setzt daher tatbestandlich an der Regulierung als Funktion an. Diese Feststellung mag überraschen, da Art. 5a ONP-Rahmenrichtlinie von einer „Regulierungsbehörde" spricht und Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG auf die bundeseigene Verwaltung als Institution verweist. Jedoch binden weder Europarecht noch das Verfassungsrecht den Begriff der Regulierungsbehörde an eine einzelne Institution. Art. 87f GG ordnet den Hoheitsaufgaben vielmehr den im systematischen Vergleich variantenreichsten Organisationstypus zu. Als bundeseigene Verwaltung kann demnach nicht nur die Regulierungsbehörde iSd. §§66 ff TKG gelten. Auch ein Ministerium oder andere ihm nachgeordnete Verwaltungseinheiten kommen in Betracht. Ebenso kann die nationale Regulierungsbehörde im Sinne des Europarechts aus verschiedenen, institutionell verselbständigten Stellen bestehen.85 Der EuGH versteht auch den Begriff des öffentlichen Unternehmens iSd. Art. 90 EGV nicht institutionell, sondern funktionell. Entscheidend ist, daß die fragliche Stelle wirtschaftliche Tätigkeiten industrieller oder kommerzieller Art ausübt.86 Spiegelbildlich dazu muß die jeweilige Regulierungsbehörde von ihrer Funktion her erfaßt werden. 87 Deswegen ist der funktionale - Begriff der „Regulierungsbehörde" nach Art. 5a ONP-Rahmenrichtlinie weiter als der - institutionelle - Begriff der Regulierungsbehörde

85

Vgl. Art. 5a Abs. 1 ONP-Rahmenrichtlinie: „Werden die der nationalen Regulierungsbehörde durch gemeinschaftliche Rechtsvorschriften zugewiesenen Aufgaben von mehr als einer Stelle ausgeführt, so stellen die Mitgliedstaaten sicher, daß die von jeder Stelle wahrzunehmenden Aufgaben öffentlich bekanntgemacht werden." Beispielsweise ist dem französische Telekommunikationsminister das Recht vorbehalten, Einzelgenehmigungen zu erteilen und Tarife für den Universaldienst festzulegen. Auch in den Niederlanden scheint eine Teilung der Aufgaben zwischen einer Behörde und einem Ministerium hinnehmbar. Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1997, S. 27 u. 29. 86 Vgl. EuGH v. 27.10.1993 Rs. C-69/91 - Decoster - Slg. 1993 I, S. 5335 Rnr. 15 mwN.; EuGH v. 27.10.1993 Rs. C-92/91 - Taillandier - Slg. 1993 I, S. 5383 Rnr. 14. 87 Zur funktionalen Einordnung des unternehmerischen Handelns Haar, Marktöffnung, S. 263-265 mwN.; Schulz, Eisenbahnwesen, S. 217 ff.

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2. Teil: Die funktionelle Unabhängigkeit

nach § 66 TKG. Art. 5a ONP-Rahmenrichtlinie meint alle mitgliedstaatlichen Behörden im funktionalen Sinne, wenn und soweit sie Regulierungsaufgaben ausführen. 88 Das Europarecht begreift die funktionelle Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde also nicht institutionell von einer vorgegebenen, einzelnen Einrichtung namens „Regulierungsbehörde" her. Ebenso entspricht es dem Wortlaut des Art. 87f GG, der schon grammatikalisch die genannten Agenden in jedem Satz zum Objekt 89 seiner Aussage wählt, den Verfassungsauftrag von den jeweiligen Funktionen her zu begreifen. Ein funktionales Verständnis mag zudem dazu beitragen, die manchem als mißglückt geltende Systematik des Art. 87f GG, 90 schlüssig zu entfalten. Denn die Verfassungsnorm ist Teil eines Privatisierungsprogrammes. Eine Privatisierungslehre muß ihren Ausgang aber nach übereinstimmender Auffassung von den Staatsaufgaben her nehmen.91 Die Legaldefinition der Regulierung nach § 3 Nr. 13 TKG blendet folgerichtig den Autor der Maßnahme aus.92 Mit anderen Worten: Die Regulierungsbehörde nach § 66 TKG ist nicht deswegen unabhängig zu stellen, weil sie Regulierungsbehörde ist, sondern weil sie Aufgaben der Regulierung wahrnimmt. Der europarechtliche Terminus der Regulierung und der verfassungsrechtliche Begriff der Hoheitsaufgaben umschreiben dazu gemeinsam einen staatlichen Funktionskreis (A). Er grenzt sich gegenüber anderen ggf. staatlichen Funktionen ab, namentlich der Leistungserbringung (B) und der Unternehmensverwaltung (C).

A. Ein funktionaler Begriff hoheitlicher Regulierung Hoheitsaufgaben iSd. Art. 87f GG bzw. Regulierung iSd. Europarechts bezeichnen aus einem funktionellen Verständnis heraus nicht notwendig oder ausschließlich Tätigkeiten der nationalen Regulierungsbehörde iSd. §§ 66 ff TKG. Die Verfassung meint auch nicht ausschließlich Tätigkeiten nach dem TKG, wenn sie in Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG von Hoheitsaufgaben spricht. 93 Eine Um-

88 Zum funktionellen Behördenbegriff nach § 1 Abs. 4 VwVfG vgl. Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 1 Rnr. 216. 89 Bzw. im passiv formulierten Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG konsequent zum Subjekt. 90 Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 1. 91 Vgl. nur Osterloh, VVDStRL 54 (1995), S. 204 (207); Bauer, VVDStRL 54 (1995), S. 243 (249f). 92 Mit dem Begriff „Maßnahme" spielt § 3 Nr. 13 TKG jedoch auf § 35 S. 1 VwVfG an. Der dort verwandte Behördenbegriff versteht sich wiederum funktionell. Vgl. § 1 Abs. 4 VwVfG und Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 1 Rnr. 216. 93 Hoheitliche Maßnahmen erfordert beispielsweise auch das Gesetz zur Sicherstellung des Postwesens und der Telekommunikation Post- und Telekommunikationssicherstellungsgesetz (PTSG), verkündet als Art. 10 des PTNeuOG.

3. Abschnitt: Die Dimensionen

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Schreibung der grundgesetzlichen gemeinten Hoheitsaufgaben bzw. der Regulierung nach Art. 5a ONP-Rahmenrichtlinie 1997 muß vielmehr auf der gleichen Normebene nach den gemeinten Tätigkeiten suchen. Das Grundgesetz selbst rechnet zunächst augenscheinlich die Gewährleistung der Grundversorgung nach Art. 87f Abs. 1 GG zu den Hoheitsaufgaben. 94 Weiterhin ist die Liberalisierung des Post- und Fernmeldewesens nach Art. 87f Abs. 2 S. 1 iVm. Art. 143b Abs. 2 S. 1 GG nur denkbar, wenn der Staat die Rahmenbedingungen für das privatwirtschaftliche Engagement schafft, also Wettbewerb ermöglicht. Damit wird auch die Wettbewerbssicherung zur hoheitlichen Aufgabe von Verfassungs wegen. Hinzu tritt die staatliche Verpflichtung auf das Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 GG. 95 Sie ist materiell nicht privatisierungsfähig, muß aber nach der Organisationsprivatisierung der Telekom, der teilweisen Aufgabenprivatisierung und der Liberalisierung unter veränderten Bedingungen realisiert werden. 96 Unter den anderen möglicherweise einflußreichen Bestimmungen des Grundgesetzes soll nur Art. 5 GG hervorgehoben werden, der über die dienende Funktion der Technik gewisse hoheitlich durchzusetzende - Bereitstellungspflichten auslösen kann. 97 Die Materialien zum Art. 87f GG nennen ergänzend „Fragen der Standardisierung und Normierung, die Funkfrequenzverwaltung, die Erteilung von Genehmigungen für Funkanlagen und die Vorsorge für den Krisen- und Katastrophenfall." 98 Im Gemeinschaftsrecht verlangen die einschlägigen Richtlinien, daß der Regulierungsbehörde Befugnisse für Zusammenschaltungen, Genehmigungen, Numerierung, Universaldienst und zur Beilegung von Streitigkeiten übertragen

94

Vgl. Windthorst, Universaldienst, S. 166. Sie wird ohne weiteres angenommen bei Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87f Rnr. 31. Ähnlich Rottmann, Arch PT 1994, 193 (196). Differenzierende Darstellung bei Ludwig Grämlich, Art. 10 GG nach der zweiten Postreform 1994, in: CR 1996, S. 102 (llOf). Vgl. auch Wolfgang Hoffmann-Riem, Informationelle Selbstbestimmung in der Informationsgesellschaft - Auf dem Wege zu einem neuen Konzept des Datenschutzes -, AöR 1998,513. 96 Vgl. die Frage von Burmeister, VVDStRL 56 (1996), 322, auf die Di Fabio , aaO., 339, aus Zeitgründen nicht eingeht und die Schmidt-Preuß, aaO., 341, zum Anlaß nimmt, die Bedeutung unternehmensinterner Instanzen hervorzuheben. Zum Datenschutz Rieß, Regulierung und Datenschutz im europäischen Telekommunikationsrecht, Braunschweig u. Wiesbaden, 1996. 97 Vorsichtig allerdings Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 78, der darauf hinweist, daß die Grenzen des Art. 87f Abs. 1 GG zu berücksichtigen seien. Weitere verfassungsrechtliche Leitbilder benennt Schoch, VVDStRL 57 (1998), S. 158 (187); dort auch (206 f) zu staatlichen Schutzpflichten. 98 Fraktions- und Regierungsentwurf, BT-Drs. 12/6717, S. 4. Vgl. auch Scherer, CR 1994, 418 (420). Die Rubriken Wettbewerbsentwicklung, Wettbewerbsüberwachung, Versorgungsgewähr und Frequenzverwaltung benennt der Ministerialbeamte Berger, ZögU, Beiheft 19, 1996, 36 (48f). Übersicht auch bei Grämlich, VerwArch 88 (1997), 625 (629 ff); Windthorst, Universaldienst, S. 368. 95

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2. Teil: Die funktionelle Unabhängigkeit

werden." Weder Verfassungsrecht noch Europarecht enthalten aber eine abschließende Bestimmung dessen, was Regulierung ist bzw. was Hoheitsaufeabe

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sein kann. Folglich finden sich in der Literatur verschiedene Definitionsversuche. Manche verstehen dabei „Hoheitsaufgaben" nach Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG schlicht als eine andere Bezeichnung für Regulierung und damit als eine Chiffre für ein ordnungspolitisches Konzept. 101 Anderen zufolge sind Hoheitsaufgaben bestimmte Wirkungsfelder und Agenden der Exekutive, die sich von den unternehmerischen und betrieblichen Dienstleistungstätigkeiten abgrenzen. 102 Diese negative Umschreibung führt positiv gewendet dazu, die Hoheitsaufgaben als „Verwaltung im traditionellen, materiellen Sinn" zu bezeichnen.103 Diese Definitionsversuche zielen sogleich auf eine materielle Umschreibung des Begriffsinhalts. Dabei bleibt unbeachtet, daß Hoheitsaufgaben auch einen Modus ihrer Wahrnehmung angeben. Diese instrumentelle Komponente der grundgesetzlichen Begrifflichkeit erschließt sich erst, wenn Hoheitsaufgaben als „auf die hoheitliche Wahrnehmung ausgerichtet" verstanden werden. 104 Hoheitsaufgaben sind demnach letztlich und typisch in hoheitlicher Handlungsform zu erfüllen, mögen auch andere Handlungsformen zum Einsatz kommen. 105 Hätte die Verfassung die Handlungsform offen lassen wollen, wäre zutreffender von „Staatsaufgaben" zu sprechen gewesen.106

99 Vgl. die Übersicht in Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1997, S. 20. Enger und teilweise anders zog noch die Mitteilung über die Umsetzung 1995 den Kreis der Befugnisse in Anschluß an Art. 7 Abs. 1 Wettbewerbsrichtlinie 1990. Damals zählten folgende Befugnisse zur Regulierung: Erteilung von Genehmigungen, Überwachung der Nutzungsbedingungen, Kontrolle der Zulassung und der zwingend vorgeschriebenen Spezifikationen und Zuteilung von Frequenzen. Vgl. auch Windthorst, Universaldienst, S. 136. 100 Die im Fraktions- und Regierungsentwurf, BT-Drs. 12/6717, S. 2 noch enthaltene Formulierung „Die hoheitlichen Aufgaben ... „ ist daher der allgemeineren Formulierung „Hoheitsaufgaben" gewichen. Vgl. zur Offenheit der Hoheitsaufgaben auch Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 7.Zur fortdauernden Unschärfe des Begriffes „Regulierung" auch Ladeur, K & R 1998, 479 (481). 101 So ausdrücklich Grämlich, VerwArch 88 (1997), 625. Ähnlich üerpmann, in: v. Münch/Kunig, Art. 87f Rnr. 12: Wirtschaftsverwaltungsrechtliche Ordnungsaufgaben. 102 Badura, in: Bonner Kommentar, Art. 87f Rnr. 13. 103 So Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87f Rnr. 31. Ders., Universaldienst, S. 364, will diese Definition aber einer dynamischen Interpretation öffnen. 104 So Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 91. Ähnlich EuGH v. 27.10.1993 Rs. C-46/90 u. C-93/91 - Lagauche u.a. - Slg. 1993 I, 5267 Rnr. 33 für die Gerätezulassung. 105 Dies halten sowohl Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 91 als auch Badura, in: Bonner Kommentar, Art. 87f Rnr. 13 für möglich. Enger Windthorst, Universaldienst, S. 364. 106 Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 91.

3. Abschnitt: Die Dimensionen

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Allerdings schließt auch die öffentlich-rechtliche Form einer Tätigkeit nicht aus, daß unternehmerisches Handeln vorliegt. 107 Vom unternehmerischen Handeln unterscheidet sich die Regulierung letztlich durch ihre ordnungspolitische Ausrichtung. 108 Anders als Unternehmensverwaltung und Leistungserbringung steht sie nicht im, sondern über dem Markt. Sie bedient sich hoheitlicher Instrumente, um die spezifische, letztlich aus dem Gewaltmonopol heraus begründete Steuerungsfunktion des Staates auszufüllen. 109 Deswegen kann sich eine Definition der Hoheitsaufgaben nicht auf ein einzelnes der angesprochenen Merkmale beschränken. Zu einer Begriffsbeschreibung lassen sich die genannten Ansätze wie folgt zusammenführen: Hoheitsaufgaben im Sinne des Art. 87f Abs. 2 S. 2 sind Verwaltungsaufgaben in der Telekommunikation, die zur Erfüllung in hoheitlicher Form bestimmt sind, weil der Staat in ihnen ordnungspolitische Zwecke verfolgt, die nicht betrieblicher oder unternehmerischer Natur sind. 110 Diese Definition legt den Kreis der Hoheitsaufgaben nicht abschließend fest. Sie hält ihn vielmehr im Rahmen der verfassungsrechtlichen Grenzen entwicklungsoffen. Er ist im Gegensatz zu den Aufgaben in bezug auf die Unternehmen und die Dienstleistungen weniger nach seiner Zwecksetzung, sondern eher nach seiner Instrumentalität beschrieben. Er legt die Ordnungspolitik insbesondere nicht auf ein bestimmtes Regulierungskonzept fest. Damit bewahrt er jenen Spielraum, der schon mangels Kodifikationsreife in einem Frühstadium der Privatisierung für unumgänglich gehalten wurde, 111 den aber auch das Europarecht nicht abschließt und den sich die Regierung offenhalten wollte. 112 Die Ordnungspolitik bleibt flexibel.

107

So qualifizierte der EuGH die Tarifsetzung durch British Telecom als Bestandteil der unternehmerischen Tätigkeit, obwohl sie im Verordnungswege erfolgte. Vgl. EuGH v. 20.3.1985 Rs 41/83 - Italien/Kommission {British Telecom) - Slg. 1985, S. 873 Rnr. 18-20. 108 Vgl. zur Abgrenzung der Gerätezulassung gegenüber Dienstleistungen iSd. Art. 37 EWGV EuGH v. 27.10.1993 Rs. C-46/90 u. C-93/91 - Lagauche u.a. - Slg. 1993 I, 5267 Rnr. 33. GA Tesauro, in EuGH v. 27.10.1993 Rs. C-69/91 - Decoster - Slg. 1993 I, S. 5335 (5361) grenzt die Regulierung von den wirtschaftlich ausgerichteten Tätigkeiten ab. Die im Gegensatz zu diesen ,,ordnungspolitische[n] Funktionen" der Regulierung betont Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1995, S. 10. Von „besonderer Gemeinwohlbezogenheit" spricht Windthorst, Universaldienst, S. 263. 109

Vgl. dazu Hermes, S. 154; Langer, S. 42 f. Der verfassungs- und europarechtliche Begriff entspricht damit der Legaldefinition nach § 3 Nr. 13 TKG. 111 Vgl. Regierungskommission Fernmeldewesen, S. 71; aber auch Scherer, CR 1994, 418(420). 112 Vgl. Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 12/7269, S. 10 Zu Nr. 1: „Es bleibt abzuwarten, welche Maßnahmen sich in Zukunft zur Ordnung des Marktes als sinnvoll erweisen.". 110

128

2. Teil: Die funktionelle Unabhängigkeit

Allerdings ist schon im Begriff der Hoheitsaufgaben dieser materiellen Flexibilität ein Konkretisierungsverfahren beigegeben. Der Inhalt der Hoheitsaufgaben, das konkrete Konzept der Regulierung, ist nach allen Auffassungen der jeweiligen Gesetzeslage zu entnehmen.113 Dieser Gesetzesvorbehalt erklärt sich, wenn man die instrumentelle Ausrichtung der Hoheitsaufgaben berücksichtigt. Hoheitliche Verwaltung ist typischerweise Eingriffsverwaltung und bedarf damit gesetzlicher Grundlage. Der Gesetzesvorbehalt ergibt sich also nicht nur aus Art. 87f Abs. 1 GG für die Grundversorgung sowie aus Art. 143b Abs. 2 S. 1 GG für die Verleihung ausschließlicher Rechte, sondern über die Ansprache der (grundrechtlichen) Gesetzesvorbehalte durch die Verweisung des Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG auf die Hoheitsverwaltung. In Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG setzte der Verfassungsgesetzgeber damit einen parlamentarischen Kontrapunkt zur umfassenden Verwaltungsbefugnis des Bundespostministers nach Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG a.F.

B. Die Regulierung im Gegensatz zur Leistungserbringung Institutionell formuliert verlangt Art. 5a Abs. 2 1. Spiegelstrich ONPRahmenrichtlinie 1997 die Distanz der Regulierungsbehörden gegenüber den am Markt tätigen Organisationen. Funktional verstanden meint dies die Unabhängigkeit der Regulierung gegenüber der Leistungserbringung. Sucht man aus einem solchen funktionalen Verständnis heraus nach einer positiven Definition der „Dienstleistungen" im Aufgabenfeld in der Telekommunikation, so bleibt das Grundgesetz eine abschließende Antwort schuldig. Klar ist nur, daß Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG nicht nur den nach Art. 87f Abs. 1 GG gewährten Leistungsbereich meint, sondern die gesamte Telekommunikation erfaßt. 114 Auch die Satzung der Deutschen Telekom AG hält den Unternehmensgegenstand mit der Betätigung im gesamten Bereich der Telekommunikation denkbar weit. 1 1 5 Deswegen bleiben als Kriterien nur die im Begriff der Dienstleistung selbst angedeuteten Merkmale: Eine Dienstleistung wendet sich

1,3 Vgl. Grämlich, VerwArch 88 (1997), 625; Badura, in: Bonner Kommentar, Art. 87f Rnr. 15; Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 98. So bereits Fraktionsentwurf, BT-Drs. 12/6717, S. 4 Zu Nr. 3. 114 Vgl. Windthorst, Universaldienst, S. 169. 115 § 2 Abs. 1 Satzung der Deutschen Telekom, Anhang zu § 11 Abs. 2 PostUmwG. Kritisch zu einer möglichen Überschreitung der Bundeskompetenz aus Art. 73 Nr. 7 GG Windthorst, Universaldienst, S. 190 Fn. 391.

3. Abschnitt: Die Dimensionen

129

an Abnehmer und wird in betrieblicher Wirtschaftstätigkeit erbracht. 116 Sie könnte also auch von Privaten im Wettbewerb angeboten werden. 117 Das europäische Telekommunikationsrecht hat mit der Unterscheidung in die Bereitstellung von Telekommunikationsnetzen, -diensten und -endeinrichtungen weitere terminologische Vorarbeit geleistet. 118 Sie läßt den verfassungsrechtlichen Begriffsgehalt anschaulich werden. Im Ergebnis bestimmt sich der Geltungsbereich des Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG über zwei Achsen, die zugleich gesellschaftliche Systemstrukturen sind: Die Telekommunikation als technische Sparte und den Markt als wirtschaftliches Forum, auf dem die Dienstleistung erbracht wird. Diese zweite Achse ließ der frühere Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG in der technischen Verwaltungseinheit Deutsche Bundespost nicht erkennen. Art. 87f GG gibt insoweit einem historischen Wandel des allgemeinen Systemverständnisses Raum, das die Telekommunikation von ihren technischen Ursprüngen her näher an wirtschaftliche Zusammenhänge heranführt. Wortlaut, verfassungsrechtliches Herkommen und der systematische Gegensatz zu den Hoheitsaufgaben und zur Unternehmensverwaltung tragen daher die folgende Begriffsbestimmung: Dienstleistung im verfassungsrechtlichen Sinne ist grundsätzlich jede Tätigkeit in der Telekommunikation, die in der in Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG vorgesehenen privatwirtschaftlichen Weise einem anderen gegen Entgelt angedient werden kann und die nicht hoheitliche oder unternehmensbezogene Aufgabe ist.

C. Die Regulierung im Gegensatz zur Unternehmensverwaltung Weniger klar zu fassen ist der Begriff der Unternehmensverwaltung. Denn er bezeichnet eine historische Zwischenlage. Mit der Ausgliederung und der formellen Privatisierung der bisherigen Staatsunternehmen bildete sich eine besondere staatliche Funktion heraus, die zuvor von der Leistungsverwaltung kaum zu trennen war: Die Ausübung der Kontrolle über das staatliche Unternehmen. Auf sie geht Art. 5a Abs. 2 Halbsatz 2 ONP-Rahmenrichtlinie eigens ein und fordert ihre effektive strukturelle Trennung von der Regulierung. Damit paßt

116

Vgl. Fraktions- und Regierungsentwurf, BT-Drs. 12/6717, S. 4. Dabei kommt es nach Windthorst, Universaldienst, S. 167 f, nicht darauf an, ob die Leistung auch gewerblich erbracht wird. 117 Vgl. dazu auch Langer, S. 45. 118 Vgl. Scherer, CR 1994, 418 (420); Windthorst, Universaldienst, S. 39 zur europarechtlichen u. 52 ff zur einfachgesetzlichen Definition. 9 Oertel

130

2. Teil: Die funktionelle Unabhängigkeit

Art. 5a Abs. 2 Halbsatz 2 ONP-Rahmenrichtlinie 1997 das schon aus Art. 6 Endgeräterichtlinie und Art. 7 Wettbewerbsrichtlinie 1997 bekannte Anliegen an die Ausgliederung der unternehmerischen Tätigkeit unter dem Vorbehalt staatlicher Kontrolle an. Auch die Verfassung bezog folgerichtig nach der Postreform II die Unternehmensverwaltung in die funktionelle Unabhängigkeit ein (Art. 87f Abs. 3 GG). Das Folgende soll diesen Begriff aus seinen historischen Bezügen verdeutlichen (I) und darlegen, daß er auch unter dem der staatlichen Verwaltung gemeinsamen Infrastrukturauftrag eine Trennung der Funktionskreise trägt (II).

/. Die Aufgaben der Unternehmensverwaltung Nach dem Wortlaut des Art. 87f Abs. 3 GG zeichnen sich die Aufgaben der Unternehmensverwaltung dadurch aus, daß sie einen spezifischen Bezug zu den Unternehmen aufweisen müssen. 119 Diese Nähe zum Unternehmen rückt sie umgekehrt in eine gewisse Staatsferne. 120 Eine „Staatsferne" ergibt sich innerhalb des Art. 87f Abs. 3 GG zudem aus der Zuordnung dieser Aufgaben zur Anstalt, wird aber durch deren bundesunmittelbare Führung sogleich wieder relativiert. Sie stellt sich als Folge der Beziehung zum - privatwirtschaftlichen - Unternehmen von selbst ein. Insoweit ist das Kriterium der „Staatsferne" kein zusätzliches Merkmal der anstaltlichen Aufgaben, sondern eine andere, gleichsam negative Umschreibung des Unternehmensbezuges. Welche Aufgaben den erforderlichen Bezug zu den Unternehmen aufweisen, ohne hoheitlich zu sein, verrät der Verfassungstext nicht. Nach den Materialien zum Grundgesetz begründen drei Motive die besondere Beziehung der Unternehmen zum Bund: 1 2 1 Die Eigentümerstellung des Bundes, die frühere Einheit der Unternehmen in der Deutschen Bundespost und ihre infrastrukturelle Bedeutung. Hinzu tritt die beamtenrechtliche Verpflichtung des Bundes gegenüber den Bediensteten der Deutschen Bundespost.

119

Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 116 u. 119. Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87f Rnr. 39. 121 Vgl. Fraktionsentwurf, BT-Drs. 12/6717, S. 4 Zu Nr. 3: „Neben den hoheitlichen Aufgaben des Bundes im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation bestehen besondere Beziehungen des Bundes zu den aus den Sondervermögen der Deutschen Bundespost hervorgegangenen Unternehmen. Dabei handelt es sich zum einen um Fragen im Zusammenhang mit der Verwaltung der Gesellschaftsanteile an den Nachfolgeunternehmen; hierfür wäre eine eigene verfassungsrechtliche Bestimmung entbehrlich. Darüber hinaus folgt aus der historisch gewachsenen Einheit des Post- und Fernmeldewesens und aus der Bedeutung der bisherigen Deutschen Bundespost für die Infrastruktur, daß einzelne Aufgaben in bezug auf die Unternehmen auch künftig in Bundesverwaltung wahrgenommen werden sollen." Ähnlich S. 3. 120

3. Abschnitt: Die Dimensionen

131

Die historische Motivation gestattet es bis auf weiteres, auch eigentlich betriebliche Aufgaben der Unternehmensverwaltung zuzuführen. Damit konnte, wie es die Amtliche Begründung zum verfassungsbegleitenden BAPostG vornehm umschreibt, „übergeordneten politischen Gründen" Rechnung getragen werden. 122 Demnach müssen die Aufgaben der Unternehmensverwaltung entweder historisch aus der Verwaltungstradition der Deutschen Bundespost herzuleiten sein oder aus der aktienrechtlichen Anteilseignerschaft des Bundes herrühren. Eine verfassungsrechtliche Begriffsbestimmung wird also folgendermaßen lauten: Die Aufgaben der Unternehmensverwaltung zeichnen sich durch einen spezifischen Bezug zu den Unternehmen der früheren Deutschen Bundespost aus, in dem entweder deren Tradition als Bundesverwaltung nachwirkt oder der sich aus der fortdauernden Eigenschaft des Bundes als Unternehmenseigner ergibt. Der einfachgesetzliche Aufgabenkatalog der Unternehmensverwaltung nach dem BAPostG erscheint in der Folge als ein rechtes Sammelsurium. 123 Das Gesetz weist das gesamte Aufgabenbündel der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost (BAnst PT) zu. Im Gesetzestext und in der Konstruktion der Anstalt sind aber zwei Untergruppen der Unternehmensverwaltung auszumachen:124 Die Aufgabenwahmehmung für den Bund (1) und die Aufgabenwahrnehmung für die Unternehmen (2). 1 2 5

122 Fraktionsentwurf, BT-Drs. 12/6718, S. 2 u. 76. Dazu Windthorst, Universaldienst, S. 377 ff. Zur offenen Frage, inwiefern diese Gründe der Anstalt langfristig einen Bestand von Aufgaben sichern können, vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 127; Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87f Rnr. 36 unter Bezugnahme auf Schuppert, BTRechtsA-Prot 127117, S. 74ff. Ähnlich schon die FDP-Fraktion nach Ausschußbericht, BT-Drs. 12/8060, S. 180. 123 Diese Formulierung bei Scherer, CR 1994, 418 (421) und Windthorst, Universaldienst, S. 377. 124 Vgl. § 3 Abs. 1 u. Abs. 2 BAPostG, die zwischen Aufgaben für die Unternehmen und Aufgaben für den Bund unterscheiden. Diese Unterscheidung kehrt in der Anstaltssatzung wieder (vgl. Abschnitte V I und V I I der Satzung der BAnst PT, die als Anlage zu § 8 Satz 1 BAPostG beigefugt war, abgedr. bei Fangmann/Lörcher/Scheurle/Schwemmle/Wehner, S. 92-105). Sie gliedert auch die Arbeitsbereiche ihres Vorstandes (§ 11 Abs. 4 Satzung der BAnst PT), Ursprünglich bestimmte sie auch, ob die postministeriellen Aufsichtsrechte im Einvernehmen mit dem Bundesfinanzministerium auszuüben waren; § 2 S. 3 BAPostG erforderte dessen Einvernehmen nur, soweit Eigentümerinteressen des Bundes berührt waren. Zudem drückte sie sich in der Finanzierung aus (§ 19 BAPostG): Die Wahrnehmung von Aufgaben für den Bund finanziert dieser aus seinen Dividenden oder sonstigen Mitteln; die Wahrnehmung von Aufgaben in bezug auf die Unternehmen bezahlen diese nach Maßgabe eines Geschäftsbesorgungsvertrages. Dementsprechend stellt der Wirtschaftsplan der Anstalt Kapitalbedarf und aufbringung für die beiden Gruppen getrennt dar (§ 20 Abs. 2 BAPostG). 125 Diese klare gesetzliche Systematik wird allerdings dadurch verdunkelt, daß die Postreform II an verschiedenen Stellen von „Aufgaben in bezug auf die Unternehmen" spricht. In Art. 87f Abs. 3 GG ist damit ein vom Gesetzgeber zu umreißender Aufga-

132

2. Teil: Die funktionelle Unabhängigkeit

(1) Für den Bund erledigt die BAnst PT die Beteiligungsverwaltung. Sie verwaltet treuhänderisch die A k t i e n an den Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost. 1 2 6 Die BAnst PT nimmt daher auch die gesellschaftsrechtlichen Mitgliedschaftsrechte wahr, veräußert oder erwirbt diese Aktien, bestimmt über die Verwendung der Dividende und einen evtl. Verlustausgleich unter den drei Unternehmen. 1 2 7 Über die Wahl des Aufsichtsrates vermittelt die Anstalt dem Bund damit Einfluß auf die Bestellung der Vorstandsmitglieder des Unternehmens. 1 2 8 Ungeachtet der aktienrechtlich beherrschenden Stellung des Bundes gegenüber dem Unternehmen lag es aber ausdrücklich nicht in der Absicht des Gesetzgebers, die BAnst PT zu einer Management- oder Leitungsholding des Bundes auszubauen. 1 2 9

benbestand gemeint. Das BAPostG faßt unter der Überschrift zum Fünften Abschnitt „Aufgabenwahrnehmung in bezug auf die Unternehmen" Koordinierung, Beratung sowie dienst- und disziplinarrechtliche Hilfestellung zusammen. Den sozialen Aufgaben widmet es einen eigenen Abschnitt unter dieser Überschrift, zieht sie aber in § 3 Abs. 2 mit den Aufgaben des Fünften Abschnitts zusammen. Die Satzung der Anstalt wiederum vereint im VII. Abschnitt Koordinierung, Beratung und soziale Aufgaben unter der gemeinsamen Überschrift „Aufgabenwahrnehmung in bezug auf die Unternehmen". Die Sprachverwirrung soll hier nicht fortgeführt werden. (Kritisch zum Verfassungstext Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 114). Daher wird der Überschrift „Aufgaben für die Unternehmen" hier die heuristische Definition nachgesetzt, daß dieser Abschnitt die Koordination, Beratung, tarif-, dienst-, disziplinar- und sozialversicherungsrechtliche Unterstützung der Unternehmen durch die Anstalt behandelt. Dies sind die Aufgaben, die § 3 Abs. 2 BAPostG benennt. Diese Trennung bleibt näher am Gesetzestext als die dreiteilige Unterscheidung von Windthorst, Universaldienst, S. 382, der neben der Beteiligungsverwaltung, die hier als Aufgabenwahrnehmung für den Bund verstanden wird, die Wahrnehmung einzelner Unternehmensaufgaben und die Koordination der Unternehmen als jeweils eigene Gruppe ansieht. 126 § 9 Abs. 1 BAPostG u. Fangmann/Lörcher/Scheurle/Schwemmle/Wehner, §3 BAPostG Rnr. 7. 127 Vgl. § 3 Abs. 1 S. 2 BAPostG. Hier nimmt das BAPostG zum einen Bezug auf die sog. aktienrechtlichen Vermögensrechte. Vgl. §§ 58 Abs. 4, 60; 186 Abs. 1, 212, 225 Abs. 2 AktG und Raiser , § 12 Rnr. 9; Herres, Arch PT 1994, 302 (304f). Zum anderen sind die aktienrechtlichen Verwaltungsrechte gemeint. Vgl. §§ 131, 118 Abs. 1, 134 AktG und Raiser , § 12 Rnr. 7; Herres, Arch PT 1994, 302 (303f). Aus Sicht des öffentlichen Rechts Ehlers, Privatrechtsform, S. 135f. § 32 Abs. 2 Satzung der BAnst PT bindet die Geltendmachung dieser Rechte aber an die Interessen Bundesrepublik Deutschland. Kritisch daher Mestmäcker, in: ders. (Hrsg.), Kommunikation II, S. 13 (100). Jedoch kennt das Aktienrecht keine Pflicht, Mitgliedschaftsrechte auszuüben, vgl. Raiser , § 12 Rnr. 8. Es öffnet sich damit den Interessen des jeweiligen Aktionärs. Fangmann/Lörcher/Scheurle/Schwemmle/Wehner, § 3 BAPostG Rnr. 15, wollen hierunter vor allem den Infrastrukturauftrag subsumieren. Damit ist aber weder dessen Inhalt noch sein Verhältnis zu anderen Interessen der Bundesrepublik geklärt. Vgl. auch sogleich S. 134 ff. 128 129

Zu § 101 Abs. 1 S. 1 AktG siehe S. 160 f. Vgl. Fraktionsentwurf, BT-Drs. 12/6718, S. 77 zu § 3; S. 81 Zu § 9 u. Zu § 11.

3. Abschnitt: Die Dimensionen

133

(2) In der Aufgabenwahrnehmung für die Unternehmen führt die Anstalt die Sozialeinrichtungen der Deutschen Bundespost fort. Unter ihrem Dach werden die Bundespost-Betriebskrankenkasse, die betrieblichen Sozialeinrichtungen der Deutschen Bundespost und die Wohnungsfürsorge fortgeführt und der erworbene soziale Besitzstand der Postbediensteten gewahrt. 130 Zugleich bildet die Anstalt eine schwache organisatorische Klammer über die drei früheren Postunternehmen hinweg. So gestattet es § 11 BAPostG der Bundesanstalt, die Unternehmensplanungen durch Beratung zu koordinieren. Diese Vorschrift bleibt aber auf die Abstimmung der Unternehmen untereinander beschränkt 131 und versperrt damit die Einflußnahme auf die einzelne Sparte. 132 Auch die anstaltliche Beratung der Unternehmen bei der Gestaltung des äußeren Erscheinungsbildes und der Führungsgrundsätze ist eher kosmetischer Natur. 133 Die im Gesetzgebungsverfahren umstrittene Kompetenz der Anstalt, Manteltarifverträge für die Unternehmen abzuschließen, reicht nicht über Rahmen Vorschriften hinaus. 134 Forderungen, die Anstalt, sei es in ihrer Tätigkeit für den Bund, sei es in ihrer Tätigkeit für die Unternehmen, mit weitergehenden Aufgaben auszustatten, begegnete der Gesetzgeber mit Zurückhaltung. 135 Diese Zurückhaltung läßt erwarten, daß die Bedeutung der Unternehmensverwaltung mit zunehmendem

130 § 28 Abs. 1 BAPostG verpflichtet dabei die Aktiengesellschaften und die Bundesanstalt, den erworbenen Besitzstand zu wahren. Vgl. weiter §§ 25-28 BAPostG und zu den einzelnen Einrichtungen die Anlage zu § 26 Abs. 6. Zur Binnenorganisation der Anstalt § 40 Abs. 4 Satzung der BAnst PT und das Organigram der BAnst PT v. 23.8.1996. 131 Vgl. Fangmann/Lörcher/Scheurle/Schwemmle/Wehner, § 11 BAPostG Rnr. 8. 132 In der Praxis koordiniert die BAnst daher vorwiegend die Tätigkeit der Sozialeinrichtungen für die Unternehmen. Eine im engeren Sinne betriebliche Koordination gelang ihr, als sie den Abschluß des sog. Schaltervertrages zwischen Postbank und Postdienst vermittelte. 133

§§ 12, 13 BAPostG; §§ 37, 38 Satzung der BAnst PT. Die Notwendigkeit dieser Kosmetik erklärt die Amtliche Begründung mit dem „ Interesse der Bundesrepublik Deutschland an einem mit ihrem Selbstverständnis zu vereinbarenden Marktauftritt der Aktiengesellschaften" und der „Rückwirkung der bei den Aktiengesellschaften praktizierten Unternehmenskultur auf die Bewertung der Bundesrepublik Deutschland in der Öffentlichkeit". Vgl. Fraktionsentwurf, BT-Drs. 12/6718, S. 81 Zu § 10 und Zu § 11. 134 Ausweislich der Anlage zu § 14 Abs. 1 BAPostG sind Inhalt der Mantel Verträge: Geltungsbereich, Allgemeine Pflichten, Schweigepflicht, Ärztliche Untersuchung, Unfallverhütung, Nebentätigkeiten, Haftungsrechtliche Stellung des Arbeitnehmers, Formvorschriften, Probezeit, Ausschlußfristen, Annahme von Belohnungen oder Geschenken, Jubiläumszuwendungen, Zeugnisse und Arbeitszeitbescheinigungen, Vorschüsse, Sterbegeld. Vom Widerstand der Unternehmen gegen diese Anstaltskompetenz berichten Fangmann/Lörcher/Scheurle/Schwemmle/Wehner, § 14 BAPostG Rnr. 1-3; Nachklänge dazu bei Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 120. 135

§11.

Vgl. nur Fraktionsentwurf, BT-Drs. 12/6718, S. 77 zu § 3; S. 81 Zu § 9 u. Zu

134

2. Teil: Die funktionelle Unabhängigkeit

Zeitablauf verblassen wird. 1 3 6 Ob der verfassungsrechtliche Bestandsschutz für die Anstalt einen solchen Aufgabenverfall aufhalten kann, ist sehr zweifelhaft. 137

II. Gemeinsamer Infrastrukturauftrag

und verschiedene Instrumente

Im Verfahren der Postreform II wurde bis zuletzt gestritten, ob der Grundversorgungsauftrag auch mit fiskalischen Mitteln zu verfolgen sei. 138 Dessen ungeachtet verpflichtet Art. 87f Abs. 1 GG nach allgemeiner Auffassung neben der Hoheitsverwaltung auch die Unternehmensverwaltung des Bundes. 139 Daher ist es zumindestens von Verfassungs wegen denkbar, daß die Unternehmensverwaltung einerseits und Hoheitsverwaltung andererseits verschiedene Vorstellungen über den Inhalt der Universaldienstverpflichtung entwickeln und sie mit den ihnen zu Gebote stehenden Mitteln verwirklichen. Damit stellt sich die Frage, ob sich die funktionelle Unabhängigkeit der Regulierung auch unter dem Infrastrukturauftrag bewähren kann oder ob die staatlichen Funktionskreise im Namen der Grundversorgung auf ein einheitliches, inhaltlich vorzugebendes Interesse zu verpflichten sind. Ein inhaltlicher Konflikt zwischen den beteiligten Verwaltungskreisen über das gemeinsame Ziel wird sich im Regelfall instrumentell auflösen lassen: Der Bund kann den Infrastrukturauftrag in der Unternehmensverwaltung nur mit

136

Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 132. Vgl. Badura, in: Bonner Kommentar, Art. 87f Rnr. 17: „Das Holdingmodell würde vollends seine Existenzberechtigung verlieren, soweit der Bund seine Kapitalmehrheit in den Unternehmen aufgeben sollte." Ähnlich Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 131; Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87f Rnr. 36 unter Bezugnahme auf Schuppert, BT-RechtsA-Prot 127117, S. 74ff. Ebenso die FDP-Fraktion nach Ausschußbericht, BTDrs. 12/8060, S. 180. Zweifel auch bei Rottmann, Arch PT 1994, 193 (195); Scherer, CR 1994, 418 (421). Einen umfassenden Bestandsschutz verlangen hingegen Fangmann/Lörcher/Scheurle/Schwemmle/Wehner, Art. 87f Rnr. 10. 138 Vgl. Bundesrat, BT-Drs. 12/7269, S. 7 Nr. 1 b): „Der Bundesrat stellt fest, daß diese Verpflichtung des Bundes nicht nur durch hoheitliche Maßnahmen, sondern gegebenenfalls auch durch andere, beispielsweise fiskalische Maßnahmen zu erfüllen ist." Dagegen Bundesregierung, BT-Drs. 12/7269, S. 10 Zu Nummer 1: „Die Bundesregierung hält es in Anbetracht der ordnungspolitisch gewollten Trennung unternehmerischer und hoheitlicher Zielsetzungen grundsätzlich für verfehlt, Regulierungsziele mit fiskalischen Mitteln zu verfolgen." Dazu Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 96 Fn. 15. 139 Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 96 u. 117; Badura, in: Bonner Kommentar, Art. 87f Rnr. 17 u. 29; Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87f Rnr. 37 f; ders., Universaldienst, S. 187 u. S. 350 ff, 365 ff. Für Art. 87e GG nimmt Menges, S. 61, eine Verpflichtung auf den Gewährleistungsauftrag wenigstens insoweit an, als der Bund dauerhaft zum Engagement in den (Netz-) Unternehmen verpflichtet ist. 137

3. Abschnitt: Die Dimensionen

135

den M i t t e l n der Beteiligungsverwaltung wahrnehmen. 1 4 0 Art. 8 7 f A b s . 1 G G gestattet es ihm nicht, weitere, i m Gesetz nach Art. 8 7 f Abs. 3 G G nicht vorgesehene, unternehmerische Entscheidungsbefugnisse zu begründen. 1 4 1 Das A k t i enrecht verwehrt es dem Bund, seinen Einfluß auf das beherrschte Unternehmen dazu zu nutzen, ihm nachteilige Geschäfte ohne Ausgleich abzuverlang e n . 1 4 2 Es soll in Verbindung mit dem Konzernrecht dennoch regelmäßig hinreichen, um eine verfassungsrechtliche Ingerenzpflicht erfüllen zu können. 1 4 3 Jeder Funktionskreis, Hoheitsverwaltung wie Unternehmensverwaltung

des

Staates, bleibt demnach auf seine Instrumente beschränkt. 1 4 4 Aus dem gemeinsamen Ziel folgt i m einfachen Recht keine Überlagerung der Handlungsmöglichkeiten. Eine solche Überlagerung ist auch nicht von Verfassungs wegen erforderlich. Denn die Verfassung stellt die Grundversorgung über eine Stufenfolge

140 Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 96 u. 117 Fn. 14. Im Ergebnis auch Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87f Rnr. 37, insoweit schärfer als in der Voraufl. Rnr. 42. Ähnlich für die Bahn Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 577 (585). Ausführlich dazu Menges, S. 58-70. 141 Deutlich Badura, in: Bonner Kommentar, Art. 87f Rnr. 28. Ähnlich Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87f Rnr. 37. Aus diesem Grund hält etwa H off mann-Riem, in: Reiner Schmidt, (Hrsg.), Öffentliches Wirtschaftsrecht, Besonderer Teil 1, Berlin u.a. 1995, S. 563 Fn. 180, angesichts der beschränkten Möglichkeiten der Anstalt die Regulierungsbehörde eher fur geeignet, den Infrastrukturauftrag zu erfüllen. Für die Bundesbahn lehnen Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 577 (585) eine infrastrukturelle Ausweitung der Ingerenzpflichten und -rechte ab. Art. 87e GG geht davon aus, daß eine Kapitalmehrheit in den Infrastrukturunternehmen hinreicht, um die Versorgung sicherzustellen. 142 Die §§311 ff AktG sichern dem Vorstand der Deutschen Telekom ein Selbstentscheidungsrecht. Es bleibt auch dann erhalten, wenn der Bund Nachteile aus einer infrastrukturell begründeten aktienrechtlichen Weisung voll ausgleichen würde. Vgl. Hommelhoff/Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), 521 (545 ff). 143 Vgl. Ehlers, Privatrechtsform, S. 135-145. Ggf. wäre zu diesem Zweck ein faktischer Konzern anzunehmen, gegen den sich das Anstaltsrecht allerdings sperrt. Weitere Nachweise zum Meinungsstand bei Osterloh, VVDStRL 54 (1995), S. 204 (234 Fn. 119) und Volker Emmerich/Jürgen Sonnenschein, Konzernrecht, 6. Aufl., München 1997, § 2 IV. 2., S. 33 ff, nach denen die überw. M. nicht bereit ist, einer öffentlichrechtlichen Zweckbestimmung den Vorrang vor Konzern- und Gesellschaftsrecht zu gewähren. Für die Bundesbahn gelangen Hommelhoff/Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), 521 (556) zu einem ähnlichen Ergebnis. 144 Vgl. Windthorst, Universaldienst, S. 354 f. Ausfuhrlich zur Einflußnahme über Satzungsziele, aktienrechtliche Weisungen an den Vorstand oder beamtete Aufsichtsratsmitglieder Menges, S. 154 - 176, nach der Aktienrecht und verfassungsrechtlicher Infrastrukturauftrag nebeneinander bestehen können. Ähnlich Schmidt, ZGR 1996, 345 (350-354). Aus Sicht des Gesellschaftsrechts Schön, Der Einfluß öffentlich-rechtlicher Zielsetzungen auf das Statut privatrechtlicher Eigengesellschaften der öffentlichen Hand: - Gesellschaftsrechtliche Analyse -, ZGR 1996, 429. Vgl. zu den aktienrechtlichen Möglichkeiten, einen Vorstand „im Boot zu halten" Hommelhoff/Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), 521 (555 f); Schmidt, ZGR 1996, 345 (358 f)·

136

2. Teil: Die funktionelle Unabhängigkeit

sicher, die alle drei Funktionssebenen des Art. 87f GG umspannt: Auf der Ebene der unmittelbaren Erfüllung ist die privatwirtschaftliche Leistungserbringung gefordert. Ihre Rahmenbedingungen bestimmt die Unternehmensverwaltung, die den Infrastrukturauftrag mit ihren - nicht hoheitlichen - Mitteln zu verfolgen sucht. Aktualisiert und konkretisiert wird die Gewährleistungsverantwortung aber über die hoheitliche Verwaltung, die allein über die Zwangsmittel verfügt, die Leistungserbringung im Einzelfall anzuordnen. Würde nun der Infrastrukturauftrag unter Beteiligung der Unternehmensverwaltung außerhalb der Hoheitsverwaltung definiert, veränderten sich die grundgesetzlich festgelegten Mitwirkungschancen der Länder. Die Hoheitsverwaltung vollzieht das Gesetz, das Art. 87f Abs. 1 GG vorsieht. Hier sind sowohl das Gesetz als Zustimmungsgesetz als auch sein Vollzug über den Beirat der Regulierungsbehörde 145 intensiver Kontrolle der Länder unterworfen. Die Unternehmensverwaltung vollzieht hingegen lediglich das einfache Bundesgesetz nach Art. 87f Abs. 3 GG, ohne daß Vertreter der Länder institutionell einbezogen wären. 146 Schon dies spricht dafür, auch in der Grundversorgung die primäre Zuständigkeit bei der Hoheitsverwaltung zu sehen.147 Sie agiert zudem gegenüber allen Marktteilnehmern, nicht nur gegenüber den Bundesbeteiligungen. Sie vollzieht weiterhin das gegenüber dem BAPostG speziellere Gesetz. Als hoheitliche Verwaltung verfügt sie schließlich über die Zwangsbefugnis, die sich auch gegenüber der erwerbswirtschaftlichen Betätigung des Staates realisieren kann. 148 Aus diesen Gründen läßt sich das Trennungsgebot auch gegenüber dem Infrastrukturauftrag behaupten. Art. 87f Abs. 1 gibt den verschiedenen staatlichen Funktionskreisen lediglich ein gemeinsames Ziel, ohne sie miteinander zu verschränken. Gerade in Erfüllung des Infrastrukturauftrages will Art. 87f GG die jeweiligen Eigenrationalitäten der verschiedenen Funktionskreise ausnutzen. Deswegen heißt es in Abs. 2 S. 1 ausdrücklich: „Dienstleistungen im Sinne des Abs. 1 werden als privatwirtschaftliche Tätigkeiten ... erbracht." Rationalitätskonflikte sind also erwünscht und im gegebenen System zu lösen.

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Bzw. den früheren Regulierungsrat, oben S.51 ff. Der Forderung in der Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 12/7270, S. 7 Nr. 1, in den Verwaltungsrat der BAnst PT zwei Vertreter zu entsenden, hielt die Gegenäußerung der Bundesregierung, aaO., S. 26 Zu Nr. 1, entgegen, daß die Länder auf die Erfüllung des Infrastrukturauftrages über den Regulierungsrat Einfluß nehmen könnten. 147 Ähnlich Windthorst, Universaldienst, S. 355. Für die Bahn beobachten SchmidtAßmann/Röhl, DÖV 1994, 577 (585) ebenfalls nur eine „Residualfunktion" der Beteiligungsverwaltung in Erfüllung des Infrastrukturauftrages. 148 Statt aller Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 12. Aufl., Göttingen 1995, Rnr. 242. 146

3. Abschnitt: Die Dimensionen

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D. Die verfahrensübergreifende Bedeutung funktioneller Unabhängigkeit Die drei Funktionen Regulierung, Leistungserbringung und Unternehmensverwaltung schließen jeweils verschiedene Handlungsabschnitte und Entscheidungsmuster ein. Dabei will das Erfordernis der funktionellen Unabhängigkeit in allen Verfahrenstypen und Verfahrensabschnitte beachtet werden, die zu regulatorischen Entscheidungen führen. Wie Art. 6 Endgeräterichtlinie und Art. 7 Wettbewerbsrichtlinie belegen, zählen auch die Festlegung von Spezifikationen und die Aufsicht über ihre Einhaltung zur Regulierung. 149 In jedem der drei Verfahrenstypen 150 - Normierung, Aufsicht und Einzelfallentscheidung - hat die Regulierung unabhängig zu sein. Daher sollte die Formulierung des § 3 Nr. 13 TKG nicht dazu verleiten, nur „Maßnahmen" und damit verwaltungsaktförmliche Entscheidungen iSd. § 35 S. 1 VwVfG als Regulierung zu verstehen. Das Unabhängigkeitsgebot bezieht sich nicht allein auf die konkret-individuellen Maßnahmen der Regulierung; es gilt auch für die Vorbereitung dieser Maßnahmen durch Aufsicht und für die abstrakt-generelle Normierung. Dies ist plausibel, denn je größer die Reichweite des regulatorischen Tuns, desto gravierender sind die wettbewerbsverzerrenden Wirkungen parteiischer Regulierung. Zugleich überspannt das Gebot funktioneller Unabhängigkeit verschiedene Verfahrensabschnitte. Als verfahrensrechtlicher Grundsatz erfaßt es die Verfahrenseinleitung, die Entscheidungsvorbereitung und die Entscheidungsfindung. Auch der Begriff der - dem Befangenen untersagten - Tätigkeit nach §20 Abs. 1 S. 1 VwVfG ist ähnlich weit auszulegen.151 Er deckt alle Abschnitte des VerwaltungsVerfahrens ab und erfaßt jede Tätigkeit, die eine konkrete und beabsichtige Einflußnahme auf das Verfahren oder den Entscheidungsinhalt mit sich bringt. 152 Es genügt - so die Formulierung des BVerwG -, daß das Unternehmen „mit am Entscheidungstisch sitzt". 153 Angesichts dieser Bandbreite ergibt sich die Schwierigkeit, regulatorische Entscheidungsgewalt von bloßer Hilfstätigkeit abgrenzen. Der EuGH hatte

149

Die gleiche Aufzählung bei EuGH v. 13.12.1991 Rs. C-18/88 - GB-INNO-BM Slg. 1991 I, S. 5941 Rnr. 26. 150 Vgl. GA Tesauro, in EuGH v. 9.11.1995 Rs. C-91/94 - Tranchant - Slg. 1995 I, S. 3911 Rnr. 12, der von den 3 „Phasen" Festschreibung, Kontrolle und Zulassung spricht. 151 Vgl. Scheuing., NVwZ 1982, 487 (490). 152 Vgl. Clausen, in: Joachim Knack, Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG). Kommentar, 5. Aufl., Köln u. a. 1996, § 20 Rnr. 4; Scheuing, NVwZ 1982, 487 (490). Zu den Verfahrensphasen vgl. Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, Verwaltungsverfahren, § 70 Rnr. 28. 153 Vgl. BVerwG E 75, 214 (231).

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2. Teil: Die funktionelle Unabhängigkeit

hierzu mehrfach Stellung zu nehmen. Seine Entscheidungen lassen sich wie folgt zusammenfassen: - Grundsätzlich ist nicht ganz auszuschließen, daß Hilfstätigkeiten der Regulierung einem Unternehmen auf dem regulierten Markt übertragen werden. 154 - Dabei ist der Kreis der übertragbaren Hilfstätigkeiten nach Art. 6 Endgeräterichtlinie und folglich auch nach Art. 7 Wettbewerbsrichtlinie 1990 und Art. 5a ONP-Rahmenrichtlinie deutlich enger zu ziehen als nach Art. 3 lit. f, 86, 90 EWGV. 1 5 5

154 Im Fall Lagauche u.a. (EuGH v. 27.10.1993 Rs. C-46/90 u. C-93/91 - Lagauche u.a. - Slg. 1993 I, 5267) befaßte sich der EuGH mit dem belgischen Verfahren der Gerätezulassung. Danach ließ die Régie des télégraphes et téléphones (RTT), das belgische Fernmeldemonopolunternehmen, funkabhänigige Endgeräte zu. Die insbesondere für drahtlose Telefone erforderliche Zulassung war zunächst beim Minister zu beantragen. Dann überprüfte die RTT die Geräte auf ihre Übereinstimmung mit den technischen Vorschriften, die wiederum der Minister erlassen hatte, und sprach selbst die Zulassung aus. Darin lag nach Ansicht des EuGH kein Verstoß gegen Art. 90 Abs. 1 EWGV (vgl. EuGH v. 27.10.1993 Rs. C-46/90 u. C-93/91 - Lagauche u.a. - Slg. 1993 I, 5267 Rnr. 47 u. 49). Der RTT sei nur eine „Hilfstätigkeit" im Rahmen der Ausübung der ministeriellen Befugnis übertragen worden. Ihre Zulassungstätigkeit beschränke sich darauf, die Übereinstimmung mit den vom Minister festgelegten technischen Vorschriften zu prüfen. Damit folgte der EuGH der Argumentation der belgischen Regierung, überging aber deren Zugeständnis, daß es im Ermessen der RTT stehe, bestimmte besondere Bedingungen für angebracht oder für zwingend zu halten (vgl. die Stellungnahme Belgiens, in EuGH v. 27.10.1993 Rs. C-46/90 u. C-93/91 - Lagauche u.a. - Slg. 1993 I, 5267 (5277).GA Lenz in EuGH v. 27.10.1993 Rs. C-46/90 u. C-93/91 - Lagauche u.a. - Slg. 1993 I, 5267 (5302) Rnr. 53 hielt das Verfahren für einen Verstoß gegen Art. 90 Abs. 1 iVm. Art. 86 EWGV. Die Entscheidung Lagauche u.a. steht allerdings in gewissem Widerspruch zur Entscheidung Decoster vom selben Tage. Vgl. EuGH v. 27.10.1993 Rs. C-69/91 - Decoster - Slg. 1993 I, S. 5335. Zu diesem Widerspruch auch GA Tesauro, in EuGH v. 9.11.1995 Rs. C-91/94 - Tranchant - Slg. 1995 I, S. 3911 Rnr. 2 Fn. 3. In Decoster ging es um die Befugnis des französischen Centre national d'études des télécommunications (CNET), Berichte über die Übereinstimmung von Endgeräten mit den einschlägigen Spezifikationen zu erstellen. Die Berichte ersetzten die Zulassung des Geräts. Das CNET war eine Untergliederung des französischen Ministeriums, dessen Direktionen zugleich mit dem Netzbetrieb, der Handelspolitik, der Festschreibung der Spezifikationen, ihrer Anwendung und der Gerätezulassung betraut waren. Hier stellte der EuGH auf die Vereinigung der Funktionen im Ministerium ab und sah deswegen in dem Zulassungsverfahren einen Verstoß nicht nur gegen Art. 6 Endgeräterichtlinie, sondern auch gegen Art. 3 lit. f, 86,90 EWGV (vgl. EuGH v. 27.10.1993 Rs. C-69/91 - Decoster -Slg. 1993 I, S. 5335 Rnr. 22). 155

Unvereinbar war die Übertragung der Zulassungsbefugnis auf die RTT in Lagauche u.a., obwohl sie sich mit Art. 90 Abs. 1 EWGV vereinbaren ließ, mit Art. 6 Endgeräterichtlinie (vgl. EuGH v. 27.10.1993 Rs. C-46/90 u. C-93/91 - Lagauche u.a. - Slg. 1993 I, 5267 Rnr. 40). Die Richtlinie stellt also strengere Maßstäbe als das vertragliche Wettbewerbsrecht auf, da sie auch die Übertragung der beschriebenen Tätigkeiten auf ein Unternehmen am Markt verbietet.

3. Abschnitt: Die Dimensionen

139

- Eine Hilfstätigkeit liegt dann nicht mehr vor, wenn eine regulatorische Entscheidung wesentlich auf der Tätigkeit beruht. 156 - Bei der Beurteilung sind die gesamten Umstände inhaltlich zu werten. 157 „Hilfstätigkeiten" mögen demnach lediglich dann aus dem Geltungsbereich des Unabhängigkeitsgebots herausfallen, wenn sie inhaltlich von ganz untergeordneter Bedeutung sind und die inhaltliche Entscheidung nicht wesentlich bestimmen. Dies entspricht der überwiegenden Lehre zu § 20 VwVfG. Diese Vorschrift soll neben den entscheidenden Amtsträgern auch alle sonstigen Personen erfassen, deren Mitwirkung sich unter Umständen auf das Ergebnis auswirken kann. 158 Deswegen ist z.B. die Einschaltung von Sachverständigen aus den regulierten Unternehmen nur dann zulässig, wenn die Regulierungsbehörde sich die jeweilige Entscheidung rechtlich vorbehält und faktisch in der Lage ist, die Erkenntnis der fremden Sachverständigen durch eigene Erkenntnis zu ersetzen und zu kontrollieren. 159

E. Fazit Nach diesen Erörterungen läßt sich für das Konzept funktioneller Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde folgendes zusammenfassen:

156 Dies zeigt deutlich die jüngste Entscheidung des EuGH im Falle Tranchant (vgl. EuGH v. 9.11.1995 Rs. C-91/94 - Tranchant - Slg. 1995 I, S. 3911 Rnr. 20). Hier ging es wiederum um die Bedeutung von Gerätetests, die ein Labor durchführte, das dem französischen Monopolunternehmen France Télécom angegliedert und dessen Direktor Bediensteter von France Télécom war. Der Gerichtshof stellte hier fest, daß die behördliche Kontrolle der Anwendung der technischen Spezifikation im wesentlichen auf den Testergebnissen beruhte. Dies sei mit Art. 6 Endgeräterichtlinie unvereinbar (vgl. EuGH v. 9.11.1995 Rs. C-91/94 - Tranchant - Slg. 1995 I, S. 3911 Rnr. 25 in Übereinstimmung mit G A Tesauro, aaO. Rnr. 13-15). 157 In Lagauche u.a. stellte der EuGH in Anwendung des Art. 6 Endgeräterichtlinie (vgl. EuGH v. 27.10.1993 Rs. C-46/90 u. C-93/91 - Lagauche u.a. - Slg. 1993 I, 5267 Rnr. 37) wie in Anwendung des Art. 90 Abs. 1 EWGV (vgl. EuGH v. 27.10.1993 Rs. C46/90 u. C-93/91 - Lagauche u.a. - Slg. 1993 I, 5267 Rnr. 49) allein auf die Rechtsbegriffe der Kontrolle bzw. der Zulassung ab und charakterisiert aus diesem Blickwinkel das Tun der RTT einmal als Hilfstätigkeit, einandermal als Tätigkeit im Zusammenhang mit den in Art. 6 Endgeräterichtlinie genannten Funktionen. Dabei erörterte er nicht, wo die Zulassungsentscheidung tatsächlich fiel. Von dieser formalen Betrachtung haben sich die Entscheidungen EuGH v. 9.11.1995 Rs. C-91/94 - Tranchant - Slg. 1995 I, S. 3911 Rnr. 25, u. EuGH v. 27.10.1993 Rs. C-69/91 - Decoster - Slg. 1993 I, S. 5335 Rnr. 22, gelöst. 158

Vgl. Kopp, VwVfG, § 20 Rnr. 6; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 20 Rnr. 24. Vgl. zum Übergang der Sachverhaltsermittlung auf eine übergeordnete Behörde nach § 96 Abs. 1 S. 1 2. Hs. WG-BW VGH Mannheim, DÖV 1990, 395 (396). 159

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2. Teil: Die funktionelle Unabhängigkeit

Tatbestandlich setzen weder Art. 87f GG noch Art. 5a ONP-Rahmenrichtlinie an einer einzelnen Institution namens „Regulierungsbehörde" an. Sie erfassen vielmehr alle Stellen, die regulatorische Aufgaben wahrnehmen. Dabei verlangen sie, die Regulierung als Funktion unabhängig von anderen staatlichen Tätigkeiten in der Telekommunikation zu organisieren. Als Funktion zeichnet sich die Regulierung dadurch aus, daß sie final auf ordnungspolitische Ziele gerichtet ist, sich instrumentell in hoheitlichen Handlungsformen niederschlägt und institutionell dem Staat zugerechnet wird. Diese staatliche Funktion ist nicht nur von der Leistungserbringung durch das bundeseigenen Unternehmen zu isolieren. Auch die Verwaltung dieses Unternehmens durch die staatliche Unternehmensverwaltung muß außerhalb des funktionalen Bannkreises bleiben. Auch unter dem gemeinsamen Infrastrukturauftrag soll jede der staatlichen Aktivitäten in der Telekommunikation ihre Eigenrationalität für sich entfalten, ihre Interessen in ihren je eigenen Formen und Organisationen ungestört artikulieren und verfolgen können. Daher erfaßt das Gebot funktioneller Unabhängigkeit jede Tätigkeit, die sich auf den Inhalt regulatorischer Entscheidungen auswirken kann. Vierter Abschnitt

Die Faktoren der funktionellen Unabhängigkeit Das bislang in seinen tatbestandlichen Grundlagen umrissene Konzept der funktionellen Unabhängigkeit richtet sich in seinen Rechtsfolgen auf die Organisation der Regulierung. Sie muß die verschiedenen staatlichen Interessen voneinander isolieren. Eine vergleichbare Aufgabe organisatorischer Isolation innerhalb des Staates stellt das Europarecht den Mitgliedstaaten vereinzelt auch an anderen Stellen (A). Für die Telekommunikation hat der EuGH einzelne Kriterien der funktionellen Unabhängigkeit benannt (B). Weitere Einzelheiten lassen sich den Äußerungen von Rat und Kommission entnehmen (C). Die so dargestellten Ansätze sind in einer Gesamtschau zusammenzuführen. Sie umreißt die rechtlichen Faktoren, über die sich die funktionelle Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde verwirklichen läßt (D). Dem Europarecht sind diese Faktoren aber nicht Selbstzweck. Es steuert das mitgliedstaatliche Organisationsrecht vielmehr, indem es ihm eine Leistungsmarke setzt. Daher muß sich die funktionelle Unabhängigkeit in der jeweiligen mitgliedstaatlichen Praxis bewähren (E). A. Richtliniengestützte Verwaltungsautonomie im Gemeinschaftsrecht Das Gemeinschaftsrecht verlangt auch außerhalb der Telekommunikationspolitik von den Mitgliedstaaten verschiedentlich, autonome oder unabhängige

4. Abschnitt: Die Faktoren

141

Verwaltungsstellen zu errichten. 160 So soll die Autonomie in der Agrarverwaltung die Umsetzung des Gemeinschaftsrechts gegen nationale Widerstände fördern (I). Für den Datenschutz und die Vergabeüberwachung sollen unabhängige Stellen errichtet werden, die sowohl innerhalb der gemeinschaftseigenen als auch in der mitgliedstaatlichen Verwaltung eine richterähnliche Stellung innehaben (II). In der Telekommunikation wird die Zulassung von Endgeräten Beliehenen übertragen, die für ihre Unabhängigkeit eine besondere Gewähr bieten müssen (III).

/. Autonome Stellen der Agrarverwaltung In der Agrarverwaltung behob der Rat Mißstände bei der Kontrolle der Olivenölerzeugung, indem er den Mitgliedstaaten aufgab, im Rahmen der mitgliedstaatlichen Rechtsordnung administrativ selbständige Einrichtungen zu schaffen. 161 Dabei soll die jeweilige Agentur - so wörtlich - „völlige Verwaltungsautonomie" genießen.162 Ihr sind die erforderlichen Befugnisse zu verleihen und Bedienstete derart zuzuordnen, daß sie den gestellten Aufgaben gerecht werden kann. Tätigkeitsprogramm und Haushaltsvoranschlag entwirft die Stelle selbst. Der Mitgliedstaat beschließt darüber, dies aber vorbehaltlich einer. Stellungnahme der Kommission. Die Kommission behält sich auch vor, die Tätigkeit der Stelle zu überprüfen. Ihre weitreichenden Einwirkungsbefügnisse erklären sich aus dem Umstand, daß der Gemeinschaftshaushalt die Stelle finanziert. 163 Auch in der Tabakverwaltung sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, entsprechend ihrer Rechtsordnung eine Kontrollstelle mit völliger Verwaltungsautonomie einzurichten, die über die erforderlichen Befugnisse und Bediensteten verfügt, jeder-

160 Daß die gemeinschaftsrechtliche Einwirkung auf das Organisationsrecht im wesentlichen darauf zielt, in den Mitgliedstaaten autonome Stellen einzurichten, beobachtet auch von Danwitz, Europäische Integration, S. 201. 161 Verordnung (EWG) Nr. 2262/84 des Rates v. 17.7.1984 über Sondermaßnahmen für Olivenöl, ABl. EG Nr. L 208 v. 3.8.1984, S. 11, im folgenden VO 2262/92. 162 Art. 1 Abs. 1 u. Abs. 3 VO 2262/92. 163 Vgl. Art. 1 Abs. 4 VO 2262/92. Der anfanglich vorgesehene stufenweise Abbau dieser Finanzierung (vgl. Art. 1 Abs. 5 VO 2262/92) gelang nicht. Vgl. Verordnung (EWG) Nr. 3889/88 des Rates v. 12.12.1988 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2262/84 über Sondermaßnahmen für Olivenöl, ABl. EG Nr. L 346 v. 15.12.1988, S. 12; Verordnung (EWG) Nr. 593/92 des Rates v. 3.3.1992 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2262/84 über Sondermaßnahmen für Olivenöl, ABl. EG Nr. L 64 v. 10.10.1992, S. 1 und zuletzt Verordnung (EG) Nr. 533/97 des Rates v. 17.3.1997 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2262/84 über Sondermaßnahmen für Olivenöl, ABl. EG Nr. L 83 v. 25.3.1997, S. 1.

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2. Teil: Die funktionelle Unabhängigkeit

zeit Vertretern der Kommission Einblick gestattet und hälftig aus dem Gemeinschaftshaushalt finanziert wird. 1 6 4 Nach dem Modell der Agraragenturen ist die gemeinschaftsrechtlich geforderte Verwaltungsautonomie also innerhalb der jeweiligen mitgliedstaatlichen Rechtsordnung herzustellen. Sie äußert sich in der hinreichenden Ausstattung mit Befugnissen, Personal und Finanzmitteln. Die unmittelbare Überwachung der jeweiligen Stellen durch die Kommission hebt sie aus der mitgliedstaatlichen Verwaltungshierarchie heraus. Auf die Regulierungsbehörde sind diese Strukturen schon deswegen nur begrenzt übertragbar, weil sie nicht von der Gemeinschaft finanziert wird. Sie hat zwar mit den Stellen der Agrarverwaltung den Auftrag gemeinsam, auch Gemeinschaftsrecht zu vollziehen. Das Ziel ihrer funktionellen Unabhängigkeit ist aber weniger eine umsetzungsforderliche Anbindung der Regulierung an die Kommission als ihre Ablösung von den unternehmerischen Tätigkeiten der Mitgliedstaaten. Während die landwirtschaftlichen Stellen mit dem zitierten Wortlaut im ganzen aus der mitgliedstaatlichen Verwaltung herausgenommen werden, ist die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde eine relative. 165 Art. 5a ONP-Rahmenrichtlinie bezieht sie auf einzelne, genau bezeichnete Verwaltungsagenden. Aus dem Vergleich mit der Agrarverwaltung läßt sich daher nur entnehmen, daß sich auch die funktionelle Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde innerhalb der mitgliedstaatlichen Rechtsordnung verwirklichen soll, sie nicht durchbricht.

II. Unabhängige Stellen des Datenschutzes und der Vergabeüberwachung Die Datenschutzrichtlinie sieht die Einrichtung unabhängiger Kontrollstellen in den Mitgliedstaaten als wesentliches Element ihres Schutzsystems an. 1 6 6 Die Kontrollstellen nehmen die ihnen zugewiesenen Aufgaben in völliger Unab-

164 Vgl. Art. 20 Abs. 2-5 Verordnung (EWG) Nr. 2075/92 des Rates v. 30.6.1992 über die gemeinsame Marktorganisation für Rohtabak, ABl. EG Nr. L 215 v. 30.7.1992, S. 70. 165 Oben S. 105. 166 Vgl. Erwägung 62 zur Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. EG Nr. L 281 v. 23.11.1995, S. 31, im folgenden Datenschutzrichtlinie. Die Gemeinschaft selbst hat sich in Art. 286 des Amsterdamer Vertrages verpflichtet, auch innerhalb der gemeinschaftseigenen Verwaltung eine unabhängige Kontrollinstanz für den Datenschutz einzurichten. Zum Erfordernis einer dahingehenden Vertragsbestimmung vgl. Christian Oliver Dressel, Die gemeinschaftsrechtliche Harmonisierung des europäischen Datenschutzrechts, München 1995, S. 226 ff.

4. Abschnitt: Die Faktoren

143

hängigkeit wahr. 167 Sie verfugen über Untersuchungsbefugnisse, 168 Einwirkungsbefugnisse, 169 die Fähigkeit, eigene Informationen zu erheben und zu verteilen 170 sowie das Klagerecht und eine Anzeigebefugnis bei einzelstaatlichen Verstößen gegen die Richtlinie. 171 Hinzu tritt die Beteiligung der Kontrollstelle an der untergesetzlichen Rechtsetzung und das Recht, sich unmittelbar an das Parlament, Kontrollstellen anderer Mitgliedstaaten und an die Kommission zu wenden. So wird der Kontrollstelle eine Sonderstellung außerhalb der von der Regierung geleiteten und vertretenen Verwaltung eingeräumt. Dies gilt auch im Verhältnis zur Gemeinschaft. 172 Die deutschen Datenschutzbeauftragten gelten folgerichtig in ihrer Unabhängigkeit als richterähnlich. 173 Ihre Stellung zeichnet sich durch Weisungsfreiheit und weitreichende Befugnisse aus, besitzt aber in der nicht richtlinienförmig geregelten personellen, finanziellen und sachlichen Ausstattung eine Achillesferse. Namentlich in der schlichtenden Kapazität der Regulierungsbehörde bietet sich zum Vergleich weiterhin die Vergabeüberwachung an. Sie soll die Vergabe öffentlicher Aufträge in den gemeinschaftsweiten Wettbewerb stellen. Die einschlägigen Richtlinien sehen vor, daß dafür eine unabhängige Instanz einge-

167 Vgl. Art. 28 Abs. 1 S. 2. Dazu Thomas Giesen, Rechtstellung, Aufgaben und Befugnisse der Datenschutzkontrollstellen nach Art. 28 der EG-Datenschutzrichtlinie, RJDV 1998, 15 (16 f). 168 Z.B. Recht auf Zugang zu Daten, Recht auf Einholung aller für die Erfüllung ihres Kontrollauftrages erforderlichen Informationen. 169 Z.B. das Recht, Stellungnahmen abzugeben und zu veröffentlichen, Daten sperren, löschen, vernichten oder aufbewahren zu lassen, Verwarnungen oder Ermahnungen auszusprechen oder das Parlament oder andere politische Institutionen anzurufen. 170 Die Kontrollstelle kann von jedermann, auch von Verbänden angerufen werden und muß über den Fortgang der Eingabe informieren (Art. 28 Abs. 4 S. 1 u. 2). Die Kontrollstellen verschiedener Mitgliedstaaten können einander um die Ausübung ihrer Befugnisse ersuchen (Art. 28 Abs. 6 S. 2) und arbeiten auch sonst zusammen, insbesondere im Wege des Informationsaustauschs (Art. 28 Abs. 6 S. 3). Die Kontrollstellen werden bei der Ausarbeitung von Rechtsverordnungen oder Verwaltungsvorschriften über den Datenschutz angehört (Art. 28 Abs. 2). Über ihre Tätigkeit berichten die Kontrollstellen regelmäßig öffentlich (Art. 28 Abs. 5). 171 Vgl. Art. 28 Abs. 3 S. 1 Datenschutzrichtlinie. 172 So prüft eine eigene Datenschutzgruppe aus Vertretern der Kontrollstellen und einem Vertreter der Kommission die einheitliche Umsetzung der Richtlinie und berät ihre Fortschreibung. Vgl. Art. 29 u. 30 Datenschutzrichtlinie. Gemeinschaftliche Durchfuhrungsmaßnahmen trifft die Kommission allerdings im Benehmen mit einem Ausschuß aus Vertretern der Mitgliedstaaten, nicht der Kontrollstellen. Vgl. Art. 31 Datenschutzrichtlinie. 173 Zur Einordnung vgl. Hans-Ulrich Paeffgen, Amtsträgerbegriff und die Unparteilichkeit des Datenschutzbeauftragten JZ 1997, 178 (184 ff); Stößenreuther, S. 221.

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2. Teil: Die funktionelle Unabhängigkeit

richtet wird, die Vergabeentscheidungen auf Antrag überprüft 174 Ihre Mitglieder unterliegen weithin den gleichen Vorschriften wie Richter. Das deutsche Recht stellt dies durch einen Verweis auf das Richtergesetz sicher. Es siedelt den Vergabeüberwachungsausschuß des Bundes beim Bundeskartellamt an. Dessen Präsident führt die Dienstaufsicht; aus seinen Beschlußabteilungen stammen die beamteten Mitglieder des Ausschusses.175 Der EuGH hat erkannt, daß dem Vergabeüberwachungsausschuß nach früherem Recht gerichtliche Qualität im Sinne des Art. 177 EGV zukam. 176 Jedoch kann sich die Regulierung in der Telekommunikation anders als die Vergabeüberwachung und auch der Datenschutz nicht maßgeblich auf die Verfolgung subjektiver Rechte durch Private stützen, denen gerichtsähnliche Foren verwaltungsinternes Gehör verschaffen. Die Regulierung in der Telekommunikation beschränkt sich nicht auf die antragsabhängige Mißbrauchsaufsicht im gerichtsähnlichen Verwaltungsverfahren. Sie ist auch verteilende, planende und eingreifende Marktaufsicht. Ihre funktionelle Unabhängigkeit kann sich daher nur teilweise in justizähnlichen Entscheidungssituationen erweisen. Sie ist weder anhand der richterähnlichen Ausrichtung der Vergabeüberwachung noch über das ombudsmannähnliche Modell des Datenschutzes vollständig einzufangen. Der Vergleich mit diesen beiden Institutionen zeigt lediglich, daß das Gemeinschaftsrecht einzelnen Stellen in der mitgliedstaatlichen Verwaltung gerichtsähnliche Unabhängigkeit verschaffen kann.

III. Unabhängige Gerätezulassung Nähere Anhaltspunkte für den Vergleich mit der Regulierungsbehörde bietet das Regime der Gerätezulassung nach den §§59 ff TKG und der sog. Konformitätsrichtlinie. 17 '

174 Vgl. An. 2 Abs. 8 Richtlinie 89/665/EWG des Rates v. 21.12.1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge, ABl. EG Nr. L 395, S. 33. 175 Vgl. die Darstellung in EuGH, Urt. v. 17.9.1997 - Rs. C-54/95 Dorsch Consult Ingenieurgesellschaft mbH./. Bundesbaugesellschaft Berlin mbH, NJW 1997, 3365 Ziff. 17. 176 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.9.1997 - Rs. C-54/95 Dorsch Consult Ingenieurgesellschaft mbH./. Bundesbaugesellschaft Berlin mbH, NJW 1997, 3365 Ziff. 22-38. Zu dieser Entscheidung Arnold Boesen, EuGH bejaht Vorlageberechtigung der Vergabeüberwachungsausschüsse, NJW 1997, 3350; Jan Byok, EuZW 1997, 628, jeweils mwN. zur umstrittenen Frage der Gerichtsqualität. 177 Ursprünglich Richtlinie des Rates v. 29.4.1991 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Telekommunikationsendeinrichtungen einschließlich der gegenseitigen Anerkennung ihrer Konformität (91/263/EWG), ABl. EG Nr. L 128 v.

4. Abschnitt: Die Faktoren

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Der Endgerätemarkt ist in seiner gemeinschaftsrechtlich verlangten Öffnung den übrigen Märkten der Telekommunikation vorangegangen. Hier ist das Erfordernis funktioneller Unabhängigkeit von Regulierung und Unternehmen zunächst entwickelt worden. Hier hat es auch eine detaillierte richtlinienförmige Ausformung erhalten. Anhang V der Konformitätsrichtlinie beschreibt dazu die Merkmale, denen Testlabors genügen müssen, um als sog. benannte Stellen mit Aufgaben der Gerätezulassung betraut zu werden. Diese Vorgaben nimmt das TKG in § 62 auf. Auf dessen Grundlage bestimmt schließlich die BAkkrV 1 7 8 die Voraussetzungen, die eine Stelle erfüllen muß, um mit den Zulassungsbefugnissen beliehen zu werden. Dies sind zunächst sachliche Voraussetzungen 179 und die aus dem allgemeinen Gewerbe- und Telekommunikationsrecht bekannten persönlichen Erfordernisse der Fachkunde und der Zuverlässigkeit. 180 Vor allem aber muß die benannte Stelle unabhängig sein, um ihre Aufgaben ordnungsgemäß und unparteiisch zu erfüllen. 181 Die erforderliche Unabhängigkeit besitzt, wer die Gewähr dafür bietet, daß er keinem wirtschaftlichen, finanziellen oder sonstigen Zwang unterliegt, 182 der sein Urteil beeinflussen oder das Vertrauen in die unparteiische Aufgabenwahrnehmung in Frage stellen kann. 183 Diese Gewähr kann eine Person keinesfalls bieten, die unmittelbar im Entwicklungs- und Produktionsprozeß von Endeinrichtungen beteiligt oder Organmitglied in Organisationen ist, denen eine Zulassungsentscheidung einen unmittelbaren Vor- oder Nachteil bringen kann. 184 Die Beleihung ist weiterhin ausgeschlossen, wenn die Entlohnung der prüfenden Person von den Ergebnissen oder der Zahl ihrer Verfahren abhängen soll. 185 Die Verordnung setzt also über die auf den Beliehenen ohnehin an23.5.1991, S. 1, nunmehr aufgegangen in der Richtlinie 98/13/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates v. 12.2.1998 über Telekommunikationseinrichtungen und Satellitenfunkanlagen einschließlich der gegenseitigen Anerkennung ihrer Konformität, ABl. EG Nr. L Nr. 74 v. 12.3.1998, S. 1. 178 Vgl. § 3 Abs. 1 BAkkrV für die Gerätezulassung; § 3 Abs. 2 BAkkrV mit geringeren organisatorischen Anforderungen für die Personenzulassung. 179 Sachmittel und organisatorische Vorkehrungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1, 4-7 BAkkrV. Vgl. auch den teilweise detaillierteren Katalog der TKZulV 1995, Anlage 1 (zu § 6 Abs. 2), Nr. 3., 4., 6. 180 Vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 2 iVm. § 4 Abs. 1 BAkkrV; § 3 Abs. 1 Nr. 3 iVm. § 4 Abs. 2 BAkkrV. Dazu Ziff. 3 u. 4 des Anhangs V der Konformitätsrichtlinie. 181 Vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 3 BAkkrV. 182 TKZulV 1995, Anlage 1 (zu § 6 Abs. 2), Nr. 2 ließ schon jeglichen Druck oder Anreiz genügen. 183 § 4 Abs. 3 BAkkrV. 184 Vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1- 5 BAkkrV. TKZulV 1995, Anlage 1 (zu § 6 Abs. 2), Nr. 1 S. 2 hatte davon noch ausdrücklich den Austausch technischer Informationen zwischen dem Hersteller und der benannten Stelle ausgenommen. Vgl. auch Ziff. 1, 2, 7 Anhang V zur Konformitätsrichtlinie. 185 § 5 Abs. 1 Nr. 6 BAkkrV; Ziff. 5 Anhang V zur Konformitätsrichtlinie. 10 Oertel

146

2. Teil: Die funktionelle Unabhängigkeit

wendbaren verfahrensbezogenen Befangenheitsvorschriften hinaus am Status des Entscheiders an. 186 Hier wirkt das Verbot, sich in wirtschaftlich betroffenen Unternehmen zu betätigen, wie ein beamtenrechtliches Nebentätigkeitsverbot. 187 Das Verbot erfolgsabhängiger Bezahlung sichert einen beamtenähnlichen Vergütungsanspruch. 188 Damit wird die persönliche Unabhängigkeit der Entscheidungsträger gestärkt. Die BAkkrV verlangt zudem, daß die benannte Stelle institutionell unabhängig ist. 1 8 9 Die Beleihung ist daher grundsätzlich ausgeschlossen, wenn die Stelle innerhalb eines Unternehmens organisatorisch, wirtschaftlich oder personell mit einem Dritten oder einer mit Prüfungen oder Zulassungen befaßten anderen Stelle verflochten ist. Eine verflochtene Stelle kann die Beleihung nur ausnahmsweise erlangen. Dazu muß sie nachweisen, daß eine Einflußnahme der anderen Stelle rechtlich ausgeschlossen ist und daß ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit durch eine getrennte Rechnungsführung belegt wird. Vorbehaltlich dieses Nachweises indiziert die organisatorische Verflechtung die Abhängigkeit. Die aus der organisatorischen Verflechtung begründete Vermutung kann nur durch die rechtliche Trennung der Weisungskreise und die wirtschaftliche Trennung der Rechnungskreise widerlegt werden. 190 Insgesamt läßt sich also der BAkkrV iVm. Anhang V zur Konformitätsrichtlinie bereits ein umfassendes Konzept der funktionellen Unabhängigkeit entnehmen. Auf der persönlichen Ebene muß jede wirtschaftliche oder berufliche Abhängigkeit aufgelöst sein. Organisatorisch sind die mit den verschiedenen Funktionen betrauten Stellen in ihren Arbeitsabläufen, ihrer hierarchischen Einordnung und in ihrer Rechnungsführung voneinander zu trennen.

B. Die Rechtsprechung des EuGH Der EuGH hat es jedoch ausdrücklich abgelehnt, für die funktionelle Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde etwa die Norm CEN/CENELEC 45001

186

§§20, 21 VwVfG. Vgl. § 65 Abs. 2 Nr. 3 u. 4 BBG. Dazu Battis , BBG, § 65 Rnr. 10 f; allgemein auch ders., § 64 Rnr. 4. 188 Zum Alimentationsprinzip Lecheler, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 72 Rnr. 54. 189 Zum folgenden § 5 Abs. 2 BAkkrV. 190 Reg TP, Mitteilung Nr. 53/1998, Hinweise und Informationen zur Anwendung der Beleihungs- und Akkreditierungsverordnung, ABl. Reg TP 6/1998, S. 890, verlangt dazu, daß mindestens eine Fachkraft der Benannten Stelle zu 100% zur Verfügung steht, weitere Kräfte an keiner anderen Stelle des Zertifizierungsprozesses eingesetzt werden und daß die völlige wirtschaftliche Selbständigkeit in einem eigenen betriebswirtschaftlichen System nachgewiesen wird. 187

4. Abschnitt: Die Faktoren

147

oder Anhang V der Konformitätsrichtimie zu übernehmen. 191 Damit macht er deutlich, daß das Konzept der funktionellen Unabhängigkeit politisch auszuarbeiten ist. Seine Rechtsprechung beschränkt sich auf einige Anhaltspunkte: 192 Demnach ist es für die gebotene Funktionstrennung letztlich nicht entscheidend, ob die Einrichtung, die die verschiedenen Funktionen auf sich vereinigt, rechtlich getrennt vom Staat oder von einem Ministerium ist. 193 Weder eine öffentlich-rechtliche Organisationsform noch eine rechtliche Verselbständigung des Funktionsträgers entlasten ihn von den weiteren Anforderungen der Funktionstrennung. Das Gemeinschaftsrecht formuliert seine Anforderungen, wie bereits oben gesehen,194 rechtsformneutral. Es entspricht einer Erkenntnis des deutschen Verwaltungsrechts, daß sich eine Trennung politischer von unternehmerischen Funktionen in verschiedenen Organisationsformen verwirklichen läßt. 195 So hätte etwa eine zurückhaltende Ausübung des ministeriellen Weisungsrechts nach der Postreform I eine Als-Ob-Unabhängigkeit der Deutschen Bundespost TELEKOM gestattet, obwohl diese allenfalls als teilrechtsfähige Anstalt gelten konnte. Unzulässig ist aber eine Zuweisung von regulatorischen Funktionen an Einheiten, die mit dem Träger der unternehmerischen Funktionen organisatorisch identisch 196 oder ihm angegliedert und durch die Anstellung leitender Funktionsträger verbunden sind. 197 Es ist nicht zulässig, die regulatorischen und unternehmerischen Funktionen an verschiedene Stellen innerhalb einer Behörde zuzuweisen. 198 Dies gilt selbst dann, wenn diese Stellen eigenständige Direktionen (eines französischen Ministeriums) bilden. Wenigstens einer der Funktionskreise muß aus der gemeinsamen ministeriellen Hierarchie herausgenommen werden. Die Unabhängigkeit der Funktionen ist also durch eine Trennung ihrer organisatorischen Identität zu erreichen. Dabei konstituiert sich die organisatorische Identität über den selbständigen Status, die unverschränkte, d.h. nicht von fremden Kompetenzen überlagerte Zuständigkeit und die Eigenverantwortlichkeit des Personals. 191

Vgl. EuGH v. 9.11.1995 Rs. C-91/94 - Tranchant - Slg. 1995 I, S. 3911 Rnr. 23f. Knapper Überblick bei Mestmäcker, in: Immenga/Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht, München 1997, Art. 37, 90 Rnr. 23. 193 Vgl. EuGH v. 27.10.1993 Rs. C-69/91 - Decoster - Slg. 1993 I, S. 5335 Rnr. 21. 194 Oben S. 140. 195 Vgl. Bullinger, in: Mestmäcker (Hrsg.), Kommunikation II, S. 349 (359). 196 Vgl. EuGH v. 27.10.1993 Rs. C-46/90 u. C-93/91 - Lagauche u.a. - Slg. 1993 I, 5267 Rnr. 39f. u. EuGH v. 13.12.1991 Rs. C-18/88 - GB-INNO-BM - Slg. 1991 I, S. 5941 Rnr. 26 für die belgische RTT. 197 Vgl. EuGH v. 9.11.1995 Rs. C-91/94 - Tranchant - Slg. 1995 I, S. 3911 Rnr. 22. 198 Vgl. Rnr. 16; EuGH v. 27.10.1993 Rs. C-92/91 - Taillandier - Slg. 1993 I, S. 5383 Rnr. 15. So auch die Stellungnahme der Kommission in EuGH v. 27.10.1993 Rs. C69/91 - Decoster - Slg. 1993 I, S. 5335 (5353). 192

148

2. Teil: Die funktionelle Unabhängigkeit

Die Rechtsprechung stimmt insoweit mit den zusammenfassenden Ausführungen des G A Tesauro überein. 199 Er sieht das Gebot funktioneller Unabhängigkeit dann verletzt, wenn die verschiedenen Aufgaben in eine Zuständigkeit fallen oder hierarchisch derselben Entscheidungsbehörde unterliegen; wenn zwischen den befaßten Untergliederungen eine hierarchische bzw. funktionelle Verbindung besteht; oder wenn die Personalverantwortlichkeiten für beide Funktionen zusammenlaufen. 200 Dies gilt um so mehr, wenn eine der Untergliederungen zudem über Sonderrechte verfügt, die ihr zu bevorzugtem Einfluß auf die Normsetzung und Einzelfallentscheidung verhelfen. Demnach läßt sich festhalten, daß die Unabhängigkeit der Regulierung nach gegenwärtiger Rechtsprechung eine Aufteilung von Zuständigkeiten auf Einrichtungen mit separater Identität, Hierarchie und Personalveranwortlichkeit verlangt. Auf die gewählte Rechtsform kommt es dabei nicht an. 201

C. Die Äußerungen von Rat und Kommission Die naturgemäß am Einzelfall entwickelten Kriterien der Rechtsprechung fügen sich in eine umfassende Äußerung von Rat und Kommission in der Begründung zu Art. 5a ONP-Rahmenrichtlinie. Hier weist der Rat eigens auf die Erläuterungen der Kommission zur Frage der „wirksamen strukturellen Trennung der hoheitlichen Funktion von Tätigkeiten im Zusammenhang mit Besitz oder Kontrolle" hin und macht sich damit deren Erwägungen zu eigen. 202 Diese Erwägungen fassen inhaltlich die Kriterien zusammen, die die Kommission ihrer Bewertung der Umsetzung der Telekommunikationspolitik in den Mitteilungen von 1995 203 und von 1997 204 zugrundegelegt hat. Daher sollen sie hier wörtlich wiedergegeben werden:

199

In EuGH v. 27.10.1993 Rs. C-69/91 - Decoster - Slg. 1993 I, S. 5335 (5366f). Vgl. GA Tesauro in EuGH v. 9.11.1995 Rs. C-91/94 - Tranchant - Slg. 1995 I, S. 3911 Rnr. 14. 201 Auch Frankreich, in EuGH v. 27.10.1993 Rs. C-69/91 - Decoster - Slg. 1993 I, S. 5335 (5350f), sah als vordringliche Schritte zur Herstellung der Unabhängigkeit des CNET die funktionelle Ausgliederung durch Schaffung eines verantwortlichen Personenkreises mit eigenem Zeichnungsrecht und selbständiger Buchhaltung an. Die selbständige Rechtspersönlichkeit sollte erst mittelfristig folgen. 200

202 Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 58/96 vom Rat festgelegt am 12.9.1996 im Hinblick auf den Erlaß der Richtlinie 96/.../EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom ... zur Änderung der Richtlinien 90/387/EWG und 92/44/EWG des Rates zwecks Anpassung an ein wettbewerbsorientiertes Telekommunikationsumfeld (96/C 315/07), ABl. EG Nr. C 315 v. 24.10.1996, S. 41 (55 iv)). 203 Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1995. 204 Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1997.

4. Abschnitt: Die Faktoren

149

„Nach Art. 189 des Vertrags wird mit der vorgeschlagenen Änderung der Richtlinie 90/387 (einschließlich des neuen Artikels 5a) ein zu erzielendes Ergebnis vorgegeben, wobei den nationalen Behörden die Wahl der Form und der Mittel zur Erreichung dieses Ergebnisses überlassen bleibt. Gemäß Art. 222 des Vertrages bleiben die in den Mitgliedstaaten geltenden Eigentumsregeln von dieser Richtlinie in jeglicher Hinsicht unberührt. Das Ziel einer wirksamen strukturellen Trennung kann in Abhängigkeit von den Rechts- und Verwaltungstraditionen des betreffenden Mitgliedstaats auf mehrfache Art und Weise erreicht werden. Hierzu können beispielsweise folgende Regelungen zählen: Zuordnung der hoheitlichen Funktion bzw. der betrieblichen Tätigkeiten zu verschiedenen Ministerien, Zuordnung der hoheitlichen Funktion zu einer unabhängigen Regulierungsbehörde oder Belassung beider Funktionen bei einem Ministerium, jedoch in Verbindung mit geeigneten Absicherungen, die die Wirksamkeit der Trennung gewährleisten. Das bedeutet, daß der Nachdruck auf die Wirksamkeit der Trennung zu legen ist, nicht auf ihre Form. Zur Sicherung einer wirksamen Trennung müssen die Mitgliedstaaten insbesondere dafür sorgen, - daß hoheitliche Entscheidungen nicht durch Eigentumserwägungen beeinflußt werden; - daß kommerziell sensible Informationen, die die Regulierungsstelle im Zuge ihrer Marktüberwachung erhält, nicht an die Stelle weitergegeben werden, die als Anteilseigner oder Eigentümer des Betreibers fungiert und von der sie genutzt werden könnten, um einem im staatlichen Besitz befindlichen oder staatlich kontrollierten Betreiber Wettbewerbsvorteile zu verschaffen; - daß für den Wechsel von Personal von der Regulierungsstelle zu der als Anteilseigner oder Eigentümer fungierenden Stelle und umgekehrt spezielle Schutzmaßnahmen zur Anwendung gelangen; - daß die zwei Funktionen Regulierung und Überwachung/Besitz über gesonderte Rechnungsfuhrungs-, Personalverwaltungs- und Berichterstattungsstrukturen verfügen; - daß für das Personal beider Stellen keinerlei Interessenkonflikte hinsichtlich der Erreichung von staatlichen Zielen in der Rolle als Anteilseigner/Eigentümer bzw. von staatlichen Zielen oder Verpflichtungen in der Rolle als Regulierungsstelle entstehen. Die obigen Absicherungen müssen in der Satzung und im tatsächlichen Verhalten der Regulierungsstelle ihren Ausdruck finden." Die wiedergegebenen Erwägungen beziehen sich ausdrücklich nur auf die strukturelle Trennung der Unternehmensverwaltung von der Regulierung. Sie sind aber inhaltlich allgemeiner Natur. Gleichermaßen können sie daher für die Trennung von Regulierung und Leistungserbringung Geltung beanspruchen. Wenn schon gegenüber der Unternehmensverwaltung, die nur mittelbar auf die Leistungserbringung Einfluß nimmt, besondere Vorkehrungen geboten sind, um die Unabhängigkeit zu sichern, gilt das erst recht für das Verhältnis zur Leistungserbringung selbst. Andernfalls müßte die Regulierung gegenüber der staatseigenen Unternehmensverwaltung größere Distanz wahren als gegenüber Unternehmen außerhalb des Staatsgefüges.

150

2. Teil: Die funktionelle Unabhängigkeit

D. Die einzelnen Faktoren det funktionellen Unabhängigkeit Die im Vergleich angedeuteten, von der Rechtsprechung bestätigten und in den Erwägungen des Rates fortgebildeten Kriterien lassen sich drei großen Rechtsgruppen zuordnen. Dem Organisationsrecht zählen die institutionellen Faktoren zu, die sich mit der Verfassung der jeweiligen Verwaltungsstelle befassen (I); auf das Dienstrecht verweisen die Faktoren der personellen Autonomie (II); verfahrensrechtlicher Natur sind schließlich die formellen Faktoren der Zuständigkeitsregelung und der Informations- und Interessentrennung (III).

I. Institutionelle

Faktoren und Organisationsrecht

Auf das Organisationsrecht laufen die Kriterien der rechtlichen und organisatorischen Verselbständigung des jeweiligen Funktionsträgers hinaus. Die rechtliche Unterscheidung der Regulierungsbehörde vom Unternehmen ist nach der ONP-Rahmenrichtlinie ein erstes Kriterium der Unabhängigkeit. Das Erfordernis der rechtlichen Verselbständigung gilt aber nur im Verhältnis zum Leistungsträger. Gegenüber der Unternehmensverwaltung kommt es auf eine wirksame strukturelle Trennung an. Daher ist auch gegenüber dem ausgegliederten Unternehmen die rechtliche Verselbständigung nur eine notwendige, keine hinreichende Bedingung der funktionellen Unabhängigkeit. Art. 5a ONP-Rahmenrichtlinie verlangt die funktionelle Unabhängigkeit der Regulierung ausdrücklich zusätzlich zur rechtlichen Unterscheidung von Betreiber und Behörde. Nach den zitierten Erwägungen muß die Unabhängigkeit in der Satzung und im tatsächlichen Verfahren Ausdruck finden. Im Verhältnis zur Unternehmensverwaltung genügte eine bloß formelle Ausgliederung von Aufsichtsbehörden aus der Unternehmensverwaltung der Kommission bislang nicht. 205 So zeigt das Verlangen nach getrennter Rechnungsführung, Personalverwaltung und Berichterstattung klar, daß vor allem die Kontrolle von Budget, Personal und Entscheidungsinhalten der jeweiligen Funktionen voneinander zu isolieren ist. 2 0 6 Der Gerichtshof hielt es folgerichtig nicht für zureichend, die verschiedenen Funktionen auf zwei Abteilungen ein-

205 Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1995, S. 10; zum Beispiel Niederlande ebendort Fn. 47. 206 Zum Budget schon Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1995, S. 10. Zur budgetären Autonomie einer sich selbst finanzierenden Regulierung auch Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1997, S. 30 zu Österreich.

4. Abschnitt: Die Faktoren

151

und desselben Ministeriums aufzuteilen. 207 Dabei hängen die weiteren Anforderungen der Kommission zufolge vom Einzelfall ab: Dem übergeordneten Ministerium konnten nach der Mitteilung 1995 noch Finanzkontrolle und Rechtmäßigkeitskontrolle verbleiben. 208 Es ist auch möglich, Unternehmensverwaltung und Regulierung in einem Ministerium zu vereinen, solange der Minister für ihre Trennung Sorge trägt. 209 Bedenklich ist es aber, wenn das Ministerium Mehrheitsaktionär des Unternehmens ist und zugleich Weisungen erteilen kann. 210 In die Erfüllung des Unabhängigkeitsgebotes sind also je nach Rechtstradition und Rechtspraxis des Mitgliedstaates weitere Faktoren einzubeziehen. 211

II. Personelle Faktoren und Dienstrecht Die personelle Trennung der Funktionen kann sich zunächst darauf stützen, daß die Ämter in der Regulierungsbehörde inkompatibel mit solchen in der Unternehmensverwaltung oder der Leistungserbringung sind. 212 So darf der Leiter der Regulierungsbehörde nicht zugleich im Vorstand des Betreibers vertreten sein und dort Entscheidungen aus Gründen des öffentlichen Wohls blokkieren können. 213 Allerdings kann die Unternehmensleitung auch dann unabhängig sein, wenn das Unternehmen zu 100% im Staatseigentum steht und der Verwaltungsrat und das leitende Management von der Regierung ernannt werden. 214 Es schadet also der funktionellen Unabhängigkeit nicht notwendig,

207 EuGH v. 27.10. 1993 Rs. C-69/91 - Decoster - Slg. 1993 I, S. 5383 Rnr. 16 und Rs. C-46/90 - Taillandier Slg 1993 I, S. 5335 Rnr. 15; jeweils zu Art. 6 Endgeräterichtlinie. 208 Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1995, S. 10. Dabei läßt die Mitteilung offen, ob dies auch gilt, wenn das betreffende Ministerium zugleich die staatlichen Anteile verwaltet Sie vermerkt aber die Ausgliederung der Unternehmensverwaltung auf die Bundesanstalt Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost kommentarlos. Vgl. S. 16. 209 So zu Frankreich Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1995, S. 18. 210 So in den Niederlanden, vgl. Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1995, S. 10 Fn. 47 u. S. 20. 211 Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1995, S. 10. 1997 reicht es beispielsweise, daß in Dänemark die Unabhängigkeit von Betreibern und dem Ministerium ausdrücklich in den Regeln der Behörde niedergeschrieben ist. Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1997, S. 23. 212 Vgl. EuGH v. 9.11.1995 Rs. C-91/94 - Tranchant - Slg. 1995 I, S. 391 IRnr. 21. 213 So aber in Spanien, vgl. Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1995, S. 18 und kritisierend S. 18 Fn. 47. 214 So in Finnland, vgl. Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1995, S. 22.

152

2. Teil: Die funktionelle Unabhängigkeit

wenn die personelle Verantwortlichkeit für die verschiedenen Funktionskreise letztlich in der Regierung zusammenläuft. Daher ist es konsequent, daß die zitierten Erwägungen einen Übergang von Personal in die eine oder andere Funktion zulassen.215 Er muß aber besondere Überwachungsmaßnahmen auslösen. Solche Maßnahmen können die Aufmerksamkeit der beteiligten Stellen und Personen schärfen und damit den Übergang aus einer Funktion in eine andere deutlich markieren. Damit schaffen sie die Möglichkeit zu einer neuen, anderen personellen Orientierung und Identifikation.

III. Formelle Faktoren und Verfahrensrecht Die zitierten Erwägungen verlangen, die verschiedenen Interessen und Informationen zu trennen, von denen die Regulierung einerseits und die Unternehmensverwaltung bzw. Leistungserbringung andererseits getragen werden. Hierfür bietet sich zuletzt das Verfahrensrecht an. In der Zuständigkeitsordnung orientiert es das jeweilige Amt auf seine Kompetenz und legt damit eine selektive WirklichkeitsWahrnehmung an. 2 1 6 Damit begründet es die Herausbildung eigener Interessen. Über eine rotierende Zuständigkeit läßt sich einer der funktionellen Unabhängigkeit letztlich schädlichen Interessenverbindung von Behörde und überwachten Unternehmen entgegenwirken. 217 Das Verfahrensrecht muß weiterhin dafür sorgen, daß kommerziell sensible Informationen getrennt behandelt werden. Eine gegenseitige Amtshilfe findet also ihre Grenze in dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen. 218 Die bekannten Daten sind streng zweckgebunden zu verarbeiten. Dabei ist der Informationsfluß in beide Richtungen zu kontrollieren - aus den Unternehmen in die Regulierung und von der Regulierung zu den Unternehmen.

215 Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1995, S. 10 Fn. 47 kritisiert deswegen den kontinuierlichen Personalaustausch zwischen Betreiber und Regulierer in Griechenland sowie die Mitgliedschaft des spanischen Regulierungsdirektors im Vorstand der dortigen Telefonica. 216 Zum Zusammenhang zwischen Zuständigkeit und „Welt"-Sicht Wahl, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht, S. 301 (313 0. Vgl. auch die Erwägungen von GA Tesauro, in EuGH v. 27.10.1993 Rs. C-69/91 Decoster - Slg. 1993 I, S. 5335 (5366f). 217 Sie führte beispielsweise der Präsident des Bundeskartellamts Kartte ein. Vgl. Geberth, AG 1991, 295 (297). 218 Vgl. ausführlich Bryde, VVDStRL 46 (1988), S. 181 (203-208); Haverkate, VVDStRL 46 (1988), S. 217 (250 f). Zum grundrechtlichen Schutz Heinrich Amadeus Wolff Der verfassungsrechtliche Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, NJW 1997, 98 (98 f).

4. Abschnitt: Die Faktoren

153

E. Zur Effektivität funktioneller Unabhängigkeit Das Europarecht benennt die aufgezeigten Faktoren nicht um ihrer selbst willen. Ebenso wie es unter dem demokratischen Prinzip letztlich auf die Effektivität der Legitimation ankommt, 219 stellt auch das Europarecht auf die Wirkung dieser Faktoren, nicht auf sie selbst ab. Auch das deutsche Verwaltungsrecht hat erkannt, daß die notwendige Interessentrennung nicht notwendig über § 20 VwVfG alleine hergestellt werden muß. 220 Entscheidend ist, daß im Ergebnis die funktionelle Unabhängigkeit effektiv erreicht wird. Es ist der Gemeinschaft nachzuweisen, daß „eine ,reale' Trennung besteht". 221 Dabei wird die Kommission die mitgliedstaatliche Organisation nach „Praxis und Geist" bewerten. 222 Indem es eine Leistungsmarke setzt, nicht aber fertige Bauformen vorgibt, beugt sich das Gemeinschaftsrecht der Einsicht, daß das Organisationsrecht nur mediatisiert und im Zusammenwirken mit anderen Einflüssen steuert. Zugleich wahrt das Gemeinschaftsrecht eine Verfahrens- und organisationsrechtliche Autonomie der Mitgliedstaaten. 223 Hier zitierte die Kommission vor dem EuGH mit Erfolg den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der es den Mitgliedstaaten überlasse, die erforderlichen Organisations- und Verfahrensvorschriften festzulegen. 224 Die Bestimmungen der Richtlinien lassen den nationalen Stellen ei-

219

Vgl. unten S. 311. BVerwG 58, 344 (351) wendet sich gegen eine institutionelle Trennung von Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde mit dem Argument, das Verwaltungsverfahren sei förmlich ausgestaltet. BVerfG E 3, 1 (8 u. 10) zog neben der administrativen Binnengliederung die Aufsichtsbefugnisse der übergeordneten Behörde und die gerichtliche Ermessenskontrolle heran. Auf das Gebot unbefangenen Verwaltens als beamtenrechtlichem Grundsatz verweist Kirchhof, VerwArch 66 (1975), 370 (374), der (380) weiterhin inneradministrative Abstimmungs-, Kontroll- und Imkompatiblitätsregeln in den Blick nimmt. Mit einem Blick auf die unparteiische Amtsführung nach § 35 Abs. 1 S. 1, § 36 S. 2 BRRG leitet auch Badura, in: Erichsen (Hrsg.), AVwR, § 35 Ì I Rnr. 4, S. 495, den verfahrensrechtlichen Abschnitt über die Befangenheit ein. 220

221

Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1995, S. 10. Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1995, S. 10. Allerdings ist dieser erweiterte Prüfungsrahmen vor dem Hintergrund zu sehen, daß die Kommission - ähnlich wie eine Aufsichtsbehörde - zunächst im Wege formloser Abstimmung auf Einhaltung ihrer Maßstäbe drängt. In ihrem zweispurigen Konzept gehen diese den offiziellen Verfahren nach Art. 169 und 171 EGV voran. Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1997, S. 6; Ähnlich Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1995, S. 2 (S. 4). 222

223

Vgl. oben Fn. 6. Kommission in. EuGH v. 19.3.1991 Rs. C 202/88 - Frankreich u.a./Kommission (Endgeräterichtlinie) - Slg. 1991 I, S. 1225 (1233) Rnr. 47. Frankreich u. Italien, aaO. (1236) Rnr. 57 hielten Art. 6 Endgeräterichtlinie dagegen für unverhältnismäßig. Der EuGH, aaO., Rnr. 28 u. 52 sah keine Notwendigkeit, darauf eigens einzugehen. 224

154

2. Teil: Die funktionelle Unabhängigkeit

nen weiten Spielraum bei der Wahl der Mittel zu ihrer Umsetzung. 225 Damit sind sie zu unbestimmt, als daß sie einen Anspruch auf eine bestimmte Organisation rechtfertigen könnten, aber hinreichend bestimmt, evident unzulängliche Organisationsformen abzuwehren. 226 So verlagert sich das gemeinschaftliche Umsetzungsrisiko auf die Mitgliedstaaten. Sie werden verantwortlich, wenn das Konzept funktioneller Unabhängigkeit in der Verwirklichung scheitert. Das Fehlerfolgenrisiko ist nicht unbeträchtlich: In allen bislang entschiedenen Fällen führte der Verstoß gegen Art. 3 lit. f, Art. 86, 90 EWGV bzw. Art. 6 Endgeräterichtlinie dazu, daß der EuGH die gesamten Zulassungsregeln für unanwendbar erklärte. 227

Fünfter A bschnitt

Die funktionelle Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde nach §§ 66 ff T K G Ausgehend von Art. 87f GG iVm. Art. 5a Abs. 2 ONP-Rahmenrichtlinie ist nunmehr zu prüfen, ob die bundesdeutsche Regulierungsbehörde nach §§ 66 ff TKG funktionell hinreichend unabhängig gestellt ist. Institutionell ist dazu die Verfassung der Deutschen Telekom AG als Trägerin der Leistungserbringung und der Bundesanstalt Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost als Trägerin der Unternehmensverwaltung auf die jeweilige Isolation gegenüber der Regulierungsbehörde zu untersuchen (A). Dienstrechtlich stellt sich die Frage nach dem Personalwechsel aus einer staatlichen Funktion in die andere. Hierfür finden sich besondere Inkompatibilitäts- und Versetzungsvorschriften (B). Verfahrensrechtlich können das Beschlußkammerverfahren nach §§ 73 ff TKG sowie die umfassende Transparenz des behördlichen Handelns die beteiligten Interessen deutlich voneinander abheben (C). Im Ergebnis kann das gesetzliche Organisationsstatut der Regulierungsbehörde daher ihre funktionelle Unabhängigkeit herstellen (Sechster Abschnitt).

225 Vgl. ausdrücklich EuGH v. 17.11.1992 Rs. C-271/90, C-281/90 u. C-289/90 Spanien u.a./Kommission (Diensterichtlinie) Slg. 1992 I, S. 5833 Rnr. 22. 226 Zur Unbestimmtheit vgl. GA Lenz, in EuGH v. 27.10.1993 Rs. C-46/90 u. C93/91 - Lagauche u.a. - Slg. 1993 I, 5267 (5318) Rnr. 18f; sowie die Kritik von Frankreich u. Italien in EuGH v. 19.3.1991 Rs. C 202/88 - Franlaeich u.a./Kommission (Endgeräterichtlinie) - Slg. 1991 I, S. 1225 Rnr.24 u. 28, aber auch GA Tesauro in EuGH v. 27.10.1993 Rs. C-69/91 - Decoster - Slg. 1993 I, S. 5335 (5363). 227 Vgl. EuGH v. 27.10.1993 Rs. C-69/91 - Decoster - Slg. 1993 I, S. 5335 Rnr. 22, EuGH v. 27.10.1993 Rs. C-92/91 - Taillandier- Slg. 1993 I, S. 5383 Rnr. 16; EuGH v. 9.11.1995 Rs. C-91/94 - Tranchant- Slg. 1995 I, S. 3911 Rnr. 25.

5. Abschnitt: Funktionelle Unabhängigkeit nach §§ 66 ff TKG

155

A. Die institutionelle Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde Die Regulierungsbehörde muß sich gegenüber dem Unternehmen der Deutschen Telekom A G (I) organisatorisch ebenso absetzen wie gegenüber der Verwaltung dieses Unternehmens durch die Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost (II).

I. Zur Unabhängigkeit

von der Leistungs er bringung

A l s privatwirtschaftliche Tätigkeit sind die Dienstleistungen in der Telekommunikation aus einer privatrechtlichen Organisationsform heraus zu erbringen. Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG sichert damit die Umwandlung der Deutschen Bundespost T E L E K O M in ein Unternehmen privater Rechtsform, 2 2 8 die Deutsche Telekom A G , nach Art. 143b Abs. 1 S. 1 G G a b . 2 2 9 Gleichzeitig bekräftigt Art. 8 7 f G G den Entzug bundeshoheitlicher Vorrechte. 2 3 0 Solche Rechte können den Unternehmen wie anderen Privaten nur noch i m Wege der Beleihung übertragen werden. 2 3 1 Dienstherrenbefugnisse waren den Unternehmen im Wege des Beleihungsmodells sogar nur dank einer ausdrücklichen Verfassungsbestimmung zu erhalten. 2 3 2 Insoweit bleibt den Nachfolgeunternehmen dienst-

228 Deutsche Post AG, Deutsche Postbank AG, Deutsche Telekom AG, vgl. § 1 des Gesetzes zur Umwandlung der Unternehmen der Deutschen Bundespost in die Rechtsform der Aktiengesellschaft (Postumwandlungsgesetz - PostUmwG), vom 14. September 1994, BGBl. I, S. 2325, 2339, verkündet als Art. 3 des Gesetzes zur Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation vom selben Tage; abgedruckt in Büchner/Lorenz Nr. 253, Sartorius Nr. 900. 229 Vgl. Windthorst, Universaldienst, S. 208 ff. Zur Streitfrage, ob private Anbieter auch Unternehmen in kommunaler Trägerschaft sein dürfen Ebsen, DVB1. 1997, 1039 (1042) m w N ; Hubertus Gersdorf, Der Staat als Telekommunikationsunternehmer, AfP 1998, 470; Hermann Pünder, Die kommunale Betätigung auf dem Telekommunikationssektor, in: DVB1. 1997, S. 1353, Trute, VVDStRL 57 (1998), S. 216 (227); Windthorst, Universaldienst, S. 177 ff u. 193 f, und die Anhörung im Landtag Nordrhein-Westfalen v. 22.10. 1997, Ausschuß für Kommunalpolitik, Ausschußprot. 12/691. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 43 sieht in Art. 87f GG kein Hindernis. 230

So genoß die TELEKOM auch nach der Umstellung der Kundenverhältnisse auf das Privatrecht (§ 9 FAG) noch Vollstreckungsbefugnisse (vgl. Grämlich, VerwArch 1997 (88), 598 (622 Fn. 153). oder ein Wegenutzungsrecht (vgl. § 1 Telgraphenwegegesetz idF. d. Art. 8 PTNeuOG und dazu Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 41). 231 Vgl. die Beleihung der Nachfolgeunternehmen mit dem Recht zur Planfeststellung in § 7 Abs. 2 S. 2 Telegraphenwegegesetz idF. d. Art. 8 PTNeuOG sowie die übergangsweise Belassung von Vollstreckungsbefugnissen durch § 9 Abs. 2 - 4 FAG idF. d. Art. 5 PTNeuOG. Dazu Königshofen, Arch PT 1995, 112(117). 232 Vgl. Fraktions- und Regierungsentwurf, BT-Drs. 12/76717, S. 4f.

156

2. Teil: Die funktionelle Unabhängigkeit

r e c h t l i c h 2 3 3 ein Sonderstatus 2 3 4 unter ministerieller Rechtsaufsicht. 2 3 5 Der Besitzstand der bisherigen Sozialeinrichtungen ist gesichert. 2 3 6 Der Bund hat eine Auffanghaftung für die hierin und anderweitig aus der Verwaltungstradititon der Telekom begründeten Altverbindlichkeiten übernommen. 2 3 7 V o n dieser haftungs- und dienstrechtlichen Besonderheit abgesehen, ist die Deutsche Telekom A G lediglich über die Anteilseignerschaft dem B u n d verbunden. E i n Vergleich der Satzung der Deutschen Telekom A G mit einer aktienrechtlichen Mustersatzung zeigt folglich nur wenige Besonderheiten. 2 3 8 So schließt die Telekom einen Geschäftsbesorgungsvertrag, aufgrund dessen die Bundesanstalt ihre gesetzlichen Aufgaben i n bezug auf die Unternehmen erf ü l l t . 2 3 9 § 23 ihrer Satzung bestätigt, daß der Bundesrechnungshof die Prüfungsbefugnis nach § 54 Haushaltsgrundsätzegesetz erhält. Außerdem läßt sich der Bundestagsausschuß für Post und Telekommunikation ggf. durch den V o r standsvorsitzenden der Telekom unterrichten. 2 4 0

233

Art. 143b Abs. 3 GG; Fraktions- und Regierungsentwurf, BT-Drs. 12/76717, S. 4f. Dazu Hanspeter Benz, Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Beleihung einer Aktiengesellschaft mit Diensthen-enbefugnissen, Frankfurt 1995. Grämlich, NJW 1994, 2785 (2788); Fangmann/Lörcher/Scheurle/Schwemmle/Wehner, Art. 143b Rnr. 14f, die die Beleihung für mit Art. 79 Abs. 3 GG vereinbar halten. Zum „Sonderstatus" des Dienstherrn auch Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 4. Überblick zu den personalrechtlichen Fragen bei Lutz Michael Büchner, Vom Sondervermögen zur Aktiengesellschaft - Strukturen der Postreform II, DZWiR 1995, S. 120 (124f). Demnach genießen etwa 60% der Mitarbeiter den Beamtenstatus. 234 Formulierung bei Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 4. 235 Vgl. § 20 des Gesetzes zum Personalrecht der Beschäftigten der früheren Deutschen Bundespost (Postpersonalrechtsgesetz - PostPersRG), das Art. 4 PTNeuOG bildete, abgedruckt u. kommentiert bei Fangmann/Lörcher/Scheurle/Schwemmle/Wehner, S. 184-279. Dazu auch Königshofen, Arch PT 1995, 112 (1210236 Vgl. § 28 Abs. 1, §§ 25ff BAPostG. Dazu auch unten Fn. 271. 237 § 2 Abs. 4 S. 1 PostUmwG. Das Volumen der Altersversorgung von Beamten und Tarifkräften bezifferte der Bundesrat bereits 1994 mit bis zu D M 100 Mrd (vgl. Bundesrat, BT-Drs. 12/7220, S. 22 Nr. 63). Dabei ist politisch noch nicht abschließend geklärt, inwieweit Privatisierungserlöse diese Kosten decken werden. Vgl. etwa FAZ v. 24.9.1998, Nr. 222, S. 17, „Streit um Post-Pensionen". 238 Satzung einer nach dem MitbestG 1976 mitbestimmten AG bei HoffmannBecking, in: Michael Hoffmann-Becking/Helmut Schippel, Beck'sches Formularhandbuch zum Bürgerlichen, Handels- und Wirtschaftsrecht, 6. Aufl., München 1995, S 1251-1261, oder in Anlage 26 bei Günter Henri, Handbuch des Aktienrechts, 6. Aufl., Heidelberg 1998. 239 § 3 Satzung der Deutschen Telekom. 240 Vgl. Börnsen, Jahrbuch Telekommunikation und Gesellschaft 1996, 396 (396); Börnsen, Jahrbuch Telekommunikation und Gesellschaft 1997, 367 (368). Gegen eine Verpflichtung gegenüber dem Ausschuß nach Art. 17 GG, der vor allem wegen überhöhter Telefonrechnungen angerufen wurde, Stefan Küppers, Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost und ihre Stellung gegenüber dem Petitionsausschuß des Deutschen Bundestages, Arch PT 1995, 109.

5. Abschnitt: Funktionelle Unabhängigkeit nach §§ 66 ff TKG

157

In die Funktionen der Regulierung hinein fuhrt aus dem Unternehmen aber soweit erkennbar - kein direkter Kontroll-, Berichts- oder sonstiger inneradministrativer Zusammenhang. Hier hat die Umwandlung der TELEKOM in eine Aktiengesellschaft die Rechsbeziehungen zum Bund aus dem Innenrecht in das Außenrecht überführt. Das Unternehmen steht den hoheitlichen Maßnahmen nach mancher Ansicht bereits als Grundrechtsträger, jedenfalls aber unter einem materiell grundrechtsähnlichen Schutz der Privatwirtschaftlichkeit nach Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG gegenüber. 241 Bundeseigene Verwaltung und privatrechtlich verselbständigte Aktiengesellschaft sind also rechtsförmlich und strukturell voneinander getrennt. Institutionell ist die Regulierungsbehörde von der Deutschen Telekom AG funktionell unabhängig.

II. Zur Unabhängigkeit von der Unternehmensverwaltung Die amtliche Begründung zum BAPostG bezeichnet die Unternehmensverwaltung nahezu werbend als „Schnittstelle von privatwirtschaftlichunternehmerischem Handeln und staatlicher Zuständigkeit". 242 Diese „Zwitterstellung" zwischen Bund und Unternehmen charakterisiert das Binnenrecht der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost ( l ) . 2 4 3 Die Anstalt schenkt in ihrer Aufgabenwahrnehmung den Interessen der Unternehmen besonderes Gehör (2). Über die Anstaltsaufsicht können diese Interessen in das übergeordnete Ministerium hineingelangen (3). Daher ist es bedenklich, daß das Bundespostministerium von 1994 bis 1998 sowohl die Aufsicht über die Bundesanstalt führte als auch die Aufgaben der Regulierungsbehörde versah. Mit der Auflösung des Postministeriums fielen

241

Die Grundrechtsfahigkeit der Deutschen Telekom AG verneint Andreas von Arnauld, Grundrechtsfragen im Bereich von Postwesen und Telekommunikation, DÖV 1998, 437 (451). Bejahend für den Kabelbereich VG Berlin, Beschl. V. 12.8.1997, Az. VG 27 A 273.97 (Kabelbelegung); für das Eigentum an der Teilnehmeranschlußleitung VG Köln, CR 1997, 639 (641); VG Köln, CR 1999, 79 (81 0 (Entbündelung) ; allgemein Windthorst, Universaldienst, S. 205 f; ; Klaus Stern/Johannes Dietlein, Netzzugang im Telekommunikationsrecht, Archiv PT 1998, 309 (317). In diese Richtung schon Uerpmann, in: v. Münch/Kunig, Art. 87f Rnr. 11. Badura, in: Bonner Kommentar, Art. 87f Rnr. 24 entnimmt der Privatwirtschaftlichkeit einen materiell grundrechtsähnlichen Schutz der Unternehmenstätigkeit. Auf die allgemeinen Lehren verweisen im übrigen Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 69f; Badura, in: Bonner Kommentar, Art. 87f Rnr. 25, beide mwN. 242

In der Begründung zu § 23 Abs. 3 BAPostG, der es für zulässig erklärt, zusätzliche Beförderungsstellen einzurichten, vgl. Fraktionsentwurf, BT-Drs. 12/6718, S. 82 Zu §17. 243 Zitat Grämlich,, NJW 1994, 2785 (2789).

158

2. Teil: Die funktionelle Unabhängigkeit

Regulierungsbehörde und Bundesanstalt in verschiedene ministerielle Portefeuilles. Daher kommt es nunmehr dem Ressortprinzip zu, einen trennenden Wall zwischen bundesfinanzministerieiler Unternehmensverwaltung und wirtschaftsmininsterieller Regulierung zu errichten (4).

1. Das Organisationsstatut der Anstalt Die Schnittstellenqualität der Anstalt prägt ihr Organisationsstatut. Es wurde im Zuge der Postreform II im BAPostG sowie der gesetzlich verabschiedeten Anstaltssatzung niedergelegt. Dabei nutzte der Gesetzgeber den Gesetzesvorbehalt aus Art. 87f Abs. 3 GG sowie das Gestaltungspotential der Bauform Anstalt aus. 244 Er bildete die Anstalt als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts und unterstellte sie ursprünglich der Aufsicht der Bundesministeriums für Post und Telekommunikation. 245 So trägt die Anstaltsverfassung für die grundgesetzlich verlangte bundesunmittelbare Führung der Anstalt Sorge. 246 Die Anstaltsleitung obliegt nach dem Gesetz einem zweiköpfigen Vorstand. Ihn beruft der zuständige Minister in ein öffentlich-rechtliches Amtsverhältnis. 247 Dank seiner Vorlage- und Berichtspflichten ist der Vorstand zugleich das Bindeglied der Anstalt zum Ministerium einerseits und zu ihrem Verwaltungsrat

244

Die Erstreckung des Gesetzesvorbehalts auf Aufgaben und Anstaltsverfassung ergibt sich aus der noch im Gesetzgebungsverfahren geänderten Satzstellung des Art. 87f Abs. 3. Vgl. Ausschußbericht, BT-Drs.-12/8108, S. 3 u. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 128 Fn. 44 u. Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87f Rnr. 40. Laut Fraktionsentwurf, BT-Drs. 12/6718, S. 76 Zu § 1, wurde die Rechtsform der Anstalt gewählt wurde, weil sie den „Vorteil breiterer Gestaltungsmöglichkeiten und Integration in des Staatsgefüge durch Bereitstellung von Aufsichtsfunktionen" bot. Diese Einschätzung war vorbereitet worden durch das Gutachten von Scholz/Aulehner, Arch PT 1993, 221 (236) und wird von Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 125 bestätigt. Auch Dreier, S. 239, scheint es zuweilen, daß die Anstalt als „kategorialer Sammelbegriff' fungiere. Zu den Möglichkeiten, mit einem solchen Sammelbegriff auf eine organisationsrechtliche Steuerung von Verfassungs wegen zu verzichten bzw. eine institutionelle Falle zu stellen, vgl. Schuppert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Schuppert (Hrsg.), Reform, S. 65 (81, 85). 245 §§ 1 Abs. 2 S. 1, § 2 BAPostG; §§ 1, 3 Satzung der BAnst PT. Zur Überleitung der Aufsicht unten S. 164 f f 246 Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 125. 247 Vgl. zu den Leitungsbefugnissen des Vorstands § 4 Abs. 1 BAPostG, § 11 Abs. 2 u. 2 Satzung der BAnst PT sowie § 10 u. § 11 Abs. 5 Satzung der BAnst PT u. §§ 20,21 BAPostG. Zur gleichrangigen Aufteilung der Befugnisse unter den beiden Vorständen § 4 Abs. 2 BAPostG u. § 13 Satzung der BAnst PT. Zur Berufung und zum Abschluß des Anstellungsvertrages § 4 Abs. 1 u. Abs. 2 S. 2 BAPostG iVm. §§ 8 u. 9 Satzung der BAnst PT. Nach § 7 Abs. 2 Satzung der BAnst PT müssen die Vorstände hauptberuflich für die Anstalt tätig sein. Sie dürfen insbesondere nicht Mitglied im Vorstand einer der Aktiengesellschaften sein.

5. Abschnitt: Unabhängigkeit nach §§66 ff TKG andererseits

248

159

Der Verwaltungsrat ist das anstaltseigene Kontrollgremium. E i -

nem Aufsichtsrat ähnlich w i r d er i n allen wichtigen Angelegenheiten befaßt. 2 4 9 Unter seinen zehn Mitgliedern verfügten ursprünglich die sechs Vertreter der Bundesunternehmen über eine Mehrheit der S t i m m e n . 2 5 0 Ihnen standen neben dem Vorsitzenden nur drei Vertreter der betroffenen Ministerien gegenüber. Erst das Begleitgesetz zum T K G sollte zur Jahreswende 1997/98 den Ministerialvertretern doppeltes Stimmrecht bescheren und damit für eine Balance z w i schen Vertretern der Unternehmen und der Regierung s o r g e n 2 5 1 Infolge dieser Gesetzesänderung k o m m t der Stimme des ministeriell zu bestellenden Verwaltungsratsvorsitzenden ausschlaggebendes Gewicht z u . 2 5 2 Der Verwaltungsrat seinerseits steht wiederum unter ministerieller

Kon-

t r o l l e . 2 5 3 Sollte der Vorstand Einspruch gegen Beschlüsse des Verwaltungsrates

248

Vgl. §§ 5 Abs. 4, 7 Abs. 1 u. Abs. 2 BAPostG. Sein stärkstes Recht ist die Beschlußfassung über Vorlagen des Vorstandes. Es erstreckt sich auf die Feststellung des Wirtschaftsplanes, des Jahresabschlusses, den Verlustausgleich, die Einräumung von Belegschaftsvorteilen beim Aktienverkauf sowie die Geschäftsordnung der Anstalt (§ 5 Abs. 4 BAPostG u. § 22 Abs. 3 Satzung der BAnst PT). Daneben überwacht der Verwaltungsrat die Anstaltstätigkeit (vgl. § 19 Abs. 1 Satzung der BAnst PT), wozu er den jährlichen Geschäftsbericht erhält (§21 Abs. 2 S. 2 BAPostG) sowie Auskünfte und Anwesenheit des Vorstandes verlangen kann (§12 Abs. 2 BAPostG u. § 22 Abs. 2 Satzung der BAnst PT; § 21 Abs. 8 Satzung der BAnst PT). Die Kontrollrechte münden schließlich in den Beschluß über die Entlastung des Vorstandes bzw. die Stellungnahme zu seiner Be- oder Abberufung durch den Minister (Vgl. §§ 5 Abs. 4 Nr. 3, 22 Abs. 2 S. 3 u. Abs. 3 BAPostG iVm. § 27 Satzung der BAnst PT zur Entlastung und der Prüfung durch einen Abschlußprüfer und den Bundesrechnungshof; § 4 Abs. 2 S. 2 BAPostG iVm. § 22 Abs. 1 Satzung der BAnst PT zu Beund Abberufung). 250 Nach § 5 Abs. 1 S. 2 BAPostG repräsentieren von den zehn Mitgliedern des Verwaltungsrates sechs die Interessen der Unternehmen, drei davon sind Vertreter der Arbeitnehmer. Zur Auswahl durch die Organisationsträger bzw. Interessenvertretungen § 15 Abs. 2 S. 2 u. Abs. 3 Satzung der BAnst PT. Die übrigen vier Sitze verteilen sich auf Vertreter der Ministerien für Post und Telekommunikation, Wirtschaft und Finanzen sowie auf den Vorsitzenden, den wiederum der Bundespostminister benennt. Mestmäkker, in: ders. (Hrsg.), Kommunikation II, S. 13 (100) weist daraufhin, daß § 100 Abs. 2 Nr. 2 AktG es verbietet, gesetzliche Vertreter abhängiger Unternehmen in den Aufsichtsrat des herrschenden Unternehmens zu entsenden. 249

251

Vgl. Art. 2 Abs. 30 Nr. 1 BegleitG. Deswegen betont die Bundesregierung, BT-Drs. 13/8016, S. 32 Zu Absatz 30, daß der Vorsitzende auch eine neutrale Position einnehmen könne. 253 Das Bundesministerium für Post und Telekommunikation entsandte selbst Mitglieder in den Verwaltungsrat und wird zusätzlich berechtigt, an seinen Sitzungen teilzunehmen (§21 Abs. 9 S. 1 Satzung der BAnst PT). Die oben Fn. 249 genannten Beschlüsse des Verwaltungsrates unterliegen mit Ausnahme der Geschäftsordnung (§ 7 Abs. 1 BAPostG iVm. § 22 Abs. 4 Satzung der BAnst PT) der ministeriellen Genehmigung. 252

160

2. Teil: Die funktionelle Unabhängigkeit

erheben und eine Einigung nicht erzielt werden, fällt die Letztentscheidung dem Ministerium zu. 2 5 4 Die Binnenstruktur der Anstalt führt also Unternehmensinteressen und bundesministerielle Interessen zusammen. Im Verwaltungsrat verschaffte sie dabei den Stimmen der Unternehmen anfänglich eine Mehrheit. Auch in der jetzt gültigen Fassung des BAPostG kommt den Unternehmensvertretern noch die Hälfte der Stimmen zu. Daher schenkt die anstaltliche Unternehmensverwaltung den Interessen der Unternehmen besondere Beachtung. Dies bestätigt sich bei einem Blick auf ihre Handlungsinstrumente.

2. Die anstaltliche Aufgabenwahrnehmung im Verhältnis zu den Unternehmen Für den Bund als Anteilseigner übt die Anstalt die aktienrechtlichen Verwaltungsrechte gegenüber den Unternehmen aus. 255 Diese Verwaltungsrechte ermöglichen es dem Bund nicht, die Geschäftspolitik des Unternehmens direkt zu bestimmen. 256 Weder Hauptversammlung noch Aufsichtsrat stehen hinsichtlich einzelner Geschäfte Einwirkungsrechte zu, die über einen Zustimmungsvorbehalt hinausgehen.257 Weisungsrechte könnten allenfalls über einen Beherrschungsvertrag begründet werden. 258 Dessen Abschluß ist der BAnst PT aber nach ihrer eigenen Satzung ausdrücklich untersagt. 259 Das Verwaltungsrecht realisiert sich daher vor allem in der Wahl der arbeitgeberseitigen Aufsichtsratmitglieder. 260 Der Aufsichtsrat überwacht und be-

254 § 6 BAPostG iVm. § 23 Satzung der BAnst PT. Auf diesem Wege kann das Ministerium den Entscheidungsinhalt also nicht nur genehmigend überprüfen, sondern sogar selbst bestimmen. Vgl. Fangmann/Lörcher/Scheurle/Schwemmle/Wehner, § 7 BAPostG Rnr. 3 u. Fraktionsentwurf, BT-Drs. 12/6718, S. 79 Zu § 4b. Die Ähnlichkeit zu §111 Abs. 4 S. 3 AktG bemerken Herres, Arch PT 1994, 302 (303) u. Fangmann/Lörcher/Sch euri e/Schwemmle/Wehner, § 6 BAPostG Rnr. 1. 255 Für einen Überblick über die Aufgaben der Anstalt oben S. 130. 256 Nach § 76 Abs. 1 AktG handelt der Vorstand weisungsfrei. Statt aller Hüffer, AktG, § 76 Rnr. lOf; Herres, Arch PT 1994, 302 (308). 257 Vgl. § 111 Abs. 4 S. 2 AktG u. § 9 Satzung der Deutschen Telekom. Danach legt der Aufsichtsrat in seiner Geschäftsordnung fest, welche Geschäfte der Zustimmung bedürfen. 258 Vgl. § 308 Abs. 1 AktG. 259 § 2 Abs. 3 S. 2 Satzung BAnst PT, der § 3 Abs. 4 PTRegG konkretisiert. 260 § 101 Abs. 1 S. 1 AktG. Die Deutsche Telekom AG unterliegt dem Mitbestimmungsgesetz 1976, so daß die Arbeitnehmerseite zehn Aufsichtsräte stellt. Vgl. Herres, Arch PT 1994, 302 (310).

5. Abschnitt: Funktionelle Unabhängigkeit nach §§ 66 ff TKG

161

stellt wiederum den Vorstand. Damit w i r d eine gewisse Einflußnahme auf dessen Besetzung möglich, wenngleich der Aufsichtsrat in seiner Auswahl frei ist und nur durch satzungsmäßige Anforderungen an die sachliche oder persönliche Eignung gelenkt werden k a n n . 2 6 1 M i t h i n gestattet das Aktienrecht dem Bund eine personell vermittelte Steuerung der Unternehmen. 2 6 2 Seine Abhängigkeit v o m V o t u m des Aufsichtsrats w i r d den Vorstand typischerweise veranlassen,

Vorgaben

des

Mehrheitseigners

zu

folgen.

Daher

knüpft

kann

§ 17 Abs. 2 A k t G auf den Mehrheitsbesitz die Vermutung gründen, daß das beherrschte Unternehmen von dem Eigentümer abhängig sei. 2 6 3 Der Gesetzgeber des BAPostG

hatte sich allerdings

gegen die sich daran

anschließende

Konzern Vermutung gewandt. 2 6 4 Ungeachtet der Mehrheitsverhältnisse und ihrer konzernrechtlichen Bewertung führt jedoch schon die aktienrechtliche Organisation zu einer Funktions-

261

Vgl. Hüffer, AktG, § 84 Rnr. 5; Raiser, § 14 Rnr. 26. Zu den Grenzen des Organbesetzungsrechts auch Scholz/ Aulehner, Arch PT 1993, 221 (245). § 6 Abs. 2 S. 1 Satzung der Telekom verlangt lediglich, daß die Mitglieder des Vorstandes hervorragende Kenner des Telekommunikationswesens, der Wirtschaft oder der Unternehmensführung sein sollen. 262 Vgl. zur Diskussion um die Person des Vorstandsvorsitzenden Sommer im Zuge der geplanten Fusion mit der Telecom Italia FAZ v. 3.5.1999, Nr. 101, S. 25, „Sommer bleibt auch nach einem Scheitern der Fusion Vorstandschef 4. 263 Vgl. zu § 17 Abs. 2 AktG Volker Emmerich/ Jürgen /Sonnenschein, Konzernrecht, 6. Aufl., München 1997, § 3 II 1., S. 40; Raiser, § 51 Rnr. 13. Daß gerade die personelle Einflußnahme inhaltlich die Vermutung des § 17 Abs. 2 AktG trägt, arbeitet Josef Dierdorf, Herrschaft und Abhängigkeit einer Aktiengesellschaft auf schuldvertraglicher und tatsächlicher Grundlage, Köln u.a. 1978, S. 45 ff u. 53, heraus. 264 Gemäß § 17 Abs. 2 AktG begründet der Mehrheitsbesitz der Anstalt an den Nachfolgeunternehmen, die Vermutung der Abhängigkeit, die wiederum über § 18 Abs. 1 S. 3 AktG die Konzern Vermutung auslöst. Aus den damit einschlägigen Konzernpflichten soll nur § 311 Abs. 1 AktG genannt werden, der das herrschende Unternehmen verpflichtet, Nachteile des beherrschten Unternehmens aus dem Abhängigkeitsverhältnis auszugleichen. Zum Konzernrecht vgl. Raiser, Konzernverflechtungen unter Einschluß öffentlicher Unternehmen, ZGR 1996, 458; Bezzenberger/Schuster, Die öffentliche Anstalt als abhängiges Konzernunternehmen, ZGR 1996, 481. Zum Streit um die Anwendbarkeit des Konzernrechts auf öffentliche Unternehmen insbesondere Volker Emmerich/Jürgen Sonnenschein, Konzernrecht, 6. Aufl., München 1997, § 2 IV. 2, S. 33 ff; Ehlers, Privatrechtsform, S. 142f; Scholz/Aulehner, Arch PT 1993, 221 (258). Das Bestreben, die Anwendung dieser Bestimmungen auf die BAnst PT zu vermeiden, durchzog ausweislich der Materialien das gesamte Gesetzgebungsverfahren. Vgl. Fraktionsentwurf, BT-Drs. 12/6718, S. 77 Zu § 3. Historisch geht dieses Bestreben auf den Widerstand der Unternehmen zurück (dargestellt bei Fangmann/Lörcher/Scheurle/Schwemmle/Wehner, § 3 BAPostG Rnr. 6). Die Konzerneigenschaft verneinen in der Folge Fangmann/Lörcher/Scheurle/Schwemmle/Wehner, § 3 Rnr. 25. Einen Gleichordnungskonzern eigener Art bejaht dagegen Mestmäcker, in: ders. (Hrsg.), Kommunikation II, S. 13(100).

11 Oertel

162

2. Teil: Die funktionelle Unabhängigkeit

trennung zwischen Unternehmenseigentum und Unternehmensfiihrung. 2 6 5 Diese Trennung macht sich das PostUmwG zunutze; sie w i r d vom BAPostG respektiert. 2 6 6 Der Großaktionär Bund kann die Geschäftspolitik nicht eigenhändig bestimmen und keine Maßnahmen der Unternehmensleitung i m engeren Sinne ergreifen. 2 6 7 Die Anstalt nimmt, wie es ihre Satzung ausdrücklich festhält, am operativen Geschäft der Aktiengesellschaften nicht t e i l . 2 6 8 Soweit der Bund auf besondere Einwirkungsrechte verzichtet, steigt i m Gegenzug die relative Bedeutung des unternehmenseigenen Einflusses auf die Unternehmensverwaltung. 2 6 9 Dem entspricht es, daß die aktienrechtliche Verwaltung weithin sogar ausdrücklich den Interessen der Unternehmen verpflichtet ist. So sind die Erträge aus den A k t i e n des Bundes zweckgebunden zu verwenden. 2 7 0 In der Rangfolge der Zwecke steht die Finanzierung der Unterstützungskassen, 271 d.h. der Sozialeinrichtungen der Unternehmen, an erster, die Abführung an den Bund an letzter Stelle. 2 7 2 Zur Anteilsveräußerung hat die Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich erklärt, außerhalb der Börse Anteile an der Tele-

265

Vgl. zur Bahnreform Hommelhoff/Schmidt-Aßmann,

ZHR 160 (1996), 521 (543-

545). 266

Dabei wäre es auch denkbar gewesen, dem Bund über einen sog. „golden share", bestimmte Vorrechte zu erhalten. Uberblick über die Möglichkeiten privatrechtlicher Einflußnahme bei Scholz/Aulehner, Arch PT 1993, 221 (243-246). 267 Vgl. Raiser , § 51 Rnr. 13, S. 546. 268 Vgl. § 2 Abs. 3 S. 1 Satzung der BAnst PT. 269 Auch im Vergleich mit der Telecom Italia trat die Bundesregierung dem Eindruck entgegen, sie mische sich in die Unternehmenspolitik ein. Vgl. FAZ v. 3.5.1999, Nr. 101, S. 25, „Sommer bleibt auch nach einem Scheitern der Fusion Vorstandschef'. Zu einer förmlichen Stimmrechtsbeschränkung war sie dennoch nicht bereit. Vgl. FAZ v. 22.4.1999, Nr. 93, S. 21, „Der Bund lehnt Stimmrechtsbeschränkung bei der Telekom ab". 270 Sie fließen nicht dem Bundeshaushalt, sondern der Bundesanstalt zu (kritisch daher der Bundesrechnungshof, wiedergegeben bei Fangmann/Lörcher/Scheurle/Schwemmle/Wehner, § 9 BAPostG Rnr. 9), die sie wiederum nach Maßgabe des § 9 Abs. 4 BAPostG zu verwenden hat. Auf dessen Grundlage stellt sie einen ministeriell zu genehmigenden Wirtschaftsplan auf. Vgl. § 5 Abs. 4 Nr. 1 iVm. § 7 Abs. 1 BAPostG. Hinsichtlich der Bahn genießt der Bund hingegen verfassungsrechtliche Gewinnverwendungsfreiheit, vgl. Hommelhoff/Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), 521 (536f). 271 Maßgeblich ist § 16 des Gesetzes zum Personalrecht der Beschäftigten der früheren Deutschen Bundespost (Postpersonalrechtsgesetz - PostPersRG), verkündet als Art. 4 des PTNeuOG, abgedr. u. kommentiert bei Fangmann/Lörcher/Scheurle/ Schwemmle/Wehner, S. 184-280. § 16 Abs. 1 PostPersRG sieht bis 1999 einen Jahresbeitrag der Deutschen Telekom AG von 2,9 Mrd. D M vor, ab 2000 fuhren die Unternehmen 33% der Bruttobezüge ihrer Beamten ab (§ 16 Abs. 2 PostPersRG). Im übrigen gewährleistet der Bund die Leistungsfähigkeit der Unterstützungskassen, ohne eine Erstattung verlangen zu können (§ 16 Abs. 4 u. 5 PostPersRG). 272

Vgl. Fangmann/Lörcher/Scheurle/Schwemmle/Wehner,

§ 10 BAPostG Rnr. lOf.

5. Abschnitt: Unabhängigkeit nach §§66 ff TKG

163

k o m i m Hinblick auf die B i l d u n g strategischer Allianzen nur i m Einvernehmen m i t dem Telekom-Vorstand zu veräußern. 2 7 3 Damit hat sie sich bis auf weiteres ihrer aktienrechtlichen Dispositionsfreiheit begeben. 2 7 4 Soweit die Anstalt Aufgaben für die Unternehmen wahrnehmen soll, schließt sie zu diesem Zwecke Geschäftsbesorgungsverträge

m i t den Aktiengesell-

schaften. 2 7 5 A u c h wenn diese Verträge dem Auftraggeber, d.h. den Unternehmen, kein privatrechtliches Weisungsrecht einräumen, bleibt deren Einfluß auf die Wahrnehmung der Geschäfte erheblich. 2 7 6 D i e Planungskonferenzen, i n denen die Anstalt die Wahrnehmung der Aufgaben für die Unternehmen vorbereiten s o l l , 2 7 7 sind gesetzlich so ausgestaltet, daß die strategischen Interessen der Unternehmen berücksichtigt werden. 2 7 8 Das BAPostG erkennt damit den Einfluß der Unternehmen an. Es verbietet der Anstalt umgekehrt, über die ge-

273 Wiedergabe der Erklärung bei Fangmann/Lörcher/Scheurle/Schwemmle/Wehner, § 3 BAPostG Rnr. 19. Damit wird die Veräußerung der Anteile in einer Weise von der Zustimmung des Unternehmens abhängig, die an die Vinkulierung von Namensaktien iSd. § 68 Abs. 2 AktG erinnert. Allerdings unterscheidet sich der Zweck der Bindung von den typischen Motiven der Vinkulierung (vgl. die Übersicht bei Hüffer, AktG, § 68 Rnr. 10): Während diese regelmäßig dazu dient, das Unternehmen vor Überfremdung zu schützen, ihm den bisherigen Aktionärsstamm zu bewahren oder den Aktionärskreis zu kontrollieren, stellt die Erklärung der Bundesregierung das strategische Interesse der Telekom in den Vordergrund. Folgerichtig stimmte die Telekom einer Übertragung in der Hoffnung zu, eine Überkreuzbeteiligung mit der France Télécom herbeizuführen. Vgl. „Sommer: Die Telekom ist frei für neue Partner 44, FAZ v. 27.6.1997. Diese ist nunmehr vollzogen worden, indem die KfW ca. 2 % der Anteile aus ihrem Paket an die France Télécom abgab. Vgl. FAZ v. 21.7.1998, Nr. 155, S. 17, „Deutsche Telekom und France Télécom wollen ihre Allianz vertiefen 44. Bei einer Fusion mit der Telecom Italia sollte diese Beteiligung wieder aufgelöst werden. Aber auch gegenüber der Telecom Italia unterstützte die Bundesregierung den Kurs der Telekom, vgl. FAZ v. 3.5.1999, Nr. 101, S. 25, „Sommer bleibt auch nach einem Scheitern der Fusion Vorstandschef 4. 274 Die seitens der Telecom Italia vor einer Fusion erhobene Forderung nach einer Stimmrechtsbeschränkung lehnte die Bundesregierung aber ab. Vgl. FAZ v. 22.4.1999, Nr. 93, S. 21, „Der Bund lehnt Stimmrechtsbeschränkung bei der Telekom ab44. Die Bereitschaft des Bundes, das Unternehmen bei der Kurspflege zu unterstützen, zeigte sich auch darin, daß ein kurssteigernder Antrag darauf, die von der KfW gehaltenen Aktien zum Börsenhandel zuzulassen, kurz vor der zweiten Kapitalerhöhung gestellt wurde, ohne daß hierfür eine zwingende Notwendigkeit bestand. Vgl. FAZ v. 29.5.1999, Nr. 122, S. 13, „Telekom-Aktie wird zum Schwergewicht im Dax44. 275

Vgl. §19 Abs. 2 S. 1 BAPostG. Linen Kontrahierungszwang bejahen daher Fangmann/Lörch e r/Sc heu rl e/Schwemml e/Wehner, § 19 BAPostG Rnr. 4f, gegen Herres, Arch PT 1994, 302 (306). Zum Abschluß der Verträge kam es nach Auskunft der BAnst PT erst Ende 1997. 276 Vgl. Mestmäcker, in: ders. (Hrsg.), Kommunikation II, S. 13 (99). 277 § 3 Abs. 3 BAPostG. 278 Vgl. § 3 Abs. 3 BAPostG u. Fraktionsentwurf, BT-Drs. 12/6718, S. 77 Zu § 3. Zu den Einzelheiten § 35 Satzung der BAnst PT.

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2. Teil: Die funktionelle Unabhängigkeit

setzlich genannten Aufgaben hinaus Rechte oder Einfluß in bezug auf die Unternehmen auszuüben.279 Im Verhältnis zu den Unternehmen ist die Anstalt daher aktienrechtlich und anstaltsrechtlich gehindert, die Geschäftspolitik der Unternehmen im einzelnen zu bestimmen oder auch nur anders als personell vermittelt zu beeinflussen. 280 Umgekehrt verfugen die Unternehmen ihrerseits über den Verwaltungsrat im allgemeinen und über die Gestaltung der einzelnen Handlungsinstrumente im besonderen über die Möglichkeit, die Ausübung der Aktionärsrechte, aber auch die Ausführung von Aufgaben in bezug auf die Unternehmen in ihrem Sinne zu beeinflussen. Insoweit läßt sich der Anschein nicht verleugnen, die Unternehmen hätten in der Anstalt eine Sozial- und Finanzverwaltungseinrichtung als gemeinsame Tochter. 281

3. Die ministerielle Aufsicht über die Anstalt Inwiefern bereits in der Anstalt eine Einflußnahme der Unternehmen auf den Bund kanalisiert werden kann, hängt nach alledem von der Gestaltung der ministeriellen Aufsicht ab. Das übergeordnete Ministerium übt eine umfassende Fach- und Rechtsaufsicht aus, die Klagen der Anstalt entzogen ist 2 8 2 und durch Berichtspflichten und Genehmigungsvorbehalte abgesichert wird. 2 8 3 Zudem erfaßt die Aufsicht 279

§ 3 Abs. 4 BAPostG. Dabei wird die personelle Vermittlung nach einer Fusion mit der Telecom Italia noch schwieriger werden, wenn - wie angekündigt - nur noch ein Vertreter des Finanzministeriums dem Aufsichtsrat angehören sollte. Vgl. FAZ v. 3.5.1999, Nr. 101, S. 25, „Sommer bleibt auch nach einem Scheitern der Fusion Vorstandschef'. 281 So Rottmann, Arch PT 1994, 193 (195). 282 Vgl. § 2 S. 1 BAPostG u. §§ 4 Abs. 1 u. 3 S. 3 Satzung. Der Ansicht von Fangmann/Lörcher/Scheurle/Schwemmle/Wehner, § 1 BAPostG Rnr. 10, die Bundesanstalt könne diese Satzungsbestimmung ändern, steht entgegen, daß die Satzungsänderung genehmigungspflichtig ist, also nur in Abstimmung mit der Aufsichtsbehörde erfolgen kann. Vgl. § 7 Abs. 1 iVm. § 5 Abs. 4 Nr. 5 BAPostG. 283 Vgl. zur umfassenden Natur der ministeriellen Aufsicht ausdrücklich der Fraktionsentwurf, BT-Drs. 12/6718, S. 77 Zu §2. Zu den Berichtspflichten § 7 Abs. 2 BAPostG iVm. § 12 Abs. 1 Satzung der BAnst PT; § 12 Abs. 4 Satzung der BAnst PT; § 21 Abs. 2 S. 2 BAPostG. Die Genehmigung der Aufsichtsbehörde knüpft zum einen an Vorlagen an, die der Beschlußfassung des Verwaltungsrates unterliegen (§§7 Abs. 1 S. 1 iVm. § 5 Abs. 4 BAPostG u. §§ 22 Abs. 4 Satzung der BAnst PT), insbesondere den Wirtschaftsplan (§§5 Abs. 4 Nr. 1, 20 Abs. 3 iVm. § 7 Abs. 1 S. 1 BAPostG u. § 25 Abs. 5 Satzung der BAnst PT), den Jahresabschluß (§§ 5 Abs. 4 Nr. 2, 21 Abs. 1 S. 3 iVm. § 7 Abs. 1 S. 1 BAPostG u. § 26 Abs. 6 Satzung der BAnst PT) und einen evtl. Verlustausgleich (§ 10 Abs. 3 iVm. § 7 Abs. 1 S. 1 BAPostG iVm. § 34 Abs. 4 Satzung der BAnst PT). Zum anderen kann die Anstalt Aktien nicht ohne Genehmigung erwerben oder veräußern ( § 9 Abs. 2 BAPostG u. § 29 Abs. 2 Satzung der BAnst PT). 280

5. Abschnitt: Unabhängigkeit nach §§66 ff TKG

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weite Bereiche des anstaltseigenen Organisationsrechts 2 8 4 sowie der Personalund Budgetgewalt. 2 8 5 Der Minister benennt schließlich den Anstaltsvorstand und den Vorsitzenden des Verwaltungsrates. 2 8 6 Die enge Verzahnung von U n ternehmensvertretung und ministerieller Aufsicht i n der Anstalt läßt zwei tatsächliche Entwicklungen z u : 2 8 7 D i e ministerielle Aufsicht könnte zum einen unter den gegebenen Bedingungen des BAPostG ein anstaltsinternes Gegengewicht zur Leistungserbringung konstituieren und damit bereits i n der Anstalt die Trennung zur Hoheitsverwaltung realisieren. I n diesem Fall kann sich die Unternehmensverwaltung i n der Formulierung eines gemeinsamen, erwerbswirtschaftlichen Interesses von B u n d und Unternehmen sowohl v o n den Unternehmen selbst als auch v o n der Regulierungsbehörde emanzipieren. Die Anstalt kann dann als trennende und getrennte Institution zur funktionellen Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde beitragen. Z u m anderen liegt es aber nach der Anstaltsverfassung für die Unternehmensvertreter ebenso nahe wie für die Vertreter der Bundesregierung, die

Auch soweit sie Dritte vertraglich mit der Einführung der Gesellschaften am Kapitalmarkt betraut, muß sie vorab die Zustimmung der Aufsichtsbehörde einholen (§3 Abs. 1 Nr. 2 BAPostG u. §§ 14 Abs. 2 S. 2, 33 Abs. 3 Satzung der BAnst PT). 284 Da die Satzung bereits im Gesetzgebungsverfahren festgeschrieben wurde, blieb für die Satzungsautonomie der Anstalt ohnehin nur geringer Raum ((vgl. § 8 S. 1 BAPostG). Der Fraktionsentwurf, BT-Drs. 12/6718, S. 79 begründet dies damit, daß die Anstalt zügig und im Einklang mit dem Gesetz errichtet werden solle. Satzungsänderungen sind ebenso wie die Geschäftsordnung des Verwaltungsrates genehmigungspflichtig (§§ 5 Abs. 4 Nr. 5 iVm. § 7 Abs. 1 BAPostG; § 5 Abs. 3 BAPostG iVm. § 20 S. 1 Satzung der BAnst PT). Lediglich die Geschäftsordnung des Vorstandes und die Allgemeine Geschäftsordnung der Anstalt unterliegen der Genehmigungspflicht nicht (vgl. § 10 Satzung der BAnst PT). Nach Ansicht von Fangmann/Lörcher/Sch euri e/Schwemmle/Wehner, § 8 BAPostG Rnr. 2 ist die Satzungsautonomie dennoch gewährleistet. 285 Finanziell ist die Anstalt insoweit autonom, als sie ihre Ausgaben aus Dividenden und Entgelten der Unternehmen bestreitet; dies aber nur im Rahmen des genehmigungspflichtigen Wirtschaftsplanes (§19 BAPostG). Das Personal der Anstalt entstammte dem Bundespostministerium sowie den Unternehmen (vgl. § 24 Abs. 1 BAPostG). Aufgaben der obersten Dienstbehörde nach § 187 BBG behielt das Gesetz dem Ministerium vor (§ 23 Abs.2 S. 3 BAPostG). Erst das Begleitgesetz räumte Ende 1997 dem Vorstand der Anstalt das Recht ein, Beamte der Besoldungsgruppe A selbst zu ernennen (Art. 2 Abs. 30 Nr. 2 a) BegleitG). 286 Der Minister benennt, bestellt und beaufsichtigt den Vorstand, mit dem er auch den Anstellungsvertrag schließt (§ 4 Abs. 2 S. 2 BAPostG u. § 8 Abs. 1 Satzung der BAnst PT; § 4 Abs. 3 BAPostG u. § 9 Abs. 3 Satzung der BAnst PT. Vgl. auch § 7 Abs. 2 S. 3 Satzung der BAnst PT). Abberufen kann er ihn allerdings nur aus wichtigem Grund (§ 8 Abs. 3 Satzung der BAnst PT). Er bestellt auch den Verwaltungsrat, obwohl er dessen Mitglieder nicht alle selbst benennt. 287 Die mangelnde Selbständigkeit der Anstalt kritisieren vor allem Fangmann/Lörcher/Scheurle/Schwemmle/Wehner, Einl. BAPostG Rnr. 4; § 2 BAPostG Rnr. 3 u. § 5 BAPostG Rnr. 3.

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2. Teil: Die funktionelle Unabhängigkeit

Anstalt lediglich als Interessenmakler zu benutzen. Dies gefährdete die Verwirklichung des Trennungsgrundsatzes doppelt: Die Herausbildung eines eigenen Funktionskreises der Unternehmensverwaltung bliebe gehemmt, und es bestünde die Gefahr, über die Vermittlung der Anstalt die Trennung zwischen unternehmerischen Interessen und regulatorischen Aufgaben zu unterlaufen. Da diese Gefahr nicht bereits durch die Anstaltsverfassung selbst ausgeschlossen wird, verlagert sich das Problem auf die Ebene der ministeriellen Aufsicht. Sie muß als übergeordnete Hierarchiestufe so gestaltet werden, daß Unternehmensinteressen nicht aus der Anstalt in die Regulierungsbehörde hinüberschlagen. Im Gefolge der Postreform I I übernahm zunächst das Bundespostministerium die Aufsicht über die Β AnstPT. 288 Zugleich nahm das Postministerium die Hoheitsaufgaben der Regulierung nach dem PTRegG wahr. Auch nach Inkrafttreten des TKG fungierte es zunächst als Regulierungsbehörde. 289 So blieben Regulierung und Aufsicht über die Unternehmensverwaltung im Postministerium institutionell vereint. 290 Personal-, Budget- und Organisationsgewalt liefen über die umfassenden Aufsichtsrechte im Ministerium zusammen. Nominell war die Regulierung zwar einer gesonderten Abteilung innerhalb des BMPT anvertraut. 291 Die Arbeit dieser Abteilung war aber so eng mit der auch für die Aufsicht über die Unternehmensverwaltung zuständigen Abteilung verzahnt, daß eine organisatorische Trennung der Unternehmensverwaltung von der Regulierung effektiv erst unterhalb der Abteilungsebene stattfand, soweit es die nicht zu unterschätzende - europäische Politik betraf, sogar erst auf Referatsebene. 2 9 2 Leiter der auch für die Unternehmensverwaltung zuständigen Abteilung war der Ministerialdirigent Scheurle. Als seine Ernennung zum ersten Präsidenten der Regulierungsbehörde 1997 feststand, tauschte er das Amt mit dem

288

Vgl. § 2 S. 1 BAPostG. Vgl. § 98 S. 1 TKG. 290 Vgl. zum folgenden den Organisationsplan des BMPT v. 1. Juli 1997. 291 Diese Abteilung 2 befaßte sich mit der Genehmigungserteilung, der Tarifregulierung, dem Netzzugang, der Verhaltenskontrolle, Mobil- und Satellitenfunk sowie der regulierungsbezogenen Rechtsetzung in der Telekommunikation. Ihr gehörten daneben auch zwei Referate an, die in der Regulierung des Postwesens tätig werden sollten. 292 Die Arbeit der Abteilung 2 „Regulierungen" stand angesichts der Notwendigkeit, das Privatisierungsprogramm zu entwickeln; in engem sachlichen Zusammenhang mit den Grundsatzangelegenheiten und den internationalen Angelegenheiten, die in Abteilung 1 behandelt wurden. Zur Abteilung 1 zählte auch die Unterabteilung Privatisierungs- und Beteiligungspolitik zu. Ihr gehörten insbesondere die Referate Grundsatzangelegenheiten sowie Aufsicht über die BAnst PT und Beteiligung am Deutschen Telekom AG-Konzern an. Zu dieser Unterabteilung gehörten weiter Referate, die sich mit internationaler und europäischer Telekommunikationspolitik befaßten. Vgl. im einzelnen Organisationsplan des BMPT' v. 1. Juli 1997. 289

5. Abschnitt: Unabhängigkeit nach §§ 66 ff TKG

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Abteilungsleiter Regulierungen. 293 Dieser Wechsel belegt die enge Verzahnung von Regulierung und Unternehmensverwaltung zusätzlich. Zudem sahen die Ermächtigungen zum Erlaß der Kundenschutz- und Pflichtleistungsverordnung nach dem PTRegG vor, daß der Bundespostminister die Nachfolgeunternehmen anhörte, obwohl diese Verordnungen von der Bundesregierung erlassen wurden. 294 Damit fiel dem Postministerium die Aufgabe zu, nicht nur das Anliegen der Telekommunikationspolitik, sondern auch die Interessen des bundeseigenen Unternehmens zur Geltung zu bringen. Von einer wirksamen strukturellen Trennung der Unternehmensverwaltung von der Regulierung läßt sich insoweit nicht sprechen. 295 Während die funktionelle Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde von der Leistungserbringung bereits durch die Rechtsformänderung erreicht wurde, erwies sich die Ablösung von der Unternehmensverwaltung also als deutlich schwieriger. Dies lag zunächst darin begründet, daß die Verfassungslage eine Entlassung der Unternehmensverwaltung aus dem Verwaltungsstatus bundeseigener Verwaltung im weiteren Sinne verbot. 296 Zum zweiten bildete sich die Eigenständigkeit der Unternehmensverwaltung historisch erst nach der Leistungserbringung heraus; sie brauchte daher länger, um sich von den regulatorischen Aufgaben zu trennen. Zum dritten erschien die gemeinsame Führung beider Bereiche als ein probates Instrument der Politik, das Unternehmen auf den Wettbewerb vorzubereiten. Daher mag diese Verquickung als Übergangsphänomen hingenommen werden. Sie bildete aber gerade in einer Phase regulatorischer Richtungsentscheidungen eine organisationsrechtliche Hypothek, die das Ministerium in den Augen der Marktteilnehmer schwer belastete.297 Eine solche Hypothek hätte sich möglicherweise vermeiden lassen, wäre die Beteiligungsverwaltung sogleich in das Ressort des Bundesfinanzministers überführt worden. Dies hätte der Tradition der Beteiligungsverwaltung entspro-

293 Vgl. BMPT, Pressemitteilung Nr. 65/97 v. 14.7.1997: Neue Aufgabenverteilung im Postministerium. 294 Vgl. § 8 Abs. 1 S. 1 u. § 9 S. 1 PTRegG, die § 30 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 2 PostVerfG entsprechen. A u f die Anhörungsergebnisse war zumindest in der Begründung zur Pflichtleistungsverordnung ausdrücklich Bezug zu nehmen (§ 8 Abs. 3 PTRegG). Nach § 9 S. 3 PTRegG waren die Interessen der Beteiligten ausgewogen zu berücksichtigen. 295 Der EuGH v. 27.10. 1993 Rs. C-69/91 - Decoster - Slg. 1993 I, S. 5383 Rnr. 16 und Rs. C-46/90 - Taillandier Slg 1993 I, S. 5335 Rnr. 15, befand es als keiner weiteren Begründung bedürftig, daß die Verwaltung von Eigentumsanteilen und Regulierung in ein und derselben Abteilung eines französischen Ministeriums dem europarechtlichen Trennungsgebot nicht genügten. 296 Zur Begriftlichkeit unten S. 190 Fn. 13. 297 Pointiert Moritz, CR 1998, 13 (20). Ähnlich Monopolkommission, Sondergutachten 24, Tz. 34 f.

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2. Teil: Die funktionelle Unabhängigkeit

chen. Das BAPostG vollzog diesen Schnitt zunächst nicht. 298 Es beschränkte sich darauf, die Ausübung der postministeriellen Aufsicht weithin dem finanzministeriellen Einvernehmen zu unterwerfen. 299 Erst zu Jahresbeginn 1998 gelang ein deutlicher institutioneller Trennschnitt. Das Bundespostministerium wurde aufgelöst. Die Regulierungsbehörde nach §§66 TKG nahm ihre Arbeit im Geschäftsbereich des Bundeswirtschaftsministeriums auf. Die Bundesanstalt wurde dem Ressort des Bundesfinanzministers zugeschlagen.300 Zum gleichen Zeitpunkt verdoppelte das Begleitgesetz die ministeriellen Stimmrechte im Verwaltungsrat der Anstalt. 301 Diese Änderungen minderten zum einen den Einfluß der Unternehmen auf die Anstalt. Zum anderen verschieben sie das Problem der funktionellen Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde von der Unternehmensverwaltung auf eine höhere Hierarchiestufe. Denn das Finanzministerium steht als Aufsichtsbehörde den erwerbswirtschaftlichen Interessen des Unternehmens vermutlich näher als das bisherige Postministerium. Diese Interessen treten erst auf Kabinettsebene dem Wirtschaftsminister gegenüber, der die Interessen der Regulierung vertritt. 3 0 2 Damit wird die funktionelle Unabhängigkeit der beiden Funktionskreise eine Frage der Ressorttrennung innerhalb der Bundesregierung. 303

4. Das Ressortprinzip als Garant funktioneller Unabhängigkeit Auf der Kabinettsebene findet die Aufgabengliederung im Ressortprinzip ein institutionelles Arrangement, das sich anbietet, das Trennungsgebot zu realisie-

298 Dabei hätte sich die zur Begründung der ministeriellen Anstaltsaufsicht angeführte Ressortverantwortlichkeit auch im Finanzministerium sicherstellen lassen. Vgl. zum BAPostG Fraktionsentwurf, BT-Drs. 12/6718, S. 77 Zu § 2. Vgl. auch Mestmäkker/Witte, Gutachten, S. 48. 299 Das Einvernehmen des BMF war nach § 2 S. 3 BAPostG allgemein erforderlich, soweit eine Aufsichtsmaßnahme Interessen des Bundes als Eigentümer berührte, also in den Aufgabenkreis nach § 3 Abs. 1 BAPostG eingriff. Auch die Genehmigung von Beschlüssen des Verwaltungsrates hatte im Einvernehmen mit dem Bundesfinanzministerium zu erfolgen (§ 7 Abs. 1 S. 2 BAPostG). Dasselbe galt für den Aktienhandel (§ 9 Abs. 2 S. 2 BAPostG.) Das Einvernehmen des BMF war schließlich auch bei der Bestellung und Anstellung des Anstaltsvorstandes erforderlich (§ 4 Abs. 2 S. 2 u. Abs. 3 BAPostG). 300 Vgl. die Bekanntmachung des Organisationserlasses des Bundeskanzlers v. 17.12.1997, Ziff. II. 2., BGBl. I 1998, S. 68. 301 Vgl. Art. 2 Abs. 30 Nr. 1 BegleitG. Dazu oben S. 160. 302 Vgl. § 66 Abs. 1 TKG. Zu einem Beispielsfall unten S. 272. 303 Zur Möglichkeit, die funktionelle Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde durch eine politische Verselbständigung innerhalb des Wirtschaftsressorts zu schützen, unten S. 272.

5. Abschnitt: Unabhängigkeit nach §§ 66 ff TKG

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ren und gleichzeitig den parlamentarisch-demokratischen Ausgleich der artikulierten Interessen sicherzustellen. Das Ressortprinzip faßt den Sinn ministerieller Leitung und Verantwortung nach Art. 65 S. 2 GG zusammen.304 Es verlangt, daß dem einzelnen Minister ein kanzler- und kabinettsfester Bereich der Sachleitungskompetenz verbleiben muß. 305 Über das gemeinsame Regelungsziel - die eigenständige Artikulation von Interessen - verbindet sich das Ressortprinzip mit dem Verlangen nach funktioneller Unabhängigkeit. Es ist daher grundsätzlich geeignet, staatliche Funktionen voneinander zu isolieren, indem die verschiedenen Aufgabenkreise verschiedenen Ministerien zugeordnet werden. 306 Dies gilt auch, wenn wie im Bereich der Infrastrukturgewährleistung planende Vorausschau unerläßlich ist. 3 0 7 Das grundsätzlich unbeschränkte Organisationsermessen des Bundeskanzlers 308 erfährt damit ebenso wie die einfachgesetzliche Zuständigkeitsordnung durch Art. 87f GG eine Orientierung, die die Abbildung der Funktionstrennung in der Ressortzuteilung nahelegt. Im Lichte der funktionellen Unabhängigkeit sind sodann die zum Ressortprinzip gegenläufigen Tendenzen des Kanzlerprinzips und des Kollegialprinzips nach Art. 65 GG zu bewerten. Das Kollegialprinzip prägt sich vor allem in drei Normen aus: Zum ersten sind § 66 Abs. 3 TKG iVm. § 8 Abs. 4 u. 5 PersBG zu nennen. Diese Normen binden die Bestellung und die Entlassung des Präsidenten und der Vizepräsidenten der Regulierungsbehörde an einen Beschluß der gesamten Bundesregierung. Dabei ist es grundsätzlich zulässig, auch den Finanzminister als Repräsentanten der erwerbswirtschaftlichen Interessen des Bundes in die Beschlußfassung einzubeziehen. Das Gebot der funktionellen Unabhängigkeit schließt es nicht aus, die Leitung der verschiedenen Funktionen aus einem übergeordneten Gremium heraus zu benennen.309 Allerdings muß auch hier, wie im Falle des Personalwechsels, darauf geachtet werden, daß die grundge-

304 Vgl. zusammenfassend Oldiges, in: Sachs, GG, Art. 65 Rnr. 20 ff; Ruffert, DÖV 1998, 897(900 ff). 305 So die Formulierung bei Oldiges, in: Sachs, GG, Art. 65 Rnr. 21. Vgl. auch Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 65 Rnr. 65f u. Achterberg, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. Π, § 52 Rnr. 48-57. 306 Vgl. zur Anlage von Unabhängigkeit in der Finanzverfassung Waechter, S. 179 ff. Für die Regulierungsbehörde eine Andeutung bei Windthorst, Universaldienst, S. 443 Fn. 201. 307 Vgl. zur Planung als Teil ministerieller Arbeit Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 65 Rnr. 87-89. Zur Vereinbarkeit des Infrastrukturauftrages mit dem Trennungsgebot oben S. 134. 308 Vgl. Herzog,, in: Maunz/Dürig, Art. 64 Rnr. 4. 309 Vgl. obenS. 151 ff.

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2. Teil: Die funktionelle Unabhängigkeit

setzlich gewollte Trennung der fiskalischen und regulatorischen Interessen des Bundes in der Personalentscheidung nicht verschwimmt. Zum zweiten schreibt § 15 Abs. 1 GeschO BReg eine Befassung des Kabinetts in grundsätzlichen Angelegenheiten vor. Da diese Norm über den Wortlaut des Art. 65 S. 3 GG hinausgeht, der die Kabinettsentscheidung nur für Meinungsentscheidung unter der Bundesministern vorsieht, stößt sie auf Widerstand im Namen des Ressortprinzips. 310 Eine Aufteilung der Unternehmensverwaltung und der Hoheitsverwaltung auf verschiedene Ressorts vorausgesetzt, verstärkt das Trennungsgebot diesen Widerstand. Nach Art. 87f GG bleibt das jeweilige Ministerium auch dann dafür zuständig, Angelegenheiten in der Telekommunikation in seinem Aufgabenbereich zu entscheiden, wenn sie von grundsätzlicher Bedeutung sind. Damit unterstützt das frennungsgebot eine Auslegung, die Beschlüssen nach § 15 Abs. 1 GeschO BReg nur politische, nicht aber rechtliche Verbindlichkeit zugesteht.311 Zum letzten ist auf Art. 65 S. 3 GG selbst einzugehen. Über die Auslegung dieser Norm besteht Streit: Nach einer Ansicht gestattet sie die Befassung der Bundesregierung bereits dann, wenn Grundsatzfragen anstehen,312 mag über ihre Beantwortung auch Einigkeit bestehen. Nach der Gegenansicht setzt sie eine akute Meinungsverschiedenheit zwischen den beteiligten Ressorts voraus. 313 Aus Sicht des Trennungsgebotes kommt es darauf an, ob eine frühzeitige Befassung des Kabinetts die Formulierung unterschiedlicher Positionen aus den Aufgabenbereichen erleichtert oder erschwert. Dies ist im Einzelfall zu entscheiden. Sofern die verschiedenen Aufgabenkreise aber von verschiedenen Ministerien geleitet werden, streitet das Trennungsgebot tendenziell für eine Stärkung der Ressortverantwortung und damit für eine zurückhaltende Anwendung des Art. 65 S. 3 GG. Dies entspricht einer Praxis, die Art. 65 S. 3 GG als ultima ratio betrachtet und seine Anwendung von einer Chefbesprechung der beteiligten Ministerien, ggf. unter Einschaltung des Bundeskanzlers, abhängig macht. 314

310 Vgl. Achterberg,, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. II, § 52 Rnr. 59; Oldiges, in: Sachs, GG, Art. 65 Rnr. 30, jeweils m w N ; aus der älteren Literatur Kröger, S. 58 f. 311 So Oldiges, in: Sachs, GG, Art. 65 Rur. 31 mwN.. Unberührt davon bleiben selbstverständlich Fälle, in denen das Gesetz eine Entscheidung der Bundesregierung verlangt. 312 Dafür Achterberg, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. II, § 52 Rnr. 59 unter Verweis auf die Landesverfassungen. 313 Dafür Oldiges, in: Sachs, GG, Art. 65 Rnr. 26. 314 Vgl. § 17 Abs. 1 GeschO BReg: Persönlicher Verständigungsversuch der Minister; § 17 Abs. 1 GeschO-BReg: Besprechung mit dem Bundeskanzler. Dazu Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 65 Rnr. 76; Oldiges, in: Sachs, GG, Art. 65 Rnr. 27.

5. Abschnitt: Unabhängigkeit nach §§66 ff TKG

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Die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers erweist sich aus Sicht der Aufgabengliederung schließlich als ein Weg, die Einheit staaüicher Entscheidung herzustellen. Dieser Weg kann aber erst nach Artikulation der verschiedenen Interessen beschritten werden. In einer solchen Handhabung biete- das Ressortprinzip ein organisationsrechtliches Arrangement dafür, für die funktionelle Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde zu sorgen. Dazu sind die beiden Aufgabenkreise Unternehmensverwaltung und Regulierung verschiedenen Ministerien zuzuschlagen. Die ursprünglich technisch-betrieblich bestimmte Ressorteinheit des Postministeriums geht daher in einer von den staatlichen Funktionen geleiteten Aufteilung der Portefeuilles auf. Mit der Auflösung des Bundesministeriums für Post und Telekommunikation und der Zuweisung der Regulierungsbehörde in den Geschäftsbereich des Bundeswirtschaftsministeriums einerseits und der Unterstellung der Bundesanstalt unter die Aufsicht des Finanzministeriums andererseits werden Regulierung und Unternehmensverwaltung strukturell getrennt. Das Ressortprinzip dient der funktionellen Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde.

B. Die personelle Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde Personell kann die funktionelle Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde zunächst auf den Status ihrer Bediensteten aufbauen. Die Beamten der Behörde sind in dienstrechtlich auf ihr Amt und damit auf eine vom Allgemeininteresse geleitete, unbefangene Wahrnehmung ihrer Funktion verpflichtet. 315 Indes ist das Personal in eine Laufbahn eingebunden, die über Herkommen und Zukunftsaussichten auch seine gegenwärtige Orientierung bestimmt. 316 Dem Ursprung nach stammen die Bediensteten der Regulierungsbehörde ganz überwiegend aus dem Geschäftsbereich des aufgelösten Bundespostministeriums. 317 Sie kommen aus einer Tradition, die auf die Einheit von Regulierung, Leistungserbringung und Unternehmensverwaltung in der Deutschen Bundespost zurückgeht. Deswegen läßt sich die funktionelle Unabhängigkeit in personeller Hinsicht nur verwirklichen, wenn den Mitarbeitern der Regulierungsbehörde nunmehr Laufbahnen eröffnet werden, die sich deutlich und dauerhaft von denen in der Unternehmensverwaltung und den Unternehmen absetzen. Beispielsweise scheidet ein Bundesbeamter aus seinem

315 Vgl. § 52 Abs. 1 S. 2 u. § 54 S. 2 BBG; Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. ΠΙ, § 59 Rnr. 57 ff u. 103. 316 Vgl. zu Vorbildung und Aufstiegsaussichten als Elementen des Laufbahnprinzips Lecheler, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 72 Rnr. 118 u. 121. 317 Vgl. § 1 PersBG.

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2. Teil: Die funktionelle Unabhängigkeit

bisherigen Amt aus, wenn er zum Präsidenten oder Vizepräsidenten der Behörde ernannt wird. 3 1 8 Mit dem Ende seiner Präsidentschaft tritt der Amtswalter, vorbehaltlich einer Versetzung in ein gleichwertiges Amt, in den einstweiligen Ruhestand.319 Damit bildet die Behördenleitung eine eigene, in sich abgeschlossene, berufliche Perspektive. Weiterhin ist die Tätigkeit als Präsident oder als Vizepräsident mit anderen besoldeten Ämtern oder beruflichen Tätigkeiten ebenso inkompatibel wie mit einer Regierungs- oder Parlamentsmitgliedschaft. 320 Ausdrücklich untersagt das Gesetz den Präsidenten die Mitgliedschaft in Aufsichts-, Verwaltungs- oder Beiräten von Firmen, die Telekommunikationsdienstleistungen erbringen. 321 Diese Verbot gilt aber nur für die Zeit der Präsidentschaft. Damit stellt sich die Inkompatibilität inhaltlich letztlich nur als die dienstrechtliche Kehrseite eines verfahrensrechtlichen Mitwirkungsverbotes aus § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 VwVfG dar. Eine vor- oder nachwirkende Karenz ist in § 8 Abs. 3 PersBG ebensowenig wie in § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 VwVfG vorgesehen. 322 Die Präsidentschaft kann nach dem Wortlaut des Gesetzes auch einem Kandidaten angetragen werden, der zuvor eine leitende Funktion in einem Unternehmen, z.B. in der Deutschen Telekom AG, innehatte. In solchen Fällen dürfte das Gebot funktioneller Unabhängigkeit ergänzend eingreifen und eine intensive Prüfung der persönlichen Qualifikation auslösen.323 Für die Mitgliedschaft in den Beschlußkammern verlangt das TKG lediglich die Befähigung zum höheren Dienst. 324 Im Vergleich mit § 51 Abs. 4 GWB fehlt sowohl das Erfordernis, die Beschlußkammermitglieder müßten Beamte auf Lebenszeit sein, als auch das Verlangen nach einer richterlichen Qualifikation. Mit dem Verzicht auf die Befähigung zum Richterdienst sollte aber ausweislich der Materialien die unabhängige Geisteshaltung der Beschlußkammermitglieder nicht in Abrede gestellt werden. 325 § 73 Abs. 4 TKG veränderte 318

Vgl. § 8 Abs. 6 S. 1 PersBG. Vgl. § 8 Abs. 7 S. 1 PersBG. 320 Vgl. § 8 Abs. 3 S. 1 PersBG. 321 Vgl. § 8 Abs. 3 S. 4 PersBG. 322 Zu letzerem vgl. BVerwG E 75,214 (228). 323 Äußerster Ansatzpunkt wäre hierfür das formelle Prüfungsrecht des Bundespräsidenten, der nach § 66 Abs. 4 TKG die Ernennung ausspricht. Vgl. dazu Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 66 Rnr. 27. Zur Herkunft der ersten Präsidenten und Vizepräsidenten vgl. BMPT/BMWi, Pressemitteilung v. 2.7.1997, „Spitzenposten der Regulierungsbehörde im Kabinett entschieden" u. NJW-Wochenspiegel 7/1998, S. X L I V , „Gerhard Harms Vizepräsident der Regulierungsbehörde für Telekommunikation". 324 § 73 Abs. 4 TKG. 325 Im Fraktionsentwurf, BT-Drs. 13/3609, S. 51 heißt es zu § 70 (dem heutigen § 73): „Das Verfahren vor den Beschlußkammern ist justizähnlich ausgestaltet und trägt damit dem Umstand Rechnung, daß die Regulierungsbehörde in diesen Fällen u.a. als 319

5. Abschnitt: Unabhängigkeit nach §§66 ff TKG

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vielmehr das Anforderungsprofil gegenüber dem GWB, damit Beschlußkammermitglieder auch außerhalb der postministeriellen Beamtenschaft gewonnen werden konnten. Deswegen kann als Auswahlkriterium neben die fachlichen Qualifikation auch die Frage danach treten, inwiefern die Person des Bewerbers dazu beiträgt, die funktionelle Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde herzustellen. Bedenklich erscheint zuletzt § 2 Abs. 2a Postpersonalrechtsgesetz. 326 Er läßt es zu, einen Beamten, der bislang im Postministerium oder im Bundesamt für Post und Telekommunikation beschäftigt war, auf Dauer bei einem Unternehmen der ehemaligen Deutschen Bundespost zu beschäftigen. Erforderlich ist dazu lediglich ein Antrag des Betroffenen sowie die Zustimmung der abgebenden Behörde und der aufnehmenden Gesellschaft. Die neue Beschäftigung muß bis zum 31. Dezember 1998 beginnen. Diese Regelung mag dank ihrer Befristung als Übergangsvorschrift begründbar sein. 327 So führen die Materialien die Notwendigkeit sachspezifischer Folgeregelungen und den engen Zusammenhang mit dem Beleihungsmodell nach Art. 143b GG an, um etwaige verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine Überweisung weiterer Beamte in die dienstrechtliche Zuständigkeit der Unternehmen abzuwehren. 328 Aus hiesiger Sicht ergeben sich Bedenken aber vor allem deswegen, weil der Personalwechsel über die verschiedenen Organisationen hinweg deren funktionelle Unabhängigkeit in Frage stellt. Diese Bedenken sind gerade in einer Zeit noch ungefestigter Regulierung von Gewicht. In verfassungs- und europarechtskonformer Auslegung muß daher in die Entscheidung nach § 2 Abs. 2a Postpersonalrechtsgesetz auch das Gebot funktioneller Unabhängigkeit einfließen. Die zitierten Erwägungen zu Art. 5a ONP-Rahmenrichtlinie verlangen ausdrücklich, daß fur den Wechsel von Personal von der Regulierungsstelle zu der als Anteilseigner oder Eigentümer fungierenden Stelle und umgekehrt spezielle Schutzmaßnahmen zur Anwendung gelangen.329 Der Personalwechsel

Schlichtlingsstelle im Streit zweier Unternehmen tätig wird. ... Der Vorsitzende und die Beisitzer müssen ... die Befähigung für eine Laufbahn des höheren Dienstes haben. Damit ist sichergestellt, daß an den Entscheidungen Kräfte mitwirken, die über die notwendige Fachkompetenz (Juristen, Wirtschaftswissenschaftler, Ingenieure) verfügen." Vgl. auch Kerkhoff.\ in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 73 Rnr. 23 f. 326 IdF. des § 9 Abs. 2 PersBG. 327 Vgl. Bundesregierung, BT-Drs. 13/8016, S.22 Zu Nummer 2. 328 Vgl. die umfassende Erörterung des Beleihungsmodells bei Hanspeter Benz, Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Beleihung einer Aktiengesellschaft mit Dienstherrenbefugnissen, Frankfurt 1995, und oben Fn. 233. 329 Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 58/96 vom Rat festgelegt am 12.9.1996 im Hinblick auf den Erlaß der Richtlinie 96/.../EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom ... zur Änderung der Richtlinien 90/387/EWG und 92/44/EWG des Rates

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2. Teil: Die funktionelle Unabhängigkeit

darf nicht dazu führen, daß das Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil erhält oder die Unbefangenheit regulatorischer Entscheidungen in Zweifel gerät. Einem Wechsel der Dienststelle ist daher nur zuzustimmen, wenn mögliche Interessenkonflikte definitiv ausgeschlossen sind. Daher wird zumal zwischen der Deutschen Telekom AG und der Regulierungsbehörde ein Personalübergang nur für nachgeordnete, nicht mit Entscheidungsinhalten befaßte Kräfte in Betracht kommen. Auch im Verhältnis zur Bundesanstalt für Post und Telekommunikation ist § 2 Abs. 2a Postpersonalrechtsgesetz restriktiv zu handhaben. Andernfalls könnte ein erleichterter Personalwechsel die funktionelle Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde in dem jeweiligen Tätigkeitsbereich in Frage stellen. In der Summe bietet das Dienstrecht der Regulierungsbehörde namentlich im Beamtenstatus die Möglichkeit, ihre funktionelle Unabhängigkeit durch die Auswahl geeigneter Amtswalter personell zu unterstützen. Inwiefern diese Möglichkeit genutzt wird, hängt aber von der praktischen Handhabung der einschlägigen Vorschriften - § 73 Abs. 4 TKG, § 66 Abs. 3 TKG, § 2 Abs. 2a Postpersonalrechtsgesetz - ab. In ihnen kann das Gebot funktioneller Unabhängigkeit als ergänzendes Auswahlkriterium zur Geltung kommen.

C. Die verfahrensrechtliche Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde In der Tätigkeit der Regulierungsbehörde tragen zunächst die §§20 f VwVfG dazu bei, ihre funktionelle Unabhängigkeit verfahrensrechtlich abzustützen. Das TKG überformt das allgemeine Verfahrensrecht aber in der Beschlußkammertätigkeit, die es in der gesetzlichen Zuständigkeitsregelung gegen das bundeseigene Unternehmen ausrichtet und über ein besonderes justizähnliches Verfahrensrecht neutralitätsfördernd gestaltet (I). Außerdem wirken verschiedene Transparenzerfordernisse einer nichtförmlichen Beeinflussung der Regulierung aus unternehmerischen Interessen entgegen (II). Eine solche Beeinflussung kann vor allem aus den den behördlichen Verfahren vorgelagerten Arbeitskreisen drohen (III).

L Das Beschlußkammerverfahren,

§§ 73 ff TKG

Im allgemeinen Beschlußkammerverfahren entscheidet die Regulierungsbehörde über die Regulierung der Entgelte und des Netzzuganges.330 Die zwecks Anpassung an ein wettbewerbsorientiertes Telekommunikationsumfeld (96/C 315/07), ABl. EG Nr. C 315 v. 24.10.1996, S. 41 (55 iv)), 3. Spiegelstrich. Siehe S. 148. 330 Vgl. § 73 Abs. 1 S. 1 TKG. Einzelheiten unten S. 390 ff.

5. Abschnitt: Unabhängigkeit nach §§66 ff TKG

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einschlägigen Vorschriften des Dritten und Vierten Teiles des TKG richten sich tatbestandlich nahezu ausschließlich an marktbeherrschende Unternehmen. 331 Auch soweit die Präsidentenkammer nach § 11 bzw. § 19 TKG entscheidet, muß sie ihre Aufmerksamkeit in besonderer Weise einem marktbeherrschenden Unternehmen widmen. 332 Als marktbeherrschendes Unternehmen ist bis auf weiteres die Deutsche Telekom AG anzusehen.333 Die gesetzliche Zuständigkeitsregelung stellt die Beschlußkammern der Regulierungsbehörde also typischerweise dem Unternehmen des Bundes gegenüber. Dabei entscheiden die Beschlußkammern durch einen verwaltungsaktförmlichen Beschluß. 334 Ihre drei Mitglieder verfugen über das gleiche Stimmrecht. 335 Die kollegiale Verfassung sorgt für eine interne Balance der Interessen und wirkt einer Neigung zugunsten des regulierten Unternehmens entgegen.336 Im Verfahren nach §§73 ff TKG verbindet sich zudem das verwaltungsverfahrensrechtliche Amtsprinzip mit Elementen der gerichtsprozessualen Parteidisposition. So leiten die Beschlußkammern ihr Verfahren von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten ein. 337 Neben der Amtsermittlung nach § 76 Abs. 1 T K G 3 3 8 tragen auch die Beteiligten eine ggf. kostenbewehrte Darlegungs- und Beweisverantwortung. 339 Dabei öffnet sich das Beschlußkammerverfahren in einem höheren Maße als ein Gerichtsverfahren oder ein (förmliches) Verwaltungsverfahren der Beteiligung Dritter. 340 Beteiligt werden der betroffene Anbieter, ggf. der Antragsteller sowie Beigeladene.341 Die Beteiligung setzt kein rechtlich verfestigtes Interesse voraus. 342 Außerdem können Vertreter der be331

Vgl. § 25 TKG, § 32 TKG, § 33 Abs. 1 TKG, § 34 Abs. 1 TKG; § 35 Abs. 1

TKG. 332 Vgl. § 11 Abs. 3 TKG zum Ausschluß übermächtiger Unternehmen aus dem Vergabeverfahren; § 19 Abs. 2-4 TKG zur Auferlegung der Uni Versaldienstleistungen auf ein marktbeherrschendes Unternehmen. Einzelheiten unten S. 423 ff. 333 Vgl. nur Fraktionsentwurf, BT-Drs. 13/3609, S. 33 f. 334 Vgl. § 73 Abs. 2 iVm. § 73 Abs. 1 S. 1 TKG. Zur Anwendung der §§ 88 ff VwVfG vgl. Kerkhoff, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 73 Rnr. 14. 335 Vgl. § 10 Abs. 2 S. 2 GO Reg TP. 336 Vgl. Sodan, S. 56-64. 337 Vgl. § 74 Abs. 1 TKG. Zur aus materiell-rechtlichen Normen zu gewinnenden Antragsberechtigung vgl. Kerkhoff, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 74 Rnr. 20. Dort auch Rnr. 6 u. 8 zu Dispositionsmaxime und Officialprinzip. 338 Dessen Formulierung folgt weder § 24 Abs. 1 VwVfG noch § 86 Abs. 1 VwGO, sondern § 53 GWB a.F. 339 Vgl. § 79 Abs. 3 TKG. 340 Vgl. auch Grämlich, CR 1998,463 (470). 341 Zu den Einzelheiten der Beiladung nach § 74 Abs. 2 Nr. 3 Kerkhoff, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 74 Rnr. 24^3. 342 Vgl. § 74 Abs. 2 Nr. 3 TKG im Gegensatz zu § 54 Abs. 2 Nr. 4 GWB, § 13 Abs. 2 S. 1 VwVfG, § 65 Abs. 1 VwGO. Dazu Kerkhoff, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 74 Rnr. 28-32.

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2. Teil: Die funktionelle Unabhängigkeit

rührten Wirtschaftskreise Stellung nehmen. 343 Damit nutzt das Beschlußkammerverfahren sowohl die überlegenen Befugnisse der Behörde als auch die Konkurrenz unter den Verfahrensbeteiligten. Es wirkt einer Dominanz der Deutschen Telekom AG entgegen. Weitere Vorschriften stellen die Beschlußkammern in das Licht der Öffentlichkeit. So haben die Beschlußkammern regelmäßig öffentlich zu verhandeln. 344 Der § 75 Abs. 3 TKG vergleichbare § 56 Abs. 3 GWB wird allerdings zurückhaltend gehandhabt. Denn eine öffentliche Verhandlung im Kartellrecht setzt den gefestigten Vorwurf eines Mißbrauchs von Marktmacht voraus. 345 Diese Zurückhaltung befördert eine kartellrechtliche Tendenz zur informalen Verständigung. Die Regulierung nach dem TKG knüpft im Gegensatz dazu bereits an die Marktbeherrschung an. Sie erhebt nicht notwendig einen § 19 GWB vergleichbaren Mißbrauchsvorwurf. 346 Im Unterschied zu § 56 Abs. 1 GWB hat das TKG daher die mündliche Verhandlung ausdrücklich zur Regel erklärt. 347 Damit arbeitet es dem latenten Vorwurf entgegen, die Deutsche Telekom AG erfahre eine bevorzugte Behandlung. 348 Das Öffentlichkeitserfordernis geht aber noch über die eigentliche Verhandlung der Beschlußkammern hinaus. So sind bereits die verfahrenseinleitenden Anträge zur Entgeltgenehmigung sowie zahlreiche Vor- und Verfahrensentscheidungen zu veröffentlichen. 349 Soweit die Präsidentenkammer ih343 Vgl. § 75 Abs. 2 TKG. Dazu Kerkhop in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 75 Rnr. 14-17. 344 Dabei ist für das Kartellrecht streitig, ob das Verfahren bekanntzumachen ist. Dafür Quack , in: Frankfurter Kommentar, § 50 Rnr. 25; dagegen Bracher, in: Frankfurter Kommentar, § 53 Rnr. 33. 345 Vgl. zu § 56, dem bisherigen § 53 GWB, Bracher, in: Frankfurter Kommentar, § 53 Rnr. 29 mwN.; Junge, in: Gemeinschaftskommentar, Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und Europäisches Kartellrecht, hrsg. von Werner Benisch, 4. Aufl., Köln u. a. 1987, 4. Lfg. 1981, § 53 Rnr. 4. Bereits Karsten Schmidt, Kartellverfahrensrecht - Kartell verwaltungsrecht - Bürgerliches Recht, Köln u. a. 1977, S. 295, weist darauf hin, daß der öffentliche Vorwurf seinerseits rechtsstaatlichen Anforderungen genügen müsse. 346 Beachte allerdings die Vorschriften des § 33 Abs. 1 TKG u. des § 24 Abs. 2 TKG. 347 Vgl. Kerkhoff, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 75 Rnr. 19. 348 Vgl. für den Netzzugang auch Art. 8 Abs. 1 S. 3-6 ONP-Mietleitungsrichtlinie 1997; Art. 22 Abs. 2 S. 3-5 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1995 und Art. 13 Abs. 1 S. 3-5 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1997. 349 Vgl. § 8 Abs. 2 TEntgV und z.B. Reg TP, Mitteilungen Nr. 2/1998-Nr. 5/1998, Veröffentlichung nach § 8 Abs. 2 TEntgV, ABl. Reg TP 1/1998, 20. Vgl. § 10 S. 3 TKG: Beschränkung der Zahl der Frequenzen; § 19 Abs. 1 TKG: Feststellung der Unterversorgung; § 26 TKG: Feststellung der marktbeherrschenden Stellung und z.B. Reg TP, Vfg 147/1998, Veröffentlichung gemäß § 26 TKG, ABl. Reg TP 25/1998, S. 3134; Zu § 27 Abs. 1 Nr. 2 TKG iVm. § 8 Abs. 2 TEntgV vgl. BMPT, Mitteilung Nr. 202/1997, Price-Cap-Regulierung Telefondienst, ABl. BMPT 34/1997, S. 1891; die auf den Entwurf BMPT, Mitteilung Nr. 55/1997, Entgeltregulierung, ABl. BMPT

5. Abschnitt: Unabhängigkeit nach §§66 ff TKG

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re Vergabebedingungen nach § 11 und § 19 TKG selbst bestimmt, entspricht es dem Wesen eines objektiven, nachvollziehbaren und diskriminierungsfreien Auswahlverfahrens, diese Bedingungen öffentlich bekannt zu machen. 350 Auch

11/1997, S. 606, zurückgeht. Zum Netzzugang, § 35 TKG iVm. § 6 Abs. 5 TKG vgl. Reg TP, Vfg 11/1998, Veröffentlichung nach § 9 Abs. 6, § 6 Abs. 5 NZV, ABl. Reg TP 3/1998, S. 288; BMPT, Vfg 104/1997, Hinweise zur Zusammenschaltung von öffentlichen Telekommunikationsnetzen, ABl. BMPT 11/1997, S. 603. 350 Vgl. Vfg 55/1998 Entscheidung der Präsidentenkammer vom 3. Juni 1998 über das Verfahren zur Vergabe von Frequenzen für die Funkanbindung von Teilnehmeranschlüssen als Punkt-zu-Mehrpunkt-Richtfunk, ABl. Reg TP 11/1998, S. 1519 im Anschluß an BMPT, Vfg 51/1997, Bereitstellung von Frequenzen für die drahtlose Teilnehmeranschlußleitung im lizenzierten Bereich (Wireless Local Loop - WLL), ABl. BMPT 5/1997, S. 338 und BMPT, Vfg 129/1996 Funkanwendung „Drahtloser Teilnehmeranschluß" (Wireless Local Loop - WLL); Anhörung, ABl. BMPT 19/1996, 1210; Reg TP, Vfg 57/1998 Anhörung nach § 11 Abs. 1 Telekommunikationsgesetz (TKG) zu den Eckpunkten für das Ausschreibungsverfahren zur Vergabe von WLL-Frequenzen für Punkt-zu-Mehrpunkt-Richtfunk (PMP-Rifu) für die Funkanbindung von Teilnehmeranschlüssen, ABl. 11/1998, S. 1527; Reg TP, Vfg 56/1998 Auswertung der Eckpunkte und Eröffnung des FrequenzzuteilungsVerfahrens für Punkt-zu-Mehrpunkt-Richtfunk (PMP-Rifu) für die Funkanbindung von Teilnehmeranschlüssen, die insbesondere dem Angebot von Sprachtelefondienst mit ISDN-Leistungsmerkmalen gewidmet sind, ABl. Reg TP 11/1998, S. 1526, im Anschluß an BMPT, Vfg 310/1997, Anhörung nach § 47 Abs. 5 S. 2, 2. Halbs. i.V.m. § 11 Abs. 1 TKG für Frequenzzuteilungsverfahren für Punkt-zu-Mehrpunkt-Richtfunk (PMP-Rifu) für die Funkanbindung von Teilnehmeranschlüssen, die dem Angebot von Sprachtelefondienst mit ISDN-Leistungsmerkmalen gewidmet sind, ABl. BMPT 34/1997, S. 1889; Reg TP, Vfg 57/1998 Anhörung nach § 11 Abs. 1 Telekornmunikationsgesetz (TKG) zu den Eckpunkten für das Ausschreibungsverfahren zur Vergabe von WLL-Frequenzen für Punkt-zu-Mehrpunkt-Richtfunk (PMP-Rifu) für die Funkanbindung von Teilnehmeranschlüssen, ABl. Reg TP 11/1998, S. 1527; Reg TP, Vfg 61/1998 Vergabeverfahren für eine Lizenz zum Betreiben von Übertragungswegen zum Angebot terrestrischer Flugtelefondienstleistungen für die Öffentlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland (TFTS-Lizenz), ABl. Reg TP 11/1998, S. 1540; Reg TP, Vfg 7/1998 Anhörung nach § 11 Abs. 1 TKG zur Vergabe einer Lizenz zum Betreiben von Übertragungswegen zum Angebot von terrestrischen Flugtelefondienstleistungen für die Öffentlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland, ABl. Reg TP 2/1998, 90; BMPT, Vfg 296/1997, Anhörung nach § 11 Abs. 1 TKG zu den Eckpunkten für eine Ausschreibung von Frequenzen nach § 47 Abs. 5 S. 2 iVm. § 11 Abs. 6 TKG für DAB nach den Schlußakten der T-DAB-Planungstagung der CEPT, Wiesbaden 1995, festgelegten Frequenzblock Verteilungen [sie], ABl. BMPT 34/1997, S. 1835; BMPT, Vfg 81/1997, Hinweis auf die Ausschreibung einer Lizenz zum Betreiben von Übertragungswegen für Datenfunkdienstleistungen für die Öffentlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland, ABl. BMPT 10/1997, S. 539; Vfg 63/1997, Hinweis auf die Ausschreibung von jeweils einer Lizenz zum Betreiben von Übertragungswegen für Mobilfunkdienstleistungen für die Öffentlichkeit nach dem Frequenzbündelungsprinzip (Bündelfunklizenz Typ A) in den Regionen Rhein/Ruhr und Leipzig, ABl. BMPT 8/1997, S. 452; BMPT, Vfg 115/1996, Regeln für ein Auktionsverfahren zur Versteigerung von ERMES-Lizenzen/Frequenzen sowie regionaler ERMES-Frequenzen, ABl. BMPT 17/1996, S. 948; BMPT, Vfg 114/1996, Hinweis auf die Ausschreibung einer bundesweiten Lizenz für ein digitales zellulares Mobilfunknetz auf der Basis des europäischen DCS 1800-Standards (E 2-Netz) in der Bundesrepublik Deutschland, ABl. BMPT 17/1996, S. 941. 12 Oertel

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2. Teil: Die funktionelle Unabhängigkeit

die verfahrensabschließende Entscheidung der Beschlußkammer wird im Regelfall zu veröffentlichen sein. 351 Damit wird eine besondere Transparenz erreicht, die ihrerseits einer Durchbrechung der funktionellen Unabhängigkeit über arkane Kanäle entgegenwirkt. Zusammenfassend wird das Beschlußkammerverfahren als Justizähnlich" charakterisiert. 352 Im Vergleich zu Gerichten 353 entscheiden die Beschlußkammern aber nicht auf Antrag, sondern (auch) von Amts wegen. Sie sind folglich nicht an das Entscheidungsprogramm eines Antrags gebunden, sondern können ihr Vorgehen ggf. selbst bestimmen. Dabei werden sie häufig zwischen zwei Parteien schlichten, aber auch im mehrpoligen oder einseitigen Verwaltungsverhältnis tätig werden. In diesen Verfahrensverhältnissen tritt die gerichtstypische Frage nach Obsiegen oder Unterliegen zugunsten allgemeinerer Erwägungen der Recht- und Zweckmäßigkeit zurück. Die Beschlußkammern entscheiden nicht notwendig retrospektiv und konditional normorientiert sondern (auch) prospektiv und final ergebnisorientiert. Aus diesem Grund kann auch dem parlamentarisch besetzten Beirat ein Mitwirkungs- und Antragsrecht eingeräumt werden. 354 Wenn das Beschlußkammerverfahren als Justizähnlich" bezeichnet wird, ist damit also nicht gemeint, daß die Beschlußkammern Justizgleich" entscheiden.

351 Vgl. für die Entgeltregulierung § 28 Abs. 4 TKG bzw. § 30 Abs. 6 TKG iVm. § 9 TEntgV. Für Anordnungen des Netzzuganges aus § 35 Abs. 2 S. 3 TKG iVm. § 9 Abs. 5 u. § 6 Abs. 5 NZV . Dazu Reg TP, Vfg 11/1998, Veröffentlichung nach § 9 Abs. 6, § 6 Abs. 5 NZV, ABl. Reg TP 3/1998, S. 288; BMPT, Mitteilung Nr. 173/1997, Antrag der Mannesmann Arcor AG & Co. auf Erlaß einer Zusammenschaltungsanordnung v. 3.7.1997, ABl. BMPT 30/1997, S. 1721; BMPT, Mitteilung Nr. 174/1997, Anrufung der Regulierungsbehörde gem. § 37 Abs. 1 TKG iVm. § 9 NZV durch die o.tel.o communications GmbH & Co v. 23.7.97, ABl. BMPT 30/1997, S. 1721; ; BMPT, Mitteilung Nr. 193/1997, Anrufung der Regulierungsbehörde gem. § 37 Abs. 1 TKG iVm. § 9 NZV durch die VIAG Interkom GmbH & Co v. 23.7.97, ABl. BMPT 32/1997, S. 764; BMPT, Mitteilung Nr. 194/1997, Anrufung der Regulierungsbehörde gem. § 37 Abs. 1 TKG iVm. § 9 NZV durch die COLT TELECOM GmbH v. 2.9.97, ABl. BMPT 32/1997, S. 1754. Zu Entscheidungen der Präsidentenkammer nach § 11 TKG ist die Veröffentlichung bislang geübte Praxis; nach § 19 TKG ist § 26 S. 3 T K V 1997 zu beachten. Wichtige Entscheidungen teilt die Reg TP in der M M R mit. 352 Vgl. Fraktionsentwurf, BT-Drs. 13/3609, S. 51 Zu § 70; Müller-Terpitz, ZG 1997, 257 (268); Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 112; Grämlich, CR 1998, 463 (469). Für das GWB vgl. Rodegra, S. 34 mwN. 353 Klassisch zum Vergleich Lon Fuller , The forms and limits of adjudication, 92 Harvard Law Review (1978), 353-409. Eine gemeinschaftsrechtliche Definition des „Gerichts" iSv. Art. 177 EGV findet sich bei EuGH, Urt. v. 17.9.1997 - Rs. C-54/95 Dorsch Consult Ingenieurgesellschaft mbH./. Bundesbaugesellschaft Berlin mbH, NJW 1997, 3365 Ziff. 22-38. Vgl. dazu Arnold Boesen, EuGH bejaht Vorlageberechtigung der Vergabeüberwachungsausschüsse, NJW 1997, 3350; Jan Byok, EuZW 1997, 628, jeweils mwN. zur umstrittenen Frage der Gerichtsqualität. 354 Vgl. § 69 Nr. 3 u. 4 TKG.

5. Abschnitt: Unabhängigkeit nach §§66 ff TKG

179

Vielmehr verfahren sie i n einem über das Verwaltungsverfahrensgesetz hinaus geöffneten, kollegial gestalteten und transparenten Verfahren. Dieses Verfahren richtet sich gezielt gegen die Deutsche Telekom A G als marktbeherrschendes Unternehmen. Seine Öffentlichkeit kann einer informellen Bevorzugung der Deutschen Telekom A G entgegenwirken. Das Kollegialprinzip verbürgt eine höhere Resistenz gegenüber individueller Voreingenommenheit. I n seiner Justizähnlichkeit trägt das Beschlußkammerverfahren daher dazu bei, die Entscheidungen der Regulierungsbehörde i n funktioneller Unabhängigkeit zu treffen.

II. Die Transparenz der behördlichen

Tätigkeit

A u c h außerhalb des Beschlußkammerverfahrens fordert das T K G grundsätzlich, das regulierende Handeln transparent zu halten. 3 5 5 So sind allgemeine Weisungen und behördliche Verwaltungsgrundsätze zu veröffentlichen. 3 5 6 Die einschlägigen Richtlinien statuieren umfassende Mitteilungspflichten gegenüber der K o m m i s s i o n 3 5 7 und den Marktteilnelimern bzw. der Öffentlichkeit. 3 5 8

355 Zur Öffentlichkeit im europäischen und deutschen Verwaltungsrecht allgemein Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, S. 100 ff u. 302 f. 356 Vgl. § 66 Abs. 5 u. § 81 Abs. 2 TKG. Da die Regulierungsbehörde über den Einzelfall hinaus Marktbedingungen vorgeben muß, wird sich ihre Veröffentlichungspraxis kaum am Bundeskartellamt orientieren können, das seit 1978 lediglich vier Grundsatzvorschriften veröffentlichte. Dazu Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 81 Rnr. 6. Insbesondere zum Lizenzverfahren haben Reg TP und BMPT bereits mehrere Grundsatzverfügungen erlassen, vgl. Reg TP, Vfg 8/1998, Beantragung von Lizenzen zur Beförderung von Briefsendungen, ABl. Reg TP 2/98, 90; BMPT, Vfg 51/1997, Bereitstellung von Frequenzen für die drahtlose Teilnehmeranschlußleitung im lizenzierten Bereich (Wireless Local Loop - WLL), ABl. BMPT 5/1997, S. 338; BMPT, Vfg 104/1997, Hinweise zur Zusammenschaltung von öffentlichen Telekommunikationsnetzen, ABl. BMPT 11/1997, S. 603; BMPT, Vfg 229/1996, Beantragung von Lizenzen für den Sprachtelefondienst auf der Basis selbst betriebener Telekommunii:ationsnet7e (Lizenzklasse 4), ABl. BMPT 30/1996, S. 1767; BMPT, Vfg 116/1996, Beantragung von Lizenzen zum Betreiben von Übertragungswegen, ABl. BMPT 17/1996, S. 951; BMPT, Vfg 193/1997 Beantragung von Lizenzen zum Betreiben von Übertragungswegen für Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit durch den Lizenznehmer oder andere, für die eine Zuteilung von Frequenzen zur Übertragung von Rundfunkprogrammen erforderlich ist, ABl. BMPT 1997, S. 1278. 357 Der Kommission müssen beispielsweise Genehmigungsbedingungen mitgeteilt werden (Art. 2 Abs. 4 Wettbewerbsrichtlinie 1996 Art. 5 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 2 S. 2 Endgeräterichtlinie); ihr sind aber auch organisatorische Vorkehrungen zu notifizieren (Art. 7 Abs. 2 Wettbewerbsrichtlinie 1996, Art. 7 Abs. 2 Endgeräterichtlinie). 358 Hinsichtlich der Verfahrensbedingungen folgt das Transparenzgebot für Genehmigungen aus Art. 3 Abs. 2 S. 1, Art. 10 Abs. 3 S. 1 Genehmigungsrichtlinie, Art. 2 Abs. 3, Art. 3 S. 3, Art. 3a S. 1 ii), Art. 3b S. 2 Wettbewerbsrichtlinie 1996, für Gerätezulassungen aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 u. Abs. 2 S. 1 Endgeräterichtlinie, für die Frequenzvergabe aus Art. 3a S. 2 Wettbewerbsrichtlinie 1996, für die Nummemvergabe aus

180

2. Teil: Die funktionelle Unabhängigkeit

Beispielsweise haben die mitgliedstaatlichen Behörden in Übereinstimmung mit den nationalstaatlichen Verfahrensregeln die Ansicht von Vertretern der Netzbetreiber, Nutzer, Verbraucher, Hersteller und Diensteanbieter in Fragen der Universaldienstversorgung zu berücksichtigen; 3 5 9 Änderungen von Allgemeingenehmigungen im Sinne des Europarechts müssen ebenso wie eine Beschränkung der Zahl von Einzelgenehmigungen von den interessierten Parteien kommentiert werden k ö n n e n . 3 6 0 Weitere Vorschriften des T K G halten die Behörde an, zur öffentlichen Kommentierung ihrer Entscheidungen einzuladen. 3 6 1

Art. 3b S. 6 Wettbewerbsrichtlinie 1996, Art. 21 Abs. 1 S. 2 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1995 bzw. Art. 12 Abs. 3 S. 1 u. 2 Zusammenschaltungsrichtlinie, für die Zusammenschaltung und den Netzzugang aus Art. 4a Abs. 1 Wettbewerbsrichtlinie 1996 und Art. 3 Abs. 1 ONP-Rahmenrichtlinie 1997 sowie für die Regulierung der Universaldienstleistungen aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 Zusammenschaltungsrichtlinie. Gegenüber den Marktteilnehmern, die auf Informationen angewiesen sind, besteht die Pflicht, angemessene und aktuelle Informationen über den Zugang zum festen öffentlichen Telefonnetz und zum Sprachtelefondienst zu veröffentlichen bzw. veröffentlichen zu lassen (Art. 4 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1995 und Art. 11 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1997), Lieferfristen und Dienstequalitäten zu veröffentlichen (Art. 5 Abs. 1 ONPSprachtelefondienstrichtlinie 1995 und Art. 12 Abs. 3 S. 1 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1997), Benutzungsbedingungen und Preise zu veröffentlichen Art. 3 u. 4 ONPMietleitungsrichtlinie 1997. Zur Transparenz der Organisation vgl. Art. 5a Abs. 1 ONPRahmenrichtlinie 1997. 359 Vgl. Art. 24 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1997, der die organisationsrechtliche Vorwirkung des Art. 87f Abs. 1 GG konkretisiert. Dazu Eifert, S. 198 ff. 360 Vgl. Art. 4 Abs. 3 S. 2 u. Art. 10 Abs. 2 2. Spiegelstrich Genehmigungsrichtlinie. Daß sich die Reichweite der europarechtlichen Allgemeingenehmigung im deutschen Recht aus der Abgrenzung der Anzeigepflicht nach § 4 TKG von der Lizenzpflicht nach § 6 TKG ergibt, muß sowohl eine Änderung dieser gesetzlichen Vorschriften öffentlich kommentiert werden als auch eine Änderung der förmlich niedergelegten Verwaltungspraxis. Die Richtlinie erfaßt Allgemeingenehmigungen ungeachtet der nationalen Rechtsform (Art. 2 Abs. 1 a) Genehmigungsrichtlinie). 361 Vgl. § 87 Abs. 1 S. 3 TKG: Katalog von Sicherheitsanforderungen. Dazu BMPT, Mitteilung Nr. 84/1996, §87 TKG „Technische Schutzmaßnahmen"; hier: Durchführung des Anhörungsverfahrens, ABl. BMPT 20/1996, S. 1246. Vgl. weiter § 43 Abs. 1 S. 3 u. Abs. 2 S. 2 TKG: Numerierung. Dazu die Nachweise bei Mellewigt, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 43 Rnr. 8-61. Vgl. schließlich § 45 Abs. 1 S. 3 TKG: Frequenzbereichszuweisungsplan;. § 46 Abs. 3 S. 1 TKG: Frequenznutzungsplan. Zu den Einzelheiten §§ 4-7 Verordnung über das Verfahren zur Aufstellung des Frequenznutzungsplanes (Frequenznutzungsplanaufstellungsverordnung FreqNPAV) - Entwurf, BR-Drs. 378/97; vgl. auch BMPT, Vfg 273/1997, Digitale Medien und Teledienste nach dem T-DAB-Übertragungsverfahren; hier: Frequenzbedarfsabfrage 1452 bis 1467,5 MHz, ABl. BMPT 30/1997, S. 1704; BMPT, Vfg 30/1996, Mobilfunklizenzen, Nutzung des Frequenzbereichs 1710-1880 MHz, ABl. BMPT 4/1996, S. 329; BMPT, Mitteilung Nr. 118/1997, Informationen über mögliche Mobilfunksatellitensystem in Frequenzbereichen unter 1 GHz, ABl. BMPT 22/1997, S. 1103; BMPT, Vfg 6/1996, Interessenabfrage für jeweils eine Lizenz zum Errichten und Betreiben von Übertragungswegen von Bündelfunknetzen in den Regionen Nürnberg und Münster/Osnabrück/Bielefeld, ABl. BMPT 1/1996, S. 29.

5. Abschnitt: Unabhängigkeit nach §§66 ff TKG

181

So kann der i m Markt vorhandene Sachverstand erschlossen w e r d e n . 3 6 2 A u c h w o sie nicht rechtsnotwendig ist, üben bzw. übten Behörde und das frühere Postministerium eine kommentierungsfreundliche Praxis: Z u r Einrichtung der Behörde selbst fand eine öffentliche Anhörung statt; 3 6 3 Verordnungsentwürfe wurden öffentlicher Überprüfung anheimgestellt; 3 6 4 die konsultative Ausarbeitung v o n Eckpunkten z u m weiteren Vorgehen bleibt i m Gefolge der Postreformen ein übliches Verfahrensmuster. 3 6 5 Sogar einzelne Auslegiingsfragen werden öffentlich erörtert. 3 6 6 Eine gesetzliche Stütze findet diese Praxis i n § 81

362 So bat das BMPT die Netzbetreiber darum, ihre Schnittstellenspezifikation für Endeinrichtungen mitzuteilen, damit es entsprechende Zulassungsvorschriften gem. § 59 Abs. 2 TKG erarbeiten könne. Vgl. BMPT, Vfg 274/1997, Zulassungspflicht von Endeinrichtungen zur Anschaltung an öffentliche Telekommunikationsnetze; hier: Mitwirkung der Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze, ABl. BMPT, 30/1997, S. 1704. Zu § 3 SigG vgl. BMPT, Mitteilungen 188/1997, Öffentliche Anhörung zu den Katalogen von Sicherheitsmaßnahmen nach § 12 Abs. 2 und § 16 Abs. 6 der Verordnung zur digitalen Signatur, ABl. BMPT 31/1997, S. 1744. 363

Vgl. BMPT, Vfg 3/1997, Anhörung im Zusammenhang mit der Errichtung der Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation, ABl. BMPT 2/1997, S. 35. 364 Vgl. BMPT, Mitteilung Nr. 176/1997, Telekommunikations-Nummerngebührenverordnung, ABl. BMPT 30/1997, S. 1722; BMPT, Mitteilung Nr. 57/1997, Öffentliche Kommentierung des Entwurfs der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung, ABl. BMPT 11/1997, S. 609. Vor Erarbeitung der T K V 1997 hatte das Ministerium im Internet zu Stellungnahmen eingeladen. Vgl. auch Reg TP, Mitteilung Nr. 135/1998, Anhörung zum Entwurf einer Verfahrensordnung für das Schlichtungsverfahren nach § 35 Abs. 1 TKV, ABl. Reg TP 14/1998, S. 1644. 365 Vgl. Reg TP, Vfg 73/1998, Kommentierung einer beabsichtigten Frequenzzuteilung von Amts wegen zum Zweck der einseitig gerichteten Übertragung von Rundfunksignalen in Kabelnetzen bzw. öffentlichen und privaten Verteilanlagen insbesondere zur Wahrung der Interessen der öffentlichen Sicherheit, ABl. Reg TP 12/1998, S. 1580; BMPT, Mitteilung Nr. 55/1997, Entgeltregulierung, ABl. BMPT 11/1997, S. 606; BMPT, Mitteilungen Nr. 187/1997, Eckpunkte zur Regulierung von Übertragungswegen für satellitengestützte persönliche Kommunikationsdienste (S-PCS), ABl. BMPT 31/1997, S. 1744; BMPT, Mitteilungen Nr. 107/1997, Eckpunkte zur Regulierung von Übertragungswegen für satellitengestützte persönliche Kommunikationsdienste (SPCS), ABl. BMPT 20/1997, S. 1021. Zur Verfahrenspraxis der Präsidentenkammer unten S. 423 ff 366 Vgl. Reg TP, Mitteilung Nr. 121/1998, Anhörung zur Auslegung der T K V für den Bereich Kundenvorgabe der Entgelthöhe (§ 18 TKV), ABl. Reg TP 13/1998, S. 1620; Reg TP, Mitteilung Nr. 84/1998, Anhörung zur Auslegung der T K V im Bereich des Einzelverbindungsnachweises, ABl. Reg TP 9/1998, S. 1368; Reg TP Mitteilung Nr. 184/1998, Mitteilung über die Ergebnisse der Anhörung zur Auslegung der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung im Bereich des Einzelverbindungsnachweises, ABl. Reg TP 18/1998, S. 2008; hierzu auch die Erstellung einer Positivliste, vgl. Reg TP, Mitteilung Nr. 159/1999, § 14 TKV; Veröffentlichung der Positivliste zum Einzelverbindungsnachweis. Weiterhin BMPT, Mitteilung Nr. 203/1997, Marktbeobachtung Telekommunikation; Erhebung von Daten zum Telekommunikationsmarkt, ABl. BMPT 34/97, S. 1893. Besonderes Aufsehen erregte die Anhörung zu der Frage, ob auch netzunabhängige Betreiber die günstigen Zusammenschaltungstarife genießen sollen. Vgl. dazu den Bericht von Michael Esser-Wellié/Ellen Braun, Anmerkungen zur

182

2. Teil: Die funktionelle Unabhängigkeit

T K G , der es der Regulierungsbehörde geradezu aufgibt, ihre Tätigkeit öffentlich zu reflektieren. D i e grundsätzliche Transparenz der behördlichen Tätigkeit flankiert damit ihre funktionelle Unabhängigkeit. Denn sie läßt deutlich werden, welche Interessen die Regulierung leiten.

III. Die informatorische

Abhängigkeit

der

Regulierungsbehörde

Das marktbeherrschende, verwaltungserfahrene Unternehmen der Deutschen Telekom A G verfügt über einen beträchtlichen Informationsvorsprung auch gegenüber der Regulierungsbehörde. 3 6 7 So befürchtete noch das Postministeriu m i m Streit über den entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlußleitung, dem überlegenen technischen Sachverstand des Unternehmens zuwenig entgegensetzen zu k ö n n e n . 3 6 8 I m Streit u m die Kosten für den Zugang zum Ortsnetz legten die Beteiligten einander widersprechende,

umfangreiche

Gutachten

v o r . 3 6 9 Die Regulierungsbehörde ließ ein eigenes Gutachten erstellen, das sie wiederum öffentlicher Kommentierung unterzog. 3 7 0 Dazu bediente sie sich des Wissenschaftlichen Institutes für Kommunikationsdienste ( W I K ) , einer E i n -

„Regulatorischen Behandlung von Verbindungs- und Teilnehmernetzen im Hinblick auf die Zusammenschaltung der Netze" durch die Regulierungsbehörde am 15.12.1998, AfP 1998, 606 und Reg TP, Mitteilung Nr. 134/1998, Anhörung zur regulatorischen Behandlung von Verbindungs- und öffentlichen Telekommunikationsnetzen im Hinblick auf die Zusammenschaltungsvorschriften des TKG, ABl. Reg TP 14/98, S. 1643. Die Ergebnisse der Anhörung schildert Reg TP Mitteilung Nr. 73/1999, Öffentliche Anhörung über die regulatorische Behandlung von Verbindungsnetzen und öffentlichen Telekommunikationsnetzen im Hinblick auf die Zusammenschaltungsvorschriften des TKG, ABl. Reg TP 4/1999, S. 739. Dazu Ernst Georg Berger, Netzbetreiber und Zusammenschaltung im Telekommunikationsrecht, CR 1999,222. 367 Zur „asymmetrischen Informationslage" vgl. Stürmer, S. 59. 368 Zu diesem Verfahren vgl. OVG Münster, M M R 1998, 98 mit Anm. Riehmer,; VG Köln, M M R 1998, 102 = CR 1997, 639; VG Köln, CR 1999, 79; VG Köln, CR 1999, 161; Reg TP, Vfg 124/1998, Entscheidung der Beschlußkammer 3 über den Zugang zur Teilnehmeranschlußleitung, ABl. Reg TP 21/1998, S. 2626; Thomas Tschentscher/Holger Neumann, Das telekommunikationsrechtliche Regulierungsverfahren Verfahrensfrage, Mißbrauchsaufsicht, Entbündelung, BB 1997,2437. 369 Vgl. Horst Albach/Giinter Knieps, Kosten und Preise in wettbewerblichen Ortsnetzen, Baden-Baden 1997; Vogelsang, Kosten des Ortsnetzes, 1996. Dazu Scherer, NJW 1998, 1607(1610). 370 Vgl. Reg TP, Vfg 15/1998 Entgeltregulierung für die Gewährung von Netzzugang. Aufruf zur Kommentierung: "Ein analytisches Kostenmodell für das Ortsnetz", ABl. Reg TP 4/1998, 658; Reg TP, Vfg 35/1998, Verlängerung der Frist zur Kommentierung „Ein analytisches Kostenmodell für das Ortsnetz", ABl. Reg TP 7/1998, S. 1163. Vgl. auch Roland Doll/Reinhard Wieck, Analytische Kostenmodelle als Grundlage für Entgeltregulierungsentscheidungen, M M R 1998,280.

5. Abschnitt: Unabhängigkeit nach §§66 ff TKG

183

richtung, die bislang zur Hälfte vom Bund, im übrigen aber von den Unternehmen des Bundes, also auch der Deutschen Telekom AG, finanziert wurde. 371 Die Idee, über einen Abgleich mit der Meinung anderer Wettbewerber den Informationsvorsprung der Deutschen Telekom zu verringern, kennzeichnet auch die Praxis der verschiedenen Arbeitskreise bei der Regulierungsbehörde. 372 In ihnen kommen Unternehmen und Behörde zum Erfahrungsaustausch und zur Abstimmung des weiteren Vorgehens zusammen. Insbesondere der „Arbeitskreis technische und betriebliche Fragen der Numerierung und der Netzzusammenschaltung (AKNN)" hat sich hierbei als ein bedeutendes Forum erwiesen. 373 Seine Empfehlungen sind zwar rechüich unverbindlich. 374 Sie nehmen aber vielfach behördliche Entscheidungen inhaltlich 375

vorweg. Da sich das Gebot funktioneller Unabhängigkeit auf die Entscheidungsvorbereitung erstreckt, ist es von der Regulierungsbehörde auch in den Arbeitskreisen zu beachten. Eine Abstimmung mit den Unternehmen ist daher im Grundsatz zulässig und auch sachlich notwendig. Sie darf aber nicht dazu fuhren, daß der Schein der Befangenheit entsteht. Deswegen muß die Regulierungsbehörde auch solche Interessen berücksichtigen, die außerhalb der Arbeitskreise formuliert werden, sofern nicht die Arbeitskreise selbst eine ausgewogene Interessendarstellung gewährleisten. 376 Dies wäre z.B. dann nicht der Fall, wenn die Mitgliedschaft in einem Arbeitskreis nur im Wege der Kooptation erworben werden kann oder die Arbeitskreise erst nach einer konstituieren-

371

Vgl. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 71 Rnr. 15. Vgl. etwa BMPT, Mitteilungen Nr. 7/1997 Einrichtung eines "Ausschusses für die technische Regulierung der Nutzung von Rundfunkfrequenzen" (TRR), ABl. BMPT 2/1997, S. 58; BMPT, Mitteilung 70/1995, Arbeitskreis „Sicherheit in der Telekommunikation", ABl. BMPT 18/1995, S. 1213. Zu letzterem Helf CR 1997, 331 (333). 373 Vgl. BMPT, Mitteilung Nr. 108/1997, Arbeitskreis technische und betriebliche Fragen der Numerierung und der Netzzusammenschaltung, ABl. BMPT 20/1997, S. 1021. 374 Die Unverbindlichkeit seiner Empfehlungen ist in § 8 Abs. 1 S. 2 der Satzung des A K N N eigens festgehalten. Es sind also weder die Regulierungsbehörde noch die Unternehmen untereinander rechüich gebunden. 375 So geht das Verfahren nach BMPT, Vfg 109/1997, Zuteilung von Rufnummern in den Ortsnetzen; Vorläufige Regeln, ABl. BMPT 13/1997, S. 650, ebenso wie BMPT, Vfg 301/1997, Festlegungen zur Nutzung der Teilbereiche (0)180 und (0)190 des Nummernraums für öffentliche Telefonnetze, ABl. BMPT 34/1997, S. 1854, auf Vorarbeiten des Arbeitskreises zurück. Zum Lenkungsausschusses „Technische Fragen der Numerierung", der dem A K N N zuzuordnen ist, Mellewigt, in: Beck'scher TKGKommentar, § 43 Rnr. 75. 376 Vgl. zu privaten Normungsorganisationen ähnlich Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1996), S. 160(205 0· 372

184

2. Teil: Die funktionelle Unabhängigkeit

den Sitzung für weitere Teilnehmer geöffnet werden. 377 Im Verfahren der Arbeitskreise selbst wiederum kann eine Stimmverteilung, die sich nicht an Marktanteilen orientiert, eine gewisse Ausgewogenheit befördern. Unter einer Vielzahl gleichgewichtiger Konkurrenten hebt sich ggf. auch die Regulierungsbehörde als einigende und letztentscheidende Instanz hervor. Sofern die Praxis der Arbeitskreise transparent, ausgewogen und beteiligungsoffen gehalten wird, läßt sie sich daher mit der funktionellen Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde vereinbaren. Sofern dies nicht gelingt, hat die Regulierungsbehörde ihre inhaltliche Entscheidungsfreiheit auf andere Weise gegen den Vorwurf der Befangenheit zu immunisieren.

Sechster Abschnitt

Fazit Insgesamt lassen die verschiedenen institutionellen, personellen und verfahrensrechtlichen Faktoren erwarten, daß die Regulierungsbehörde funktionell unabhängig agiert. Vom Unternehmen ist sie nach dessen Ausgliederung aus der bundeseigenen Verwaltung und der Umwandlung in eine privatrechtliche Aktiengesellschaft institutionell getrennt. Die unternehmensverwaltende Bundesanstalt zählt zwar noch zur bundeseigenen Verwaltung im weiteren Sinne. Die unternehmensseitige Besetzung ihres Verwaltungsrates hat aber mit dem BegleitG an Stimmgewicht verloren. Anstalt und Regulierungsbehörde sind seit 1998 verschiedenen Ministerien untergeordnet. Über das Ressortprinzip kann die Regulierungsbehörde sich auch von der anstaltlichen Unternehmensverwaltung institutionell emanzipieren. Personell bestehen aufgrund der gemeinsamen ministeriellen Vergangenheit noch gewisse Verschränkungen zwischen Unternehmen, Unternehmensverwaltung und Regulierung fort. Hier ist es Aufgabe des Dienstrechts, getrennte Laufbahnen zu entwickeln. In den Qualifikationserfordernissen für die 377 Bedenklich daher § 3 Abs. 2 4. Spiegelstrich der Satzung des AKNN, nach dem Unternehmen, die nicht Lizenznehmer sind, erst dann Mitglied werden können, wenn ihnen ein Netzbetreiber die Mitgliedschaft anträgt. Vgl. BMPT, Mitteilung Nr. 108/1997, Arbeitskreis technische und betriebliche Fragen der Numerierung und der Netzzusammenschaltung, ABl. BMPT 20/1997, S. 1021. Ein Beispiel einer Öffnung des Arbeitskreises „post festum" gibt BMPT, Mitteilung 70/1995, Arbeitskreis „Sicherheit in der Telekommunikation", ABl. BMPT 18/1995, S.1213, ein Gegenbeispiel BMPT, Mitteilungen Nr. 7/1997 Einrichtung eines "Ausschusses für die technische Regulierung der Nutzung von Rundfunkfrequenzen" (TRR), ABl. BMPT 2/1997, S. 58. Zur Praxis des Behördenpräsidiums, kurzfristig Netzbetreiber zu einem „runden Tisch" einzuladen, Matthias Bock/Sven B. Völcker, Regulatorische Rahmenbedingungen für die Zusammenschaltung von TK-Netzen, CR 1998,473 (482).

6. Abschnitt: Fazit

185

Beschlußkammermitglieder und in den Imkompatibilitätsvorschrifiten des Präsidentenamtes findet die funktionelle Unabhängigkeit bereits jetzt Ansätze zu einer dienstrechtlichen Unterstützung. Verfahrensrechtlich richtet namentlich die Beschlußkammerzuständigkeit einzelne Organe der Regulierungsbehörde gegen das marktbeherrschende Unternehmen des Bundes aus. Das justizähnliche Vorgehen der Beschlußkammern verbürgt eine erhöhte Neutralität. Indem das TKG das gesamte Behördenhandeln transparent hält, wirkt es einer verborgenen Abhängigkeit von erwerbswirtschaftlichen Interessen des Bundes entgegen. Auch die verschiedenen Arbeitskreise lassen sich dazu nutzen, eine informationelle Abhängigkeit der Regulierungsbehörde von der Deutschen Telekom AG zu vermindern. So bietet das organisationsrechtliche Arrangement des TKG eine Rechtsgrundlage, auf der die Regulierungsbehörde ihre funktionelle Unabhängigkeit in Praxis und Geist gewinnen kann. Inwiefern dies gelingt, ist eine Tatfrage. Sie kann aus der Perspektive dieser Arbeit nicht abschließend beantwortet werden. Die erforderliche empirische Untersuchung und fortlaufende Beobachtung ist zuvörderst Aufgabe der Europäischen Kommission. Die Kommission untersucht dazu nicht nur die Rechtsanpassung. Sie erforscht auch die tatsächliche Umsetzung, was ggf. eine Beurteilung der Marktwirkung verlangt. 378 1 997 gelangte die Kommission in einer solchen Untersuchung zu der Ansicht, die bundesdeutsche Regulierungsbehörde sei unabhängig. 379 Dieser Befund konnte sich zwar nur auf das damalige Postministerium und das TKG beziehen. Er ist dennoch deswegen gewichtig, weil die Kommission im gleichen Atemzug andere Mitgliedstaaten noch kritisierte. 380 Im einzelnen stellte die Kommission für das TKG fest, daß die Behörde formal von den Betreibern und auch „zu einem gewissen Grad" vom Ministerium unabhängig sei. Durch den Beirat allerdings „könnten Schwierigkeiten entstehen". In dieser letzten Bemerkung deutet sich ein Verständnis an, das das europarechtliche Unabhängigkeitsverlangen auch gegen die politische Steuerung wendet. 381 Der politischen Verselbständigung der Regulierungsbehörde wird sich der folgende Abschnitt widmen. Der vorliegende Abschnitt schließt mit der Feststellung, daß ihr Organisationsrecht der Regulierungsbehörde den Auftrag und die Möglichkeit ver-

378

Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1997, S. 6, 8. Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1997, S. 24. Allerdings konnte die Kommission zu diesem Zeitpunkt über die heutige Regulierungsbehörde ebenfalls nur eine auf das TKG gestützte Prognose wagen. 380 Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1997, S. 6. 381 Ähnlich Schwintowksi, CR 1997, 630 (636); ebenso Moritz, CR 1998, 13 (20); jeweils unter Verweis auf die DiensterichÜinie. 379

186

2. Teil: Die funktionelle Unabhängigkeit

schafft, funktionell unabhängig von dem öffentlichen Unternehmen und anstaltlichen Verwaltung zu entscheiden.

Dritter Teil

Die politische Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde Politische Unabhängigkeit soll im folgenden zweierlei meinen: die organisatorische Abkoppelung der Regulierungsbehörde von den Staatsorganen, die als politische Zentrale gelten - Bundestag und Bundesregierung - und ihre Fähigkeit, daraus eine eigene Regulierungspolitik zu entwickeln. Für die Überschrift dieses Teils ist anders als zur funktionellen Unabhängigkeit kein Begriff normativ vorgegeben.1 Der Titel „Politische Unabhängigkeit" schließt terminologisch an den Begriff der funktionellen Unabhängigkeit an und markiert damit die Gemeinsamkeit beider Begriffe in Ausgangspunkt und Zielrichtung. Zugleich soll die Begriffsdifferenz andeuten, daß funktionelle und politische Unabhängigkeit verschiedene Zugänge wählen: Die funktionelle Trennung will staatliche Funktionsstränge organisatorisch entbündeln; die politische Abkoppelung bildet Einflußknicke 2 innerhalb eines Funktionsstrangs, der damit von der Staatsspitze entfernt wird. Die funktionelle Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde geht auf ein unbedingtes Trennungsgebot zurück, das in allen Tätigkeitsbereichen unbedingte Beachtung verlangt. Dem Gebot funktioneller Unabhängigkeit ist daher Genüge getan, wenn die Regulierungsbehörde den vorgeschriebenen, isolierten Zustand erreicht und bewahrt. Zu ihrer politischen Unabhängigkeit fuhrt hingegen eine Gratwanderung, die zwischen den Polen demokratischer Anbindung an die parlamentarische Legitimationszentrale und sachgebotener Abkoppelung von parteipolitischer Einflußnahme ihren Weg sucht. Um diesen Prozeß zu bezeichnen, verwendet das Folgende auch den Begriff politischer Verselbständigung.3 Darin soll anklingen, daß die Entwicklung der Regulierungsbehörde hin zu einer politischen (Un-) Abhängigkeit noch im Gange ist. Der Fortschritt dieser Entwicklung hängt vom Ausmaß der ministeriellen Weisungsbindung ab. Politische Abhängigkeiten gründen aber nicht allein auf die rechtliche Weisungsbindung. Die Weisungsabhängigkeit ist eine, nicht aber die einzige politi-

1 Für den vorigen Abschnitt gab Art. 5a Abs. 2 ONP-Rahmenrichtlinie die Überschrift „Funktionelle Unabhängigkeit" vor. 2 Vgl. Wagener, S. 40. 3 Zu den möglichen Graden der Verselbständigung vgl. Wagener, S. 41-45.

188

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

sehe Einflußnahme vermittelnde Rechtsbeziehung. Zu denken ist auch an Personal·, Organisations- und Finanzgewalt. Einen umfassenden verfassungsrechtlichen Rahmen findet die Abhängigkeit der Regulierungsbehörde in Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG, der sie auf die bundeseigene Verwaltung verpflichtet (Erster Abschnitt). Vor dem Hintergrund des Art. 87f GG läßt sich sodann beurteilen, inwiefern die Regulierungsbehörde ministerialfrei im Sinne von weisungsfrei entscheiden kann (Zweiter Abschnitt). Entscheidungsträger sind die im TKG ausgebildeten Organe, an denen folglich die politische Verselbständigung der Regulierungsbehörde festzumachen ist (Dritter Abschnitt).

Erster Abschnitt

Die Regulierungsbehörde als bundeseigene Verwaltung, Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG Die Anordnung bundeseigener Verwaltung wirkt ausschließend und anbindend zugleich. Sie beschränkt die Einflußnahme der Bundesländer4 und verlangt - da ein Drittes nicht gegeben ist5 - positiv gewendet die Anbindung an den Bund. Es ist diese positive Aussage des Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG, die zunächst zu präzisieren (A) und dann in ihren Konsequenzen für die Regulierungsbehörde zu verfolgen ist, seien diese institutioneller (B), personeller (C), verfahrensrechtlicher (D), oder materien-rechtlicher Natur (E).

A. Die zentrale Anbindung der bundeseigenen Verwaltung Als bundeseigene Verwaltung nach Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG muß die Regulierungsbehörde in besonderer Weise an den Bund und seine Organe Bundestag und Bundesregierung angebunden sein.. Ausgehend von dem früheren Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG a.F. konzentrierte sich die rechtswissenschaftliche Diskussion dazu bislang auf die Möglichkeiten rechtlicher Verselbständigung bundeseigener Verwaltung unter einem Gebot der Zurechnung zum Bund (I u. II). 6 Die dort entwickelten Kriterien einer Zuordnung zum Bund lassen sich für die politische Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde fruchtbar machen (III).

4

Dazu Erster Teil, S. 451 ff. Vgl. Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. IV, § 98 Rnr. 77. 6 Die Frage möglicher Verselbständigung unter Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG a.F. ist für die Bundespost ausfuhrlich von Mayer, Bundespost, S. 74-110 mit zahlreichen weiteren Nachweisen untersucht worden. 5

. Abschnitt: Die u n e n e Verwaltung

189

I. Die Zurechnung der Regulierungsbehörde zum Bund Bundeseigene Verwaltung heißt zunächst, daß das jeweilige Verwaltungshandeln dem Bund zuzurechnen sein muß.7 Die Regulierungsbehörde bewegt sich also solange innerhalb des Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG, als sie nicht rechtlich verselbständigt ist. Nach § 66 Abs. 2 S. 2 TKG vertritt zwar der Präsident die Regulierungsbehörde gerichtlich und außergerichtlich. Sie tritt unter eigenem Namen im Rechtsverkehr auf. Es handelt sich aber um eine Bundesoberbehörde (§ 66 Abs. 1 TKG). Ihre Handlungen werden unmittelbar dem Bund zugerechnet.8 Sie nimmt ihre Zuständigkeit nicht in eigener Trägerschaft, sondern transitorisch wahr. Sie ist - in der Begrifflichkeit Wolffs - Rechtssubjekt, aber nicht rechtsfähig. 9 Die Regulierungsbehörde ist rechtlich nicht verselbständigt. Mit diesem Befund ihrer rechtlichen Unselbständigkeit wird aber weder die politische Verselbständigung der Regulierungsbehörde erfaßt noch der organisationsrechtliche Gehalt des Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG ausgeschöpft. Die Frage nach der Rechtsfähigkeit verharrt auf der dogmatisch abstrakten Ebene der juristischen Person. Sie untersucht die Behörde aus der Tradition der Zurechnungslehre, vernachlässigt aber ihre Einordnung in das Ganze der Arbeitsinstitution Staat und die legitimatorische Verknüpfung von Binnen- und Außenstruktur, die etwa Ingerenzrechte gegenüber rechtlich selbständigen Verwaltungsträgern herstellen. Da die Rechtsfähigkeit auf den Rechtsträger abstellt, erscheinen seine Organe als Mittler, weniger als Akteure. Daher beschreibt die Rechtsfähigkeit das Rechtsverhältnis der Behörde zum Bund, ohne auf der einen oder anderen Seite den einzelnen Organen nachzugehen. Eine isolierte Betrachtung der Rechtsfähigkeit im öffentlichen Recht läuft damit Gefahr, die Analogie zum Privatrecht zu strapazieren. Im Privatrecht verweist die Vollrechtsfähigkeit zuletzt auf die umfassende Handlungsfreiheit der natürlichen Person. Die Rechtsfähigkeit des öffentlichen Rechts kommt hingegen nicht von der Privatautonomie, sondern von der staatlichen Verfaßtheit her. Sie beruht auf der notwendigerweise enumerativen Zuordnung einzelner Kompetenzen. Daher bleibt auch die umfassendste Rechtsfähigkeit des öffentlichen Rechts immer eine Teilrechtsfähigkeit. 10 Die Rechtsfähigkeit des öffentlichen Rechts

7 Vgl. nur Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rnr. 44; Art. 87f Rnr. 101; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 87 Rnr. 19; Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87f Rnr. 33; Grämlich, CR 1998, 463 (464); Traumann, S. 88. 8 Vgl. für die Bundesoberbehörde Müller, Rechtsformenwahl, S. 56 f. 9 Vgl. Wolff in: Wolff/Bachof II, § 76 I d 5., S. 85; § 74 I f 8., S. 51 zur Unterscheidung zwischen (Teil-) Rechtsfähigkeit und Rechtssubjektivität. 10 Vgl. Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. IV, § 98 Rnr. 76; SchmidtAßmann, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht, S. 9 (23).

190

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

ist relativ, weil sie das staatliche Handeln stets in einem bestimmten, kompetentiellen Zusammenhang konstituiert. 1 1 Stimmen in der Literatur erheben die Rechtsfähigkeit dennoch zum ausschlaggebenden Kriterium der bundeseigenen Verwaltung. 1 2 Ihnen gilt als bundeseigene schon, aber auch nur die in einem engeren Sinne bundeseigene, d.h. rechtlich nicht verselbständigte Verwaltung. 1 3 Das Erfordernis bundeseigener Verwaltung nach Art. 8 7 f Abs. 2 S. 2 GG w i r d in dieser Auslegung zu einem Zurechnungs ver langen: Es ist erforderlich, reicht aber auch aus, daß das behördliche Handeln dem Bund zugerechnet wird. Abgesehen von den schon angedeuteten Aussagegrenzen der Rechtsfähigkeit i m öffentlichen Recht, erscheint es jedoch auch aus anderen Gründen zweifelhaft, unter Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG allein auf die Rechtsfähigkeit der bundeseigenen Verwaltung abzustellen: 1 4 Z u m ersten würde sich ein ausnahmsloses Verbot rechtlicher

Verselb-

ständigung auch gegen eine Beleihung sperren. 15 Sie ist aber in § 64 Abs. 2 T K G vorgesehen. 16 Aufgaben der Endgeräteüberwachung und -Zulassung sol11 Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rnr. 44; Krebs, in: Isensee/Kirchhof III, § 69 Rnr. 20 u. Rur. 24 Fn. 84. 12 Vgl. Sachs, in: Sachs, GG, Art. 86 Rnr. 13 u. Art. 87 Rnr. 16-19. Ihm ausdrücklich folgend Jestaedt, in: Aulehner u.a. (Hrsg.), Föderalismus, S. 338, der aber nur typusprägende Aufgaben der bundesunmittelbaren Verwaltung vorbehalten will. Ebenso Windthorst, Universaldienst, S. 369 f; Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87f Rnr. 33. 13 Zum Begriff bundeseigener Verwaltung i.e.Sinne vgl. Lerche, in: FS-Klein, S. 528 (528); Mayer, Bundespost, S. 76 ff Fn. 190 u. 192. Danach bezeichnet bundeseigene Verwaltung im weiteren Sinne die beiden in Art. 86 S. 1 angesprochenen Formen der mittelbaren, im Sinne von rechtlich verselbständigten Körperschaften und Anstalten, und der bundeseigenen Verwaltung im engeren Sinne, d.h. der Behörden, deren Handeln unmittelbar dem Bund zuzurechnen ist. In diesem engeren Sinne läßt sich auch von „bundesunmittelbarer" Verwaltung sprechen. 14 So erörtert Windthorst, Universaldienst, S. 370 ff, nachdem er die Möglichkeit einer rechtlichen Ausgliederung abgelehnt hat, als „Organisationsgebilde unterhalb der Ebene einer rechtlichen Verselbständigung" lediglich den Infrastrukturrat, den Regulierungsrat und den Beirat unter letztlich föderalen Gesichtspunkten. 15 Sie hält für unvereinbar mit bundeseigener Verwaltung im allgemeinen Sachs, in: Sachs, Art. 87 Rnr. 19; für Art. 87fAbs.2 S. 2 im besonderen ebenfalls ablehnend Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87f Rnr. 33. Zur Qualität des Beliehenen als Verwaltungsträger, d.h. Zurechnungsendpunkt bzw. Glied öffentlicher Verwaltung Wolff, in: Wolff/Bachof II, § 74 II c, S. 56 u. § 104 I c), S. 453; zu Beliehenen im Rahmen bundeseigener Verwaltung Traumann, S. 326 ff. 16

Vgl. weiter § 64 Abs. 1 S. 1, § 59, § 63 TKG u. die Verordnung über die Anforderungen und das Verfahren fur die Beleihung von benannten Stellen und für die Akkreditierung von Testlabors fur Endeinrichtungen und Prüfstellen für Qualitätssicherungssysteme auf dem Gebiet der Telekommunikation (Beleihungs- und Akkreditierungsverordnung - BAkkrV) v. 10.12.1997, BGBl. I, S. 2905. Dazu auch Reg TP, Mitteilung Nr. 53/1998, Hinweise und Informationen zur Anwendung der Beleihungs- und Akkreditierungsverordnung, ABl. Reg TP 6/1998, S. 890.

. Abschnitt: Die u n e n e Verwaltung

191

len privaten Prüfstellen übertragen werden. Die Regulierungsbehörde kann sogar so weit gehen, die fraglichen Tätigkeiten selbst einzustellen.17 Die §§ 59 ff TKG entsprechen weithin wörtlich den §§ 2a - e FAG, die im verfassungsbegleitenden Gesetzeswerk der Postreform II enthalten waren. Die Beliehenen sind Teil eines gemeinschaftsweiten Netzes benannter Stellen, das auf die 1994 bereits umgesetzte Konformitätsrichtlinie zurückgeht. 18 Der Verfassungsgeber belieh die Deutsche Telekom infolge der Rechtsformumwandlung mit verschiedenen hoheitlichen Befugnissen. 19 Eine besondere Verfassungsnorm hielt er nur für die Übertragung von Dienstherrenbefugnissen für erforderlich. 20 Im übrigen toleriert Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG selbst die Beleihung. 21 Selbst wenn man die organisationsrechtliche Sonderlage der Beleihung in Rechnung stellt, 22 verbietet es das Erfordernis bundeseigener Verwaltung also nicht, Hoheitsaufgaben auf rechtlich verselbständigte Verwaltungsträger zu übertragen. Zum zweiten ist es über Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG hinaus fraglich, ob dem VIII. Abschnitt des Grundgesetzes eine übergangslose Klassifizierung von bundesunmittelbarer iSv. nicht rechtsfähiger im Gegensatz zu bundesmittelbarer iSv. rechtsfähiger Verwaltung zu unterlegen ist. 23 Das Organisationsrecht des Grundgesetzes gilt als fragmentarisch. 24 Die verschiedenen 17

Vgl. § 64 Abs. 1 S. 2 TKG und Reg TP, Vfg 65/1998, Einstellung der Tätigkeit der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post als Zulassungsbehörde im Bereich der Telekommunikation, ABl. Reg TP 11/1998, S. 1560. Ein dem korrespondierender Entleihungsanspruch ergibt sich aus § 64 Abs. 2 TKG; §§2 Abs. 1; 3 Abs. 1 u. 2 BAkkrV. Ungenau daher die Formulierung des § 14 Abs. 1 BAkkrV: „Der Umfang der Beleihung kann auf Antrag erweitert... werden.". 18

Vgl. Art. 10 Endgerätekonformitätsrichtlinie. Vgl. die Beleihung der Nachfolgeunternehmen mit dem Recht zur Planfeststellung in § 7 Abs. 2 S. 2 Telegraphenwegegesetz idF. d. Art. 8 PTNeuOG sowie die übergangsweise Belassung von Vollstreckungsbefugnissen durch § 9 Abs. 2 - 4 FAG idF. d. Art. 5 PTNeuOG. Dazu Königshofen, Arch PT 1995, 112(117). 20 Art. 143b Abs. 3 GG; Fraktions- und Regierungsentwurf, BT-Drs. 12/76717, S. 4f. Dazu Hanspeter Benz, Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Beleihung einer Aktiengesellschaft mit Dienstherrenbefugnissen, Frankfurt 1995; Grämlich, NJW 1994, 2785 (2788); Traumann, S. 329-333; Fangmann/Lörcher/Scheurle/Schwemmle/Wehner, Art. 143b Rnr. 14f, die die Beleihung für mit Art. 79 Abs. 3 GG vereinbar halten. Zum „Sonderstatus" des Dienstherrn auch Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 4. 21 So auch Uerpmann, in: v. Münch/Kunig, Art. 87f Rnr. 13; im Grundsatz auch Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 105 f.. Keine Bedenken gegen eine Beleihung unter dem Gebot bundeseigener Verwaltung bei BVerwG, Urt. v. 19.3.1976 - BVerwG V I I C 67.72 - Buchholz 442.20, Nr. 1, S. 15-18. Allgemeines Prüfungsschema bei Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 87 Rnr. 2. 22 Vgl. Krebs, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb.d.StR. III, § 69 Rnr. 57, der die Beliehenen als „ein Stück juristische Person des öffentlichen Rechts" ansieht, aaO. Rnr. 39, und sie deswegen eher der bundesmittelbaren Verwaltung zuordnet. 23 In diese Richtung aber Sachs, in: Sachs, GG, Art. 86 Rnr. 13. 24 Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rnr. 5 u. Art. 87 Rnr. 15; Burmeister, S. 163 f. Die Beobachtung, daß die Verfassung im organisatorischen Teil nur Rahmen19

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

Organisationsformen sind nicht immer klar voneinander geschieden. 25 Versuche, die Art. 86 f f GG als geschlossenes System bundesunmittelbarer Verwaltung zu denken, können etwa Art. 87d nicht anders denn als „Systembruch" 2 6 oder „ R ä t s e l " 2 7 verstehen. 28 Z u m dritten w i l l das strikte Verbot eigener Rechtsfähigkeit die Zurechnung zum Bund sicherstellen. 29 W o die Behörde nicht rechtlich verselbständigt ist, soll der Bund eo ipso über so weitreichende Einwirkungsbefugnisse verfugen, daß er das Verwaltungshandeln dirigieren kann. 3 0 Ob diese Einwirkungsbefugnisse tatsächlich gegeben sind, läßt sich aus diesem B l i c k w i n k e l allenfalls unter dem Gesichtspunkt des Formenmißbrauchs erörtern. 31 Eine rechtsformale Herangehensweise konzentriert sich auf das Zurechnungsverlangen des Art. 8 7 f Abs. 2 S. 2 GG. Dabei bleibt dessen Zuordnungsgehalt am Rande des Blickfeldes. 3 2 Solange die Auslegung dicht am Formalbegriff bleibt, übernimmt sie die oder Minimalbestimmungen enthält, die verschiedenartige Aktualisierungen zulassen, schon bei Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 15. Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 303 f hält das grundgesetzliche Organisationsmodell ebenfalls nicht für abschließend. Burmeister, S. 123 unterscheidet innerhalb des 8. Abschnittes föderativ motiviertes Organisationsrecht, kompetenziell motiviertes Organisationsrecht, Beschränkungen der Ingerenzinstrumente und verwaltungstypologisch motivierte Aussagen und schließt (S. 125), daß dem VIII. Abschnitt keine abschließende Regelung aller organisationsrechtlich bedeutsamen Umstände zu entnehmen sei. 25 Vgl. Jestaedt. Kondominialverwaltung, S. 478 zum uneinheitlichen Gebrauch des Begriffs „Körperschaften" im Grundgesetz. 26 Windhorst, in: Sachs, Art. 87d Rnr. 34; ders., Universaldienst, S. 371. 27 Sachs, in: Sachs, GG, Art. 87 Rnr. 19; ähnlich Traumann, S. 95. Ordnungsversuch bei Lerche, in: FS-Klein, S. 528 (537-539). 28

Vgl. Jestaedt, in: Aulehner u.a. (Hrsg.), Föderalismus, S.330 u. 337f, der die größere Nähe der Gegenansicht zu Tradition und Praxis eingesteht, diesen Gesichtspunkten aber das methodische Gewicht abspricht. Sachs, in: Sachs, GG, Art. 86 Rnr. 48 verweist die nicht benannten Formen aus dem Regelungsbereich des Art. 86 GG hinaus und wahrt so das Formensystem. 29 Vgl. Sachs, in: Sachs, GG, Art. 87 Rnr. 19. 30 Vgl. Sachs, in: Sachs, Art. 86 Rnr. 15, nach dem die Form bundesunmittelbarer Verwaltung Errichtung und Aufsicht durch den Bund verlangt. 31 Vgl. Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 456 und ders., in: Aulehner u.a. (Hrsg.), Föderalismus, S.339, der einräumt, daß verfassungspolitisch sinnvoller auf die Beherrschbarkeit der Organisation abzustellen sei, sich demgegenüber aber auf die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes beruft. Zur rechtsdogmatischen Unterscheidung von Rechtsfähigkeit und Verselbständigung auch Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 482. Zu den Erkenntnisgrenzen von Organisationsformen, die sich aus ihrer einfachgesetzlichen Ausgestaltung, ihren realen Funktionsbedingungen und ihrer Eigenkomplexität ergeben, Schmidt-Aßmann/Fromm, S. 100 mit dem Hinweis auf den unscharfen Sprachgebrauch in Art. 87 Abs. 2 GG. Für einen materiellen Formenbegriff des Gesellschaftsrechts auch Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 577 (580). 32 Die sachpolitische Fragerichtung nach der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit und Zweckmäßigkeit solcher Einrichtung betont demgegenüber Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rnr. 43 Fn. 66.

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methodische Erkenntniswende nicht, die das BVerfG in vergleichbarer Weise für den Begriff der Mischverwaltung vollzogen hat. Hier ist die Rechtsprechung unter Preisgabe der dogmatischen Kategorie, aber nicht ihres Gehaltes zu einer differenzierten Prüfung des jeweiligen Kooperationsgefüges an der einschlägigen Verfassungsnorm übergegangen.33 Gegenstimmen in der Literatur gehen daher so weit, der Rechtsfähigkeit die Bedeutung für die Eingrenzung bundeseigener Verwaltung abzusprechen. Auch die bundesmittelbare, rechtlich verselbständigte Verwaltung gilt diesen Stimmen als bundeseigen.34 Damit würde aber die in Art. 86 ff GG angelegte Differenzierung zwischen bundesunmittelbarer und bundesmittelbarer Verwaltung entwertet. 35 Die mit der Rechtsfähigkeit typischerweise verbundenen Abstufungen parlamentarischer Kontrolle egalisierten sich verfassungsorganisationsrechtlich. 36 Innerhalb des Art. 87f GG bliebe der normsystematische Gegensatz der bundeseigenen Verwaltung zur Anstalt nach Art. 87f Abs. 3 GG unergründet. 37 Weder diese Gegenstimmen noch die zuvor dargelegte Auslegung können Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG ganz erfassen. Zwischen der Fixierung auf die Rechtsfähigkeit und einer Nivellierung des Unterschiedes von mittelbarer zu unmittelbarer Bundesverwaltung ist ein Mittelweg zu suchen. Er wird die Bedeutung der Rechtsfähigkeit als Zurechnungskriterium respektieren, ohne sie als Zuordnungskriterium zu verabsolutieren. Daß die Regulierungsbehörde keine eigene Rechtsfähigkeit besitzt, kann ihm nur als notwendige, nicht aber als hinreichende Bedingung bundeseigener Verwaltung gelten.

IL Die Zuordnung der Regulierungsbehörde zum Bund Der verfassungsorganisationsrechtliche Ausgangspunkt der Zurechnungsfrage ist Art. 86 S. 1 GG; ihr rechtsdogmatischer Sammelpunkt die Rechtsfähigkeit. Die Zurechnung zum Bund ist gewissermaßen die außenrechtliche

33

Vgl. BVerfG E 63, 1 (38) - Schornsteinfegerversicherung -. Zustimmend SchmidtAßmann/Fromm, S. 130 f; Krebs, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, §69 Rnr. 62. Kritik wegen der entstandenen dogmatischen Ungewißheit äußert Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. IV, § 98 Rnr. 183. 34 So zu Art. 87 GG a.F. Bull, in: Alternativkommentar, Art. 87 Rnr. 20. Mit demgleichen Argument begründet Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 87d Rnr. 1; Art. 87e Rnr. 1 u. Art. 89 Rnr. 2 gegen jeweils a.A. die Zulässigkeit bundesmittelbarer Verwaltung. 35 Vgl. Sachs, in: Sachs, GG, Art. 87 Rnr. 18. 36 Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 101. 37 Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 101. 13 Oertel

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

Einkleidung einer innenrechtlichen Zuordnung zum B u n d . 3 8 ^iese wiederum beruht auf den Leitungs- und Einwirkungsrechten der Bundesorgane. Darum geht Art. 86 G G zwar von den Organisationsrechtsformen aus, erhebt aber die Organisationsgewalt von Bundesregierung und Gesetzgeber zu seinem eigentlichen Thema. 3 9 Diese Vorschrift schließt die Reihe der Art. 84 G G und Art. 85 G G ab, die sich gleichfalls mit Einrichtungs- und Weisungsbefugnissen befassen. Dem historischen Verfassungsgeber war es ein besonderes Anliegen, eindeutige Zuordnungen herzustellen. 4 0 Das organisationsrechtliche

Augenmerk

der Verfassung liegt also mindestens ebenso auf den Ingerenzrechten der Regierung wie auf der rechtlichen Verselbständigung der Verwaltungseinheit. Namentlich unter Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG a.F. haben sich daher zwei weitere Auslegungsansätze gebildet, die die bundeseigene Verwaltung aus der starren Gegenübersetzung von rechtsfähiger zu nicht rechtsfähiger Verwaltung lösen und auf die zugrundeliegenden Zuordnungskriterien zurückgehen. Ein erster Ansatz versteht die Anordnung bundeseigener Verwaltung zwar als Verbot rechtlicher Verselbständigung. Er w i l l den Geltungsbereich des Verbotes aber auf essentielle Aufgaben beschränken. 41 Akzidentelle

Aufgaben

sollen ausgelagert werden können. 4 2 Dabei kann der organisationsrechtliche

38

Vgl. Schmidt-Aßmann, in: FS-Ipsen, S. 333 (348), „während die Rechtsfähigkeit ein Akzidens ist, das nicht mehr als eine Vermutung für das Gewicht der [verselbständigenden] Maßnahmen begründet." Ähnliche Bryde, VVDStRL 46 (1988), S. 181 (189): „Die Einheit der Verwaltung wird durch einheitliche Zurechnung gewahrt, aber damit ist nicht entschieden, ob die Verwaltungsaufgaben für das Gemeinwesen hierarchisch oder pluralistische, kooperativ durch gemeinsame Anstrengungen oder additiv durch bloßes Zusammenfügen selbständig erbrachter Verwaltungsleistungen erfüllt werden." 39 Eingehend dazu Dodo Traumann, Die Organisationsgewalt im Bereich der bundeseigenen Verwaltung, Baden-Baden 1998. 40 Vgl. von Brentano (Parlamentarischer Rat, Hauptausschuß, Sten. Prot., S. 196): „Ich bin der Auffassung, daß wir allen Grund haben, in der Verfassung eindeutige und klare Verhältnisse zu schaffen und dafür zu sorgen, daß derartige anonyme Stellen, die sich jeder Verantwortung gegen Bund und Länder und jeder parlamentarischen Kontrolle zu entziehen pflegen, nicht fröhliche Urständ feiern können. ... Ich bin der Meinung, daß die Verfassung einen guten Zweck verfolgt, wenn sie verhindert, daß Institutionen geschaffen werden, ... über deren Tätigkeit und deren Auswirkung man sich, wenn man sie schafft, nicht ganz klar ist." Dazu Detlef Czybulka, Die Legitimation der öffentlichen Verwaltung, Heidelberg 1989, S. 161-163; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 474 f. 41 So vor allem Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87 Rnr. 16, Art. 87f Rnr. 100 u. 104. Ähnlich Schmidt-AßmannWromm, S. 104 Reiner Schmidt, in: FS-Lerche, S. 365 (974). Zur Kernbereichsthese und von ihr sog. „Organisationsgaraiiiien" auch Traumann, S. 179 ffWeiterc Nachweise aus der älteren Literatur bei Mayer, Bundespost, S. 77 Fn. 190. 42 Auch Krebs, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 69 Rnr. 55, will Kernbereiche in strikter Anbindung an die politische Entscheidungszentrale organisieren, Ausnahmen aber aus besonderen Sachgründen zulassen. Vgl. Reiner Schmidt, in: FSLerche, S. 365 (974), nach dem das Vorliegen vernünftiger Gründe hierfür ausreicht.

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Kernbereich hinter dem aufgabenrechtlichen Kernbereich zurückbleiben. 43 Für Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG sollen die regulatorischen Aufgaben regelmäßig zum organisatorischen Kernbestand bundesunmittelbarer Verwaltung zählen.44 Unter Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG a.F. war der politischen Führung ihr unmittelbarer Einfluß auf die beiden großen Verkehrsanstalten des Bundes zu sichern. 45 Bundeseigene Verwaltung ist also dann strikt geboten, wenn die Sachmaterie politiknah verwaltet werden soll; im übrigen läßt Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG ebenso wie Art. 87f sachlich begründete Verlagerungen im Einzelfall zu. Ein zweiter, weitergehender Ansatz erkennt, daß hinter den vorgetragenen Überlegungen letztlich der Wille steht, dem Bund eine gewisse Intensität der Einwirkung zu erhalten. Er versteht die Anordnung bundeseigener Verwaltung sogleich als Erfordernis einer bestimmten Steuerungsintensität. 46 Damit löst sich dieser Ansatz von dem Formgegensatz zwischen bundesunmittelbarer und bundesmittelbarer Verwaltung. 47 Er thematisiert ausdrücklich, was andere Ansätze nur indirekt ansprechen und beispielsweise unter dem Stichwort ministerialfreier Raum als Ausnahme diskutieren: 48 Die Kontrolleistung einer Organisationsform. Alle vorerörterten Ansichten unterstellen diese Kontrolleistung: Die Ansicht, nach der die Rechtsform bundesunmittelbarer Verwaltung strikt zu wahren ist, muß annehmen, daß diese Rechtsform im Regelfall die Zurechnung ihrer Handlungen zum Bund trägt. 49 Dazu unterstellt sie unausgesprochen, daß in der bundesunmittelbaren Verwaltung eine Verantwortlichkeit - in anderen Worten eine Kontrollintensität - gewährleistet ist, aufgrund derer diese Zurechnung vollzogen und äußerstenfalls durchgesetzt werden kann. Auch die Frage nach den essentiellen Auf-

43 Die methodische Parallelität wird anschaulich bei Lerche, in: FS-Klein, S. 528 (532). Den inhaltlichen Unterschied betont Reiner Schmidt, in: FS-Lerche, S. 365 (974). 44 Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 106. 45 So Schmidt-Aßmann/Fromm, S. 105. 46 Vgl. Mayer, Bundespost, S. 74-110, insbes. S. 79f. Ihr folgend Scholz/Aulehner, Arch PT 1993, 221 (249 251). Diese Ansicht führt den Ansatz von Dittmann, S. 91 fort, bundeseigene Verwaltung als „staatsnahe" Verwaltung anzusehen. Ähnlich Krebs, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 69 Rnr. 55: „Die Entscheidung für die bundeseigene Verwaltung ist damit auch eine organisatorische Richtungsentscheidung zugunsten intensiverer Formen der Anbindung an die Entscheidungszentrale." 47 Dem naheliegenden Einwand, sie verwische die Unterscheidung zwischen den verschiedenen Verwaltungstypen des Art. 86 GG , der nachdrücklich von Lerche, in: FSKlein, S. 528 (529, 534 Fn. 22) und auch von Traumann, S. 87 f,erhoben wird, entzieht er sich in zweierlei Weise: Entweder streitet er dem „oder" des Art. 86 GG trennende Bedeutung ab (so Mayer, Bundespost, S. 77f.). Oder er beschränkt sich von vorneherein auf privatrechtliche Organisationsformen (so Scholz/Aulehner, Arch PT 1993, 221 (250)). 48 Vgl. nur Lerche, in: FS-Klein, S. 528 (530). Im einzelnen unten S. 188 ff. 49 Vgl. Sachs, in: Sachs, Art. 86 Rnr. 15.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

gaben der bundesunmittelbaren Verwaltung findet ihren Prüfungsmaßstab in der erforderlichen Kontrollintensität. Ihre Essenz bildet das Erfordernis, dem Bund die Steuerung politisch bedeutsamer Verwaltungsagenden vorzubehalten. Ein materielles Verständnis bundeseigener Verwaltung unterstreicht, daß die organisatorische Steuerungsleistung nur im Wege einer Gesamtsaldierung 50 des konkreten Arrangements beurteilt werden kann. Damit weist es auf den begrenzten Aussagegehalt der Typen bundesunmittelbarer bzw. mittelbarer Verwaltung hin. 51 Allerdings liegt die Gefahr weniger in den Begriffen selbst als in ihrer unreflektierten Verwendung. Daher sollte die dogmatische Speicherleistung der Rechtsfähigkeit nicht zugunsten einer nur noch materiellen Betrachtung aufgegeben werden. 52

III. Die Faktoren einer Zuordnung bundeseigener Verwaltung In der Summe ist allen dargestellten Auffassungen gemeinsam, daß sie den Vorbehalt bundeseigener Verwaltung als Erfordernis einer bestimmten Einwirkungsintensität des Bundes verstehen. Die Zuordnung zum Bund wird regelmäßig um so enger sein müssen, je größer die politische Bedeutung einer Verwaltungstätigkeit aus Sicht der Verfassung ist. Typischerweise sind politische Aufgaben den - rechtlich nicht verselbständigten - Ministerien anvertraut (vgl. Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG). Auch Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG begrenzt daher die politische Verselbständigung der Regulierungsbehörde gegenüber dem Bund. Unterschiedlich bewerten die dargestellten Auffassungen den Aussagewert der behördlichen Rechtsfähigkeit für die Verselbständigung. Gänzlich unbeachtlich ist sie nach Stimmen, die sowohl die bundesmittelbare als auch die bundesunmittelbare Verwaltung als bundeseigen ansehen. Allein entscheidendes Kriterium ist sie hingegen nach einer rechtsformalen Betrachtung. Demgegenüber ist mit den zuletzt erörterten Auffassungen daran festzuhalten, daß die Rechtsfähigkeit ein Kriterium der Zurechnung ist. Sie speichert Entscheidungskompetenzen und ist daher ein summarisches Indiz der Zuordnung. 53 Dieses Indiz ist in zwei Richtungen widerlegbar:

50 Vgl. Schmidt-Aßmann/Fromm, S. 107. Ähnlich Scholz/Aulehner, Arch PT 1993, 221 (247): Lerche, in: FS-Klein, S. 528 (533). 51 Zur Vielfalt der bundesunmittelbaren Verwaltung vgl. die Übersichten bei Becker, S. 289-308; Müller, Rechtsformenwahl, S. 387-398. Allgemein zur Elastizität der Organisationsformen Schmidt-Aßmann, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht, S. 20; speziell zur Anstalt Scholz/Aulehner, Arch PT 1993, 221 (235). 52 Den dogmatischen Eigenwert der organisatorischen Rechtsform unter Anerkennung ihrer Grenzen betont auch Reiner Schaidt, in: FS-Lerche, S. 365 (974). 53 In anderem Zusammenhang erkennt Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 456, der oben Fn. 12 der engen Auslegung zuneigt, daß die „Rechtsfähigkeit als solche ... jedoch

. Abschnitt: Die u n e n e Verwaltung

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Zum einen möchten auch rechtlich verselbständigte Verwaltungseinheiten als bundeseigen gelten, wenn der Bund über hinreichende Einwirkungsrechte verfügt. 54 Zu denken ist an Beliehene und an die privatrechtlich organisierte Luftverkehrsverwaltung nach Art. 87d Abs. 1 S. 2 GG. Zum anderen mögen auch rechtlich unselbständige Behörden dann den Bannkreis bundeseigener Verwaltung verlassen, wenn sie sich politisch zu weit verselbständigen. 55 Diese zweite Überlegung wird für die Regulierungsbehörde relevant: Als bundeseigene Verwaltung wird die Regulierungsbehörde vom Bund getragen, weil und soweit sie ihm substantiell zugeordnet ist. 56 Der Bund, vertreten durch seine Organe Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat, muß also über hinreichende Direktionsmacht verfugen. 57 Seine Einwirkungsbefügnisse dürfen nicht soweit zurückgenommen werden, daß seine Rechtsträgerschaft ihre innere Berechtigung verliert. 58 Das Fehlen eigener Rechtsfähigkeit gegenüber dem Bund ist eine erste Voraussetzung dafür, die Regulierungsbehörde als bundeseigen zu betrachten. 59 Die weiteren Voraussetzungen lassen sich nur behutsam konkretisieren. Regierung und Gesetzgeber können, indem sie ihre jeweilige Kompetenz aus Art. 86 S. 2 GG ausschöpfen, die Einrichtung der Bundesbehörden bestimmen. Damit kann die Organisationsgewalt den Sacherfordernissen, die jeder Organisation vorausliegen, Rechnung tragen. 60 Art. 87f GG hat sich aus der systematischen Einfassung in Art. 87 Abs. 1 GG gelöst und sich in die Nachbarschaft von

nur Indiz, ja nur Akzidenz einer gelockerten Staats-, d.h. Ingerenzunmittelbarkeit" ist. Aus Sicht der organisationsrechtlichen Kernbereichslehre betont wiederum Lerche, in: FS-Klein, S. 528 (534) die sachlich-strukturellen und organisationstechnischen Grenzen aller Flexibilität. 54 Vgl. auch die Beobachtung Brydes, VVDStRL 46 (1988), S. 181 (194), zu allen Typen rechtsfähiger verselbständigter Verwaltungseinheiten gegen es Parallelerscheinungen ohne (Voll-) Rechtsfähigkeit innerhalb der unmittelbaren Bundesverwaltung. 55 Diese Fragestellung bei Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rnr. 43. 56 Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rnr. 46. : „Erfordernis substantieller und nicht nur formeller Zuordnung zum Bunde". Ähnlich Traumann, S. 96 f. 57 Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rnr. 50. 58 Vgl. Müller, Rechtsformenwahl, S. 238, nach dem sich die fraglichen Einheiten der „steuernden Kraft" des Bundes nicht entziehen dürfen. Neben der Rechtskontrolle vermittelt sich diese Kraft durch Weisungsrechte, personelle Verbindung oder „sonstwie einen dominierenden Einfluß". 59 Die Aussagekraft dieses Kardinalkriteriums beschränkt sich wegen der Relativität der Rechtsfähigkeit aber auch die jeweils betrachtete Rechtsbeziehung. Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rnr. 44; Krebs, in: Isensee/Kirchhof III, § 69 Rnr. 20 u. Rnr. 24 Fn. 84; Rudolf, in: Erichsen (Hrsg.), AVwR, § 52 II 1, Rnr. 6, S. 787. 60 Zum auslegungsleitenden Motiv erhebt die Sachbezogenheit der Organisation Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rnr. 45, 46, 50.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

Art. 87e GG begeben. Das streitet für eine die Sachgegebenheiten besonders berücksichtigende Auslegung. 61 Der verfassungsrechtlich gewollte organisatorische Gestaltungspielraum ist daher zu respektieren. 62 Positive Leitlinien für die Ausübung der Organisationsgewalt ziehen die Art. 86 ff GG zumal in einer vorwiegend negativen, die Länder ausgrenzenden Tradition, nur ansatzweise. So läßt sich aus Art. 86 GG ableiten, daß vorbehaltlich besonderer gesetzlicher Regelung die Bundesregierung über Organisation und Geschäftsleitung bestimmt. Die sachlich steuernde Funktion fällt über Art. 65 S. 2 GG regelmäßig einem Minister zu. Sie wird sich nicht in bloßer Rechtsaufsicht erschöpfen, da dies an die Grenze zur rechtlichen Verselbständigung heranführte. 63 Andererseits läßt der Gesetzesvorbehalt in Art. 86 GG auch erkennen, daß weder Organisationsgewalt noch Geschäftsleitungsgewalt in vollem Umfang bei der Regierung verbleiben müssen. Die Art. 86 ff verlangen keine hierarchische Geschlossenheit.64 Eine Öffnung gegenüber nicht hierarchisch vermittelten Einflüssen wird besonders dann bedenklich werden, wenn sie gesellschaftlichen Sonderinteressen gilt. 6 5 Hier wiederum kann der allgemeine Gesetzesvorbehalt die gemeinwohlsichernden Funktionen einer zentralen Leitungsbefugnis übernehmen. 66 Soweit weniger gesellschaftliche Sonderinteressen als bundesimmanente Zentrifugalkräfte wirken, möchte auch das Postulat der Einheit der Verwaltung über Art. 86 ff GG entfaltet werden. 67 Jedoch hat dieser topos nur begrenzten rechtlichen Gehalt. 68 Eine Handlungs- und Wirkungseinheit der Verwaltung läßt sich auch verfahrensrechtlich herstellen. 69 61

Dazu Stern, Band II, § 41 VII. 7. b), S. 830. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rnr. 5. Respekt vor der organisationsrechtlichen Verfassungswirklichkeit bekundet bereits Dittmann, S. 275. 62 Dazu Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rnr. 46. Aus der Rspr. BVerfG E 63, 1 (34) - Schornsteinfegerversicherung -. Am Beispiel des Schulwesens auch BVerfG NJW 1998, 131(132)- Sonderschulüberweisung -. 63 Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rnr. 47. 64 Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rnr. 46, 50. 65 Vgl. Loschelder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 68 Rnr. 22. 66 Vgl. unter Verweis auf BVerfG E 33, 125 (158 f) - Facharzt - Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rnr. 47. 67 Vgl. Brun-Otto Bryde u. Görg Haverkate, Die Einheit der Verwaltung als Rechtsproblem VVDStRL 46 (1988), S. 181ff u. 217 ff, insbesondere Haverkate, aaO. (221); Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rnr. 48; Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, S. 221. Zu den Grenzen hierarchisch gebildeter Einheit ausführlich Dreier, S. 211 ff. 68 Vgl. auch die Herleitung entgegenstehender Tendenzen bei Janbernd Oebbecke, Die Einheit der Verwaltung als Rechtsproblem, DVB1. 1997, 866 (871 ff). 69 Vgl. Bryde, VVDStRL 46 (1988), S. 181 (193 ff). Vgl. Krebs, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 69 Rnr. 22; Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rnr. 48. Burmeister, S. 272 und S.276, greift auf Art. 35 Abs. 1 GG zurück, um zumindestens eine

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Die angesprochenen Orientierungspunkte - Spielraum der Organisationsgewalt, hierarchische Geschlossenheit, Einheit der Verwaltung - zeigen, daß sich die Bundeseigenheit der Verwaltung über verschiedene Faktoren bildet. Inhaltlich mögen Gesetz und Weisung einander vertreten; formelles Recht kann die Einheit der Verwaltung dort wahren, wo sachlich-inhaltliche Divergenzen bestehen.70 Von Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG ist daher keine detailgenaue Fixierung der organisationsrechtlichen Anbindung zu erwarten. Er kann alle Faktoren überspannen, die dem Bund einen steuernden Einfluß auf die Regulierungsbehörde verleihen. Für die Gruppierung dieser Faktoren bieten sich die Kategorien an, die auch im Rahmen der funktionellen Unabhängigkeit wegweisend waren, insbesondere Realfaktoren auf Rechtsgebiete hin ausgerichtet haben.71 Als institutionelle Faktoren sind daher die typischerweise organisationsrechtlich geregelten Fragen des Behördenstatus, der Ressourcenverfügung und der Geschäftsordnungsbzw. Organisationsgewalt i.e.S. zu betrachten (B). 7 2 Personeller Natur sind die dienstrechtlichen Eckdaten (C). Das Verfahrensrecht steuert die Kontakte und Beziehungen zur Verwaltungsumwelt und damit die Informationsmächtigkeit einer Behörde (D). 73 Die materielle Steuerung einer einzelnen Entscheidung vermittelt sich über die inhaltlichen Programmierungsinstrumente des Gesetzes, der Rechtsverordnung, der Verwaltungsvorschrift und der Weisung (E). Diese Faktoren sind nunmehr auszuloten.

„Wirkeinheit" zu erhalten. Im Ergebnis wird es notwendig, die Einheit der Verwaltung vom Demokratieprinzip her normativ aufzuladen. Dies ist auch die zentrale These von Haverkate, VVDStRL 46 (1988), S. 217 (222). Ähnlich Burmeister, S. 279 mwN.. In der von Oebbecke, DVB1. 1987, 866, (866f) formulierten Gegenüberstellung von organisatorischer und organischer Einheit der Verwaltung nähert sich der topos von der Einheit der Verwaltung also einem organischen Verständnis. 70 Vgl. noch weitergehend Oebbecke, DVB1. 1987, 866 (868). 71 Im einzelnen abweichende, im Ansatz aber ähnliche Gruppierung in institutionelle, normative, budgetäre und personelle Steuerungsschienen bei Roman Loeser, System des Verwaltungsrechts, Band 2, Verwaltungsorganisation, Baden-Baden 1994, S. 81-84. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 59 Rnr. 101, will die Zulässigkeit verselbständigter Verwaltungseinheiten von der personellen Zusammensetzung des Entscheidungsträgers, einer Organisation, seiner Bindung an Weisungen und allgemeine Verwaltungsvorschriften, die Beteiligung von Ministerialbeamten oder Abgeordneten in Aufsichtsgremien sowie von Einwirkungsrechten der Ministerialverwaltung abhängig machen. 72 Welz, S. 113 f, sieht in der eigenständigen Ressourcenverfugung das Merkmal organisatorischer Selbständigkeit, in der eigenständigen Organisationsgewalt das Merkmal funktioneller Selbständigkeit, ohne daß die abweichende Begrifflichkeit zu einer anderen Beurteilung des Gegenstandes fuhrt. 73 Vgl. Welz, S. 117 f.

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B. Die institutionelle Zuordnung der Regulierungsbehörde zum Bund Das TKG bezeichnet die Regulierungsbehörde als Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundeswirtschaftsministeriums (§ 66 Abs. 1 TKG). Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG ließ es zu, die Regulierungsbehörde als eine oberste Bundesbehörde zu verfassen. 74 Dies stünde auf der Rangstufe eines Ministeriums und wäre in diesem Sinne ministeriaifrei. Deswegen ist die Entscheidung für die Bundesoberbehörde zunächst ein Votum für die ministerielle Anbindung an den Bund. Die Entstehungsgeschichte zeigt aber, daß der Gesetzgeber auch in dieser Form an dem Ziel festhielt, die Behörde möglichst unabhängig entscheiden zu lassen (I). Dieses Ziel läßt sich auch in einer Bundesoberbehörde verfolgen (II). Dabei kommt es nicht darauf an, ob sie als „selbständig" bezeichnet wird (III), sondern darauf, wie sie sich ihr Status im einzelnen gestaltet. Für die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde ist daher zu fragen, welche Bedeutung der Eingliederung des Bundesamtes für Post und Telekommunikation zukommt (IV) und wie sich die Geschäftsordnungsgewalt (V) und die Haushaltsgewalt (VI) verteilen. In der Summe zeigt das gesetzgeberische Votum für die Bundesoberbehörde gewisse Vorbehalte gegenüber einer umfassenden ministeriellen Leitung (VII).

/. Die Gesetzgebungsgeschichte des § 66 TKG Im Anschluß an die Postreform II gingen die politischen Überlegungen zunächst dahin, die Regulierungsbehörde als eine Bundesbank (Art. 88 S. 1 GG) und Bundesrechnungshof (Art. 114 Abs. 2 GG) vergleichbare oberste Bundesbehörde zu errichten. In den Eckpunkten zur weiteren Reform vom März 1995 schlug das Postministerium vor, eine „unabhängige und eigenständige Regulierungsbehörde" im Verwaltungsbereich eines Bundesministeriums zu schaffen. 75 Damit war, wie der nachfolgende Diskussionsentwurf zeigte, ein „unabhängiges und nur dem Gesetz unterworfenes Organ" gemeint. 76 Deutlich bezeichnete dann der Referentenentwurf vom Oktober 1995 die Regulierungsbehörde als „oberste Bundesbehörde", die ihre fachlichen Entscheidungen unabhängig tref-

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Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 112. BMPT, Eckpunkte v. 27.3.1995, Ziff. XIII. 1., S. 14. Die Ressortzuordnung schließt die Weisungsfreiheit nicht aus, wie Oebbecke, S. 33 am B e f i e l der Bundesbank belegt. Zur vorparlamentarischen Entstehungsgeschichte eingehend Voeth, S. 181 f. 76 BMPT, Diskussionsentwurf für ein Telekommunikationsgesetz v. 31.5.1995, § 70 S. 1. Der Verwaltungsrat nach § 75 Diskussionsentwurf sollte lediglich haushaltsrechtliche Befugnisse erhalten. 75

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fe. 77 Dienstvorgesetzter und oberste Dienstbehörde sollte der Präsident des Bundestages werden. 78 Ein Gutachten, das der BMPT in Auftrag gegeben hatte, äußerte jedoch schon im folgenden Monat deutliche Bedenken gegen die Errichtung einer obersten Bundesbehörde. 79 Das große politische Gewicht der Regulierung spreche dagegen, einen ministerialfreien Raum zu schaffen. Damit wurde der Grundstein für die heutige Zuständigkeitsteilung zwischen Ministerium und Behörde gelegt. 80 Das Gutachten hielt gleichwohl daran fest, die Regulierungsbehörde, insbesondere in ihren Beschlußkammern, fachlich unabhängig zu stellen.81 Umstritten war lediglich, ob dieses Ziel eher durch eine Übertragung der Mißbrauchsaufsicht auf das Bundeskartellamt 82 oder durch die Eingliederung der Beschlußkammern in ein Fachministerium zu erreichen sei. 83 Der Fraktionsentwurf vom 30.1.1996 entschied sich sowohl gegen eine Zuordnung der Beschlußkammern zum Bundeskartellamt als auch gegen die Fortführung des BMPT. Er sah die schließlich mit § 66 TKG Gesetz gewordene Einrichtung einer Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des BMWi vor. 84 Ein späterer Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, die Behörde als Anstalt dem Bundesforschungsminister zuzuschlagen, blieb ohne Resonanz.85 Ausdrücklich betonte der Fraktionsentwurf aber die Notwendigkeit, Regulierungsentscheidungen möglichst unabhängig zu treffen. 86 Er erstreckte daher die Zuständigkeit der Beschlußkammern auf alle Angelegenheiten außerhalb des 11. Teiles des TKG. Auf Anregung des Bundesrates fielen in der Folge die nicht-streitigen Verfahren der Lizenzerteilung und der Frequenz- und Nummernzuteilung aus dieser Zuständigkeit heraus; der Beirat wurde in den Geset-

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BMPT, Referentenentwurf für ein Telekommunikationsgesetz v. 27.7.1995, § 70 und gleichlautend der Referentenwurf v. 6.10.1995, § 68. Ein Verwaltungsrat war in diesem Entwurf nicht mehr vorgesehen. 78 § 69 Abs. 2 des Referententwurfs v. 6.10.1995. 79 Ernst-Joachim Mestmäcker/Eberhard Witte, Gutachten zur Zuständigkeit für die Verhaltensaufsicht nach dem dritten und vierten Teil des Referentenentwurfs für eine Telekommunikationsgesetz (TKGE), Hamburg und München, 22.11.1995, S. 4 ff. Einen Rückblick auf das Gutachten bietet Mestmäcker, in: FS-Fikentscher, S. 557 (562 f). 80 Vgl. Mestmäcker/Witte, Gutachten, S. 40 Ziff. 3. Unten S. 218 ff. 81 Mestmäcker/Witte, Gutachten, S. 40. 82 Dafür Mestmäcker, in: Mestmäcker/Witte, Gutachten, S. 41 ff. 83 Dafür Witte, in: Mestmäcker/Witte, Gutachten, S. 48 ff mit deutlichem Votum für den Erhalt des BMPT (S. 55 ff). Dem im Rückblick folgend Ulmen/Gump, CR 1997, 396 (397). 84 Fraktionsentwurf, BT-Drs. 13/3609, § 65. 85 Vgl. Änderungsantrag des Abgeordneten Dr. Manuel Kiper und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drs. 13/4892, S. 2. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine Anstalt bei Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 112 u. 101. 86 Fraktionsentwurf, BT-Drs. 13/3609, S. 51 Zu § 65.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

zesentwurf aufgenommen. 87 Währenddessen unterstrich der Postausschuß nochmals ausdrücklich die Entscheidungsunabhängigkeit der Behörde. 88 Der Bundesrat bezeichnete die Regulierungsbehörde allerdings zuletzt als weisungsunterworfene Bundesoberbehörde, um seine Forderung nach weiteren Mitwirkungsrechten der Länder zu begründen. 89 Trotz aller - wohl auch taktisch bedingten - Widersprüchlichkeit der gesetzgeberischen Äußerungen läßt sich in der Summe folgendes festhalten: (1) Der Gesetzgeber hielt es für möglich, unter Art. 87f Abs. 2 S. 2 eine weisungsfreie Behörde einzurichten. (2) Die anfangliche Vorstellung des Postministeriums, die Regulierungsbehörde als oberste Bundesbehörde zu verfassen, verlor sich mit zunehmenden Fortgang der Diskussion und wachsender zeitlicher Entfernung von der Postreform II. (3) Auch in der Organisationsform der Bundesoberbehörde hielt der Gesetzgeber an dem Ziel fest, die Regulierung fachlich möglichst unabhängig zu stellen. Andere Bundesoberbehörden bieten einen Beleg dafür, daß eine politische Verselbständigung auch in dieser Organisationsform möglich ist. 90 Die Entscheidung des historischen Gesetzgebers, die Regulierungsbehörde als Bundesoberbehörde zu verfassen, gestattet also keine abschließende Aussage über die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde. II. Die Ausgliederung aus dem Ministerium Als Bundesoberbehörde wird die Regulierungsbehörde dem Ministerium im engeren Sinne organisatorisch entzogen, wenngleich sie in dessen Geschäftsbereich verbleibt (§ 66 Abs. 1 TKG). Die Behörde ist fachlich gegenüber der ministeriellen Querschnittsorganisation spezifiziert. Sie kann im Rechtsund Geschäftsverkehr selbst auftreten, Außenkontakte im eigenen Namen pflegen. 91 Sie nimmt die gesetzlichen Zuständigkeiten nicht für das Ministerium, sondern als eigene wahr. Schon diese rechtsgebotene Auslagerung schafft faktische Autonomie. 92 Denn die Einflußnahme des Ministers muß eine institutio87 Vgl. Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drs. 80/96, S. 40 Ziff. 75; Ausschußbericht, BT-Drs. 13/4864, S. 82 Zu § 70. 88 Ausschußbericht, BT-Drs. 13/4864, S. 82 Zu § 77. 89 Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 13/4938, S. 5 Ziff. 12. 90 Beispiele bei Dreier, S. 246. 91

Vgl. § 66 Abs. 2 S. 2 1. Hs. TKG. Übereinstimmend Dreier, S. 246; Welz, S. 20; Wagener, S. 40. Ausführlich Müller, Rechtsformenwahl, S. 440. Unter Hinweis auf das Bundeskartellamt auch Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr.l 11. 92

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nelle Sperre überwinden, bildlich gesprochen sich „außer Haus" begeben.93 Die institutionelle Verselbständigung trägt also ein Moment zur politischen Verselbständigung in sich. 94 Sie geht aber nicht notwendig mit einer politischen Unabhängigkeit einher. 95 Am Beispiel des Bundesamtes für Wirtschaft ist gezeigt worden, daß bei Bundesoberbehörden mit primär konditional programmierter Aufgabenstellung die Gefahr eines politischen Eigenlebens gegenüber der Ministerialebene nicht besteht.96

III. Keine „ selbständige " Bundesoberbehörde Entgegen einer Anregung des Wirtschaftsausschusses bezeichnet der Gesetzestext die Regulierungsbehörde nicht als „selbständige" Bundesoberbehörde. Mit diesem Beiwort wollte der Wirtschaftsausschuß klarstellen, daß der Behörde „entsprechend Art. 87 Abs. 3 GG ein eigener gesetzlich abgegrenzter Zuständigkeitsbereich zugewiesen wird" 9 7 und u.a. die Politikunabhängigkeit der Behörde verdeutlichen. Der federführende Postausschuß übernahm im zitierten Bericht im Ansatz die Sichtweise des Wirtschaftsausschusses. Er betonte selbst verschiedentlich die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde. 98 Auf seinen Vorschlag hin entfiel das ursprünglich vorgesehene Vorverfahren. 99 Damit wurden die ministeriellen Einwirkungsrechte nochmals beschnitten. Gleichwohl verzichtete er darauf, das Beiwort „selbständig" einzufügen. Dabei handelte er in der Erkenntnis, daß der Selbständigkeit einer Bundesbehörde nach Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG keine Bedeutung für ihre Wei-

93 Nach dem Umzug des BMWi nach Berlin mag hier auch das Verbleiben der Regulierungsbehörde in Bonn (§ 66 Abs. 1 TKG) einen Einfluß hemmenden Realfaktor bilden. Zur Sitzfrage vgl. Bundesrat, BT-Drs. 13/4438, S. 18 Nr. 72. 94 Müller, Rechtsformen wähl, S. 438 f f , ordnet die Oberbehörden daher einem teilweise verselbständigten Sektor unmittelbarer Staatsverwaltung zu. 95 Auch Müller, Rechtsformen wähl, S. 440 zählt dies nur als typische Folge auf. 96 So Welz, S. 214, im einzelnen S. 162-168. 97 Vgl. Stellungnahme des Wirtschaftsausschusses, wiedergegeben in Ausschußbericht, BT-Drs. 13/4864, S. 72. 98 Vgl. Ausschußbericht, BT-Drs. 13/4864, S. 74 (Wiedergabe der öffentlichen Anhörung) und S. 82 Zu § 77.: „Für den Status und die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde ist es erforderlich, daß nicht jede Entscheidung durch das zuständige Bundesministerium kassiert werden kann. Gerade aus diesem Grunde sind die unabhängigen Beschlußkammern eingeführt worden." 99 Vgl. Ausschußbericht, BT-Drs. 13/4864, S. 52. Der Ausschuß ging damit über den Regierungsentwurf hinaus, der lediglich den Suspensiveffekt eines Widerspruches aufheben wollte.

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sungsunterworfenheit zukommt. 100 Eine Behörde ist dann selbständig iSd. Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG, wenn sie selbst ohne nachgeordnete Behörden bundesweit die Eingangsinstanz bildet. Die Regulierungsbehörde entspricht diesem Typus. 101 Dennoch muß und darf sie sich nicht als „selbständige" Behörde bezeichnen. Denn das Beiwort stellte einen irreführenden Bezug zu Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG her. Dieser Norm bedarf der Bund dann, wenn er sich in Materien, für die ihm nur eine Gesetzgebungskompetenz zusteht, von der Organisationshöhe der Regierung in die Ausfuhrungskompetenz der Länder (Art. 83 GG) hinabbegibt. 1 0 2 Für die Telekommunikation hat Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG Vorrang. 103 Demnach muß der Bund auf allen Behördenstufen bundeseigen verwalten. Aus diesem Grunde erklärt sich, daß die Regulierungsbehörde nicht als „selbständige" Behörde bezeichnet wird. Dem Schweigen des Gesetzes in § 66 Abs. 1 TKG ist insofern zur politischen Verselbständigkeit der Behörde nichts zu entnehmen. 104 Es spricht weder für ihre politische Unabhängigkeit noch gegen sie.

IV. Die Eingliederung des Bundesamtes für Post und Telekommunikation Im Zuge bundeseigener Verwaltung kann die Regulierungsbehörde von Verfassungs wegen sowohl ihrerseits wiederum gemäß Art. 86 S. 2 GG nachgeordneten Behörden vorgesetzt werden 105 als auch selbständig iSd. Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG werden, d.h. selbst Eingangsinstanz sein. 106 Daher hatte der Gesetzgeber zu entscheiden, ob er das bisherige Bundesamt für Post und Telekommunikation als eigene Behörde fortführte oder in die Regulierungsbehörde eingliederte. Das Bundesamt war als Bundesoberbehörde unter Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG a.F. eingerichtet worden, um Zulassungs- und Überwachungsaufgaben zu über-

100 Ausfuhrlich Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 468 ff., der im Ergebnis der Entstehungsgeschichte entnimmt, daß auch selbständige Bundesbehörden weisungsunterworfen sein sollten. Ebenso Dreier, S. 246 Fn. 145; Welz, S. 102 ff u.112; Traumann, S. 130, alle mwN.. Anders ohne Begründung Grämlich, CR 1998, 463 (464). 101 So auch Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 66 Rnr. 17. Beschreibung der Oberbehörde bei Müller, Rechtsformenwahl, S. 438; Becker, S. 244, 299. 102 Vgl. etwa § 51 Abs. 1 S. 1 GWB für das Bundeskartellamt. Eingehend Gabriele Britz, Bundeseigenverwaltung durch selbständige Bundesoberbehörden nach Art. 87 III 1 GG, DVB1. 1998, 1167. 103 Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 112. 104 Vgl. nur § 8 u. § 10 GjS: Die Mitglieder der Bundesprüfstelle sind nicht weisungsgebunden, obwohl es sich lediglich um eine „Stelle" der Bundesverwaltung handelt. 105 Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 112; Windthorst, in: Sachs, Art. 87f Rnr. 33; Geppert, in: Beck'scher Kommentar, § 66 Rnr. 8. 106 Vgl. BVerfG E 14, 197 (211) - Bundesaufsichtsamt für Kreditwesen -; Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87 Rnr. 183; Becker, S. 237.

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nehmen. 107 Heute finden sich diese Aufgaben im 11. Teil des TKG. Sie erfordern eine bundesweite Präsenz, die das Bundesamt mit über 50 Außenstellen und etwa 2.600 Mitarbeitern sicherstellte. 108 Seine Entscheidungen sind vornehmlich technischer und überwachender Natur. Daher wurde im Gesetzgebungsverfahren erwogen, die Regulierungsbehörde nicht mit diesem Apparat zu belasten, sondern das Bundesamt als eigene Behörde zu erhalten. 109 Das Begleitgesetz entschied im Ergebnis dennoch zugunsten einer Eingliederung des Bundesamtes in die Regulierungsbehörde. 110 Die Regulierungsbehörde übernimmt Aufgaben und Personal des Amtes und führt beide in ihren Fachabteilungen und Außenstellen fort. 111 Damit nähert sie sich in diesem Bereich einer konditional programmierten Vollzugsbehörde an. Zudem beanspruchen die Eingliederung des Amtes und seine Reorganisation selbst Leitungskapazität.112 Eine politische Verselbständigung der Behörde als ganzer wird insoweit erschwert. Sie bleibt denkbar, soweit sich einzelne Organe von dem institutionellen Ballast des früheren Bundesamtes lösen können. 113

V. Die Geschäftsordnungsgewalt

über die Regulierungsbehörde

Die Organisationsgewalt über nachgeordnete Behörden übt im Regelfall der zuständige Minister aus. Das ergibt sich verfassungsrechtlich aus Art. 86 S. 2

107 Vgl. Mitt. BMPT 2004/1990, Einrichtung einer Behörde, ABl. BMPT 49/90, S. 814; Vfg 139/1996, Zusammenlegung von BAPT und BZT, ABl. BMPT 20/96, S. 1222; Vfg 143/1996, Wahrnehmung von Aufgaben und Befugnissen des BAPT und BZT, ABl. BMPT 20/96, S. 1246; Vfg 211/1996, Wahrnehmung von Aufgaben und Befugnissen nach dem 11. Teil des TKG, ABl. BMPT 28/96, S. 1630. 108 Vgl. BAPT; Portrait, S. 4. 109 Bedenken gegen eine Einrichtung als nachgeordnete oder eigene Behörde bei Geppert, in: Beck'scher Kommentar, § 66 Rnr. 8 f. Die Stellungnahme des Wirtschaftsausschusses, wiedergegeben im Ausschußbericht, BT-Drs. 13/4864, S. 72, fordert eine effiziente und schlanke Verwaltung. 110 Vgl. § 1 Abs. 2 PersBG; Art. 3 BegleitG: Zuständigkeitsanpassung. 111 Im Organisationsplan der Regulierungsbehörde v. 1.4.1998 sind diese Einheiten als grau schraffierte Außenstellen markiert. Sie befassen sich mit der technischen Regulierung der Telekommunikation, der Frequenzverwaltung, Bauwesen, Einkauf und Informationstechnik. 112 Dem Vizepräsident Harms ist neben der im Vergleich zur Telekommunikation weniger umfangreichen Abteilung 2 „Regulierung Postmärkte" die mit der Organisation befaßte Zentralabteilung zugeordnet. 113 Gegen den Vorwurf eine „Mammutbehörde" zu leiten, mußte sich der Präsident Scheurle bereits in seiner Eröffnungsrede v. 7.1.1998 in Bonn wenden. Vgl. http://www.regtp.de/Regulierung/scheurle2.html , Stand 25.7.1998, Stand 25.7.1998, S. 1. Auch der Bundeswirtschaftsminister hält eine organisatorische und personelle Straffung des ehemaligen Bundesamtes für unabdingbar. Vgl. http:// www. bmwi.de/reden/1998/0107redl.html, Stand 25.7.1998.

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GG iVm. Art. 65 S. 2 GG. 1 1 4 Das TKG schränkt die ministerielle Organisationsgewalt aber in zweierlei Richtungen ein: Zum einen enthält es selbst bereits recht weitgehende Bestimmungen über die innere Organisation der Regulierungsbehörde. Namentlich entschied der Gesetzgeber über die Zuständigkeit und die innere Verfassung der Beschlußkammern (§§ 73 ff TKG), die Stellung des Präsidenten und der Vizepräsidenten (§ 66 Abs. 2 u. Abs. 3 TKG, § 8 PersBG) und durch Art. 3 BegleitG auch über die Eingliederung des Bundesamtes für Post und Telekommunikation. 115 Zum anderen verlagert das TKG die verbleibende Organisationsgewalt zum Präsidenten der Regulierungsbehörde hin. Dieser verteilt die behördeninternen Zuständigkeiten und ordnet ihr Zusammenspiel im Wege der Geschäftsverteilung und -Ordnung gemäß § 66 Abs. 2 S. 2 2. Hs. TKG. 1 1 6 Er ist also bereits kraft Gesetzes, nicht erst kraft ministerieller Delegation Inhaber der Geschäftsordnungsgewalt. 117 Das Gesetz fordert lediglich eine Bestätigung der Geschäftsordnung durch den Wirtschaftsminister (§ 66 Abs. 2 S. 2 2. Hs. TKG) und behält diesem die Bildung der Beschlußkammern vor (§ 73 Abs. 1 S. 3 TKG). Allerdings reicht der Bestätigungsvorbehalt über einen dem Gesetz gleichfalls bekannten Genehmigungsvorbehalt hinaus. 118 Daher ist es dem Ministerium unbenommen, fachliche Belange politischer Zweckmäßigkeit zum Kriterium der Bestätigung zu erheben. Die organisatorische Abgrenzung der Behörde vom Ministerium erfolgt im einzelnen durch die Geschäftsordnung. Sie konnte wegen der erforderlichen Abstimmung zwischen Behörde und Ministerium erst drei Monate nach Tätigkeitsbeginn bestätigt werden und trat daher rückwirkend zum 1. Januar 1998 in Kraft. 119 Über § 73 Abs. 1 S. 3 TKG hinaus sieht die Geschäftsordnung vor, 114 So Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 137f u. 147, gegen die von Traumann, S. 40 f mwN. vertretene Ansicht, nach der Art. 86 S. 2 GG das gesamte Regierungskollegium befugt. Zum Begriff der Organisationsgewalt Wolff in: Wolff/Bachof II, § 78 I, S. 128 ff; Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 21-38; Dodo Traumann, Die Organisationsgewalt im Bereich der bundeseigenen Verwaltung, Baden-Baden 1998. Zur politischen Natur der Organisationsgewalt Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 41. Überblick über Strukturmerkmale der Ministerialorganisation bei Dreher, S, 354 ff. 115

Dessen Errichtung beruhte - trotz der gesetzgeberischen Anerkennung in verschiedenen Zuständigkeitsvorschriften - auf einem Organisationsakt des BMPT. Vgl. Mitt. BMPT 2004/1990, Einrichtung einer Behörde, ABl. BMPT 49/90, S. 814; Vfg 139/1996, Zusammenlegung von BAPT und BZT, ABl. BMPT 20/96, S. 1222. 116 Zur von ihm sog. „instruktioneilen", innerbehördlichen Geschäftsverteilung vgl. Guttenberg., S. 193 f. 117 Zur üblicherweise derivativen Natur des sog. „Selbstorganisationsrechts" nachgeordneter Organe vgl. Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 89. 118 Vgl. § 68 Abs. 1 TKG für den Beirat. 119 Vgl. § 95 GO Reg TP. Die Verzögerung bestätigt die Beobachtung, die bereits für das Bundesamt für Wirtschaft von Welz, S. 190-194, und für das Bundeskartellamt von Geberth, AG 1991, 295 (296-298), angestellt wurde: Die Geschäftsordnung ist der Ort

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daß der Minister einer Einrichtung, Änderung und Auflösung von Abteilungen, Unterabteilungen und Gruppen zustimmen m u ß . 1 2 0 Das Ministerium entscheidet demnach über die Bildung von Organisationseinheiten. Die Verteilung der Zuständigkeiten auf die errichteten Einheiten ist wiederum die originäre K o m petenz des Präsidenten. Er regelt auch die Geschäftsverteilung unter den v o m Minister gebildeten Beschlußkammern. 1 2 1 Ihm fällt also die eigentliche Errichtung zu, d.h. die Verbindung des Organs oder Organteils mit der Zuständigk e i t . 1 2 2 A l s Teil der Geschäftsverteilungsgewalt gilt auch die Zuweisung von einzelnen Amtswaltern zu ihren Dienstposten, also etwa die Bestimmung der Beschlußkammermitglieder. 1 2 3

Die konkrete Geschäftsverteilung ergibt sich

aus der Aufgabengliederung i V m . dem Organisationsplan, der seinerseits Teil der bestätigungsbedürftigen Geschäftsordnung i s t . 1 2 4 Die Zuordnung der behördeninternen Entscheidungsgewalt vermittels des Zeichnungsrechts ist zunächst der Geschäftsordnung zu entnehmen. 1 2 5 Sie w i r d durch eine präsidentielle Übertragung des Zeichnungsrechts ergänzt. 1 2 6 Einer Zustimmung des Ministeriums bedarf die Übertragung i m einzelnen nicht.

intensiver Auseinandersetzung zwischen Ministerium und Behörde. Während Welz, S. 194, dafür hält, daß sich das BAW nur in engen Grenzen seine eigene Gestaltung bestimmen konnte, zeigt der Beitrag von Geberth, daß der Präsident des BKartA seine Gestaltungsfreiheit nach innen und außen dadurch erhielt, daß er von der Vorlage einer endgültigen Geschäftsordnung absah. 120 § 4 Abs. 7 GO Reg TP. Bei der Änderung weiterer, nachgeordneter Organisationseinheiten reicht es dem Ministerium aus, vorab in Kenntnis gesetzt zu werden (§ 4 Abs. 7 GO Reg TP). 121 Vgl. § 6 Abs. 2 u. Abs. 3 GO Reg TP. Danach verteilt der Präsident die Rechtsbereiche und Projekte auf die Beschlußkammern und unterrichtet das BMWi hierüber. Vor einer Änderung sind die Vorsitzenden der betroffenen Beschlußkammern anzuhören. Vgl. auch Grämlich, CR 1998, 463 (468 f). 122 Gemessen an der Terminologie Wolffs sind die §§ 73 ff TKG ein Akt gesetzlicher Organbildung, d.h. der Institution eines abstrakten Modells; die ministerielle Bildung der Beschlußkammern nach § 73 Abs. 1 S. 3 TKG ein erster noch abstrakter Schritt der Organerrichtung, der in einem zweiten Schritt der Organerrichtung erst zu den konkreten Zuständigkeiten führt. Vgl. Wolff in: Wolff/Bachof II, § 78 II u. III., S. 130-136, der seinerseits auf den Überlegungen von Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 48-50, aufbaut. Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 50, stellt heraus, daß diese Begriffe keine rechtliche Verbindlichkeit beanspruchen. Der (grund-)gesetzliche Sprachgebrauch läßt sich nur an der jeweiligen Norm bestimmen (vgl. Art. 84-87 GG u. § 73 Abs. 1 S. 3 TKG). Um noch einmal Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 46, zu zitieren: „Hier hängt alles vom Einzelfall ab.". 123 Vgl. allgemein Kunig, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), BVwR, 6. Abschn. IV 2 a aa, Rnr. 70, S. 610; für das TKG Kerkhoff in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 73 Rnr. 3. 124 Vgl. § 66 Abs. 2 S. 2 2. Hs. TKG und den Organisationsplan v. 1.4.1998, Anlage 1 der GO Reg TP. 125

Vgl. §§ 43-46 u. 48 GO Reg TP. Allgemein zur Delegation von Entscheidungsbefugnissen Stößenreuther, S. 117 ff. 126 Vgl. § 41 Abs. 1 S. 4 GO Reg TP.

208

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

Die abstrakte, von haushaltsrechtlichen Grenzen und personellen Möglichkeiten abgelöst gedachte Organisationsgewalt des Ministers beschränkt sich also auf eine Grundlagenkompetenz zur Bildung der Beschlußkammern (§ 73 Abs. 1 S. 3 TKG), die sich aber schon bei der Bildung weiterer Organisationseinheiten zu einem Zustimmungsrecht hin abschwächt. Der Bestätigungsvorbehalt des § 66 Abs. 2 S. 2 TKG zeigt, daß die exekutive Organisationsgewalt überwiegend beim Präsidenten liegen soll. Der ministeriellen Kompetenz verbleibt zwischen gesetzlichen Vorgaben und behördlicher Eigenentwicklung wenig mehr als eine eingreifende Organisationsaufsicht. 127 Damit nähert sich die Organisationsgewalt des Präsidenten der eines unabhängigen Organs an. 128

VI. Die Haushaltsgewalt für die Regulierungsbehörde In ihrer konkreten Ausübung reicht die Organisationsgewalt in das Haushaltsrecht hinüber. 129 Der Haushalt weist insbesondere die zur Verfügung stehenden Planstellen aus. 130 Stellenplan und Ämterbewertung der Regulierungsbehörde genießen für eine Übergangszeit noch den ministeriellen Status einer obersten Bundesbehörde. 131 Die Regulierungsbehörde zählt aber haushaltsrechtlich bereits zum Einzelplan des Bundeswirtschaftsministeriums. 132 Demnach erstellt das Ministerium den Haushaltsvoranschlag, der in den Gesamtentwurf des Bundesfinanzministers eingeht. 133 Dabei wird es Vorstellungen der Regulierungsbehörde und ihres Haushaltsbeauftragten berücksichtigen, aber die budgetäre Führung behalten. 134

127

Diese Organisationsaufsicht ist als der Ausschnitt der allgemeinen Organaufsicht iSv. Wolff in: Wolff/Bachof II, § 77 II b 4., S. 103; Krebs, in: Isensee/Kirchhof III, § 69 Rnr. 44, zu verstehen. 128 Vgl. zur Verteilung der „inneren" Organisationsgewalt zwischen der obersten Organaufsichtsbehörde, dem Leiter des Organs und unabhängigen Organen Wolff in: Wolff/Bachof II, § 78 III b), s. 136. 129 Vgl. dazu Albert von Mutius, Gunnar Folke Schuppert, Die Steuerung des Verwaltungshandelns durch Haushaltsrecht und Haushaltskontrolle, VVDStRL 42 (1984), S. 147 u. S. 216; Puhl, S. 275. 130 § 17 Abs. 5 u. Abs. 6 BHO. 131 Vgl. § 2 PersBG. 132 Vgl. § 13 BHO zum Ministerialprinzip; Vgl. Bundeshaushaltsplan 1998, Titel 0910. 133 Vgl. §§ 27, 28 BHO. 134 Zum Beauftragten für den Haushalt § 9 BHO. Die Abstimmung zwischen Behörde und Ministerium stellt am Beispiel des Bundesamtes für Wirtschaft dar Welz, S. 184-

188.

. Abschnitt: Die u n e n e Verwaltung

209

VII. Fazit Der institutionelle Befund ist in der Summe zwiespältig: Ohne eigene Rechtsfähigkeit bleibt die Regulierungsbehörde eine Behörde des Bundes. Als Bundesoberbehörde ist sie dem zuständigen Ministerium entrückt, aber auch mit dem Bundesamt für Post und Telekommunikation belastet worden. Die weitreichende Geschäftsordnungsautonomie mag eine politische Verselbständigung der Behörde befördern, stößt aber an finanzielle Grenzen. Daher gestattet ihr Status keine abschließende Aussage über die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde gegenüber dem Ministerium. Ergänzend sind weitere Faktoren heranzuziehen.

C. Die personelle Zuordnung der Regulierungsbehörde zum Bund Mit dem Organisationsrecht ist das Dienstrecht eng verwoben. lj5 Personalgewalt und Organisationsgewalt entstammen demselben landesherrlichen Ursprung. 136 Das hierarchische Prinzip findet in §§ 55 S. 2 BBG seine Stütze, der Dienstvorgesetzte bestimmt sich wiederum nach dem Behördenaufbau (§ 3 Abs. 2 S. 3 BBG), die grundgesetzliche Garantie des Berufsbeamtentums läßt sich als Organisationssatz verstehen. 137 Daher kann auch das Dienstrecht dazu beitragen, die Regulierungsbehörde an den Bund anzubinden. Dazu ist zwischen den allgemeinen Bediensteten (I) und dem Präsidenten sowie den Vizepräsidenten (II) zu unterscheiden.

/. Die Bediensteten der Regulierungsbehörde Als Behördenleiter ist der Präsident zugleich Dienstvorgesetzter für die Angehörigen der Regulierungsbehörde. 138 Oberste Dienstbehörde ist das Ministe-

135

Vgl. Hermann Lange, Organisationswandel und Rekrutierungspolitik im öffentlichen Dienst, DÖV 1988, 323 (324 ff). Zum Inhalt der Personalgewalt vgl. Lecheler, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 72 Rnr. 72 ff. 136 Vgl. Wolff in: Wolff/Bachof II, § 78 I a), S. 128. 137 Vgl. Battis , in: Sachs, GG, Art. 33 Rnr. 45. Zur beamtenrechtlichen Abstützung der grundgesetzlichen Organisationsnormen in Art. 33 Abs. 4 GG Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 33 Rnr. 42; mit Blick auf Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG a.F. SchmidtAßmann/Fromm, S. 128; Reiner Schmidt, in: FS-Lerche, S. 365 (378); Scholz/Aulehner, Arch PT 1993,221 (253). 138 Vgl. § 66 Abs. 2 S. 1 TKG. Zum Begriff des (unmittelbaren) Dienstvorgesetzten Wolff in: Wolff/Bachof II, § 109 II d 2., S. 491; Battis, BBG, § 3 Rnr. 4. Der Minister ist oberste Dienstbehörde iSd. § 3 Abs. 1 BBG. 14 Oertel

210

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

rium. 1 3 9 Der behördlichen Personalgewalt zieht das Ministerium zudem über den Haushaltsplan die fiskalischen Streben ein. 1 4 0 Der Minister hat aber einen Teil seiner Ernennungs- und Entlassungsbefugnisse auf die Behörde delegiert. 141 Das vorhandene Personal der Regulierungsbehörde ist, soweit es nicht dem Bundesamt entstammt, nahezu ausschließlich aus dem früheren Bundespostministerium übernommen worden. 142 Es handelt sich um Beamte und Angestellte des Bundes. Ihr dienstrechtlicher Besitzstand wird gewahrt. 143 Ihre postministerielle Prägung mag sich in einer gewissen inhaltlichen Selbständigkeit fortsetzen. Die Beamten, die das TKG mitentworfen haben, genießen einen Interpretations- und Erfahrungsvorsprung gegenüber dem nunmehr übergeordneten Ministerium.

//. Die Präsidenten der Regulierungsbehörde Für den Präsidenten und die Vizepräsidenten treffen TKG und PersBG eine Sonderregelung: Die Präsidenten der Behörde werden auf Vorschlag des Beirates von der Bundesregierung benannt und vom Bundespräsidenten ernannt (§ 66 Abs. 3 u. 4 TKG). 1 4 4 Damit treten sie in ein öffentlich-rechtliches Amtsverhältnis zum Bund ein (§ 8 Abs. 1 PersBG). Schon die Bezeichnung als öffentlichrechtliches Amtsverhältnis rückt den Status der Präsidenten in die Nähe eines 139 Der obersten Dienstbehörde sind nach dem BBG etwa vorbehalten die Verpflichtung zu einer Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst (§ 64); die Genehmigung einer Nebentätigkeit (§ 65 Abs. 4); das Verbot, die Dienstgeschäfte zu führen (§ 60); die Vertretung des Dienstherrn in Widerspruchsverfahren und Rechtsstreit (§§ 172 u. 174 iVm. § 126 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 BRRG). Vgl. die Zusammenstellung bei Battis, BBG, § 3 Rnr. 3. 140

Vgl. Puhl, S. 276; Welz, S. 188, jeweils zur Bedeutung des Haushaltsplans für die Personalsteuerung. Ähnliche Beobachtung bei Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 149, für das Verhältnis des Fachressorts zum Finanzministerium und zum Bundestag. Zur Aufteilung der Planstellen nach Auflösung des BMPT, vgl. FAZ v. 10.11.1997, Nr. 261, S. 19, „Das Postministerium fallt weg, doch die Ausgaben steigen"; wib 12/1997, S. 49, „Personalrecht für den Regulierer schaffen". Vgl. für die Reg TP Bundeshaushaltsplan 1998, Titel 0910. 141 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft, Anordnung über die Ernennung und Entlassung von Beamten im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft v. 1.12.1997, BGBl. I, 2933. Danach ist der Behörde das Recht übertragen, Beamte des gehobenen Dienstes in den Besoldungsgruppen A l bis A 13 zu ernennen und zu entlassen. Das BMWi behält sich aber den Widerruf und die Entscheidung besonderer Fälle vor. Zur Übertragung des Ernennungsrechts nach Art. 60 Abs. 1 GG iVm. § 10 BBG auf die obersten Bundesbehörden die Nachweise bei Battis, BBG, § 10 Rnr. 4. 142 Dies hat seinen Rechtsgrund in § 1 Abs. 1 PersBG. 143 Vgl. § 2 PersBG; § 7 PersBG. 144 Die Regelungen des § 8 PersBG über den Präsidenten sind gemäß § 8 Abs. 7 PersBG entsprechend auf die Vizepräsidenten anzuwenden.

. Abschnitt: Die u n e n e Verwaltung

211

Ministers 145 oder Staatssekretärs. 146 In den Bestimmungen zur Ernennung (1) und zur Entlassung (2) zeigt sich, daß den Präsidenten damit eine in zulässiger Ausnahme vom Regelfall des Art. 33 Abs. 4 GG (3) hervorgehobene Stellung eröffnet wurde.

1. Die Ernennung der Präsidenten Die Ernennung der Präsidenten geht aber nicht auf einen einzelnen Minister oder den Bundeskanzler zurück, sondern beruht auf dem Zusammenwirken von Beirat, d.h. Bundestag und Bundesrat, und Bundesregierung. Auch den Vertrag, in dem die Rechtsverhältnisse der Präsidenten im einzelnen geregelt werden, schließt der Bundeswirtschaftsminister vorbehaltlich der Zustimmung der Bundesregierung. 147 Das TKG ordnet damit den Kern der Personalgewalt über die Präsidenten der Regierung zu. Hier drängt das Kollegialprinzip das Ressortprinzip zurück. Diese Handhabung des Art. 65 GG entspricht dem Wortlaut des Art. 86 GG und der Geschäftsordnung der Bundesregierung. Beide ordnen die Organisationsgewalt bzw. die Personalgewalt ab einer bestimmten Hierarchiestufe dem Kabinett zu. 1 4 8 Besondere persönliche Qualifikationen verlangt das Gesetz von den Präsidenten nicht. 149 Zwar konnte § 73 Abs. 4 TKG ursprünglich so verstanden werden, daß die Präsidenten als Beschlußkammermitglieder zum höheren Dienst befähigt sein müßten. 150 Diese Vorschrift ist aber im Begleitgesetz so ergänzt worden, daß dieses Kriterium entfällt. 151 Die politischen Gremien sind also in ihrer Auswahl frei. Das Laufbahnprinzip 152 gilt nicht. Die Präsidenten scheiden vielmehr aus einem etwaigen früheren Amtsverhältnis aus. 153 Sie müssen nach Ende ihrer Tä-

145

Vgl. § 1 Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Bundesregierung (Bundesministergesetz) (BMinG), Sartorius Nr. 45. 146 Vgl. § 1 Abs. 3 Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre (ParlStG), Sartorius Nr. 47. 147 Vgl. § 8 Abs. 4 PersBG. 148 Vgl. § 15 Abs. 2 a) u. b), § 18, § 19 GeschO BReg. 149 Anders z.B. § 70 Abs. 1 S. 2 TKG; § 6 Abs. 2 Satzung der Deutschen Telekom AG. 150 So Kerkhoff in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 73 Rnr. 27. 151 Vgl. Art. 2 Abs. 34 Nr. 1 a) BegleitG. Diese Vorschrift läßt sich als „lex Börnsen" bezeichnen, da sie ersichtlich auf den ersten Vizepräsidenten der Behörde zugeschnitten ist. MdB Börnsen ist Diplom-Schiffbauingenieur und bringt damit eine Qualifikation mit, die § 19 BBG nicht kennt. 152 Vgl. §§ 15 ff BBG; Lecheler, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 72 Rnr. 116 ff. Daß dieses Prinzip in Spitzenpositionen der Ministerialverwaltung faktisch ohnehin relativiert ist, der „Außenseiter" über bessere Karrierechancen als der „Laufbahnbeamte" verfügt, weist Dreher, S. 659 ff nach.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

tigkeit bei der Regulierungsbehörde nicht in die bisherige Laufbahn zurückkehren. 154 Die Präsidentschaft markiert einen dienstrechtlichen Karrierehöhe- und endpunkt. 155 In ihr verdienen sich die Amtsträger den einstweiligen Ruhestand. 156 Gehalt und Ruhegehalt können sie zudem vertraglich aushandeln.157 Im Bundeshaushalt orientiert sich das Entgelt an den Besoldungsgruppen Β 11 für den Präsidenten und Β 9 für die beiden Vizepräsidenten. Es liegt deutlich etwa über der Besoldung des Präsidenten des Bundeskartellamtes. 158 In der Besoldungsstufe Β 11 finden sich mit dem Präsidenten der Regulierungsbehörde der Präsident des Bundesrechnungshofes und der Staatssekretär wieder. 159 Die Entgelthöhe hebt den Präsidenten also auf das Niveau des beamteten Staatssekretärs. In der vertraglichen Entgeltvereinbarung tritt zudem das beamtenrechtliche Alimentationsprinzip zurück. Die besoldungsrechtliche Einstufung zeigt allerdings an, wie weit der finanzielle Spielraum für die Vertragsgestaltung reicht. Vertragliche Zusagen dürfen nicht so weit gehen, daß sie die gesetzlich geregelte Bestellung und Entlassung der Präsidenten faktisch unter einen zusätzlichen Fiskalvorbehalt stellen.

2. Die Entlassung der Präsidenten Die Frage der Amtszeit und einer Entlassung hatte das TKG noch offen gelassen.160 Erst in § 8 Abs. 1 PersBG gelang es, die Amtszeit auf fünf Jahre fest153

§ 8 Abs. 6 PersBG, der § 18 Abs. 1 BMinG entspricht. Vgl. § 8 Abs. 7 S. 1 PersBG. 155 Ähnlich § 18 Abs. 2 BMinG. Eine § 39 BBG entsprechende Vorschrift zur erneuten Berufung fehlt. 156 Vgl. § 8 Abs. 7 S. 1 PersBG. Nach § 8 Abs. 7 S. 2 PersBG soll das Ruhegehalt nach dem früheren Amt, allerdings unter Berücksichtigung der Dienstzeit bei der Regulierungsbehörde bemessen werden. Eine vertragliche Versorgungsregelung bleibt unberührt (§ 8 Abs. 7 S. 3 PersBG). Eine Anrechnung, wie sie etwa § 20 Abs. 1 BMinG kennt, ist nicht vorgesehen. Der Vertrag kann also zusätzliche Versorgungsleistungen begründen. 157 Vgl. § 8 Abs. 4 PersBG. Ein Antrag, die Besoldung der Präsidenten in das Besoldungsgesetz einzuordnen, scheiterte. Vgl. Ausschußbericht, BT-Drs. 13/8776, S. 36. 158 Der Präsident des Bundeskartellamts ist in Besoldungsstufe Β 8 eingeordnet. 159 Die hohe Einstufung wurde insbesondere gegen die Kritik des Bundesrechnungshofes mit dem Argument verteidigt, das Amt solle auch für Kandidaten aus der Wirtschaft attraktiv sein. Vgl. Regierungsentwurf, BT-Drs. 13/8016, S. 21 Zu § 8; Ausschußbericht, BT-Drs. 13/8776, S. 39 Zur Artikel 2 Abs. 33 a, Zu Nummer 1 Buchstabe a; wib 12/97, S. 49, „Personalrecht für den Regulierer schaffen"; FAZ v. 10.11.1997, Nr. 261, S. 19, „Das Postministerium fällt weg, doch die Ausgaben steigen". Unter den ersten Präsidenten findet sich aber trotz entsprechender Vorschläge des Beirats kein solcher Kandidat. Vgl. oben S. 452 f. 160 Eine dahingehende Anregung findet sich aber in Bundesrat, BT-Drs. 4938, S. 5 Ziff. 14. Die Lücke bemängelt Windthorst, Universaldienst, S. 444. 154

. Abschnitt: Die u n e n e Verwaltung

213

zuschreiben und eine Verlängerung zuzulassen. Neben der Beendigung durch Zeitablauf endet das Amtsverhältnis der Präsidenten auf deren eigenes Verlangen oder aus wichtigem Grund. 161 Damit bildet das PersBG Amtszeit und Entlassungsgrund für die Präsidenten der Regulierungsbehörde den Regelungen für den Vorstand der BAnst PT nach. 162 Die Entlassung aus wichtigem Grund ist an verschiedene formelle Voraussetzungen gebunden (vgl. § 8 Abs. 5 S. 3-7 PersBG): Das Recht die Entlassung zu beantragen, liegt beim Bundeswirtschaftsminister. Er wird zunächst den Präsidenten und den Beirat anhören. Sodann entscheidet die Bundesregierung durch Beschluß. 163 Wie die materielle Voraussetzung der Entlassung - der wichtige Grund - zu bestimmen ist, läßt sich weder dem Gesetz selbst noch den Materialien entnehmen. 164 Selbstredend dürften die im Beamtenrecht normierten Entlassungsgründe als wichtiger Grund gelten. 165 Im übrigen setzt sich das Erfordernis eines wichtigen Grundes sowohl vom allgemeinen, grundsätzlich unkündbaren Beamtenverhältnis als auch vom jederzeit grundlos beendbaren Status des politischen Beamten, Staatssekretärs oder Ministers ab. 166 Der Wortlaut des § 8 Abs. 5 S. 3 PersBG verweist auf § 626 BGB. 1 6 7 Folglich besteht ein wichtiger Grund in Tatsachen, die es der Bundesregierung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Seiten unzumutbar werden lassen, eine fristgemäße Beendigung der Amtszeit abzuwarten. Diese Formulierung läßt sich aber nur unter dem Vorbehalt übernehmen, daß die abzuwägende Interessenlage nicht eine dienstvertragliche ist. Sie wird öffentlich-rechtlich überformt. Aus dem Beamtenrecht bieten sich die Umsetzung und die Versetzung zum Vergleich an. 168 Die Umsetzung steht im Organisati161

Vgl. § 8 Abs. 5 S. 1 PersBG zur Entlassung auf Verlangen, die § 30 BBG ent-

spricht. 162

Vgl. § 4 Abs. 2 BAPostG; § 8 Abs. 3 Satzung BAnst PT. Das Verfahren entspricht spiegelbildlich dem der Ernennung. Die Entlassung aus wichtigem Grund kann bereits mit Vollzug dieses Beschlusses wirksam werden. Der Präsident kann sich ihr also nicht entziehen, indem er die Entgegennahme einer vom Bundespräsidenten auszufertigenden und zu überreichenden Urkunde hinauszögert. 164 Regierungsentwurf, BT-Drs. 13/8016, S. 22 Zu § 8 S. 42 erklärt: „Angesichts der Verantwortung, die der Präsident und die Vizepräsidenten in ihrem Zuständigkeitsbereich für den Wirtschaftsstandort Deutschland tragen, dürfen sie weder gegen ihren Willen noch beim Vorliegen wichtiger Ablösungsgründe im Amt verbleiben." 165 Vgl. §§ 28, 29; 41-47; 48ff BBG und § 11 BDO. 166 Vgl. § 36 Abs. 1 BBG; § 4 S. 1 ParlStG; Art. 64 Abs. 1 GG u. § 9 Abs. 2 BMinG. Dazu auch Schröder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 67 Rnr.37 ff. 167 So schon für die gleichlautenden § 8 Abs. 3 Satzung BAnst PT und § 13 Abs. 2 PostVerfG Fangmann/Scheurle/Schwemmle/Wehner, Handbuch, § 4 BAPostG Rnr. 6. 168 Vgl. dazu Kunig, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), BVwR, 6. Abschn. IV 2 a) aa), Rnr. 112 f, S. 628 f; Battis, BBG, § 26 Rnr. 4 u. 6. 163

214

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

onsermessen des Dienstvorgesetzten, das seine Grenze im Recht des Beamten auf eine seinem Status entsprechende Tätigkeit findet. Die Versetzung nach § 26 Abs. 1 S. 2 BBG setzt ein dienstliches Bedürfnis voraus, dessen Vorliegen gerichtlich voll überprüft wird. Unter beiden Instituten erfährt der Amtswalter aber lediglich eine Veränderung seines Amtes im funktionalen Sinne. Funktion und Status sind im Amtsverhältnis der Präsidenten hingegen miteinander verbunden: Die Ernennung zum Präsidenten beinhaltet die Zuweisung; eine Entfernung aus dem Amt ist nur im Wege der Entlassung möglich. Sie schlägt ungeachtet der versorgungsrechtlichen Absicherung auf das Amt im statusrechtlichen Sinne durch. 169 Deswegen ließen sich wohl eher die Bestimmungen heranziehen, die die Entlassung eines Beamten auf Probe rechtfertigen. 170 Indes dient die Erprobung eines Beamten dazu, seine Eignung - auch für Führungspositionen 171 - festzustellen. Sie ist deswegen befristet. Befristung und Entlassungskriterien tarieren das Bewährungsinteresse des Dienstherrn gegen das Statusinteresse des Probanden aus. Die Kollisionslage in der Präsidentschaft ist eine andere. § 8 Abs. 5 S. 3 PersBG vermeidet deswegen zu Recht den Bezug auf die hergebrachten Institute des Beamtenrechts. Er spricht nicht vom „dienstlichen Bedürfnis", sondern vom „wichtigen Grund". Dieser Begriff ist aus sich heraus auszulegen. Angesichts der leitenden Stellung der Amtsinhaber und deren Absicherung im Entlassungsfalle kommt es weniger auf deren individuelle Belange an. 172 Die abzuwägenden Interessen müssen in erster Linie Belange des Gemeinwohls sein. Die Begründung spricht von der Verantwortung für den Wirtschaftsstandort Deutschland.173 Die Abwägungsfrage geht also dahin, ob eine geordnete Ausübung des Amtes in der Person des gegenwärtigen Amtsinhabers noch möglich erscheint. Dabei genügt es nicht, daß das Vertrauen der Bundesregierung in den Präsidenten erschüttert ist. Der Wortlaut des § 8 Abs.5 S. 3 PersBG schließt an § 626 Abs. 1 BGB an, nicht an § 627 Abs. 1 BGB. 1 7 4 Er läßt die allein aus sub169

Vgl. § 8 Abs. 7 PersBG. Vgl. §31 Abs. 1 BBG. 171 Dazu § 24a BBG idF. des Art. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Reform des öffentlichen Dienstrechts (Reformgesetz) v. 24.2.1997, BGBl. I, S. 322. Dazu Ulrich Battis , Das Dienstrechtsreformgesetz, NJW 1997, 1033 (1034). 172 Merkwürdig mutet daher den Hinweis des Regierungsentwurfes, BT-Drs. 13/8016, S. 22 Zu § 8, an, die Notwendigkeit der Anhörung ergebe sich angesichts der „erheblichen Eingriffe in die Berufsausübung". Zur Anhörungspflich; nach § 36 Abs. 1 BBG vgl. Kunig, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), BVwR, 6. Abschn. IV 2 a) aa), Rnr. 119, S.632; Battis , BBG, § 26 Rnr. 6. 173 Vgl. Regierungsentwurf, BT-Drs. 13/8016, S. 22 Zu § 8. 174 So schon zu § 13 Abs. 2 PostVerfG Fangmann/Scheurle/Schwemmle/Wehner, Handbuch, § 13 Rnr. 3. 170

. Abschnitt: Die u n e n e Verwaltung

215

jektiven Mißliebigkeiten begründete Entlassung nicht zu. In Gestalt des Verfahrensrechts und des erforderlichen Kollegialbeschlusses setzt er ihr weitere Hindernisse entgegen. Die Bundesregierung muß sich also um eine objektivierte Entscheidung bemühen. Die Amtszeit der Präsidenten geht über den Bestand einer Regierung ebenso wie über eine Wahlperiode des Bundestages hinaus. Die Abstimmung mit dem Beirat führt überparteiliche und über einzelne Amtsperioden hinausgehende Überlegungen in die Besetzung ein. Ein Ministerwechsel allein kann schon wegen der Kompetenz der gesamten Bundesregierung die Entlassung nicht begründen. Aber auch ein Regierungswechsel kann angesichts der materiellen und formellen Bedingungen des § 8 Abs. 5 S. 3 PersBG die Entlassung alleine nicht begründen. 175 Der Vertrauensverlust, der die Entlassung auslöst, muß sich in nachvollziehbarer Weise tatsächlich begründen lassen und von solchem Gewicht sein, daß er eine weitere Zusammenarbeit unmöglich erscheinen läßt. Letztlich wird sich dieses Gewicht nicht mit begriffsjuristischen Ableitungen erfassen lassen. Die Stellung der Präsidenten ist dem allgemeinen Beamtenrecht so weit enthoben, daß der Gedanke einer politischen Einschätzungsprärogative an Bedeutung gewinnt. 176 Das Erfordernis eines wichtigen Grundes ist daher weniger als gerichtsfester Entlassungsschutz zu verstehen. Es soll vielmehr den dienstrechtlichen Status der Präsidenten verfestigen, ohne ihn strukturell unangreifbar zu machen. § 8 Abs. 5 S. 3 PersBG geht mit Bedacht einen dienstrechtlichen Mittelweg zwischen der statusrechtlich kaum anfechtbaren Stellung der Präsidenten einer klassischen Behörde, 177 etwa des Bundeskartellamtes oder des Eisenbahnverwaltungsamtes, und der allein vom Vertrauen des Vorgesetzten getragenen Stellung eines politischen Beamten iSd. § 36 BBG.

175

So bekräftigte der neue Bundeswirtschaftsminister Müller nach der Bundestagswahl 1998 und dem Regierungswechsel seine Absicht, am bisherigen Präsidium der Behörde, einschließlich des der bisher regierenden Partei verbundenen Präsidenten Scheurle ungeachtet mancher Kritik festzuhalten. Vgl. FAZ v. 4.12.1998, Nr. 282, „Bald Entscheidung über Anschlußmiete". Vor der Wahl hatte sich der SPD-Abgeordnete Bury noch anders geäußert. Vgl. FAZ v. 5.5.1998, Nr. 103, S. 17, „SPD: TelekomRegulierung nicht transparent". Zum Vergleich: Im Zuge des Regierungswechsels waren 1998 insgesamt 51 Beamte vorzeitig in den Ruhestand verabaschiedet worden, 1982 derer 42. Vgl. FAZ v. 19.11.1998, Nr. 269, S. 8. 176

Vgl. BVerfG E 8, 332 (357 f) - Oberkreisdirektor -. Zu den Bemühungen, § 36 Abs. 1 BBG begrifflich zu erfassen, Battis, BBG, § 36 Rnr. 5 mwN. 177 Eine solche Stellung hatte der Deutsche Beamtenbund gefordert. Vgl. Regierungsentwurf, BT-Drs. 13/8016, S. 18.

216

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

3. Das Amts Verhältnis der Präsidenten als Ausnahmeregelung

iSd. Art. 33 Abs. 4 GG Dieser Mittelweg ist im hoheitlichen Bereich - soweit ersichtlich - bislang einzigartig. 178 Mit dem Verzicht auf das Laufbahnprinzip, der Auflösung des Alimentationsgrundsatzes und dem Entlassungskriterium verläßt § 8 PersBG die Bahnen des Beamtenrechts, ohne ganz in ein ministerialähnliches Verhältnis überzuspringen. Daher könnte er an den Funktionsvorbehalt nach Art. 33 Abs. 4 GG rühren, der mit dem Erfordernis eines öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums Geltung verschafft. 179 Im Begriff der Hoheitsaufgaben verbindet sich Art. 33 Abs. 4 GG zudem mit 87f Abs. 2 S. 2 GG. 1 8 0 Aus der Perspektive des Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG wäre aber auch die Einrichtung einer obersten, ministeriell oder ministerialähnlich geleiteten Behörde zulässig. 181 Unter Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG a.F. kannte die Postverwaltung bereits das öffentlich-rechtliche Amtsverhältnis. 182 Art. 33 Abs. 4 GG selbst gibt nach Wortlaut und verfassungsgerichtlicher Auslegung lediglich einen Grundsatz her. Er ist Ausnahmen zugänglich. 183 Das Amtsverhältnis der Präsidenten beschränkt sich auf die Leitung einer Behörde in einem abgegrenzten, durch Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG in seinen Besonderheiten anerkannten Verwaltungssektor. 184 Daß es nicht die statusrechtliche Sicherheit

178

Die öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnisse der Bundesbahnvorstände nach §§ 8 f BBahnG und des TELEKOM-Vorstandes nach § 12 Abs. 3 PostVerfG lagen ebenso im unternehmerischen Bereich wie das Amtsverhältnis des Vorstandes der BAnst PT nach § 4 BAPostG iVm. § 9 Satzung der BAnst PT. 179 Deutlich Kirchhof in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR III, § 59 Rnr. 70: .,Den Beamten sind die Tätigkeiten zugewiesen, bei denen sich der Staat in seiner staatsrechtlichen Verfaßtheit besonders zu bewähren hat". 180 Zum Begriff der hoheitsrechtlichen Befugnisse Battis , in: Sachs, GG, Art. 33 Rnr. 55. 181 Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 112. 182 Vgl. § 12 Abs. 3 u. Abs. 5 PostVeriG. Bedenken aus Art. 33 Abs. 4 GG dagegen bei Fangmann/Scheurle/Schwemmle/Wehner, Handbuch, § 12 Rnr. 5 u. § 13 Rnr. 1. 183 BVerfG E 83, 130 (150) - Mutzenbacher -; BVerfG E 9, 268 (284 obiter) - Bremer Personalvertretungsgesetz -. Zustimmend BVerwG E 57, 55 (59). Vgl. Battis , in: Sachs, GG, Art. 33 Rnr. 58; Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 33 Rnr. 48; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 33 Rnr. 10. 184 In der Folge kann der Präsident auch zum Dienstvorgesetzten der Beamten werden und insoweit Hoheitsbefugnisse nach § 66 Abs. 2 S. 1 TKG iVm. § 3 Abs. 2 S. 2 BBG wahrnehmen. Zum Vorgesetztenvorbehalt Lecheler, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 72 Rnr. 30. Mit ähnlichen Erwägungen rechtfertigt die Zulässigkeit der öffentlich-rechtlichen Bestellung des Bundesbahnvorstandes VGH Kassel, DÖV 1985, 927 (928) unter Verweis auf Battis, ZBR 1982, 37 (38). Der Einwand Klaus Obermayers, Verfassungsrechtliche Probleme der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung, in: DVB1. 1987, S. 877 (888), die Zuweisung insbesondere der Planfeststellungskompe-

. Abschnitt: Die u n e n e Verwaltung

217

des Berufsbeamten erreicht, läßt sich schon damit rechtfertigen, daß bisher keine Laufbahn zu dem neuen Amt hinfuhren konnte. In der postbehördlichen Tradition fuhrt das Amtsverhältnis die ministerielle Leitungsebene eher wieder an den Beamtenstatus heran, als daß es sie von ihm entfernte. 185 Für die Zukunft hält die flexible, zeitlich befristete Amtsgestaltung die Möglichkeit einer Reorganisation der Regulierungsbehörde dienstrechtlich offen. 186 Die gegenwärtige Situation wird gerade dann eine Ausnahme bleiben müssen, wenn sie nicht unter die Regel des Art. 33 Abs. 4 GG gefaßt wird. Denn dann steht Art. 33 Abs. 4 GG ihrer langfristigen Festsetzung und Ausbreitung entgegen. Deswegen wäre es letztlich widersinnig, die besondere Lage der Regulierungsbehörde mit dem Regelfall des Art. 33 Abs. 4 GG bewältigen zu wollen. Einer noch unbekannten Regulierungssituation will das Amtsverhältnis durch ein eingeschränktes Zugeständnis personeller Unabhängigkeit unter der Voraussetzung einer abgestimmt vorbereiteten, regierungskollegial beschlossenen Benennung begegnen.187 Dieser Ansatz ist als Ausnahme unter Art. 33 Abs. 4 GG hinzunehmen und zu behaupten.

III. Fazit Das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis der Präsidenten spiegelt die Mittellage der gesamten Behörde zwischen einer vollziehenden Fachbehörde und einer politisch gestaltenden Behörde wieder. Es zeigt aber auch das Bemühen des Organisationsrechts, eine Anbindung an den Bund zu erhalten, ohne eine Unterordnung unter den Minister zu schaffen.

tenz an den Vorstand bewirke eine nicht nur nebensächliche, vorübergehende oder rechtliche bedeutungslose Übertragung von Hoheitsrechten auf nicht beamtete Funktionsträger, trifft zu. Der Wortlaut des Art. 33 Abs. 4 GG öffnet sich aber nicht nur für eine ohnehin selbstverständliche Ausnahme von minimalia. Die weiteren Einwände Obermayers sind verwaltungspraktischer Natur. Sie räumen die Erkenntnis des VGH Kassel nicht aus, daß Sachgründe die Ausnahme rechtfertigen können. 185 Soweit die Präsidenten in der Nachfolge des Postministers und seines Staatssekretärs stehen, gehen auch die allgemeinen Bedenken von Lecheler, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 72 Rnr. 2, dagegen besondere Dienstverhältnisse in den Bereich der traditionellen Verwaltungsorganisation hinein auszudehnen, an den Besonderheiten des Sachverhaltes vorbei. 186 Diese Überlegung schon bei Bundesrat, BT-Drs. 4938, S. 5 Ziff. 14. Daran anknüpfend Regierungsentwurf, BT-Drs. 13/8016, S. 21 Zu § 8 unter Verweis auf §81 Abs. 3 TKG. 187 Frankreich erklärt die Ernennung sogar ausdrücklich für unwiderrufbar. Vgl. Art. L. 36-1 Loi n° 96-659 du 26 juillet 1996 de réglementation des télécommunications, Journal Officiel der La République Française du 27 juillet 1996, 11384. Dazu Lasserre, AJDA 1997, 224 (226). Zu den USA und Großbritannien unten S. 279 ff.

218

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

Die dienstrechtliche Zuordnung der Behördenbediensteten und ihrer Leitung zum Bund wird mithin sichergestellt. Der besondere Status ihrer Angehörigen hebt die Regulierungsbehörde aber aus der übrigen nachministeriellen Hierarchie heraus.

D. Die verfahrensrechtliche Zuordnung der Regulierungsbehörde zum Bund Die Fachverwaltung erwirbt sich mit ihrem organisatorisch gespeicherten Sachwissen und ihrer Sacherfahrung, dank ihrer dauernden Gegenwart und ihrem persönlichen Kontakt einen spezifischen Informationsvorteii. gegenüber der übergeordneten Stelle. 188 Ihre Umweltbezogenheit schafft der Behörde eine informatorische Machtbasis. Die informationellen Grundlagen zur politischen Unabhängigkeit gestaltet vor allem das Verfahrensrecht. Über die sachliche und instanzielle Zuständigkeit reguliert das Verfahrensrecht die Vermittlungs- und Verdichtungsstufen der Information (I). Über die Ausgestaltung des Verfahrensrechtsverhältnisses bestimmt es die Enge und Intensität des Umweltkontaktes (II). So ergibt sich aus ihren Informationsrechten und -pflichten die informatorische Durchsetzungskraft der Regulierungsbehörde (III).

L Die Zuständigkeiten der Regulierungsbehörde Für die Regulierungsbehörde als solche normiert das TKG keinen abschließenden Zuständigkeitskatalog.189 Nach § 66 Abs. 1 TKG wird die Behörde „zur Wahrnehmung der sich aus diesem Gesetz und anderen Gesetz ergebenden Aufgaben" errichtet. Darin ist zunächst eine Zuständigkeit zur Rechtsüberwachung zu sehen (1), die um einzelne Zuständigkeiten zur Politikentwicklung ergänzt wird (2), aber Zuständigkeiten des übergeordneten Ministeriums in der Telekommunikation nicht ausschließt (3).

1. Allgemeine Zuständigkeit zur Rechtsüberwachung Unter der Überschrift „Aufsicht" weist § 71 S. 1 TKG der Regulierungsbehörde die Überwachung der Einhaltung des Gesetzes und der nachfolgenden Rechtsvorschriften zu. 1 9 0 Aufgrund der Abschnittsüberschrift könnte § 71 S. 1 188

Vgl. Müller, Rechtsformenwahl, S. 339; Dreier, S. 199. § 3 EVVwG normiert beispielsweise enumerativ die Aufgaben des Bundesamtes gegenüber einer generellen Zuständigkeit des Bundesministeriums für Verkehr (§ 1 Abs. 1 EVVwG). 189

. Abschnitt: Die u n e n e Verwaltung

219

TKG als generelle Aufgabennorm und daher vorbehaltlich besonderer Vorschriften 191 auch als iVm. § 66 Abs. 1 TKG umfassende Zuständigkeitsregelung angesehen werden. 192 Diese Auslegung würde die Regulierungsbehörde auf eine Rechtsüberwachung beschränken. Ihre Zuständigkeit wäre damit tendenziell eng. Eine andere Auslegung könnte sich auf die §§ 1 und 2 TKG iVm. § 66 Abs. 1 TKG kaprizieren und den finalen Charakter der Regulierung betonen. In dieser Auslegung würde auch das Zuständigkeitsprogramm der Regulierungsbehörde offener; sie könnte auch die Politikentwicklung auf sich zentrieren. Regulierung ist, wie die Definition des § 3 Nr. 13 TKG zeigt, nicht notwendig, Tätigkeit der Regulierungsbehörde. §§ 1 und 2 TKG können folglich keine Residualzuständigkeit der Regulierungsbehörde begründen. Sie geben als Ziel- und Zweckbestimmungen allen Stellen, die das TKG anwenden, eine inhaltliche Leitlinie. Sonst wäre es gesetzessystematisch folgerichtig, auf spezielle Zuständigkeiten zu verzichten und lediglich die Ausnahmen von der Zuständigkeit der Regulierungsbehörde zu benennen. § 66 Abs. 1 TKG verlangt jedoch, daß sich die Aufgabe aus dem Gesetz ergibt, also aus diesem abzulesen ist. 193 Wortlaut und Systematik sprechen wiederum dafür, § 71 S. 1 TKG für die einzige generelle Aufgabenstellung der Regulierungsbehörde zu halten. Denn im weiteren Verlauf des Zweiten Abschnittes folgen auf S. 1 lediglich Befugnisse. Die in der Abschnittsüberschrift angekündigten Aufgaben können sich also nur aus § 71 S. 1 TKG ergeben. Eine restriktive Auslegung ihrer Zuständigkeit läßt ferner deutlich werden, daß sich die Wirtschaftsaufsicht der Regulierungsbehörde von der umfassenden Staatsaufsicht absetzt, die als Bahn- oder Postaufsicht das Sondervermögen lenkte. Eine enge Auslegung der Zuständigkeitsvorschriften hält auch die be-

190 Zur Einbeziehung der nicht eigens erwähnten Rechtsverordnungen Kerkhoff, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 71 Rnr. 3. 191 Diese stellt im Überblick zusammen Geppert, in: Beck'scher Kommentar, § 66 Rnr. 11. 192 Zur Unterscheidung von Aufgaben (Kompetenzen) und Befugnissen (Ermächtigungen) vgl. Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 57 Rnr. 141 f; Wolff in: Wolff/Bachof II, § 72 I c), S. 15 f. 193 So auch Geppert, in: Beck'scher Kommentar, § 66 Rnr. 10 mit dem Hinweis auf den Wortlaut des § 72 Abs. 1: „der in diesem Gesetz übertragenen Aufgaben". Ähnlich die Regelungstechnik in § 54 Abs. 1 GüKG, das aber in Abs. 2 sogleich die Aufgaben des Bundesamtes spezifiziert. § 1 Abs. 1 EVVwG normiert hingegen eine subsidiäre Zuständigkeit des Bundesministeriums für Verkehr. Zu möglichen Regelungstechniken (Enumeration, Spezialität, Generalität, Universalität) Wolff in: Wolff/Bachof II, § 72 II b), S. 19.

220

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

hördlichen Befugnisse k u r z . 1 9 4 In der Abgrenzung zu anderen Fachbehörden, auch zum Bundeskartellamt (vgl. § 2 Abs. 3 und § 82 T K G ) verkleinert eine restriktive Zuständigkeitsabgrenzung schließlich horizontale Reibungsflächen. 1 9 5 Gem. § 71 S. 1 T K G ist die allgemeine Zuständigkeit der Regulierungsbehörde aus diesen Gründen auf eine Rechtsüberwachung zu beschränken.

2. Einzelne Zuständigkeiten zur Politikentwicklung Damit ist der Behörde nicht jede politikentwickelnde Tätigkeit versperrt. Schon § 71 S. 1 T K G enthält einen gewissen Handlungsspielraum. Zur Überwachung zählt auch das Vorausdenken. 1 9 6 Behördlicher

Numerierungsplan

(§ 43 Abs. 1 S. 2 u. 3 u. Abs. 4 T K G ) und Frequenznutzungsplan (§ 46 Abs. 1 T K G ) strukturieren ebenfalls künftige Entwicklungen. Des weiteren gestattet es § 70 Abs. 1 S. 1 T K G

der Regulierungsbehörde,

eigene

wissenschaftliche

Kommissionen einzusetzen. Die Behörde n i m m t in ihrem Bericht nach § 81 T K G auch zur weiteren Entwicklung des rechtlichen Rahmens Stellung. Diesen Bericht übermittelt sie selbst an die gesetzgebenden Körperschaften. Die Bundesregierung kommentiert lediglich den begleitenden Bericht der Monopolkommission (§ 81 Abs. 3 S. 4 T K G ) . I m Beirat findet sie ein Forum, selbst politische

Entwicklungen

anzustoßen

(vgl.

§ 68 Abs. 7

S. 2

TKG

iVm.

194 Vgl. zur Herleitung von Befugnissen aus § 3 Abs. 2 Nr. 2 EVVwG BVerwG N V w Z 1996, 1103; BVerwG NVwZ 1995, 379-381; BVerwG NVwZ-RR 1996, 187. Zustimmend Studenroth, Aufgaben und Befugnisse des Eisenbahn-Bundesamtes, VerwArch 1996, 97. Kritisch zur Herleitung von Befugnissen aus der Aufsichtsaufgabe Grupp, DVB1. 1996, 591 (595), der einen Rückfall in das Staatsbahndenken fürchtet, und Menges, S. 81 mwN. 195 Die Behördenkonkurrenz zwischen Regulierungsbehörde und Kartellamt hält für „unvollkommen geregelt" Niederleithinger, in: FS-Mestmäcker, 683 (696), und findet darin Bestätigung in der Auseinandersetzung um die Entgeltregulierung, in der sich das BKartA von der Reg TP übergangen sah. Vgl. FAZ v. 9.2.1998, Nr. 33, S. 13 u. S. 15, „Wolf: Die Telefonpreise sind rechtswidrig genehmigt worden"; Monopolkommission, Hauptgutachten 1996/1997, Tz. 27 f; Dirk Schroeder, Telekommunikationsgesetz und GWB, in: WuW 1999, 14 (27 f). Analog § 3 Abs. 2 VwVfG kann das Wirtschaftsministerium als beiden Behörden übergeordnete Aufsicht im Zweifel über deren sachliche Zuständigkeit entscheiden. Vgl. Kopp, VwVfG, § 3 Rnr. 57. 196 Vgl. zur Frage, inwieweit die polizeiliche Gefahrenabwehr auch die Gefahrenvorsorge einschließt Götz, Die Entwicklung des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts (1990-1993), NVwZ 1994, 562 (655). Praktische Bedeutung hat die Reichweite der Uberwachungsbefugnis etwa für die Erhebung von Marktdaten. Hier ist eine Umfrage der Regulierungsbehörde 1997 auf Widerstand der Unternehmen gestoßen. Vgl. Mitteilung Nr. 81 /1997, ABl. BMPT 17/97, S. 913. Ob § 72 TKG als Rechtsgrundlage ausreichte, war umstritten. Daraufhin wurde ein Arbeitskreis aus Unternehmen und Behörde eingerichtet, der die Einzelheiten abstimmen sollte. Vgl. Mitteilung Nr. 203/1997, Marktbeobachtung Telekommunikation; Erhebung von Daten zum Telekommunikationsmarkt, ABl. BMPT 34/97, S. 1893.

. Abschnitt: Die u n e n e Verwaltung

221

§ 68 Abs. 5 S. 1 TKG). Dessen Geschäftsordnung gibt auch dem Bundesministerium für Wirtschaft ein Teilnahme- und Rederecht, aber kein Recht Sitzungen einberufen zu lassen (§ 3 Abs. 3 GO Beirat). In der Abgrenzung gegenüber dem Ministerium behält eine enge Zuständigkeitsregelung diesem die politische Allzuständigkeit vor, ohne die Regulierungsbehörde aber von der Politikentwicklung auszuschließen.197

3. Übergeordnete Zuständigkeiten des Ministeriums Dem Geschäftsbereich des Bundeswirtschaftsministeriums fallen neben der Regulierungsbehörde als solcher (§ 66 Abs. 1 TKG) auch alle übrigen Zuständigkeiten aus dem ehemaligen Postministerium zu. 1 9 8 Nach dessen Auflösung erhielt das Wirtschaftsministerium eine Abteilung V I I „Telekommunikation und Post" mit etwa 70 Mitarbeitern. 199 Ihr erster Leiter war zuvor Abteilungsleiter im BMPT. 2 0 0 Die Übernahme von Angehörigen des ehemaligen Postministeriums in das nunmehr aufsichtführende Ministerium kann einen doppelten Effekt haben. Zum einen eröffnet die gemeinsame Herkunft von Ministerial· und Behördenbeamten den instanzenübergreifenden und nicht notwendig über die jeweiligen Zentralen vermittelten „kurzen Dienstweg". 201 Zum anderen hält sie dem Ministerium personell das Fachwissen vor, das zur Ausübung der Aufsicht notwendig ist. Sie verlagert es aber aus der Behörde hinaus und konstituiert so eine potentielle Differenz von Innensicht und Aufsicht. Die ministerielle Betrachtung erfolgt aus einer Querschnittsperspektive, die behördliche aus einer Sonderzuständigkeit heraus. 202 Zudem kann das Ministerium die Betrachtung der Regulierungsbehörde mit der des Bundeskartellamtes kontrastie-

197 Aufgaben „gubernativer bzw. hochpolitischer Art" sieht Grämlich, VerwArch 88 (1997), 598 (637) vor allem in der Pflege der Beziehungen zur EU und der ITU. Hier dürfte es aber häufig auch um technische Detailfragen gehen. Insoweit ist nach der Aufgabenbeschreibung der Reg TP ihr Referat 113 bzw. die Abteilung 3 zuständig. 198 Vgl. die Bekanntmachung des Organisationserlasses des Bundeskanzlers v. 17.12.1997, Ziff. II. 2., BGBl. I 1998, S. 68. 199 Vgl. FAZ v. 10.11.1997, Nr. 261, S. 19, „Das Postministerium fällt weg, doch die Ausgaben steigen"; Bundeshaushaltsplan 1998, Titel 0910. 200 Vgl. Organisationsplan des BMPT v. 1.8.1997 u. Organigramm der Abteilung V I I im BMWi; Handbuch der Bundesregierung, Stand: April 1998. 201 Vgl. zum Informationsfluß zwischen Ministerium und Behörde Welz, S. 169 f; dort (S. 200-208) auch zur Kooperation durch gemeinsame Gremien und Personalaustausch. Zu den ebenen- und zuständigkeitsübergreifenden „Fachbruderschaften" in Anschluß an Frido Wagener, Der öffentliche Dienst im Staat der Gegenwart, S. 37 (1979), 214 (238 ff) auch Bryde, VVDStRL 46 (1988), S. 181 (185). 202 Im Gegensatz zur Aufsicht über das Bundesamt für Wirtschaft (dazu Welz, S. 196) ist die Aufsicht über die Regulierungsbehörde also nicht atomisiert, sondern organisatorisch konzentriert.

222

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

ren. Im Bereich der gemeinsamen, kaum trennscharf abzugrenzenden Zuständigkeit beider Behörden nach § 82 TKG, fällt dem übergeordneten Ministerium die Koordination zu. 203 Die damit begründete Perspektivendifferenz innerhalb der Verwaltung steht einer Annäherung an einzelne Interessengruppen entgegen. 204 Sie dient letztlich auch dem Parlament, das aus mehreren Informationsquellen schöpfen kann. Das TKG verzichtet aber darauf, sich diese Perspektivendifferenz im Wege des Vorverfahrens zunutze zu machen. Gegen Entscheidungen der Regulierungsbehörde ist kein Widerspruch eröffnet (§ 80 Abs. 1 TKG). 2 0 5 Im Ausschußbericht heißt es dazu: 206 „Für den Status und die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde ist es erforderlich, daß nicht jede Entscheidung durch das zuständige Bundesministerium kassiert werden kann." 207 Diese Äußerung ist nicht ganz präzise: Einen Widerspruchsbescheid erließe wegen § 73 Abs. 1 Nr. 2 VwGO ohnehin die Regulierungsbehörde selbst. Soweit die Entscheidungen der Regulierungsbehörde einer stets aufsichtsträchtigen Selbstüberprüfung entzogen sind, mindern sich aber auch die Anlässe für das übergeordnete Ministerium, korrigierend einzugreifen. 208 Verfahrensrechtlich stellt § 80 Abs. 1 TKG die Regulierungsbehörde daher einer obersten Bundesbehörde gleich (vgl. § 68 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der ministeriellen Aufsichtszuständigkeit fehlt die einzelfallbezogene Widerspruchskontrolle. Im Ergebnis deutet die Zuständigkeitsverteilung darauf hin, der Regulierungsbehörde die Entscheidung des Einzelfalles vorzubehalten, ihr aber nicht

203 Vgl. Nieder le ithinger, in: FS-Mestmäcker, 683 (696 f) und zum vom Bundeswirtschaftsminister zu schlichtenden Streit um die Reichweite des § 82 TKG vgl. FAZ v. 9.2.1998, Nr. 33, S. 13 u. S. 15, „Wolf: Die Telefonpreise sind rechtswidrig genehmigt worden"; FAZ v. 10.2.1998, Nr. 34 S. 15, „Rexrodt würdigt die Arbeit des Bundeskartellamtes"; FAZ v. 16.12.1998, Nr. 292, S. 18, „Wolff [sic] fordert internationale Fusionskontrolle"; Monopolkommission, Hauptgutachten 1996/1997, Tz. 27 ff. 204 Vgl. dazu Welz, S. 168-171, S. 204 u. S. 211: „Allerdings achtet das Wirtschaftsministerium streng darauf, daß die Beziehungen des BAW mit außerstaatlichen Stellen nicht zur Entstehung eines ,Interessenblocks4 von Oberbehörde und privaten Wirtschaftsgruppen führt, durch den das Ministerium unter Druck gesetzt werden könnte." Das TKG läßt aber ausdrücklich zu, daß sich die Regulierungsbehörde über Wissenschaftliche Kommissionen einer gewissen Rückendeckung versichert (§ 70 Abs. 1 TKG). 205 Ebenso wirkt § 63 Abs. 1 GWB. Dazu Geppert, in: Beck'scher Kommentar, § 80 Rnr. 3. 206 Ausschußbericht, BT-Drs. 13/4864, S. 82 Zu § 77. Zur nachrangig bezweckten Verfahrensbeschleunigung vgl. Geppert, in: Beck'scher Kommentar, § 80 Rnr. 5. 207 Diese Äußerung des Ausschusses für Post und Telekommunikation folgt der Stellungnahme des Wirtschaftsausschusses, wiedergegeben in Ausschußbericht, BT-Drs. 13/4864, S. 72. 208 Vgl. Geppert, in: Beck'scher Kommentar, § 80 Rnr. 4.

. Abschnitt: Die u n e n e Verwaltung

223

die gesamte Politikentwicklung für die Telekommunikation zu überantwor-

II. Die informatorische

Öffnung der Regulierungsbehörde

Als Bundesoberbehörde, deren Präsidenten von der Bundesregierung ernannt werden und deren Außenstellen über das ganze Bundesgebiet verteilt sind, 210 öffnet sich die Regulierungsbehörde für Informationen unterschiedlichster Herkunft und Qualität. 211 Als Eingangsinstanz ist sie Ansprechpartner des einzelnen Kunden, der ihr Kundentelefon anwählt, gegen die Abschaltung seines Anschlusses212 oder seines Endgerätes 213 angeht. Zugleich trifft sie Entscheidungen, die über die Gestalt eines ganzen Marktsegmentes bestimmen 214 und kann selbst politische Entwicklungen anstoßen.215 Über die Bandbreite der damit eröffneten Informationsbedürfnisse und -möglichkeiten 216 spannt das TKG ein verfahrensrechtliches Netz von Rechten zur Informationserhebung (1) und Pflichten zur Informationsverbreitung (2), innerhalb dessen die Regulierungsbehörde sich institutionellen Rückhalt schaffen kann (3), so daß ihr eine besondere Informationsmächtigkeit zuwächst (4).

1. Die Informationserhebung der Regulierungsbehörde Die Bedeutung von Information als unentbehrlichem Entscheidungsdatum der Regulierung erkennt namentlich Art. 5 Abs. 4 ONP-Rahmenrichtlinie 1997. Demnach können die Mitgliedstaaten dafür sorgen, daß „die nationalen Regulierungsbehörden von den Organisationen, die Telekommunikationsnetze und/oder -dienste bereitstellen, alle Informationen erhalten können, die zur Anwendung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften erforderlich sind." Die Informationssammlung der Regulierungsbehörde wird aber eine Grenze im Datenschutz im allgemeinen und im Schutz von Geschäfts- und Betriebsge-

209 Dies entspricht der gutachterlichen Empfehlung von Mestmäcker/Witte, Gutachten, S. 40. 2,0 Vgl. GO Reg TP, Anlage 2 zu § 4 Abs. 1. 211 Zur Organisation als System der Informationsverarbeitung vgl. Schmidt-Aßmann, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht, S. 9, 37. 212 Vgl. §§ 34 f TKV 1997 u. § 26 S. 2 TKV 1997. 213 Vgl. § 59 Abs. 6 S. 2 TKG iVm. § 31 S. 1 TKV 1997. 214 Einzelheiten unten S. 430 ff. 215 Vgl. 81 Abs. 1 u. § 68 Abs. 5 S. 2 u. Abs. 7 S. 1 u. 2 TKG. 216 Vgl. allgemein Edwin Czerwick, Strukturen und Funktionen der Verwaltungskommunikation, DÖV 1997, 973.

224

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

heimnissen im besonderen finden. 217 Das TKG löst die Informationsbefugnisse der Regulierungsbehörde daher in Abhängigkeit von verschiedenen Schwellen aus: Ohne besonderen Anlaß kann die Behörde wissenschaftliche Informationen einholen. Wissenschaftliche Unterstützung erhält sie bei der Erfüllung ihrer Aufgaben fortlaufend; einzelne Fragen der Regulierung kann sie von eigens einzusetzenden Kommissionen begutachten lassen.218 Daten, die bei anderen Behörden bereits vorhanden sind, können in bestimmten Fällen übermittelt werden: Beobachtungen des Bundeskartellamtes sind mitzuteilen, wenn sie von Bedeutung sein können. 219 Statistische Angaben dürfen zur Begutachtung der Markt- und Wettbewerbsentwicklung übermittelt werden. 220 Soweit es erforderlich ist, kann die Regulierungsbehörde auch ohne Vermittlung des Wirtschaftsministeriums an Behörden anderer Staaten herantreten. 221 Mit inländischen Behörden kommuniziert sie unmittelbar, lediglich mit obersten Behörden des Bundes oder der Länder verkehrt sie über das Ministerium. 222 Ordentliche Gerichte, die Streitigkeiten von telekommunikationsrechtlicher Bedeutung verhandeln, benachrichtigen die Regulierungsbehörde und beteiligen sie ggf. 223 Zu den gesetzgebenden Körperschaften erhält die Regulierungsbehörde über den Beirat und ihren Tätigkeitsbericht eigenen Zugang. 224 Sie ist also in der Einholung staatsinterner Information auf ein auslösendes Moment, nicht aber auf die Vermittlung des Bundeswirtschaftsministers angewiesen. Die eigene Informationserhebung ist der Regulierungsbehörde nur nach Maßgabe des konkret Erforderlichen gestattet: Auskunftsersuchen gegenüber den Marktteilnehmern und gegenüber ausländischen Behörden sind möglich, soweit es zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich ist (§ 72 Abs. 1 TKG). Eine allgemeine, anlaßunabhängige Auskunftspfliclit dürfte dieser Norm aber nicht

217

Vgl. nur § 75 Abs. 3 S. 2 TKG. Vgl. § 70 Abs. 2 S. 1 u. Abs. 1 TKG. 2,9 Vgl. § 82 S. 6 TKG. 220 Vgl. § 84 Abs. 1 TKG. 221 Vgl. § 83 TKG iVm. § 43 Nr. 2 GO Reg TP u. § 70 GO Reg TP. 222 Vgl. § 69 Abs. 4 GO Reg TP u. § 69 Abs. 1 u. 2 GO Reg TP, § 43 Nr. 2 GO Reg TP. Auch der Bundesbeauftragte für Datenschutz wendet sich nach §91 Abs. 4 S. 2 TKG iVm. Bekanntmachung des Organisationserlasses des Bundeskanzlers v. 17.12.1997, Ziff. II. 2., BGBl. I, S. 68, an das Wirtschaftsministerium. Zur grundsätzlich zweistufigen Datenschutzkontrolle vgl. Ehmer, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 91 Rnr. 19 u. § 87 Rnr. 31. 223 Dazu daß die Beteiligung nach § 80 Abs. 3 TKG iVm. § 90 Abs. 1 u. 2 GWB keine Parteistellung verschafft, Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 81 Rnr. 19. 224 Vgl. § 68 Abs. 5 S. 2 TKG u. § 81 Abs. 1 TKG. 218

. Abschnitt: Die u n e n e Verwaltung

225

zu entnehmen sein. 2 2 5 Denn die Anzeigepflicht und die Berichtspflichten geben der Regulierungsbehörde die Daten an die Hand, die sie für ihre wiederkehrenden Erhebungen benötigt. 2 2 6 Für allgemeine Daten muß sie auf das statistische Material nach § 84 T K G zurückgreifen. Ein eigenes Enquêterecht räumt ihr das T K G nicht e i n . 2 2 7 I m Einzelfall stehen ihren Organen aber weitreichende und mit Beschlagnahme und Durchsuchungsrechten bewehrte Untersuchungs- und Überwachungsbefugnisse z u . 2 2 8 Damit ist die eigene Informationserhebung in der Regulierungsbehörde auf einen konkreten Anlaß angewiesen und auf diesen beschränkt.

2. Die Informationsverteilung der Regulierungsbehörde Den Befugnissen der Regulierungsbehörde, Informationen zu erheben, stehen zahlreiche Pflichten, Informationen zu verteilen, gegenüber. Aus ihnen läßt sich ein Grundsatz transparenter Regulierung ableiten. 2 2 9 Er bildet die Grundlage für die Öffentlichkeitsarbeit der Behörde. Sie gilt nach der Geschäfitsord-

225 Vgl. Kerkhoff, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 72 Rnr. 13 f. Demgegenüber versuchte das BMPT, auf der Grundlage des § 72 TKG, umfassende Geschäftsdaten zu erheben. Es stieß dabei aber auf den Widerstand betroffener Unternehmen. Vgl. BMPT, Mitteilung Nr. 203/1997, Marktbeobachtung Telekommunikation; Erhebung von Daten zum Telekommunikationsmarkt, ABl. BMPT 34/1997, S. 1893; BMPT, Mitteilung Nr. 81/1997, Marktbeobachtung Telekommunikation; Erhebung von Daten gemäß § 72 TKG, ABl. BMPT 17/1997, S. 913. 226

A u f § 4 TKG beruhen die regelmäßig erscheinenden Marktübersichten, vgl. zluetzt Reg TP, Mitteilung Nr. 31/1999, Veröffentlichung der Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen einschließlich Lizenznehmer, ABl. Reg TP 2/1999, S. 152. Zu § 5 TKG und § 33 TKV 1997 vgl. BMPT, Mitteilung Nr. 205/1997, Mitteilungen zur Qualitätsregulierung in der Telekommunikation, ABl. BMPT 34/1997, S. 1894; BMPT, Mitteilung Nr. 204/1997, Veröffentlichung von Informationen nach Artikel 14 der Richtlinie 97/33/EG v. 30. Juni 1997 über die Zusammenschaltung in der Telekommunikation im Hinblick auf die Sicherstellung eines Universaldienstes und der Interoperabilität durch Anwendung der Grundsätze für einen offenen Netzzugang (ONP), ABl. BMPT 34/1997, S.1893. 227 Auch die Monopolkommission, die ebenfalls nach § 81 TKG berichtet, kann Auskünfte nicht verlangen. § 47 GWB macht ihr ähnlich wie § 84 TKG der Regulierungsbehörde nur bestimmte Angaben zugänglich. 228 Vgl. § 31 TKG iVm. §§ 2 u. 6 TEntgV: Kostennachweise zur Entgeltregulierung; § 23 Abs. 2 TKG: Vorlage von Allgemeinen Geschäftsbedingungen; § 22 TKG: Umsatzmeldung nach Auferlegung von Universaldienstleistungen; §§ 76 u. 77 TKG: Untersuchungsbefugnisse der Beschlußkammern; § 49 S. 1 TKG: Überwachung der Frequenzordnung; § 59 Abs. 7 u. 8 TKG: Überwachung von Endeinrichtungen; § 88 Abs. 5 TKG: Jahresstatistik zur Fernmeldeüberwachung; § 91 Abs. 1 S. 2 TKG: Überwachung der Informationssicherheit. 229 Dazu oben S. 179 ff. Vgl. allgemein Stephan W.H. Lodde, Informationsrechte des Bürgers gegen den Staat, Köln u.a. 1996.

15 Oertel

226

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

nung der Reg TP als eine zentrale Aufgabe ihres Präsidenten. 230 Die Geschäftsordnung gibt es ihm allerdings auf, vor öffentlichen Äußerungen von grundsätzlicher, politischer Bedeutung die Zustimmung des Ministeriums einzuholen. 231 In Ausfüllung dieser Bestimmungen pflegt Präsident Scheurle augenscheinlich einen intensiven Kontakt zu den Medien. 232 Seine Behörde erfuhr z.B. im Februar 1998 rasche und nachhaltige publizistische Unterstützung von verschiedenen Seiten, nachdem der Bundeskartellamtspräsident Wolf die Entgeltgenehmigung für die Deutsche Telekom in den Medien kritisiert hatte. 233 Hieran wird deutlich, daß sich die verschiedenen Informationspflichten der Regulierungsbehörde auch als eine Gelegenheit verstehen, öffentlichen Selbstand zu gewinnen.

3. Informierende Institutionen bei der Regulierungsbehörde Institutionellen Rückhalt findet die Öffentlichkeitsarbeit der Regulierungsbehörde in verschiedenen Expertengremien. Insbesondere § 70 Abs. 2 TKG bezieht konkludent das wissenschaftliche Institut fur Kommunikationsdienste (WIK) ein. 234 Es hatte bislang der Deutschen Bundespost und dem Ministerium zugearbeitet und wurde zu 50 % vom Bund, im übrigen von seinen Unternehmen getragen. 235 Der Wortlaut des § 70 Abs. 2 TKG be230

Vgl. § 3 Abs. 1 S. 2, § 43 Nr. 3 u. 4, § 71 GO Reg TP. §71 Abs. 3 S. 2 GO Reg TP. 232 Scheurle hat schon vor Amtsantritt und auch in den ersten Monaten seiner Amtszeit zahlreiche große Interviews gegeben. Vgl. Die Welt v. 15.7.1997, „Scheurle sagt Telekom den Kampf an"; Die Zeit v. 11.7.1997, „ A u f brisantem Posten"; SZ v. 23.10.1997, „Newcomer werden Telephonkunden umwerben"; FAZ v. 30.12.1997, Nr. 302, S. 13 u. 15, „Der Weg für den Telefon-Wettbewerb ist frei"; FAZ v. 29.5.1998, Nr. 123, S. 20, „Scheurle dringt auf baldigen Wettbewerb im Ortsnetz". Zur ersten Jahresbilanz der Reg TP vgl. FAZ v. 19.12.1998, Nr. 295, S. 13, „Scheurle: Die Telefongebühren werden weiter sinken." Seine Medienpräsenz erscheint deutlich höher als etwa die des Bundeskartellamtspräsidenten Wolf obwohl zur gleichen Zeit z.B. die 6. Novelle des GWB verhandelt wurde. 233 Vgl. FAZ v. 9.2.1998, Nr. 33, S. l i u. S. 15, „Wolf: Die Telefonpreise sind rechtswidrig genehmigt worden"; FAZ v. 10.2.1998, Nr. 34 S. 15, „Rexrodt würdigt die Arbeit des Bundeskartellamtes", mit der Bitte, Auseinandersetzungen mit der Regulierungsbehörde nicht öffentlich auszutragen; FAZ v. 11.2.1998, Nr. 35, S. 11, „EUKommission: Telefon-Tarifstruktur prüfen", wonach EU-Kommissar Bangemann in einer „ungewöhnlichen Erklärung", die Regulierungsbehörde gegenüber dem Amt in Schutz nahm; schließlich FAZ v. 13.2.1998, Nr. 37, S. 13, mit dem Artikel „Kartellamt in einem Kreuzfeuer von Kritik" und einem Interview mit Wolf unter der Überschrift „Wir haben den Konflikt mit der Regulierungsbehörde nicht gesucht", (S. 15). 231

234 Vgl. Fraktionsentwurf, BT-Drs. 13/3609, S. 51 Zu §67; Ausschußbericht, BTDrs. 13/4864, S. 74; Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 71 Rnr. 12-16. 235 Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 71 Rnr. 15, weist daraufhin, daß die Deutsche Telekom AG noch 30% der Anteile trägt, und fordert daher, die Organisation

. Abschnitt: Die u n e n e Verwaltung

227

schränkt die Regulierungsbehörde aber nicht auf dieses Institut. Die Behörde kann weiterhin selbst Expertenkommissionen einsetzen 2 3 6 oder Sachverständige heranziehen. 2 3 7 Darüber hinaus w i r d sie auf den Sachverstand der Unternehmen zurückgreifen und sich insbesondere i m Beschlußkammerverfahren deren Konkurrenz zunutze machen. 2 3 8 D e m Zweck des wechselseitigen Informationsaustausches und der Informationsbalance können auch die verschiedenen Arbeitskreise bei der Regulierungsbehörde dienen. In ihnen kommen Behörden- und Unternehmensvertreter regelmäßig zusammen. Teilweise geschieht dies, um die Regulierung von eigentlich hoheitlichen Aufgaben zu entlasten 2 3 9 oder um Auslegungsstreitigkei-

des WIK so zu ändern, daß die Neutralität seiner Arbeit auch institutionell abgesichert wird. 236 Vgl. § 70 Abs. 1 TKG. Die Arbeit des „Wissenschaftlichen Arbeitskreises für Regulierungsfragen" dokumentieren die in CR 1998, 577 veröffentlichten „Leitlinien für die Regulierungspolitik". In der Vergangenheit hatte das BMPT Expertenkommissionen eingesetzt, um allgemein politische Vorarbeit zu leisten, so z.B. die Regierungskommission Fernmeldewesen (dazu oben S. 45 ff) oder die Forschungskommission Regulierung und Wettbewerb (dazu Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 70 Rnr. 5). Daneben beruht aber auch die behördliche Ausgestaltung von Numerierung und Frequenzordnung weithin auf Empfehlungen sachverständiger Kommissionen. Vgl. BMPT (Hrsg.), Frequenzregulierung in Deutschland, Gutachten der Gutachterkommission für Grundsatzfragen der Frequenzregulierung im zivilen Fernmeldewesen, Bonn 1991; Expertengremium für Numerierungsfragen, Abschlußbericht des Expertengremiums für Numerierungsfragen beim Bundesministerium für Post und Telekommunikation, Bonn 1995. 237

Vg. § 61 GO Reg TP. So ist etwa die Einladung, das Kostenmodell für das Ortsnetz zu kommentieren, durchaus als ein Versuch zu verstehen, Gegenpositionen zur hauptbetroffenen Deutschen Telekom AG aufzubauen, die ihrerseits ein Gutachten vorgelegt hat. Vgl. Reg TP, Vfg 15/1998 Entgeltregulierung für die Gewährung von Netzzugang. Aufruf zur Kommentierung: "Ein analytisches Kostenmodell für das Ortsnetz", ABl. Reg TP 4/1998, 658; Reg TP, Vfg 35/1998, Verlängerung der Frist zur Kommentierung „Ein analytisches Kostenmodell für das Ortsnetz", ABl. Reg TP 7/1998, S. 1163; Horst Albach/Günter Knieps, Kosten und Preise in wettbewerblichen Ortsnetzen, Baden-Baden 1997; Vogelsang, Kosten des Ortsnetzes, 1996; Deutsche Telekom AG (Hrsg.), Costing and Pricing in wettbewerblichen Telekommunikationsmärkten. Dazu Scherer, NJW 1998, 1607(1610). 239 So haben sich die Anbieter von Netzzugängen und die Diensteanbieter auf einen gemeinsamen „Verhaltenskodex für Premium-Rate-Dienste" und die Gründung eines „Freiwillige Selbstkontrolle Telefonmehrwertdienste e.V." verständigt, der das Angebot von pornographischen oder sittenwidrigen Mehrwertdiensten kontrollieren soll. Die behördlichen Bedingungen der Rufnummernvergabe fordern dazu auf, diesen Verhaltenskodex zu beachten. Vgl. BMPT, Vfg 301/1997, Festlegungen zur Nutzung der Teilbereiche (0)180 und (0)190 des Nummernraums für öffentliche Telefonnetze, ABl. BMPT 34/1997, S. 1854, Hinweis (2). Zur vergleichbaren Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia (FSM) siehe CR 1997, 580; NJW-Wochenspiegel 33/1997, S. XL, „Multimedia: Selbstkontrolle auf freiwilliger Basis". 238

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

ten beizulegen. 2 4 0 I m wesentlichen sollen die Arbeitskreise aber die technische und betriebliche Erfahrung der Unternehmen in die Regulierung einführen. 2 4 1 Hierbei kommt dem „Arbeitskreis technische und betriebliche Fragen der Numerierung und der Netzzusammenschaltung ( A K N N ) " zentrale Bedeutung z u . 2 4 2 Aus diesem Arbeitskreis und seinen Unterarbeitskreisen gingen 1997 die technischen Empfehlungen hervor, die z.B. in den behördlichen Bedingungen der Numerierung nach § 43 Abs. 2 T K G ihren Niederschlag fanden. 2 4 3 Nach seiner Satzung können i m Arbeitskreis aber neben der Regulierungsbehörde nur Lizenznehmer und von diesen hinzugebetene Herstellerunternehmen M i t g l i e d werden. Daher ist die Regulierungsbehörde in besonderem Maße gehalten, die Empfehlungen des A K N N aus der Sicht nicht repräsentierter Interessen zu überprüfen. 2 4 4 Ihre Kapazität, informationsspeichernde Institute, Kommissionen und A r beitskreise einzurichten und zu unterhalten, verschafft der Regulierungsbehörde interessenlenkenden Einfluß, setzt sie aber auch solchen Einflüssen aus. Die

240 Zum „Arbeitskreis Erhebung von Markdaten Telekommunikation" vgl. BMPT, Mitteilung Nr. 203/1997, Marktbeobachtung Telekommunikation; Erhebung von Daten zum Telekommunikationsmarkt. ABl. BMPT 34/1997, S. 1893; BMPT, Mitteilung Nr. 81/1997, Marktbeobachtung Telekommunikation; Erhebung von Daten gemäß § 72 TKG, ABl. BMPT 17/1997, S. 913; oben Fn. 225. 241

Vgl. etwa BMPT, Mitteilungen Nr. 7/1997 Einrichtung eines "Ausschusses für die technische Regulierung der Nutzung von Rundfunkfrequenzen" (TRR), ABl. BMPT 2/1997, S. 58; BMPT, Mitteilung 70/1995, Arbeitskreis „Sicherheit in der Telekommunikation", ABl. BMPT 18/1995, S.1213. Zu letzterem Helf, CR 1997, 331 (333). Vgl. oben S. 182 ff. Vgl. auch das „Gremium der Benannten Stellen" (GBSt) nach §§ 59 ff TKG, dazu Reg TP, Mitteilung Nr. 53/1998, Hinweise und Informationen zur Anwendung der Beleihungs- und Akkreditierungsverordnung, ABl. Reg TP 6/1998, S. 890. 242 Vgl. BMPT, Mitteilung Nr. 108/1997, Arbeitskreis technische und betriebliche Fragen der Numerierung und der Netzzusammenschaltung, ABl. BMPT 20/1997, S.1021. 243 Das im Arbeitskreis abgestimmte zweigeteilte Verfahren der Rufnummernzuteilung nach § 20 T K V 1997 soll die Behörde der Aufgabe entheben, jedem einzelnen Teilnehmer selbst eine Rufnummer gem. § 43 Abs. 3 S. 1 TKG zuteilen zu müssen. Vgl. im Detail BMPT, Vfg 109/1997, Zuteilung von Rufnummern in den Ortsnetzen; Vorläufige Regeln, ABl. BMPT 13/1997, S. 650. Auch in der Vorgabe von Tarifkategorien für Diensterufnummern haben sich Vorarbeiten des A K N N durchgesetzt. Hier tragen technische Argumente eine kartellrechtlich nicht unbedenkliche Beschränkung der Preisgestaltungsfreiheit. Vgl. BMPT, Vfg 301/1997, Festlegungen zur Nutzung der Teilbereiche (0)180 und (0)190 des Nummernraums für öffentliche Telefonnetze, ABl. BMPT 34/1997, S. 1854. Vgl. zur Rolle des Lenkungsausschusses „Technische Fragen der Numerierung", der dem AK N N zuzuordnen ist, Mellewigt, in: Beck'scher TKGKommentar, § 43 Rnr. 75. 244

Am Beispiel der Standardsicherheit nach § 87 TKG demonstrier. Helf CR 1997, 331 (332f), wie die Behörde sich als Vertreter des Allgemeininteresses versteht und einen Mittelweg zwischen Sicherheitsliberalismus und Extremsicherheit sucht. Vgl. zur ähnlich gelagerten Frage nach der Interessenrepräsentation in privaten Normungsorganisationen Schmidt- Ρ reuß, VVDStRL 56 (1996), S.160 (205 f)·

. Abschnitt: Die u n e n e Verwaltung

229

Verbindung mit dem gesellschaftlichen Interesse verringert die Distanz zu i h m . 2 4 5 Die ministerielle Geschäftsordnung lenkt den Verkehr mit Fachverbänden auf die zuständigen Ministerien, um eine gewisse Balance der Interessen zu erhalten. 2 4 6 Das T K G erkennt hingegen verschiedentlich an, daß die Regulierungsbehörde selbst mit verfaßten Interessengruppen zusammenarbeitet. 2 4 7 Es enthält aber keine Kriterien, die die Zusammensetzung der jeweils einbezogenen Interessengruppen lenken könnten. 2 4 8 Somit erhält die Regulierungsbehörde über die Auswahl konkreter Informationen hinaus eine Möglichkeit, unter den interessenvertretenden Verbänden, Institutionen und Sachverständigen auszuwählen. Die Bedeutung dieser institutionellen Auswahl ist namentlich in einer Situation des Interessenumbruchs nicht zu unterschätzen. 2 4 9 M i t der Umgestaltung des Telekommunikationssektors verändern sich die relativen Positionen der etablierten Verbände. Neben B D I und D I H T treten neugegründete

245

Vgl. nur Steinberg, Politik und Verwaltungsorganisation, S. 242; Dreier, S. 199 f; Welz, S. 117 f. Die anglo-amerikanische Literatur bezeichnet diesen Distanzverlust als „capture" Dazu z.B. Windisch, in: ders. (Hrsg.), S. 1 (34 f)· Eine „unheilige Allianz" zwischen Aufsicht und Unternehmen befürchtet Monopolkommission, Sondergutachten 24, Tz. 34. Der Präsident des Bundeskartellamtes wirkte dem entgegen, indem er die branchenspezifische Zuordnung der Beschlußabteilungen mit dem Rotationsprinzip verband. Vgl. Geberth, AG 1991, 295 (297). 246 Zu § 23 Abs. 3 GGO II Steinberg, Politik und Verwaltungsorganisation, S. 244. Vgl. zum Bestreben des BMWi, die Vertretung bundesdeutscher Interessen auf europäischer Ebene zu koordinieren, BMWi, Mitteilung Nr. 156/1998, ONP-Ausschuß bei der Europäischen Kommission; Beteiligung deutscher Organisationen und Unternehmen an der nationalen Vorbereitung von Ausschußsitzungen, ABl. RegTP 16/1998, S. 1851. 247 Vgl. § 74 Abs. 2 Nr. 3 TKG: „Personenvereinigungen, deren Interessen ... berührt werden". Gegen eine Beiladung von Verbraucherverbänden und Gewerkschaften nach dieser Vorschrift Kerkhoff, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 74 Rnr. 27 unter Verweis auf § 75 Abs. 2 TKG: „Vertretern der ... berührten Wirtschaftskreise". Vgl. auch § 45 Abs. 1 S. 3 TKG: „betroffene... Kreise". Daß diese Formulierung zu eng nur auf die bereits konkret mit der Frequenznutzung befaßten Personen abstelle, bemerken Grotelüschen/Haas, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 45 Rnr. 2. Sie könnten dazu auf den Bundesrat, BT-Drs. 13/4938, S. 13 Ziff. 53, verweisen, der formuliert hatte, die „interessierten Wirtschaftskreise" einzubeziehen. 248 Anders etwa § 29 Abs. 2 BNatSchG. Vgl. zum Sozialrecht Thomas von Winter, Sozialpolitische Interessen: Konstituierung, politische Repräsentation und Beteiligung an Entscheidungsprozessen, Baden-Baden 1997. Allgemein auch Groß, Kollegialprinzip, S. 221 f. 249 Zur mehrfachen Kontingenz der verbandlichen Interessenvertretung zwischen Organisationsfahigkeit, Interessenabsorption und Neubildung von Interessenverbänden, strategischer Nutzung unorganisierter Interessen und staatlicher Organisationshilfe vgl. Edgar Grande/Volker Schneider, Kontingenzen verbandlicher Interessenvertretung, Jahrbuch Telekommunikation und Gesellschaft 1995, 257, als Replik auf Brigitte Bauer, Nutzerorganisationen, Nutzervertretungen, Nutzerkoalitionen, Jahrbuch Telekommunikation und Gesellschaft 1995, 229. Vgl. auch Brigitte Bauer, Verbraucherschutz und Wettbewerb in der Telekommunikation, Berlin u.a. 1996.

230

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

Fachverbände. 230 Der traditionelle Anspruch der Deutschen Po^tgewerkschaft, auch für die Nutzer zu sprechen, steht in Frage. 251 Wie sich die einzelnen Interessen zukünftig artikulieren werden, hängt nicht zuletzt vom Verhalten der Regulierungsbehörde ab. 252 Die Regulierungsbehörde tritt als Informationsmakler die Nachfolge des Postministeriums an. 2D ' Dies gilt auch gegenüber dem Wirtschaftsministerium und dem Beirat. Dem Ministerium berichtet sie auf Anforderung über laufende Verfahren und getroffene Entscheidungen mit Außenwirkung. 254 Dem Beirat erteilt sie auf Verlangen Auskunft. 255 Ohne besonderen Anlaß oder Aufforderung muß sie lediglich alle zwei Jahre dem Parlament berichten. 256 Hier hat sie sich auch der heiklen Aufgabe der Selbstüberprüfung zu stellen und die Kritik der Monopolkommission auszuhalten. Im übrigen läßt das TKG ebensowenig eine allgemeine Berichtspflicht wie eine informationelle Abkoppelung vom Bund, etwa aufgrund besonderer Geheimhaltungsvorschriften, erkennen. 257

4. Die Informationsmächtigkeit der Regulierungsbehörde In der Summe verfügt die Regulierungsbehörde über eine Informationsmächtigkeit, die über die anderer Bundesoberbehörden hinausgeht. Als sektorspezifische Behörde tritt sie einerseits in einen engen, dauernden und auf weniger Teilnehmer beschränkten Kontakt zu einzelnen Unternehmen als etwa das

250

Die bislang getrennten Verbände der privaten Netzbetreiber (VTM) und der Diensteanbietet (VAT) fusionierten 1997 zum VATM, den Präsident Scheurle als einzigen in seiner Einleitung zum ABl. der Reg TP erwähnte. Vgl. ABl. Reg TP 1/1998, 1. Zur Rolle von DIHT und BDI bei der Erarbeitung des TKG vgl. Thorein, Rundfunk und Fernsehen 1997, 286 (293 f). Vgl. auch Raymund Werte, Verbände im Politikfeld Multimedia - Akteure, Rollen, Aufgaben, Jahrbuch Telekommunikation 1995, 201. 251 Vgl. Grande/Schneider, Jahrbuch Telekommunikation und Gesellschaft 1995, 275 (260). Beispielhaft die Kritik des Gewerkschaftsvorsitzenden van Haaren an TKG und PostG laut FAZ v. 15.9.1998, Nr. 214, S. 19, „Aufsicht kontrolliert Einhaltung des Postgesetzes nicht" und die Antwort des Bundeswirtschaftsministers Rexrodt, FAZ v. 16.9.1998, Nr. 215, S. 15, „Kritik an Postgewerkschaft". 252 Insoweit bleibt die Kompetenz der Behörde aber noch unterhalb der Schwelle, jenseits derer eine rechtsverbindliche Regulierung durch Organisation und Verfahren einsetzt. Dazu Christoph Engel, Regulierung durch Organisation und Verfahren, in: Ulrich Immenga/Wernhard Möschel/Dieter Reuter (Hrsg.), FS-Mestmäcker, Baden-Baden 1996, S. 119. 253 Dazu oben S. 91 f. 254 § 69 Abs. 3 GO Reg TP. 255 Vgl. § 68 Abs. 7 S. 3 TKG, § 69 Nr. 4 TKG. 256 §81 Abs. 1 u. Abs. 3 TKG. 257 Vgl. als Ausnahme § 75 Abs. 3 TKG. Weiterführend Christian Hechel, Behördeninterne Geheimhaltung, N V w Z 1994, 224.

. Abschnitt: Die u n e n e Verwaltung

231

Bundeskartellamt. Sie kann ihre Kompetenz auf einen technisch komplexen Wirtschaftssektoren konzentrieren und sich darin einen beträchtlichen Informationsvorsprung gegenüber anderen Stellen des Staates erarbeiten. Die Eigenheiten des Privatisierungsprogrammes bringen es zudem mit sich, daß die Regulierungsbehörde mit der politischen Zentrale über mehrere Schnittstellen verbunden wird: 2 5 8 Über die Berichtspflicht und die ministeriellen Aufsicht, die auch das Bundeskartellamt kennt, 259 hinaus findet die Tätigkeit der Regulierungsbehörde auch über den Beirat und nicht zuletzt dank der finanzministeriellen Beteiligung am größten regulierten Unternehmen politische Aufmerksamkeit. Inwieweit es der Regulierungsbehörde gelingt, diese informationelle Grundmacht tatsächlich zu nutzen, hängt von ihrer informationellen Binnenstruktur ab. Zu ihr schweigt das Gesetz. Die Geschäftsordnung versucht, die Menge und Bandbreite der ein- und ausgehenden Informationen über die klassische Referatsgliederung und den präsidentiellen Vorbehalt allgemeiner bzw. grundsätzlicher bzw. politischer Entscheidungen zu kanalisieren. 260 Das Verfahrensrecht bildet also lediglich Kragsteine aus, auf die sich eine weittragende Informationsarchitektur stützen läßt. Gelingt es der Behörde, ihre interne und externe Kommunikation effektiv zu organisieren, kann die verfahrensrechtlich angelegte Informationsmächtigkeit der Regulierungsbehörde ihre politische Unabhängigkeit fordern.

III. Fazit Das Verfahrensrecht des TKG räumt der Regulierungsbehörde keine umfassende Zuständigkeit für die gesamte Telekommunikation ein. Die Behörde ist vorwiegend mit der Rechtsüberwachung betraut (§71 S. 1 iVm. § 66 Abs. 1 TKG). Sie berichtet aber selbst dem Parlament (§ 81 Abs. 1 TKG) und dem Beirat (§§ 67 ff TKG). Insofern teilt sie sich die Fähigkeit zur Politikentwicklung mit dem Ministerium. Den Organen der Behörde räumt das TKG Informationsbefugnisse unterschiedlicher Reichweite ein (vgl. §§ 70, 72, 75-77, 82-84 TKG). Die jeweiligen Verfahrensrechtsverhältnisse sind grundsätzlich transparent zu halten. Über die

258 Vgl. dazu Dreier, S. 153: „ M i t der Komplexität der Systemumwelt wächst der politische Grenzbereich und die Zahl der ,Grenzstellen 4, die stets ein gestiegenes Maß an Autonomie signalisieren." 259 Vgl. § 66 Abs. 1 TKG u. § 51 Abs. 1 GWB; § 81 Abs. 1 u. 3 TKG u. § 53 GWB. 260 Vgl. § 4 Abs. 3 GO Reg TP zur Referatsgliederung; § 9 Abs. 3 S. 1, § 11 Abs. 1, § 43 S. 2 Nr. 3 GO Reg TP zum Vorbehalt von Entscheidungen allgemeiner, politischer oder grundsätzlicher Bedeutung.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

weitreichende Kommentierungspraxis öffnet sich die Regulierung gesellschaftlichen Interessen. Dabei verfügt die Regulierungsbehörde nicht nur über die Kapazität, einzelne Informationen auszuwählen. In einer Phase, in der sich institutionalisierter Sachverstand und verbandliche Interessenvertretung reorganisieren, kann sie auch auf die aggregierte Artikulationsfähigkeit von Interessen einen gewissen Einfluß nehmen. Im Schnittpunkt von Beirat, Ministerium und Unternehmen dürfte die Regulierungsbehörde daher der zentrale Informationsmakler bleiben. Das Verfahrensrecht des TKG mißt ihr eine beträchtliche Informationsmächtigkeit zu. Deren politische Qualität wird davon abhängen, ob die Behörde selbst eine effektive Kommunikationsstruktur entwickeln kann.

E. Die materiell-rechtliche Zuordnung der Regulierungsbehörde zum Bund Materielle Steuerungsinstrumente des Bundes und seines Ministers lassen sich in abstrakt-generell wirkende, gesetzliche, verordnungs- oder weisungsförmliche Vorschriften einerseits (I) und individuell-konkret ansetzende Einzelweisungen andererseits (II) einteilen.

I. Die abstrakt-generelle

Programmierung

Abstrakt-generelle Steuerung erfährt das Handeln der Regulierungsbehörde zunächst und im wesentlichen aus dem TKG (1). Hinzu treten einzelne Verordnungen, in denen die Bundesregierung aber von ihrer Ermächtigung nur zurückhaltend Gebrauch macht (2). Dazu allgemeine Weisungen nur zurückhaltend auszusprechen, hält das Gesetz den Bundeswirtschaftsminister implizit an (3).

1. Die gesetzliche Regelungsdichte des TKG Das Telekommunikationsgesetz setzt das bereits recht detaillierte europäische Telekommunikationsrecht in nationales Recht um. 2 6 1 Es geht an Regelungsumfang und Regelungsdichte weit über seine Vorgänger, FAG und PTRegG, hinaus. 262 Dazu übernimmt es weithin die bisherigen Regelungen für Endgeräte.26^ Die Bestimmungen über den Datenschutz, die schon in das FAG 261 Zum europäischen Telekommunikationsrecht Verweise bei Scherer, NJW 1996, 2953 (2954). 262 Überblick bei Scherer, NJW 1996, 2953. 263 Vgl. § 2a-§ 5e FAG mit dem Neunten Teil des TKG.

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233

Eingang gefunden hatten, 264 baut das TKG im Elften Teil zu einer umfassenden Regelung der Informationssicherheit aus. 265 Erstmals regelt es Fragen der Numerierung und der Frequenzordnung gesetzlich (§§ 43-49 TKG). 2 6 6 Lizenzierung, Universaldienstversorgung, Entgeltregulierung und Netzzugang widmet das Gesetz jetzt umfangreiche und detaillierte Abschnitte. Das PTRegG hatte die Pflichtleistungen noch in einem Paragraphen abgehandelt (§ 8 PTRegG); die Tarifgenehmigung konnte sich lediglich an den Regulierungszielen orientieren (§ 4 Abs. 2 PTRegG). Die Verleihung von Betriebsrechten stand weithin im Ermessen des Bundespostministers (§ 2 Abs. 1 FAG). Demgegenüber bestimmt das TKG die Lizenzierungsvoraussetzungen und das Vergabeverfahren (§§ 8 u. 11 TKG); es setzt verbindliche Maßstäbe für die Entgelte (§ 24 TKG) und gewährt ein Recht auf Netzzugang (§ 33 und § 35 TKG), das in Anlehnung an die kartellrechtliche Rechtsprechung deutlich konturiert ist. Im Vergleich zur bisherigen Rechtslage verfügt das Telekommunikationsrecht mit dem TKG um ein umfassendes gesetzliches Regelwerk. In seinem Vollzug ist die Regulierungsbehörde an den Bund angebunden.

2. Die Verordnungen nach dem TKG Das TKG ist allerdings nicht überall aus sich selbst heraus vollzugsfahig. Es enthält 18 Verordnungsermächtigungen, die von der Bundesregierung und ihren Ministern, teilweise unter Mitwirkung des Bundesrates oder Bundestages auszufüllen sind. 267 Diese Verordnungen wurden sogleich als Marksteine der Marktöffnung erkannt, 268 konnten aber nur beschränkte Orientierung bieten. Ausführliche Regelungen enthalten die allerdings erst 1 Jahr nach Inkrafttreten des TKG erlassene Kundenschutz- und die Datenschutzverordnung. 269 Beide konnten auf frühere Regelungen aufbauen. 270 Nur tastend betrat die Bundesre264

Vgl. §§ 11-14 FAG u. § 10 PTRegG. Zum Schutz von Informationsvorgängen grundlegend Trute, VVDStRL 57 (1998), S. 216 (257 ff). 266 § 3 Abs. 2 PTRegG hatte die Aufgaben der Frequenzverwaltung lediglich grob umrissen; die Numerierung war nicht erwähnt. 267 Zusammenstellung der Ermächtigungsgrundlagen bei Kerkhoff, in: Beck'scher TKG-Kommentar. Anh § 71. Zum Erlaß der ersten 10 Verordnungen bis Anfang 1998 vgl. die Nachweise bei. Scherer, NJW 1998, 1607 (1608). 268 Vgl. Scherer, NJW 1996, 2953 (2962). 269 Vgl. Telekornmunikations-Kundenschutzverordnung (TKV) v. 11.12.1997, BGBl. I, S. 2910, die aufgrund des § 41 Abs. 1 TKG mit Zustimmung des Bundesrates von der Bundesregierung erlassen wurde. Die Telekommunikationsdatenschutzverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates nach § 89 Abs. 1 S. 1 TKG steht noch aus. 270 Vgl. Telekommunikationsdienstunternehmen-Datenschutzverordnung v. 12. Juli 1996, BGBl. I, S. 982, abgedr. bei Büchner, in: Beck'scher TKG-Kommentar, Anh § 89, 265

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

gierung das Neuland der Universaldienstleistungen, der Entgeltregulierung und des besonderen Netzzuganges. Die jeweiligen Verordnungen, die zum Teil auf schwierigen Kompromissen mit dem Bundesrat beruhen, weisen kaum über die gesetzlichen Regelungen hinaus: Die Universaldienstleistungsverordnung 271 benennt die bereitzustellenden Dienstleistungen und setzt eine Entgeltgrenze. 272 Über die Einhaltung und damit auch über die weitere Konkretisierung dieser Maßstäbe entscheidet die Regulierungsbehörde (§ 17 Abs. 2 S. 3 TKG). 2 7 3 Die Entgeltregulierungverordnung 274 gestaltet das Verfahren der Tarifgenehmigung aus. Sie gibt dem sog. „Price Cap"-Verfahren nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 TKG den Vorrang gegenüber einer kostenorientierten Genehmigung für jede einzelne Dienstleistung nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 TKG. 2 7 5 Das zentrale Kriterium „Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung" (§ 24 Abs. 1 S. 1 1. Hs. TKG) bestimmt sie näher und gibt mit dem Vergleichsmarktkonzept einen Prüfüngsmaßstab vor. 2 7 6 Auch fur das „Price Cap-Verfahren" enthält sie Anhaltspunkte. 277 Die Entscheidung über die einzelnen Rechnungsgrößen überläßt die Verordnung aber der Regulierungsbehörde, die sich ihrerseits wissenschaftlicher Unterstützung bedient. 278

und bei Scheurle/Lehr/Mayen, S. 101, sowie § 97 Abs. 4 TKG u. die Telekommunikations-Kundenschutzverordnung (TKV 1995) v. 19.12.1995, BGBl. I, S. 2020, abgedr. in Scheurle/Lehr/Mayen, S. 123. 271 Telekommunikations-Universaldienstleistungsverordnung (TUDLV) v. 30.1.1997, BGBl. 1, S. 141, abgedr. im wortgleichen Entwurf bei Scheurle/Lehr/Mayen, S. 83. 272 § 2 TUDLV verweist auf für den Sprachtelefondienst auf den Durchschnittspreis von Ende 1997 und erhebt damit im Einklang mit § 97 Abs. 1 TKG das bisherige Monopolangebot zum Maßstab. Die Durchschnittspreisbildung dürfte sich aber als praktisch schwieriger erweisen, als es nach § 2 Abs. 1 TUDLV den Anschein hat. Vgl. zur Konkretisierung der TUDLV auch Reg TP, Mitteilung Nr. 127/1999, Kriterien der Reg TP zur Sicherstellung einer flächendeckenden Bereitstellung von öffentlichen Telefonstellen, ABl. Reg TP 6/1999, S. 1127. 273 Vertiefend Schütz/Cornils, Universaldienst und Telekommunikation, DVB1. 1997, 1146 mit Bedenken gegen die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Universaldienstabgabe (1151 ff). 274 Telekommunikations-Entgeltregulierungsverordnung (TEntgV) v. 1.10.1996, BGBl. I, S. 1492, erlassen aufgrund des § 27 Abs. 4 von der Bundesregierung ohne Zustimmung des Bundesrates. 275 Vgl. § 1 Abs. 1 TEntgV. 276 Vgl. § 2 TEntgV. 277 § 4 TEntgV. Vgl. Mitteilung Nr. 202/1997 Price-Cap-Regulierung Telefondienst, ABl. BMPT 34/97, S.1891. 278 Vgl. § 70 TKG. Vfg 15/1998 Entgeltregulierung für die Gewährung von Netzzugang. Aufruf zur Kommentierung: „Ein analytisches Kostenmodell für das Ortsnetz", ABl. Reg TP 4/98, S. 658; Reg TP, Vfg 35/1998, Verlängerung der Frist zur Kommentierung „Ein analytisches Kostenmodell für das Ortsnetz", ABl. Reg TP 7/1998, S. 1163. Auch das Gutachten von Horst Albach/Günter Knieps, Kosten und Preise in wettbewerblichen Ortsnetzen, Baden-Baden 1997, ist im Zuge der Interconnection-

. Abschnitt: Die u n e n e Verwaltung

235

Die Netzzugangs Verordnung 279 schließlich befaßt sich mit der gerade zu Beginn der Marktöffnung drängenden Frage, wie alte und neue Netze zusammenzuführen sind. Inhaltlich enthält sie dazu wenig mehr als ein - in seiner Reichweite umstrittenes - Entbündelungsgebot, eine Verpflichtung zur Kollokation und Verfahrensvorschriften. 280 Auch hier liegt die Last der Konkretisierung bei der Regulierungsbehörde. In der Summe wird die exekutive Verordnung als Instrument der Regierung dort nur verhalten genutzt, wo Regulierungserfahrung noch gewonnen werden muß. 281 Aus einen Stadium der Kodifikationsunreife ergeben sich ggf. gerichtlich zu strukturierende Handlungsspielräume für die Regulierungsbehörde.

3. Allgemeine Weisungen, § 66 Abs. 5 TKG Ein weiteres einer Kodifikation vorgreifendes Handlungsinstrument wäre die Verwaltungsvorschrift. 282 Das TKG räumt dem Bundeswirtschaftsminister ausdrücklich die Möglichkeit ein, allgemeine Weisungen für den Erlaß oder die Unterlassung von Entscheidungen nach dem Gesetz zu erteilen. 283 § 66 Abs. 5 TKG verpflichtet ihn aber weiterhin, diese Weisungen zu veröffentlichen. Dies ist im Anschluß an § 52 GWB als eine subtile Einschränkung des ministeriellen Weisungsrechts zu lesen. Denn die Veröffentlichungspflicht soll sowohl die Transparenz des Verfahrens erhöhen als auch den Erlaß von Weisungen hemmen. 284 Dem Wirtschaftsminister wird damit die Einflußnahme auf außenwirksame Entscheidungen erschwert. 285

Verhandlungen verfaßt worden. Vgl. weiter Volker Großkopf/Klaus Ritgen, Entgeltgenehmigung nach dem Telekommunikationsgesetz, CR 1998, 86. 279 Verordnung über besondere Netzzugänge (NetzzugangsVerordnung - NZV) v. 23.10.1996, BGBl. I, S. 1568, abgedr. bei Scheurle/Lehr/Mayen, S. 91. 280 Vgl. Hans-Willi Hefekäuser/Christoph Dreier, Der gesetzliche Rahmen für Netzzugang und Netzzusammenschaltungen, CR 1997, 110; Norbert Nolte , Das Recht auf Netzzugang nach dem Telekommunikationsgesetz, BB 1996, 2629. Vgl. unten S.393 ff. 281 Unterschwellige Kritik an der Unvollständigkeit des verordnungsrechtlichen Regelwerkes bei Scherer, NJW 1998, 1607 (1615). 282 Zu deren Bedeutung im Zuge der Postreform I u. II oben S. 52 ff. 283 Vgl. zu Verwaltungsvorschriften Dreier, S. 191 ff; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 340 f. 284 Vgl. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 66 Rnr. 19; Klaue, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 49 Rnr. 4. 285 Dazu zählen nicht die Entscheidungen im Rahmen der Organisations- und Dienstgewalt. Für die Geschäftsordnung enthält § 66 Abs. 2 S. 2 TKG eine Spezialregelung; dienstliche Fragen sind nicht Gegenstand des TKG. Ebenso Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 66 Rnr. 21; Finkelnburg, in: Frankfurter Kommentar, § 49 Rnr. 6.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

Die Beschränkung exekutivischer Fremdprogrammierung harmoniert mit einer Stärkung der Eigenprogrammierung. Die Regulierungsbehörde soll nach §81 Abs. 2 TKG ihre Verwaltungsgrundsätze fortlaufend veröffentlichen. 286 Darin liegt zunächst ein Auftrag an die Behörde, solche Grundsätze selbst zu bilden. Über die Veröffentlichung wird sodann deren Selbstbindungskraft faktisch gestärkt. 287 Die Regulierungsbehörde genießt also unterhalb der außenrechtsförmlichen Vorgaben eine privilegierte Stellung in der Formulierung allgemeiner Leitlinien.

IL Die konkret-individuelle

Weisung

Mit der Einordnung in seinen Geschäftsbereich wird das Bundeswirtschaftsministerium zur Aufsicht der Regulierungsbehörde. Unter Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG ist die Aufsicht ein Auffanginstitut der Anbindung an den Bund, ohne daß ihre einzelnen Instrumente und Maßstäbe abschließend be288

stimmt wären. Eine Rechtsaufsicht besteht regelmäßig gegenüber rechtlich verselbständigten Verwaltungsträgern. 289 Sie steht auch für die Regulierungsbehörde außer Frage. 290 Ihr ist allerdings die Beschränkung auf eine rechtliche Kontrolle immanent. 291 Es wäre widersinnig, die gesetzliche Programmierung und die institutionelle Verselbständigung über eine extensive Rechtsaufsicht gleichsam rückgängig zu machen. 292

Allerdings kann insoweit aus anderen Gründen eine Veröffentlichung geboten sein. Für die Veröffentlichung von Zuständigkeitsregelungen vgl. schon Wolff, in: Wolff/Bachof II, § 72 IV a), S. 24. 286 Zur zunehmenden Bedeutung von Verwaltungsvorschriften in der englischen Regulierung Baldwin/McCrudden, S. 27. 287 Vgl. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 81 Rnr. 7. 288 Vgl. Burmeister, S. 254 f. Hier ist mit Wolff in: Wolff/Bachof II, § 77 II c) u. d), S. 104-109 zwischen Umfang und Mittel der Aufsicht bzw. mit Krebs, in: Isensee/Kirchhof III, § 69 Rnr. 41 zwischen Kontrolldichte und Zugriffsinstrument zu unterscheiden. 289 Vgl. nur Krebs, in: Isensee/Kirchhof III, § 69 Rnr. 42; Schröder, JuS 1986, 371 (372 f). 290 Grämlich, CR 1998, 463 (466) meint allerdings ohne weitere Begründung, es sei nicht möglich rechtswidrige Beschlußkammer-Entscheidungen zu beanstanden. 291 Zu den Grenzen der Rechtsaufsicht vgl. auch Brosius-Gersdorf S. 49 f u. S. 171. 292 Dreier, S. 289; Zur Trennung zwischen Aufsicht und Leitung vgl. Burmeister, S. 260. Aus britischer Sicht Baldwin/McCrudden, S. 40 f. Für eine Überprüfung des Aufsichtsbegriffs Rainer Pitschas, Struktur- und Funktionswandel der Aufsicht im Neuen Verwaltungsmanagement, DÖV 1998, 907.

. Abschnitt: Die u n e n e Verwaltung

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Zu dem Institut, in dem die Fachaufsicht kulminiert, 293 äußern sich hingegen weder TKG noch das BegleitG. Die Einzelweisung, mit deren Hilfe der Minister über § 66 Abs. 5 TKG hinaus der Behörde ein aus seiner Sicht zweckmäßiges Verhalten vorschreiben könnte, erwähnen die Gesetze nicht. 294 Da die Präsidenten der Behörde in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis stehen, ist auch die beamtenrechtliche Gehorsamspflicht (§ 55 S. 2 BBG) nicht unmittelbar einschlägig. Inwieweit das gesetzliche Schweigen zur Einzelweisung ein beredtes sein kann, wird sogleich zu vertiefen sein. Vorerst soll diese Frage offen bleiben, um ein Zwischenergebnis festzuhalten.

F. Zwischenergebnis Die institutionelle Stellung als Bundesoberbehörde, der dienstliche Status ihres Personals, ihr Verfahrensrecht und ihr materielles Programm ordnen die Regulierungsbehörde dem Bund zu. Das Gesetz ordnet die Behörde deswegen aber nicht vorbehaltslos dem Bundeswirtschaftsminister unter. Auch in der Form der Bundesoberbehörde verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, Regulierungsentscheidungen unabhängig zu stellen. Die institutionellen Kapazitäten zu einer politischen Verselbständigung wurden zwar einerseits durch die Eingliederung des Bundesamtes für Post und Telekommunikation belastet, andererseits aber durch die Verteilung der Geschäftsordnungsgewalt zugunsten des Präsidenten gestärkt. Personell genießen die Bediensteten der Regulierungsbehörde noch einen ministeriellen Status. Ihre Präsidenten stehen in einem öffentlichrechtlichen Amtsverhältnis, aus dem der Minister sie nicht entlassen kann. Das Erfordernis eines regierungskollegialen Entlassungsbeschlusses aus wichtigem Grund verleiht der Behördenleitung eine erhebliche personelle Unabhängigkeit. Im Verfahrensrecht kann die Behörde ministeriumsähnliche Informationsmächtigkeit erlangen. Sie ist sowohl zur Eingangsinstanz fachlicher Information als auch zum Ausgangspunkt politischer Impulse bestimmt. In der Nachfolge des Postministeriums bleibt sie ein wichtiger Informationsmakler. 295 Ihre Informationsmächtigkeit stützt die Entscheidungsfreiheiten, die der Regulierungsbehörde unter dem materiellen Recht verbleiben. Hier hat die exekutive Normsetzung das bereits relativ dichte gesetzliche Rahmenwerk nur um weni-

293 Vgl. Schröder, JuS 1986, 371 (373). Aus der älteren Literatur Vorbrugg, S. 56 f. Daß ein Selbsteintrittsrecht der übergeordneten Behörde nur für die Reg TP unwahrscheinlichen in Ausnahmefallen besteht, zeigt Ulrich Guttenberg, Weisungsbefugnisse und Selbsteintritt, Berlin 1992, auf. 294 Zur Abgrenzung der Einzelweisung von der allgemeinen Weisung vgl. Füßlein, S. 116 ff. 295 Zum Ministerium oben S. 81 ff.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

ges präzisiert. Allgemeinen Weisungen steht das Publizitätserfordernis entgegen. Zu Einzelweisungen verhält sich das Gesetz nicht ausdrücklich. In der Bilanz ist das Handeln der Regulierungsbehörde daher mangels eigener Rechtsfähigkeit dem Bund zuzurechnen. Aufgrund der genannten Faktoren ist es ihm auch zuzuordnen. Die Behörde unterliegt zumindestens im Ansatz allgemeinen Weisungen und Rechtsverordnungen, die Benennung der Behördenleitung liegt in den Händen der Bundesregierung und des Beirates, das Ministerium übt die Haushaltsgewalt und eine allerdings nur strukturelle Organisationsgewalt aus. Die Regulierungsbehörde ist als Organisation nur in diesen Grenzen autonom. Sie kann insgesamt als bundeseigene Verwaltung iSd. Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG gelten. Ungeachtet der Anbindung an den Bund scheint sie sich aber einer bundesministeriellen Einflußnahme im Einzelfall entziehen zu wollen und einen Weg jenseits der Ministerialhierarchie zu suchen.

Zweiter Abschnitt

Die Regulierungsbehörde als weisungsgebundene Verwaltung Mit der Zuordnung der Regulierungsbehörde zum Bund ist also über das Ausmaß ihrer Unterordnung unter den Bundeswirtschaftsminister noch nicht entschieden. Ausdrücklich ermächtigt das TKG ihn lediglich dazu, der Behörde allgemeine Weisungen zu erteilen (§ 66 Abs. 5 TKG). Offen bleibt im Wortlaut des Gesetzes, ob der Minister die Organe der Behörde im Einzelfall anweisen kann.

A. Die Einzelweisungsfreiheit als Schlüssel zur politischen Unabhängigkeit In der Frage, ob die ministerielle Einzelweisung zulässig ist, liegt der Schlüssel zur politischen Verselbständigung der Regulierungsbehörde. Auf diese Frage laufen auch die in der Einleitung zitierten Stellungnahmen zur Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde zu. 2 9 6 Zwei gegensätzliche Antworten sind denkbar: (1) Einerseits kann die Weisungsbindung als Verwirklichung des hierarchischen Prinzips und damit als verfassungsrechtlich notwendiges verwaltungsorganisatorisches Korrelat parlamentarischer Demokratie angesehen werden. 297 296

Oben S. 30. Dies wird für das TKG vertreten von Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, München 1997, § 66 Rnr. 20 u. 25; Ulmen/Gump, Die neue Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post, CR 1997, 396 (40lf); Windthorst, Universaldienst, 297

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

239

Dann wäre sie in verfassungskonformer Auslegung auch dort gegeben, w o das T K G sie nicht eigens erwähnt. (2) Andererseits läßt sich die Weisung als ein abdingbares Funktionselement ministerieller Organisation betrachten, das gegenüber besonderen Sacherfordernissen zurücktritt und damit den B l i c k auf eine pluralisierte Verwaltungswirklichkeit öffnet, in der Legitimationsanforderungen eigener A r t zu bewältigen s i n d . 2 9 8 Dann wäre die verfassungsrechtliche Notwendigkeit der Weisungsbindung i m B l i c k auf das jeweilige institutionelle Arrangement und seine Funktionsbedingungen zu bestimmen. Das Schweigen des T K G könnte von Verfassungs wegen auch dahin fuhren, daß Organe der Regulierungsbehörde weisungsfrei entscheiden. I n den beiden gegensätzlichen Standpunkten berührt das Telekommunikationsrecht die verfassungs- und verwaltungsorganisationsrechtlichen Grundlagen der Weisungsbefugnis. Sie verwirklicht das hierarchische Prinzip (I); überträgt ministerielle Legitimation auf den weisungsunterworfenen Entscheidungsträger (II) und bestimmt darüber, inwieweit die Regulierungsbehörde einem Ministerialmodell der Bundesverwaltung folgt (III).

S. 444 f; ders., in: Sachs, Art. 87 f Rnr. 32 f (Vorbehalt des ministeriellen Letztentscheidungsrechts); Ebsen, DVB1. 1997, 1039 (1043) und im Ansatz auch von Grämlich, CR 1998, 463 (464). Im allgemeinen Verfassungsrecht verficht diese Auffassung nachdrücklich Jestaedt, Kondominialverwaltung, passim. Ähnlicher Ansicht Sachs, in: Sachs, Art. 20 Rnr. 41. Verfassungsorganisationsrechtlich stützt diese Auffassung das Bauprinzip der Hierarchie. Dazu Loschelder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 68. 298 Einen zumindest teilweise ministerialfreien Raum eröffnet das TKG in Ausfüllung des Privatisierungsauftrages (Art. 87 f GG) nach Ansicht von Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 87f Rnr. 112, und Möschel, MMR-Beilage 3/1999, S. 3 (5). Müller-Terpitz, ZG 1997, 257 (271 f) folgt dem im Ansatz, beschränkt die Weisungsfreiheit aber institutionell auf die kollegial verfaßten Beschlußkammern in der Regulierungsbehörde und temporär auf die besondere Wettbewerbssituation. Ebenso Kerkhoff, in: Beck'scher TKGKommentar, München 1997, § 73 Rnr. 32 unter Hinweis auf das justizähnliche Verfahren und die Ansicht des Postausschusses, BT-Drs. 13/4864, S. 82 Zu § 77 Abs. 1, der die Beschlußkammern ausdrücklich als „unabhängig" bezeichnete. So auch Börnsen, in: Witte (Hrsg.), S. 11 (13). Eine „eingeschränkte Fachaufsicht" beobachtet Kemmler, Arch PT 1996, 321 (329). Ähnlich Grämlich, CR 1998, 463 (466). Nolte, CR 1996, 459 (464) hält es wohl für grundsätzlich möglich, einen weisungsfreien Raum zu eröffnen, sieht aber weder für die Regulierungsbehörde noch für das Bundeskartellamt hinreichende Rechtfertigungsgründe. Windthorst, Universaldienst, S. 441, hält zwar die Weisungsfreiheit verfassungsrechtlich für möglich, vermißt aber eine dahingehende einfachgesetzliche Anordnung (S. 444 f). Aus dem allgemeinen Verfassungsrecht neigen namentlich Oebbecke, S. 66; Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 65 Rnr. 101 und Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. I, § 22 Rnr. 22, zu differenzierenden Lösungen. Zur Pluralisierung der Verwaltung aus staatsrechtlicher Sicht als Bedingung ihrer Leistungsfähigkeit Dreier, S. 213 f, S. 248, S. 307 und passim. Alternativen zur Weisungsbindung lotete bereits Schuppert, Verselbständigte Verwaltungseinheiten, S. 376-381 aus.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

/. Die Weisung und das hierarchische Prinzip im demokratischen Staat Als Instrument geht die Einzelweisung weiter als bloß negierende, voraussetzungs- und vorlagegebundene Selbsteintritts-, Kassations-, Beanstandungs-, Widerspruchs-, Genehmigungs299- und Letztentscheidungsrechte 300 . 301 Nur die Weisungsbefugnis verleiht ein tendenziell unbeschränktes Selbstentscheidungsrecht. Sie leuchtet in den letzten Winkel des Ressorts hinein. 3 0 2 Die Weisung unterstützt damit die Leistungsfähigkeit der Verwaltung nach außen und die Verwirklichung des Leistungsprinzips nach innen. 303 Mit einer Weisung kann der Minister Maßstäbe setzen und für gleichmäßigen, sachkundigen und effektiven Vollzug sorgen. Die ministerielle Weisung aktualisiert die Verantwortung des Angewiesenen wie des Anweisenden; das Weisungsrecht balanciert, namentlich über Gehorsamspflicht und Remonstrationsrecht, 304 demokratische Wandlungsfähigkeit und rechtsstaatliche Kontinuitätsgewähr aus. Mit Hilfe der Weisung kann der Minister die auf seinen Zuständigkeitsbereich verengte Perspektive des Amtswalters aus der übergeordneten Perspektive neu orientieren, Allgemein- und Querschnittsbelange gegenüber Sonderinteressen akzentuieren. In der Weisung führt er dem Angewiesenen vor Augen, daß er in einem gesteuerten Gesamtzusammenhang steht. 305 In den Worten von Paul Kirchhof. „Die Weisung erneuert den Amtsauftrag im Konkreten, Individuellen und Gegenwärtigen". 306

299

Vgl. auch § 66 Abs. 2 S. 2 TKG: Bestätigung der Geschäftsordnung durch den

BMWi. 300 Vgl. § 66 Abs. 3 S. 3 TKG für ein personelles Letztentscheidungsrecht der Bundesregierung. 301 Vgl. im einzelnen die Darlegung bei Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 108 f u. 343 f; Oebbecke, S. 6 u.16 f; Brosius-Gersdorf S. 48 f; Klein, S. 48-55, Füßlein, S. 121 ff; Wolff in: Wolff/Bachof II, § 77 II d) 2., S. 108 f. 302 Diese Formulierung von F. Frhr. Marschall v. Bieberstein, Die Verantwortlichkeit der Reichsminister, in: Anschütz/Thoma (Hrsg.), Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. 1, 1930, S. 520 (526) zitiert Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 137. Vgl. weiter Oebbecke, S. 17. 303 Zum folgenden Kirchhof in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 59 Rnr. 169 f; Oebbecke, S. 4 f. 304 Vgl. § 56 Abs. 2 u. 3 BBG; § 38 Abs. 2 u. 3 BRRG. Dazu Loschelder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 68 Rnr. 92-102; Dieter Romann, Remonstrationsrecht und Remonstrationspflicht im Beamtenrecht: eine Untersuchung über den Konflikt zwischen der Gehorsamspflicht und der Eigenverantwortlichkeit des Amtswalters für Gesetz-, Recht- und Zweckmäßigkeit staatlichen Handelns, Speyer 1996. In der Praxis gehört die Remonstration laut Stößenreuther, S. 250, aber zu den „traurigsten Kapiteln der behördeninternen Kontrolle". 305 Vgl. auch Stößenreuther, S. 91. 306 Kirchhof; in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 59 Rnr. 170. Ihr Gebrauch liegt deswegen sowohl im Interesse des Weisungsbefugten als auch - wegen der

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

241

Mutatis mutandis gilt das Vorgesagte sowohl für die beamtenrechtliche als auch für die arbeitsvertragliche Weisung. Denn die Weisung ist ein Funktionselement eines öffentlichen und privaten Bürokratien gemeinsamen Organisationsgrundsatzes. In ihr findet das hierarchische Prinzip seine Verwirklichung. 307 Dieses Prinzip wiederum charakterisiert in besonderer Weise die Ministerialverwaltung. Sie hat das Grundgesetz vorgefunden, normativ unterfangen 308 und in seinen Dienst gestellt. Daher orientiert sich auch die Verwaltungsrechtswissenschaft unter dem Grundgesetz zunächst am weisungsgeprägten, hierarchisch geschichteten Modell der Ministerialverwaltung. 309 Es wird ihr aber zunehmend deutlich, daß dieses Modell in seiner Schlichtheit ausgesprochen voraussetzungsvoll ist. 310 Das Modell bildet insbesondere diejenigen Bereiche nicht ab, in denen der Staat gesellschaftliche Funktionsträger in seine Verwaltung einbezieht, sich über Formen funktionaler Selbstverwaltung, kondominialer Gremienbesetzung oder (grundrechtlich getragener) Kooperationsverhältnisse pluralisiert. 311 Aber auch im Eigenbereich des Staates hängt die prägende Kraft des hierarchischen Prinzips davon ab, ob die Umweltverhältnisse stabil sind, die Anweisungen eindeutig gefaßt und politische Entscheidung und bürokratische Ausführung klar getrennt werden können. 312 Das hierarchische Prinzip stockt, wo Politik und Bürokratie ineinander übergehen; wo ein behördeninterner Dialog die Kommandostruktur überlagert und sich zwischen Behörde und Bürger ein Dauerverhältnis entwickelt, das vom auf den Entscheidungsmoment fixierten Weisungsrecht nicht angemessen verarbeitet wird. Hier werden Aufgabenstruktur und Organisationsstruktur auseinanderklaffen. 313 Eine vernetzte erhofften Entlastung von eigener Entscheidung - im Interesse des Weisungsunterworfenen. Vgl. Welz, S. 212; Stößenreuther, S. 89. 307 Vgl. Loschelder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 68, Weisungshierarchie und persönliche Verantwortung; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 323 325. 308 Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. I, § 22 Rnr. 24; Fichtmüller, AöR 91 (1966), 297 (307); Emde, S. 337. 309 Diesem Modell rechnet Emde, S. 338 auch die weisungsunterworfenen Anstalten und Körperschaften zu. Ebenso Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 325 u. Fn. 106. 310 Grundlegend Dreier, S. 5 und passim. Die Formulierung, daß die Hierarchie ein sehr voraussetzungsvolles Prinzip sei, S. 147. Zur älteren Kritik Nachweise bei Klein, S. 57. 311 Vgl. dazu Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, Berlin 1993; Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, Berlin 1991; Röhl, Die Verwaltung 29 (1996), 487 (498). 312 Vgl. Dreier, S. 147. Zur Abgrenzung von Leitung und Vollzug Loschelder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 68 Rnr. 29. Zum folgenden Dreier, S. 148157, vertiefend im 5. Kapitel; Trute, Funktionen, S. 2-4, speziell zu Grenzen des hierarchischen Prinzips S. 28 f. Kritisch auch Bryde, VVDStRL 46 (1988), S. 181 (197). Zu Vorteilen hierarchischer gegenüber assoziativen Einheiten Müller, Rechtsformenwahl, S. 326. 313 Vgl. Dreier, S. 148; ähnlich schon Bryde, VVDStRL 46 (1988), S. 181 (182 f). 16 Oertel

242

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

Verwaltungswirklichkeit verweigert sich dem hierarchischen Prinzip. 314 Sie zwingt dazu, die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen des Ministerialmodells in neuer Weise zur Geltung zu bringen, 315 soll seine Auflösung nicht als verfassungswidrig gebrandmarkt werden. 316

II. Die pluralisierte Verwaltung zwischen Legitimationsverdünnung und Legitimationsverschiebung Das Grundgesetz hat das hierarchischen Prinzip in den demokratischen Dienst genommen. Die Weisungsbefugnis des parlamentarisch kontrollierten Ministers legitimiert das Handeln nachgeordneter Entscheidungsträger. 317 Eine Auflösung des Weisungsstrangs kann daher die vom Parlament über den Minister ausgehende Legitimation behördlichen Entscheidens verdünnen. 318 Eine andere Aufhängung der Weisungsbefugnis könnte die Entscheidung vom Parlament abkoppeln und damit die Legitimationsbasis verschieben. 319 Eine „Legitimationsverschiebung" wird namentlich dann befürchtet, wenn gesellschaftliche Interessenträger in die Entscheidungsorganisation einbezogen werden. Die Regulierungsbehörde zählt jedoch nicht zur funktionalen Selbstverwaltung; sie ist nicht kondominial besetzt oder in grundrechtlich überformte

3,4 Vgl. Trute, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht, S. 249 (262 f). Zur älteren Diskussion unter dem Stichwort Pluralisierung vgl. Bryde, VVDStRL 46 (1988), S. 181 (182 ff). 315 Vgl. Dreier, S. 157 u. S. 311: „Nicht die Existenz verselbständigte Verwaltungseinheiten ist das eigentliche Problem, sondern ihre rechtliche Durchformung ... Vgl. Röhl, Die Verwaltung 29 (1996), 487 (487) und Schuppert, Verselbständigte Verwaltungseinheiten, S. 375 f, jeweils unter Verweis auf Winfried Brohm, Die Dogmatik des Verwaltungsrechts vor den Gegenwartsaufgaben der Verwaltung, VVDStRL 30, S. 245 (298). Zu Funktionsäquivalenten des Weisungsrechts innerhalb neuer Steuerungsmodelle Trute, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht, S. 249 (278 ff). 316

So aber die Schlußfolgerung bei Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 597 f. Im einzelnen unten S. 310 ff. 318 Der Begriff der „Legitimationsverdünnung" nach Emde, S. 12 u. SchmidtAßmann,, AöR 116 (1991), 329 (374 u. 384). Emde, S. 44 spricht aber auch von „Verdünnung" in Bezug auf das Herabsickern des Volkswillens durch die Instanzen der Ministerialverwaltung. 319 Dieses Merkmal der Selbstverwaltung stellt Emde, S. 12 heraus; ähnlich Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 118 f. Die Auflösung des Staates als politischer Einheit befürchtend schon Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 252; ähnlich Dreier, S. 122 ff u. S. 274 f. Vgl. auch Emde, S. 359 zu den Unterschieden in der Binnenstruktur von Körperschaft und Ministerialverwaltung. Zur Unterscheidung zwischen Legitimationsverdünnung und -Verschiebung Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, S. 223. 317

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

243

Kooperationsverhältnisse eingebunden. Ihre Amtswalter sind Beamte oder in öffentlich-rechtliche Amtsverhältnisse berufen (§ 1 Abs. 1 u. § 8 Abs. 1 PersBG). Das Gesetz bezeichnet sie ausdrücklich als Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundeswirtschaftsministeriums (§ 66 Abs. 1 TKG). Es bestätigt die Befugnis des Ministeriums, allgemeine Weisungen zu erteilen (§ 66 Abs. 5 GG). Im Beirat der Regulierungsbehörde sind ausschließlich Bundestag und Bundesrat vertreten (§ 67 Abs. 1 S. 2 TKG). Der regulierende Staat instrumentalisiert die Gesellschaft in der Telekommunikation jedoch nicht, indem er ihre Interessen organschaftlich (Kondominialverwaltung) 320 oder körperschaftlich (funktionale Selbstverwaltung) 321 integriert. Er hält die organisatorische Trennung zur Gesellschaft vielmehr aufrecht, damit sich in der funktionellen Isolation die Eigenrationalität der unternehmerischen Organisationen entfaltet (vgl. Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG). Gerade weil der Staat auf die unternehmerische Leistung angewiesen ist, will er sie wettbewerblich steuern lassen. Die wettbewerbsrechtlich motivierte funktionelle Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde bringt es ungeachtet aller Kooperationsnotwendigkeiten mit sich, daß hoheitliche Funktionen deutlich von gesellschaftlichen Interessen getrennt werden. In der Regulierungsbehörde stellt sich der Staat einem zunächst an ihn selbst gerichteten Verfasssungsaufirag: der Aufgabe der Aufgabenaufgabe. 322 In ihr wird der Staat organisatorisch auf Distanz zu sich selbst gehen, ohne sogleich der Gesellschaft nahezurücken. 323 Deswegen ist für die Regulierungsbehörde keine Verschiebung der Legitimationsgrundlagen zu befürchten. Eher ist eine aufgabengerechte Anpassung der Legitimationsstrukturen zu erwarten, äußerstenfalls ihre Verdünnung gegenüber dem Ministerialmodell.

III. Die Regulierungsbehörde

und das Ministerialmodell

Das TKG baut die Regulierungsbehörde als Bundesoberbehörde auf dem Ministerialmodell auf. Ob ihm damit ein verwaltungswissenschaftlich tragfähiges Fundament zugrundegeliegt, ist heute noch nicht abzusehen. Indes ist das Ministerialmodell kein abgeschlossenes System, sondern ein entwicklungs- und 320

Definition bei Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 26. Zum Begriff vgl. Emde, S. 10 f. Vgl. Winfried Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, Tübingen 1997. Vgl. auch Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (344 f). 322 Auf die davon zu unterscheidende Formel von der „Selbstaufgabe des Staates durch Privatisierung von Staatsfunktionen" brachte Ossenbühl, Die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private, VVDStRL 29 (1971), S. 137 (152), die privatisierungskritische Haltung Rupps. 323 Die Balance von Staatsnähe und -distanz arbeiten als ein Leitmotiv für die materiellen Bestimmungen der Bahnreform heraus Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 577. 321

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

ausnahmefähiger Typus. A m Beispiel des Bundeskartellamtes zeigt sich, daß eine Oberbehörde eine Tradition politischer Unabhängigkeit derart ausbilden kann, daß eine de iure behauptete Weisungsbefugnis 3 2 4 de facto bedeutungslos w i r d . 3 2 5 Eine dahingehende Tradition läßt sich nicht durch persönliche Zusagen begründen; sie muß sich über Personal-, Regierungs- und Politikwechsel hinweg bewähren. 3 2 6 Ohne eine traditionelle Sicherheit bleibt daher der Grad rechtlicher Weisungsunterworfenheit elementar für die politische Verselbständigung der Regulierungsbehörde. 3 2 7 W i r d die Weisungsbindung bejaht, dürfte die weitere Entwicklung dem Ministerialmodell enger folgen. W i r d sie verneint, kann die Regulierungsbehörde über das M o d e l l hinausführen und politische Unabhängigkeit erlangen. Für den Fortgang dieser Entwicklung ist die Weisungsbefugnis vor allem als Potential bedeutsam. Ihre konkrete, förmliche Aktualisierung in einer Weisung ist ohnehin selten. 3 2 8 Es kommt darauf an, ob der Minister weisen könnte, weniger darauf, ob er es tut. In der dem Organisationsrecht eigenen mediatisierten Steuerungswirkung genügt bereits das Potential zur rechtsverbindlichen Einflußnahme, um Durchsetzungs- und Wahrnehmungschancen zu verschieben.

324 Ausführlich dazu Rodegra, Zum Problem aufsichtsfreier Verwaltung durch das Bundeskartellamt. Frankfurt/Main u.a. 1992. Die literarische Gegenwehr gegen die rechtliche Weisungsunterworfenheit des Bundeskartellamtes nahm mit zunehmender Dauer der faktischen Weisungsfreiheit ab. 325 Vgl. aus Sicht des Amtes Geberth, AG 1991, 295 (296). Eine ähnliche Entwicklung prognostiziert für die Regulierungsbehörde Müller-Terpitz, ZG 1997, 257 (271 f). Wirtschaftsminister Rexrodt charakterisierte sein Verhältnis zum Bundeskartellamt als eines „kooperativer Autonomie"; vgl. FAZ v. 10.2.1998, Nr. 34, S. 15, „Rexrodt würdigt die Arbeit des Bundeskartellamtes". Der neue Wirtschaftsminister Müller sagte dem Bundeskartellamt nach dem Regierungswechsel Unabhängigkeit in allen Entscheidungen zu. Vgl. FAZ v. 7.11.1998, S. 14, „Müller stützt die Unabhängigkeit des Kartellamts". 326 Auf die Frage, ob nach einem Regierungswechsel auch in der Regulierungsbehörde personelle Änderungen anstünden, antwortete MdB Bury (SPD) vorsichtig, man werde ansehen, ob das Präsidium der Behörde sich an die Gesetze halte. Vgl. FAZ v. 5.5.1998, Nr. 103, S. 17, „SPD: Telekom-Regulierung nicht transparent". Der neue Bundeswirtschaftsminister Müller bestätigte aber, zunächst an dem bisherigen Präsidium festzuhalten. Vgl. FAZ v. 5.5.1998, Nr. 103, S. 17, „SPD: Telekom-Regulierung nicht transparent". 327 Das Problem ist also abstrakter, aber keinesweges akademischer Natur. Vgl. Müller, JuS 1985, 497 (497); Oebbecke, S. 4. 328 Vgl. Dreier, S. 210: „Das Weisungsrecht fungiert gleichsam als stets präsente Ordnungsreserve." Nach Loschelder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 68 Rnr. 32 ist die nachgeordnete Stelle auch ohne konkrete Weisung verpflichtet, „die allgemeinen Leitlinien der Führungsebene ... zu Ende zu denken." Ahnlich Oebbecke, S. 4 f; Brandner, DÖV 1990, 966 (966). Am Beispiel des Bundesamtes für Wirtschaft Welz, S. 199.

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

245

Deswegen behält die Weisungsbefugnis ihre Bedeutung auch dann, wenn sie nicht förmlich ausgeübt wird. 3 2 9 Die rechtswissenschaftliche Untersuchung kann mit der Vermessung der gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Fundamente zur Entwicklung der Regulierungsbehörde beitragen. Das Folgende will diese Vermessung aus vier verschiedenen Visierlinien angehen. Zunächst soll die Verbindlichkeit des Ministerialmodells im allgemeinen begründet werden, indem der Grundsatz der Weisungsbindung auf seine Ausnahmefähigkeit befragt wird (B). Darauf folgt seine verfassungsrechtliche Verortung in der Telekommunikations Verwaltung, für die Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG das Ministerialmodell den Anforderungen des Privatisierungsprogramms öffnet (C). Daran schließt sich die Frage an, inwieweit die verfassungsrechtlichen Leistungen der Weisungsbefugnis im gegenwärtigen Telekommunikationsrecht auch bei einem Wegfall der Weisungsbindung sichergestellt werden können (D - G). Als letzte verfassungsrechtliche Bedingung für eine Aufhebung der Weisungsbindung wird schließlich der Gesetzesvorbehalt herauszustellen sein (H).

B. Der Grundsatz der Weisungsbindung und seine Ausnahmen Dem Verfassungsrecht gilt die Freiheit von fachlichen Einzelweisungen als Kennzeichen eines sog. ministerialfreien Raumes. 330 Ministerialfreie Räume sollen nur ausnahmsweise zulässig sein. 331 Es gilt ein Grundsatz der Weisungs-

329 Ähnlich Brosius-Gersdorf, S. 101. Zur dennoch gebotenen Unterscheidung zwischen Weisung und Weisungsbindung siehe S. 251 bei Fn. 368. 330 Diese Definition verwenden Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 103 f; BrosiusGersdorf, S. 102 ff; Oebbecke, S. 7 f , der auch die Freiheit von allgemeinen Weisungen einschließt (dort auch zu den Begriffen „unterrichtungsfrei", „parlamentsfrei" und „unabhängig"); Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 86 Rnr. 3; Broß, in: von Münch/Kunig, Art. 86 Rnr. 16; Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rnr. 71; Füßlein, S. 71; Fichtmüller, AöR 91 (1966), 297 (299); Sodan, S. 359; Burmeister, S. 306; Klein, S. 58 und Emde, S. 5, 11 u. 357 unter Zuspitzung auf die Einzelweisungsfreiheit. Ohne ausdrückliche Definition so auch Bull, in: Alternativkommentar, Art. 86 Rnr. 27. Für Herausnahme der mittelbaren Staatsverwaltung aus dem Begriff Dreier, S. 136; Müller, JuS 1985, 497 (498) gegen Klein, S. 107 ff und Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 106 f.

Abweichend davon belegen die Herauslösung aus der Weisungshierarchie auch mit der Bezeichnung „parlamentsfrei" Stern, II, § 41 IV 10 b), S. 709; Müller, JuS 1985, 497 (498); Klein, S. 17f, S. 43 u. S. 67 bzw. „regierungsfrei" Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 65 Rnr. 96. Daß Weisungsfreiheit nicht Ressortfreiheit bedeutet, belegt Oebbecke, S. 33 f u . 123 u.a. damit, daß der Bundesfinanzminister die Ernennung von Bundesbankdirektoren gegenzeichnet. Der Unterscheidung „ministerialfrei"/"ressortfrei" stimmen zu Dreier, S. 136; Traumann, S. 249. Gegen eine Gleichsetzung von „ministerialfrei" mit „parlamentsfrei" Achterberg, Parlamentsrecht, S. 437; Kröger, S. 75. 331

Aus der umfangreichen Literatur seien als zusammenfassende Darstellungen der älteren Diskussion hervorgehoben Fichtmüller, AöR 91 (1966), 297; Müller, JuS 1985,

246

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

b i n d u n g . 3 3 2 Wie weit dieser Grundsatz reicht, das Ministerialmodell verbindlich ist, ergibt sich erst im Rückschluß aus den Bedingungen möglicher Ausnahmen. In der Lehre sind hierzu verschiedene Positionen zu unterscheiden: 3 3 3 M i t Blick auf das Ministerialmodell gilt den einen die Weisungsbindung als verfassungsrechtlicher Regelfall (I); andere betrachten die Verwaltungspraxis und öffnen den Grundsatz fur verfassungsgewichtige oder aufgabengerechte Ausnahmen ( I I und I I I ) aus Sicht des Parlaments hält eine letzte Auffassung die Weisungsbindung schon i m Ansatz für verzichtbar ( I V ) .

/. Zur Notwendigkeit

einer verfassungsorganisatorischen

Ausnahmeregelung

Größte Verbindlichkeit erwächst dem Grundsatz der Weisungsbindung, sofern die Ministerialverwaltung als der administrative Regelfall des Grundgesetzes angesehen w i r d . 3 3 4 Die Weisungsbindung ist in einem solchen Verständnis

497. Monographisch Dreier, Hierarchische Verwaltung im demokratischen Staat, Tübingen 1991; Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, Berlin 1991; Frauke Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratieprinzip, Berlin 1997; Welz, Ressortverantwortung im Leistungsstaat, Baden-Baden 1988; Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, Köln 1986; Waechter, Geminderte demokratische Legitimation staatlicher Institutionen im parlamentarischen Regierungssystem, Berlin 1994; Klein, Die verfassungsrechtliche Problematik des ministerialfreien Raumes, Berlin 1974; Traumann, S. 238-275; Peter Füsslein, Ministerialfreie Verwaltung, Diss. Bonn 1972, der auf S. 277 ff die bisherige Diskussion darstellt; Georg Vorbrugg, Unabhängige Organe der Bundesverwaltung, Diss. München 1965, mit einem Überblick über die ältere Lehre u. Rspr. (S. 212 ff). Aus dieser nur Hellmuth Loening, Der ministerialfreie Raum in der Staatsverwaltung, DVB1. 1953, 173. 332 Vgl. BVerfG E 93, 37 (66) - Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein -; BVerfG E 91, 228 (244) - Kommunale Gleichstellungsbeauftragte -; BVerfG E 83, 60 (72) Hamburger Bezirksvertretung -; BVerfG E 83, 130 (150) - Mutzenbacher -; BVerfG E 9, 268 (282) - Bremer Personalvertretungsgesetz -; Broß, in: von Münch/Kunig, Art. 86 Rnr. 16; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 86 Rnr. 3; Sachs, in: Sachs, Art. 20 Rnr. 41; Bull, in: Alternativkommentar, Art. 86 Rnr. 27; Stern, II, § 41 IV 10 b), S. 710; Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rnr. 70 u. 47, Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. I, § 22 Rnr. 22; Kirchhof in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 59 Rnr. 101; Loschelder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 68 Rnr. 22; Emde, S. 339; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 299 u. S. 329; Dreier, S. 136; ders., in: Dreier, GG, Art. 20 Rnr. 114. Aus der älteren Literatur Füßlein, S. 281. Die Gegenansicht verficht Groß, S. 263 ff, der wegen der Prärogative des Organisationsgesetzgebers den hierarchisch-monokratischen Aufbau für eine Regelungsstruktur des einfachen Rechts hält (S. 269 mwN.). 333

Kritische Darstellung auch bei Brosius-Gersdorf S. 106 ff. So etwa Emde, S. 336 ff u. 351 f; . Brosius-Gersdorf, S. 88 ff; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 603 These 11 : „Prototyp demokratisch legitimierter Verwaltung unter dem Grundgesetz ist die Ministerialverwaltung." Kritische Darstellung dieser ,,monistische[n] Theorie der Verwaltungslegitimation" bei Groß, Kollegialprinzip, S. 185 ff. 334

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

247

v o m Grundgesetz vorgefunden und in ihm vorausgesetzt w o r d e n . 3 3 5 Ausnahmen lassen sich folglich nur durch Verfassungsrecht

rechtfertigen. 3 3 6

Die

Sachnatur, Bestrebungen zur Objektivierung oder Neutralisierung von Verwaltungshandeln begründen eine Ausnahme für sich genommen n i c h t . 3 3 7 Vielmehr muß i m Verfassungsorganisationsrecht ein Sondertatbestand erkennbar sein, der die Abweichung v o m Ministeiialmodell trägt. 3 3 8 Diese Auffassung leitet sich folgendermaßen h e r : 3 3 9 Es besteht ein legitimatorischer Totalvorbehalt. 3 4 0 Er verlangt, jede Ausübung von Staatsgewalt auf das V o l k zurückzufuhren. Zentraler Legitimationsmittler iSd. Art. 20 Abs. 2 GG ist das Parlament. 3 4 1 D e m Parlament ist die Regierung als Kontrollgegenüber zugeordnet; deren Zuständigkeit muß folglich umfassend sein. 3 4 2 Regierungszuständigkeit heißt wiederum Ministerialzuständigkeit. 3 4 3 Die Zuständig335

Emde, S. 338 u. S. 351; Brosius-Gersdorf, S. 92 ff; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 305. Die Verwaltungshierarchie bezeichnet als „Bedingung" parlamentarischer Regierung Loschelder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 68 Rnr. 39. In diese Richtung auch Stern, II, § 41 IV 10 b), S. 709; Bull, in: Alternativkommentar, Art. 86 Rnr. 26. Als „Funktionserfordernis demokratischer Staatlichkeit" tituliert Dreier, S. 125 ff das Hierarchieprinzip. 336

Loschelder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 68 Rnr. 22: „Rechtfertigen lassen sich derartige Mitwirkungsformen [ zugunsten von Sonderinteressen] daher überhaupt nur, wo sie sich auf Gründe stützen, die nach der konkreten Verfassungslage die Geltung des demokratischen Prinzips einzuschränken vermögen, sich also aus gleichrangigen Strukturelementen ableiten." Emde, S. 345: [Für eine Einschränkung der ministeriellen Weisungsbefugnis] „bedarf der Gesetzgeber einer besonderen grundgesetzlichen Ermächtigung." Vgl. schon Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 256 u. 251 f. In diese Richtung auch Brosius-Gersdorf, S. 63 ff, S. 174 ff, S. 192 ff, die die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank aus dem Organisationsgehalt des Art. 88 S. 1 GG rechtfertigt. Im Ansatz ähnlich Waechter, S. 28 u. S. 168 f, der eine Rechtfertigung jedoch bereits im Gewaltenteilungsprinzip findet. Ausführlich Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 603, These 9, S. 358, S. 299, S. 329 und passim. Zu den anerkannten Rechtfertigungen vgl. Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 604, These 13. 337 So ausdrücklich Broß, in: von Münch/Kunig, Art. 86 Rnr. 16, der eine ministerialfreie Wahrnehmung nur bei Aufgaben ohne politische Bedeutung für zulässig hält. Vgl. auch Brosius-Gersdorf, S. 178 ff gegen derartige Begründungsversuche. 338 Der ursprünglich auf das Demokratieprinzip bezogene „Einschränkungsvorbehalt" (vgl. Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 299) erstreckt sich damit auf das Ministerialmodell. 339 Vgl. hierzu Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 301-329; Emde, S. 338 f. Ähnlich schon Hellmuth Loening, Der ministerialfreie Raum in der Staatsverwaltung, DVB1. 1954, 173. 340 Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 357. 341 Vgl. Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 601 (These 4) u. ausführlich S. 306 ff. 342 Deutlich Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 311 : „Im Umfange der Geltung des Gebotes demokratischer Legitimation kann es keine Parlamentsfreiheit geben". Des weiteren S. 312 ff. 343 Zum Grundsatz flächendeckender Regierungszuständigkeit Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 314 ff.

248

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

keit des Ministers gibt zwar allein keine Auskunft über seine Kompetenzen; sie schließt aber grundsätzlich das Weisungsrecht als Leitungsbefugnis ein. 3 4 4 In der Summe wird daher das ministerielle Weisungsrecht demokratisch überformt und so zum organisatorischen Prinzip des Art. 20 Abs. 2 GG erhoben. Art. 65 geht in Art. 20 Abs. 2 GG auf. 34"' Die verfassungsrechtliche Organisationsstruktur staatlicher Machtausübung avanciert zu deren demokratischer Legitimationsstruktur. 346 In dieser Auffassung wird das Ministerialmodell als Zusammenführung von relativ schwacher personeller Legitimation und relativ dichter, gesetzes- und weisungsgetragener materieller Legitimation zum Legitimationsmodell. 347 Ausnahmen kennt das Legitimationsmodell nur kraft verfassungsrechtlicher Zulassung. Abwandlungen toleriert es solange, als das ministeriumseigene Legitimationsniveau und sein Legitimationsmodus nicht defizitär werden. 348 Die dargestellte Auffassung setzt das Ministerialmodell vornehmlich der Kondominialverwaltung 349 und der funktionalen Selbstverwaltung 350 entgegen. Sie wendet sich gegen die Legitimations Verschiebung. 351 Daher läßt sie sich für die Regulierungsbehörde nur unter einigen Bedingungen fruchtbar machen: Zum ersten: Da diese Auffassung die Bedeutung des Grundsatzes betont, kann sie die Möglichkeiten einer Ausnahme nur anreißen. 352 Dies gilt insbesondere für Abwandlungen, die auch ohne verfassungsrechtlichen Titel zu-

344

Vgl. Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 320 ff. Vgl. Brosius-Gersdorf, S. 95; Ähnliche Aufhebung des Art. 65 S. 2 GG in Art. 20 Abs. 2 GG bei Emde, S.344. 346 So Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 288, S. 602 These 8. 347 Vgl. Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 347. 348 Dieses Drei-Stufen-Modell - (1) Verfassungsrechtlicher Regelfall Ministerialverwaltung - (2) Verfassungsrechtlich zugelassene obligatorische oder fakultative Ausnahme - (3) Unterverfassungsrechtliche Modifikationen, die Legitimationsmodus und niveau beibehalten - bei Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 366 f. 349 Jestaedt, Kondominialveraltung, S. 115, stuft die Kondominialverwaltung als Unterfall des ministerialfreien Raumes ein. Ebenso Loschelder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 68 Rnr. 22. 350 Aus dieser Perspektive bezeichnet Emde, S. 361 den ministerialfreien Raum als „verfassungsrechtlich bedenklichen Findling". Vgl. auch Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 537 ff. 351 Auch Brosius-Gersdorf S. 141 f, S 173, zeigt am Beispiel der Bundesbank eine Legitimationsverschiebung auf die Landesvölker auf. 352 Vgl. Jestaedt, Kondominialverwaltung, der zunächst (S. 299 u. S. 603 These 10) Legitimationshöhe und Legitimationsstrukturen unter einem (untechnischen) verfassungsrechtlichen Ausgestaltungsvorbehalt sieht und daher die verfassungsrechtlichen Organisationsvorschriften nutzen will, um Legitimationsniveau und -formen zu bestimmen. Ausführlich zu Απ. 88 GG als Ausnahmevorschrift hingegen Brosius-Gersdorf S. 174 ff, S. 377 ff. 345

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

249

lässig sein sollen, aber das im Ministerialmodell vorgegebene Legitimationsniveau und auch den Legitimationsmodus nicht unterschreiten dürfen. 353 Zum zweiten: Die Notwendigkeit umfassender Ressortzuständigkeit begründet sich aus dem demokratischen Prinzip. Die Weisungsbefugnis nach Art. 65 S. 2 GG fuhrt hingegen ursprünglich auf die Leitungsmacht der Regierung zurück und ist insoweit demokratieneutral. Erst die Schlußfolgerung verbindet Art. 20 Abs. 2 mit Art. 65 S. 2 GG, obwohl ihre Begründung die Grenzen des Art. 65 S. 2 GG betont. 354 Methodisch wird ein Ergebnis, das sich aus den einzelnen Vorschriften nicht mit Sicherheit gewinnen läßt, aus dem Gesamtbild gewonnen und wiederum verwendet, um die Interpretation der Einzelvorschrift abzustützen.355 Zum dritten: Daß das Grundgesetz die Ministerialverwaltung in ihrer vorgegebenen Form vorgefunden und normativ unterfangen hat, steht außer Frage. 356 In Frage steht, ob die verfassungsrechtliche Anerkennung der Ministerialverwaltung eine abschließende oder eine aufschließende ist. Abschließend wäre sie, wenn die Verfassung andere Organisationsformen ausdrücklich billigen müßte. Aufschließend wäre sie, wenn die Verfassung sich die Organisationsstruktur der Ministerialverwaltung zunutze machte, um ihr Legitimationspotential zu erschließen, ohne sich der Entwicklung anderer Strukturen zu verschließen. Die fragmentarische Natur des VIII. Abschnitts legt letzteres Verständnis nahe. 357 Auch die hier kritisierte Auffassung erkennt Ausnahmen vom Grundsatz der Weisungsbindung an. 358

353

Bei Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 358 Fn. 257 heißt es lediglich, das Parlament könne über exekutivische Ingerenzrechte disponieren, soweit ihm kompensatorische Einwirkungsmöglichkeiten zuwüchsen. Hier scheint er daran zu denken, daß die Verwaltung zwar weisungsgebunden bleibt, dies aber nicht gegenüber der Gubernative (vgl. S. 366). 354 Vgl. Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 320 ff. 355 Die Gesamtschau bedeutet nach Oebbecke, S. 51 „im besten Fall ... die systematische und teleologische Auslegung, im schlimmsten eine petitio principii." Gegen diesen Einwand wendet sich Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 304, der eine „systematisierende Rekonstruktion" anstrebt. Von „Zusammenspiel" spricht Emde, S. 351. Die normhierarchischen Probleme einer Überhebung des Demokratieprinzips über die Organisationsvorschriften der Verfassung löst Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 286 auf, indem er den Grundsatzcharakter des Art. 20 Abs. 2 GG hervorhebt. 356 So die Formulierung Böckenfördes, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. I, § 22 Rnr. 24.

250

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

Z u m vierten: Da diese Auffassung den Typus der Ministerialverwaltung normativ nicht nur unterfangen, sondern auch verfassungsrechtlich

erheben

w i l l , engt sie die gesetzgeberische Organisationsgewalt ein. Obwohl im Ausgang der Primat des Parlamentes betont wird, gewinnt m i t der verfassungsrechtlichen Verfestigung des Ministerialmodells i m Ergebnis die regierungseigene Organisationsgewalt an G e w i c h t . 3 5 9 Die Überhöhung des Ministerialmodells steht einer Erkenntnis von Legitimationsdefiziten innerhalb der Ministerialverwaltung ebenso entgegen wie der Eröffnung potentieller Legitimationsgewinne in anderen Formen. Dies führt zu einem fünften Einwand gegen den dargestellten, ministeriumszentrierten Ansatz: Er setzt eine idealtypisch stilisierte

Ministerialver-

waltung voraus. 3 6 0 Das hierarchische Ministerialmodell entspricht jedoch trotz seiner geradezu erdrückenden lichkeit

362

Plausibilität 3 6 1

weder der

Verwaltungswirk-

noch dem grundgesetzlich gebrochenen Administrationsschema. 3 6 3

So bleibt die grundgesetzliche Verzahnung von Bundes- und Landesverwaltung außer

357

acht. 3 6 4

Auch

Verselbständigungstendenzen

innerhalb

der

Ministe-

Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rnr. 46. Auch Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 303 f zitiert die Beobachtung Arnold Köttgens, Das Bundesverfassungsgericht und die Organisation der öffentlichen Verwaltung, (AöR 90 (1965), 205 (215), die Verwaltungsorganisation sei kein eigentliches Thema des Verfassungsrechts, zustimmend und hält das grundgesetzliche Organisationsmodell daher nicht für abschließend. 358 Unter beachtlichem Begründungsaufwand, vgl. Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 425 ff. 339 Vgl. zu diesem Paradoxon der monistischen Demokratietheorie Groß, Kollegialprinzip, S. 266. 360 Vgl. Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 329 ff, der sich S. 359 ff ausdrücklich gegen die Heranziehung eines vorgrundgesetzlichen Gesamtbildes wendet. A u f die tatsächlichen Lücken des Ministerialsystems weist demgegenüber schon Fichtmüller, AöR 91 (1966), 297 (316) hin. Bull, in: Alternativkommentar, vor Art. 83 Rnr. 83 sieht in der Entstehungsgeschichte am ehesten eine Tendenz zur Erhaltung einer Vielfalt von Untergliederungen. Zur Lückenhaftigkeit des vorrechtlichen Gesamtbildes auch Oebbecke, S. 49 f. 361 Dreier, S. 143. 362 Dreier, S. 212 u. S. 219-222, weist auf den in der Bundesrepublik besonders hohen Grand an organisatorischer Ausdifferenzierung der Verwaltung hin. Reiches Anschauungsmaterial bietet Becker, S. 289-299. 363 Vgl. Dreier, S. 5, unter Bezugnahme auf Wahl, ausführlich S. 263-266 für die Bundesverwaltung. Ähnlich Burmeister, S. 314-317; Traumann, S. 169 ff. Allgemein auch Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, S. 221. 364 Sie nutzt die Weisungshierarchie einerseits, andererseits modifiziert sie sie (vgl. Art. 84 Abs. 5; Art. 85 Abs. 3 GG). Wegen Art. 83 GG fallen die parlamentarische Steuerung des Sachgesetzgebung und die parlamentarische Verantwortung für ihren Vollzug regelmäßig auseinander. Vgl. Trute, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht, S. 249 (276); Groß, Kollegialprinzip, S. 189.

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

2

rialverwaltung blendet das Modell weithin aus. 365 Das je nach Hierarchie bzw. Besoldungsstufe verschiedene Zusammenwirken von personeller und materieller Legitimation, das etwa die Figur des politischen Beamten charakterisiert, 366 nivelliert es zugunsten einer materiell wirkenden Weisungsbefugnis. 367 Dabei wird - und dies sei der letzte Einwand - nicht immer deutlich zwischen erteilter Weisung und latenter Weisungsbefugnis unterschieden: 368 Aus der Annahme, die ausgesprochene Weisung bestimme die Entscheidung des Einzelfalles, wird nahezu übergangslos abgeleitet, auch ohne eine solche Weisung werde sich der Entscheidungsträger an dem Willen der übergeordneten Instanzen orientieren. 369 Die Steuerungswirkung der latenten Weisung ist aber notwenig eine andere als die der erteilten Weisung: Ohne eine bestimmte Anweisung wird nicht nach dem geäußerten Willen des Vorgesetzten entschieden, sondern allenfalls nach dem, was der nachgeordnete Amtsträger dafür hält. Die abstrakte Weisungsbefugnis bestimmt also anders als die Weisung die Einzelfallentscheidung nicht punktgenau, textlich präzise und rechtsverbindlich. Die Zuständigkeiten der weisungsunterworfenen Organe verlieren - wie es das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat - ihren Charakter als Entscheidungskompetenzen nicht. 370 Inwieweit die Ausübung dieser Kompetenzen über die Weisungsbindung orientiert wird, ist daher mit Vorsicht einzuschätzen.371 Die abstrakte Weisungsbefugnis birgt im Vergleich zur konkreten Weisung ein Legitimationspotential, keine Legitimationsgewißheit. Es ist also notwendig, sowohl die inneren Wirkungsgrenzen der Weisungsbefugnis also auch die äußeren Variationsmöglichkeiten des Ministerialmodells in den Blick zu nehmen. Letzteren wenden sich Auffassungen zu, die sich durch ein weniger idealtypisches und eher verwaltungsrealistisches Herangehen auszeichnen. Sie sind bereit, die Weisungsbindung auch dann zurückzunehmen, wenn dies nicht besonders im Verfassungsorganisationsrecht angelegt ist. 372

365 Dreier, S. 210 stellt fest, daß eine durchgreifende Destabilisierung des Hierarchieprinzips infolge der organisatorischen Besonderung von Verwaltungseinheiten droht. Auch Loschelder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 68 Rnr. 58, beobachtet, daß „derartige Enklaven die Grundlagen der Weisungshierarchie empfindlicher berühren als eine volle Verselbständigung von Verwaltungsträgern". 366 § 36 BBG. 367 Vgl. Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 345 f. 368 Den Unterschied deutet Brosius-Gersdorf, S. 101 fan, ohne ihn zu vertiefen. 369 Vgl. Loschelder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 68 Rnr. 32. Ihm folgend Traumann, S. 168. 370 BVerfG E 83, 60 (73) - Hamburger Bezirksvertretung -. 371 Siehe auch S. 307u. S. 319. 372 Vgl. etwa Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rnr. 46; Groß, Kollegialprinzip, S. 263 ff.

25

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

Von diesem Ausgangspunkt her werden aber unterschiedlich intensive Rechtfertigungen verlangt.

II. Zur Notwendigkeit

einer verfassungsgewichtigen

Ausnahmebegründung

Eine Auffassung will eine Aufgabe der Weisungsbefugnis nur aus kollidierenden Verfassungsgütern rechtfertigen, also dann, wenn der Ausnahmegrund eigenes Verfassungsgewicht hat. 373 Dazu soll der Grundsatz praktischer Konkordanz herangezogen werden. Unter diesem Grundsatz müßte allerdings den jeweils rechtfertigenden Verfassungwerten ein Organisationsgehalt 374 zu entnehmen sein. 375 Dabei läuft ein abwägendes Vorgehen Gefahr, primäre und sekundäre Normgehalte auf eine Ebene zu stellen. 376 Auch bleibt das Ausgangsgewicht der Weisungsbindung in der Abwägung unbemessen.377 Denn diese Auffassung legt im wesentlichen dar, daß ein Verbot der Ministerialfreiheit aus dem Grundgesetz nicht herzuleiten ist. 378 Im Ergebnis nähert sie sich den Stimmen an, die die Bedeutung der Weisungsbefugnis von der jeweiligen Sachmaterie abhängig machen.

III. Zur Notwendigkeit

eines verfassungsanerkannten

Ausnahmegrundes

Die meisten Stimmen in der Kommentarliteratur öffnen den Grundsatz der Weisungsbindung auch dann für Ausnahmen, wenn dies nicht eigens verfassungsrechtlich geboten oder gerechtfertigt, aber aus Sachgründen notwendig ist. 379 Es genügt also, daß die Verfassung den Ausnahmegrund anerkennt. Dar-

373

So Oebbecke, S. 66. In der Sache auch Rodegra, S. 192 f. In der Terminologie von Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 452 f, ein Ausgestaltungsgehalt. 375 Vgl. zu den unterschiedlichen Gewährleistungstypen und zum „Vorrang der Regelebene" Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 585 f. Daß Oebbecke seinen Ansatz nicht fortführt, kritisiert auch Brosius-Gersdorf S. 114. 376 Vgl. Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 583 f; Oebbecke, S. 66 führt hiergegen den organisationstypischen Konflikt von Art. 21 und Art. 38 GG im Fraktionszwang an. 377 Zur Kritik am dogmatischen Ausgangspunkt Oebbeckes auch Brosius-Gersdorf S. 113 f. 378 Detailliert gegen ein Verbot ministeriaifreier Räume Oebbecke, S. 104-122. 379 Nach Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rnr. 70, muß die Natur der Materie muß eine Freiheit dieser Art erfordern oder kraft „überragender sachlicher Gründe" zulassen; Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. I, § 22 Rnr. 24, will die Ministerialfreiheit insoweit einräumen, als die Aufgabe nach ihrer spezifischen Eigenart solche Weisungsfreiheit notwendig erfordert. Stern, II, § 41 IV 10 b), S. 710, hält „gewichtige sachliche Gründe" für notwendig. Ihm folgend Haverkate, VVDStRL 46 (1988), S. 217 (224 f)· Vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 86 Rnr. 3, der „zwingende Sachgründe" 374

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

2

auf aufbauend läßt sich weiterhin verlangen, daß die Gründe fur die Eröffnung eines ministerialfreien Raumes um so gewichtiger sein müssen, j e näher dieser Raum gesellschaftlichen Sonderinteressen r ü c k t . 3 8 0 Die als anerkannt aufgeführten Sachgründe 3 8 1 sind typischerweise die besondere

Erfahrung

des Entscheidungsträgers,

die beispielsweise

im

Prü-

fungswesen nicht auf den Weisungsgeber transponiert werden k ö n n e . 3 8 2 Des weiteren gilt die besondere Objektivität und Neutralität des Entscheidungsträgers als Rechtfertigungsgrund. 3 8 3

Auch die Anlage

verwaltungsinterner

Selbstkontrolle, 3 8 4 des funktionellen Widerparts, 3 8 5 der die instanzielle Blickverengung vereiteln s o l l , 3 8 6 w i r d anerkannt. Schließlich gilt auch die Verwaltung von Sondervermögen als zulässig verselbständigt. 3 8 7

verlangt, die vorliegen bei Prüfungsämtern, Bundespersonalausschuß, Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften, Bundeskartellamt, Bundesdatenschutzbeauftragtem und Musterungsausschüssen. Bull, in: Alternativkommentar, Art. 86 Rnr. 27, fordert „besondere Gründe", die vorliegen bei Musterungs- und Prüfungsausschüssen sowie den Beschlußgremien von Bundeskartellamt, Bundespatentamt, Bundesoberseeamt. Auch Fichtmüller, AöR 91 (1966), 297 (354), verlangte einen „nach der Verfassungsstruktur anzuerkennenden Grund". Ahnlich Dreier, S. 135 Fn. 54; ders., in: Dreier, GG, Art. 20 Rnr. 114. Sodan, S. 407, setzt einen „nach dem Verfassungssystem beachtlichen Grund" voraus, läßt aber schon eine erhöhte Fachkunde und Arbeitsintensität genügen (S. 411). Zurückhaltend Loschelder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 68 Rnr. 58. 380 Vgl. Loschelder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 68 Rnr. 22. Zum Distanzschutz als demokratischem Element Schmidt-Aßmann, AöR Π 6 (1991), 329 (336) im Anschluß an Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 57 Rnr. 57. BVerfG E 83, 130 (150) - Mutzenbacher -; BVerfG E 28, 66 (83 f) - Postgebührenverordnung - konnten die Weisungsfreiheit der jeweiligen Gremien auch deswegen tolerieren, weil ihre balancierte Besetzung einen gewissen Distanzschutz verbürgte. Vgl. weiterhin Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. I, § 22 Rnr. 20; Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rnr. 70 unter Verweis auf BVerfG E 33, 125 (159) Facharzt - . Die folgende Verlagerung von Problemen der Gemeinwohlkontrolle thematisiert Schuppert, Verselbständigte Verwaltungseinheiten, S. 381-386. 381 Übersicht bei Müller, JuS 1985, 497 (503); Fichtmüller, AöR 91 (1966), 297 (309-317 u. 342-349). 382 Zu Prüfungsämtern insbesondere Müller, JuS 1985, 497 (500) und passim. Vgl. Bull, in: Alternativkommentar, Art. 86 Rnr. 27; Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rnr. 70; Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. I, § 22 Rnr. 22 u. 24. 383 Ausführlich Fichtmüller, AöR 91 (1966), 297 (314-316 u. 345-349). 384 Vgl. BVerfG E 22, 106 (111 f) - Steuerausschuß -; Bull, in: Alternativkommentar, Art. 86 Rnr. 27; Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rnr. 70; Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. I, § 22 Rnr. 24. Weitere Ausführung des Selbstkontrollbegriffs bei Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 59 Rnr. 194. 385 Vgl. Schuppert, Verselbständigte Verwaltungseinheiten, S. 12-17. 386 Vgl. Loschelder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 68 Rnr. 22. 387 Vgl. Fichtmüller, AöR 91 (1966), 297 (312 f). Eine unternehmerische Verselbständigung bringt aber Ingerenzpflichten des Staates mit sich. Vgl. Schmidt-Aßmann, AöR 116(1991), 329 (385 f).

25

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

Gründe aus der „Natur der Sache" sind eigenartige Argumente. 388 Im Einzelfall lassen sie sich nur schwer bestimmen. So läßt sich streiten, ob Personalausschüsse Neutralität gegenüber parteipolitischer Besetzung oder sachfremde Orientierung ermöglichen, 389 Musterungsausschüsse weisungsfrei zu stellen sind, 390 Prüfungsorgane stets unkontrolliert bleiben können, 391 nicht auch eine andere Organisation der Bundesbank denkbar gewesen wäre. 392 Der topos von der Sachnotwendigkeit löst diese Streitigkeiten nicht auf; er nimmt sie lediglich in die verfassungsrechtliche Diskussion hinein. 393 Ihm liegt die Überlegung zugrunde, daß auch Sachgesichtspunkte im Organisationsrecht abzubilden sind. Insoweit führt er zu einem Gebot aufgabengerechter Organisation. Es würde den vorgetragenen Sacherwägungen einen grundgesetzlichen Unterbau verschaffen. 394 So könnte es die zunächst nur systematischen und teleologischen Erwägungen der Sachgerechtigkeit normativ weiter verarbeiten und sondieren. Dazu würde es auf das Primärziel der Aufgabe ein Folgegebot effektiver Organisation aufsetzen. 395 Eine bereits weithin durchdeklinierte Verpflichtung, aufgabengerecht im Sinne von grundrechtsgerecht zu organisieren, findet sich in der Rechtsprechung zu den Grundrechten, deren Verwirklichung staatlicher Organisation bedarf. Zu nennen sind die Rundfunkfreiheit, 396 des weiteren die Wissen-

388 Ausführlich Oebbecke, S. 53-59. Ihm folgend Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 589 f. 389 BVerfG E 93, 37 (69) - Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein - stellt daher nicht auf die neutralitätssicherende Wirkung, sondern auf die Vertretung der Beschäftigten ab. 390 Vgl. zu BVerwG E 12, 20 (28 f); BVerwG E 7, 66 (73) Bull, in: Alternativkommentar, Art. 87 Rnr. 28 einerseits, Oebbecke, S. 189-191, andererseits. 391 Vgl. Oebbecke, S. 57 ff. Zur Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften auch Waechter, S. 136 ff. 392 Vgl. die Nachweise bei Oebbecke, S. 54. Eingehend Frauke Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratieprinzip. Berlin 1997. 393 Daher die Aufforderung von Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 597 f, methodische Annahmen stärker zu reflektieren. 394 Auf ein solches Gebot führt im Ergebnis auch Sodan, S. 411-414 seine Begründung zurück. 395 Steinberg, Politik und Verwaltungsorganisation, S. 264 unterscheidet zwischen verschiedenen Zielebenen: A u f der obersten Ebene steht das inhaltliche Ziel, das die Organisation primär orientieren soll; auf einer zweiten Ebene folgt das Ziel der Effektivität, an dem gemessen wird, ob die Organisation das Primärziel erreicht; auf einer dritten Ebene fragt sich, ob das Ziel auch günstiger, effizienter erreicht werden könnte. Den Unterschied von (primären) Gemeinwohlzielen und (sekundären) betriebswirtschaftlichen Kategorien betont Loschelder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 68 Rnr. 10. Ähnlich Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 592. 396

BVerfG E 83, 238 (332): ,,[Z]u der positiven Ordnung des Rundfunkwesens, die dem Gesetzgeber durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG aufgegeben ist, [gehören]... auch geeig-

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

2

schaflsfreiheit 3 9 7 und - in geringerem Maße - die Kunstfreiheit. 3 9 8 Diese Rechtsprechung läßt sich auf zwei Thesen zurückfuhren: (1) Grundrechtsschutz durch Organisation ist dort geboten, wo die Verwirklichung grundrechtlicher Freiheit ohne Inanspruchnahme staatlicher Einrichtungen praktisch nicht stattfinden kann (Grundrechtskonstitutive Organisation).399 (2) Grundrechtsschutz durch Organisation ist dort geboten, wo das Grundrecht einen materiellen Schutz nicht oder nur verspätet ermöglicht. In diesen Bereichen ist Grundrechtsschutz durch Organisation die konsequente Fortführung des Grundrechtsschutzes durch Verfahren (Grundrechtsflankierende Organisation). 4 0 0

nete organisatorische Vorkehrungen" unter Bezug auf BVerfG E 12, 205 (26Iff); BVerfG E 57, 295 (325); BVerfG E 73, 118 (171). 397 BVerfG E 93, 85 (95) - Fachbereichsdekan -: „Der Staat muß für funktionsfähige Institutionen eines freien Wissenschaftsbetriebs sorgen und durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherstellen, daß das individuelle Grundrecht der freien wissenschaftlichen Betätigung so weit unangetastet bleibt, wie das unter Berücksichtigung der anderen legitimen Aufgaben der Wissenschaftseinrichtungen und der Grundrechte der verschiedenen Beteiligten möglich ist." Vgl. weiter BVerfG E 85, 360 (384) - Akademie der Wissenschaften -; BVerfG E 35, 79 (115) - Gruppenuniversität -; Groß, Kollegialprinzip, S. 245 ff. 398 BVerfG E 83, 130 (152) „Mutzenbacher": Der Staat ist verpflichtet, „eine Verfahrensordnung [hinsichtlich Auswahl, Qualifikation und Abstimmung, also der BinnenOrganisation der Bundesprüfstelle] bereitzustellen, die an dieser Aufgabe orientiert und zugleich geeignet ist, zu bewirken, was Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleisten will.". Vgl. auch BVerfG E 53, 30 (65) - Mülheim-Kärlich -; BVerfG E 65, 76 (94) - Rechtsmittelausschluß im Asylverfahren -. 399 BVerfG E 35, 79 (121) „Gruppenuniversität" erkennt daß, „da wo ein Grundrecht nur durch Beteiligung an einem vom Staat bereitgestellten umfassenden Leistungsapparat ... wirksam genutzt werden kann, die ... Möglichkeiten zur Verwirklichung des Grundrechts von den Organisationsformen jenes Apparats unmittelbar abhängen," und schließt daraus: „Ein effektiver Grundrechtsschutz erfordert daher adäquate organisationsrechtliche Vorkehrungen." Am Beispiel des Schulwesens auch BVerfG NJW 1998, 131(132) - Sonderschulüberweisung -, das aber die Entscheidungsfreiheit des Gesetzgebers und den Vorbehalt des Möglichen hervorhebt. 400 BVerfG E 90, 60 (96) „Rundfunkgebühren" unter Verweis auf BVerfG E 53, 30: „Prozeduraler Grundrechtsschutz ist insbesondere dort geboten, wo die Grundrechte ihre materielle Schutzfunktion nicht hinlänglich erfüllen können. Das ist etwa der Fall, wenn ein Grundrecht keine materiellen Maßstäbe für bestimmte grundrechtsrelevante staatliche Maßnahmen zu liefern vermag und folglich auch die Ergebniskontrolle am Maßstab des Grundrechts ausfallt. Ferner kommt es dazu, wenn eine Ergebniskontrolle an materiellen Maßstäben zwar noch denkbar ist, aber erst zu einem Zeitpunkt stattfinden kann, in dem etwaige Grundrechtsverletzungen nicht mehr korrigierbar sind." Ähnlich BVerfG NJW 1998, 131(134) - Sonderschulüberweisung - unter Verweis auf BVerfG E 84, 34 (45 f)·

25

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

Darüber hinaus läßt sich ein Gebot aufgabengerechter Organisation aus den Strukturprinzipien der Verfassung herleiten. 4 0 1 In der Entscheidung zum Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein heißt e s : 4 0 2 ,,[D]ie gemeinwohlorientierte, an Gesetz und Recht gebundene, wirksame Erfüllung des Amtsauftrages setzt voraus, daß die dafür erforderlichen organisatorischen und sonstigen innerdienstlichen Bedingungen sach- und zeitgerecht geschaffen werden." Ohne einen organisatorischen Anhaltspunkt ginge materielle Steuerung ins Leere. 4 0 3 Daher verbürgt ein Gebot aufgabengerechter Organisation die rechtsstaatliche Wahrheit der staatlichen Aufgabenverteilung. 4 0 4 Es behütet den Staat davor, sich in Selbstwiderspruch zu setzen, indem er eine Kompetenz verleiht, aber die Mittel zu ihrer Erfüllung verweigert. 4 0 5 Als Steuerungselement kann eine sachgerechte Organisation darüber hinaus das demokratisch gebotene Legitimationsniveau abstützen. 4 0 6 Die aufgabengerechte Organisation optimiert schließlich die staatliche Funktionsordnung und gibt so dem Gewaltenteilungsprinzip eine positiv machtgestaltende Fortsetzung. 4 0 7

401 Vgl. Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchoff, Hb. d. StR. Ι, § 24 Rnr. 79; Krebs, in: Isensee/Kirchhof III, § 69 Rnr. 77: „Gebot optimaler Verwaltungsorganisation". 402 BVerfG E 93, 37 (74) „Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein". Vgl. Loschelder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 68 Rnr. 10: „Der Staat muß seinem Wesen nach die Struktur finden und hervorbringen, die die präziseste, schnellste und vollständigste Erledigung verbürgt und die geringsten Energieverluste und Abirrungen befürchten läßt." 403 Vgl. Kirchhof, in: Ïsensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 59 Rnr. 87 zur organisatorischen Verfaßtheit als Herrschaftsbedingung. 404 Zur Herleitung des Gebots aufgabengerechter Organisation aus dem Rechtsstaatsprinzip Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchoff, Hb. d. StR. I, § 24 Rnr. 79. Vgl. auch § 71 b VwVfG in der Fassung des Gesetzes vom 12. September 1996: „Die Genehmigungsbehörde trifft die ihr rechtlich und tatsächlich möglichen Vorkehrungen dafür, daß das Verfahren in angemessener Frist abgeschlossen und auf Antrag besonders beschleunigt werden kann." 405 Zum Erfordernis der Systemgerechtigkeit allgemein Ulrich Battis, Systemgerechtigkeit, in: Rolf Städter/Wem er Thieme (Hrsg.), FS-Ipsen, S. 11. Speziell für das Organisationsrecht Burmeister, S. 258. 406 Vgl. von Danwitz, Der Staat 1996, 329 (345). Vgl. auch Schmidt-Aßmann, AöR 116 1991,229 (365). 407 Vgl. BVerfG E 68, 1 (86) - Raketenstationierung -: „Die ... organisatorische und funktionelle Unterscheidung und Trennung der Gewalten dient zumal der Verteilung von politischer Macht und Verantwortung sowie der Kontrolle der Machtträger; sie zielt auch darauf ab, daß staatliche Entscheidungen möglichst richtig, das heißt von Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfugen, und sie will auf eine Mäßigung der Staatsgewalt insgesamt hinwirken." Dazu von Danwitz, Der Staat 1996, 329 (334ff). Das Zusammenwirken rechtsstaatlicher, demokratischer und gewaltenteiliger Grundsätze beobachtet auch Trute, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht, S. 249 (270). Ähnlich Krebs, in: Isensee/Kirchhof III, § 69 Rnr. 77.

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung Insoweit hilft ein Gebot aufgabengerechter bezogenheit BVerfG

einer

rechtfertigt

Organisation insbesondere

Organisation die Aufgaben-

verfassungsrechtlich Ausnahmen

2

vom

abzubilden. 4 0 8 Grundsatz

der

Das Wei-

sungsbindung teils aus den Sachgegebenheiten, 409 teils aus der herkömmlichen Verwaltungsstruktur 4 1 0 und teils aus immanenten Grenzen des Demokratieprinz i p s . 4 1 1 Bemerkenswerterweise greift es nicht ausdrücklich auf die speziellen Verfassungssätze zurück, die in jedem der zitierten Einzelfälle zur Verfügung gestanden hätten. 4 1 2 Es respektiert damit auch gegenüber dem Demokratieprinzip allem Anschein nach ein allgemeines Erfordernis sachgerechter Aufgabenerfullung. 4 1 3 Allerdings verbietet es schon die maßstabsspezifische Begrenzung der Erkenntnismöglichkeiten, 4 1 4 einem Gebot aufgabengerechter Organisation mehr abzuverlangen als eine Negativauswahl ungeeigneter Organisationsformen. 4 1 5

408 Ausfuhrlich dazu Groß, Kollegialprinzip, S. 229. Vgl. auch Τ rute , in: SchmidtAßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht, S. 249 (273). Zu diesem Zweck bemühte bereits Fichtmüller, AöR 91 (1966), 297 (341) ein „Gebot der Sachgerechtigkeit". Kritisch gegen sog. „Sachzwänge" Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 591 f. Zum Wert für die Rechtfertigung ,atypischer' Ausgestaltungsformen Krebs, in: Isensee/Kirchhof III, § 69 Rnr. 77. 409 Vgl. BVerfG E 83, 130 (150) - Mutzenbacher - in der es das BVerfG nicht für nötig hält, Art. 5 GG ausdrücklich zu zitieren, obwohl er im Rundfunk die Staatsferne trägt. 410 Vgl. BVerfG E 93, 37 (69) - Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein - zur Bedeutung von bewährten Formen, Beschäftigte zu beteiligen. 411 In diese Richtung wohl BVerfG E 91, 228 (244) - Kommunale Gleichstellungsbeauftragte -. 412 Vgl. die Rechtfertigung des § 10 GjS aus Art. 5 GG bei Oebbecke, S. 176-180. 413 Vgl. BVerfG E 93, 37 (69) - Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein -: „Das demokratische Prinzip läßt es ... zu, daß der Staat ... seinen Beschäftigten eine Beteiligung zur Wahrung ihrer Belange ... einräumt. Es geht dabei um Beteiligungsrechte, die in vergleichbarer Weise auch für Arbeitnehmer der Privatwirtschaft verwirklicht sind und sich nach den Erfahrungen des Arbeitslebens als wichtiges Instrument des Interessenausgleichs und der Gewährleistung von „Betriebsfrieden", und damit letztlich auch zur Förderung sachgerechter Aufgabenerledigung (Hervorhebung meinerseits) erwiesen haben." 414 Zu den Schwierigkeiten, die Zielerreichung zu messen, exemplarisch Steinberg, Politik und Verwaltungsorganisation, S. 279 Fn. 327. Das TKG bietet als Konkretisierung des Art. 87f GG zwar eine Ziel- und eine Zwecksetzung. Die Universaldienstversorgung und die Entgeltregulierung lassen sich in Versorgungsgraden und Preisen fixieren, Wettbewerb ist dank der theoretischen Vorarbeit u.a. des Bundeskartellamtes feststellbar, selbst eine Frequenzordnung läßt sich auf ihre Anforderungsgerechtigkeit beurteilen. Die Ableitung von Zusammenhängen ist aber schon im rechtlichen Ausgangspunkt durch das unklare Verhältnis von § 1 zu § 2 TKG belastet (vgl. Schuster, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 2 Rnr. 3). 415 Won Danwitz, Der Staat 1996, 329 (338 u. 346) spricht von „verfassungsrechtlichen Inkompatibilitätsregeln".

17 Oertel

25

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

In Einzelfragen wie i m allgemeinen gibt es keine Theorie der besten Organisation. 4 1 6

Die

Organisationswissenschaft

bietet

weder

optimale

Lö-

sungsmodelle noch erhebt sie den Anspruch, wesentlich mehr leisten zu können als eine A n a l y s e . 4 1 7 Daher beläßt das B V e r f G in der Anwendung eines solchen Maßstabes dem Gesetzgeber weiten organisatorischen Gestaltungsspielraum, 4 1 8 „ u m den - verschiedenartigen und sich ständig wandelnden - organisatorischen Erfordernissen Rechnung tragen und damit eine wirkungsvolle und leistungsfähige Verwaltung gewährleisten zu k ö n n e n . " 4 1 9 Folglich w i r d eine weisungsgebundene Ministerialverwaltung erst dann verfassungswidrig sein, wenn sie sich erweist, daß sie offensichtlich außerstande ist, die ihr zugedachte Aufgabe zu erfüllen. A l s aufgabengerecht kann eine ministerialfreie Organisation aber bereits dann gelten, wenn ihr überlegener Beitrag zur Aufgabenerfullung plausibel dargetan ist. Die notwendigen Eignungsprognosen sind sorgfältig abzustützen. 4 2 0 Das Organisationsrecht ist hier auf empirisch abgesicherte Theorien mittlerer Reichweite angewiesen. 4 2 1 Wenn i m 416

So schon die Feststellung bei Steinberg, Verwaltungsorganisation, S. 424 u. S. 256 ff. Ebenso Trute, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht, S. 249 (277 Fn. 113 mwN.), Vertiefend Thomas Groß , Grundzüge der organisationswissenschaftlichen Diskussion, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrechts als Steuerungsressource, Baden-Baden 1997, S. 139. Vgl. aber für die Bundespost Scholz/Aulehner, Arch PT 1993, 221 (224-226). 417 Vgl. Becker, S. 588. 418 Vgl. BVerfG E 83, 238 (334fï) - WDR-Gesetz -.; BVerfG E 93, 85 (96, 98) Fachbereichsdekan -; BVerfG E 83, 130 (151) - Mutzenbacher -. Die frühere Forderung optimaler Organisation, die der Wissenschaft soviel Freiheit wie möglich verschaffen sollte und den Gesetzgeber daher verpflichtete, „alle erforderlichen und geeigneten Vorkehrungen zu treffen, um die Gefahr ... fehlsamer Entscheidungen im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren auszuschließen" (BVerfG E 35, 79 (123f) - Gruppenuniversität - ) beließ schon zum Zeitpunkt ihrer Erhebung dem Gesetzgeber die Wahl der erforderlichen Maßnahmen (aaO., (35)) und wird in dieser Deutlichkeit nicht mehr erhoben (vgl. BVerfG E 93, 85 (96, 98) - Fachbereichsdekan -). Allgemein von Danwitz, Der Staat 1996, 329 (347f); Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchoff, Hb. d. StR. I, § 24 Rnr. 79. 419 BVerfG E 63, 1 - Schornsteinfegerversicherung -. Für die Bundespost ebenso Scholz/Aulehner, Arch PT 1993, 221 (251). Allgemein Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rnr. 46. 420 Vgl. BVerfG E 93, 37 (69) - Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein -, wo es an versteckter Stelle heißt: „Das demokratische Prinzip läßt es ... zu, daß der Staat ... seinen Beschäftigten eine Beteiligung zur Wahrung ihrer Belange ... einräumt. Es geht dabei um Beteiligungsrechte, die in vergleichbarer Weise auch für Arbeitnehmer der Privatwirtschaft verwirklicht sind und sich nach den Erfahrungen des Arbeitslebens als wichtiges Instrument des Interessenausgleichs und der Gewährleistung von „Betriebsfrieden", und damit letztlich auch zur Förderung sachgerechter Aufgabenerledigung erwiesen (Hervorhebung meinerseits) haben.". 421 Schmidt-Aßmann, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht, S. 9 (16 Fn. 23) im Anschluß an König/Dose (Hrsg.), Instrumente und Formen staatlichen Handelns, 1993, S. 123 ff.

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

29

Einzelfall Sachgründe nachgewiesen sind, die eine Weisungsfreiheit tragen, läßt sich vermittels des Gebotes aufgabengerechter Organisation also auch ohne besonderen Verfassungstitel die Ministerialfreiheit einer Behörde rechtfertigen. Mit dieser Begründung wird das Ministerialmodell zu einer verfassungsbewährten Organisationsform, die je nach Sachlage verändert werden darf. 422 In extremis führt dies dazu, die grundsätzliche Bedeutung des Ministerialmodells als Organisationsform des Demokratieprinzips in Frage zu stellen. 423 Hier geht die verwaltungsnahe Beobachtung in Überlegungen über, die die Weisungsbefugnis schon im Ansatz für verzichtbar halten.

IV. Zur verfassungsrechtlichen

Verzichtbarkeit

der Weisungsbefugnis

Aus Sicht des Parlaments ist die Weisungsbefugnis vornehmlich eine Bedingung ministerieller Verantwortlichkeit. 424 Das Parlament könne - so wird betont 4 2 5 - diese Verantwortlichkeit gesetzlich beschränken. 426 Dies folge unmittelbar aus Art. 86 GG, der sogar einen Ausschluß der allgemeinen Weisungsbefügnis zulasse.427 Die ministerielle Weisungsbefugnis gilt daher als disponibel, soweit sie nicht verfassungsrechtlich vorbehalten ist. Grenzen fur einen Verzicht ziehe die Verfassung lediglich in zweierlei Hinsicht: Zum einen dürfe sich das Parlament nur für einzelne, klar umrissene Politikbereiche seiner Kontrollrechte begeben (Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG analog). 428 Zum anderen müsse der Regierung ein Kernbereich an Funktionen erhalten bleiben. 429

422 Vgl. die Abstufung möglicher Gründe bei Krebs, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 69 Rnr. 83. 423 Vgl. Krebs, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 69 Rnr. 82. Insoweit führt diese Auffassung zur Ansicht von Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 65 Rnr. 101 hinüber. 424 Dazu unten S. 303 ff. 425 Von Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 65 Rnr. 100 besonders gegenüber der Exekutive. 426 Vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 65 Rnr. 101. Ausführlich Klein, S. 190-199. Von einem anderen Ausgangspunkt her im Ergebnis auch Groß, Kollegialprinzip, S. 263 ff, insbesondere S. 269. 427 Vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 65 Rnr. 101. Die Kritik hieran bei Burmeister, S. 288 betrifft die Herleitung, nicht das Ergebnis. Burmeister, S. 311 fuhrt weiterhin Art. 24 Abs. 1 GG als Argument an. Vgl. auch Fichtmüller, AöR 91 (1966), 297 (322 f). Zur Entstehungsgeschichte Emde, S. 345, der den Regelungszweck des Art. 86 S. 1 GG auf das Verhältnis Bundesregierung - Bundesminister bezieht. Vgl. weiter Oebbecke, S. 46 f; Emde, S. 338; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 478 ff.

20

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

Die Kritik an dieser sog. Verzichtstheorie entzündet sich daran, daß die parlamentarischen Kontrollrechte als eigennützig begriffen würden. 430 Das Parlament könne sich seines Verfassungsauftrages als Treuhänder des Volkes 431 nicht entledigen, indem es die eigenen Kontrollrechte beschränke. Als Zuständigkeitsregelung sei die parlamentarische Kontrollkompetenz solange unverzichtbar, als eine Dispositionsbefugnis von verfassungsrechtlichem Rang fehle. 4 3 2

Κ Fazit Über die grundgesetzliche Wertigkeit des Ministerialmodells herrscht in der Lehre weniger Einigkeit, als es die gemeinsame Bekräftigung eines Grundsatzes der Weisungsbindung erwarten läßt. Die engste dargestellte Auffassung hält das Ministerialmodell für den legitimatorischen Regelfall des Grundgesetzes, die weiteste Auffassung erklärt es grundsätzlich für verzichtbar; eine letzte Auffassung hält es sogar nur für eine Regelungsstruktur des einfachen Rechts. Nach allen Auffassungen liegt das Ministerialmodell aber im Spannungsfeld zweier Gravitationszentren: Auf der einen Seite artikulieren sich Anforderungen sach- oder aufgabengerechter Organisation. Sie sollen nach der engsten Auffassung eine Aufgabe der Weisungsbindung erst dann rechtfertigen, wenn sie in das Verfassungsorganisationsrecht eingegangen sind; vermittelnden Stimmen genügt es, wenn sie ggf. dank eines Gebotes aufgabengerechter Organisation, verfassungsrechtliches Gewicht erhalten; die sog. Verzichtstheorie legt ihre Berücksichtigung nahezu vorgabefrei in die Hände der gesetzgeberischen Organisationsgewalt.

428

Vgl. Herzog,, in: Maunz/Dürig, Art. 65 Rnr. 104; Klein, S. 207-209. Vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig, An. 65 Rnr. 105; Klein, S. 209-215. Angesichts dieses Vorbehalts geht der Einwand von Stern, II, § 41 IV 10 b), S. 709 f, Emde, S. 360 u.a., auf Rechte der Regierung aus Art. 65 GG könne das Parlament nicht verzichten, ins Leere. 430 So schon Fichtmüller, AöR 91 (1966), 297 (329). Vgl. auch Müller, JuS 1985, 497 (504). Ohne weitere Begründung Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. I, § 22 Rnr. 24, der annimmt, der Typ der Ministerialverwaltung sei normativ unterfangen. 431 Ausfuhrlich zum Verständnis des Parlaments als Legitimationsbewahrer, nicht als Legitimationsquelle und der weiteren Frage nach der Qualität des Volkes als Staatsorgan Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 351 ff; Emde, S. 308 f; Brosius-Gersdorf S. 117 f. 432 Vgl. Oebbecke, S. 47, 65 u. 105; Brosius-Gersdorf S. 117; Emde, S. 310; Jestaedt,, Kondominialverwaltung, S. 353 mwN. 429

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

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Auf der anderen Seite wollen die verfassungsrechtlichen Funktionen der Weisungsbindung beachtet werden. Der engsten Auffassung gilt die weisungsförmliche Legitimation als Funktionsbedingung des grundgesetzlichen Ministerialmodells; vermittelnde Auffassungen beobachten, daß eine Auflösung sowohl Kontrollrechte des Parlaments als auch Leitungsrechte der Regierung berührt; 433 die sog. Verzichtstheorie stellt wiederum maßgeblich auf die parlamentarische Kontrolle ab. Der Grundsatz der Weisungsbindung bildet also nur die Basis für eine umfassendere Vermessung des ministerialfreien Raumes. Sie ist mit den dargestellten Auffassungen nicht abgeschlossen. Diese geben lediglich die weitere Richtung vor. Die von ihnen einerseits angestoßenen Sachnotwendigkeiten haben für die Telekommunikation im Gesamtprogramm des Art. 87f GG ihren Platz. Daher ist Art. 87f GG nunmehr daraufhin zu untersuchen, inwiefern das Privatisierungsprogramm eine Fortentwicklung des Ministerialmodells fordert bzw. zuläßt (dazu sogleich C). Aus dem allgemeinen Grundsatz der Weisungsbindung und seiner speziellen Ausformung durch Art. 87f GG heraus lassen sich anderseits die verfassungsrechtlichen Funktionen der Weisungsbefugnis näher betrachten (dazu sodann D).

C. Die Ministerialfreiheit der Regulierungsbehörde und das Privatisierungsprogramm des Art. 87f GG Art. 87f GG könnte Ausnahmen von der Weisungsbindung rechtfertigen, äußerstenfalls sogar die Schaffung eines ministerialfreien Raumes fordern. 434 Die Verfassungsauslegung befaßt sich zunächst mit dem historischen und systematischen Zusammenhang (I - III). Dieser erkennt die Organisationsnotwendigkeiten an, die sich aus dem Privatisierungsauftrag ergeben (IV) und die sich durch einen Blick auf den europarechtlichen Hintergrund (V) und einen rechtsvergleichenden Ausblick bestätigen lassen (VI).

I. Der Wortlaut des Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG Nach dem Wortlaut des Art. 87 f Abs. 2 S. 2 GG werden die Hoheitsaufgaben in der Telekommunikation in bundeseigener Verwaltung ausgeführt. 433

Vgl. nur Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rnr. 70. Die Unterscheidung zwischen obligatorischer und fakultativer Ministerialfreiheit nach Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rnr. 70. Ähnlich Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 358, S. 367 u. S. 425. 434

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

Dieser Formulierung allein ist zur Weisungsbindung wenig zu entnehmen.435 Allerdings war sowohl unter Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG als auch unter dem gleichlautenden Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG a.F. die Regulierung einem Ministerium zugewiesen. Die Regulierungsbehörde tritt die Funktionsnachfolge des Postministeriums an (vgl. § 98 S. 1 TKG). Es könnte von Verfassungs wegen an ihrer Stelle auch eine eigene oberste Bundesbehörde gebildet werden. 436 Diese wäre in den Grenzen des Art. 65 GG weisungsfrei.

IL Zur historischen Auslegung Historisch schließt Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG für den Teilbereich der Hoheitsaufgaben an Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG a.F. an. 437 Die bisherige Bundesverwaltung wird demnach in ihrem Aufgabenbereich reduziert, nicht in ihren verfassungsrechtlichen Gestaltungsvorgaben verändert. 438 Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG in der früheren Fassung tolerierte eine Verwaltungsorganisation, in der weisungsfreie Räume bestanden. Die Unabhängigkeit des Verwaltungsrates nach dem PostVwG wurde verfassungsrechtlich hingenommen. 439 Die Begründungen dafür betonten je nach Autor verschiedene Gesichtspunkte: Die Entstehungsgeschichte des Art. 87 Abs. 1 GG belegt, daß die vorgefundene Organisationsverfassung der Reichspost grundgesetzlich rezipiert und als verfassungsrechtlich zulässig anerkannt wurde. 440 Als vorverfassungsrechtliches Sondervermögen konnte die Post ebenso wie die Bahn eine gewisse Autonomie behaupten und aus Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG a.F. rechtfertigen. 441 Soweit Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG lediglich die Beherrschbarkeit des Staatsunternehmens verlangte, sollte es genügen, diese über die personelle Besetzung der Organe ohne ministerielles Weisungsrecht sicherzustellen. 442

435

Die Aussage von Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87f Rnr. 32, daß die Ressortverantwortung beim B M W i liege, ist dem Begriff bundeseigener Verwaltung nicht immanent. 436 Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 112. Dies hatte der Referentenentwurf v. 6.10.1995, § 68, noch vorgesehen. Vgl. oben S. 200 ff. 437 Vgl. Rottmann, Arch PT 1994, 193 (195). 438 Vgl. Fraktionsentwurf, BT-Drs. 12/6717, S. 3 u. 4. 439 Zu § 13 PostVwG vgl. BVerfG E 28, 66 (84) - Gebührenverordnung -; BVerwG E 28, 36 (44); Zustimmend Dittmann, S. 180; kritisch Herrmann, Bundespost, S. 129. 440 Ausführlich Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 458-456, der aufgrund der subjektiv-historischen Auslegung Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG „Ausgestaltungsgehalt" gegenüber dem Demokratieprinzip zuerkennt. 441 Zur Bahnautonomie Schmidt-Aßmann/Fromm, S. 106 f. 442 Vgl. Mayer, Bundespost, S. 109.

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

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Indes wären auch andere Formen der Verselbständigung denkbar gewesen. 443 Deswegen konnte das PostVerfG 1989 den Verwaltungsrat auflösen. 444 An seine Stelle traten innerhalb der Teil-Unternehmen die Aufsichtsräte als wiederum kondominial besetzte Gremien. 445 Beim Ministerium wurde ein Infrastrukturrat als Vertretung von Bundestag und Bundesrat eingerichtet und mit Mitwirkungsrechten begabt. 446 Indem Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG an den Wortlaut des Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG a.F. anschließt, scheint er dessen Toleranz gegenüber weisungsfreien Räumen fortzufuhren. Die Rechtsformumwandlung nach Art. 87f Abs. 1 S. 1 iVm. Art. 143b Abs. 1 GG löste aber das Spannungsverhältnis zwischen unternehmerischen und politischen Aufgaben institutionell auf und faßte seine Gegensätzlichkeit in Begriffe des Außenrechts. Das Sondervermögen wurde zur Aktiengesellschaft. Damit entfällt die bisherige Rechtfertigung kondominial besetzter und weisungsfrei gestellter Organe. 447 Die verbleibenden Hoheitsaufgaben iSd. Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG verwaltete nach dem verfassungsbegleitenden PTRegG 1994 das hierarchisch organisierte Postministerium. §§ 15 ff PTRegG errichteten jedoch für bestimmte Regulierungsfragen Beschlußkammern. § 15 Abs. 1 PTRegG bezeichnete diese ausdrücklich als „unabhängig". Die beiden Beschlußkammern verfuhren justizähnlich; ihre Verfugungen überprüften sie in einem sog. Schlichtungsverfahren wechselseitig. Der Gesetzgeber war sich ausweislich der Materialien bewußt, daß damit die Ressortverantwortung des Ministers in Frage stand. 448 Er hielt sie aber für gewahrt. Denn den Beschlußkammern fielen nur Aufgaben von geringer politischer Tragweite zu. 4 4 9 Der Minister konnte zudem Widerspruch einlegen. 450 Zumin443

Vgl. Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 404; Schmidt-Aßmann/Fromm, S. 107. Vgl. oben S. 51 ff. 445 Vgl. § 16 PostVerfG. Dazu Eifert, S. 170 f. Zur nicht unumstrittenen Weisungsfreiheit Eberhard Simmler, Die Rechte und Pflichten der Mitglieder der Aufsichtsräte der öffentlichen Unternehmen der Deutschen Bundespost nach dem Postverfassungsgesetz unter besonderer Berücksichtigung der Frage ihrer Haftung, Archiv PF 1991, 253 (255). 446 § 32 PostVerfG. 447 Dreier, S. 280 f, erklärt die Verselbständigung im Bereich der früheren Bundespost aus ihrer Praktikabilitätsfunktion, nicht aus der Distanzierungsfunktion, die nunmehr die Regulierungsbehörde erfüllen soll. Vgl. unten S. 269 ff. 448 Vgl. Fraktionsentwurf, BT-Drs. 12/6718, S. 110. 449 Tatsächlich wurde nur eine Entscheidung veröffentlicht. Vgl. BK-Vfg, Arch PT 1996, 179 mit Anm. Lefßer (182). Die Verfügung behandelte die Umrüstung von Freistempelmaschinen und stützte sich auf § 15 Abs. 2 Nr. 1, 3 und 4 PTRegG. Erstritten wurde sie von einer Rechtsanwaltskanzlei. 450 Nach § 21 Abs. 2 PTRegG konnte der Minister einer Verfügung der Beschlußkammer widersprechen, wenn er sie im Interesse der Bundesrepublik Deutschland für nicht verantwortbar hielt. Der Widerspruch war binnen einer Woche einzulegen und zu veröffentlichen. Er verpflichtete die Beschlußkammer dazu, erneut zu beschließen. Es 444

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

destens in diesen Grenzen hielt der Gesetzgeber eine Beschneidung des Weisungsrechts auch unter Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG für zulässig. Neben der Modifikation ministerieller Leitung führte das PTRegG auch die ratsförmliche Modifikation parlamentarischer Kontrolle fort und wertete den Regulierungsrat im Vergleich zum bisherigen Infrastrukturrat auf. 451 Daran zeigt sich, daß die verfassungsbegleitende Gesetzgebung einerseits im Bereich der gestaltenden Regulierung das ministerielle Weisungsrecht allein nicht für hinreichend hielt, um parlamentarische Verantwortlichkeit zu vermitteln. Andererseits setzte sie im Bereich der aufsichtführenden, ex-post agierenden Regulierung bereits unabhängige Beschlußkammern ein und reduzierte damit die ministerielle Weisungsbefugnis. Zwar kann das PTRegG nicht den Anspruch erheben, die einzige verfassungsrechtlich authentische Abbildung des Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG zu sein. 452 Da es in unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit Art. 87f GG entstanden ist, enthält es aber gewichtige Auslegungshinweise. Es kann behaupten, eine zulässige Ausdeutung seines organisationsrechtlichen Gehalts wiederzugeben. Damit stützt es den historischen Befund: Das Ministerialmodell ist in der Fernmeldeverwaltung weder vor noch nach den Postreformen rein verwirklicht worden. Hätte Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde kategorisch ausschließen wollen, ließe sich kaum erklären, warum sie über das PTRegG hinaus zum Eckpunkt der weiteren Postreform erhoben wurde. 453 Insgesamt ist daher festzuhalten: Schon Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG a.F. respektierte die vorgefundene Autonomie von Bahn und Post. Sie drückte sich organisationsrechtlich namentlich in einer Rücknahme der Weisungsbindung und einer Modifikation ministerieller Verantwortlichkeit durch kondominial, parlamentarisch und föderal besetzte Gremien aus. 454 Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG führt diese Tradition für den Bereich der Hoheitsaufgaben fort. Die Regulierung kann, so zeigt es die verfassungsgeschichtliche Anknüpfung, weisungsfreien Organen anvertraut werden.

handelte sich also um ein Kassationsrecht, das an formelle (Frist, Veröffentlichung) und materielle (Interesse der Bundesrepublik) Voraussetzungen gebunden war. 451 Vgl. §§11 ff PTRegG. Dazu oben S. 76 ff. 452 Vgl. dazu Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 577 (578); Stern, DVB1. 1997, 309 (313). 453 Vgl. BMPTi Eckpunkte, Ziff. XIII. 1., S. 14. Die Eckpunkte wurden im März 1995, also kurz nach Inkrafttreten der Postreform II, veröffentlicht. Die Forderung nach einer unabhängigen Regulierung stützten in der Literatur z.B. Scherer, CR 1994, 418 (425); Möschel, in: Mestmäcker (Hrsg.), Kommunikation II, S. 397 (407) und Mestmäkker, in: ders. (Hrsg.), Kommunikation II, S. 13 (109). 454 Ebenso Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 464.

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

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III. Zur systematischen Auslegung Systematisch kann die Auslegung des Art. 87f GG in zwei Richtungen vorgehen. Zum einen kann sie ihn in der Folge der allgemeinen Bestimmungen nach Art. 83 ff GG verstehen, zum anderen kann sie seine Sonderstellung im Umkreis der Art. 87a - f GG hervorheben. „Bundeseigene Verwaltung" ist zunächst eine grundgesetzliche Ausnahme von der Ausführung der Bundesgesetze als eigene Angelegenheit der Länder (Art. 83 GG). Es ist eine konsequente Fortsetzung der Reihe von Art. 83 GG über Art. 84 Abs. 5 GG zu Art. 85 Abs. 3 GG, in der bundeseigenen Verwaltung von einem grundsätzlich unbeschränkten Einzelweisungsrecht des zuständigen Ministers auszugehen. Art. 86 GG führt es zwar nicht eigens auf. 455 Das GG behandelt das staatsinterne Weisungsrecht aber ohnehin ausdrücklich nur im Bund-Länder-Verhältnis und für Ausnahmesituationen.456 Die Ressorts, die in Art. 87 Abs. 1 GG namentlich als Paradefälle bundeseigener Verwaltung angeführt werden, sind die klassischen Ministerien Auswärtiges, Finanzen und Inneres. Für sie steht die ministerielle Befugnis zu Einzelweisungen außer Frage. Die allgemeinen Bestimmungen sprechen dafür, die bundeseigene Verwaltung dem Weisungsrecht zu unterwerfen. Art. 87f GG hat sich allerdings systematisch aus Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG, in dem er schon zuvor eine Sonderstellung einnahm, gelöst. Er schließt nunmehr eine Reihe verschiedener Variationen auf das Thema der bundeseigenen Verwaltung ab (Art. 87a - e) und leitet zur unabhängigen Zentralbank (Art. 88 GG) 4 5 7 über. Art. 87a und Art. 87b GG formulieren in ihrer Gegenüberstellung einen Trennungsgrundsatz, der Streitkräfte und Wehrverwaltung voneinander isoliert und erst in der Ministerialspitze zusammenführt. Das weisungsfreie Verfahren

455

Vgl. Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee v. 10. bis 23. August 1948, 1948, S. 78 (Art. 112): „Soweit die Ausführung der Bundesgesetze Sache einer bundeseigenen Verwaltung oder einer bundesunmittelbaren Selbstverwaltung ist, erlassen die Bundesregierung und nach Maßgabe der Geschäftsordnung die einzelnen Bundesminister die notwendigen Durchführungsverordnungen und Einzelanweisungen." Dem fügte der Zuständigkeitsausschuß des Parlamentarischen Rats bei: „soweit die Gesetze nichts anderes bestimmen." In der endgültigen Fassung des Art. 86 GG wurde die Einzelweisung nicht mehr erwähnt. In den Verhandlungen des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rats 1948/1949, S. 190 (zu Art. 112) äußerte Dr. Hoch (SPD): „Es ist selbstverständlich, daß jeder Minister für seine Verwaltung Einzelanweisungen geben kann. Deshalb ist das weggelassen." Der Vorsitzende Dr. Schmid stimmte zu: „Das war ein Superfluum, das man mit Recht gestrichen hat.". 456 Vgl. außer den zitierten Vorschriften Art. 37 Abs. 2 (Bundeszwang); Art. 91 Abs. 2 S. 1 u. 3 (Innerer Staatsnotstand); Art. 115fAbs. 1 Nr. 2 (Verteidigungsfall); Art. 119 S. 2 (Flüchtlinge und Vertriebene); Art. 120a Abs. 1 S. 2 (Lastenausgleich). 457 Dazu ausführlich Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 427 ff.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

der Musterungsausschüsse ist unter Art. 87 b GG höchstrichterlich nicht bemängelt worden, 458 dies allerdings zu einer Zeit, als den Art. 87 ff GG vornehmlich föderaler Gehalt unterstellt warde. 459 Unter Art. 87c ist die Weisung zwar zu verfassungsgerichtlicher Prominenz gelangt, dies aber im Bund-Länder-Streit. 460 Art. 87d GG wiederum will als bundeseigene Verwaltung auch die privatrechtsförmige Organisation anerkennen und wirft damit größere Interpretationsschwierigkeiten auf. 461 Sie lassen sich lösen, indem S. 2 als „Systembruch" 4 6 2 ausgeklammert oder S. 1 auf eine föderale Aussage reduziert wird. 4 6 3 Einen sicheren Anhalt für eine systematische Auslegung bietet Art. 87d daher kaum. Damit stützt er wiederum die Annahme, daß die einzelnen Vorschriften des VIII. Abschnittes aus den jeweiligen Sachbesonderheiten heraus zu entwikkeln sind. Sachlich und systematisch nächstliegend ist der Vergleich des Art. 87f mit Art. 87e GG. In dieser Vorschrift ist die funktionelle Trennung der Verwaltungsbereiche in gleicher Weise wie in Art. 87f organisatorisch angelegt. 464 Zur näheren Ausgestaltung der bundeseigenen Eisenbahnverkehrsverwaltung äußert Art. 87e Abs. 1 S. 1 GG sich jedoch nicht. Das verfassungsbegleitende Eisenbahnverkehrsverwaltungsgesetz errichtete hierfür das Eisenbahn-Bundesamt. Es ist als selbständige Bundesoberbehörde dem Bundesminister für Verkehr unterstellt. Dieser ist mangels anderer Anhaltspunkte zu Einzeiweisungen berechtigt. 465 Daraus ließe sich schließen, daß auch nach Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG das Einzelweisungsrecht erhalten bleiben muß. Allerdings enthält die verfassungsbegleitende Gesetzgebung nur eine der verfassungsrechtlich möglichen

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Vgl. BVerwG E 12, 20 (28 f); BVerwG E 7, 66 (73). Auch heute noch problematisiert Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 87 Rnr. 3, die Weisungsfreiheit der Musterungsausschüsse nicht. Differenzierend für Musterungsausschüsse (unzulässig weisungsfrei) und Ausschüsse für Kriegsdienstverweigerung (wegen Art. 4 Abs. 3 GG zulässig weisungsfrei) Oebbecke, S. 188-192. 459 Vgl. Dittmann, S. 170. 460 Vgl. nur BVerfG 81,310- Schneller Brüter -. 461 Ausführlich Lerche, in: FS-Klein, 527.Vgl. auch Heinz-Joachim Pabst /Rolf Schwartmann, Privatisierte Staatsverwaltung und staatliche Aufsicht. Ein Beitrag zu den Schranken der Organisationsprivatisierung am Beispiel der 10. Novelle zum LuftVG, in: DÖV 1998, S. 315 ff. 462 So Windthorst, in: Sachs, Art. 87d Rnr. 34. 463 So Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 87d Rnr. 1. Weitere Ansätze bei Lerche, in: FS-Klein, S. 527 (537 ff). 464 Dazu oben S. 111. 465 Vgl. § 2 Abs. 1 EVVwG und die Organisationsentscheidung EisenbahnBundesamt v. 3.1.1994, in BMV, Verkehrsblatt 1994, 90f.

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

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Organisationsentscheidungen. 466 Der Gesetzgeber des E isenbahn Verkehrs Verwaltungsgesetzes erwog durchaus, einzelne Verwaltungsaufgaben auf das faktisch weisungsfreie Bundeskartellamt zu übertragen. 467 Des weiteren betont Art. 87e die Organisationsprivatisierung nach Abs. 3 S. 1; die materielle Privatisierung kommt im Eisenbahnwesen nur langsam vorwärts. Unter ähnlichen Verfassungstexten mögen je nach Sachlage verschiedene Organisationsmodelle zulässig sein. Auch Art. 87f GG überfing die postministerielle ebenso wie die oberbehördliche Regulierung. Art. 87e GG kann daher weder für die Bahn noch für das Fernmeldewesen eine ministerialfreie Verwaltung ausschließen. Insgesamt sind aus der Systematik mit aller Vorsicht folgende Schlüsse zu ziehen: (1) Art. 87f ist aus dem klassischen Bereich der bundeseigenen Verwaltung nach Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG herausgenommen worden. (2) Die Vorschrift findet sich in einem Umfeld divergierender Organisationsnormen wieder, die sich kaum in ein abgeschlossenes System fügen. 468 (3) Jede dieser Normen nimmt Besonderheiten ihres Sachgegenstandes auf, und zwar sowohl in statischer als auch in dynamischer Perspektive. Statisch betrachtet gestatten etwa Art. 87c GG mit den Musterungsausschüssen und Art. 87c Abs. 1 S. 2 GG mit der privatrechtlichen Form Abweichungen von einer ministeriell anzuweisenden Verwaltung. In dynamischer Betrachtung ist der Privatisierungsprozeß ein gemeinsames Moment von Art. 87c, Art. 87e und Art. 87d. Ihm entsprechen Organisationsgestaltungen, die mit der jeweiligen Privatisierungsphase variieren. In der Summe steht die Systematik daher einer ausnahmslosen Fixierung des Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG auf ein bestimmtes Organisationsprinzip, namentlich das Hierarchieprinzip, entgegen. Sie läßt eine sachbereichs- und sachentwicklungsgerechte Abweichung von der Regel ministerieller Weisung zu.

IV. Die politische Verselbständigung als Konsequenz des Privatisierungsprogramms Historische und systematische Auslegung öffnen den Organisationsgehalt des Art. 87f Abs. 2 S.2 GG den Anforderungen des Privatisierungsprogramms.

466 Dazu am Beispiel der Bahnreform deutlich Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 577 (578). 467 Vgl. Ausschußbericht, BT-Drs. 12/6269, S. 139 zu § 12. Dazu Fromm, DVB1. 1994, 187(193). 468 Zu Alternativen einer organisationssystematischen Einfügung in den VIII. Abschnitt des GG vgl. Lerche, Art. 87 f Rnr. 11.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

Im Fraktionsentwurf zum TKG heißt es dazu, die notwendigen Regulierungsaufgaben gingen über eine bloße Mißbrauchsaufsicht weit hinaus und erforderten daher eine sektorspezifische Regulierungsinstanz, die ihre fachlichen Entscheidungen möglichst unabhängig treffen könne. 469

1. Politische, nicht fachliche Verselbständigung Die angesprochenen sektorspezifischen Besonderheiten könnten zunächst auf die technische Komplexität des Fernmeldewesens hindeuten. Dann wäre die technische Expertise der tragende Grund einer fachlichen Verselbständigung der Regulierungsbehörde. 470 Dies findet jedoch in Art. 87f GG keinen Anhalt. Die Dominanz des technischen Rationais im Fernmeldewesen ist mit der Vorstellung des natürlichen Monopols verabschiedet worden. 471 Art. 87f GG versteht die Telekommunikation als einen Wirtschaftssektor, den die Technik begrenzt, nicht als ein technisches Subsystem, das die Wirtschaft bestimmt. 472 Der sektorspezifische Verfassungsauftrag richtet sich nicht auf die technische Komponente des Telekommunikationssektors, sondern auf seinen privatwirtschaftlichen Zustand. Art. 87f GG fordert den Übergang zum wettbewerblichen Leistungsmodus. Die Marktöffnung, z.B. in den Vereinigten Staaten war das Verdienst der allgemeinen Wettbewerbsaufsicht, nicht einer sektorspezifischen, technisch spezialisierten Fachbehörde. 473 Auch das TKG nimmt den Markt, nicht die Telekommunikationsanlage iSd. FAG zum zentralen Begriff. Es geht davon aus, daß die fachtechnischen Grundlagen einer telekommunikationsrechtlichen Entscheidung vermittelbar sind. Dies belegen die Vorschriften des § 70 TKG für die wissenschaftliche Beratung und des § 79 Abs. 1 S. 1 TKG für die Begründungspflicht der Beschlußkammern. Die fachliche Komplexität ist daher nicht die treibende Kraft einer Verselbständigung der Behörde. Der Wirtschaftsausschuß forderte vielmehr in der Beratung des TKG, die Regulierungsbehörde unabhängig zu stellen, um sie gegen „tagespolitische Einflußnahme" zu schützen.474 Aus den denkbaren Motivkategorien ist also die der 469

Fraktionsentwurf, BT-Drs. 13/3609, S. 51 Zu § 65. In diese Richtung etwa die Argumentation Wittes, in: Mestmäcker/Witte, Gutachten, S. 49 ff. 471 Oben S. 43. 472 Zur soziologischen Gegenüberstellung dieser Systemverständnisse Werle, S. 361. 473 Mestmäcker/Witte. Gutachten, S.22. Ausführlich Haar, Marktöffnung in der Telekommunikation, S. 155-207; dies., in: Mestmäcker (Hrsg.), Kommunikation II, S. 527 (520-545); dies., Offener Netzzugang in der Telekommunikation, CR 1996, 713 (713716). 474 Vgl. die Stellungnahme des Wirtschaftsausschusses, wiedergegeben im Ausschußbericht, BT-Drs. 13/4864, S. 72, der aufgrund dieser Erwägung die Einrichtung einer „selbständigen" Behörde, den Verzicht auf ein behördliches Vorverfahren und auf 470

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

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Distanzierung, 475 des Schutzes des politischen Systems vor sich selbst, einschlägig. 476

2. Staatsinterne Distanzierung als ratio politischer Verselbständigung Distanzierung benennt eine Motivation, die auch als Neutralisierung bezeichnet wird. 4 7 7 Eine gänzlich neutrale Verwaltung ist jedoch ein der Verfassung fernes Ideal. 478 Nach Art. 20 Abs. 2 GG ist jede Entscheidung einer staatlichen Instanz - „alle Staatsgewalt" -legitimationsbedürftig und damit politisch als eine Angelegenheit des Staatsvolkes.479 Das Grundgesetz geht selbstverständlich davon aus, daß ein augenscheinlicher Verzicht auf Politik letztlich eine Entscheidung für eine andere Politik ist. 480 Präzise spricht daher auch der Wirtschaftsausschuß in seiner Stellungnahme zum TKG nicht von „politischer", sondern von „tagespolitischer" Einflußnahme. 4 8 1 Seine Bedenken richten sich gegen die unreflektierte, von kurzatmigen und einzelfallbezogenen Motiven getragene Verfälschung des Regulierungsprogrammes, das den Gehalt des grundgesetzlich verankerten, gesetzlich umrissenen und in Abstimmung zwischen Regierung, Behörde und Parlament konkretisierten Normwerkes mißachtet. Die Gefahr der Zielverschiebung ist besonders dort latent, wo das TKG nur ausfüllungsbedürftige und abwägungsfä-

die Einrichtung eines Beirates forderte. Ähnlich schon die Äußerungen der Sachverständigen, vor allem des Kartellamtspräsidenten Wolf, in: Postausschuß, Öffentliche Anhörung v. 13.3.1996, Protokoll Nr. 18, S. 40 f. Vgl. auch Möschel, MMR-Beilage 3/1999, S. 3 (5). 475 Begriff nach Dreier, S. 280, dort in der Abgrenzung zu Kooperation und Praktikabilität. 476 Vgl. zu den möglichen Motivgruppen Dreier, S. 270 ff; Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, S. 223 ff. Bereits Wagener, S. 45 f zählt 13 Begründungen. 477 Dazu insbesondere Fichtmüller, ÄöR 91 (1966), 297 (345-349); Klein, S. 177181. Beispiele bei Dreier, S. 280 f; Müller, JuS 1985, 497 (500-503). 478 Vgl. Steinberg, Verwaltungsorganisatiön, S. 28. 479 Vgl. auch Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 433. 480 Vgl. nur Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 434 und den Exkurs bei Waechter, S. 252 ff. 481 Vgl. die Stellungnahme des Wirtschaftsausschusses, wiedergegeben im Ausschußbericht, BT-Drs. 13/4864, S. 72, der aufgrund dieser Erwägung die Einrichtung einer „selbständigen" Behörde, den Verzicht auf ein behördliches Vorverfahren und auf die Einrichtung eines Beirates forderte. Ähnlich die Stellungnahme der Monopolkommission, Sondergutachten 24, Tz. 35; Jan B. Rittaler, WuW 1996, 699 (703). Auch die Feststellung des Behördenpräsidenten Scheurle zum Jahresende 1999, ABl. Reg TP 25/1998, S. 3129, Regulierung sei „keine politische Veranstaltung" verweist im Zusammenhang darauf, daß der Regierungswechsel die Tätigkeit der Behörde nicht beeinflußt habe.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

hige Kriterien formulieren kann (vgl. § 1 und § 2 TKG). 4 8 2 Hier läßt sich zum einen nicht ausschließen, daß die ausführende Behörde sich mittelfristig an anderen, leichter meßbaren Sekundärzielen orientiert, etwa der Verfahrenskorrektheit oder der Budgeterfullung. 483 In der englischen Literatur findet sich dafür die Bezeichnung bureaucratic drift. AU Zum anderen bieten diese Kriterien ein Einfallstor für eine politische Einflußnahme durch das Ministerium, aber auch den Beirat, 485 gegen dessen Einrichtung sich der Wirtschaftsausschuß an der zitierten Stelle wandte. Hier wäre von political drift zu sprechen. Eine politische Verselbständigung der Behörde kann beidem entgegenwirken. Denn sie entzieht das Regulierungsprogramm der tagespolitischen Einflußnahme. Sie betont aber auch die Eigenverantwortung der Behörde, der diese nicht durch einen Rückzug auf eine nur vollziehende Funktion entgehen kann. So wird die Behörde gehalten, eigene Verwaltungsgrundsätze (§ 81 Abs. 2 TKG) und Vergabebedingungen zu entwickeln (§ 11 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 TKG, § 19 Abs. 7 TKG, § 43 Abs. 2 TKG). 4 8 6 Distanzierung meint also, daß der Vollzug und die Konkretisierung eines politischen Programmes einer sachnahen Fachverwaltung anvertraut werden. Sie soll den Geist, der in dem Programm steckt, hüten und vor unbesonnenen Eingriffen bewahren. Systemtheoretisch formuliert: 487 „Das politisch-administrative System reflektiert die restriktiven und eventuell selbstdestruktiven Strukturbedingungen seiner eigenen Handlungslogik und baut Sicherungen gegen die in dieser Logik liegenden Schwachstellen ein, um Kurzschlüsse zu verhindern/ 4 Rechtskonstruktiv wird hierfür die Figur der Treuhand bemüht. 488 Distanzierung meint aber nicht eine Distanzierung des Staates von sich selbst, 489 die ihn im bipolaren Verhältnis zur Gesellschaft unweigerlich näher

482

Vgl. zu §§ 1, 2 TKG Schuster, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 2 Rnr. 3; zum § § 1 , 2 PTRegG schon Ossenbühl, Arch PT 1996, 207 (234 f). 483 Zur Verkehrung von Zielen und Zwecken Steinberg, S. 207. Das englische Oftel wirkt dem durch die Aufstellung von sog. „goals" entgegen. 484 Vgl. Jonathan Macey, Organizational Design and Political Control of Administrative Agencies, 8 Journal of Law and Economics [1992], 93-110. 485 Vgl. § 69 Nr. 3 TKG. 486 Das englische Oftel hat sich das Ziel gegeben, dem Kunden das bestmögliche Angebot zu schaffen. 487 Zitat Dreier, S. 280. 488 Vgl. Waechter, S. 68 ff in der Abgrenzung zu Amt und Mandat. 489 Nach Dreier, S. 280 u. S. 285 führt die Verselbständigung allerdings zu einer Verringerung der Intensität staatlicher Einwirkung, obwohl die autonome Einheit im staatlichen Gesamtsystem verbleibt. Dem liegt eine Abstufung von Staatskern und ihn umlagernden Schichten zugrunde, wie sie ähnlich im Begriff vom „Muttergemeinwesen", den „Trabanten" oder auch der „Staatszentrale" anklingt und in Hierarchieprinzip und Zentralisationsgrundsatz fortlebt. Das Netzwerk kennt hingegen viele Knoten. Der sprachliche Übergang wird deutlich bei Dreier, S. 290. Von „Polykratie" spricht

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

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an diese heranrücken und Partikularinteressen zuneigen müßte. Gemeint ist staatsinterne Distanzierung, gleichsam eine organisatorische Reflexion des staatlichen Willensbildungsprozesses. Der Gesetzgeber richtet in den verselbständigten Instanzen Sicherungen ein, die letztlich seinen Willen nicht schwächen, sondern verstärken sollen. 490 Wie es dem Gesetzgeber frei steht, über verschiedene Normqualitäten unterschiedliche Mehrheitserfordernisse zur Voraussetzung einer Politikänderung zu machen, so kann er auch im Rahmen der Verfassung unterschiedlich politikgeneigte Organisationsformen wählen. Beispielsweise im justizähnlichen Verfahren soll sich die gesetzgeberische Intention gegen ihre tagespolitische Flexion durchsetzen. 491 Inwieweit eine solche organisatorische Distanzierung Art. 87f GG entspricht, untersucht das Folgende.

3. Die Distanzierung der Regulierung als Korrelat formeller Privatisierung des bundeseigenen Unternehmens Eine Selbstdistanzierung der Politik kommt zuvörderst den regulierten Unternehmen zugute. Dies ist in erster Linie die weithin marktbeherrschende, überwiegend bundeseigene Deutsche Telekom AG. Sie zeichnet beispielsweise bis auf weiteres für die politisch sensible Grundversorgung verantwortlich (§ 97 Abs. 1 TKG) und ist als marktbeherrschendes Unternehmen dem Universaldienstregime unterworfen (vgl. §§ 17 ff TKG). Ihr gegenüber tritt die Regulierungsbehörde in Funktionen ein, die bislang mit den Mitteln der Bundesverwaltung bzw. des Sondervermögens wahrgenommen wurden. Die Abwehr ministerieller, tagespolitischer Einflußnahme auf die Regulierung liegt daher in der Tradition der Postautonomie.492 Diese bildete sich - zunächst haushaltsrechtlich motiviert - über den Status des Sondervermögens aus, um dann in der Postreform I in eine binnenstrukturelle Trennung von unternehmerischen und politischen Zielen überzugehen und schließlich in der Postreform II außenrechtliche Formen zu finden. In der Form des Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG iVm. Art. 143b Abs. 1 S. 1 GG gelangte die Selbständigkeit wirtschaftlicher Motiva-

Waechter, S. 12 und verwendet damit einen von C. Schmitt bereits pejorativ besetzten Begriff. 490 Auf das Staatsganze bezogen formuliert Dreier, S. 290: „Die Verlagerung der Steuerung von einem höchsten zentralen Punkt auf eine Mehrzahl für sich partiell eigenständiger Subeinheiten und die damit verbundene Zulassung eines gewissen Maßes an Selbststeuerung mach indes gerade den funktionalen, staatsentlastenden, im übrigen die Durchschlagskraft und Wirksamkeit des Gesamtsystems keineswegs notwendigerweise schwächenden Effekt der Verselbständigung aus." 491 Zum justizähnlichen Verfahren auch unten S. 321 ff. 492 Zur vergleichbaren Bahnautonomie vgl. Schmidt-Aßmann/Fromm, S. 106-113.

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tionen gegenüber politischer, verstanden als ministerieller Einflußnahme, zu verbindlichem Ausdruck. Es wäre ein Rückschritt, würden die Instrumente der Regulierung nunmehr genutzt, um das bundeseigene Unternehmen wiederum tagespolitischem Einfluß zu öffnen. Eine Beschränkung des ministeriellen Weisungsrechts kann derartige Einflüsse kanalisieren und so auch die Distanz des bundeseigenen regulierten Unternehmens zur ministeriellen Spitze vergrößern. Insofern führt eine politische Verselbständigung der Regulierung das Rational der formellen Privatisierung des bundeseigenen Unternehmens fort. Art. 87fAbs. 2 S. 2 GG ist in Verbindung mit Art. 87fAbs.2 S. 1 GG und Art. 143b Abs. 1 S. 1 GG als ein Distanzierungsgebot im Interesse des regulierten Unternehmens zu lesen.

4. Die Distanzierung der Regulierung in Fortschreibung funktioneller Trennung Wenn eine Staatsverwaltung in verfassungsrechtlich gewollter Weise auf staatsinterne Sonderinteressen festgelegt ist, 493 streitet dies für ihre Ministerialfreiheit. Belege hierfür bieten in Sonderheit die auf die Währungsstabilität verpflichtete Bundesbank (Art. 88 S. 1 GG), aber - auf einer ganz anderen Ebene auch die behördlichen Gleichstellungsbeauftragten (Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG). 4 9 4 Deswegen bietet schon Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG als Erwähnung einer besonderen Verwaltung einen Anhalt für deren politische Verselbständigung. Dies gilt um so mehr, als Art. 87f GG insgesamt ein Gebot funktioneller Unabhängigkeit enthält. 495 Dieses Gebot ist solange von besonderer Gewichtigkeit, als sich das maßgeblich regulierte Unternehmen in bundeseigener Hand befindet. 496 Hier drohen - so formuliert es ein französischer Beobachter - Konflikte zwischen dem Etat actionnaire und dem Etat régulateur. 497 Das Bestreben des Bundes, den Unternehmenswert zu erhalten und die weitere Veräußerung vorzubereiten, legt es nahe, für günstige Regulierungsentscheidungen Sorge zu tragen. Daher bat z.B. der Staatssekretär im BMF in seiner Eigenschaft als Auf-

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Dazu unter dem Stich wort „Einheit der Verwaltung" Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rnr. 48. 494 Vgl. BVerfG E 91, 228 (244) - Kommunale Gleichstellungsbeauftragte -. 495 Oben S. 108 ff. 496 Vgl. Monopolkommission, Sondergutachten 24, Tz. 34. Darauf, daß sich das Problem nach vollendeter Vermögensprivatisierung löst, weist Müller-Terpitz, ZG 1997, 257 (271 f) hin. Ähnlich schon Witte, in: Mestmäcker/Witte, Gutachten, S. 48. Ähnlich Möschel, MMR-Beilage 3/1999, S. 3 (5). 497 Vgl. Lasserre, AJDA 1997, 224 (225 f). Die Schweiz zog hieraus die Konsequenz, die zuständige Kommission unabhängig zu stellen. Vgl. Art. 56 Fernmeldegesetz v. 30.4.1997, Gesetzblatt S. 1520 und die Botschaft dazu, S. 1423.

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sichtsratsmitglied der Deutschen Telekom AG den Bundeswirtschaftsminister brieflich, für eine angemessene Erhöhung der Kabelgebühren einzutreten. Der Bundeswirtschaftsminister konnte dem entgegenhalten, die Behörde sei in ihrer Gebührenentscheidung unabhängig.498 Seine Antwort zeigt, wie die politische Selbständigkeit der Regulierung ihre funktionelle Unabhängigkeit abstützen kann. Die Regulierungsbehörde wäre daher zwingend ministeriaifrei zu stellen, wenn der zuständige Minister typischerweise Interessen des Staatsunternehmens verträte. Denn dann müßte die Regulierung unterhalb der ministeriellen Ebene gegen diese Einflüsse abgeschüttet werden. Das BVerwG hat in einer vergleichbaren Situation aus § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 VwVfG abgeleitet, daß der Amtsträger einer Aufsichtsbehörde die zuständige Behörde nicht in einer Weise beeinflussen darf, die an der Unparteilichkeit des Verfahrens berechtigte Zweifel aufkommen läßt und ihm deswegen Weisungen ebenso wie meinungsbeeinflußende Äußerungen untersagt. 499 Eine Weisungsfreiheit ist jedoch unter dem gegenwärtigen institutionellen Arrangement verfassungsrechtlich nicht zwingend notwendig. Die bestehende Ressorttrennung nimmt die funktionelle Unabhängigkeit in das Kabinett hinein. 5 0 0 Sie sorgt dafür, daß sich die jeweiligen Funktionen auf höchster Ebene ungestört artikulieren können. Der soeben zitierte Fall belegt dies, wenngleich sich nicht völlig ausschließen läßt, daß die Intervention des BMF günstige Folgen für das Unternehmen hatte. 501 Solange die funktionelle Unabhängigkeit auf der Ministerialebene organisiert ist, verlangt sie die politische Verselbständigung der nachgeordneten

498

Vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten 1996/1997, Tz. 32 f; FAZ v. 27.4.1998, Nr. 97, S. 17, „Rexrodt nimmt Telekom-Regulierer in Schutz". Auf der Ministerialebene wiederholte sich die Auseinandersetzung zwischen Regulierungsbehörde, vertreten durch den Präsidenten Scheurle und den Vorsitzenden der zuständigen Beschlußkammer Schmidt, und Unternehmen, vertreten durch Aufsichtsratsvorsitzenden Sihler und Vorstandsvorsitzenden Sommer. Dazu FAZ v. 28.4.1998, Nr. 98, S. 17, „Telekom im Konflikt mit Wettbewerbsaufsicht"; FAZ v. 29.4.1998, Nr. 99, S. 17; „Telekom mahnt faire Regulierung an"; FAZ v. 4.5.1998, Nr. 102, S. 17; „Scheurle: Telekom-Aufsicht muß politisch unabhängig entscheiden". In der Sache läßt sich ein begrenzter Erfolg für die Telekom nicht ausschließen. Vgl. FAZ v. 2.5.1998, Nr. 101, S. 16, „Die Telekom muß die Kabelgebühren vorerst nicht senken". Die Beschlußkammerentscheidung findet sich in Reg TP, Mitteilung Nr. 85/1998, Veröffentlichung nach § 30 Abs. 6 Telekommunikationsgesetz, ABl. Reg TP 9/1998, S. 1368. Dazu auch Christoph Wagner, Rundfunkempfang über Kabel - eine Preisfrage?, K & R 1998, 234. 499 Vgl. BVerwG E 69, 256 (267). Ungeschmälert bleibt aber das aufsichtsbehördliche Informationsrecht (aaO. (268). Vgl. auch oben S. 116 f. 500 Dazu oben S. 168 ff. 501 Vgl. FAZ v. 2.5.1998, Nr. 101, S. 16, „Die Telekom muß die Kabelgebühren vorerst nicht senken".

18 Oertel

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

Ebenen nicht zwingend. Im Zustand der Ressorttrennung sichert die Ministerialfreiheit der Regulierungsbehörde deren funktionelle Unabhängigkeit lediglich nochmals hierarchisch ab. Daher ist für die gegenwärtige Organisation folgendes festzuhalten: Das Gebot funktioneller Trennung verbietet konkrete ministerielle Weisungen, die lediglich im Interesse des Unternehmens ergehen. Es legt darüber hinaus den generellen Verzicht auf ein ministerielles Weisungsrecht nahe. Ein zwingendes Gebot politischer Verselbständigung folgte aus dem Gebot funktioneller Trennung daher erst dann, wenn der übergeordnete Minister typischerweise zugunsten des Unternehmens Einfluß nähme. Dann wäre die Ministerialfreiheit die einzige Möglichkeit, die funktionelle Unabhängigkeit herzustellen. Bis auf weiteres ist das Gebot funktioneller Trennung ein gewichtiges, aber kein zwingendes Argument für die politische Verselbständigung der Regulierungsbehörde.

5. Die Distanzierung der Regulierung und das Vertrauen der Marktteilnehmer auf die materielle Privatisierung Während die funktionelle Trennung aufgrund ihrer wettbewerbsrechtlichen Herkunft zunächst am marktbeherrschenden Unternehmen ansetzt, betrifft die politische Unabhängigkeit zunächst die marktbeaufsichtigende Behörde. Soweit sie der ministeriellen Einflußnahme entrückt wird, sinkt die Zahl der Institutionen, die das Marktgeschehen mittel- oder unmittelbar bestimmen. Unternehmerische Planungen werden einfacher, Investitionsdaten verläßlicher. Daher ist vor allem aus dem Kreis der jungen Telekommunikationsunternehmen heraus die Forderung erhoben worden, die Regulierungsbehörde politisch unabhängig zu stellen. 502 Kurzfristig symbolisiert die politische Verselbständigung der Regulierungsbehörde ihnen gegenüber, daß es dem Staat mit dem Wechsel des Ordnungsmodells ernst ist. 503 Langfristig vermindert sie die Zugriffschancen der

502

Vgl. die Lobbyingpapiere von Wilmer/Cutler/Pickering, Zukunftsmarkt Telekommunikation, 1996, S. 16; abgedruckt in: Ulrich Immenga/Natalie Lübben/HansPeter Schwintowski (Hrsg.), Telekommunikation: Vom Monopol zum Wettbewerb, Baden-Baden 1998, S. 107 ff; Verband für Mehrwertdienste und Telekommunikation, Anforderungen an die Regulierungsbehörde, Bonn 1997, S. 12, sowie die Äußerungen in der Sachverständigenanhörung des Postausschusses, v. 13.3.1996, Prot. Nr. 18, S. 30 ff. Ähnlich auch Monopolkommission, Sondergutachten 24, Tz. 34 f. 503 Vgl. Rittner, Wettbewerbsrecht, § 5 Rnr. 47: „Die Einrichtung spezieller Wettbewerbsbehörden verpflichtet zugleich den Staat selbst zu einem wettbewerbskonformen Verhalten. ... [I]hr Vorhandensein und ihre Tätigkeit erschweren es dem Staat solche [wettbewerbsbeschränkende] Fehler zu machen, und zwar um so mehr, je unabhängiger die Karteilbehörde das Kartellrecht anwenden kann. Die darin liegende Selbstbindung des Staates nötigt mithin wenigstens ebensosehr zur Einrichtung von Kartellbehörden

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Politik auf die Regulierung. Insoweit bietet eine distanzierte Verfassung der Regulierungsbehörde auch eine gewisse Garantie dafür, daß sie nicht allein um ihres Wertes als politische Bühne willen erhalten werden wird. 5 0 4 Beide Motive - der Wille, gegenwärtig staatliche Zurückhaltung zu demonstrieren, und der Entschluß, auf Dauer einer politischen Instrumentalisierung und Verfestigung der Regulierung zu entsagen, - entsprechen dem Privatisierungsauftrag. Privatwirtschaftliche Leistungserbringung ist auch unter der Gewährleistungsgarantie davon abhängig, daß neue Marktteilnehmer gewonnen werden. Daher dient eine politische Verselbständigung der Regulierungsbehörde dem Erfolg des Art. 87f GG.

6. Fazit Die politische Verselbständigung der Regulierung schreibt die formelle Privatisierung des Staatsunternehmens fort, weil sie es gegen die politisch motivierte Indienstnahme schützt. Sie ist zugleich eine konsequente Fortsetzung der funktionellen Trennung, weil sie die Regulierung gegen Durchbrechungen des Ressortprinzips sichert. Zuletzt ist eine politische Verselbständigung der Regulierungsbehörde geboten, um das Vertrauen neuer Marktteilnehmer zu gewinnen und den Rückzug des Staates auf die Gewährleistungsverantwortung zu fordern. Es liegt also im Privatisierungsauftrag, daß sich der Staat politisch von sich selbst distanziert. 505

V Eine europarechtliche Andeutung politischer Verselbständigung, Art. 5a ONP-Rahmenrichtlinie Die bundeseigene Verwaltung nach Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG setzt die europäischen Vorgaben um. Organisationsrechtlich verlangt Art. 5a Abs. 2 ONPRahmenrichtlinie zunächst nur, die Regulierung funktionell unabhängig zu stellen. 506 Des weiteren verlangt Art. 5a Abs. 3 die Unabhängigkeit der Regulierung von den Stellen, die über Einsprüche entscheiden. Dies sind in Deutschland die Gerichte (vgl. § 80 Abs. 1 TKG). Bezogen auf andere staatliwie die mangelnde Effizienz privatrechtlicher Maßnahmen." Vgl. für Frankreich Lasserre, AJDA 1997, 224 (226). 504 Vor einer organisatorischen Verfestigung der Regulierung warnten insbesondere Monopolkommission, Sondergutachten 24, Tz. 35; Rittaler, WuW 1996, 699 (705). Die Auflösung des Postministeriums ist auch in dieser Perspektive eine beachtliche politische Leistung. Vgl. das Abschiedswort des BMPT Bötsch, ABl. BMPT 34/1997. 505 Im Ergebnis ähnlich Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 112; Müller-Terpitz, ZG 1997, 257(272). 506 Dazu oben S. 105 ff.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

che Instanzen, namentlich die Ministerialspitze und das Parlament, enthält Art. 5a Abs. 2 ONP-Rahmenrichtlinie 1997 keine ausdrückliche Aussage. Die Kommission erörtert in ihrer Mitteilung über die Umsetzung 1997 507 dennoch, inwieweit die deutsche Regulierungsbehörde gegenüber dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Beirat unabhängig ist. Die Behörde sei „zu einem gewissen Grad" von BMWi unabhängig. Durch den Beirat allerdings „könnten Schwierigkeiten entstehen". Hierin deutet sich ein Verständnis von Unabhängigkeit an, das sich auch gegen die politische Steuerung richtet. Im Wortlaut des Art. 5a Abs. 2 ONP-Rahmenrichtlinie 1997 scheint die funktionelle Unabhängigkeit neben der rechtlichen Trennung nach dem Wortlaut nur eine Voraussetzung zu der einleitend bezeichneten, möglicherweise umfassend gemeinten Unabhängigkeit der Regulierung zu sein. Vergleichbare Vorschriften beziehen die Unabhängigkeit jeweils auf bestimmte Funktionen oder Institutionen und verstehen sie damit relativ. 508 Im Einleitungssatz des Art. 5a Abs. 2 ONP-Rahmenrichtlinie fehlt eine ähnliche Bezugnahme auf andere Institutionen. Daher könnte der Vorschrift ein weiter gespanntes - absolutes - Verständnis von Unabhängigkeit innewohnen. Dies würde sich gegen die politische Einbindung richten. Ein Indiz für diese Auslegung bietet die Normstruktur. Art. 5a Abs. 2 ONPRahmenrichtlinie formuliert eine organisationsrechtliche Anordnung. Er beschränkt sich anders als frühere Richtlinien nicht auf eine organisationsrechtliche Definition. 509 Dieses Changieren zwischen Beschreibung und Anordnung mag typisch für die Normverfassung von Organisationsrecht sein. Die Formulierungsweise kann aber auch andeuten, daß die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde trotz erreichter Trennung von der Unternehmens Verwaltung und vollzogener Unterscheidung von der Leistungserbringung ein Auftrag bleibt.

507

Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1997, S. 24. Art. 2 Abs. 1 b) Genehmigungsrichtlinie, Art. 7 Abs. 5 S. 4 und Art. 12 Abs. 3 S. 1 Zusammenschaltungsrichtlinie und Art. 12 Abs. 1 S. 1 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1995 verlangen die Unabhängigkeit von den Telekommunikationsorganisationen, Art. 5 Abs. 2 Zusammenschaltungsrichtlinie die Unabhängigkeit „von den Nutznießern", Art. 5a Abs. 3 ONP-Rahmenrichtlinie 1997 die „von den betroffenen Parteien". 509 Art. 6 Endgeräterichtlinie enthielt ebenso wie Art. 7 Abs. 1 Wettbewerbsrichtlinie eine normative Anordnung, die Funktionen zu trennen. Hieraus wurde in Art. 2 Abs. 2 4. Spiegelstrich ONP-Mietleitungsrichtlinie 1992 eine Definitionsnorm. Diese Normstruktur übernahmen Art. 2 Abs. 2 3. Spiegelstrich der ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1995 und zuletzt Art. 2 Abs. 1 b) Genehmigungsrichtlinie. Art. 5a ONP-Rahmenrichtlinie 1997 kehrt hingegen zum anordnenden Charakter zurück, wenngleich diese Vorschrift wiederum in Art. 2 Abs. 2 3. Spiegelstrich ONP-Mietleitungsrichtlinie 1997 als Definitionsnorm in Bezug genommen wird. 508

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

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Art. 5a ONP-Rahmenrichtlinie findet seine Grundlage in Art. 100a E G V . 5 1 0 Er setzt sich nicht die Liberalisierung im Wege einer Konkretisierung des vertraglichen Wettbewerbsrechts, sondern die Harmonisierung der gemeinschaftlichen Marktbedingungen zum Ziel. Demnach könnte er die politische Unabhängigkeit fördern, soweit es die harmonisierten Aufgaben verlangen. Unter diesen ragen die justizähnlichen Schlichtungsfunktionen hervor. 5 1 1 Die Regulierungsbehörde soll - so sehen es Rat, Kommission und Parlament 5 1 2 - Streitigkeiten zwischen Benutzern und Telekommunikationsorganisationen als „unabhängige Stelle" und „unparteiisch" beilegen. 5 1 3 Wenn in Abs. 3 die „Unabhängigkeit" justizielle Unabhängigkeit meint, könnte der identische Begriff in Abs. 2 eine

510

Anders als die Bestimmungen in Art. 6 Endgeräterichtlinie und Art. 7 Wettbewerbsrichtlinie 1992 beruht er nicht auf Art. 90 Abs. 3 EGV. 511 Ihr Eingreifen ist häufig dort erforderlich, wo Nachfrager und Anbieter streiten. Ein allgemeines Recht, die Regulierungsbehörde anzurufen, gewähren daher beispielsweise Art. 12 Nr. 1 ONP-Mietleitungsrichtlinie 1992 und 1997, Art. 27 Nr. 1 ONPSprachtelefondienstrichtlinie 1995 und Art. 26 Nr. 1 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1997. Besondere Rechte zur Anrufung der Regulierungsbehörde ergeben sich aus Art. 5 S. 2 ONP-Mietleitungsrichtlinie 1992 und 1997, Art. 6 Abs. 2 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1995 bzw. Art. 22 Abs. 3 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1997, Art. 10 Abs. 3 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1995, Art. 16 Abs. 2 S. 1 u. Abs. 4 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1997. In Fragen der Zusammenschaltung muß die Regulierungsbehörde auf Verlangen einer Partei eingreifen (Art. 9 Abs. 3 S. 1 Zusammenschaltungsrichtlinie; vgl. schon Entschliessung v. 18.9.1995 zur Entwicklung des künftigen ordnungspolitischen Rahmens für die Telekommunikation (95/C 258/01), ABl. EG Nr. C 258 v. 3.10.1995, S. 1 (Ziff. 3 c) 4. Spiegelstrich)). In Umsetzung des Art. 13 Abs. 1 u. Art. 26 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1997 unü der Art. 8 Abs. 1 u. Art. 12 ONP-Mietleitungsrichtlinie sieht die deutsche TKV 1997 in § 32 vor, daß die Regulierungsbehörde auf Anrufung über die Berechtigung von Netzzugangsbeschränkungen entscheidet und Rechtsstreitigkeiten zwischen Endkunden und bestimmten Anbietern mit dem Ziel gütlicher Einigung schlichtet (§ 33 TKV 1997). Hier soll es sich ausweislich der Begründung zum Verordnungsentwurf nicht um ein Verwaltungsverfahren im Sinne des VwVfG handeln (Begründung zum Entwurf der TKV v. 23.7.1997). Die Regulierungsbehörde werde als Befriedungsinstanz tätig. Nach § 8 NZV bietet sich die Regulierungsbehörde zudem zur Schlichtung von Netzzugangsstreitigkeiten an (Vgl. Begründung zum Entwurf der TKV v. 23.7.1997, S. 53 zu § 33 Abs. 3 u. 4 , zur Abgrenzung zwischen § 33 T K V und § 8 NZV). Der erste Schlichtungsversuch betraf die sog. „Wechselgebühr" und endete mit einem Vergleich der Parteien. Vgl. FAZ v. 28.1.1998, Nr. 23, S. 13, „Telekom senkt Wechselgebühr um die Hälfte". Auch hier versteht sich das Schlichtungsverfahren als besonderes Verfahren, das die gesetzlich ermöglichte Anrufung der Behörde weder ausschließt noch bedingt (Amtl. Begr. zur NZV, Zu § 8 (Schlichtung), abgedr. in Scheurle/Lehr/Mayen, S. 98. 512 Entschliessung des Europäischen Parlamentes v. 20.4.1993 zu der Mitteilung der Kommission über die Prüfung der Lage im Bereich der Telekommunikationsdienste (1992) (A3-0113/93), ABl. EG Nr. C 150 v. 31.5.1993, S. 39), Ziff. 15. 513 Erklärung der Kommission bezüglich der Entschließung des Rates über den universellen Dienst im Bereich der Telekommunikation (94/C 48/06), ABl. EG Nr. C 48 v. 16.2.1994, S. 8.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

gleich absolute Autonomie wenigstens soweit verlangen, als die Behörde justizähnlich tätig w i r d . 5 1 4 Die nationalen Regulierungsbehörden, nicht die Ministerien, sind zudem aus Sicht des Europarechts die Institutionen, die die Liberalisierung und Harmonisierung des Telekommunikationsmarktes vorantreiben. 5 1 5 Schlichtungs- und Umsetzungsauftrag können daher eine Verselbständigung der Regulierungsbehörde europarechtlich befördern. Die genannten Anhaltspunkte reichen aber nicht hin, um ein zwingendes Gebot zur politischen Verselbständigung zu formulieren. 5 1 6 Vereinzelte Auslegungsversuche in diese Richtung meinen letztlich die funktionelle Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde. 5 1 7 Die Kommission hat es in ihrem Umsetzungsbericht nicht bemängelt, daß verschiedene Regulierungsbehörden Ministerien angegliedert s i n d . 5 1 8 Die instanzielle Einordnung der Regulierungsbehörde in die ministerielle Hierarchie bleibt eine Angelegenheit der mitgliedstaatlichen Organisationsautonom i e . 5 1 9 Die nationale Organisation muß aber so gestaltet werden, daß die Regu-

514 Weitergehend GA Tesauro, in EuGH v. 9.11.1995 Rs. C-91/94 - Tranchant - Slg. 1995 I, S. 3911 Rnr. 15, der die Unparteilichkeit auch ftir Geräteprüfungsverfahren betont. 515 Grund 10 der ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1995 wies den nationalen Regulierungsbehörden, nicht den Mitgliedstaaten, eine wichtige Rolle bei der Umsetzung der Richtlinie zu (Ähnlich Sauter , in: Scott/Audéoud, S. 105 (113). Grund 8 der ONPRahmenrichtlinie 1997 weist den Regulierungsbehörden bei der Umsetzung der ordnungspolitischen Grundlagen des Gemeinschaftsrechts eine zentrale Rolle zu. Dabei dürften die 1995 berichteten Erfahrungen mit der Ministerialbürokratie eine gewisse Rolle spielen. Vgl. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über den Stand der Umsetzung der Richtlinie 30/388/EWG über den Wettbewerb auf dem Markt fur Telekommunikationsdienste (95/C 275/02) ABl. EG Nr. C 275 v. 20.10.1995, S. 2, passim. 516 Ähnlich Grämlich, CR 1998, 463 (465). Ebenso aus französischer Sicht Lasserre, AJDA 1997, 224 (224). 5,7 Schwintowksi, Ordnung und Wettbewerb auf Telekommunikationsmärkten, CR 1997, 630 (636); ders., in: Ulrich Immenga/Natalie Lübben/Hans-Peter Schwintowski (Hrsg.), Telekommunikation: Vom Monopol zum Wettbewerb, Baden-Baden 1998, S. 11 (39); ebenso Moritz, CR 1998, 13 (20) fordern jeweils unter Verweis auf die Diensterichtlinie (Richtlinie der Kommission über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikationsdienstleistungen v. 28.6.1990 (90/388/EWG), ABl. EG Nr. L 192, S. 10), die Regulierungsbehörde institutionell vom Ministerium abzukoppeln. Schon Müller-Terpitz, Die Regulierungsbehörde für den Telekommunikationsmarkt, ZG 1997, 257 (271) weist demgegenüber daraufhin, daß eine wirksame strukturelle Trennung insoweit auch durch eine Veräußerung des Bundesanteils an der Deutschen Telekom erfolgen könne. 518 Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1997, S. 25 ftir Frankreich; S. 27 ftir die Niederlande. 519 Eine genaue Abgrenzung zwischen mitgliedstaatlicher Organisationsautonomie und gemeinschaftlicher Organisationskompetenz steht aber noch aus. Sie müßte die

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

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lierung ihrem europarechtlichen Auftrag in funktioneller Unabhängigkeit und wo - z.B. zur Schlichtung notwendig - auch in politischer Selbständigkeit nachkommen kann. Damit stützt das Gemeinschaftsrecht die Anlage des Art. 87f GG zu einer staatsinternen Distanzierung.

VI. Ein rechtsvergleichender

Blick auf verselbständigte

Regulierungsbehörden

Das gewonnene Bild wird abgerundet durch einen rechtsvergleichenden Blick auf die Behörden, die als Vorbild deutscher und europäischer Regulierung gelten: 520 Die amerikanische Federal Communications Commission (FCC) und das britische Office of Telecommunications (Oftel).

1. Die Federal Communications Commission Die FCC zählt typologisch zu den sog. Independent Regulatory Agencies, die im Zuge der New Deal-Politik entstanden und seitdem einen eigentümlichen Zug der amerikanischen Verwaltung bilden. 521 Sie gilt als unabhängig gegenüber Präsident, Senat und Kongreß. 522 Der Präsident ernennt die fünf Kommissare, die die Kommission im eigentlichen Sinne bilden. Er benennt ihren Vorsitzenden. 523 Damit erschöpfen sich aber seine Befugnisse. Die Kommission besitzt eigene Personalhoheit über ihre 2.200 Mitarbeiter. 524 Sie erstellt ihr eigenes Budget 525 und bestimmt ihre Binnenorganisation. 526 Gegenwärtig gliedert sich die FCC in 6 Fachabteilun-

„Implied Powers"-Lehre unter Legitimationsgesichtspunkten entwickeln. Vgl. v. Danwitz, S. 200-202 und oben S. 105 f. 520 Zu übrigen Staaten der Gemeinschaft ein Überblick in Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1995; Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1997. 521 Vgl. zu Independent Regulatory Agencies Schuppert, Verselbständigte Verwaltungseinheiten, S. 338-342; Tabellarische Übersicht bei Breyer, Regulation and its Reform, Cambridge (USA) 1982, Appendix 1. Vgl. auch Oliver Lepsius, Verwaltungsrecht unter dem Common Law, Tübingen 1997. 522 Ausdrücklich Ülmen/Gump, CR 1997, 396 (398); Windthorst, Universaldienst, S. 527 f; Blumenfeld/Kunin, in: Long, Telecommunications Law, 30-19. 523 Vgl. See. 4. (a) u. See. 5 (a) Communications Act of 1934 as amended by the Telecommunications Act of 1996, im folgenden „Communications Act". 524 Vgl. Sec. 4. (f) Communications Act. Die Zahlenangabe nach FCC, The Budget for the Fiscal Year 1996. Demnach halten sich unter den Mitarbeitern Juristen (443) und Elektrotechniker bzw. -ingenieure (445) die Waage. 525 See. 4. (g) Communications Act. 526 See. 5. (b) Communications Act.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

gen, sog. „Bureaus" für leitungsgestützte bzw. drahtlose Telekommunikation, Kabelfernsehen, Massenmedien, Internationale Fragen und Überwachung. Außerdem fungieren mehrere „Offices" als Stabsstellen. Die Kommission vereint rechtsetzende, exekutive und adjudikative Funktionen in sich. 527 Sie ist ausdrücklich zum rule-making ermächtigt. 528 Adjudikative Verfahren iSd. Administrative Procedure Act sind besonderen Kammern zuzuweisen, den Administrative Law Judges. 529 Diese sind angemessen zu qualifizieren und zu besolden. Sie rotieren und entscheiden unabhängig von den Amtsträgern, die mit der Aufklärung und Verfolgung von Rechtsverstößen befaßt sind. 530 Der Communications Act widmet sich in Ermangelung direkter präsidentieller oder parlamentarischer Kontrolle ausführlich der Selbstkontrolle der FCC. Diese überprüft ihre Normsetzung alle zwei Jahre. 531 Behördeninterne Widersprüche zu sog. Review Boards oder zur Kommission sind möglich. 532 Besonders deutlich wird die sich selbst kontrollierende Anlage der FCC in dem Erfordernis, nicht mehr als drei der fünf Kommissare dürften einer Partei angehören. 533 Außerdem ist den Kommissaren jede finanzielle oder sonstige Verbindung zu einem regulierten Unternehmen untersagt. Eine Mitgliedschaft im Aufsichtsrat eines Mobiltelefonunternehmens, wie sie der jetzige Präsident der Regulierungsbehörde Scheurle einmal für den Bund wahrnahm, würde der Communications Act kaum tolerieren. 534 Der öffentlichen Kontrolle dient die hochgradige Transparenz des amerikanischen Verfahrens. 535 Es gilt ein Prinzip der Schriftlichkeit, der Ak527 Vgl. Blumenfeld/Kunin, in: Long, Telecommunications Law, 30-19; Einzelheiten 30-42 ff. Zum dahinterstehenden diskursiven Abwägungsrational im Gegensatz zur deutschen eher definitorischen Konzeption des öffentlichen Interesses Ladeur, K & R 1998, 479 (480). 528 See. 4. (i) Communications Act. Dazu Hermann Pünder, Exekutive Normsetzung in den Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 1995. 529 Vgl. See. 5 (c). (8) Communications Act. 530 Im Unterschied dazu ermitteln die deutschen Beschlußkammern selbst (§§ 76, 77 TKG). Eine Rotation ist nicht vorgesehen; in der überwiegenden Zahl der Verfahren wird ohnehin die Deutsche Telekom AG beteiligt sein. 531 See. 11 Communications Act. 532 Vgl. See. 5. (c) (4) u. See. 405 Communications Act. Das TKG schließt hingegen ein Widerspruchsverfahren ausdrücklich aus (§ 80 Abs. 1 TKG). 533 See. 4. (b) (5) Communications Act. Dazu und zum folgenden Ulmen/Gump, CR 1997,396 (399). 534 Vgl. See. 4. (b) (2) (A) (iv) Communications Act. Auch § 8 Abs. 3 S. 4 PersBG verbietet eine Aufsichtsratmitgliedschaft in Telekommunikationsuntemehmen. 535 Vgl. dazu Ulmen/Gump, CR 1997, 396 (399 f); Windthorst, Universaldienst, S. 527.

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

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tenförmlichkeit und ein Primat der Öffentlichkeit. 536 Die Verfahren vor der FCC sind weithin formalisiert. Sie sehen die Möglichkeit zur Stellungnahme und zur Erwiderung auf fremde Äußerungen vor. Die Begründung einer Entscheidung muß sich mit allen vorgetragenen Argumenten auseinandersetzen. Beide Elemente - Selbstkontrolle und öffentliche Kontrolle - unterstützen den unabhängigen Status der FCC. Der Kongreß, dem sie jährlich berichtet, 537 kann nur gesetzesförmlich eingreifen. Dies geschieht selten - der Telecommunications Act of 1996 ist die erste grundlegende Reform seit 1934. 538 Dieses im Vergleich zur bundesdeutschen Reformabfolge geruhsame gesetzliche Vorgehen erklärt sich aus einer anderen Regulierungslage: 539 Die Öffnung der nationalen, staatenübergreifenden Telefonie in Amerika geht auf das sog. „Consent-Decree" von 1982 zurück. Darin ordnete das zuständige Kartellgericht, nicht der Gesetzgeber, die Entflechtung des Monopolisten A T & T an. 540 Aus ihm gingen die regionalen Betreiber hervor. 541 Der Telecommunications Act of 1996 baut hierauf auf. Er soll nunmehr die lokalen und regionalen Telefonmärkte öffnen. 542 Die amerikanische Regulierung beruht also auf kartellbehördlicher Entflechtung und auf fachbehördlicher Mißbrauchsaufsicht. 543 Das TKG hat demgegenüber von einer Entflechtung der Deutschen

536

Vgl. nur See. 4. (j), (1), (m) u. See. 409 (c) (1) Communications Act. See. 4 (k) Communications Act. 538 Dazu Roland Gewessler, Das neue US-Telekommunikationsgesetz, CR 1996, 713; Johannes Kreile, Das neue amerikanische Telekommunikationsrecht - Liberalisierung statt Regulierung, Z U M 1996, 227; Herbert Kubicek, Universaldienstregelungen in den USA und in Deutschland, CR 1997, 1; Hans-Werner Moritz/ H er mann R. Neus, Telekommunikationsgesetz und US Telecommunications Act, CR 1997, 239. 537

539

Vgl. Kay Windthorst, Regulierungsansätze im deutschen und US-amerikanischen Telekommunikationsrecht, CR 1998, 281 u. 340; ders., Universaldienst, S. 487 ff. 540 Zur Entwicklung vgl. Haar, Marktöffnung in der Telekommunikation, S. 155207; dies., in: Mestmäcker (Hrsg.), Kommunikation II, S. 527 (520-545); dies., Offener Netzzugang in der Telekommunikation, CR 1996, 713 (713-716); Windthorst, Universaldienst, S. 495. Daß damit ein entscheidender Liberalisierungsschritt nicht der Fachbehörde zu verdanken ist, betonen Mestmäcker/Witte, Gutachten, S. 22. Ähnlich Haar, CR 1996,713 (716). 541 Zu deren Refusion infolge des Telecommunications Act 1996 vgl. The Economist v. 16.5.1998, S. 73, „ A bid too far". Demnach bleiben aus den ursprünglich sieben „baby bells" nur vier übrig. 542 Dazu insbes. See. 271 Communications Act. Vgl. Windthorst, Universaldienst, S. 502 ff; Harald Sondhof/Michael Theurer, Wettbewerb in den lokalen Fernmeldemärkten - dargestellt am Beispiel der USA, WuW 1996, 177. 543 Vgl. Blumenfeld/Kunin, in: Long, Telecommunications Law, 30-18: „Regulation, rather than legislation, has historically been the primary source of oversight of telecommunications in the U.S."

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

Telekom AG abgesehen.544 Es unternimmt es, Ferngesprächs- und Ortsgesprächsmarkt uno actu zu öffnen. Nach Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG ist zudem die gesamte Regulierung dem Bund übertragen. Die FCC muß hingegen auf der Ebene der Bundesstaaten mit den dortigen Public Utility Commissions (PUCs) kooperieren. 545 Ihre regionale Zuständigkeit ist insoweit enger; ihre sachliche Zuständigkeit wiederum weiter. 546 Denn die FCC reguliert auch Rundfunk, Fernsehen und die multimedialen Übergangsformen zwischen Individual- und Massenkommunikation, die im bundesdeutschen System die begrifflichen Grenzen einer föderalen Kompetenzteilung aufzeigen. 547 Die einheitliche Medienzuständigkeit der FCC erklärt sich aus einem letzten Unterschied, der sich zugespitzt so formulieren läßt: Die amerikanische Regulierung sieht sich einem Markt gegenüber; die deutsche Regulierung einem Unternehmen. Deswegen ist die Regulierungsbehörde auch für die Öffnung des anderen von der früheren Deutschen Bundespost dominierten Marktes zuständig, des Brief- und Paketversandes. 548 Die politische Unabhängigkeit der amerikanischen Behörde beruht also allein auf der Idee einer neutralen Wettbewerbsaufsicht, ohne zusätzlich den privatisierungstypischen Impetus funktioneller Trennung zu erfahren. Die Verselbständigung der Regulierungsbehörde kann beide Motivationen für sich beanspruchen.

544 Die strukturelle Separierung und die getrennte Rechnungsführung nach § 14 TKG sind die Überbleibsel von Anregungen der Monopolkommission, das Engagement von Energie versorgern zu beschränken (§ 14 Abs. 1 TKG; dazu Monopolkommission Sondergutachten 24, Tz. 25-28) bzw. Bemühungen, wettbewerbswidrige Quersubentionen einzudämmen (§ 14 Abs. 2 TKG u. § 7 PTRegG). Auch das GWB kennt nur eine Zusammenschlußkontrolle, keine Entflechtung. Vgl. Rittner, § 5 Rnr. 24, S. 111. Allerdings gibt es auf der Ebene der Gemeinschaft zunehmend Überlegungen, die Trägerschaft von Breitbandkabel- und Schmalband-, d.h. Telefonnetz, zu trennen. Vgl. European Commission, Status Report on European Union Telecommunications Policy, Update: January 1998, S. 31; Schütz, M M R aktuell 4/98, S. XIII; Monopolkommission, Hauptgutachten 1996/1997, Tz. 20; Andreas Bartosch, Das neue EG-Telekommunikationsrecht, K & R 1998, 339. 545

Vgl. auch See. 2. (b) Communications Act; Windthorst, Universaldienst, S. 529 f. Vgl. auch Ulmen/Gump, CR 1997, 396 (398). 547 Vgl. Windthorst, Universaldienst, S. 492, und zu BVerfG E 12, 205 (225 ff) Deutschlandfernsehen - oben S. 455 f. 548 Vgl. §§ 44 ff PostG. 546

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

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2. Das Office for Telecommunications Die Situation des britischen Telekommunikationsmarktes scheint der deutschen Lage im Ausgang näher. 549 Großbritannien trennte jedoch bereits 1981 das staatliche Postunternehmen von der Telekommunikation. 550 British Telecom, ursprünglich eine public corporation, ist zwischenzeitlich als privatrechliche Kapitalgesellschaft organisiert; ihr Vermögen weithin privatisiert. Die Krone hält allerdings einen sog. golden share, d.h. einen bevorrechtigten Anteil. Er gibt ihr unter anderem das Recht, zwei der Direktoren zu benennen und eine Konzentration von mehr als 15% des Kapitals in einer Hand zu untersagen. 551 Das Unternehmen wurde nicht entflochten, 552 verfügt aber - anders als die Deutsche Telekom AG - auch nicht zugleich über die Fernsehkabelnetze. 553 Im Telekommunikationssektor setzte Großbritannien British Telekom zunächst nur einem landesweiten Konkurrenten aus. 554 Diese Duopoly-Politik endete erst 1996. Seitdem sind zahlreiche weitere Anbieter lizenziert worden. Der British Telecommunications Act 1984 überantwortete die Regulierung dem Director General of Telecommunications (DGT). Er - nicht ein Kollegium - ist Chef des Office for Telecommunications (Oftel). Der Director General wird vom zuständigen Minister ernannt, der bislang angesehene Experten aus-

549 Vgl. zum folgenden Matthias Bock, Die Regulierung der britischen Telekommunikationsmärkte, Baden-Baden 1995; Marek Schmidt, Die Regulierung der privatisierten Telekommunikations- und Versorgungswirtschaft in Großbritannien, RabelsZ 58 (1994), 636; Thomas Königshofen, Telekommunikation in Großbritannien: ordnungspolitische und telekommunikationsrechtliche Rahmenbedingungen, Arch PT 1992, 85; Edgar Grande/Volker Schneider, Reformstrategien und staatliche Handlungskapazitäten, Eine vergleichende Analyse institutionellen Wandels in der Telekommunikation in Westeuropa, Politische Vierteljahresschrift 32 (1991), 452; Edgar Grande, Vom Monopol zum Wettbewerb?: Die neokonservative Reform der Telekommunikation in Großbritannien, Wiesbaden 1989. Insbesondere zur Netzöffnung Stürmer, S. 40 ff.Eine kurzen Überblick aus britischer Sicht bietet Craig , S. 102 ff. Instruktiv die Chronologie unter http://www.open.gov.uk/oftel/history.html . 550

Vgl. den British Telecommunications Act 1981. Vgl. Cave, Recent Developments, S. 49. 552 Vgl. Craig, S. 103 f. 553 Die Ankündigung der Deutschen Telekom, das Kabelgeschäft auszugliedern, mag eine Veräußerung vorbereiten, behält aber dem Unternehmen bis auf weiteres die Verfügung vor. Vgl. FAZ v. 27.5.1998, Nr. 121, S. 25, „Die Telekom gliedert das Kabelgeschäft aus". Sie läßt sich im übrigen auch als ein Versuch lesen, das zur gleichen Zeit mit einer Ablehnung des Fusionsvorhabens zu Ende gehende Verfahren vor der Kommission über das von Deutscher Telekom, Kirch und Bertelsmann geplante Digitale Fernsehen zu beeinflussen. 554 Außer British Telecom erhielt nur Mercury, eine Tochter von Cable&Wireless eine Lizenz. Für das Ortsnetz Hull wurde außerdem das Unternehmen Kingston Communications zugelassen. Vgl. Long, Telecommunications Law, 2-05 u. 2-11 f. 551

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

wählte. 555 Zentrales Instrument der britischen Regulierung waren anfänglich die Lizenzen. 556 Sie wurden vom Minister - nach erheblicher Vorarbeit des Directors - erteilt. Der Director überwachte sie, konnte sie im Einvernehmen mit dem Unternehmen ändern bzw. eine Änderung bei der Monopolies and Mergers Commission, einer Behörde der allgemeinen Wettbewerbsaufsicht beantragen. 557 Erst mit dem Competition and Services (Utilities) Act 1992 erhielt der Director die Befugnis, eigene Standards zu setzen.558 Über die gesetzesförmlichen Transparenzerfordernisse hinaus ist es bewußt geübte Praxis des Oftel, den Normierungsprozeß transparent zu gestalten und zur öffentlichen Kommentierung einzuladen. 559 Damit verlagert sich der Regulierungsschwerpunkt im Zusammenspiel des Ministeriums, konkret des Department of Trade and Industry (DTI), und der Monopolies and Mergers Commission (MMC) auf das Oftel. Gleichzeitig verliert der frühere Vorwurf an Brisanz, British Telecom habe auf der Regierungsebene so günstige Lizenzbedingungen erreichen können, daß der autonomen Entscheidung des Oftel nur geringe Bedeutung zukomme. 560 Oftel ist als verselbständigte Behörde dem Einfluß des Ministers entzogen. Obwohl es mit dem Department of Trade and Industry zusammenarbeitet, gilt es als unabhängig. Allein die Ernennung des Directors schafft eine förmliche Abhängigkeit. 561 Daher steht für das Oftel die ministerielle Verantwortlichkeit in Frage. Wade stellt zum Oftel und den vergleichbaren Behörden zur Regulierung des Gas-, Elektrizitäts- und Wassermarktes fest: „The directors wield great powers and are accountable to no one. ... Constitutionally they are a curious expedient". 562 Er hält diese Merkwürdigkeit aber in der Summe für eine verfassungsrechtlich begrüßenswerte Verbesserung gegenüber dem bisherigen noch stärker politisch aufgeladenen, gleichwohl weniger durchsichtigen Status der

555 Vgl. Long, Telecommunications Law, 2-07; zur Bestellung von Behördenleitern aus der Gruppe der „great and good" auch Baldwin/McCrudden, S. 42. 556 Vgl. Long, Telecommunications Law, 3-01. 557 Haar, in: Mestmäcker (Hrsg.), Kommunikation II, S. 527 (564) stellte daher fest, daß die Korrektur der Lizenzbedingungen mit dem guten Willen von BT stand und fiel. 558 Vgl. Wade/Forsyth, S. 169. Ausführlich Aileen McHarg, The Competition and Service (Utilities) Act 1992: Utility Regulation and the Charter, Public Law 1992, 385. 559 Das zeigt bereits ein Blick auf die website http://www.open.gov.uk/oftel.htm. Vgl. weiterhin Oftel , Consultation Paper: Improving Accountability: OftePs procedures and processes, London 1997. Vgl. auch Prosser , in: Hancher/Moran (eds.), S. 135 (139-142, 150-152). 560 Vgl. Craig , S. 104, im Anschluß an Vickers/Yarrow , Privatisation, S. 210 f u . S. 235 f. Ähnlich Prosser, in: Hancher/Moran (eds.), S.135 (146). 561 Kritisch zum Mangel an förmlicher Absicherung der Unabhängigkeit noch Prosser, in: Hancher/Moran (eds.), S.135 (147). 562 Wade/Forsyth,, S. 169f. Ähnlich Baldwin/McCrudden, S. 13.

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

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public corporation. 5 6 3 Ä h n l i c h w i l l Craig die Intensität und die Form politischer Kontrolle durch Parlament und Regierung von der jeweiligen Sachmaterie abhängig machen. 5 6 4 Dies schließt an parallele Überlegungen im deutschen Verfassungsrecht a n . 5 6 5 Für die Regulierungsbehörde nutzt und toleriert auch das britische Verfassungsrecht eine sachangemessene politische Verselbständigung.

3. Fazit Die Aussagen des Rechtsvergleichs dürfen nicht überbewertet werden. 5 6 6 Das öffentliche

Recht ist stärker als das Privatrecht in den verwaltungs-

kulturellen, verfassungspolitischen und verfassungsrechtlichen Zusammenhang des Nationalstaates eingebunden. 5 6 7 Ministerielle Veranwortlichkeit und Gewaltenteilung sind gemeinsame Ideen nationalstaatlich verschiedener

Dog-

m e n . 5 6 8 Das amerikanische System der checks and balances beruht auf einer anderen Regierungskultur als die britische sovereignty o f parliament 5 6 9 und der deutsche Verwaltungsstaat; die Unabhängigkeit der Beamtenschaft 5 7 0 und das

563

Dazu Wade/Forsyth, S. 175; ähnlich Prosser, in: Hancher/Moran (eds.), S. 135 (154); vgl. auch Craig , S. 99 f; Schuppert, Verselbständigte Verwaltungseinheiten, S. 346-350 mit einen geringfügig optimistischeren Befund für die public corporation. 564 Craig , S. 106: „The extent of any such control will obviously be dependent upon the nature of the area over which the agency exercises power." 565 Oben S. 252 ff. 566 Vgl. zum Rechtsvergleich im öffentlichen Recht Christian Starck, Rechtsvergleichung im öffentlichen Recht, JZ 1997, 1021; Rudolf Bernhardt, Eigenheiten und Ziele der Rechtsvergleichung im öffentlichen Recht, ZaöRV 24 (1964), 431; Hartmut Krüger, Eigenart, Methode und Funktion der Rechtsvergleichung im öffentlichen Recht, in: Ziemske, Burkhardt u.a. (Hrsg.), Staatsphilosophie und Rechtspolitik, FS-Kriele, München 1997, 1393; Thomas Groß, Die Autonomie der Wissenschaft im europäischen Rechtsvergleich, Baden-Baden 1993, S. 26-35; speziell mit Blick auf die Konvergenz englischen und deutschen Verwaltungsrechts Mario P. Chiti, Administrative Comparative Law, Revue européenne de Droit Public 1992, 11-37; Georg Nolte, General Principles of German and European Admnistrative Law - A Comparison in Historical Perspektive, 57 MLR 1994, 191-212. 567 Ähnlich auch Lasserre, AJDA 1997, 224 (224). Eingehend Otto Kahn-Freund, Of Uses and Misuses of Comparative Law, 37 MLR 1974, 1 (11-13 u. 17-20). Konzeptuale Gemeinsamkeiten arbeitet heraus Neil MacCormick , Der Rechtsstaat und die rule of law, JZ 1984, 65. 568 Vgl. zur Gewaltenteilung Péter Paczolay (ed.) Separation of powers in the jurisprudence of constitutional courts: national reports of the 10 th Conference of the European Constitutional Courts, Budapest 1997. 569 Diese heben hervor Mestmäcker/Witte, Gutachten, S. 4 f. 570 Zur Verfassungsersetzenden, rechtsstaatlichen Leistung der preußischen Beamtenschaft vgl. Haverkate, VVDStRL 46 (1988), S. 217 (219 Fn. 3).

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

Ausmaß gerichtlicher Überprüfung 571 setzen behördliche Autonomie in ein je nach Rechtssystem verschiedenes Licht. Nicht zuletzt befinden sich auch die jeweiligen Märkte und die Behörden selbst in unterschiedlichen Entwicklungsstadien. 572 Diese Unterschiede verbieten es, aus dem Erfolg politischer Verselbständigung im angloamerikanischen Rechtskreis unmittelbar die Weisungsfreiheit der deutschen Behörde abzuleiten. Art. 5a ONP-Rahmenrichtlinie, über den ein solcher Vergleich rechtstechnisch einzuführen wäre, respektiert die Organisationsautonomie der Mitgliedstaaten. Der Rechtsvergleich belegt aber dreierlei: (1) Der politischen Autonomie der jeweiligen Regulierungsbehörde wird hohe Bedeutung beigemessen. Sie soll den Marktkräften signalisieren, daß sie sich frei entfalten und auf die einmal gesetzten Rechtsdaten vertrauen können. Auch der Präsident der Regulierungsbehörde und der Bundeswirtschaftsminister heben darum die Unabhängigkeit der deutschen Behörde hervor. 573 (2) Vor allem soll die politische Einflußnahme im Detail, auf die Entscheidung des Einzelfalles, ausgeschlossen werden. Dem britischen Department of Trade and Industry bleibt es unbenommen, die allgemeinen Lizenzbedingungen zu formulieren, deren Umsetzung dem Oftel obliegt. In Frankreich erteilt das Ministerium die Lizenzen und behält sich die Überwachung der Universaldienstversorgung vor. 5 7 4 Die Einzelfallentscheidung ist aber die Domäne der jeweiligen Regulierungsbehörde. 575 (3) Die institutionellen Arrangements der vorgestellten Behörden setzen sich vom jeweiligen Verwaltungsumfeld ab. 576 Ihnen ist die hervorgehobene Stellung der Behördenleitung gemeinsam. Wie die Vereinigten Staaten besetzen

571 Dazu Nolte , 57 MLR 1994, 191 (197) unter Verweis auf Frowein (Hrsg.), Die Kontrolldichte bei der gerichtlichen Überprüfung von Handlungen der Verwaltung, Berlin 1993. Aus der älteren Literatur vgl. Otto Kahn-Freund, Common Law and Civil Law - Imaginary and Real Obstacles to Assimilation, in: Mauro Cappelletti, New Perspectives for a Common Law of Europe, Stuttgart u.a. 1978, S. 137 (160 f). 57 2 Lasserre, AJDA 1997, 224 (225) unterscheidet etwa die erste Phase einer „régulation essentiellement juridique et technique"; eine zweite Phase der „régulation économique" und eine dritte Phase der „régulation plus comportementale". 573 Vgl. die Reden zu Tätigkeitsbeginn der Regulierungsbehörde, http://www.regtp.de /Regulierung/scheurle2.htm, Stand 25.7.1998; http:// www.bmwi.de/reden/1998/0107 redl.html, Stand 25.7.1998. 574 Vgl. Lasserre, AJDA 1997, 224 (227); Frédérique Dupuis-Tobol/Jean-Pierre Jouyet, Die neuen französischen Bestimmungen auf dem Gebiet der Telekommunikation, Archiv PT 1998, 132(142). 575 Vgl. Lasserre, AJDA 1997, 224 (227). 576 Vgl. für Frankreich auch Lasserre, AJDA 1997, 224 (224).

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

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auch Frankreich, 577 Österreich 578 und die Schweiz 579 das entscheidende Gremium kollegial. In Großbritannien rekrutieren sich die Kandidaten aus einem Personenkreis, der in sich eine gewisse Unabhängigkeit verbürgt. Daneben zeichnen sich die angloamerikanischen Behörden durch besondere Transparenz ihres Verfahrens aus. Im deutschen Verwaltungsorganisationsrecht ließe sich eine politische Distanzierung im Detail von ähnlichem Symbolwert über eine Aufgabe der Einzelweisungsbindung erreichen.

VIL Die Weisungsfreiheit

als Symbol der politischen Unabhängigkeit

Das Verlangen nach Distanzierung konzentriert sich aus verschiedenen Gründen gerade auf die Weisungsbindung, obwohl das TKG auch andere institutionelle, personelle, formelle und materielle Verselbständigungstendenzen anlegt. Denn die Einzelfallweisung ist in ihrer punktgenauen Wirkung das Instrument, die befürchtete tagespolitische Einflußnahme zu transportieren. 580 Ihre oben beschriebene Qualität 581 hilft, einzelne Momente aus einem Entscheidungszusammenhang zu isolieren, hervorzuheben und ihnen eine neue Richtung zu geben. Sie kann daher ebenso sachdienliche wie sachfremde Erwägungen einfuhren. Als Einzelfallentscheidung ist sie zwangsläufig mit den in der jeweiligen Situation hervortretenden, besonderen Interessen befaßt. Über den Einzelfall hinaus verändert die Weisungsbindung Entscheidungsmuster. Da das Ministerium gleichsam mit am Tisch sitzt, erhält das außenrechtsförmliche Verfahren eine verlängerte innenrechtliche Dimension. Das Wirtschaftsministerium wird typischerweise übergeordnete, breiter angelegte, aber auch nicht gesetzesförmliche Ziele verfolgen. In seiner Regierungsnähe ist das Ministerium sensibler für tagespolitische Erfordernisse. Daher wird die Di577 Vgl. Art. L. 36-1 Loi n° 96-659 du 26 juillet 1996 de réglementation des télécommunications, Journal Officiel der La République Française du 27 juillet 1996, 11384. Daß die französische Autorité de régulation des télécommunications (ART) unabhängig ist, ergibt sich nicht ausdrücklich, sondern lediglich schlüssig aus dem Gesetzestext. Vgl. Lasserre, AJDA 1997, 224 (226). Ausführlich Frédérique DupuisToubol/Jean Piere Jouyet, Die neuen französischen Bestimmungen auf dem Gebiet der Telekommunikation, Arch PT 1998, 132, zur ART aaO. (141). 578 Vgl. Hans-Uwe Gebhardt/Claudine Vartian, Rechtliche Regelungen und Liberalisierung des österreichischen Telekommunikationsmarktes, MMR 1999, 153 (155). 579 Vgl. Art. 56 Fernmeldegesetz (FMG) v. 30.4.1997, Gesetzblatt 1997, S. 1520. Danach wird die aus fünf bis sieben Mitgliedern bestehende Kommunikationskommission vom Bundesrat aus unabhängigen Sachverständigen gewählt. Sie unterliegt keinen Weisungen und ist von den Verwaltungsbehörden unabhängig. 580 Eine ähnliche Einschätzung liegt BVerwG E 69, 256 (267) zugrunde. 581 Unten S. 240 f.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

stanzierung von diesen Erfordernissen an der Schnittstelle zwischen Ministerium und Regulierungsbehörde ansetzen. Hier hat die Weisungsbefugnis hohe symbolische, letztlich aber auch in ihrer strukturellen Steuerungsleistung als Einflußpotential begründete Bedeutung. Sie ist in den Augen der Beteiligten die Nagelprobe auf die politische Verselbständigung der Regulierungsbehörde. Deren Bedeutung wird letztlich auch von Autoren anerkannt, die eine Ausnahme von der Weisungsbindung für die Regulierungsbehörde ablehnen. Denn sie empfehlen dem Bundeswirtschaftsminister zumindestens, das Weisungsrecht sehr zurückhaltend auszuüben.582 Die verfassungsrechtlich gebotene Distanzierung findet also in einer Rücknahme der Weisungsbefugnis ihren sinnfälligen Ausdruck. Eine lediglich faktische Zurückhaltung kann aber den mit ihr verfolgten Zweck nur bedingt erreichen. Letztlich kann nur eine rechtlich verbindliche Weisungsfreiheit sowohl ministeriellen Einfluß dauerhaft hemmen als auch ein verläßliches Zeichen für die regulierten Unternehmen setzen.583

VIII. Fazit Das Ministerialmodell war schon unter Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG a.F. für die Bundespost Ausnahmen zugänglich. Mit der Überführung des Sondervermögens in die privatrechtliche Kapitalgesellschaft entfiel zwar der Grund dafür, die Spannung zwischen unternehmerischen und politischen Zielen über kondominiale und weisungsfreie Gremien aufzulösen. Dennoch lebt im Wortlaut des Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG die organisatorische Toleranz des Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG a.F. fort. Die systematische Herauslösung der Telekommunikationsverwaltung aus Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG a.F. zeigt, daß Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG sachbereichsspezifischen Anforderungen besondere Bedeutung zuerkennt. Sein Organisationsgehalt ist also mit Rücksicht auf den jeweiligen Stand des Privatisierungsauftrages zu bestimmen. Dazu sah bereits die verfassungsbegleitende Gesetzgebung vor, unter einer Beschränkung des ministeriellen Weisungsrechts „unabhängige" Beschlußkammern zu errichten. Dem Privatisierungsauftrag entspricht es, die Regulierung politisch zu verselb-

582 Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, München 1997, § 66 Rnr. 20 erwartet eine „die relative Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde wahrende, zurückhaltende Praxis des BMWi". Ähnlich halten Ulmen/Gump, Die neue Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post, CR 1997, 396 (401 f) „faktisch gesehen - [nur] eine allgemeine Fachaufsicht für möglich". Auch Windthorst, Universaldienst, S. 444 f, nimmt an, „daß sich der Bundeswirtschaftsminister mit Einzelweisungen zurückhalten wird" und rät, das Weisungsrecht de lege ferenda zu beschränken. 583 Zur Notwendigkeit, ministeriellen Einfluß klar zu strukturieren, aus britischer Sicht Baldwin/McCrudden, S. 40 f.

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

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ständigen, d.h. gegenüber tagespolitischer Einflußnahme zu distanzieren, damit der Staat die Aufgabe der Aufgabenaufgabe bewältigen kann. Eine Beschränkung ministerieller Einflußnahme auf die Regulierung immunisiert im Ergebnis die regulierten Unternehmen gegen tagespolitische Anforderungen. Für das größte regulierte Urisrnehmen, die Deutsche Telekom AG, setzt eine politische Verselbständigung daher die unternehmerische Verselbständigung regulierungsseitig fort. Den übrigen, neu hinzutretenden Unternehmen signalisiert eine politische Verselbständigung der Regulierungsbehörde, daß es dem Staat mit dem ordnungspolitischen Modellwechsel ernst ist. Indem die Zahl der beteiligten Akteure begrenzt wird, werden die Marktdaten berechenbarer, verläßlicher. Die politische Verselbständigung der Regulierungsbehörde sichert zudem ihre funktionelle Unabhängigkeit insbesondere dann ab, wenn die Ressorttrennung versagt und der Minister Interessen des bundeseigenen Unternehmens vertritt oder vertreten soll. Im Konflikt zwischen dem staatseigenen Unternehmen und seinen Wettbewerbern kann die Regulierungsbehörde ihrem europarechtlichen Schlichtungsauftrag dann nachkommen, wenn sie als politisch distanziert gilt. Insoweit läßt sich die funktionelle Unabhängigkeit zur politischen Verselbständigung hin ausbauen. Der Rechtsvergleich zeigt, daß das Vertrauen in das staatliche Privatisierungsprogramm wesentlich davon abhängt, daß seine Verwirklichung im Einzelfall unabhängigen Behörden obliegt. Eine Entlassung aus der ministeriellen Einzelweisungsbefugnis kann im Kontext des deutschen Verwaltungs- und Verfassungsrecht eine ähnlich symbolkräftige behördliche Unabhängigkeit begründen. Sie entspräche dem Privatisierungsprogramm des Art. 87f GG. Damit stellt sich die Frage, welche verfassungsrechtlichen Folgen ein Wegfall der Weisungsbindung nach sich zieht und ob er sich durch alternative Arrangements auffangen läßt. Die Untersuchung nähert sich nunmehr dem zweiten Gravitationszentrum der Weisungsbindung: ihrer verfassungsrechtlichen Leistungsfähigkeit.

D. Die verfassungsrechtlichen Funktionen des Weisungsrechts Eine Herauslösung behördlicher Tätigkeiten aus der ministeriellen Weisungsbefugnis findet einerseits in Art.87f Abs. 2 S. 2 GG eine rechtfertigende Ausnahmeregelung. Sie muß aber andererseits die grundsätzliche Befürwortung anerkennen, die das Ministerialmodell unter dem Grundgesetz erfahren hat. Soll die Regulierungsbehörde im Wege der Weisungsfreiheit gegen tagespolitische Einflußnahme immunisiert werden, sind die verfassungsrechtlichen Leistungen des Weisungsrechts zu beachten.

19 Oertel

20

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

Folgt man den verfassungsrechtlichen Kommentaren, so läßt sich der Grundsatz der Weisungsbindung an drei Normen festmachen: 584 Art. 86 GG, 5 8 5 Art. 65 GG 5 8 6 und Art. 20 Abs. 2 G G 5 8 7 . 5 8 8 Jede Norm verlangt der Weisung eine andere Leistung ab: Art. 86 ff GG nutzt sie als Instrument der Anbindung an den Bund (I); unter Art. 65 GG gilt sie als Leitungsinstrument (II); Art. 20 Abs. 2 GG bürdet ihr eine legitimatorische Last auf (III).

I. Die Anbindungsfunktion,

Art. 86ffGG

Der ministerialfreie Raum firmiert verfassungsrechtlich unter Art. 86 GG, weil die Weisungsbefugnis als ein Faktor gilt, die substantielle Anbindung einer nachgeordneten Behörde an den Bund sicherzustellen. 589 Sie schafft einen Verantwortungszug, der das Ministerialmodell konturiert. Dieses Modell wiederum stiftet im Zusammenhang der Art. 86 ff GG mehrfachen Nutzen: Im Bundesstaat hält es föderale Organisationsausuferungen in festen Formen. Die speziellen Vorgaben der Art. 87 Abs. 2 u. 3 GG wären zu umgehen, wenn der Regelfall der bundeseigenen Verwaltung so konturenarm wäre, daß es keiner Ausnahmen bedürfte. 590 Im Verfassungsstaat gewährleistet das Ministerialmodell eine organisationsrechtliche Formenklarheit 591 und dank des Weisungs584 Vgl. auch Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. I, § 22 Rnr. 24; Müller, JuS 1985, 497 (503). 585 Vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 86 Rnr. 3; Broß, in: von Münch/Kunig, Art. 86 Rnr. 16; Sachs, in: Sachs, Art. 87 Rnr. 66; Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rnr. 70 f, der aber im Ergebnis auf die Kontrollfunktion des Parlaments (Art. 20 Abs. 2 GG) und die Leitungsfunktion der Regierung (Art. 65 S. 2 GG) verweist; ähnlicher Verweis auf Art. 65 S. 2 GG bei Bull, in: Alternativkommentar, Art. 86 Rnr. 26 f, der aber auf die repräsentative Demokratie iVm. Art. 65 S. 2 GG verweist. 586 Vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 65 Rnr. 95. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 86 Rnr. 3 und Art. 65 Rnr. 1; Stern,, II, § 41 IV 10 b), S. 709. 587 Vgl. Sachs, in: Sachs, Art. 20 Rnr. 41. 588 Art. 19 Abs. 4 GG bietet keinen Anhalt; infolgedessen lassen sich auch Ausnahmen von der Weisungsbindung nicht über besonderen Rechtsschutz rechtfertigen. Dazu Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rnr. 70 Fn. 170; Broß, in: von Münch/Kunig, Art. 86 Rnr. 16 gegen Bull, in: Alternativkommentar, Art. 86 Rnr. 27. Art. 19 Abs. 4 GG läßt sich auch kein Verbot verwaltungseigener Kontrolle entnehmen, vgl. BVerfG E 22, 106 (110)- Steuerausschuß -. Ebensowenig folgt aus Art. 20 Abs. 3 iVm. Art. 19 Abs. 4 GG ein Gebot verwaltungsinterner Kontrolle. Vgl. Oebbecke, S. 135. Den Wert hierarchischer geordneter Bürokratie im Rechtsstaat betont Traumann, S. 157 f, die aber letztlich auf das Demokratieprinzip abstellt (S. 159). Zu Art. 33 Abs. 5 GG vgl. Oebbecke, S. 136-138; Traumann, S. 196 ff; Emde, S.346, mit gegensätzlichen Ergebnissen. 589 Vgl. nur Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rnr. 70. Zur entstehungsgeschichtlichen Begründung Müller, JuS 1985, 497 (504). 590 Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rnr. 49. 591 Zu dieser vgl. Trute, Funktionen der Organisation, S. 22; Krebs, in: Isensee/Kirchhof III, § 69 Rnr. 77.

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

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rechts auch eine Formenwahrheit. 592 Damit wendet es sich gegen die dem Verfassungsgeber abholde Einrichtung von Reichsstellen und Boards. 593 Es dient dazu, staatliche Verantwortung eindeutig zu organisieren. Das Ministerialmodell erstickte aber schon bei Inkrafttreten des Grundgesetzes die vorhandenen Behörden nicht. Ein geschlossenes Ministerialsystem errichtete das Grundgesetz nicht. 594 Die Abneigung gegen die Einrichtung von besonderen Behörden, die noch 1949 spürbar war, ließ in der Folge nach. 595 Einen Beleg dafür bieten aus dem jüngeren Verfassungsrecht Art. 87d Abs. 1 S. 2 und Art. 87f Abs. 3 GG. Daher ist der konturierende Anspruch des Ministerialmodells begrenzt. Insbesondere muß die Zuordnung zum Bund nicht notwendig auf der Weisungsbefugnis beruhen. 596 Sie ist schon indiziert, wenn die Zurechnung zum Bund erfolgt, also die Behörde nicht rechtlich verselbständigt ist. Rechtsfähigkeit und Weisungsfreiheit gehen ebensowenig miteinander einher wie ein Mangel an Rechtsfähigkeit und Weisungsbindung.597 Auch eine weisungsfreie, oberste Behörde ist dem Bund zuzuordnen. Die Weisungsbefügnis ist daher entbehrlich, soweit Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG in der Tradition des Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG a.F. die politische Unabhängigkeit der Fernmeldeverwaltung rechtfertigt. Im übrigen stellen die oben genannten institutionellen, personellen, formellen und materiellen Faktoren sicher, daß die Behörde als solche nicht der bundeseigenen Führung entgleitet. Die Weisungsbefügnis wird in ihrer Anbindungsfunktion nach Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG also erst dann unentbehrlich werden, wenn diese anderen Faktoren zu schwach sind, um einzelne Organe der Regulierungsbehörde dem Bund zuzuordnen. Bis auf weiteres ist sie nicht aus Art. 86 ff GG heraus unabdingbar notwendig. Art. 86 ff GG stützen die Weisungsbefugnis letztlich weniger aus eigener Kraft.

592 Zur Bedeutung der Organisation für den Verfassungsstaat Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 59 Rnr. 87. Insbesondere zu Transparenzerfordernissen Loschelder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 68 Rnr. 11. 593 Vgl. von Brentano (Parlamentarischer Rat, Hauptausschuß, Sten. Prot., S. 196); Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 474 f; Schon Georg Jellinek sah laut Fichtmüller, AöR 91 (1966), 297 (304) den wahren Grund des Ministerialsystems in der Befürchtung, unabhängige Behörden könnten die Stärke der Regierung schwächen. Dazu ausführlich Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 325 - 328. Ideengeschichtlicher Rückblick bei Dreier, S. 36-115. Gegen „verfassungsrechtlich unzulässige partielle Nebenregierungen" auch Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 256. 594

Oben S. 246 ff. Vgl. Welz, 105-108 zur Einrichtung von Bundesoberbehörden, der gleichwohl hier noch ungenutzte Möglichkeiten sieht, die Ministerialebene zu entlasten. 596 Vgl. oben S. 194 Fn. 40. 597 Vgl. dazu schon Schmidt-Aßmann, FS-Ipsen, S. 333 (348). Traditionell wäre die Rechtsfähigkeit eine Frage des Außenrechts, die Weisungsbindung eine innenrechtliche. 595

2

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

Sie Die und Art.

werden vielmehr in den Dienst anderer Verfassungsprinzipien gestellt. 5 9 8 Anbindungsfunktion der Weisung fuhrt zur Leitungsaufgabe der Regierung der parlamentarischen Kontrolle behördlichen Handelns zurück. Jene ist an 65 S. 2 GG festzumachen, diese an Art. 20 Abs. 2 GG.

II. Die Leitungsfunktion,

Art. 65 S. 2 GG

Nach Art. 65 S. 2 GG leitet jeder Minister seinen Geschäftsbereich selbständig und unter eigener Verantwortung. A l s Instrument ministerieller Leitung unterfällt die Weisung diesem W o r t l a u t . 5 9 9 Zwar w i r d vertreten, Art. 65 S. 2 GG verteile als Intra-Organ-Recht Befugnisse, die er voraussetze, aber nicht begründe. 6 0 0 Dies ist aber weder nach der systematischen Stellung des Art. 65 S. 2 G G noch nach seiner Entstehungsgeschichte überzeugend. 6 0 1 Art. 65 S. 2 G G gewährt selbst Leitungsbefugnisse. Er benennt diese aber nicht i m einzel602

nen. A l s Vorbehalt zugunsten der Weisungsbefugnis w i r d Art. 65 S. 2 G G daher nicht isoliert herangezogen, sondern mit dem Demokratieprinzip 6 0 3 oder dem Grundsatz der Gewaltenteilung 6 0 4 verbunden. Die Legitimationsfunktion der

598

Daß deswegen aus den Art. 86 ff GG keine strengeren Anforderungen folgen können als aus Art. 65 S. 2 GG und Art. 20 Abs. 2 GG, stellt Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rnr. 71, fest. 599 Vgl. Emde, S. 344, der aber entscheidend auf das Demokratieprinzip abstellt, das hier unter Art. 20 Abs. 2 GG für sich behandelt werden soll. Auf Art. 65 S. 2 GG stützt sich letztlich auch Loening, DVB1. 1954, 173 (175). 600 Vgl. Sodan, S. 390; Füßlein, S. 320. Ähnlich Burmeister, S. 296 und Fichtmüller, AöR 91 (1966), 297 (321), der jedoch aus der Verfassungsgesamtheit einen „Vorbehaltsbereich der Regierung" herleitet (aaO. (353)). 601 Ausführlich Oebbecke, S. 25-30. Zum Streitstand umfassend Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 320-322; knapper Brosius-Gersdorf S. 94. 602 Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 320 u. S. 322 gelangt zu dem Ergebnis, daß die Leitungsbefugnis „grundsätzlich umfassende Kompetenzen und Befugnisse in puncto Organisation, Personal und sachlich-inhaltlicher Aufgabenerledigung impliziert." Zu den kennzeichnenden Merkmalen des Ressortprinzips nach Art. 65 S. 2 zählt Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 65 Rnr. 58-61, Weisungs-, Vorbehalts- und Kontrollrechte des Ministers. Er hält aber den parlamentarischen Verzicht auf die Weisungsbefugnis für zulässig (aaO. Rnr. 105). 603 Speziell im hiesigen Zusammenhang Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 320 f f , der S. 366 die maßgebliche Bedeutung des Art. 65 S. 2 GG aus dem Demokratieprinzip herleitet. Ähnlich Brosius-Gersdorf, S. 95; Traumann, S. 272; Klein, S. 175 mwN. Schon Vorbrugg, S. 276, sah im Demokratieprinzip die „eigentliche Heimstatt" der Weisungsabhängigkeit. 604 Allgemein zum Gewaltenteilungsprinzip Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 59 Rnr. 21; Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. I, § 24 Rnr. 46-68.

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

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Weisung nach Art. 20 Abs. 2 GG wird sogleich erörtert werden (III). Vorerst konzentriert sich die Betrachtung auf den Grundsatz der Gewaltenteilung als Gewähr einer Leitungsmacht.

1. Der Grundsatz der Gewaltenteilung und die Weisungsbefugnis Als eigenständiges Organisationsprinzip wirkt der Gewaltenteilungsgrundsatz in zweierlei Weise: 605 Als abwehrendes und bewahrendes Prinzip setzt er die drei Gewalten nach Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG in ein sich gegenseitig hemmendes Verhältnis. Dazu geht er letztlich auf eine der Verfassung vorausliegende Idealvorstellung der Gewalten zurück. Dieses Verständnis schützt einen Kernbereich exekutivischer Eigenverantwortung. 606 Ihn haben auch die grundgesetzlichen Verschränkungen der verschiedenen Gewalten zu respektieren. Ein jüngeres Verständnis der Gewaltenteilung nimmt diese Verschränkungen in den Grundsatz hinein. Es versteht den Gewaltenteilungsgrundsatz nicht nur als abwehrendes, sondern auch als zuordnendes Organisationsprinzip. Demnach bildet sich der Staat in der Teilung seiner Gewalten heraus und erlangt positive Gestalt. Hier entwickelt sich der Gewaltenteilungsgrundsatz in der Lehre 607 und der Rechtsprechung auf einen Grundsatz funktionsgerechter Organstruktur 608 hin. Das BVerfG formuliert: 609 „[Die Unterscheidung und Trennung der Gewalten] zielt auch darauf ab, daß staatliche Entscheidungen möglichst richtig, das heißt von Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen". In keiner der beiden Ausprägungen kann der Gewaltenteilungsgrundsatz die Weisungsbefugnis zum allnotwendigen Element ministerieller Leitung nach Art. 65 S. 2 GG erheben. Das Verfassungsgericht nimmt in seiner Rechtsprechung zu ministerialfreien Räumen nicht entscheidend Bezug auf den Grundsatz der Gewaltenteilung oder auf Art. 65 S. 2 GG. 6 1 0 Als Kernbereichsschutz

605

Vgl. Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. I, § 24 Rnr. 49 f. Vgl. BVerfG E 68, 1 (87) - Raketenstationierung -. 607 Insbesondere Hesse, Rnr. 482, 492 ff. 608 Dazu von Danwitz, Der Grundsatz funktionsgerechter Organstruktur, Der Staat 35 (1996), 329-350; Küster, Das Gewaltenproblem im modernen Staat, AöR 75 (1949), 397. 609 BVerfG E 65, 1 (86) - Raketenstationierung -. Im Anschluß daran ebenso BVerfG NJW 1997, 383 (383) - Südumfahrung Stendal -. 610 Vgl. BVerfG E 93, 37 (66 ff) - Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein -; BVerfG E 83, 130 (150) - Mutzenbacher -. 606

2

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

geht Art. 20 Abs. 2 S. 2 G G von einer Dreiteilung der Gewalten aus. 6 1 1 Für die inneradministrative

Gewaltenteilung

birgt

ein

etwaiger

„Verwaltungsvor-

b e h a l t " 6 1 2 kaum Anhaltspunkte. 6 1 3 Als Ordnungsprinzip muß der Gewaltenteilungsgrundsatz berücksichtigen, daß A r t 87f Abs. 2 S. 2 GG die ministerialfreie Verwaltung zuläßt. Sie entspricht einer sachgebotenen Distanzierung und ist insoweit funktionsgerecht. In der oben zitierten Formulierung des B V e r f G geht der Grundsatz der Gewaltenteilung sprachlich sogar in ein Gebot aufgabengerechter Organisation über. 6 1 4 Literarische Unterfangen gehen daher soweit, die Entstehung ministerialfreier Räume aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz zu begründen. 6 1 5

2. Die Weisungsbefugnis als Kernbereich exekutivischer Leitungsfunktion Indes ist es wiederum für die Regierung funktionsnotwendig, über gewisse Leitungsrechte zu verfügen. 6 1 6 Insoweit kann der Gewaltenteilungsgrundsatz

611

Vgl. Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. I, § 24 Rnr. 52. So auch BVerfG NJW 1997, 383 (383) - Südumfahrung Stendal -. Offener Hesse, Rnr. 487. 612 Vgl. zum „Verwaltungsvorbehalt" aus hiesiger Sicht Dreier, S. 182 ff; Oebbecke, S. 23 mwN.; Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. I, § 24 Rnr. 57; Sodan, S. 403. 613 Vgl. Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. I, § 24 Rnr. 79. BVerfG E 9, 268 (280) - Bremer Personalvertretungsgesetz - erkennt darum: Die Einigungsstellen „stehen aber nicht „außerhalb der Verwaltung" .... Es handelt sich somit nicht um eine Frage der Gewaltenteilung." Zustimmend Fichtmüller, AöR 91 (1966), 297 (319 f). Im Ergebnis ähnlich Füßlein, S. 301 f. 614 Den effizienzsteigernden, staatliche Herrschaft wahrenden Aspekt der Gewaltenteilung hebt auch Dreier, S. 177, hervor. 615 Vgl. Waechter, S. 48, S. 63, S. 169, S. 85 unter ausdrücklichem Anschluß an Hesse, allerdings unter inhaltlicher Festlegung des Demokratieprinzips auf eine sowohl identitäre als auch repräsentative Demokratie (S. 67) und eines daraus abgeleiteten Typs treuhänderischer Verantwortung. Kritisch hierzu Brosius-Gersdorf, S. 121 ff. Auf ein Gebot funktionsgerechter Organstruktur führt andererseits schon Klein, S. 175 im Anschluß an Küster Versuche zurück, das Hierarchieprinzip als Strukturmerkmal der vollziehenden Gewalt zu behaupten. Die Einschaltung weisungsfreier Sachverständiger begründet von Danwitz, Der Grundsatz funktionsgerechter Organstruktur, Der Staat 35 (1996), 329 (342 f) aus Erfordernissen der Funktionsgerechtigkeit. Zum Gebot aufgabengerechter Organisation oben S. 252 ff. 616 Vgl. Stern, II, § 41 IV 10 b), S. 710: „Die Regierung muß Leitungsorgan bleiben." Ähnlich Füßlein, S. 326: „ Wo durch Verwaltungsstellen Staatsleitungsaufgaben vollzogen werden, ist also kein Raum für Ministerialfreiheit." Zur Regierung als Staatsleitung Schröder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 67 Rnr. 3 ff. Zur „administrativen Gewaltenteilung" als dem weiteren Diskussionsrahmen vgl. Oebbecke, S. 23.

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

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auch in seiner jüngeren Ausprägung für das Verhältnis von Ministerialebene und nachgeordneter Verwaltung fruchtbar werden und topoi der älteren Lehre aufnehmen. Der Regierung wäre demnach ein Kernbereich exekutivischer Leitungsmacht gegenüber der Verwaltung vorzubehalten. 6 1 7 Dafür, wie dieser Kernbereich zu definieren ist, bestehen gewisse A n haltspunkte. 6 1 8 Nach übereinstimmender Auffassung, die sich an das Urteil des B V e r f G zum Bremer Personalvertretungsgesetz

anschließt, 6 1 9 zählt die Perso-

nalgewalt zu den exekutivischen Kernfunktionen. Sie ist grundsätzlich der Regierung vorbehalten. 6 2 0 Des weiteren gilt die Organisationsgewait bezüglich der Ministerialebene als zugriffsfest. Die Organisation nachgeordneter Behörden kann jedoch der Gesetzgeber bestimmen. 6 2 1 Personal- und Organisationsgewalt beinhalten die Befugnis zu genereller Rahmensteuerung. Die punktgenau wir-

617

Anklänge zu einer funktionsbezogenen Vorbehaltslehre innerhalb der Exekutive bei Hesse, Rnr. 487 iVm. Rnr. 531 zur Regierung und Rnr. 538 zur Verwaltung. Er kann sich auf BVerfG E 83, 60 (72) - Hamburger Bezirksvertretung - stützen. Dort heißt es zum Legitimationsgefüge: ,,[I]nnerhalb der Exekutive ist dabei auch die Funktionenteilung zwischen der für die politische Gestaltung zuständigen parlamentarisch verantwortlichen Regierung und der zum Gesetzesvollzug verpflichteten Verwaltung zu berücksichtigen." Ähnlich Krebs, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 69 Rnr. 82: „Der Organisationsspielraum des Parlaments findet insofern an einem Regierungs- oder Ministerialvorbehalt seine Grenze." 618 Zu den Schwierigkeiten einer Kernbereichsbestimmung deutlich Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 65 Rnr. 105; Schröder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 67 Rnr. 30. Ähnlich Oebbecke, S. 130; Traumann, S. 273 f. Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. StR. I, § 24 Rnr. 56 unterscheidet methodisch die Verwendung des Kernbereichsgedankens als Argumentationstopos von der unbedingten Kernbereichsgewährleistung nach Art. 20 Abs. 2 iVm. Art. 79 Abs. 3 GG. BVerfG NJW 1997, 383 (384) - Südumfahrung Stendal - läßt für die Überführung der Planfeststellung in ein gesetzgeberisches Verfahren gute Gründe genügen. 619 Vgl. BVerfG E 9, 268 (282 f) - Bremer Personalvertretungsgesetz - und Bull, in: Alternativkommentar, Art. 86 Rnr. 27; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 86 Rnr. 3; aus Sicht der Verzichtstheorie Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 65 Rnr. 106; Klein, S. 213 f; für die ministeriumszentrierte Sicht Loschelder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 68 Rnr. 50; Emde, S. 348. Ebenso Burmeister, S. 303. 620 BVerwG E 12, 20 (28f) tolerierte allerdings die Unabhängigkeit des Personalgutachterausschuß, der an der Auslese der Offiziere für die entstehende Bundeswehr mitwirkte, trotz der besonderen politischen Bedeutung dieser Aufgabe, ohne auf eine besondere Verfassungsnorm zu verweisen. 621 Vgl. nur Burmeister, Herkunft, Inhalt und Stellung des institutionellen Gesetzesvorbehalts, Berlin 1991, der die Ministerialorganisation dem legislativen Zugriff vorenthält (S. 136). Ähnlich schon Schmidt-Aßmann, FS-Ipsen, S. 333, 351, ders., Verwaltungsorganisation, S. 60, der einen Regierungsvorbehalt für die aus Sicht des Parlaments weniger bedeutenden Fragen der Behördeneinrichtung annimmt, soweit diese wiederum für die Struktur der Regierung „wesentlich" sind. Gesetzlicher Regelung zugänglich, aber auch bedürftig sei hingegen die Entkoppelung von Verwaltungseinheiten aus dem bisherigen Steuerungszusammenhang. In diese Richtung auch Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 88 u. S. 106.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

kende Einzelfallweisung hat demgegenüber typischerweise geringere Breitenwirkung. Wenn der Gesetzgeber die Organisation nachgeordneter Behörden regeln darf, sollte er auch das Weisungsrecht beschränken k ö n n e n . 6 2 2 Versuche, das Hierarchieprinzip als notwendiges Strukturmerkmal der Verwaltung zu behaupten, führen auch unter dem Titel des Gewaltenteilungsgrundsatzes letztlich auf die legitimierende Funktion der Weisung zurück. Für die Leitungsfunktion der Regierung ist die Weisungsbefugnis nicht unabdingbar. Eine Grenze für den Entzug von Leitungsmacht zieht das Gewaltenteilungsprinzip i V m . Art. 65 S. 2 G G erst dann, wenn der Regierung keine hinreichende Einwirkungsbefügnis mehr verbleibt. Dabei ist in zwei Richtungen zu denken: 6 2 3 Z u m ersten möchte eine Sachmaterie gänzlich der regierenden Kraft entzogen werden. Dies dürfte überhaupt nur für eng abgrenzbare Sektoren ohne wesentliches Gewicht für das Gemeinwesen denkbar sein, 6 2 4 sonstigenfalls einer Verfassungsnorm bedürfen. 6 2 5 Wie die maßgebliche Formel von der politischen Tragweite zu konkretisieren i s t , 6 2 6 läßt sich der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung entnehmen. 6 2 7 Beispielsweise haben die Entscheidung über 622 Dezidiert dafür die sog. Verzichtstheorie oben S. 259 ff. Auch Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 106 wendet sich lediglich gegen die Errichtung völlig weisungsfreier Behörden. Das ist die Regulierungsbehörde schon wegen § 66 Abs. 5 TKG nicht. 623 Sodan, S. 416 spricht von „qualitativer" und „quantitativer" Hinsicht. Ähnlich schon Vorbrugg, S. 241 f. 624 Zu dieser an Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG angelehnten Schranke aus Sicht der Verzichtstheorie Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 65 Rnr. 104 f; Klein,, S. 208 f u . S. 211 ff. Vgl. auch Sodan, S. 416-418. Krebs, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 69 Rnr. 83 nennt die „Bedeutung ... für die Allgemeinheit und das Staatsganze" als Differenzierungskriterium. Ausdrücklich HessStGH, DVB1. 1986 (936): „ Es ist durchaus zulässig, Verwaltungsentscheidungen im staatlichen Bereich durch gesetzliche oder sonstige Regelungen aus dem Aufgabenbereich und der Entscheidungsbefugnis der Landesregierung herauszunehmen und zum Beispiel unabhängigen Ausschüssen zu übertragen, sofern es nicht erforderlich ist, daß die Regierung diese Entscheidungen selbst treffen oder maßgeblich beeinflussen können muß, um die Richtung der Staatstätigkeit zu bestimmen und für deren Einhaltung durch den ihr unterstellten Verwaltungsapparat zu sorgen und hierfür gegenüber dem Parlament die Verantwortung übernehmen zu können. Hierbei kann es sich ... jedoch nur um Staatsgeschäfte minderer politischer Wichtigkeit und Bedeutung handeln." 625 Dazu daß immer nur begrenzte Aufgaben zum Gegenstand gesetzgeberisch verordneter Selbststeuerung werden können, Groß, Kollegialprinzip, S. 267. Eine spezifische Verfassungslegitimation für die Herausnahme „essentieller" bzw. „substantieller" Bereiche aus der Regierungsgewalt fordern etwa Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rnr. 47 u. 50 und Loschelder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 68 Rnr. 48. Für die Währungspolitik der Bundesbank vgl. Art. 88 S. 1 GG. 626 Zur Kritik an dieser Formel Oebbecke, S. 62; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 356. Mit Nachweisen aus der älteren Literatur auch Klein, S. 146 ff. 627 Kirchhof in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 59 Rnr. 101 spricht von „Bedeutung und Breitenwirkung der Verwaltungstätigkeit".

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

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Steuereinsprüche und die Aufgaben der Bundesprüfstelle nach dem GJS keine solche politische Tragweite, daß unter dem Gesichtspunkt eines „ministerialfreien Raumes" Bedenken bestünden.628 Es ist also möglich, einzelne Entscheidungen in der Telekommunikation weisungsfrei zu stellen, solange die sektorielle Leitungsmächtigkeit der Regierung in der Summe erhalten bleibt. Dies ist der Fall. Die Zuständigkeit der Regulierungsbehörde konzentriert sich trotz einer gewissen politischen Kapazität auf die Rechtsüberwachung. 629 Zum zweiten dürfen die Regierungskompetenzen nicht so gelichtet werden, daß unter einer nominellen Verantwortlichkeit kein instrumenteller Unterbau mehr bleibt. 630 Solange der Regierung ein Letztentscheidungsrecht verblieb, konnte das BVerfG die Mitwirkung des Postverwaltungsrates an Gebührenverordnungen hinnehmen, obwohl sie konstitutiv war und eine Entscheidung von politischer Breitenwirkung betraf. 631 Eine weitergehende Ausdünnung ließe sich aus Art. 87f GG kaum mehr rechtfertigen. Denn über die gesamte Telekommunikationsverwaltung hinweg waren der Regierung Letztentscheidungsund Verordnungsrechte vorbehalten. 632 Allerdings ist nicht allein auf das Weisungsrecht abzustellen. Sein Entzug bleibt möglich, solange die Regierung über andere Instrumente ihrer Leitungsfunktion nachkommen kann. Hier ist an erster Stelle das Recht zu nennen, die Präsidenten der Regulierungsbehörde zu benennen und ggf. ihre Entlassung zu beschließen (§ 66 Abs. 3 TKG, § 8 Abs. 5 S. 3 PersBG). Daneben ist auf die zahlreichen Verordnungsermächtigungen hinzuweisen, die einer weitergehenden Ausfüllung offen stehen.633 Der Minister verfügt über das Recht, allgemeine Weisungen zu erteilen (§ 66 Abs. 5 TKG). Über § 66 Abs. 1 S. 2 TKG verbleibt ihm ein organisatorisches Einwirkungsrecht. Deswegen ist es nicht notwendig, die Weisungsbefugnis über die gesamte Regulierungsbehörde hinweg aufrechtzuerhalten, um die Leitungsfunktion der Regierung zu sichern.

628 BVerfG E 22, 106 (113) - Steuerausschuß - und BVerfG E 83, 130 (150) - Mutzenbacher -. Ähnlich BVerfG E 91, 228 (244) - Kommunale Gleichstellungsbeauftragte -. 629 Oben S. 218 ff. 630 Vgl. Fichtmüller, AöR 91 (1966), 297 (349): „Einzelfunktionen können neutralisiert werden, wenn die parlamentarisch kontrollierte Exekutive die Möglichkeit behält, mit den ihr verbleibenden Einflußbefugnissen die politische Grundlinie durchzusetzen." 631 Vgl. § 14 S. 1 PostVwG und BVerfG E 28, 66 (83f) - Postgebührenverordnung -. 632 Vgl. oben S. 38 ff; S.52 ff; S. 74 ff. 633 Vgl. oben S. 233 ff.

298

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

3. Fazit Art. 65 S. 2 GG schützt auch in Verbindung mit dem Gewaltenteilungsgrundsatz nicht gegen jeden Entzug des Weisungsrechts. Erst wenn der Entzug des Weisungsrechts in der Summe mit anderen Beschränkungen der Regierungsmacht einzelne Organe der Regulierungsbehörde der ministeriellen Leitung gänzlich entzieht und diese Organe außerhalb eines eng abgegrenzten Handlungsfeldes operieren, wird Art. 65 S. 2 GG berührt. Solange die genannten Grenzen beachtet werden, ist die Weisungsbefugnis nicht notwendig, um die ministerielle Leitungsfunktion auf den Tätigkeitsbereich der Regulierungsbehörde zu erstrecken.

III. Die Legitimationsfunktion,

Art. 20 Abs. 2 GG

Dritte und gewichtigste Funktion der Weisungsbefugnis ist es, die personelle Legitimation des Ministers in sachlich-inhaltliche Legitimation abgeleiteter Entscheidungen zu übersetzen. Unter Art. 20 Abs. 2 GG wird die Weisungsbefugnis verortet, weil sie Legitimation vermittelt und bedingt. 634 Die Weisungsbefugnis vermittelt einerseits ministerielle Legitimation auf nachgeordnete Behörden. Denn die Weisung überträgt die personelle Legitimation des Ministers in sachlich-inhaltliche Aussagen. Da die Untergebenen des Ministers dessen Politik zu Ende denken, 635 nehmen ihre Entscheidungen an dessen Legitimation teil. Die legitimationsvermittelnde, zur Behörde hinleitende Wirkung der Weisungsbefügnis korrespondiert mit der verwaltungsrechtlichen Stellung des Ministers als Verwaltungschef. Die Weisungsbefugnis soll aber andererseits auch Legitimation bedingen. Es heißt, dem Parlament verantwortlich könne ein Minister nur insoweit sein, als sein Weisungsrecht reiche. 636 In dieser Wendung wird die Weisungsbefugnis 634

Statt aller Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. I, § 22 Rnr. 23 f. Vgl. Loschelder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 68 Rnr. 32. 636 Vgl. grundlegend dazu BayVfGH N.F. Bd. 4, Teil II, S. 30 (47); zustimmend zitiert in BVerfG E 9, 268 (281 f) - Bremer Personalvertretungsgesetz - und in HessStGH, DVB1. 1986, 936 (938). Sinngemäß auch BVerfG E 22, 106 (113) - Steuerausschuß -. Ähnlich Broß, in: von Münch/Kunig, Art. 86 Rnr. 16, Bull, in: Alternativkommentar, Art. 86 Rnr. 28; Stern, II, §41 IV 10 b), S. 709; Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 65 Rnr. 94; Loschelder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 68 Rnr. 40; Bökkenförde, Organisationsgewalt, S. 97 u. 146; Brosius-Gersdorf S. 45 f , 48 f u. S. 114; Dreier, S. 134; ders., in: Dreier, GG, Art. 20 Rnr. 114; Klein, S. 43 u. S. 48; Rodegra, S. 108; Traumann, S. 76, S. 160 u. S. 250. Darstellung bei Oebbecke, S. 95 ff. In allgemeinerer Formulierung auch Gusy, ZRP 1998, 265 (267). Kritik an der logischen Stichhaltigkeit des Arguments bei Vorbrugg, S. 219 f und Füßlein, S. 309, feinsinnige Ausdeutung bei Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 315 f, der im Ergebnis (S. 317) aber 635

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

29

zur maßgeblichen Voraussetzung dafür daß das Handeln des Ministers und der ihm nachgeordneten Behörden an den W i l l e n des Parlamentes rückgekoppelt werden k a n n . 6 3 7 Die legitimationsbedingende, v o m Parlament herleitende W i r kung der Weisungsbefugnis korrespondiert seiner verfassungsrechtlichen Stellung als verantwortlicher Ressortchef. 6 3 8

1. Die sog. Ministerverantwortlichkeit als Chiffre für Leitung und Legitimation Der legitimationsvermittelnde und legitimationsbedingende Status des M i nisters w i r d häufig mit dem topos der ministeriellen Verantwortlichkeit bzw. der Regierungsverantwortung belegt. 6 3 9 „Verantwortung" bezeichnet eine Zu-

nur zu einer nicht beschränkbaren Ressortzuständigkeit gelangt, nicht zu der eigentlich problematischen Weisungsbefugnis. Kritisch auch Krebs, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 69 Rnr. 82; Schuppert, Verselbständigte Verwaltungseinheiten, S. 351 f; Groß, Kollegialprinzip, S. 208 f. Zur historischen Auseinandersetzung zwischen v. Stein und Schulze einerseits und Georg Jellinek andererseits Fichtmüller, AöR 91 (1966), 297 (304). Dort auch (328) zur älteren Diskussion. 637 Emde, der selbst die „verfassungsrechtliche Zwangsläufigkeit dieser Synchronisation von Verantwortlichkeit und Leitungsbefugnis" unterschreibt (S. 344), hebt an anderer Stelle (S. 341) hervor, daß es logisch unzulässig, ist, aus dem Fehlen eines bestimmten Realisationsinstruments der Verantwortlichkeit eine grundsätzliche Freistellung von Verantwortlichkeit zu schließen. 638 Zu ministeriellen Doppelstellung Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 144 f. 639 Vgl. BVerfG E 9, 268 (280 f) - Bremer Personalvertretungsgesetz -; BVerfG E 22, 106 (113 f) - Steuerausschuß -. Dem folgend etwa ; Broß, in: von Münch/Kunig, Art. 86 Rnr. 16. Der Begriff kehrt wieder in der „Verantwortungsgrenze" nach BVerfG E 93, 37 (70 u. 74) - Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein -. Danach verlangt das Demokratieprinzip bei Entscheidungen von Bedeutung für die Erfüllung des Amtsauftrages jedenfalls, daß die Letztentscheidung eines dem Parlament verantwortlichen Verwaltungsträgers gesichert ist. Der Gesetzgeber darf keine Entscheidung, die für die Sachverantwortung der Regierung gegenüber Volk und Parlament von einiger Tragweite ist, aus dieser SachVerantwortung herausnehmen. Dazu auch Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, S. 92. In ähnlicher Weise zog BVerfG E 28, 66 (83) - Postgebührenverordnung - ein „Prinzip der parlamentarischen Ministerverantwortlichkeit" heran. HessStGH DVB1. 1986, 936 (937) prüft sowohl die Grundsätze der Volkssouveränität als auch der parlamentarischen Verantwortlichkeit der Landesregierung. Nur Art. 65 GG zieht BVerwG E 7, 66 (73) heran, um im Ergebnis die Weisungsfreiheit von Musterungs- und Prüfungsausschüssen zu begründen. BVerwG E 12, 20 ( 28) zitiert hingegen Art. 20, 65, 67 und 68 GG. Kirchhof in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 59 Rnr. 101 nennt ebenfalls ein Doppelkriterium aus bestimmender Kraft der Regierung und parlamentarischer Verantwortlichkeit. Ebenso Krebs, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 69 Rnr. 82. Oebbecke, S. 30 legt die verfassungstheoretische und begriffliche Herleitung der Regierungsverantwortung dar. Zur ministeriellen Verantwortlichkeit vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 65 Rnr. 65f ; Achterberg, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. II, § 52 Rnr. 48-57. Ausführlich Klaus Kröger, Die Ministerverantwortlichkeit in der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt 1972.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

ständigkeit, an die sich eine Einstandspflicht knüpft. 640 Hierin fließen Art. 65 S. 2 GG und Art. 20 Abs. 2 GG zusammen. Denn Art. 65 GG sichert der Regierung bzw. über Art. 65 S. 2 GG ihrem Minister die Leitungsbefugnis als Zuständigkeit. 641 Art. 20 Abs. 2 GG verlangt hingegen, staatliche Entscheidungen demokratisch zu legitimieren, und statuiert damit eine Einstandspflicht gegenüber dem Parlament als dem primären Legitimationsmittler. Sofern eine Entscheidung besondere politische Tragweite hat, stimmen die Anforderungen aus Art. 65 S. 2 GG und Art. 20 Abs. 2 GG miteinander überein: Derartige Entscheidungen dürfen der Exekutivspitze, wie dargelegt, 642 nicht entzogen werden. Als unumstrittenes Beispiel dient nach der Entscheidung des BVerfG zum Bremer Personalvertretungsgesetz die Personalhoheit. 643 Die politische Tragweite dieser Querschnittsaufgabe, die fur alle Politikbereiche und deren personelle, also einzelfallübergreifende Steuerung von grundlegender Bedeutung ist, steht außer Frage. 644 Größere Schwierigkeiten bereiten die Entscheidungskompetenzen, die von geringerer politischer Tragweite sind. Hier kann der topos der (Regierungs-) Verantwortung das Problem bezeichnen, aber nicht lösen. Denn er bündelt zwei Normen unterschiedlicher Reichweite. 645 Art. 65 S. 2 GG als sein einer Bestandteil reicht als Ausprägung der Gewaltenteilung nicht über einen Kernbereich der Exekutive hinaus. Er ist daher gegenüber Entscheidungen von poli-

640 Vgl. Oebbecke, S. 96. Weitere Ausführungen zum soziologischen und verfassungsrechtlichen Verantwortungsbegriff bei Rupert Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, Berlin 1983, S. 254-279. 641

Vgl. BVerfG E 9, 268 (280) - Bremer Personalvertretungsgesetz -. Der Grundsatz der Gewaltenteilung setzt aber nur eine äußerste Grenze: „Erst wenn zugunsten des Parlaments ein Einbruch in den Kernbereich der Exekutive erfolgt, ist das Gewaltenteilungsprinzip verletzt." Dann fährt BVerfG E 9, 268 (280) - Bremer Personalvertretungsgesetz - aber fort: „Das Problem liegt vielmehr darin, ob wesentliche Kompetenzen der Regierung (Hervorhebung des Gerichts) entzogen - und innerhalb der Exekutive auf unabhängige Stellen übertragen werden dürfen", und führt weiter aus, daß eine funktionsfähige und verantwortliche Regierung Voraussetzung des demokratischen Rechtsstaates sei. In dem Begriff der (Regierungs-) Verantwortung führt es dann selbständige politische Entscheidungsgewalt, Funktionsfahigkeit und Sachverantwortung gegenüber Volk und Parlament zusammen. In dieser Zusammenführung verliert sich der Blick auf die einzelnen zugrundeliegenden Verfassungsprinzipien Gewaltenteilung, Rechtsstaatlichkeit und Demokratieprinzip. 642 Oben S. 294 ff. 643 Die herrschende Auffassung zustimmend referierend z.B. Bull, in: Alternativkommentar, Art. 86 Rnr. 27; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 86 Rnr. 3; aus Sicht der Verzichtstheorie Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 65 Rnr. 106; Klein, S. 213 f; für die ministeriumszentrierte Sicht Loschelder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 68 Rnr. 50; Emde, S. 348. Ebenso Burmeister, S. 303. 644 Vgl. Burmeister, S. 308. 645 Vgl. auch Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 299.

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

tisch geringerer Bedeutung kaum fruchtbar zu machen. 646 Das Demokratieprinzip als sein anderer Bestandteil verlangt hingegen, daß jede Entscheidung der Staatsgewalt, ungeachtet ihrer politischen Bedeutung, legitimiert ist. 647 Auf die Reichweite der Entscheidung, ihr Gewicht kommt es zunächst nicht an. Auch Entscheidungen von geringer Tragweite sind legitimationsbedürftig. 648

2. Zur Entbehrlichkeit der Chiffre von der Ministerverantwortlichkeit Die inhaltlich vorgegebene Reichweitendifferenz von Art. 20 Abs. 2 und Art. 65 S. 2 GG wird im Bündelungsbegriff der Regierungsverantwortung nicht recht deutlich. Er sollte daher auf Fälle beschränkt werden, in denen die politische Tragweite der Entscheidung außer Frage steht. In diesen Fällen sollte die Prüfung des ministerialfreien Raumes an Art. 65 S. 2 GG und an Art. 20 Abs. 2 GG zu identischen Ergebnissen führen. 649 Hier ist es schadlos, auf den Begriff der Regierungsverantwortung zu verzichten. In allen anderen Fällen, namentlich für Entscheidungen geringerer politischer Bedeutung erschließt erst der Rückgriff auf die Aussagen der einzelnen Verfassungsnormen die organisationsrechtliche Differenzierungsfähigkeit des Grundgesetzes. 650 Auch in der jüngeren Rechtsprechung trägt der Begriff der Regierungsverantwortung nicht selbst die Beurteilung ministerialfreier Räume. Das BVerfG geht vielmehr auf das hinter ihm liegende Demokratieprinzip zurück.

646

Oben S. 293 ff. Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. I, § 22 Rnr. 11 f; SchmidtAßmann, AöR 116 (1991), 329 (341 f) . Vgl. auch BVerfG E 93, 37 (68) - Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein - „Als Ausübung von Staatsgewalt stellt sich jedenfalls alles amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter dar. Es kommt nicht darauf an, ob es unmittelbar nach außen wirkt oder nur behördenintern die Voraussetzungen für die Wahrnehmung des Amtsauftrages schafft." A.A. Müller, JuS 1985, 497 (503). 648 Deswegen konnte das salvatorische Letztentscheidungsrecht der Regierung nach § 55 MBG Schl.-H. für Beschlüsse, die „wegen ihrer Auswirkungen auf das Gemeinwesen die Regierungsverantwortung wesentlich berühren", das verfassungsrechtliche Verdikt aus Art. 20 Abs. 2 GG nicht abwenden. Vgl. BVerfG E 93, 37 (79) - Mitbestimmungsgesetz Schleswig- H oistein -. Vgl. weiter BVerfG E 91, 228 (244) - Kommunale Gleichstellungsbeauftragte -; BVerfG E 83, 130 (150) - Mutzenbacher -. Mißverständlich BVerfG E 47, 253 (274) - Bezirksvertretung Nordrhein-Westfalen -. Gegen einen ,Bagatellvorbehält' auch Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (367); Oebbecke, S. 83. Für einen „legitimatorischen Total vorbehält" im Unterschied zu einem parlamentarischen Totalvorbehalt Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 356 f. 647

649 Vgl. HessStGH DVB1. 1986, 936 (937), der sowohl den Grundsatz der Volkssouveränität als auch den der parlamentarischen Verantwortlichkeit der Landesregierung prüft. 650 Ähnlich Oebbecke, S. 24.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

Es prüft die Weisungsfreiheit unmittelbar an Art. 20 Abs. 2 GG. 6 5 1 Damit schafft es einer differenzierten Betrachtung Raum, die zwischen dem Erfordernis demokratischer Legitimation (Art. 20 Abs. 2 GG) einerseits und dem Vorbehalt politischer Leitung (Art. 65 S. 2 GG) andererseits unterscheiden kann. Des weiteren tritt die Weisungsbefugnis aus dem Schatten ministerieller Verantwortlichkeit hinaus. Damit wird ihre legitimatorische Leistungs- und Kompensationsfahigkeit deutlicher. Denkbar wird eine Vermittlung von Legitimation, die sich nicht ausschließlich der Regierung bedient oder sich unter Einschaltung der Regierung in anderen Formen als der der ministeriellen Weisung vollzieht.

3. Die Ministerverantwortlichkeit als fragwürdige Rechtsfigur Nicht zuletzt legt es ein Blick auf das englische Recht nahe, die Figur der ministeriellen Verantwortlichkeit zu hinterfragen. In dieser Doktrin werde - so ist in der englischen Literatur zu lesen 652 - der Ausnahmefall des Rücktritts zur verfassungsrechtlichen Regel erhoben. Ob es zum Rücktritt komme, hänge nicht vom Gewicht des jeweiligen Versagens ab, sondern vom Willen des Ministers, seiner Partei und seines Regierungschefs. 653 In der Praxis werde der Minister regelmäßig einen Rücktritt vermeiden wollen und daher zunächst die nachgeordneten Beamten decken. 654 Die Doktrin ministerieller Verantwortlichkeit bilde - so Wade - 6 5 5 ein „Sicherheitsventil", nicht aber eine kontinuierliche, rechtlich abgesicherte, effektive Form parlamentarischer Einflußnahme. 656 Daher halten englische Verwaltungsrechtslehrer Ausschau nach an651 Vgl. BVerfG E 93, 37 (66 ff) - Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein -; BVerfG E 83, 130 (150) - Mutzenbacher -. BVerfG E 91, 228 (244) - Kommunale Gleichstellungsbeauftragte -; BVerfG E 83, 60 - Hamburger Bezirksvertretung -; BVerfG E 47, 253 - Bezirksvertretung Nordrhein-Westfalen - sind als kommunalverfassungsrechtliche Entscheidungen ohnehin auf Art. 20 Abs. 2 GG iVm. Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG beschränkt. 652 Vgl. dazu S.E. Finer , The Individual Responsibility of Ministers, 34 Public Administration (1996), 377 (393 f), abgedr. bei Colin Turpin, British Government and the Constitution, London 1985, S. 355 f. 653 Colin Turpin, British Government and the Constitution, London 1985, S. 358 ff dokumentiert die Flexibilität der Doktrin am Beispiel des Ausbruches nordirischer Gefangener aus dem Hochsicherheitsgefängnis Maze. Vergleichbares Aufsehen erregte in der Bundesrepublik die Frage der Caytor-Transporte. 654 Vgl. Wade, S. 33. Ähnlich beobachtet schon Colin Turpin, British Government and the Constitution, London 1985, S. 361, daß die Doktrin ministerieller Verantwortlichkeit die Untergebenen entlastet und schützt. 655 Wade, S. 33. 656 Ähnlich Craig , S. 89, der zur ministeriellen Verantwortlichkeit für verselbständigte Verwaltungseinheiten bemerkt: „There are very real limits to the application of this concept in this area." Ähnlich kommt Traumann, S. 78, in ihrer knappen Darstel-

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

deren Kontrollmechanismen. 657 Dem entspricht ein Bemühen, die Konzepte der Legitimation und der Verantwortlichkeit namentlich auf die neu entstandenen Regulierungsbehörden anzupassen.658 Insbesondere accountability wird über die ministerielle accountability hinaus erweitert, so daß auch andere Institutionen parlamentarischer, gerichtlicher oder öffentlicher Kontrolle ihren Platz finden. 659 Das deutsche Verfassungsrecht ist mit Art. 20 Abs. 2 GG auf ein positivrechtliches Demokratieverständnis festgelegt. Dies trägt keine schrankenlose Ausweitung des Legitimationskonzeptes.660 Dennoch legt es die englische Erfahrung nahe, die Verfassungslage nochmals zu überprüfen. 661 Daher soll die Bedeutung des Weisungsrechts als Bedingung (E) und für die Vermittlung ministerieller Legitimation (F) eingehender betrachtet werden. In der Betrachtung wird sich zeigen, inwieweit die Regulierungsbehörde der Weisungsbindung entbehren kann, ohne in ein Legitimationsdefizit zu geraten (G)

E. Die Weisungsbefugnis als Bedingung ministerieller Verantwortlichkeit Zunächst verdient die legitimationsbedingende Wirkung der Weisung nähere Beobachtung. Der oben zitierte Satz, der Minister könne dem Parlament nur insoweit verantwortlich sein, als seine Weisungsbefugnis reiche, 662 erweckt den Anschein, ministerielle Verantwortlichkeit beruhe allein und primär auf dem Recht zur Einzelweisung.

/. Die Weisungsbefugnis

als ministerielle

Reaktionsmöglichkeit

Das Verfassungsrecht selbst setzt jedoch anders als der zitierte Satz ministerielle Leitung und parlamentarische Kontrolle nicht in eins. Die Leitungsbelung der ministeriellen Verantwortlichkeit nach dem Grundgesetz auf ein Gebot der „political correctness" zurück. 657 Nach Craig , S. 89 f treten neben die ministerielle Verantwortlichkeit die parlamentarische Überwachung durch spezielle Ausschüsse und den ombudsmannähnlichen Parliamentary Commissioner for Administration. Ähnlich Wade, S. 33 f, der aber die gerichtliche Kontrolle in den Vordergrund zieht. 658 Vgl. Baldwin/McCrudden, S. 32 ff. 659 Vgl. Craig , S. 106 f. Zur Verantwortlichkeit durch Partizipation auch S. 90. 660 Vgl. für eine weitergehende Neuformulierung Detlef Czybulka, Die Legitimation der öffentlichen Verwaltung, Heidelberg 1989. 661 Den Bezug zum englischen Verfassungsrecht stellte schon Kröger, S. 1 f her, aaO., S. 12 ff, auch zur Rezeption der englischen Verfassung in der deutschen Rechtsstaatslehre. 662 Oben Fn. 636.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

fugnis, die sich in der Weisung realisiert, endet beim Minister. Z u m Parlament führt nur ein über das Ressort- und das Kanzlerprinzip mediatisierter Kontrollzusammenhang. den M i n i s t e r . len

664

663

Es gibt keine rechtsförmliche Weisung des Parlamentes an

Das Grundgesetz räumt dem Bundestag lediglich die personel-

Kreationsrechte

(Art. 63 Abs. 1,

Art. 67 Abs. 1

GG),

die

sachlich-

inhaltliche Programmierung durch Gesetzgebung, Haushaltsrecht 6 6 5 und Entschließung, 6 6 6 sowie die Zitations-, Appellations- und Untersuchungsrechte (Art. 43, 44 GG) e i n . 6 6 7 Aus Sicht des Bundesrates ist neben der M i t w i r k u n g an der Gesetzgebung das Zitations- und Unterrichtungsrecht (Art. 53 S. 1 u. 3 GG) zu nennen. Zwar vermitteln auch die Kontrollbefugnisse L e g i t i m a t i o n . 6 6 8 Das Demokratieprinzip macht sich insoweit die kybernetische Erkenntnis zu eigen, daß Leitung und Kontrolle ineinander übergehen, daß parlamentarische Kontrolle legitimierende Vorwirkungen zeitigt und zeitigen s o l l . 6 6 9 Trotz dieses Befundes gilt von Rechts wegen: Das Parlament kontrolliert, der Minister reg i e r t . 6 7 0 Das Grundgesetz überläßt es der ministeriellen Leitung, auf parlamentarische Kontrollimpulse zu reagieren. 6 7 1 Die Weisung ist ihm ein ministerielles

663 Daher darf die Verwaltung erst dann parlamentarische Initiativen ausführen, wenn sie regierungsamtlich aufgegriffen wurden . Vgl. Loschelder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 68 Rnr. 41. Definition von Kontrolle bei Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 59 Rnr. 190. 664 Vgl. Loschelder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 68 Rnr. 26; Emde, S. 342; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 313. Vgl. auch Groß, Kollegialprinzip, S. 212: „Alle Kontrollmaßnahmen, mit denen das Parlament auf das konkrete Handeln der Exekutive Einfluß nehmen will, ohne zum letzten Mittel des Regierungssturzes zu greifen, sind folglich politischer Natur, sie entbehren rechtlicher Verbindlichkeit." 665 Vgl. dazu unter Legitimationsgesichtspunkten Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 334 ff, dessen Aussage, das Haushaltsgesetz habe nur marginale Steuerungs- und Legitimationswirkungen (S. 339) für die einzelnen Entscheidungen der Regulierungsbehörde plausibel ist, für deren gesamte Tätigkeit aber nicht zutrifft. Als Ganzes erfahrt eine Behörde auch in ihrem Budget parlamentarische Bestätigung und Legitimation. Vgl. Gunnar Folke Schuppert, Die Steuerung des Verwaltungshandelns durch Haushaltsrecht und Haushaltskontrolle, VVDStRL 42 (1984), S. 216 (235 f); Puhl, S. 8 fu. S. 275 f. 666 Vgl. die Übersicht bei Oebbecke, S. 104-122. 667 Vgl. Dreier, S. 133 u. Fn. 46; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 110 f. Zu den drei Kategorien der Regierungsabhängigkeit vom Parlament - Kreation, Kontrolle und Gesetzgebung - vgl. Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 313. 668 Vgl. Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (358); Oebbecke, S. 99. 669 Vgl. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 59 Rnr. 193. In Anlehnung an Kübler unterscheidet Oebbecke, S. 11 unter dem Oberbegriff „Führung" die Funktionen Zielformulierung, Steuerung und Kontrolle. Ähnlich Emde, S. 48 f. 670 So Emde, S. 342. Daß sich die unmittelbare Steuerungsgewalt des Parlaments auf die (Haushalts-) Gesetzgebung beschränkt, sieht auch Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 312. 671 Die Verfassung kennt gegenüber dem Minister kein Mißtrauens-, sondern nur ein Mißbilligungsvotum. Dazu Achterberg, S. 485 f. Badura, ZParlR 11 (1980), 573 (576 f)

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

Reaktions-, kein parlamentarisches Sanktionsmittel. 672 Ein Wegfall der Weisungsbefugnis schmälert also nicht den grundgesetzlichen Legitimationssteg zwischen Parlament und Minister. Er wirkt sich erst auf der nächsten, nachministeriellen Ableitungsstufe aus.

IL Die Weisungsbefugnis

als verfassungsrechtliche

Zurechnungsbedingung

Zur Bedingung ministerieller Verantwortlichkeit wird die Weisungsbefügnis erst, weil der Minister für nichts einstehen soll, daß er nicht beeinflussen kann. 673 Es ist jedoch schon mehrfach beobachtet und als „Unfug" bezeichnet worden, 674 daß der Minister, wenn er dem Parlament Rechenschaft über einen Einzelfall legt, eine Entscheidung verantworten muß, die er nicht selbst getroffen hat. Obwohl er nicht alles wissen kann, von Detailwissen sogar entlastet werden soll, 675 muß er für das Detail versagen einstehen.676 Es genügt, daß er befugt war, eine Weisung auszusprechen, um ihm die Einzelfallentscheidung zuzurechnen. 677 Auf die tatsächliche Ausübung des Weisungsrechts kommt es nicht, auf die tatsächliche Möglichkeit zu seiner Ausübung kommt es kaum an. Parlamentarische Verantwortlichkeit knüpft nicht erst an die erteilte Weisung, sondern schon an die vorhandene Weisungsbefugnis an. 678 Mit der zitierten Formulierung, die Weisung ermögliche es dem Minister, in den letzten Schlupf-

spricht daher von „eingeschränkter" Ministerverantwortlichkeit. Unter dem Stichwort Prästations-, d.h. Einstandspflicht auch Kröger, S. 23 ff u. 157. 672 Die Auffassung von Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 111, die Ministerialfreiheit ziehe eine Reduktion parlamentarischer Ingerenzmöglichkeiten, namentlich von Kontrollrechten nach sich, ist daher zu präzisieren. 673 Vgl. Kröger, S. 4: „Verantwortlichkeit kann es immer nur im Rahmen übertragener Zuständigkeit geben." Konsequenterweise wäre als weitere Voraussetzung parlamentarischer Verantwortlichkeit die Unterrichtungsmöglichkeit heranzuziehen. Von ihr hängt die Ausübung des Weisungsrechts ab. Vgl. Oebbecke, S. 19-22, der den Zusammenhang von Weisungsrecht und Unterrichtung betont. Ähnlich Groß, Kollegialprinzip, S. 213. Eine Pflicht zur umfassenden Sachverhaltsermittlung und -bewertung vor der Weisung besteht nach Ansicht von Brandner, DÖV 1990, 966 (969). Dazu auch Loschelder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 68 Rnr. 60-63, der auf Gefahrdungen des Hierarchieprinzips durch Informationsparzellierung hinweist. 674 Zitat Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 65 Rnr. 95. Unbehagen läßt auch Klein, S. 41, erkennen. Vgl. Gusy, ZRP 1998, 265 (266). 675 Vgl. Loschelder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 68 Rnr. 34. 676 Vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 65 Rnr. 95; Badura, ZParlR 11 (1980), 573 (581). 677 Vgl. Gusy, ZRP 1998, 265 (266). 678 Deutlich wird dies u.a. bei Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 65 Rnr. 94 f. und bei Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 342; Oebbecke, S. 100 Fn. 54. 20 Oertel

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

winkel seines Ressorts hineinzuleuchten, verbindet sich die weitere Beobachtung, er solle nicht das fremde Geschehen, sondern das eigene Geschehenlassen verantworten. 679 Die Befugnis zur Weisung gestattet es, menschliches, in diesem Falle ministerielles, Verhalten so zu behandeln, als ob es Entscheiden wäre. 6 8 0 Rechtskonstruktiv ist die Weisungsbefugnis also eine Voraussetzung dafür, dem Minister das Handeln eines nachgeordneten Amtswalters zuzurechnen. Hier steht die Weisungsbefugnis als Institut in der Tradition der Zurechnungslehre vom Organisationsrecht. 681 Ihre maßgebliche Funktion liegt darin, eine parlamentarische Fehlersanktion zu ermöglichen. 682 Sie erklärt in einer dem § 831 BGB ähnlichen Denkfigur die haftungsbegründende Verantwortlichkeit des ministeriellen Geschäftsherrn. 683 Die ministerielle Weisungsbefugnis gerät bei näherer Betrachtung zu einer Voraussetzung parlamentarischer Haftung.

III. Die Weisungsbefugnis

als Instrument struktureller

Leitung

In ihrer haftungsbegründenden Qualität ist die Einzelweisung nicht einzigartig. Sie ist das Instrument zur punktuellen Einflußnahme auf den Einzelfall und kann grundlegende Entscheidungen enthalten. Diese dürften aber häufig über allgemeine Weisungen sachlich, über die Dienstaufsicht personell und über die Geschäftsordnung formell vorgegeben und vorweggenommen werden.

679

Vgl. Freiherr Marschall von Bieberstein, Die Verantwortlichkeit der Reichsminister, in: Gerhard Anschütz/Richard Thoma (Hrsg.), Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Band I, Tübingen 1930, S. 520 (527) zitiert bei Welz, S. 21 f Fn. 34. Von Bieberstein schließt: „Gegenüber den tausend Vorgängen in seinem Ressort gründet sich die Verantwortlichkeit des Ministers also, kurz ausgedrückt, auf seine Billigung. 680 Diese Formulierung Luhmanns, Organisation und Entscheidung, RheinischWestfälische Akademie der Wissenschaften - Vorträge G 232, Opladen 1978, zitiert Oebbecke, S. 101. 681 Dazu oben S. 97. Im Anschluß an von Bieberstein thematisiert Klein, S. 40, ausdrücklich den Gedanken der Zurechenbarkeit. Zur rechtskonstruktiven Herleitung auch Gusy, ZRP 1998, 265 (266). 682 Oder in der pointierten Formulierung von Wahl, in: Schmidt-Aßmann/HoffmannRiem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht, S. 301 (S. 306) darin, das juristische Gewissen zu beruhigen. Ähnlich Kröger, S. 19. 683 Die zivilrechtliche Analogie klingt in der Formulierung Oebbeckes, S. 96 an: „Das Parlament ist Verantwortungsgläubiger." Klein, S. 23 betitelt die Regierung als „Verantwortungsschuldner". Aus der Geschichte der Ministeranklage heraus läßt sich auch eine strafrechtliche Traditionslinie ziehen. Vgl. Petra Popp, Ministerverantwortlichkeit und Ministeranklage im Spannungsfeld von Verfassungsgebung und Verfassungswirklichkeit. Ein Beitrag zur Verfassungsgeschichte des Kurfürstentums Hessen, Münster 1996.

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

Politische Steuerung der Verwaltung durch die Regierung ist regelmäßig strukturelle, nicht punktuelle Einflußnahme. 684 Die konkret-individuelle Entscheidung gilt als Domäne der sachnächsten Behörde. Sie ist von der übergeordneten Behörde zu respektieren, die darum gehalten ist, eine bestehende Weisungsbefugnis zurückhaltend auszuüben.685 Einzelfallbezogene Weisungsrechte haben folglich eher als Potential denn in ihrer Aktualisierung Steuerungsrelevanz. Sie sind eine strukturelle Basis nichtförmlicher Einflußnahme. Als Bedingung der Möglichkeit dei Selbstentscheidung treten sie neben andere, ebenfalls strukturelle Formen politischer Leitung. Die Weisungsbefugnis findet in ihrer strukturellen, Einfluß begründenden Wirkung Funktionsäquivalente in personellen, organisatorischen und generellen Einwirkungsrechten. 686 Diese Einwirkungsrechte lassen sich als verfassungsrechtliche Haftungsvoraussetzung für die parlamentarische Verantwortung des Ministers ebenso gut heranziehen wie die Weisungsbefugnis im Einzelfall. Damit soll nicht geleugnet werden, daß nur die Weisung ein punktuelles, voraussetzungsloses und vorlagefreies Selbstentscheidungsrecht gibt. 6 8 7 Trotz dieser einzigartigen Wirkung ist sie aber nicht notwendige Bedingung ministerieller Verantwortlichkeit. Steht dem Minister etwa nur ein Ernennungsrecht zu, muß er sich für die Auswahl und die Überwachung des Amtswalters zur Rechenschaft ziehen lassen.

684

Bei der Bestimmung der Ausnahmen hilft die Formulierung von Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 207: „Nur in besonderen Fällen, wenn das Prinzipielle seinen Sitz in der konkreten Sachfrage selbst hat, sich darin kristallisiert, können Richtlinienkompetenz [des Bundeskanzlers/der Regierung] und einzelne Sachentscheidung [des Ministers/der Verwaltung] zusammenfallen." Zur Schwierigkeit, ministerielle von nicht ministeriellen Aufgaben zu unterscheiden, Welz, S. 145-147, der ein theoretisches Kriterium nahezu für unmöglich hält. Dies würde der Auffassung der Regierungskommission Fernmeldewesen entsprechen, die Zuweisung von Aufgaben an das Ministerium einerseits und die Unternehmen andererseits, sei eine ordnungspolitische, kaum wissenschaftlich zu konturierende Entscheidung. Vgl. Regierungskommission Fernmeldewesen, S. 71, und oben S. 58. Ähnlich Schuppert, Verselbständigte Verwaltungseinheiten, S. 347 f. Die Gemeindeordnungen unternehmen allerdings mit der Formel von den Geschäften der laufenden Verwaltung einen Abgrenzungsversuch (vgl. dazu SchmidtAßmann, in: ders. (Hrsg.), BVwR, 1. Abschn. V 3 b bb) Rnr. 74, S. 52. Auch das Aktienrecht setzt der Berichtspflicht nach § 90 Abs. 1 AktG eine Unterscheidung in wichtige bzw. grundsätzliche Angelegenheiten und andere, nicht berichtenswürdige voraus. Eine Umschreibung der Regierungstätigkeit unternimmt Hesse, Rnr. 531 f. 685 Ausführlich Brandner, DÖV 1990, 966 (967-970). 686 Vgl. zu Sachgewalt, Organisationgewalt, Personalgewalt, Finanzgewalt und Aufsicht Oebbecke, S. 36 f. Ähnlich Emde, S. 344-351. Zur ministeriellen Personalhoheit als Legitimationselement Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 330 f. 687 In dieser Qualität lassen sich Defizite nicht kompensieren; sonst wäre die Weisungsfreiheit bedeutungslos. Vgl. Oebbecke, S. 49; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 109.

0

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit IV. Die Ressortzuständigkeit als unmittelbare ministerieller Verantwortlichkeit

Bedingung

Es spricht manches dafür, daß die parlamentarische Kontrolle an die strukturelle Leitungskapazität des Ministers anknüpft. Schon Lorenz v. Stein stellte fest, daß die ministerielle Führung günstigstenfalls den Geist der Behörde bestimme. 6 8 8 Das Verfassungsrecht n i m m t diese Vorstellung auf. Denn unmittelbar persönliche, abwahlsanktionierte Verantwortung trägt gegenüber dem Parlament nur der Bundeskanzler (Art. 64 Abs. 1, Art. 67 Abs. 1 G G ) . 6 8 9 Er kann die Regierung nur in den durch das Ressort- und das Kollegialprinzip gezogenen Grenzen fuhren (Art. 65 G G ) . 6 9 0 Demnach endet der Weisungsstrang in der Regierung noch unterhalb der unmittelbar parlamentarisch gewählten Regierungsspitze. 6 9 1 Der Bundeskanzler hätte nach dem eingangs formulierten Satz also die Entscheidungen der Bundesverwaltung soweit nicht zu verantworten, als das Ressortprinzip seine Richtlinienkompetenz begrenzt. 6 9 2 Denn insoweit fehlt ihm die Weisungsbefugnis, die erst die verfassungsrechtliche Verantwortung tragen soll. Art. 67 G G i V m . Art. 64 G G weist

688 Hieran erinnert Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 145 Fn. 29. Ähnlich Bökkenförde, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. I, § 22 Rnr. 21 wiederum unter Verweis auf v. Stein. 689 Die Verantwortung der Minister ist also im Kanzler konzentriert und wird durch ihn mediatisiert. Vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 65 Rnr. 92. Das Parlament kann die Minister gleichwohl selbst zur Rechenschaft ziehen. Die Ministerverantwortlichkeit (zum früheren, eher begrifflichen Streit um ihr Bestehen vgl. Emde, S. 341 und Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 65 Rnr. 92: Dreier, S. 132 f Fn. 43; Sodan, S. 389; ausführlich schon Klein, S. 27-36 ist grundgesetzlich nicht mit der Abwahl bewehrt. Gegen eine unmittelbare Verantwortlichkeitsbeziehung zwischen Minister und Parlament Burmeister, S. 291-296, der sich der überwundenen These von der alleinigen Kanzlerverantwortlichkeit wieder annähert, indem er auf die Richtlinienakzessorietät ministerieller Verantwortung abstellt. 690 Zu den eigenen Kompetenzen der Ressortminister (z.B. Gegenzeichnung, Art. 58 S. 1 GG, Zusammenarbeit mit dem Parlament, Empfang von Delegationen) vgl. Oebbecke, S. 32 f im Anschluß an Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 144 ff. Zur Gegenzeichnung als Übernahme der Personalveranwortung insbesondere Emde, S. 349. 691

Der Bundeskanzler hat eine Prärogative, aber keine Vorgesetztenstellung, vgl. Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 146. Zum Zusammenfallen von Richtlinienkompetenz und einzelner Sachentscheidung ders., S. 207; Oebbecke, S. 41 mwN. 692 Deswegen betont Loschelder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 68 Rnr. 43 f, als Verfechter des Hierarchieprinzips die Notwendigkeit, die Leitung innerhalb der Regierung abzustimmen und zusammenzuführen. „Nur begrenzte Aufmerksamkeit" innerhalb einer Fußnote widmet Emde, S. 340 Fn. 12 der Rolle des Kanzlers als Legitimationsmittler. Er hebt im Anschluß an Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 204 ff, die Ressortselbständigkeit der Minister hervor. Ähnlich Traumann, S. 79. Diese wird aber auch hier nicht in Abrede gestellt.

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

9

ihm dessen ungeachtet die Regierungsgesamtverantwortung zu. 6 9 3 Die Verfassung denkt also selbst nicht in der weisungstypischen Kategorie der Einzelfallverantwortung. Parlamentarische Verantwortung ist ihr, wie Art. 67 GG iVm. Art. 64 GG belegen, Verantwortung für strukturelle, nicht für punktuelle Steuerung. Deswegen ist die punktuelle Steuerung ermöglichende Einzelfallweisung nicht notwendige Voraussetzung parlamentarischer Kontrolle im Sinne des GG. 6 9 4 Die Rechenschaftspflicht des Ministers endet nicht mit seiner Weisungsbefugnis. 695 Es bleibt vielmehr auch ohne Weisungsrecht logisch denkbar und rechtlich dem Verfassungstext nahe, ministerielle Verantwortlichkeit wegen strukturellen Steuerungsversagens einzufordern. Der Minister muß etwa die Auswahl eines Amtswalters dann verantworten, wenn er dessen Entscheidung inhaltlich nicht beeinflussen konnte. Der parlamentarischen Kontrolle und Legitimation ministeriellen Handelns genügt es also, daß der Minister über strukturelle Leitungsbefugnisse verfügt. Deswegen ist die Ressortzuständigkeit, nicht die Weisungsbefugnis der Punkt, an dem die parlamentarische Kontrolle unmittelbar ansetzt. Das Ressortprinzip ist die erste Voraussetzung der ministeriellen Verantwortlichkeit, 696 weil es die verschiedenen Leitungsbefugnisse überwölbt, die als strukturelle Einwirkungsrechte die parlamentarische Einstandspflicht des Ministers begründen. Diese Rechte lassen sich unter die Oberbegriffe Sachleitungs-, Personal- und Organisationsgewalt fassen. 697 Die Einzelfallweisung ist nur ein Recht aus diesem Bündel. Dem Ressortprinzip unterliegt auch die Regulierungsbehörde. Sie zählt gemäß § 66 Abs. 1 TKG zum Geschäftsbereich des Bundeswirtschaftsministers. Sein Ministerium steht als oberste Dienstbehörde (§ 3 Abs. 1 BBG) und haus-

693

Vgl. auch Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 65 Rnr. 93 zur Reichweite der Kanzlerverantwortung. Daß daneben auch eine Ministerverantwortlichkeit besteht, soll nicht bestritten werden (oben Fn. 689). Entscheidend ist, daß die Verfassung auch Verantwortlichkeit ohne Weisungsbefugnis kennt. 694 Dieses Ergebnis bestätigt die notwendige Unterscheidung zwischen Ressortzuständigkeit als Voraussetzung ministerieller Verantwortlichkeit und Weisungsbefugnis als Instrument ministerieller Leitung. Die Unterscheidung deutet sich auch bei Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 317 u. S. 320 an, der aber dennoch die Befugnisse der Regierung in einen Ableitungszusammenhang zu den parlamentarischen Ingerenzbefugnissen stellt. Daher endet seiner Auffassung nach die ministerielle Verantwortung an der Befugnis (vgl. S. 320 Fn. 78), woraus im Rückschluß das Verlangen nach grundsätzlich unbeschränkter Leitungsbefugnis folgt (S. 322). 695 Vgl. Oebbecke, S. 123. Dreier, S. 136, unterscheidet demgegenüber wohl zwischen „ministerialfrei" als frei von Einzelweisungen und „parlamentsfrei" als frei von Kontrolle, zieht aber nicht die Konsequenz, daß eine Rechenschaftspflicht auch ohne Weisungsbefugnis bestehen kann. 696 Vgl. auch Klein, S. 37. 697 Übersicht bei Kröger, S. 77 ff.

0

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

haltsrechtlich in der Pflicht (§ 13 Abs. 2 BHO). Die Geschäftsordnung der Regulierungsbehörde bedarf seiner Bestätigung (§ 66 Abs. 2 S. 2 TKG). Er kann allgemeine Weisungen - öffentlich - aussprechen (§ 66 Abs. 5 TKG). Daneben ist an die verschiedenen Verordnungsrechte zu denken. Der Minister bleibt insoweit dem Parlament für die Tätigkeit der Regulierungsbehörde verantwortlich. Auch ohne Einzelweisungsbefugnis würde seine Ressortzuständigkeit nicht zu einer nur noch nominellen. V. Fazit Der Satz, die ministerielle Verantwortlichkeit vor dem Parlament könne nicht weiter reichen als seine Weisungsbefugnis in der Verwaltung, beschreibt die legitimationsbedingende, herleitende Funktion der Weisungsbefugnis. Indes erweist sich die Weisungsbefugnis bei näherer Betrachtung weder als unmittelbare noch als notwendige Bedingung ministerieller Verantwortlichkeit. Die Weisung ist kein Kontrollrecht des Parlamentes, sondern ein Instrument, mit dem der Minister auf parlamentarische Steuerungsimpulse reagieren kann. Diese Steuerungsimpulse setzen an seiner Ressortzuständigkeit an. Die Ressortzuständigkeit ihrerseits beruht auf der Kompetenz, die nachgeordneten Einheiten strukturell zu steuern. Die Fähigkeit zu struktureller Einflußnahme ist das Kriterium, aufgrund dessen dem Minister nachrangiges Fehlverhalten verfassungsrechtlich zugerechnet wird. Auf seine Möglichkeit, im Einzelfall weisend einzugreifen, kommt es nicht an. Es genügt, daß der Minister zu struktureller Steuerung imstande ist. Als eine Bedingung struktureller Steuerung ist die Weisungsbefugnis ersetzbar, ohne daß die ministerielle Verantwortlichkeit wesentlich geschmälert wird. Nach dem TKG verbleiben dem Minister auch ohne Weisungsbefugnis im Einzelfall die Möglichkeit zur allgemeinen Weisung (§ 66 Abs. 5 TKG), eine bestätigende Geschäftsordnungsgewalt (§ 66 Abs. 2 S. 2 TKG) sowie die Personalgewalt (in den Grenzen des § 66 Abs. 3 TKG). Die strukturellen Einwirkungskompetenzen reichen hin, um die Ressortverantwortlichkeit zu rechtfertigen. In ihrer ministerielle Legitimation bedingenden Funktion ist die Einzelweisungsbefugnis gegenüber der Regulierungsbehörde entbehrlich. Die Untersuchung wendet sich damit der legitimationsvermittelnden Wirkung der Weisung zu: F. Die Weisungsbindung als Vermittlung ministerieller Legitimation Die Bindung an eine ministerielle Weisung vermittelt untergeordneten Entscheidungsträgern Legitimation. Sie tritt innerhalb der Form materieller Legitimation neben Gesetz, Verordnungen und allgemeine Weisungen.

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

Das Weisungsrecht fördert, selbst wenn es nicht förmlich ausgeübt wird, die Bereitschaft der Bediensteten, die allgemeinen Leitlinien der Politik im Detail auszuziehen, ihr Handeln an der Regierung auszurichten und so an deren Legitimation teilzunehmen. 698 Eine Beschränkung der Weisungsbefugnis verringert - in voller Absicht - diese Bereitschaft. Sie greift also an der Ableitung der Legitimation vom Minister an. Daher fragt sich, welche Bedeutung der Weisungsunterworfenheit für die Effektivität (I), das Niveau (II) und den Modus der Legitimation (III) oberbehördlicher Entscheidungen zukommt.

/. Die abstrakte Weisungsbindung und die Notwendigkeit effektiver Legitimation Letztes Glied in der Legitimationskette nach Art. 20 Abs. 2 GG ist der Entscheidungsträger, der eine Entscheidung typischerweise fällt. Eine sich nur ausnahmsweise realisierende - potentielle - Weisungsbindung enthebt ihn nicht des Erfordernisses effektiver Legitimation. Zwar hatte das Verfassungsgericht noch in der Entscheidung zur Postgebührenverordnung die Einschaltung des unabhängigen Verwaltungsrates letztlich deswegen hingenommen, weil dieser nach § 13 Abs. 1 u. 2 PostVwG einem Letztentscheidungsrecht der Bundesregierung unterlag. 699 Bereits zur Bezirksvertretung Nordrhein-Westfalen beobachtete das Gericht aber, daß ein Widerspruchsrecht nicht geeignet ist, die Entscheidungen einer Bezirksvertretung auf den allein legitimierten Rat zurückzuführen. 700 Dabei war das Widerspruchsrecht des Rates an ganz ähnliche formelle und materielle Voraussetzungen wie das Letztentscheidungsrecht der Bundesregierung geknüpft. 701 Folgerichtig heißt es nunmehr in der Entscheidung Hamburger Bezirksvertretung: 702

698

Vgl. Oebbecke, S. 101. Vgl. BVerfG E 28, 66 (84) - Postgebührenverordnung -. Ähnlich schon BVerwG E 28, 36 (44). Wegen der Hemmnisse, das Letztentscheidungsrecht auszuüben qualifizierte Klein, S. 95, den Postverwaltungsrat dennoch als ministerialfrei. Dazu auch oben S. 262 ff. 700 Vgl. BVerfG E 47, 253 (21 Ai) - Bezirksvertretung Nordrhein-Westfalen -. 699

701 Nach der GO NRW konnte der Oberbürgermeister oder Bezirksvertreter einem Beschluß der Bezirksvertretung binnen 2 Wochen widersprechen, wenn er der Auffassung war, daß der Beschluß das Wohl der Stadt gefährdete. § 13 Abs. 1 S. 1 PostVwG lautete: „Ist der Bundesminister für das Post- und Femmeldewesen der Auffassung, daß ein Beschluß des Verwaltungsrates im Interesse des Bundes nicht verantwortet werden kann, hat er binnen vier Wochen den Beschluß der Bundesregierung zur Entscheidung vorzulegen." BVerfG E 93, 37 (72 u. 79) - Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein scheint folglich nur ein voraussetzungsloses Letztentscheidungsrecht anzuerkennen. 702

BVerfG E 83, 60 (73) - Hamburger Bezirksvertretung

-.

2

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

„Das Mittel der Weisung kennzeichnet vor allem die zentralisierte und dekonzentrierte Verwaltung; die Zuständigkeiten der weisungsunterworfenen Organe verlieren dadurch ihren Charakter als Entscheidungskompetenzen nicht. Das gilt ebenso beim Bestehen von Selbsteintrittsrechten, Letztentscheidungs- oder Abänderungsrechten eines übergeordneten aufsichtsführenden Organs in Konfliktfällen. Solange und soweit derartige Ingerenzrechte nicht ausgeübt werden, kommt die Entscheidungsgewalt des weisungsunterworfenen Amtsträgers zur Geltung; er übt insoweit, auch wenn er eine ihm bekannte, allgemeine Haltung der Aufsichtsbehörde bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigt, selbst staatliche Herrschaft aus." 703 Legitimation kann also nicht durch fiktive Entscheidungsvorbehalte, sondern nur durch die konkrete, realistische Möglichkeit zur Einflußnahme vermittelt werden. Diese Überlegung mündet in das Erfordernis effektiver

demokratischer

Legitimation e i n . 7 0 4 Es löst in seiner jüngsten Fortentwicklung sogar eine Pflicht des Gesetzgebers aus, die praktische Auswirkung von Organisationsregeln auf die Wahrnehmung effektiver Verantwortung in Rechnung zu stellen, zu beobacheten und zu korrigieren. 7 0 5 Spätestens dann, wenn sich eine bestehende Weisungsbefugnis als ineffektiv erweist, muß der Gesetzgeber also nachbessern. Wenn er nachbessern muß, sollte er auch vorweg korrigieren könn e n . 7 0 6 W o die Weisungsbefugnis nicht hinreichen kann oder soll, können andere Legitimationselemente zum Tragen kommen. Effektive Legitimation entsteht i m Zusammenwirken der verschiedenen Legitimationsformen. 7 0 7 Der Grundsatz der Weisungsbindung tritt also dort zurück, w o sich nur über abweichende Gestaltungen effektive Legitimation bereitstellen läßt. Das ist etwa dort der Fall, wo die maßgeblichen Entscheidungs-

703 Ähnlich stellt BVerfG E 93, 37 (78) - Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein fest, daß in Angelegenheiten, die schwerpunktmäßig die Erledigung von Amtsaufgaben betreffen, eine auf ein bloßes Evokationsrecht zurückgenommene Entscheidungsbefugnis des demokratisch legitimierten und parlamentarisch verantwortlichen Amtsträgers schon im Ansatz die Anforderungen des demokratischen Prinzips verfehlt. 704

-

Vgl. BVerfG E 93, 37 (67) - Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein - im Anschluß an BVerfG E 83, 60 (72) - Hamburger Bezirksvertretung -; Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. I, § 22 Rnr. 14; Brosius-Gersdorf S. 51 f. 705 BVerfG E 93, 37 (74) - Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein - und umfassend Christian Mayer, Die Nachbesserungspflicht des Gesetzgebers, Baden-Baden 1996. Damit gibt das Gericht dem Gesetzgeber auf, die Inhalte der Verfassung immer wieder neu zu aktualisieren. Die Beobachtung wird dem Gesetzgeber möglicherweise auch die Grenzen verfassungsrechtlicher Rahmenbestimmungen vor Augen führen, auf die BVerfG und Staatsrechtslehre hinweisen. Die Beobachtungspflicht ist insoweit ein Mittel, den (Verfassungs-) Gesetzgeber in einer Verantwortung zu halten, die sonst staatstheoretischer Ausfüllung anheimfallt. Vgl. zur Abgrenzung zwischen verfassungsdogmatischer Ordnung und verfassungspolitischer Fortbildung Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 15f. 706 Vgl. zur von ihm sog. „prophylaktischen Nachbesserungspflicht" Mayer, Nachbesserungspflicht, S. 180. 707 Vgl. nur Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. I, § 22 Rnr. 23. Übersicht auch bei Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, S. 82 ff.

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

313

parameter einerseits nicht in der gebotenen Kürze der übergeordneten Instanz dargestellt werden können und es der ministeriellen Führung andererseits an der Kapazität fehlt, selbst inhaltliche Vorgaben zu entwickeln, an denen sich die nachgeordneten Behörden orientieren könnten. In einer solchen Übergangssituation befindet sich die Regulierungsbehörde gegenwärtig.

II. Das Ministerialmodell

als Standard des Legitimationsniveaus

Mit den vorangegangenen Überlegungen zur Notwendigkeit effektiver Legitimation soll die grundsätzliche Bedeutung der Weisungsbindung und des Ministerialmodells nicht in Abrede gestellt werden. Sie läßt sich namentlich für die Bestimmung des erforderlichen Legitimationsniveaus nutzbar machen: Legitimationsniveau und Legitimationsmodus bestimmen sich nach der politischen Bedeutung einer Entscheidung.708 Wie diese Formel zu konkretisieren ist, läßt sich der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung in Ansätzen entnehmen.709 Von nachgeordneter politische Bedeutung waren etwa die Mitwirkung des Postverwaltungsrates an Gebührenverordnungen, 710 die Entscheidung über Steuereinsprüche und die Aufgaben der Bundesprüfstelle nach dem GJS. 711 Sie erforderten keine weisungsvermittelte Legitimation. Gleiches gilt für die kommunale Gleichstellungsbeauftragte. 712 In dieser Entscheidung zog das BVerfG zum Vergleich das „typischerweise sonst in der Verwaltung" vorhandene Legitimationsniveau heran. 713 Der zuletzt genannte Prüfungsmaßstab läßt sich verallgemeinern: 714 Die politische Bedeutung einer Entscheidung ergibt sich aus einer typisierten Betrach-

708

Zur Kritik an dieser Formel Oebbecke, S. 62; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 356. Mit Nachweisen aus der älteren Literatur auch Klein, S. 146 ff. 709 Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 59 Rnr. 101 spricht von „Bedeutung und Breitenwirkung der Verwaltungstätigkeit' 4. 710 Vgl. § 14 S. 1 PostVwG und BVerfG E 28, 66 (83f) - Postgebührenverordnung -. 711 BVerfG E 22, 106 (113) - Steuerausschuß - und BVerfG E 83, 130 (150) - Mutzenbacher -. Ähnlich BVerfG E 91, 228 (244) - Kommunale Gleichstellungsbeauftragte -. 712 BVerfG E 91, 228 (244) - Kommunale Gleichstellungsbeauftragte -. 713 BVerfG E 91, 228 (244) - Kommunale Gleichstellungsbeauftragte -. Ähnlich aus dem österreichischen Verfassungsrecht Christoph Grabenwarter, Die demokratische Legitimation weisungsfreier Kollegialbehörden in der staatlichen Verwaltung, in: Haller, Herbert/Kopetzki, Christian u.a., FS-Winkler, Wien 1997, S. 271 (287 f), der weisungsgebundene Verwaltung als Ausdruck eines ,,Normalmaß[es] der Legitimation" ansieht. 714 Zur Bestimmung des Legitimationsniveaus vgl. Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (366 f).

314

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

tung. Sie ermittelt, welches Legitimationsniveau in einer idealtypisch gedachten und von etwaigen Defiziten bereinigten Ministerialverwaltung für vergleichbare Entscheidungen angemessen wäre. Indem das Ministerialmodell zum Vergleich herangezogen wird, bleibt es als materieller, inhaltlicher Standard erhalten. 715 Formell, im Arrangement der Legitimationsformen, wird es aber variabel. Der Grundsatz der Weisungsbindung wird damit in seinem effektiven Legitimationsgehalt gewahrt; die Ausnahmen führen weniger zu einer Absenkung des Legitimationsniveaus als zu seiner alternativen Verwirklichung. Alternative Legitimationsmodelle müssen sich an dem Legitimationsniveau messen lassen, das eine idealtypisch gedachte Ministerialverwaltung für vergleichbare Entscheidungen erreicht. Insofern schließt die hiesige Überlegung einerseits an die Aussage an, daß die vielfältigen Möglichkeiten parlamentarischer Kontrolle unterschätzt werden, wenn aus dem Demokratieprinzip ein Regel-Ausnahme-Prinzip zugunsten einer bestimmten Organisationsform hergeleitet werde. 716 Andererseits respektiert die vorgeschlagene Vorgehensweise die grundsätzliche Bedeutung der Weisungsbefugnis, indem sie die inhaltliche Leistungsfähigkeit der Weisung im Ministerialmodell zum Standard bestimmt. Die legitimatorische Regelleistung der Weisungsbefugnis ist auch in der ministerialfreien Ausnahme zu bestätigen. Zur Bildung des Maßstabs sind die verfassungsrechtlich akzeptierten und ausgeformten Verwaltungen heranzuziehen. In ihn gehen die Besonderheiten des Sachbereichs nach Maßgabe des Verfassungsrechts ein. Es kann nicht ein Idealbild konstruiert werden, das der Verfassung fremd ist. Für die Telekommunikationsverwaltung ist also zunächst nicht von einer allgemeinen Ministerialverwaltung, sondern von der Fernmeldeverwaltung in ihrer grundgesetzlichen Ausformung auszugehen. Demnach können unter Art. 87f GG nur bedingt Legitimationsanforderungen gestellt werden, die das bisherige, verfassungsrechtlich akzeptierte Arrangement der Fernmelde Verwaltung nicht hätte erfüllen können. In der Bestimmung des erforderlichen Legitimationsniveaus fuhrt die Betrachtung also auf die historische Auslegung des Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG zurück.

715 Auch Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 299 u. S. 603 These 10 sieht Legitimationshöhe und Legitimationsstrukturen unter einem (untechnischen) verfassungsrechtlichen Ausgestaltungsvorbehalt und will daher die verfassungsrechtlichen Organisationsvorschriften nutzen, um Legitimationsniveau und -formen zu bestimmen. Brosius-Gersdorf,\ S. 53, hält hingegen die „Suche nach einem wie auch immer gearteten Niveau demokratischer Legitimation" für irreführend. Entscheidend sei die Rückführbarkeit jeder staatlichen Entscheidung auf den Volkswillen. Damit bleibt aber die Frage, wann die Legitimationsstränge so stark sind, daß die einzelne Entscheidung auf den Volkswillen zurückgeführt werden kann. 7,6 Krebs, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 69 Rnr. 82. In diese Richtung auch Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 65 Rnr. 101.

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

31

Die Überlegungen zur Effektivität und zum Niveau der Legitimation bestätigen also aus der Sicht des Art. 20 Abs. 2 GG die aus Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG gewonnene Auslegung: Variationen auf das Ministerialmodell sind in der Telekommunikationsverwaltung notwendig, ggf. sogar erforderlich, wenn anders sachangemessene Legitimation nicht bereitzustellen ist. Weder Art. 20 Abs. 2 GG noch Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG fixieren die Regulierungsbehörde auf das hierarchische Prinzip. Dessen legitimatorischer Gehalt kann in anderen Organisationsmustern entfaltet werden; so läßt sich auch in einem ministerialfreien Raum hinreichende Legitimation bewahren.

III. Die Weisungsbindung im Legitimationsgefüge Das jeweils erforderliche Legitimationsniveau wird mithin zum Bezugspunkt eines institutionellen Rasters, in dem die verschiedenen Legitimationsformen zusammenwirken. 717 Dem von Art. 20 Abs. 2 GG geforderten Legitimationsgefüge ist eine gewisse Flexibilität zu eigen. Die Formulierung des BVerfG schließt eine isolierte Betrachtung einzelner Legitimationsformen aus. 718 Daß diese Formen in verschiedener Weise zusammenwirkten, zeigt sich besonders, wenn einmal die Weisung ihrerseits als legitimationsbedürftige Entscheidung betrachtet wird. Die Weisung geht sowohl auf die generalisierte inhaltliche Legitimation der ministeriellen Politik als auch auf die umfassende personelle Legitimation des Ministers in seinem Amt zurück. 719 Sie selbst ist somit ein legitimatorisches mixtum compositum, das personelle und materielle Legitimation in sich aufnimmt. Als legitimierende Entscheidung wirkt die Weisung hingegen sachlich-inhaltlich durch ihren materiellen Gehalt. Im Legitimationsgefüge läßt sich der Beitrag der Weisungsbefügnis auch in anderen Formen oder über andere Elemente der Legitimation erbringen. 720 Dies können Elemente sein, die auch der materiellen Legitimationsform zuzuordnen

717 Vgl. Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (355 f zu den Legitimationsformen, 366 zum Legitimationsniveau). 718 Vgl. zuletzt BVerfG E 93, 37 (67) - Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein -: „haben ... die Formen der institutionellen, funktionellen, sachlich-inhaltlichen und der personellen Legitimation Bedeutung nicht je für sich, sondern nur in ihrem Zusammenwirken." So schon BVerfG E 83, 60 (72) - Hamburger Bezirksvertretung -. Von funktioneller Verzahnung spricht Brosius-Gersdorf, S. 66. 719 Vgl. Oebbecke, S. 84 und Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 271. 720 Speziell zum ministerialfreien Raum Kirchhof in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 59 Rnr. 101; allgemein Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. I, § 22 Rnr. 23. Vgl. auch Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rnr. 70 u. Fn. 171.

31

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

sind.

721

Z u denken ist an die gesetzgeberische oder ministerielle abstrakt-

generelle Programmierung. 7 2 2 Aber auch personelle Legitimation kann Defizite materieller Legitimation ausgleichen. 7 2 3

Bei Aufgaben geringer

politischer

Tragweite, namentlich der Prüfung von Schriften nach dem G J S 7 2 4 und der Tätigkeit einer Gleichstellungsbeauftragten 7 2 5 , reicht sogar allein die personelle Legitimation h i n . 7 2 6 Hier übernimmt die personelle Legitimation eine tragende Rolle, zumal eine sachlich-inhaltliche Steuerung nur Eckdaten setzen kann. Ähnliches gilt für die Personalauswahl und das Prüfungswesen. 7 2 7 Die personelle Legitimation w i r k t jedoch in anderer Weise als die sachlich-inhaltliche Legitimation und kann daher nicht einfach an ihre Stelle treten. 7 2 8 Deswegen muß sorgfaltig beobachtet werden, inwieweit die verschiedenen Legitimationsformen einander ergänzen müssen bzw. vertreten k ö n n e n . 7 2 9 Der Ausgleich innerhalb des Legitimationsgefuges ist eine komplexe Funktion.

721

Die Bezeichnung „Elemente" soll die Kategorie der „Form" der übergeordneten Unterscheidung von materieller, personeller und institutioneller Legitimation vorbehalten. 722 Vgl. BVerfG E 93, 37 (72) - Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein - zur normativen Vorstrukturierung. Zur Schlüsselfunktion des Gesetzes Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (357 f). 723 Dazu BVerfG E 91, 228 (244) - Kommunale Gleichstellungsbeauftragte -; BVerfG E 83, 130 (150) - Mutzenbacher -. Auch BVerfG E 93, 37 (72) - Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein - scheint eine Rücknahme materieller Einwirkungsbefugnisse hinnehmen zu wollen, sofern hinreichende personelle Legitimation besteht. Zur umgekehrten Kompensation von personellen Legitimationsmängeln durch materielle Einwirkungsrechte vgl. BVerfG E 93, 37 (71 f) - Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein -; BVerfG E 83, 60 (76 ff) - Hamburger Bezirksvertretung -; BVerfG E 47, 253 (274f) Bezirksvertretung Nordrhein-Westfalen Allgemein auch Brosius-Gersdorf S. 66 f, S. 399, These IV. 2. 724 BVerfG E 83, 130 (150) - Mutzenbacher 725 BVerfG E 91, 228 (244) - Kommunale Gleichstellungsbeauftragte -. 726 Für die Möglichkeit einer „Totalsubstitution" ausdrücklich Brosius-Gersdorf S. 67. 727 Vgl. BVerwG E 12, 20 (28f) zum Personalgutachterausschuß, der an der Auslese der Offiziere für die entstehende Bundeswehr mitwirkte. 728 Sodan, S. 360 f verneint die Kompensationsfahigkeit, „da etwa personelle Einwirkungsmöglichkeiten zwar prinzipiell zur Einflußnahme auf die Lösung von Sachproblemen geeignet sind, aber dennoch nicht verbindlich den Willen der Regierung in beliebigen Fragen zur Geltung zu bringen vermögen" und erstreckt diese Argumentation auch auf die Weisungsbefugnis kompensierende Elemente materieller Legitimation (S. 361 Fn. 167; ähnlich schon Klein, S. 56). Dieser Argumentation liegt die Annahme zugrunde, die Weisungsbefugnis müßte durch identische Instrumente ersetzt werden. Das ist gerade wegen der Einzigartigkeit der Weisung nicht möglich. Einen Ausgleich „in der Klammer", d.h. innerhalb der Weisung, ist nicht möglich, wohl aber eine das gesamte Gefüge einbeziehender Ausgleich, der die Klammer auflöst und die Weisung als einen Faktor innerhalb des Legitimationsbündels sieht. 729

Vgl. Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (368).

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

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IV. Fazit Die legitimatorische Bedeutung der Weisungsbefugnis hängt von den jeweiligen Umständen ab. Wo eine Weisungsunterworfenheit fiktiv bliebe, muß der Gesetzgeber andere Wege effektiver Legitimation eröffnen. Dazu kann er das Zusammenspiel der legitimatorischen Formen und Elemente variieren. 730 Das Ziel muß aber in jedem Falle ein Legitimationsniveau sein, daß dem einer idealtypischen Ministerialverwaltung für vergleichbare Entscheidungen entspricht. Im TKG finden sich verschiedene Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber eine solche Variation unternahm. Diese Anhaltspunkte sollen im Folgenden näher betrachtet werden.

G. Das T K G als legitimatorische Variation des Ministerialmodells Im Legitimationsgefüge der Regulierungsbehörde tritt die Weisungsbefugnis nach § 66 Abs. 5 TKG neben andere Elemente materieller Legitimation, etwa eine besondere Verfahrensgestaltung (vgl. §§73 ff TKG, dazu I) oder besondere Formen personeller Legitimation (vgl. § 66 Abs. 2-4 TKG, § 8 PersBG, dazu II). Schließlich könnte das Telekommunikationsrecht mit dem Beirat eine Institution vorhalten, um einen etwaigen Fortfall der ministeriellen Weisungsbefugnis durch eine vorverlagerte parlamentarische Kontrolle zu kompensieren (III).

/. Das Beschlußkammerverfahren

als Element materieller Legitimation

Materielle Legitimation erfährt das Verwaltungshandeln typischerweise in doppelter Weise: als abstrakt-generelle Legitimation durch das Parlamentsgesetz und als individuell-konkret wirkende Legitimation durch die Weisungsunterworfenheit. 731 Letztere befördert die Orientierung an der Regierungspolitik und läßt den Amtswalter an deren Legitimation teilhaben. Beide Elemente stehen innerhalb der Form materieller Legitimation in einem „korrelativen Zusammenhang".732 Die gesetzliche Bindung erhält demnach um 730

Vgl. zur Variabilität des Legitimationsgefüges Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. I, § 22 Rnr. 23. Von „Austauschverhältnis" und Wechselbezüglichkeit spricht Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 282 f. Ähnlich Brosius-Gersdorf S. 66 f. 731 Von einer „doppelt-komplementären" einerseits (gesetzesförmlich) parlamentsund anderseits (weisungsförmlich) regierungsvermittelten materiellen Legitimation spricht Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 347. 732 So Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. I, § 22 Rnr. 22. Ihm folgend Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 273; Brosius-Gersdorf S. 99.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

so größere Bedeutung, je mehr die Weisungsbindung eines Entscheidungsträgers abnimmt. 733 Die Denkfigur eines Ausgleichs zwischen abnehmender Weisungs- und steigender Gesetzesbindung kann insbesondere die richterliche Unabhängigkeit rechtfertigen. 734 Indes ist vor dem Gegenschluß zu warnen, Weisungsfreiheit sei ceteris paribus nur dort zulässig, wo enge Gesetzesbindung besteht. 735 Weisung und Gesetz sind in ihren Wirkungen zu verschieden, als daß sie sich unmittelbar vertreten könnten (1). Wo die Weisungsbindung abnimmt, können neben den inhaltlichen Vorgaben des Gesetzgebers auch dessen Verfahrensanordnungen eine besondere legitimatorische Bedeutung erlangen (2). Insbesondere ein justizähnliches Verfahren, wie es die §§ 73 ff TKG den Beschlußkammern vorgeben, vermag weitere Legitimationsreserven des Gesetzes zu erschließen (3).

1. Ein Vergleich von Gesetz und Weisung Folgende Unterschiede zwischen Gesetz und Weisung sind augenfällig: Die Weisung ist primär an den Untergebenen gerichtet, das Gesetz typischerweise nach außen. Dieses wirkt stufenübergreifend, jene sickert durch die Hierarchie hinab. Dabei ist die Weisungsbefugnis grundsätzlich delegierbar. Einen verpflichtenden Vorbehalt wesentlicher Entscheidungen zugunsten des Ministers kennt das Verfassungsrecht nicht. Lediglich die verwaltungsinternen Zeichnungsrechte sorgen für eine dem Gesetzesvorbehalt ähnliche Zuordnung von bedeutenden Entscheidungen zu den entsprechenden Instanzen.736 Anders als das Gesetz erfährt die Weisung nicht selbst die legitimationsspendende Zustimmung des Parlaments. Die Weisungsbefugnis wirkt legitimierend, weil der Minister parlamentarisch verantwortlich ist. 737 Das Gesetz beruht auf parlamentarischer Abstimmung, es darf sich auf die Präponderanz des Gesetzgebers stützen. Dahingegen geht die Weisungsbefugnis auf die Lei-

733

Statt aller Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 273. Vgl. nur Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 295. 735 Diesen Schluß zieht Brosius-Gersdorf, S. 102, die (S.99) Gesetz und Weisung als zwei Schalen ein und derselben Waage sieht. Dagegen Traumann, S. 255-257, zu den praktischen Grenzen einer weisungsvertretenden gesetzlichen Steuerung und zur kumulativen Notwendigkeit von Gesetz und Weisung. 736 Vgl. für die Regulierungsbehörde §§ 43-45 GO Reg TP. 737 Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 273 formuliert einen ähnlichen Gedanken, wenn er die Bindung an das Gesetz als „allgemeines Abhängigkeitsverhältnis", die sanktionierte demokratische Verantwortlichkeit als „besonderes Abhängigkeitsverhältnis" bezeichnet. Deutlicher wäre vielleicht die Unterscheidung unmittelbare Legitimationsteilhabe durch Bezug auf das Gesetz und mittelbare Legitimationsteilhabe durch Einordnung in die Verwaltungshierarchie. 734

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

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tungskompetenz der Regierung zurück. 738 Die Weisung überführt die personelle Legitimation des Vorgesetzten in materielle Legitimation der Untergebenen. Während das Gesetz in Kraft treten muß, um legitimierend zu wirken, 739 soll die legitimierende Wirkung der Weisung bereits mit deren Möglichkeit entstehen. Schon die nicht aktualisierte Weisungsbefugnis reicht aus, um Legitimation zu stiften, den Amtswalter am Willen seines Vorgesetzten zu orientieren. 740 Es fehlt dem legitimierenden Moment der Weisung damit die dem Gesetz eigene Förmlichkeit. 741 Schon das Gesetz als verbindlicher Ausdruck parlamentarischen Willens öffnet sich in seiner Textqualität der Auslegung. 742 Noch schwieriger dürfte es sein, den Sinngehalt einer - unausgesprochenen - Weisung im Abstieg durch die Organisation zu bewahren bzw. zu ermitteln. 743 Hier potenzieren sich Interpretationsprobleme. Für das Gesetz ist schließlich anerkannt, daß seine legitimierende Wirkung mit seiner inhaltlichen Steuerungskraft nachläßt. Ein gleiches müßte für die Weisungsbefugnis gelten. Die beiden Elemente materieller Legitimation sind also nicht wirkungsgleich. Sie korrelieren und ergänzen sich. Gelegentlich können sie sogar in ein Konkurrenzverhältnis treten. Eine momentane Spannungslage ist innerhalb der hierarchisch gegliederten Verwaltung durch Remonstrationsrechte und pflichten abzugleichen. 744 Auf lange Sicht schwächt es die stufenübergreifende Wirkung des Legalitätsprinzips, wenn der Inhalt der Gesetze in wachsendem Maße durch Verwaltungsvorschriften konkretisiert wird, die dessen Anspruch

738

Vgl. Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (358). Daß die Ankündigung eines Gesetzesvorhabens durch die Regierung keinen Vertrauensschutz begründet, hat das BVerfG NJW 1998, 1547 (1549) - Sonderabschreibung - deutlich gemacht. 740 Dazu daß diese theoretisch plausible Aussage empirisch eine Hypothese bleibt, vgl. Stößenreuther, S. 88 f. 741 Bei Baldwin/McCrudden, S. 40, findet sich der Ausdruck von der „lunch-table directive". Kritisch zur empirischen Leistungsfähigkeit des hierarchischen Prinzips auch Bryde, VVDStRL 46 (1988), S. 181 (197 f). Problematisch daher die Gleichsetzung von Weisungsbefugnis und Gesetz bei Brosius-Gersdorf, S. 99 ff. 742 Zur „Unhintergehbarkeit der Konkretisierung" Dreier, S. 165 ff. 743 Dazu Dreier, S. 130 unter Hinweis auf „Phänomene des Sinnverschleißes". Eine literarische Darstellung der Interpretationskaskade bietet Christoph Ransmayer, Die letzte Welt, Frankfurt 1996, S. 70-74. Augustus verbannt Ovid mit einer Handbewegung: „Wie so oft in der Geschichte des Vollzugs blieb es auch diesmal der Phantasie und dem Vorstellungsvermögen der Untertanen überlassen, den Willen des Imperators, der an diesem und ähnlich belanglosen Fällen nicht besonders interessiert war, auszulegen und zu erfüllen.... Fürsorglich nahm sich der Apparat aller Deutungen an." 739

744 Vgl. § 56 Abs. 2 u. 3 BBG; § 38 Abs. 2 u. 3 BRRG. Dazu Loschelder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 68 Rnr. 92-102.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

nicht nur ergänzen, sondern auch verdrängen können. 745 Dies gilt insbesondere für allgemeine Weisungen. Aus dieser Perspektive erlangt das Veröffentlichungsgebot nach § 66 Abs. 5 TKG eine weitere Bedeutung: Es begründet eine Publizitätschwelle, die den Gebrauch allgemeiner Weisungen zunächst hemmt. Wenn sie aber überwunden ist, sichert § 66 Abs. 5 TKG Transparenz und Rechtssicherheit, indem er die Weisung aus dem behördlichen Innenbereich in das Licht der Öffentlichkeit stellt. Damit wird auch der Führungsanspruch des Gesetzes gewahrt.

2. Das formelle Recht als Element materieller Legitimation Trotz der genannten Unterschiede können sich Weisungsbefugnis und Gesetz als Elemente materieller Legitimation gegenseitig ersetzen. Eine Rücknahme der Weisungsbindung kann durch eine Intensivierung der Gesetzesbindung ausgeglichen werden. Umgekehrt heißt es, daß mit einer Abnahme der gesetzlichen Regelungsdichte die Weisungsbefugnis wiederum an Bedeutung gewinne. 746 Diese Aussage ist mit Blick auf die richterliche Entscheidung zu präzisieren. Denn diese gilt nicht dann als weniger legitimiert, wenn sie über einen unbestimmten Rechtsbegriff befindet, also ein Gesetz anwendet, das Konkretisierungspielraum läßt. Hier bietet das prozessuale Verfahrensrecht einen Rückhalt, weil es in mediatisierter Weise eine Grobsteuerung des Ergebnisses gestattet und so legitimationsmittelnd wirkt. Sachlich-inhaltliche Legitimation rührt nicht allein aus dem materiellen Recht her; sie wird, wenn auch in einem anderen, gleichsam entdichteten Aggregatzustand, ebenso aus dem formellen Recht abzuleiten sein. Denn das Verfahrensrecht kann zwar Entscheidungsinhalte nicht punktgenau bestimmen. Es schafft aber Entscheidungsmodi. Zwischen materiell-rechtlicher Einzelsteuerung und organisatorischer Rahmensteuerung hält es eine Mittellage. Aus dieser heraus grenzt es Entscheidungen aus, die materiell-rechtlich offenstünden, prozeß- oder verfahrensrechtlich aber nicht zu erreichen sind. In seiner entscheidungslenkenden Kapazität vermittelt das Verfahrensrecht folglich auch sachlich-inhaltliche Legitimation. Daß diese Legitimationsform auch als materielle bezeichnet wird, darf nicht zu dem terminologischen Fehlschluß verleiten, ihr zählte nur das materielle Recht zu. Auch das formelle Recht, das Verfahrensrecht, wirkt entscheidungssteuernd und insoweit legitimierend. Daher können besondere Verfahrensgestaltungen Legitimationsschwächen des materiellen Rechts auffangen. Das Verlangen, den ministerialfreien Raum über enge Zuständigkeitsregelungen und klare Verfahrens- und Rekrutierungsbe745 746

Vgl. Dreier, S. 194 mwN. In diese Richtung etwa Dreier, S. 140 Fn. 76, S. 210 u. S. 287.

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

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Stimmungen abzusichern, 747 reagiert auf den Verlust materiell-rechtlicher Steuerung mit einer Verdichtung der formell-rechtlichen Steuerungskapazität. Der topos von der Regelungsdichte, die die legitimierende Kraft eines Gesetzes umschreibt, ist auf dessen materielle wie formelle Regelungen gleichermaßen anzuwenden. Auch das Legitimationspotential des Verfahrensrechts steigt - von einem geringeren Grundgehalt ausgehend - mit seiner präzisierenden Ausgestaltung. Ein verfahrensrechtlich verdichtetes Entscheidungsprogramm kann also besondere Legitimation bereitstellen.

3. Das justizähnliche Verfahren, §§ 73 ff TKG, als legitimierendes Element Die legitimatorische Qualität des Verfahrensrechts wird im justizähnlichen Verfahren besonders deutlich. Das justizähnliche Verfahren nach §§ 73 ff TKG soll den Gehalt der gesetzlichen Vorgaben in prozessual und methodisch abgesicherter Weise zur Geltung bringen. Es kann deswegen ausgezeichnete Autorität beanspruchen, weil es dem parlamentarischen Willen besondere Beachtung schenkt und verschafft. Die justizähnliche Entscheidung muß in ihrer Herleitung und in ihrer Begründung auf das Gesetz zurückgehen (vgl. § 79 Abs. 1 S. 1 TKG). Sie schöpft diese Quelle materieller Legitimation äußerstenfalls bis zur Neige und jedenfalls in einem höheren Maße als andere Verfahrenstypen aus. Die fachjuristisch begleitete Auseinandersetzung und die methodisch präzisierte Auslegung orientieren sich primär am Text des Normbefehls. Der justizielle Interpretationsgang erschwert Verfälschung und Mißverstand und hält die Entscheidung daher enger am ursprünglich Gewollten. Das justizähnliche Verfahren bringt daher den Legitimationsgehalt übergeordneten Rechts zu voller Entfaltung und teilt ihn seiner Entscheidung mit. In der Orientierung auf das Gesetz hin liegt zugleich eine Orientierung vom Einzelfall weg. Das justizähnliche Verfahren schafft Distanz zu den Sonderinteressen der Beteiligten. Deren Stellung findet im kontradiktorischen Vorgehen ihren Widerpart (vgl. § 74 Abs. 2, § 75 Abs. 1 u. Abs. 2 TKG). Innerhalb eines Entscheidungsgremiums wirkt die kollegiale Verfassung typischerweise auf eine wechselseitige Mäßigung und Balance hin (§ 73 Abs. 2 TKG). 7 4 8 Die indivi-

747 Vgl. BVerfG E 83, 130 (152-154) - Mutzenbacher dan, S. 416-420. 748 Vgl. Groß, Kollegialprinzip, S. 232 f. 21 Oertel

Burmeister,

S. 323-329; So-

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

duelle Qualifikation und Sozialisation der Entscheidungsträger stützt wiederum deren Gesetzestreue (§ 73 Abs. 4 TKG). 7 4 9 In den Verfahrensregelungen der §§73 ff TKG liegt daher ein erhebliches Legitimationspotential begründet. Deswegen sind den Beschlußkammern etwa besondere Eingriffsbefugnisse verliehen. 750 Dort, wo das materielle Recht an Dichte verliert, kann auch das Verfahrensrecht legitimatorisch eintreten. 751 Auf diesem Wege lassen sich Entscheidungsfreiräume in der Regulierungsbehörde verfahrensrechtlich abstützen.

IL Das Präsidentenamt als Institut personeller Legitimation Neben die materielle Legitimation einer Entscheidung tritt die personelle, durch den Entscheidungsträger vermittelte Legitimation (1). Da der Präsident und die Vizepräsidenten der Reguiierungsbehörde in einem öffentlichrechtlichen Amtsverhältnis stehen, könnten sie hieraus besondere personelle Legitimation schöpfen (2), die das Weisungsrecht als Element materieller Legitimation zurücktreten ließe (3).

1. Ein Vergleich von Gesetz und Zuweisung Wie personelle und materielle Legitimation zusammenwirken, läßt sich durch einen Vergleich beider Legitimationsformen verdeutlichen. Dieser Vergleich muß von Idealtypen ausgehen. Er setzt daher die personelle Legitimation eines Beamten durch Zuweisung eines Amtes 752 im Gegensatz zur materiellen Legitimation seines Handelns durch Gesetz. 749 Die Ausnahmeregelung § 73 Abs. 3 S. 1 2. Hs. TKG idF. Art. 2 Abs. 34 Nr. 1 BegleitG bestätigt das. Sie enthebt die Präsidenten des Erfordernisses, für den höheren Dienst qualifiziert zu sein, weil in deren Amt zusätzliche Auswahl- und Legitimationsmechanismen am Werk sind. Zum Erfordernis elementarer Rechtskenntnisse Kerkhoff, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 73 Rnr. 25. 750

Vgl. zur Beschlagnahme § 77 Abs. 1 TKG im Gegensatz zu § 72 Abs. 6 S. 2

TKG. 751 In der weiteren Konsequenz wäre dann auch dem Organisationsrecht als weiterer Aggregatstufe Legitimationswert zuzumessen. Dies würde gleichsam das Anliegen, Organi sati on srecht als Legitimationsordnung zu entfalten, unter umgekehrten Vorzeichen aufnehmen. „Das [Organisations-] Gesetz ist auch hier - wenn auch mit anderen Steuerungsansätzen - ein wichtiger Mittler von Legitimation." So Schmidt-Aßmann, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorgan!sationsrecht, S. 9 (62), ähnlich schon ders., AöR 1991 (116), 229 (365). In dieser Richtung auch Burmeister, S. 319. 752 Die konkrete Zuweisung eines Amtes im funktionalen Sinne setzt die natürliche Person in die Entscheidungszuständigkeit, den Dienstposten, ein. Die Ernennung oder Beförderung in ein Amt im statusrechtlichen Sinne ist ggf. mit der Zuweisung verbun-

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

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Im Entscheidungszusammenhang greifen die beiden Legitimationsformen an unterschiedlicher Stelle an. Die personelle Legitimation richtet sich auf das Entscheidungssubjekt, den individuellen Amtswalter. 753 Die materielle Legitimation paßt hingegen den Entscheidungsgegenstand in ein sachlich-inhaltliches, auch verfahrensrechtlich ausgearbeitetes Programm ein. Allerdings enthält schon die personelle Legitimation materielle Züge. Die Gleichstellungsbeauftragte einer Gemeinde, die nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung im wesentlichen personell legitimiert ist, 754 findet bereits in ihrer Zuständigkeit und nicht zuletzt in Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG die Grundlage eines Handlungsprogrammes und damit eine ganz rudimentäre materielle Legitimation vor. 7 5 5 Daher müssen beide Formen der Legitimation notwendig zusammenwirken, können einander nicht vollständig ersetzen. 756 Personelle Legitimation vermittelt sich typischerweise in einem gestuften Ableitungsverhältnis. Die Legitimationskette bildet sich hier in einer Abfolge von Ernennungen, Delegationen von Kreationsmacht. Die formelle Legitimation ist dem hierarchischen Prinzip daher wesensnah. Art. 60 Abs. 3 GG läßt die Delegation des persönlichen Ernennungsrechts ausdrücklich zu. Materielle Legitimation wirkt hingegen stufenübergreifend. 757 Gesetzesvorbehalt und Art. 80 Abs. 1 GG stehen einer Weitergabe der Legitimationskapazität entgegen. Zwar besteht auch innerhalb der Form materieller Legitimation eine Rangordnung von Geltungsansprüchen. 758 Nach außen hin beanspruchen Gesetz und Verordnung aber, von jedem Amtswalter, ungeachtet seines Ranges, befolgt zu

den und ihre Voraussetzung, aber nicht der eigentlich legitimierende Akt. Er liegt in der Verbindung von Akteur und Aktionsfeld, der Einsetzung in ein konkret-funktionales Amt. Vgl. Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (360); Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 269 u. S. 330; Brosius-Gersdorf S. 41 ff; Röhl, Die Verwaltung 29 (1996), 487 (502). Zum „Prinzip der individuellen Berufung der Amtswalter" Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 20 II Rnr. 53. Zur Unterscheidung von Ernennung als Übertragung eines Amtes im statusrechtlichen Sinne, Einweisung in eine Planstelle als Amt im abstrakt-funktionalen Sinne und Zuweisung ;ines Amtes im konkret-funktionalen Sinne Kunig, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), BVwR, 6. Abschn. IV 2 a) aa ; , Rnr. 70, S. 610; Battis , BBG, § 26 Rnr. 2. 753 Sie endet also nicht schon in der Organisation oder dem Rechtsträger, dem das individuelle Handeln kraft Organisationsrechts zugerechnet wird. Vgl. Brosius-Gersdorf S. 42. 754 Vgl. BVerfG E 91, 228 (244) - Kommunale Gleichstellungsbeauftragte 755 Vgl. zu solchen gegen Null tendierenden Programmen Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 266 Nr. 4 u. S. 283 f zur Totalsubstitution einer Legitimationsform durch die andere. 756 Vgl. Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. I, § 22 Rnr. 23; Brosius-Gersdorf S. 44. 757 Vgl. zu Begriff und Beobachtung Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 275.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

werden. Das Gesetz gilt über alle Vorgesetztenverhältnisse hinweg gleichermaßen. Im Gegensatz zur besonderen Abhängigkeit des personell legitimierten Amtswalters von seinem Vorgesetzten konstituiert es eine allgemeine Verpflichtung auf den parlamentarischen Willen. Personelle Legitimation wirkt durch die Hierarchieebenen hindurch; materielle Legitimation über sie hinweg. Das urtypische Verfahren personeller Legitimation ist die Wahl, der Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG die Abstimmung als den Urtyp materieller Legitimation gegenüberstellt. 759 Wahl ist stets Auswahl, 760 also eine Selektion unter verschiedenen, grundsätzlich begrenzt gedachten Alternativen. Kriterium dieser Wahl ist die Herkunft der Bewerber und ihre sich daraus ableitende Qualifikation für das Amt. Beamtenrechtlich gilt das Leistungsprinzip, das auf die erworbenen Verdienste verweist und ihre Belohnung im Wege der Konkurrentenklage erzwingen kann. Demgegenüber genießt der Gesetzgeber größere Freiheit in der Gestaltung des materiellen Programms. Er ist weder auf die vorhandenen Kandidaten noch auf die vorliegenden Leistungsnachweise beschränkt. Gesetzgebung ist schöpferische Tätigkeit. Die Form materieller Legitimation gründet sich daher in geringerem Maße auf das Vertrauen in die bisherige Erfahrung, das der Zuweisung personeller Legitimation zu eigen ist. 761 Materielle Legitimation formuliert vielmehr eine Erwartung für die Zukunft. Als Erwartung zukünftigen Verhaltens wirkt Legitimation in ihrer materiellen Form tendenziell verpflichtend; personelle Legitimation hingegen grundsätzlich ermächtigend. 762 Die Zuweisung setzt den Amtswalter in eine Handlungskapazität ein; das Gesetz begrenzt sie. Das heißt auch, daß die personelle Legitimation typischerweise vom einsetzenden Organ ausgeht, während die materielle Legitimation eher vom entscheidenden Organ in Bezug genommen wird. 7 6 3 Hier wird ein allgemeiner Wirkungsunterschied deutlich: Die Zuweisung eines Amtes verleiht der entscheidenden Person einen Status. Dieser reicht re-

758 Vgl. auch Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 275 Fn. 42 zum Unterschied zwischen Normhierarchie und Hierarchie als Organisationsprinzip. 759 Vgl. Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (352 f). 760 „Wahl" im engeren Sinne von Volkswahl und Ernennung unterscheidet weiter Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 270. 761 Vgl. zur Wahl i.e.S. Jestaedt, Kondominialverwaltung, S.194. 762 Vgl. Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 275, der zugleich die Übergänge von Ermächtigung und Verpflichtung hervorhebt, die etwa im Delegationsverbot zum Ausdruck kommen. 763 Vgl. zur Neigung nachgeordneter Behörden, grundsätzliche Fragen nach oben abzugeben, Welz, S. 212.

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

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gelmäßig sowohl zeitlich als auch gegenständlich über den einzelnen Entscheidungszusammenhang hinaus. Personelle Legitimation wird in einer Organisation vermittelt. Demgegenüber zielt materielle Legitimation auf eine bestimmte Handlung. Sie kann deswegen detailgenau erfolgen; ihre Legitimationswirkung wird sich aber auch im Moment der jeweiligen Entscheidung erschöpfen. Weitere Entscheidungen desselben Amtswalters unterliegen ggf. einem anderen Gesetzeswerk. Materielle Legitimation vollzieht sich also weniger in konstanten, statusbegründenden Organisationsmustern als unter situationsgebundenen, grundsätzlich statusneutralen Handlungsprogammen. Personelle Legitimation wirkt individuell; materielle Legitimation wirkt funktionell. Typischerweise nutzt die personelle Legitimation daher andere Kontrollsysteme als sie der materiellen Legitimation zu eigen sind. Der Amtswalter ist in eine Organisation eingebunden, die seine Leistung permanent verfolgt, überwacht und bewertet. 764 Sein Fortkommen hängt von seiner Beurteilung ab. 765 Je eher diese Beurteilung anläßlich einer erneuten Zuweisung aktualisiert werden kann - anders gesprochen: je kürzer die Amtszeit ist - , desto intensiver kann die personelle Legitimation wirken. 766 Zeitliche und inhaltliche Begrenzung der Zuweisung können innerhalb der Form personeller Legitimation eine Dichte erreichen, die der materieller Programmierung nahe kommt. Personelle Legitimation verläßt sich - typischerweise - auf dienstliche Kontrolle, materielle Legitimation auf gerichtliche. Deren Vorgehen ist typischerweise einzelfallbezogen, organisatorisch, personell und formell unabhängig und daher in besonderem Maße neutralisiert. Die Beurteilung eines Dienstvorgesetzten, der auch Fachvorgesetzter ist, erfolgt unter anderen Gesichtspunkten als das Urteil eines Richters. Hinter der einen steht die Verwaltung als Leistungsorganisation, vor dem anderen die Verwaltung als Rechtsorganisation. Die Entscheidung zwischen personeller und materieller Legitimation ist also eine Entscheidung für verschiedene Wirkungsansätze, Wirkungsmittler, Wirkungsweisen und Wirkungskontrollen. Unter dem Grundgesetz geht die Frage nicht dahin, ob eine der Legitimationsformen per se den Vorrang genießt. 767 Das Grundgesetz prägt beide Formen aus. Damit ermöglicht es sachangemes764

Zur Vorgesetztenkontrolle vgl. Stößenreuther, S. 123-147. Vgl. Christiane Dreher, Karrieren in der Bundesverwaltung: Voraussetzungen, Merkmale und Etappen von Aufstiegsprozessen im öffentlichen Dienst, Berlin 1996. 766 Vgl. Oebbecke, S. 85 f. 767 Dazu Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 281 u. S. 267 Fn. 8 u. BrosiusGersdorf, S. 67 ff, gegen die These Emdes, S. 46, der personellen Legitimation komme gegenüber der materiellen Legitimation eine dienende Rolle zu; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. S. 271 Fn. 29, gegen eine angebliche These Oebbeckes, S. 77 zum Vorrang personeller Legitimation. Daß die Bedeutung personeller Legitimation vom jeweiligen Kontrollarrangement abhängt, wird auch deutlich bei Groß, Kollegialprinzip, S. 213. 765

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

sene Legitimation im Einzelfall. Allgemeine Aussagen können daher keine absolute Priorität einer Legitimationsform postulieren, sie insbesondere nicht allein aus der Länge einer Legitimationskette herleiten. 768 Vielmehr sollten sie sich um eine Typenbildung bemühen, die den jeweiligen Entscheidungsmustern ein institutionelles Arrangement zuweist, in dem die Legitimationsformen optimal zusammenwirken. Personelle Legitimation wird daher dort zum Tragen kommen, wo die Legitimation subjektiv und individuell ansetzt, auf persönliches Vertrauen gründet, nach Organisationsebenen und Hierarchiegraden differenziert, inhaltlich entwicklungsoffen ist, aber eine kontinuierliche, verwaltungsinterne, leistungsbezogene Kontrolle bevorzugt. Materielle, gesetzesförmliche Legitimation wählt demgegenüber einen objektiven, funktionellen Ansatz; sie wirkt über hierarchische Stufen hinweg und gründet auf die Erwartung, daß bereits formalisierte Ziele erfüllt werden. Sie bedient sich einer latenten, organisatorisch selbständigen und rechtsbezogenen Kontrolle. In einer hoch dynamischen, offenen Regulierungsitutation kann die materielle Legitimation an ihre inneren und äußeren Leistungsgrenzen gelangen. Die Netzzugangsverordnung zeigt exemplarisch beides: Ihre innere Leistungsgrenze erreichte sie in der Notwendigkeit, eine Übereinstimmung mit dem Bundesrat zu erreichen. 769 Die äußere Leistungsrenze liegt darin, daß essentielle Fragen, etwa der notwendige Grad der Entbündelung ohne entsprechende Regulierungserfahrung einer detaillierten Regelung gar nicht, einer prinzipiellen Aussage kaum zugänglich sind. Hier sind die Gerichte gefordert. 770 Im Stadium der Kodifikationsunreife fallt der personellen Legitimation eine besondere Last zu.

2. Das öffentlich-rechtliche Amtsverhältnis der Präsidenten, § 66 Abs. 3 u. 4 TKG, § 8 PersBG Das öffentlich-rechtliche Amtsverhältnis ihrer Präsidenten (§ 66 Abs. 3 u. 4 TKG; § 8 PersBG) weicht in manchem vom Status eines Lebenszeitbeamten

76 8 Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 284 hält es für notwendig, Dichte und Grad materieller Legitimation mit zunehmender Länge der personellen Legitimationskette zu erhöhen. Er sieht eine „Legitimationshierarchie" (S. 601, These 4 u. S. 310 m. Fn. 40) in Abhängigkeit vom Parlament. Ähnlich Brosius-Gersdorf, S. 43. 769 Vgl. Amtliche Begründung zur NZV, Ziff. C, abgedr. bei Scheurle/Lehr/Mayen, S.100. Ähnlich schwierig gestaltete sich die Einigung über § 4 TKV 1997. 770 Vgl. OVG Münster, MMR 1998, 98 mit Anm. Riehmer, VG Köln, M M R 1998, 102 = CR 1997, 639; VG Köln, CR 1999, 79; VG Köln, CR 1999, 161; Reg TP, Vfg 124/1998, Entscheidung der Beschlußkammer 3 über den Zugang zur Teilnehmeranschlußleitung, ABl. Reg TP 21/1998, S. 2626.

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

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ab. 771 Aus ihm könnte das Handeln der Regulierungsbehörde besondere personelle Legitimation erfahren.

a) Das Amt als Kristallisationspunkt

der personellen Legitimation

Der Kristallisationspunkt der personellen Legitimation ist das Amt. 7 7 2 Als funktionales Amt umreißt es die Kompetenz des Amtswalters. Seine Zuständigkeit gibt der personellen Legitimation des Amtswalters ihren sachlichen Rahmen. In diesem Rahmen verpflichten der beamtenrechtliche Status der Unabhängigkeit und die besonderen Neutralitätsicherungen den Amtswalter auf das Gemeinwohl, wie es zuletzt im Amtseid zum Ausdruck kommt. 773 Vergleichbare Institute hält auch das öffentlich-rechtliche Amtsverhältnis nach § 8 PersBG vor. 7 7 4 Verfahrensrechtlich gelten die §§ 20 ff VwVfG für Beamte und andere Amtswalter gleichermaßen. Der Unterschied zwischen Beamten und öffentlichrechtlichem Amtswalter findet sich also nicht in der gemeinwohlgerichteten Umhegung des Amtes im funktionalen Sinne. 775 Er liegt in der Beziehung zu diesem Amt, also dem Amt im statusrechtlichen Sinne. Diese Beziehung beruht beamtenrechtlich auf dem Dienstverhältnis. Es verleiht einen umfassenden, über das einzelne konkret-funktionale Amt hinausreichenden Status. Das öffentlich-rechtliche Amtsverhältnis nähert hingegen Status und Funktion einander an. Ohne Amt im funktionalen Sinne reduziert sich der Status der Präsidenten auf seine versorgungsrechtlichen Nachwirkungen (vgl. § 8 Abs. 4 S. 1 PersBG). Damit fällt für den jeweiligen Amtswalter die dauernde Einbindung in den öffentlichen Dienst weg (vgl. § 8 Abs. 6 S. 1 PersBG). Sie ist aber nur ein Realfaktor der personellen Legitimation, 776 keine rechtliche Notwendigkeit. Ihn mag aber die besondere Öffentlichkeit, der die

771

Vgl. auch oben S. 210 ff. Zum Amt grundlegend Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.)., Hb. d. StR III, § 57, Rnr. 57-68, 100-103. 773 Vgl. Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (363). 774 Vgl. § 8 Abs. 2 PersBG zum Amtseid, der § 58 Abs. 1 BBG wörtlich entspricht; § 8 Abs. 3 PersBG, der zu Nebentätigkeiten und Geschenken über die §§ 64 ff BBG hinausgeht; § 8 Abs. 7 PersBG zur Versorgung im Falle des Amtsverlustes. 775 Zu den Amtsbegriffen oben Fn. 752. 776 So ausdrücklich Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (363). Daß der verfassungsrechtliche Nutzen des Beamtentums letztlich aus einem vorrechtlich gebildeten Amtsethos gewonnen wird, zeigt Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 57 Rnr. 68, für die politischen Ämter aaO. Rnr. 101 ff. Eine Realanalyse dieser Faktoren bietet Dreher, S. 369 f f Dazu auch Karl-Peter Sommermann, Brauchen wir eine Ethik des öffentlichen Dienstes, VerwArch 89 (1998), 290. 772

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

Präsidenten unterliegen, als Neutralitätsicherung ersetzen. Die statusrechtlichen Unterschiede zwischen Beamtenstellung und öffentlich-rechtlichem Amtsverhältnis müssen sich also nicht notwendig in der legitimatorischen Qualität der jeweiligen Entscheidung niederschlagen. Dennoch gilt die statusrechtlich verfestigte Beamtenstellung als verfassungsrechtlicher Regelfall. Art. 33 Abs. 4 GG führt der grundgesetzlichen Verwaltung ein als neutral und daher vollzugsdienlich eingestuftes und faktisch vorgefundenes Beamtentum zu. 7 7 7 In der Verfassungspraxis ummantelt aber der Ausnahmefall des öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis gerade die Ämter, die den Übergang zwischen der politischen Führung und der fachlichen Ausführung bilden. 778 Ihnen bietet sich das öffentlich-rechtliche Amtsverhältnis als Statusregelung an. Es paßt die Einweisung und ihren Widerruf auf die besonderen Erfordernisse personeller Legitimation an.

b) Die Zuweisung als legitimations stiftender

Akt

Die personelle Legitimation des Beamten mag abstrakt aus seiner Ernennung hergeleitet werden, konkret beruht sie auf der Zuweisung eines Amtes im funktionalen Sinne. 779 In ihr verbindet sich die individuelle Berufung mit der Sachaufgabe. 780 Dabei kommen eine personelle und eine organisatorische Komponente zusammen:781 Die personelle Komponente ist die Auswahl des Amtswalters. Sie beruht auf den personell-inhaltlichen Vorstellungen des einweisenden Organs. Damit ist sie ein Instrument positiver, gestaltender Steuerung. 782 Sie obliegt hinsichtlich der Präsidenten der Regulierungsbehörde der Bundesregierung als Kollegialorgan auf Vorschlag des Beirates (§ 66 Abs. 3 TKG). Vollzogen wird die Ernennung durch den Bundespräsidenten (§ 66 Abs. 4 TKG). Im Gesamtvorgang der Ernennung wirken also verschiedene Institutionen zusammen. Dies ist zulässig. Denn auch in einem einzigen Kreationsgremium können sich verschiedene Hierachieebenen und Funktionskreise wiederfinden, direkt gewählte Bundestagsabgeordnete mit gleichem Stimmrecht neben nur mittelbar legitimierten Verwaltungsvertretern sitzen, ohne daß dies der personellen Legitimation Ab-

777

Dazu Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 332 mwN. Vgl. § 1 BMinG; § 1 Abs. 3 ParlStG; Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 57 Rnr. 103. 779 Vgl. Röhl, Die Verwaltung 29 (1996), 487 (502); Oebbecke, S. 84. 780 Vgl. Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 269. 781 Vgl. Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 269 u. S. 331. 782 Unterscheidung von (positiver) Legitimationstützung und (negativer) Legitimationsbegrenzung schon bei Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 332. 778

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

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bruch tut. 7 8 3 Im Gegenteil: Die personelle Legitimationskette wird mehrfach verspannt und daher besonders tragkräftig. 784 Die organisatorische Komponente der Zuweisung ist die Bestimmung der konkreten Zuständigkeit. Die Einweisung fuhrt in ein Amt, dessen Perspektive über spezielle Zuständigkeitsordnungen und Befangenheitsvorschriften abgeschirmt wird. In dieser Ausblendung steuert sie gleichsam negativ. Den Umfang des Amtes im funktionalen Sinn bestimmt der Inhaber der Organisationsgewalt. Die Organisationsgewalt stiftet also den kompetentiellen Rahmen der personellen Legitimation. Für die Präsidenten der Regulierungsbehörde ergibt sich dieser Rahmen bereits aus dem Gesetz. Das Gesetz selbst bildet die Präsidentenkammer (§ 73 Abs. 1 S. 3 u. Abs. 3 TKG). Deren Zuständigkeit umreißt § 73 Abs. 3 TKG klar. Das bedeutet, daß die organisatorische Komponente des Präsidentenamtes gesetzliche Qualität hat und nicht erst über die ministerielle oder nachministerielle Organisationsgewalt vermittelt wird. Der Präsident der Behörde genießt weiterhin die Geschäftsordnungskompetenz nach § 66 Abs. 2 S. 2 TKG. Seine Kompetenz wird auch insoweit im wesentlichen durch das Gesetz bestimmt. Das Zusammenwirken der unmittelbar gubernativen Auswahl und der gesetzlichen Zuständigkeitsbestimmung verschafft den Präsidenten der Regulierungsbehörde in der Summe eine personelle Legitimation, die qualitativ erheblich über das Beamtenübliche hinausgeht.

c) Die Widerruflichkeit

der Zuweisung als legitimationserhaltendes

Element

Wenn der Ausspruch der Zuweisung besondere Legitimation stiftet, wird ihre Widerruflichkeit die legitimierende Wirkung erhalten. Erst mit der Möglichkeit ihrer Änderung wird aus der Zuweisung als einem momentanen Akt die Grundlage eines dauernden Legitimationsverhältnisses. Das Amtsverhältnis der Präsidenten ist auf fünf Jahre befristet (§ 8 Abs. 1 PersBG). Es kann vorzeitig aus wichtigem Grund beendet werden. 785 Das Beamtenverhältnis ist demgegen783 Hier warnt Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (360) davor, allein aus der Kürze der Kette höhere demokratische Dignität herzuleiten. Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 270 Fn. 24 u. S. 274 stuft präziser nach dem Rang des jeweiligen Legitimationsspenders bzw. -mittlers. Eine Beteiligung nicht uneingeschränkt personell legitimierter Mitglieder ist aber nur zulässig, soweit das Prinzip der sog. doppelten Mehrheit beachtet wird. Vgl. BVerfG E 93, 37 (72) - Mitbestimmungsgesetz Schleswig- H oistein unter Verweis auf Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. I, § 22 Rnr. 19 Fn. 25. 784 Beachte aber Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (360): „Daß die kürzere Kette ein höhere demokratische Dignität verleihe, ist ein politisches Werturteil, das in der rechtlichen Dogmatik keine Entsprechung findet." 785 Vgl. § 8 Abs. 5 S. 3 BegleitG.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

über änderungsresistenter. 786 Es versinnbildlicht die Verwaltungskontinuität, die erst über die gleichfalls beamtenrechtstypische Gehorsamspflicht in den Dienst demokratischer Steuerung genommen wird. Das lebenslängliche Beamtenverhältnis öffnet sich als Status daher eher Formen materieller Legitimation, als daß es eine besondere personelle Legitimation für sich verbuchen könnte. 787 In dem Maße, in dem das Amtsverhältnis weniger Kontinuität gewährt, also höhere persönliche Abhängigkeit begründet, kann die inhaltliche Gehorsamspflicht zurückgenommen werden. Die Weisungsfreiheit gilt daher als Merkmal des öffentlich-rechtlich verfaßten, auf Zeit angelegten, vom persönlichen Vertrauen getragenen und zur politischen Kompetenz bestimmten Am.

788

tes.

d) Die persönliche Abhängigkeit des Amtswalters und die Apersonalität des Organisationsrechts Indes hat die erhöhte persönliche Abhängigkeit der Präsidenten auch eine Kehrseite. Im öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis tritt die institutionelle Verpflichtung auf den Staat zugunsten einer persönlichen Verbundenheit auf seine Repräsentanten zurück. Der Minister hängt von der Person des Kanzlers ab (Art. 69 Abs. 2 2. Hs. GG). Der Beamtenstatus hat sich demgegenüber aus dem Ministralenverhältnis heraus entwickelt und die Verpflichtung gegenüber dem Herrscher als Person von der Verpflichtung gegenüber dem Herrscher als Institution abgelöst. 789 Vom Ministralen unterscheidet den Beamten die Verpflichtung auf den Staat. 790 Dessen Existenz gewährt ihm den Führungswechsel überdauernden Status, dafür schuldet der Beamte ihm lebenslange personelle Verkörperung. Kontinuität und Gleichförmigkeit der Beamtenschaft sind die dienstrechtliche Bedingung für die Apersonalität des Organisationsrechts, 791 den den individuellen Amtswalter überdauernden Bestand des Amtes. Die Präsidenten der Regulierungsbehörde wirken in ihrer hervorgehobenen Stellung hingegen auch als Person und weil sie persönliches Vertrauen genießen.792 Ihr 786

Mit der Ausnahme des § 36 Abs. 1 BBG. Dazu oben S. 214 Fn. 176. Vgl. Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 332. 788 Vgl. Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 194 u. S. 293. Zur Natur des politischen Amtes auch Loschelder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 68 Rnr. 25; Schröder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 67 Rnr. 33 ff. 789 Vgl. zur juristischen Entwirrung dieser Versponnenheit die Wiedergabe der englischen Plowden Reports bei Ernst H. Kantorowicz, Die zwei Körper des Königs, 2. Aufl., München 1994, S. 31-46. 790 Vgl. zur Herausbildung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses Dreier, S. 47 f. 791 Dazu Krebs, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 69 Rnr. 23. 792 Zum weiteren Thema der Ämterpatronage vgl. Dreher, S. 314 ff. 787

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

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Amt soll durch die Befristung vor einer organisationsrechtlichen Erstarrung bewahrt werden. 793 Doch wirken das Vorschlagsverfahren und die kollegiale Benennung nach § 66 Abs. 3 GG einer individualisierten Abhängigkeit zwischen einzelnen Amtswaltern entgegen. Auch der Vorbehalt eines wichtigen Grundes für die Entlassung stärkt ein objektives Prinzip. 794 Eine Abkehr von der Apersonalität des Organisationsrechts ist nicht zu befürchten.

3. Fazit Als Element materieller Legitimation steht die Weisungsbefugnis neben der personellen Legitimation, die dem Entscheidungsträger in der Zuweisung seines Amtes zuteil wird. Die personelle Legitimation ist dort besonders intensiv, wo die Zuweisung zeitlich begrenzt und ohne weiteres widerruflich ist. Darum stehen Minister, Staatssekretäre und kommunale Funktionsträger in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis. Auch die Präsidenten der Regulierungsbehörde stehen in einem nach Vorschlag des Beirates auf Benennung der Bundesregierung und Ernennung des Bundespräsidenten hin begründeten, vertragsrechtlich ausgestalteten Amtsverhältnis. Sie können aus wichtigem Grund sofort, sonst nach fünf Jahren abgelöst werden (§ 8 Abs. 1, Abs. 5 S. 6 PersBG). Ihre hervorgehobene und zugleich prekäre Stellung verleiht ihnen eine personelle Legitimation, die das Weisungselement zurückdrängt.

III. Die beiratliche Kontrolle als zusätzlicher Legitimationsstrang Parlamentarische Ausschüsse gelten neben budgetärer Steuerung und Berichtspflichten als eine denkbare Alternative zu weisungsförmlicher Legitimation. 795 Als ein parlamentarisch besetzter Ausschuß innerhalb der Ver-

793 Vgl. schon Bundesrat, BT-Drs. 4938, S. 5 Ziff. 14 und Regierungsentwurf, BTDrs. 13/8016, S. 21 Zu § 8 unter Verweis auf § 81 Abs. 3 TKG. 794 Im Sinne von Loschelder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 68 Rnr. 105. 795 Vgl. Schuppert, Verselbständigte Verwaltungseinheiten, S. 379 ff; Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rnr. 70 Fn. 172; Ehlers, Privatrechtsform, S. 126; Füßlein, S.310 f. Auf die „vielfältigen Möglichkeiten parlamentarischer Kontrolle" weist Krebs, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 69 Rnr. 82 hin. In diese Richtung schon Achterberg, Parlamentsrecht, S. 437 f. Fichtmüller, AöR 91 (1966), 297 (331) hebt die Mitwirkung von Parlamentsvertretern in Aufsichtsgremien aus allen anderen Kontrollmöglichkeiten hervor. Keine Bedenken auch bei Müller-Terpitz, ZG 1997, 257 (266). Daß parlamentarische Kontrolle nicht notwendig durch den Minister vermittelt werden muß, hebt Oebbecke, S. 102 hervor. Ähnlich Emde, S. 358 und Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 111 u. S. 366.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

waltung könnte auch der Beirat bei der Regulierungsbehörde legitimierende Funktionen übernehmen. 796 Im Fraktionsentwurf zum TKG war ein Beirat nicht vorgesehen. 797 Gegen den Widerstand der Bundesregierung 798 verlangte dann aber der Bundesrat, die Länder 799 institutionell zu beteiligen. 800 Dazu sollte der Beirat insbesondere Belange der Grundversorgung, der Frequenzverwaltung und der Wegerechte wahrnehmen. Die Bundesregierung wies das Ansinnen nach einer Länderbeteiligung mit dem Argument zurück, es solle eine Bundesoberbehörde eingerichtet werden. 801 Der Bundesrat wiederum wandte ein, es sollten den Einwirkungsrechten des Ministers gleichwertige Mitwirkungsrechte gegenübergestellt werden. 802 Demnach sollte der Beirat ministeriellen Einfluß auf die Regulierungsbehörde ausbalancieren. Ihre endgültige Fassung erhielten die §§67 ff TKG schließlich im Postausschuß des Deutschen Bundestages.803 Der heutige Gesetzestext läßt sich daher ebenso als Kompromiß zwischen Bund und Ländern lesen wie als Kompromiß zwischen einer sog. „kleinen" TKG-Koalition aus Deutscher Telekom, SPD und Postgewerkschaft und einer sog. „großen" TKGKoalition aus den Industrieverbänden, CDU/CSU, FDP und Wirtschaftsministerium, die jeweils eine unterschiedliche Ausgestaltung der politischen Kon-

796 Die Ablehnung eines Kontroll ersatzes durch Ausschüsse bei Klein, S. 120 f betrifft mit dem Kontrollausschuß beim Bundesausgleichsamt und dem Postverwaltungsrat kondominial besetzte Organe. Für den aus Bundestag und Bundesrat besetzten Bundesschuldenausschuß äußert Klein lediglich Zweifel. Auch die Einwände Traumanns, S. 254 f, richten sich ebenfalls hauptsächlich gegen ein Kontrollgremien, die nicht in dem Bundestag vergleichbarer Weise das gesamte Wahlvolk repräsentieren. 797 Vgl. Fraktionsentwurf, BT-Drs. 13/3609. Im ministeriellen Diskussionsentwurf v. 31.5.1995, war zwar ein Verwaltungsrat, nicht aber eine Beteiligung der Länder vorgesehen (§ 75). Das Verlangen des Bundesrates in seiner Entschließung zu den Eckpunkten der weiteren Reform, BR-Drs. 286/95, S. 4 Nr. 9, die Länder qualifiziert zu beteiligen, blieb insoweit unerfüllt. 798 Vgl. Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 13/4438, S. 37 Zu Nr. 73. 799 Vgl. Bundesrat, BT-Drs. 13/4438, S. 18 f Nr. 73. 800 Überblick über die Gesetzgebungsgeschichte hierzu bei Müller-Terpitz, ZG 1997, 257 (265) 801 Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 13/4438, S. 37 Zu Nr. 73: „Die vom Bundesrat geforderten Ingerenzbefugnisse sind mit dem Typus einer Bundesoberbehörde nicht vereinbar." In diese Richtung auch Wirtschaftsausschuß, wiedergegeben in Ausschußbericht, BT-Drs. 13/4864, S. 72. 802 Vgl. Bundesrat, BT-Drs. 13/4938, S. 4 f Nr. 12: „Bei der im Gesetz vorgesehenen Lösung einer weisungsabhängigen Bundesoberbehörde ist zur Wahrung der Infrastruktursicherungsverantwortung der Länder eine Verstärkung ihrer Mitwirkungsmöglichkeiten über den Regulierungsbeirat erforderlich." 803 Vgl. Ausschußbericht, BT-Drs. 13/4864, S. 81 f. Die Begründung verweist im wesentlichen auf das Anliegen der Länder, bei der flächendeckenden Versorgung beteiligt zu werden.

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

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trolle über die Regulierung befürworteten. 804 Es wäre also eine ahistorische Verengung, den Beirat allein aus der föderalen Perspektive zu betrachten. 805 Der Beirat ist auch als ein bundespolitisches Gremium angelegt worden.

1. Der Beirat als parlamentarisches Organ Besondere parlamentarische Kontrollorgane sind dem Verfassungsrecht bekannt. 806 In der Geschichte der Postverwaltung, die Art. 87fAbs. 2 S. 2 GG fortschreibt, kehren Beiräte stets wieder. Ihnen gehörten zunächst neben Vertretern des Bundestages, der Länder oder des Bundesrates auch Repräsentanten von Unternehmen, Verbrauchern und Industrie an. Seit der Ausgliederung der Unternehmen finden sich die gesamtwirtschaftlichen Interessenvertreter nur noch in den Aufsichtsräten der Unternehmen wieder. 807 Infrastrukturrat nach dem PostVerfG, Regulierungsrat nach dem PTRegG und Beirat nach dem TKG rekrutierten sich ausschließlich aus Vertretern des Bundestages und des Bundesrates bzw. der Länder. 808 Daß auch der Bundesrat Vertreter in den Beirat entsendet, steht dessen legitimatorischer Bedeutung in diesem Zusammenhang nicht entgegen. Denn zum einen ist parlamentarische Kontrolle nach dem Grundgesetz keine Kontrolle durch den Bundestag allein. Dem Bundesrat ist nach Art. 50 GG die Mitwirkung bei der Verwaltung aufgegeben. 809 Art. 53 GG räumt ihm das Zitationsrecht (S. 1) und einen Anspruch auf kontinuierliche Unterrichtung (S. 2) ein. Im föderalen System tragen auch die bundesratlichen Rechte dazu bei, die Verwaltung des Bundes an den Willen des Volkes anzu-

804 Vgl. zu den beiden Interessenbündnissen Thorein, Rundfunk und Fernsehen 1997, 285 (294 f) u. zur Einrichtung des Beirats (302). 805 Dazu S. 454 ff. 806 Vgl. zum Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages Art. 45b GG und das WBeauftrG. Daraus insbesondere § 3 Nr. 4 S. 1 WBeaufitrG - Jederzeitiges Besuchsrecht - und § 7 WBeauftrG - Recht, Eingaben unter Umgehung des Dienstweges entgegenzunehmen -. Beispiele für Verwaltungsräte und Beiräte bei Zeh, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. II, § 42 Rnr. 61. 807 Nach § 16 Abs. 1 PostVerfG 1989 gehörten dem Aufsichtsrat der Deutschen Bundespost TELEKOM Vertreter des Bundes, der Anwender und Kunden und des Unternehmenspersonals an. Für den Aufsichtsrat der Deutschen Telekom AG gibt es jenseits des MitbestimmG keine vergleichbare Bestimmung. 808 Je elf Vertreter von Bundesrat und Bundestag bildeten den Infrastrukturrat nach § 32 Abs. 1 S. 2 PostVerfG; dem Regulierungsrat nach § 11 Abs. 1 S. 2 PTRegG gehörten je ein Vertreter einer Landesregierung und gleich viele Vertreter des Bundestages an; der Beirat nach § 67 Abs. 1 S. 2 TKG rekrutiert sich aus jeweils neun Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates. 809 Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 273 Fn. 35 weist darauf hin, daß volksgewähltes Parlament und Bundestag angesichts der Mitwirkung des Bundesrates nicht in eins zu setzen sind.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

b i n d e n . 8 1 0 Insbesondere in der Erfüllung des Gewährleistungsauftrages überführt Art. 53 GG das Zustimmungserfordernis (Art. 8 7 f Abs. 1 GG) aus dem Gesetzgebungsverfahren in ein Überwachungsrecht i m Vollzug. Insoweit ist die M i t w i r k u n g des Bundesrates i m Beirat systemkonform, j a sogar systemnotwendig, wenn der Beirat eine Beschränkung des Weisungsrechts legitimatorisch kompensieren soll. Z u m anderen beziehen die Beiräte ihre personelle Legitimation zwar ursprünglich aus der Mitgliedschaft i m Bundestag bzw. i m Bundesrat (vgl. § 67 Abs. 3 S. 2, Abs. 2 S. 4 ) . 8 1 1 Jedoch ist der Beirat - anders als etwa ein Untersuchungsausschuß - kein grundgesetzlich vorgesehenes Hilfsorgan des Bundestages. 8 1 2 Es handelt sich u m ein Organ, das der Behörde zugeordnet ist und vom Parlament beschickt wird. Daher sind die einzelnen Beiräte v o m jeweiligen Organ in seiner Gesamtheit - aufgrund einer Mehrheitsentscheid u n g , 8 1 3 die gewisse Minderheitenrechte respektieren m u ß 8 1 4 - vorzuschlagen und ggf. abzuberufen. 8 1 5 Die Entsendung durch Bundestag oder Bundesrat, nicht schon die Mitgliedschaft in ihnen, begründet die personelle Legitimation der Beiräte. Diese w i r d zuletzt dadurch intensiviert, daß die Ernennung des Beirats durch die Bundesregierung erfolgt. 8 1 6

810

Zur kontrollierenden und korrigierenden Einflußnahme des Bundesrates vgl. Hesse, Rnr. 610. Im Zusammenhang des ministerialfreien Raumes anders Klein, S. 26 f, der nur den Bundestag als Kontrollorgan anerkennen will. 8,1 Anders noch § 11 Abs. 2 S. 3 u. Abs. 3 S. 2 PTRegG für die Ländervertreter im Regulierungsrat. 812 Vgl. zur Unterscheidung zwischen der Legitimation des unabhängigen Organs, die auf die Gesamtheit der Volksvertretung zurückzuführen ist, also eine Abstimmung des gesamten Bundestags voraussetzt, und der des Hilfsorgans, die unmittelbar auf die Volkswahl zurückgehen soll, so daß die konkrete Zusammensetzung in die legitimatorisch offenere Organzuständigkeit des Bundestags fällt, also auch von den Fraktionen verhandelt werden kann, BVerfG E 77, 1 (40 f) - Untersuchungsausschuß -. Nach Achterberg, Parlamentsrecht, S. 137, kann der Beirat schon deswegen nicht als Ausschuß zählen, weil ihm auch Bundesratsvertreter angehören. 813 Dies ergibt sich aus dem Wahl verfahren. Vgl. Geppert, in: Beck'scher TKGKommentar, § 67 Rnr. 9. 814 Der Bundestag entsandte 1998 4 Abgeordnete der CDU/CSU, 3 der SPD und je einen von Bündnis 90/Die Grünen und FDP in den Beirat (vgl. wib 16/97, S. 38, „In Beirat der Regulierungsbehörde berufen". Hier dürfte § 12 S. 1 GeschO BT Anwendung finden, da sinngemäß eine Wahl vorliegt und § 57 Abs. 1 S. 1 GeschO BT die Geltung des § 12 S. 1 GeschO BT auch auf Ausschüsse erstreckt. Zur Ausschußbesetzung Zeh, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. II, § 42 Rnr. 46 ff. Zu Minderheitenrechten allgemein Schwerin, S. 189 ff. 815 Vgl. § 67 Abs. 2 S. 4 für die Bundesratsmitglieder; für die Bundestagsmitglieder ist das Vertrauen des Bundestages Benennungsvoraussetzung. Fällt es fort kann trotz fortbestehender Mitgliedschaft im Bundestag im Wege eines - untechnischen - konstruktiven Mißtrauensvotums ein anderer Abgeordneter für den Beirat benannt werden. Vgl. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 67 Rnr. 13.

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

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Das TKG legt also einerseits die Herkunft aus Bundesrat und Bundestag als bestimmendes Kriterium zugrunde. Vorsitzender und stellvertretender Vorsitzender des Beirates dürfen nicht demselben Organ entstammen (§ 2 Abs. 2 GO Beirat). Beschlußfähig ist der Beirat erst, wenn jeweils mehr als die Hälfte der Vertreter von Bundestag und Bundesrat zugegen sind (§ 68 Aos. 3 S. 1 TKG; § 7 Abs. 1 GO Beirat). Das TKG verzichtet aber andererseits darauf, ein doppeltes Mehrheitserfordernis zu formulieren, wie es noch § 12 Abs. 3 S. 2 2. Hs. PTRegG kannte. 817 Lediglich für die schriftliche Beschlußfassung kennt die Geschäftsordnung des Beirates noch ein solches Erfordernis (§ 7 Abs. 4 S. 4 GO Beirat). Um so eher können sich in der Sitzung herkunftsübergreifende Gruppen bilden. Insbesondere die Parteizugehörigkeit dürfte sich hier als Orientierungsraster andienen.818 Mit dieser Orientierung verliert sich die Herkunft der Beiratsmitglieder aus Bundesrat und Bundestag als Verhaltensmuster. Der Beirat ist in seiner Identität folglich nicht auf seine institutionelle Ableitung fixiert. 819 Seine Geschäftsstelle ist der Behörde, nicht einer Parlamentsverwaltung zugeordnet. 820 Die Geschäftsordnung des Beirates unterliegt der Genehmigung des Bundeswirtschaftsministers (§ 68 Abs. 1 TKG); 8 2 1 dieser setzt auch die Sitzungsentschädigungen fest (§ 68 Abs. 8 TKG). Der Beirat ist also kein behördliches Organ des Parlamentes, sondern ein parlamentarisches Organ „bei" der Behörde (§ 67 Abs. 1 S. 1 TKG). 8 2 2

8,6 Vgl. § 67 Abs. 1 S. 3 TKG. Da § 68 Abs. 1 TKG kein Letztentscheidungsrecht der Bundesregierung kennt und der Sinn beiratlicher Kontrolle schwände, wenn die Bundesregierung die Beiräte bestimmen könnte, ist sie an den Vorschlag gebunden. Ihr steht allenfalls ein formelles Prüfungsrecht zu. Vgl. Geppert, in: Beck'scher Kommentar, § 67 Rnr. 10. 817 Vgl. auch Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 68 Rnr. 10. 818 Beispielsweise übernahm der SPD zugehörige Abgeordnete Bury die Kritik des Beiratsvorsitzenden und niedersächsischen Wirtschaftsministers Fischer (SPD) an den Plänen für das Postfilialnetz. Vgl. FAZ v. 7.5.1998, Nr. 105, S. 19, „SPD kritisiert Postpläne für das Filialnetz"; FAZ v. 5.5.1998, Nr. 103, S. 17, „SPD: Telekom-Regulierung nicht transparent". 819 Insofern verneint Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 67 Rnr. 13 folgerichtig eine Bindung an Beschlüsse des entsendenden Organs. 820 Vgl. § 9 GO Beirat. 821 § 11 PostVwG, § 33 Abs. 1 PostVerfG und § 12 Abs. 1 PTRegG kannten einen solchen Genehmigungsvorbehalt nicht. Dennoch wird das Ministerium die Geschäftsordnungsautonomie des Beirates zu respektieren haben. Vgl. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 68 Rnr. 3. 822 Dazu daß der Beirat nicht Organ der Regulierungsbehörde ist, vgl. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 67 Rnr. 4.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

2. Zur Parlamentsähnlichkeit der beiratlichen Kontrolle Inhaltlich lag dem Bundesrat bei der Einfügung des Beirats die Chancengleichheit von ländlichen Räumen und Ballungsgebieten am Herzen. 823 Der Konflikt hierum und um die Belange des Rundfunks ließ sich materiellrechtlich nicht endgültig beilegen. 824 Daher wirkt der Beirat an der Vergabe knapper (Rund-) Funkfrequenzen und der Auferlegung von Universaldienstleistungen mit (§ 69 Nr. 2 iVm. § 73 Abs. 2 S. 2, § 69 Nr. 6 TKG). Das Gesetz räumt ihm aber weitere Mitwirkungs- und Kontrollrechte ein (§ 69 TKG). Auch die grundgesetzliche Ministerverantwortlichkeit findet ihren zentralen Ort im Zitier- und Interpellationsrecht. 825 Daher sollen die beiratlichen und die parlamentarischen Kontrollrechte miteinander verglichen werden, um zu zeigen, daß die beiratliche Kontrolle parlamentsähnliche Funktionen erfüllen kann. 826

a) Das Auskunftsrecht Inwieweit das Grundgesetz dem Bundestag einen Auskunftsanspruch einräumt, ist umstritten. 827 Ähnlicher Streit besteht um die Reichweite des Art. 53 S. 3 GG. 8 2 8 Noch die weitestgehende Auffassung übertrifft § 69 Nr. 4 TKG. Er berechtigt den Beirat, Auskünfte und Stellungnahmen einzuholen, und verpflichtet die Regulierungsbehörde zur wahrheitsgemäßen Antwort. 829 Entgegenstehende Belange des Geheimnis- oder Datenschutzes können zurücktreten, weil die Beiratssitzung nicht öffentlich ist (§ 68 Abs. 6 TKG) und die Geschäftsordnung die vertrauliche Behandlung zuläßt (§ 3 Abs. 5 S. 2 GO Beirat). 830 Da der Beirat nicht auf die Vermittlung von Bundeskanzler und Ressort-

823

Vgl. Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 13/4438, S. 1 Nr. 1. Vgl. Thorein, Rundfunk und Fernsehen 1997, 285 (300 f); Voeth,, S. 179. 825 Dreier, S. 132 f; Kröger, S. 142 ff. 826 Unter parlamentarischen Kontrollrechten verstehen sich die selbständigen Kontrollinstrumente, nicht aber die primär auf andere Zwecke ausgerichteten Gesetzgebungs- und Haushaltsrechte. Zur Einteilung vgl. Gusy, ZRP 1998, 265 (266). 827 Vgl. Achterberg, Parlamentsrecht, S. 463; Weis, Parlamentarisches Fragerecht und Antwortpflicht der Regierung, DVB1. 1988, 268; Kyrill-A. Schwarz, Die Beantwortung parlamentarischer Anfragen nach dem Grundgesetz und neueren Landesverfassungen, L K V 1998, 262; Schwerin, S. 97 ff. 828 Vgl. Klein, S. 26 f. 829 Diese Pflicht ist nach dem Wortlaut auf Auskünfte beschränkt, um nicht im Wege der Stellungnahme laufende Verfahren zu präjudizieren. Vgl. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 69 Rnr. 17. 830 Das übersieht Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 69 Rnr. 18. 824

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

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minister nach §§ 6 ff GGO I I 8 3 1 angewiesen ist, kann er seine Fragen direkt an den Leiter der Behörde richten. 832 Er kann dazu den Präsidenten bzw. seine Stellvertreter zitieren. § 68 Abs. 7 S. 2 TKG iVm. § 69 Nr. 4 TKG steht also Art. 43 Abs. 1 GG und Art. 53 S. 1 GG nicht nach.

b) Das Initiativrecht Der Beirat kann Maßnahmen zur Sicherstellung des Universaldienstes und umfassend zur Umsetzung der Regulierungsziele beantragen. Anträge hat die Regulierungsbehörde innerhalb einer sechswöchigen Frist zu bescheiden (§ 68 Nr. 3 TKG). Ein ähnliches Initiativrecht kennt das Grundgesetz für Bundestag und Bundesrat nicht.

c) Das personelle Vorschlagsrecht Der Beirat kann die Präsidenten der Regulierungsbehörde vorschlagen. § 66 Abs. 3 S. 2 u. 3 TKG verpflichten die Bundesregierung sogar, einen Vorschlag anzufordern bzw. einen zweiten Vorschlag zuzulassen. Ihr verbleibt das Letztentscheidungsrecht (§ 66 Abs. 3 S. 4 TKG). Sie kann, wenn mangels geeigneter Vorschläge eine Blockade droht, also äußerstenfalls ohne Vorgabe entscheiden.833 Das bisherige Vorgehen bestätigt diese Auslegung. Für das erste Präsidium hatte der damalige Regulierungsrat 834 zunächst den SPD-Abgeordneten Börnsen als Präsidenten sowie den Verbandsgeschäftsführer Jäger und den Unternehmensberater Dieterle als Vizepräsidenten vorgeschlagen. 835 Nachdem der Postminister auf seinem Kandidaten Scheurle beharrte, nominierte der Beirat den früheren Vorstandsvorsitzenden der Alcatel SEL Landsberg als Präsidenten. Der Abgeordnete Börnsen und der der FDP nahestehende

831 Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien, Besonderer Teil (GGO II), in der Fassung der Bekanntmachung v. 15.10.1976, GMB1. S. 550, zuletzt geändert durch Kabinettsbeschluß v. 19.3.1996, GMB1. 1996, S. 449. 832 Zur Stellung der Regierung als Bindeglied zwischen parlamentarischer Kontrolle und Behörden vgl. Gusy, ZRP 1998, 265 (266). 833 Vgl. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 67 Rnr. 28. 834 Vgl. § 98 S. 2 TKG. Der Wortlaut dieser Vorschrift überträgt dem Regulierungsrat auch das Vorschlagsrecht. Deswegen kann dahinstehen, ob der Beirat seine Tätigkeit evtl. deswegen schon zum 1. Oktober 1997 aufnehmen sollte, um selbst die erforderlichen Personalvorschläge zu unterbreiten. (In diese Richtung Kemmler, Arch PT 1996, 321 (329). Es lag im allgemeinen Interesse, das Ernennungsverfahren frühzeitig durchzuführen. Vgl. nur Bundesrat, BT-Drs. 13/4938, S. 4 Nr. 12. 835 Vgl. FAZ v. 13. Mai 1997, Nr. 109, S. 19, „Börnsen als Telekom-Regulierer nominiert".

22 Oertel

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

Diplomat Schlegel sollten Vizepräsidenten werden. Die Bundesregierung benannte schließlich den Abteilungsleiter im BMPT Scheurle, Mitglied der regierenden CDU, zum Präsidenten, den Abgeordneten Börnsen und Herrn Schlegel zum Vizepräsidenten. 836 Wenngleich eine Verständigung auf den Spitzenposten nicht gelang, wurden die Vizepräsidenten vorschlagsgemäß bestimmt. Ohne zur Übereinkunft zu zwingen, will das gesetzlich vorgesehene Verfahren also ernst genommen werden. Das Präsidium soll möglichst im Benehmen mit dem Beirat benannt werden. 837 Der Bundespräsident wird vor einer Ernennung auch prüfen, ob diesem Erfordernis Rechnung getragen wurde. Daher kann schon der Vorschlag des Beirates einem Präsidenten der Behörde eine schwache personelle Legitimation verschaffen.

d) Eine verstetigte Kontrolle Die parlamentseigene Befassung mit einer Behörde ist nicht verstetigt; ihre Debatte ist auf einen Auslöser angewiesen. Lediglich die zweijährlichen Berichte der Regulierungsbehörde (§ 81 Abs. 3 S. 4 TKG) sorgen für eine weiträumige Kontinuität der bundestaglichen und bundesratlichen Befassung. 838 Die parlamentarische Kontrolle dürfte daher eher eine sporadische Mißbrauchskontrolle sein. 839 Sie aktualisiert sich ad-hoc und wirkt im übrigen eher als latente Bedrohung, deren Effektivität möglicherweise gerade aus ihrer erratischen Natur resultiert. 840 Institutionell enger und zeitlich dichter ist die beiratliche Überwachung. Der Beirat soll mindestens alle drei Monate zu einer Sitzung zusammentreten (§ 68 Abs. 5 S. 1 TKG). Darüber hinaus ist seine Mitwirkung

836 Vgl. BMPT/BMWi, Pressemitteilung v. 2.7.1997, „Spitzenposten der Regulierungsbehörde im Kabinett entschieden". Der Kandidat Schlegel lehnte späterhin die Ernennung ab. An seine Stelle trat der Kartellamtsdirektor Harms. Vgl. NJWWochenspiegel 7/1998, S. X L I V , „Gerhard Harms Vizepräsident der Regulierungsbehörde für Telekommunikation". 837 Als „Benehmensregelung" bezeichnete der Bundesrat den heutigen § 69, damaligen § 65 c ausdrücklich in BT-Drs. 13/4938, S. 5 Ziff. 13. Ebenso auch § 73 Abs. 3 S. 3 für die sachlichen Mitwirkungsrechte. Vgl. S. 452 ff. 838 Kritik an diesem für die schnelllebige Telekommunikation langen Turnus berichtet Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 81 Rnr. 4. 839 So allgemein Püttner, Verwaltungsléhre, 2. Aufl. München 1989, S. 356; Dreier, S. 132 Fn. 40. Für das englische Verfassungsrecht hält Wade, S. 33, die ministerielle Verantwortlichkeit wegen ihrer erratischen Natur als Kontrollinstrument eher für dysfunktional. 840 Die Beobachtung Oebbeckes, S. 101 trifft sich mit dem Gedanken, daß erst die Rechtssicherheit Handlungsfreiheit schafft, vorauseilender Gehorsam also gerade dort genährt wird, wo der Herrscher willkürlich und sporadisch eingreifen kann.

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

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und also seine Befassung für einzelne Entscheidungen erforderlich. 841 Daß damit zugleich ein größeres Verständnis für die Belange der Regulierungsbehörde eingeht, ist gesetzlich gewollt. § 68 Abs. 7 S. 1 u. 2 TKG entsprechen Art. 43 Abs. 2 und Art. 53 S. 2 GG. Nach § 69 Nr. 5 TKG berät der Beirat die Regulierungsbehörde zudem bei der Erstellung ihres Tätigkeitsberichtes, der wiederum Bundestag und Bundesrat vorzulegen ist (§ 81 Abs. 1 TKG). Hier kann die frühzeitige Einschaltung des Beirates einer färbenden Darstellung entgegenwirken. 842 Im Ergebnis verstetigt der Beirat die parlamentarische Kontrolle, verschafft ihr größeres Gleichmaß, vertiefte Sachkunde und in der Summe ein Mehr an Effektivität und Präzision.

e) Keine Verkürzung von parlamentarischen Rechten An der Berichtspflicht wird exemplarisch deutlich, daß der Beirat die parlamentarische Kontrolle in die Regulierungsbehörde hinein verlagert. Das bedeutet eine Intensivierung der Kontrolle. Sie geht noch über das hinaus, was regelmäßig breiter angelegte Parlamentsausschüsse leisten. 843 Schon hier geht mit der Verkleinerung des Gremiums eine Veränderung seiner Qualität einher, die sich die Staatspraxis zunutze macht. 844 Die intensivere Beschäftigung verändert persönliche und sachliche Perspektiven. 845 Diese können wiederum aufgebrochen werden, indem das Plenum eine Angelegenheit zurückholt. Dies ist ihm auch gegenüber dem Beirat unbenommen. Die beiratlichen Kontrollbefugnisse gehen über das dem Parlament Zugestandene hinaus, ohne die parlamentseigenen Rechte zu verkürzen. Zutreffend erkannte der zuständige Bundestagsausschuß, daß trotz der Einrichtung des Beirates die Ressortverantwortlichkeit des zuständigen Ministers unberührt

841

Vgl. § 69 Nr. 1 TKG: Vorschlag für die Besetzung des Präsidenten und der Vizepräsidenten; § 69 Nr. 2 iVm. § 73 Abs. 3 S. 3 TKG: Auferlegung von Universaldienstleistungen und Vergabe knapper Frequenzen, beides Entscheidungen von gewisser Häufigkeit. Zuletzt § 69 Nr. 6: Anhörung bei der Aufstellung des Frequenznutzungsplanes. 842 Zur politischen Funktion derartiger Berichte Schuppert, Verselbständigte Verwaltungseinheiten, S. 379. 843 Vgl. Zeh, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. II, §42 Rnr. 41; Dreier, S. 134. 844 Vgl. dazu Klein, S. 121 f mwN. aus der älteren Diskussion. 845 Auf die Gefahr, daß der Bundestag durch seine Mitwirkung in Verwaltungsgremien die für eine Kontrolle notwendige Distanz verliert, weist schon Kröger, S. 94, hin.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

bleibt. 846 Parlamentseigene Ausschuß- und Plenumskontrolle werden faktisch effektuiert, nicht rechtlich geschmälert.

f) Qualitative Unterschiede zum Parlament Indes ist der Beirat kein „kleines Parlament". In der Zusammenführung von Bundestag und Bundesrat hebt er vielmehr die Trennung der beiden Organe auf. Auch sonst unterscheidet sich seine Tätigkeit von der des Parlaments: So tagt der Beirat nicht öffentlich (§ 68 Abs. 6 TKG). 8 4 7 Damit fehlt ihm ein Wesensmerkmal des Parlaments, das selbst im Lichte der Öffentlichkeit steht. 848 Indes tagen auch die Ausschüsse des Bundestages nicht öffentlich (§ 69 Abs. 1 S. 1 GeschO BT). Es genügt, wenn sie ihre Ergebnisse dem Plenum unterbreiten. Dies ist auch den Abgeordneten im Beirat möglich. § 68 TKG verpflichtet sie nicht zur Geheimhaltung. Ihre Funktion liegt gerade darin, den Informationsfluß in das Parlament hinein sicherzustellen. 849 Dem Bundesrat ist nach § 13 GO BR auf Verlangen zu berichten. Ähnliches dürfte für den Bundestag gelten. 850 Das TKG sieht weiterhin nur wenige Minderheitenrechte vor: Drei Mitglieder können die Einberufung des Beirates verlangen (§ 68 Abs. 5 S. 2 TKG; § 3 Abs. 1 S. 2 GO Beirat). Weiterhin kann jedes Beiratsmitglied einen Themenvorschlag zur Beratung bringen (§ 5 Abs. 2 S. 1 GO Beirat in Ausweitung des § 68 Abs. 4 S. 3 TKG). Das Auskunftsrecht steht aber nur dem Beirat insgesamt zu, bedarf also eines Mehrheitsbeschlusses. Zur Ausübung der parlamentarischen Kontrollrechte reicht hingegen häufig schon eine Minderheit hin (vgl. Art. 44 Abs. 1 S. 1 GG, § 42, § 56 Abs. 1, §§ 101-105 GeschO BT). 8 5 1

846 Ausschußbericht, BT-Drs. 12/4864, S. 82 Zu § 65 c [heute § 69 TKG]. So mußte sich Wirtschaftsminister Müller vor dem Wirtschaftsausschuß des Bundestages wegen seines Verhaltens bei der Entgeltgenehmigung für die Teilnehmeranschlußmiete rechtfertigten. Vgl. FAZ v. 4.12.1998, Nr. 282, „Bald Entscheidung über Anschlußmiete". 847 Zu möglichen Ausnahmen für außerordentliche Sitzungen Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 68 Rnr. 18. 848 Aufgrund dessen verneint Klein, S. 122 einen Kontroll ersatz durch Ausschüsse. In Rede steht aber eine Kontrollerhöhung. 849 Daß der Informationsfluß trägt, belegt das Verlangen nach Erlaß der PostUniversaldienst-Verordnung, das zuerst im Beirat und sodann in einer Aktuellen Stunde des Bundestages laut wurde. A u f die Kritik hin schlug der B M W i vor, eine informelle Arbeitsgruppe aus Bundestag und Bundesrat einzusetzen. Vgl. FAZ v. 5.5.1998, Nr. 103, S. 17, „SPD: Telekom-Regulierung nicht transparent"; FAZ v. 7.5.1998, Nr. 105, S. 19, „SPD kritisiert Postpläne für das Filialnetz". 850 Hier ließe sich ein ähnliches Verlangen auf § 62 Abs. 2 GeschO BT stützen. 851 Vgl. BVerfG E 49, 70 (85-87) - Untersuchungsausschuß Schleswig-Holstein -; H.-P. Schneider, Die parlamentarische Opposition im Verfassungsrecht der Bundesre-

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

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Allerdings läßt sich das Verhältnis zwischen Beirat und Behörde nicht mit der Frontstellung zwischen Parlamentsmehrheit und Regierung einerseits und Opposition andererseits vergleichen. Die Präsidenten der Regulierungsbehörde sind nicht mit einer Beiratsfraktion zu identifizieren. Ihre Amtszeit hängt nicht von der des Bundestages ab (vgl. anders Art. 69 Abs. 2 GG für die Bundesregierung). Sie beträgt in der Regel fünf Jahre (§ 8 Abs. 1 PersBG). Da sie zum 1.1.1998 begonnen hat, wird sie sich bis auf weiteres mit den Wahlperioden des Bundestages überschneiden. Das Zusammenwirken von beiratlichem Vorschlag und Letztentscheidung der Regierung (§ 66 Abs. 3 TKG) befördert eine überparteiliche Verständigung. 852 Hier wird im Wege gemeinsamer Kontrolle einer Zusammenarbeit der großen Parteien Vorschub geleistet. Im Vergleich zu den parlamentseigenen Rechten gewährt das TKG also nicht weniger Oppositions-, aber weniger Minderheitenrechte. Zuletzt eröffnet § 66 Abs. 3 TKG dem Beirat und damit auch den Bundesratsvertretern ein personelles Vorschlagsrecht. Dieses unvollkommene Kreationsrecht könnte den Eindruck erwecken, die föderale Kontrollbalance verschiebe sich zugunsten des Bundesrates. Indes kennen bzw. kannten Grundgesetz und Postverwaltungsrecht ein personelles Mitwirkungsrecht der im einzelnen betroffenen Landesregierungen bei der Besetzung nachgeordneter Behörden. 853 Das gemeinsame Vorschlagsrecht des Beirates transponiert diese Mitwirkung auf das Kollektiv. So schlagen individuelle Länderrechte in kollektive Bundesorganschaft um. 8 5 4 Dem Bundestag erwachsen über das Vorschlagsrecht sogar Mitwirkungsrechte, die er sonst nicht kennt. Die Balance zwischen Bundestag und Bundesrat verschiebt sich also nicht zugunsten der Länder. Vielmehr erhalten beide Organe im Vorschlagsrecht des Beirates ein Mitwirkungsrecht, das über das grundgesetzliche Maß hinausgeht. Es verschiebt sich also weniger die föderale - vertikale - Balance als die horizontale Tarierung von Parlament und Regierung.

publik Deutschland, Frankfurt 1974, S. 232 ff; Dreier, S. 134. Vgl. auch Klaus Stüwe, Die Opposition im Bundestag und das Bundesverfassungsgericht: das verfassungsgerichtliche Verfahren als Kontrollinstrument der parlamentarischen Minderheit, BadenBaden 1997. 852 Sie ist - mit einiger Mühe - zumindestens für das erste gelungen. Der Präsident Scheurle gehört der CDU an, der Vizepräsident Börnsen der SPD, der Vizepräsident Harms rechnet der FDP zu. Vgl. S. 337 ff. 853 Vgl. Art. 85 Abs. 2 S. 3 GG für die Auftragsverwaltung. Beachte auch § 29 Abs. 1 PostVwG, nach dem die Präsidenten der früheren Oberpostdirektionen im Benehmen mit den betroffenen Landesregierungen zu bestimmen waren. Vorschlagsrechte des Bundesrates bestanden auch nach dem Gesetz über das Versicherungsaufsichtswesen und dem Güterkraftverkehrsgesetz (vgl. Klein, S. 119). 854 Zur Stellung des Bundesrates als Bundesorgan Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 36. Ausführlich S. 460 ff.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

3. Die Wirkung vorverlagerter parlamentarischer Kontrolle Der Beirat kann dank seiner Rechte die parlamentarische Kontrolle in die Regulierungsbehörde hinein erstrecken und somit ihre Effektivität steigern. Allerdings warnt die Erfahrung des Postverwaltungsrates davor, übergroße Hoffnungen auf derartige Kontrollgremien zu setzen. Im Vergleich zum Postverwaltungsrat ist die Interessenlage der Beiratsmitglieder jedoch kohärenter. Der Beirat ist weder kondominial besetzt noch dazu gedacht, den Gegensatz von wirtschaftlichen und politischen Interessen abzugleichen. Ihm steht kein Unternehmen gegenüber, dessen Wirtschaftsgrundsätze und Wirtschaftsbedingungen er bestimmen kann. 855 Er arbeitet mit einer Behörde zusammen, deren Entscheidungen er nur in geringerem Maße beeinflußt. Seine eigenen Sanktionsmittel sind zunächst schwach. Das personelle Vorschlagsrecht und die Mitwirkung bei der Vergabe von knappen Frequenzen und Universaldienstleistungen (§ 69 Nr. 1, 2 TKG) reichen nicht über Benehmensrechte hinaus. Dafür verfügt er über beträchtliche Kontrollrechte. Die Behörde mag daher ein höheres Interesse daran entwickeln, im Beirat Rückendeckung zu finden als sich gegen die beiratliche Kontrolle abzuschirmen. 856 Deswegen läßt sich dem Beirat eine günstigere Prognose stellen als dem Verwaltungsrat. Er besitzt das Potential, sich zum politischen Gewissen der Regulierungsbehörde zu entwickeln. Zwar war auch dem Versuch des englischen Verwaltungsrechts, über sog. Select Committees den parlamentarischen Einfluß auf die staatseigenen Unternehmen zu intensivieren, nur begrenzter Erfolg beschieden.857 Im Vergleich zu den britischen Ausschüssen verfügt der Beirat aber über weitergehende Informationsrechte. Er hat die Möglichkeit, über die Bundesratsvertreter neben dem behördlichen Sekretariat auch den landesministeriellen Unterbau zu nutzen. Zudem sieht seine Geschäftsordnung vor, sachverständige Personen einzuladen und Gutachten erstellen zu lassen (§ 4 Abs. 3 GO Beirat). Bisher besteht eine enge Verbindung vom Beirat zum parlamentarischen Plenum. Auch insoweit läßt sich ein größerer Erfolg erwarten.

855

Vgl. hingegen § 12 u. § 14 PostVwG. In der Auseinandersetzung mit dem Bundeskartellamt zu Jahresbeginn 1998 erfuhr die Regulierungsbehörde auch die Unterstützung des Beirates, vgl. FAZ v. 13.2.1998, Nr. 37, S. 13, „Kartellamt in einem Kreuzfeuer von Kritik". Das Vorschlagsrecht verdeutlicht nach Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 69 Rnr. 4, daß zwischen Behördenspitze und Beirat „nach Möglichkeit ein kooperatives Arbeitsverhältnis bestehen soll". Zur Abwehrhaltung der Kontrollierten gegenüber einer Fremdkontrolle allgemein Stößenreuther, S. 93. 856

857 Darstellung des Versuches bei Schuppert, Verselbständigte Verwaltungseinheiten, S. 379-381. 13 Jahre später zieht Craig , S. 75f eine zwiespältige Bilanz.

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Wer mit dem Wirtschaftsausschuß 858 und der Europäischen Kommission 859 die politische Wirkung des Beirates bejaht, 860 kann ihm daher auch legitimierende Kraft zuerkennen. Die Gewichtsverschiebung zugunsten des Parlaments stellt dann weniger eine Mißachtung der Gewaltenteilung als eine Stärkung des demokratischen Prinzips dar. Die beiratliche Kontrolle bildet einen weiteren Faden im Legitimationsstrang, der Parlament und Handeln der Regulierungsbehörde miteinander verbindet. Der ministeriell vermittelte Verantwortungsnexus zwischen Parlament und Verwaltung wird um einen unmittelbaren Zugang ergänzt. Damit vermag der Beirat einer Legitimationsverdünnung entgegenzuwirken. Die Regulierungsbehörde wird, auch soweit sie weisungsfrei gestellt sein sollte, keine Zone verminderter Kontrolldichte. 861

4. Fazit Das institutionelle Arrangement der Regulierungsbehörde hält mit dem Beirat, einem justizähnlichen Verfahrensrecht und über das öffentlich-rechtliche Amtsverhältnis der Präsidenten Legitimationsreserven bereit. Diese verstärken die Weisungsbefugnis dort, wo sie besteht, und fuhren insoweit im Vergleich zum Ministerialmodell vielleicht sogar zu einem Legitimationsüberschuß. 862 Hier wäre keine Legitimationsverdünnung, sondern eine „Legiiimationsverdikkung" zu konstatieren. Wo die Weisungsbefugnis fehlt, läßt sich ggf. aus diesen Legitimationsreserven heraus ein Legitimationsniveau erreichen, das dem verfassungsrechtlich Gebotenen entspricht. Die Regulierungsbehörde verfügt also über die institutionelle Kapazität, im ministerialfreien Raum zu agieren. Ob sie in diesen Raum entlassen wird, entscheidet sie nicht selbst. Hier ist eine letzte verfassungsrechtliche Rahmenbedingung zu beachten:

858 Vgl. Stellungnahme des Wirtschaftsausschusses, wiedergegeben im Ausschußbericht, BT-Drs. 13/4864, S. 72. 859 Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1997, S. 24. 860 So z.B. Ladeur, K & R 1998, 479 (486). 861 Formulierung bei Achterberg, Parlamentsrecht, S. 438. Dazu Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 111 Fn. 375. Allgemein für ministerialfreie Räume ebenso Sodan, S. 405. 862 Verfassungsrechtlich ist nur ein Mindestniveau gefordert. Vgl. Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 288 Fn. 98.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

H. Der institutionelle Gesetzesvorbehalt für die Entlassung in den ministerialfreien Raum Da Art. 87f GG die Weisungsfreiheit nur rechtfertigt, aber nicht verlangt, eröffnet er eine organisatorische Option. Sie müßte der Gesetzgeber ausgeübt haben. 863 Denn für die Freistellung von Weisungen gilt der sog. organisatorische oder institutionelle Gesetzesvorbehalt. Er ist zudem im Beamtenrecht festgeschrieben. 864 Die Exekutive kann sich nicht selbst freizeichnen. 865 Dies folgt aus den Überlegungen der Verzichtstheorie 866 ebenso wie aus dem Rechtsgedanken des Art. 86 GG. Überzeugend ist vor allem die Herleitung aus dem allgemeinen Gesetzesvorbehalt, der es erfordert, wesentliche Fragen auch der Organisation parlamentarisch zu regeln. 867 Ob die Weisungsbindung nur durch eine ausdrückliche gesetzliche Regelung aufgehoben werden kann, hat das BVerfG bislang nicht entschieden.868 Allerdings entnahm es in der Entscheidung Bremer Personalvertretungsgesetz dem Normzusammenhang ohne weiteres, daß die Einigungsstelle endgültig und damit weisungsfrei entscheide.869 Gleiches gilt für die Entscheidung zu den Steuerausschüssen. 870 Eine ausdrückliche Ausnahme ist auch nach den in der Literatur zu findenden Stellungnahmen nicht erforderlich. 871 Es genügt demnach, 863

Vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 86 Rnr. 3: gesetzliche oder gewohnheitsrechtliche Grundlage; ebenso Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rnr. 70; Bull, in: Alternativkommentar, Art. 86 Rnr. 27: gesetzliche Bestimmung; ebenso Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. I, § 22 Rnr. 24; ders., Organisationsgewalt, S. 96 f; Schmidt-Aßmann, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht, S. 9 (62); Oebbecke, S. 23; Dreier, S. 285; Müller, Rechtsformenwahl, S. 240; Klein, S. 216 f; Müller, JuS 1985, 497 (504), dort auch zur Schaffung ministerialfreier Räume durch Rechtsverordnung. 864 Vgl. § 37 S. 2 BRRG; § 55 S. 2 BBG. 865 So Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 65 Rnr. 99. 866 Vgl. nur Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 65 Rnr. 101. 867 Schmidt-Aßmann, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht, S. 9 (62). Burmeister, S. 317; Müller, Rechtsformenwahl, S. 225; Ruffert, DÖV 1998, 897 (905 f); grundlegend Groß, Kollegialprinzip, S. 270 ff. 868 § 10 GJS entband die Mitglieder der Bundesprüfstelle ausdrücklich von Weisungen, vgl. BVerfG E 83, 130 (150) - Mutzenbacher -; § 2 Abs. 3 S. 3 GO-SchleswigHolstein lautete: „Die Hauptsatzung soll ... bestimmen, daß die Gleichstellungsbeauftragte in Ausübung ihrer Tätigkeit unabhängig ist ...", vgl. BVerfG E 91, 228 (244) Kommunale Gleichstellungsbeauftragte -. § 53 Abs. 3 S. 3 M B G Schl.-H. sah vor, daß die Mitglieder der Einigungsstelle ihr Amt unabhängig und frei von Weisungen ausüben, vgl. BVerfG E 93, 37 (46) - Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein -. 869

Vgl. BVerfG E 9, 268 (279) - Bremer Personalvertretungsgesetz Vgl. BVerfG E 22, 106 (111) - Steuerausschuß -; Klein, S. 87. 871 Vgl. Burmeister, S. 305-316; Klein, S. 217; Rodegra, S. 182f; Müller-Terpitz, ZG 1997, 257 (271 f)· Sodan, S. 471 hält eine gesetzliche Regelung sogar für entbehrlich, solange sich die Ministerialfreiheit auf ein eng abgegrenztes Spezialgebiet beschränkt. 870

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daß sich die Weisungsfreiheit mit den anerkannten Auslegungsmethoden zweifelsfrei nachweisen läßt. 872 Allerdings wird dem historischen Gesetzgeber die Weisungsfreistellung regelmäßig dadurch erschwert, daß das Ausmaß des verfassungsrechtlich Zulässigen ungewiß ist. Diese Ungewißheit macht sich gelegentlich die gesetzesvorbereitende Ministerialbürokratie zunutze, um die Ministerialfreiheit unter Kautelen zu stellen. 873 Dies gilt insbesondere für das Telekommunikationsrecht: Hier bezeichnete § 15 Abs. 1 PTRegG die früheren Beschlußkammern ausdrücklich als „unabhängig", während die Gesetzesbegründung die ministerielle Ressortverantwortlichkeit betonte. 874 Umgekehrt verhält es sich mit dem TKG: Obwohl die Begründung die Unabhängigkeit der Beschlußkammern betont, 875 hält der Normtext sie nicht ausdrücklich fest. Die Auslegung des Gesetzes wird daher mit aller Vorsicht vorgehen müssen und nach Organen und Funktionen unterscheiden. Zuvor ist ein verfassungsrechtliches Zwischenergebnis festzuhalten:

I. Zwischenergebnis Im Gebot bundeseigener Verwaltung nach Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG und in den Bedingungen der Ministerialfreiheit sind die verfassungsrechtlichen Eckdaten für die politische Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde gesetzt. Sie sind wie folgt zusammenzufassen: Im Einklang mit Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG ordnet das TKG die Regulierungsbehörde als Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundeswirtschaftsministeriums dem Bund zu (§ 66 Abs. 1 TKG). Die Behörde steht institutionell und personell in der Nachfolge des Postministeriums. Verfahrensrechtlich teilt sie sich die politikentwickelnden Zuständigkeiten mit dem Ministerium. Sie verfügt über eine beträchtliche Informationsmächtigkeit. Das zu vollziehende Gesetz kann sie inhaltlich weiter ausfüllen. Insofern sind trotz des Gebotes bundeseigener Verwaltung deutliche Tendenzen zur politischen Verselbständigung zu erkennen.

872 BVerfG E 83, 130 (151)- Mutzenbacher - läßt es dem Bestimmtheitserfordernis hinsichtlich der Zusammensetzung der Prüfstelle genügen, wenn „Auslegungsprobleme mit den herkömmlichen juristischen Methoden bewältigt werden können." 873 Vgl. Herzog,, in: Maunz/Dürig, Art. 65 Rnr. 100. 874 Vgl. Fraktionsentwurf, BT-Drs. 12/6718, S. 110. Der Regierungsentwurf, BTDrs. 12/7220 ist textgleich. Zur Ressortverantwortlichkeit nach dem BAPostG Fraktionsentwurf, BT-Drs. 12/6718, S. 77 Zu § 2. 875 Vgl. Bericht des Postausschusses, BT-Drs. 13/4864, S. 82 Zu § 77 Abs. 1.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

Die Schlüsselfrage nach der Bindung der Behörde an ministerielle Einzelweisungen beantwortet das TKG nicht ausdrücklich. Ein verfassungsrechtlicher Grundsatz der Weisungsbindung fuhrt zunächst nicht weiter. Er kennt in allen vertretenen Lesarten Ausnahmen. Entstehungsgeschichte und Systematik des Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG legen eine solche Ausnahme nahe. Eine Distanzierung der Regulierungsbehörde vom weisungsförmlichen tagespolitischen Einfluß würde die Autonomie des hauptsächlich regulierten Unternehmens befestigen und damit dessen Hinwendung zur Privatwirtschaftlichkeit unterstützen (Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG, Art. 143b Abs. 1 S. 1 GG). Auch das Vertrauen der neu hinzutretenden Wettbewerber auf den ordnungspolitischen Modellwechsel, den Rückzug des Staates auf die Gewährleistungsverantwortung (Art. 87f Abs. 1 GG) würde gestärkt. Schließlich ist die politische Verselbständigung dort eine zwingende Folge der funktionellen Unabhängigkeit, wo das Ressortprinzip in der Trennung staatseigener Interessen versagt. Sinnfälligen Ausdruck fände eine politische Verselbständigung der Regulierungsbehörde in ihrer Entlassung aus der Einzelweisungshierarchie. Eine Abkoppelung vom ministeriellen Weisungsstrang hätte eine Symbolwirkung, die in vergleichbarer Weise von der Unabhängigkeit angloamerikanischer Regulierungsbehörden ausgeht. Eine Auflösung der Weisungsbindung wäre verfassungsrechtlich hinnehmbar. Das Grundgesetz unterfängt Weisungsbefugnis und Ministerialmodell zwar normativ. Es verabsolutiert sie in ihren Funktionen aber nicht. 876 Als Faktor der Anbindung bundeseigener Verwaltung nach den Art. 86 ff GG läßt sich die Weisungsbindung durch andere Faktoren institutioneller, personeller, formeller und materieller Zuordnung vertreten. Die Regulierungsbehörde bleibt auch im ministerialfreien Raum bis auf weiteres bundeseigen. Als Leitungsinstrument nach Art. 65 S. 2 GG ist die Weisungsbefugnis nur unabdingbar, soweit sie den Kernbereich exekutivischer Leitungsbefugnisse ausmacht. Es darf daher nicht die Telekommunikationsverwaltung als solche der Regierung entzogen oder die ministerielle Einwirkung ihrer Substanz gänzlich entledigt werden. Im Kontext des Art. 20 Abs. 2 GG kommt der Weisungsbefugnis weiterhin sowohl legitimationsbedingende als auch legitimationsvermittelnde Wirkung zu. Als Bedingung ministerieller Legitimation ist die Weisungsbefugnis nicht unentbehrlich. Denn die ministerielle Verantwortlichkeit gegenüber dem Parlament beruht nicht unmittelbar auf dem Weisungsrecht. Ihr Anknüpfungspunkt ist das Ressortprinzip. Dieses bündelt eine Reihe struktureller Einwirkungsbe876 Gegen eine verfassungsrechtliche Überhöhung des Ministerialmodells entschieden Groß, Kollegialprinzip, S. 269. Zurückhaltend auch Schmidt-Aßmann, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht, S. 9 (23); Krebs, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 69 Rnr. 81.

2. Abschnitt: Die weisungsgebundene Verwaltung

3

fügnisse. Das TKG behält dem Minister etwa die Kompetenz zu allgemeinen Weisungen (§ 66 Abs. 5 TKG), einen Teil der Geschäftsordnungsgewalt (§ 66 Abs. 2 S. 2 TKG, § 73 Abs. 1 S. 2 TKG) und die Personalgewalt vor. 8 7 7 Auch ohne Einzelfallweisungsrecht bleibt die Ressortzuständigkeit substantiell erhalten. Als Vermittlung ministerieller Legitimation erlaubt es die Weisungsbefugnis den nachgeordneten Entscheidungsträgern, an der personellen und sachlichinhaltlichen Legitimation der Regierung teilzunehmen. Allerdings muß der Gesetzgeber dann, wenn sich andere effektive Legitimation über die Weisungsbefugnis nicht herstellen läßt, alternative Legitimationsmuster entwickeln. Die grundsätzliche Bedeutung der Weisungsbindung läßt sich dabei bewahren, wenn das Ministerialmodell nicht als rein formaler Standard aufgefaßt wird. In seinem materiellen Gehalt wird es für die Bestimmung des Legitimationsniveaus fruchtbar. Falls eine Organisation auf die Weisungsbefugnis verzichtet, muß sie ein Legitimationsniveau erreichen, das dem einer idealtypisch gedachten Ministerialverwaltung entspricht. Das TKG sorgt mit verschiedenen Arrangements für eine Ausnahme von der Weisungsbindung vor: Das justizähnliche Verfahren (§§ 73 ff TKG) setzt formelle Entscheidungsprämissen, die ihrerseits Elemente sachlich-inhaltlicher Legitimation sind. Daher ist eine Rücknahme der Weisungsbefugnis im Beschlußkammerverfahren denkbar. Das öffentlich-rechtliche Amtsverhältnis (§ 8 PersBG iVm. § 66 Abs. 3 TKG) verleiht den Präsidenten der Behörde besondere personelle Legitimation. Sie kann dort einsetzen, wo die materielle Legitimation nicht hinreicht. Zuletzt erstreckt der Beirat parlamentarische Kontrolle in die Regulierungsbehörde hinein (§§ 67 ff TKG). Er bildet eine Legitimationsreserve für den Fortfall der Weisungsbefugnis. Indes kann sich die Regulierungsbehörde nicht von sich aus in den ministerialfreien Raum hinauswagen. Sie bedarf dazu einer gesetzlichem Ermächtigung. Dem institutionellen Gesetzesvorbehalt genügt es, wenn das TKG die Weisungsfreiheit schlüssig voraussetzt. Dies ist für die einzelnen Organe zu ermitteln.

877 Zur Personalgewalt vgl. BMWi, Anordnung über die Ernennung und Entlassung von Beamten im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft v. 1.12.1997, BGBl. I, 1997. Danach wird die Befugnis zur Ernennung und Entlassung von Beamten bis zur Besoldungsstufe A 13 widerruflich und vorbehaltlich besonderer Fälle auf die Regulierungsbehörde delegiert.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

Dritter Abschnitt

Die politische Unabhängigkeit der Organe Aus den verfassungsrechtlichen Überlegungen ergibt sich ein Prüfungsprogramm, das die einfachgesetzlich gewollte und mögliche politische Unabhängigkeit in der Regulierungsbehörde erfassen soll. Die Untersuchung wird dazu die Regulierungsbehörde als organisatorische Klammer auflösen und sich ihren einzelnen Organen zuwenden müssen.878 Sie sind die Entscheidungsträger und damit die organisatorischen Anlegepunkte des Legitimationsniveaus. Zugleich sind sie die Fluchtpunkte der verschiedenen im TKG angesprochenen Legitimationsgefüge. Das Gesetz weist Entscheidungsbefugnisse innerhalb der Regulierungsbehörde ihrem Präsidenten als Leiter (§ 66 Abs. 2 S. 1 iVm. § 71 TKG, dazu A), den Beschlußkammern (§ 73 Abs. 1 TKG, dazu B) und der Präsidentenkammer (§ 73 Abs. 3 TKG, dazu C) zu. Jedem Organ sind wiederum verschiedene, auch in sich unterschiedliche Entscheidungstypen zugeordnet. 879 Inwieweit diese Entscheidungen weisungsfrei getroffen werden sollen, ist zunächst durch Auslegung des TKG zu ermitteln, dann aber anhand der verfassungsrechtlichen Eckwerte zu überprüfen. Einfachgesetzliche Anordnung und verfassungsrechtliche Zulassung bestimmen gemeinsam den rechtlich möglichen Grad politischer Unabhängigkeit. In der Summe nimmt das Organisationsrecht nicht die Behörde zum Bezugspunkt politischer Unabhängigkeit, sondern ihre Organe. Es ist nicht die Regulierungsbehörde, die ihre Selbständigkeit den Organen mitteilt, sondern es sind die Organe, die ihre Autonomie in der Behörde zusammenführen. Sie sind die Träger einer politischen Verselbständigung innerhalb der Behörde und über sie hinaus (D).

878 Zum Begriff des Organs vgl. Wolff in: Wolff/Bachof II, § 74 I f, S. 48 ff, und die Auseinandersetzung hiermit bei Ernst-Wolf gang Böckenförde, Organ, Organisation, Juristische Person, in: Christian-Friedrich Menger (Hrsg.), FS-Wolff, München 1973, S. 269 (282 ff). Mit Wolff wären die nachstehenden Einheiten wohlmöglich präziser als „Organteil" zu charakterisieren, da ihnen zwar eigenständige Zuständigkeiten zugewiesen sind, sie aber wiederum in die Regulierungsbehörde integriert sind, über die ihr Handeln dem Bund als Rechtsträger zugerechnet wird. Indessen treten sie nach außen selbst als entscheidende Organisationseinheiten in Erscheinung, innerhalb derer keine weitere organisationsrechtliche Arbeitsteilung stattfindet. Zu dieser handlungsbezogenen Definition vgl. Böckenförde, aaO., S. 298 (Fn. 96). 879

Vgl. Welz, S. 196-199, der aus verwaltungswissenschaftlicher Sicht zwischen völlig eigenständig wahrgenommenen nicht-hoheitlichen Aufgaben (z.B. Statistik); weithin eigenständig wahrgenommenen, richtliniengeprägten und lediglich einer Anlaßfachaufsicht unterliegenden Regelaufgaben; hoch typisierten und formalisierten, daher kaum Raum zur eigenständigen Entscheidung bietenden Routineaufgaben und regelmäßig ministeriellen Aufgaben politischer Brisanz unterscheidet.

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

349

A. Der Präsident, § 66 Abs. 2 S. 1 T K G Das Organ, dem als Leiter das Gesetz alle die Funktionen der Regulierungsbehörde zugeordnet sind, die nicht den Beschlußkammern zufallen, ist ihr Präsident. 880 Dessen außenwirksame Funktionen sind zunächst darzustellen und auf ihr Entscheidungsmuster hin zu untersuchen (I). Ihnen korrespondiert eine hierarchische Binnengliederung der Behörde (II). Daher steht in Frage, inwieweit in diesen Entscheidungen der Präsident seinerseits von Gesetzes wegen Einzelweisungen des Ministers unterliegt (III) und ob der Minister ggf. auf die Ausübung eines solchen Weisungsrechts verzichten kann (IV). Zusammenfassend läßt sich so feststellen, welche Möglichkeiten sich für eine politische Verselbständigung des Präsidenten als Organ der Marktaufsicht bieten (V).

1. Der Präsident als fachliche Marktaufsicht Die gesetzlichen Zuständigkeiten der Regulierungsbehörde nach dem TKG lassen sich - soweit sie nicht den Beschlußkammern zugewiesen sind - grob in drei Gruppen einteilen: In der Zulassung von Geräten und der Lizenzierung von Diensten fungiert die Behörde als Genehmigungsbehörde (1); in der Zumessung von Frequenzen, Rufnummern und Wegerechten ist sie Verteilungsbehörde (2); in der Überwachung der Informationssicherheit und des Kundenschutzes erfüllt sie Aufgaben einer Aufsichtsbehörde (3). Die jeweiligen Entscheidungsmuster sind im folgenden darzustellen und typologisch zwischen den eher wettbewerbsneutralen Tätigkeiten einer sektorspezifischen Fachbehörde 881 und den eher wettbewerbssichernden, privatisierungstypischen und kartellrechtsähnlichen Tätigkeiten einer allgemeinen Wettbewerbsaufsicht 882 zu einzuordnen. 883 Rücken ihre Zuständigkeiten die Regulierungsbehörde in die Nähe des

880

Vgl. § 66 Abs. 2 TKG. Vgl. dazu BAPT, Ein Portrait, Mainz 1995, als Selbstdarstellung des Bundesamtes für Post und Telekommunikation. 882 Vgl. dazu den Organisationsplan des Bundeskartellamtes v. November 1996, WuW 1996, 971 und Bund transparent+aktuell, F 44, S. 509. 883 Mit Brohm, in: Mestmäcker (Hrsg.), Kommunikation II, S. 253 (254f) sind begrifflich zu unterscheiden: (1) Die Allgemeine Wirtschaftsaufsicht oder Staatsaufsicht im weiteren Sinne als die Gesamtheit aller staatlichen Einrichtungen und Maßnahmen zur Einwirkung auf die Wirtschaft. Zu ihr zählen namentlich die allgemeine Ordnungsverwaltung und das Wettbewerbs- und Kartellrecht. (2) Die fachspezifische Wirtschaftsaufsicht, die sich durch besondere Behörden oder sektorspezifisch verselbständigte Verwaltungseinheiten vollzieht. Sie soll nach Brohm, aaO., S. 260, typischerweise durch Organisation ordnen, die allgemeine Wirtschaftsaufsicht hingegen durch Normen. Zur Einordnung der Regulierung nach dem TKG zwischen sektorspezifisch verdichteter Wirtschaftsaufsicht und Wettbewerbsaufsicht vgl. Grämlich, Entwicklungen der staatlichen Wirtschaftsaufsicht: Das Telekommunikationsrecht als Modell, VerwArch 88 881

3

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

Bundeskartellamts, wäre daraus ein typologisches Argument für die Unabhängigkeit ihres Präsidenten zu gewinnen.

1. Die Regulierungsbehörde als Genehmigungsbehörde Als Genehmigungsbehörde entscheidet die Regulierungsbehörde zunächst darüber, welche Unternehmen und Produkte Zugang zu den Telekommunikationsmärkten erhalten. Das TKG unterscheidet dabei drei verschiedene Zugangsregime: Für den Betrieb von Übertragungswegen und das Angebot von Sprachtelefondienst auf der Basis selbst betriebener Netze, also im wesentlichen den Bereich des früheren Netz- und Sprachdienstmonopols, ist eine Lizenz erforderlich (§§6 ff TKG, dazu a)). Das Angebot nicht lizenzpflichtiger Telekommunikationsdienstleistungen ist hingegen der Behörde lediglich anzuzeigen (§ 4 TKG, dazu b)). Die nötigen Endgeräte und die sie wartenden Personen bedürfen einer Zulassung (§§ 59 ff TKG, dazu c)).

a) Die Lizenzierung nach §§ 6 ff TKG Die Lizenz ist die rechtliche Voraussetzung für den Betrieb von Übertragungswegen und für das Angebot von Sprachtelefondiensten auf der Basis selbst betriebener Netze. 884 Sie tritt an die Stelle der Verleihungen nach FAG. 8 8 5 Deswegen könnte ihr eine ähnliche zentrale Bedeutung für die Regulierung des Marktzutritts zukommen. 886 Indes ist zwischen zwei Lizenzierungsverfahren zu unterscheiden: Dem allgemeinen Verfahren nach § 8 TKG und seiner besonderen Ausgestaltung nach § 11 TKG. Das besondere Verfahren kann die Präsidentenkammer dann durch(1997), 598 (599-604) und insbesondere zur ,,zweispurige[n] Aufsicht" S. 641. Eine ähnliche Fragestellung in der Abgrenzung von Kartellrecht und Fachrecht verfolgten in der Vorbereitung des TKG z.B. an Mestmäcker/Witte, Gutachten zur Zuständigkeit für die Verhaltensaufsicht nach dem dritten und vierten Teil des Referentenentwurfs für ein Telekommunikationsgesetz (TKGE), Hamburg und München v. 22.11.1995 und Monopolkommission, Sondergutachten 24, Tz. 26-31; in seiner Bewertung Niederleithinger, in: FS-Mestmäcker, S. 683 (689-695). Vgl. auch die Typologie von Gunnar Folke Schuppert, Staatsaufsicht im Wandel, DÖV 1998, 831. 884 § 6 Abs. 1 TKG. Vgl. Wolfgang Spoerr/Markus Deutsch, Das Wirtschaftsverwaltungsrecht der Telekommunikation - Regulierung und Lizenzen als neue Schlüsselbegriffe des Verwaltungsrechts?, DVB1. 1997, 300; Bernd Grzeszick, Lizenzvergabe nach dem Telekommunikationsgesetz, Z U M 1997, 911; Norbert Nolte , Lizenzierung von Telekommunikationsunternehmen, CR 1996, 459. 885 Zum Vergleich mit dem FAG siehe Nolte , CR 1996, 459 (459). 886 Vgl. zur Lizenz als Marktzugangsvoraussetzung Spoerr/Deutsch, DVB1. 1997, 300 (303).

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

351

fuhren, wenn die lizenzpflichtige Nutzung auf knappe Frequenzen angewiesen ist und deswegen eine Auswahl unter mehreren Bewerbern getroffen werden muß. 887 Dies ist aber nur für einige, funkgestützte Dienste der Fall. Daher soll die Erörterung dieses besonderen Lizenzverfahrens dem Abschnitt über die Präsidentenkammer vorbehalten bleiben. 888 Alle anderen lizenzpflichtigen Anbieter unterliegen dem allgemeinen Verfahren. Sie beantragen ihre Lizenz bei der Regulierungsbehörde. Diese wird zunächst die zwingenden Versagungsgründe mit prognostischem Einschlag prüfen. Hier baut § 8 Abs. 3 TKG die allgemein gewerberechtlichen Kriterien der Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Fachkunde telekommunikationsspezifisch aus. 889 Zwar sind gemäß § 8 Abs. 2 S. 1 TKG auch die Regulierungsziele „bei der Lizenzerteilung" zu beachten. Sie könnten in ihrer Weite manchen Versagungsgrund hergeben. 890 Systematisch befaßt sich Abs. 2 jedoch mit Nebenbestimmungen, setzt also die Lizenzerteilung gerade voraus. § 8 Abs. 2 S. 1 TKG ist zudem erst im Vermittlungsverfahren in den Gesetzestext gelangt, ohne daß der Vermittlungsausschuß die Aussage der Entwurfsbegründung, auf die Lizenz bestehe ein Anspruch, entkräftete. 891 Es entspricht daher der gesetzlich 892 und grundgesetzlich gewollten Marktöffnung 893 und nicht zuletzt den Vorgaben der Diensterichtlinie und der Lizenzrichtlinie, 894 den Antragstellern einen Anspruch auf Lizenzerteilung einzuräumen. Das mit der Lizenz erworbene Recht kann fernerhin nach Maßgabe des § 9 TKG übertragen werden; 895 § 15 TKG erweitert die allgemeinen Widerrufsgründe nach § 49 VwVfG nur um ein geringes. 896 Die Lizenzpflicht normiert demnach ein präventives Verbot mit Genehmigungsvorbehalt. 897

887

Vgl. § 10TGK. Unten S. 421 ff. 889 Vgl. Nolte , CR 1996, 459 (461); Spoerr/Deutsch, DVB1. 1997, 300 (306). Dort auch zum Gefahrenbegriff nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 b) TKG. Gegen die Annahme eines Beurteilungsspielraums Nolte , CR 1996, 459 (466). 890 Zum folgenden Spoerr/Deutsch, DVB1. 1997, 300 (306). 891 Vgl. Fraktionsentwurf, BT-Drs. 13/3609, S. 38; Vermittlungsausschuß, BT-Drs. 13/5066, S. 3. 892 § 1 TKG. 893 Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG. 894 Vgl. Art. 2 Abs. 2 S. 1; Art. 3 S. 4 Diensterichtlinie. Dazu Grzeszick, Z U M 1997, 911 (914); Nolte, CR 1996, 459 (461). Vgl. weiter Art. 5 Abs. 1 Genehmigungsrichtlinie. 895 Vgl. Spoerr/Deutsch, DVB1. 1997, 300 (304). 896 Vgl. Fraktionsentwurf, BT-Drs. 13/3609, S. 40 Zu § 14; Kerkhoff, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 15 Rnr. 4. 897 Es handelt sich um eine gebundene Kontrollerlaubnis mit leistungsrechtlichem Annex. So Spoerr/Deutsch, DVB1. 1997, 300 (307 u. 309); Schütz, in: Beck'scher TKG888

3

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit Inhaltlich umschreibt die Lizenz die genehmigte Tätigkeit r ä u m l i c h 8 9 8 und

nach Maßgabe der jeweiligen Lizenzklasse auch gegenständlich. 8 9 9 Die Einteilung in Lizenzklassen ist aber eher eine verwaltungstechnische H i l f e , 9 0 0 namentlich zur Bemessung der anfallenden Gebühren 9 0 1 und der Unterwerfung unter die Entgeltregulierung. 9 0 2 Sie verharrt noch in der von der Monopolabgrenzung herrührenden angebotsorientierten und technisch bestimmten Perspektive. 9 0 3 Das Europarecht trifft hingegen bereits jetzt übergreifende Regelungen, die das überkommene deutsche Lizenzklassenschema außer Acht lassen. 9 0 4 Den Weg zu einer ähnlichen nachfragebestimmten, wirtschaftlich sinnvollen Abgrenzung öffnet das T K G über die Verbindung der Lizenzklassen nach § 8 Abs. 4 T K G . 9 0 5 Demnach versteht es selbst die Lizenzklassen nicht als abschließend. M i t der Lizenz verbinden sich über die reine Erlaubnis hinaus weitere Rechte und Pflichten. 9 0 6 Diese knüpfen aber nicht ausschließlich an die Lizenz-

Kommentar, § 8 Rnr. 38, § 6 Rnr. 3; Scherer, NJW 1996, 2953 (2955); Grämlich, VerwArch 88 (1997), 598 (631); Scheurle/Lehr/Mayen, Einführung, S.5; Windthorst, Universaldienst, S. 452 f, sowie Nolte, CR 1996, 459 (461); Grzeszick, Z U M 1997, 911 (913 u. 924); letztere mit Vorbehalten zu den - hier nicht behandelten - Fällen der Frequenzknappheit. Zur Legaldefinition als Erlaubnis vgl. § 3 Nr. 7 TKG, der aber auch die Lizenzerteilung nach §§ 10, 11 TKG erfaßt. 898 Vgl. § 8 Abs. 1 S. 2 TKG. Anregungen des Bundesrates, Lizenzen infrastrukturell zuzuschneiden, blieben ohne Resonanz. Vgl. Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 12/4438, S. 8 Nr. 16. Dazu Twickel, NJW-CoR 1996, 226 (228). 899 § 6 Abs. 2 TKG. 900 So die Formulierung in Fraktionsentwurf, BT-Drs. 13/3609, S. 37 Zu § 6. 901 Vgl. Telekommunikations-Lizenzgebührenverordnung (TKLGebV) v. 28.7.1997, BGBl. I, S. 1936. Dazu Scherer, NJW 1998, 1607 (1609 f). Die europarechtliche Brisanz des Themas ist lediglich zu erahnen bei Jörn Heimlich, Die Abgabepflichten des Telekommunikationsgesetzes, N V w Z 1998, 122. Vgl. Raimund Schütz/Jan-Peter Nüskens, Gebühr für Telekommunikationslizenz, M M R 1998, 523. 902 Vgl. § 25 Abs. 1 TKG, der nur Dienste der Klassen 3 und 4 der Entgeltgenehmigung unterwirft. Dazu auch Grzeszick, Z U M 1997, 911 (912). 903 Aus Sicht des nachfragenden Kunden ist es von geringer Bedeutung, ob sein Telefon über terrestrischen oder Satelliten vermittelten Funk (Klassen 1 u. 2) oder über Kabel (Klasse 3) erreicht wird, solange die übrigen Leistungsmerkmale austauschbar sind. 904 So sind sowohl die Genehmigungs- als auch die Zusammenschaltungsrichtlinie bereits technologieneutral gefaßt. Unterschwellige Kritik an der „stark technikgeprägten „Lizenzklassen"-Einteilung" auch bei Scherer, NJW 1998, 1607 (1608). 905 Neben Bemühungen, Mobil- und Festnetzdienste der Klassen 2 und 3 miteinander zu verbinden, erfordern auch satellitengestützte persönliche Kommunikationsdienste eine Verbindung der Lizenzklassen 1 und 2. Vgl. BMPT, Mitteilungen Nr. 107/1997, Eckpunkte zur Regulierung von Übertragungswegen für satellitengestützte persönliche Kommunikationsdienste (S-PCS), ABl. BMPT 20/1997, S. 1021; Scherer, NJW 1998, 1607(1609). 906 Mit der Übertragungswegelizenz geht ein Wegenutzungsrecht einher (§ 50 Abs. 2 S. 1 TKG); der Lizenznehmer kann grundsätzlich die erforderlichen Frequenzen verlan-

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

35

pflichtigkeit einer Tätigkeit an. Der Schutzbereich der jeweils einschlägigen N o r m kann durchaus von dem des § 6 Abs. 1 T K G verschieden sein. So kann auch ein Anbieter von Sprachtelefondienstleistungen, der kein eigenes Netz betreibt und daher nicht lizenzpflichtig ist, Rufnummern benötigen 9 0 7 und den Datenschutzbestimmungen unterfallen. 9 0 8 A u c h verschiedene Pflichten eines Lizenznehmers ergeben sich nicht erst aus der Lizenz, sondern bereits aus den speziellen Vorschriften des T K G . 9 0 9 Die Lizenzpflicht ist also nicht das allein maßgebliche Tatbestandsmerkmal des Gesetzes. Trotz ihrer in Aussagekraft und Anknüpfungswirkung beschränkten Tragweite sollte die Lizenz noch nach den Vorstellungen des Eckpunktepapiers das zentrale Instrument sein, die Regulierungsziele zu verwirklichen. 9 1 0

Diese

möglicherweise aus dem britischen V o r b i l d 9 1 1 zu erklärende lizenzzentrierte

gen (§ 8 Abs. 5 TKG). Dazu Schütz, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 8 Rnr. 5\; Spoerr/Deutsch, DVB1. 1997, 300 (304f). Sind keine Frequenzen vorhanden, ist bereits die Lizenz zu versagen (§ 8 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 TKG). Sind die Frequenzen knapp, kann die Zahl der Lizenzen beschränkt und so die Auswahl bereits im (besonderen) Lizenzierungsverfahren vorgenommen werden (§§ 10, 11 TKG). Lizenzerteilung und Frequenzzuteilung erfolgen aber regelmäßig in zwei getrennten Verwaltungsakten, so daß die gebührenpflichtige Zuteilung erst dann ausgesprochen wird, wenn die Frequenz tatsächlich benötigt wird (vgl. § 47 Abs. 5 S. 1; § 48 Abs. 1 S. 1 TKG). Begehrt ein Lizenznehmer Zugang zum Netz des marktbeherrschenden Anbieters, steht seine persönliche Zugangsberechtigung bereits fest (§ 35 Abs. 3 S. 2 TKG). Aus den umfangreichen Pflichten des Lizenznehmers seien nur die Gebührenpflicht (§ 16 Abs. 1 S. 1 TKG), die potentielle Pflicht zur Universaldienstleistungsabgabe (§ 18 Abs. 1 TKG) und die Pflicht, allgemeine Geschäftsbedingungen vorzulegen (§ 23 TKG), genannt. Weitere Bereitstellungspflichten knüpfen an das lizenzpflichtige Angebot von Sprachtelefondienst an (zur Bereitstellung von Notrufmöglichkeiten § 13 TKG; zur Übermittlung von Teilnehmerdaten § 12 TKG; zur Datenverarbeitung § 89 Abs. 2 TKG) oder setzen den regelmäßig ebenfalls lizenzpflichtigen Betrieb eines Netzes voraus (vgl. zu Nummernportabilität und Preselection § 43 Abs. 5 u. 6 TKG; zur Zusammenschaltung §§ 36-38 TKG). Als Anlagenbetreiber oder Diensteanbieter muß der Lizenznehmer schließlich Datenschutz und Informationssicherheit sicherstellen, dazu einen Sicherheitsbeauftragten bestellen und ein Sicherheitskonzept vorlegen (§ 87 Abs. 2 TKG), Überwachungsmaßnahmen ermöglichen (§ 88 TKG) und Auskunftsersuchen Folge leisten (§§ 90-92 TKG). 907

Vgl. § 43 Abs. 3 S. 1 TKG. Vgl. § 89 Abs. 2 TKG. 909 Vgl. die Übersicht bei Roland Doli, in: Jung/Warnecke (Hrsg.), S. 6-50. Die Lizenzurkunden enthalten daher neben Tenor und Begründung „Hinweise" auf diese Vorschriften. Vgl. Anlage 2 zu Vfg 116/1997 Beantragung zum Lizenzen von Übertragungswegen, ABl. BMPT 17/1996, S. 951. 910 Vgl. BMPT; Eckpunkte, S. 8 Ziff. III. 6.: Auflagen zu Zwecken der Netzsicherheit, integrität; - interOperabilität; der Katastrophen- und Krisen Vorsorge; des Datenschutzes; der Sicherstellung und Förderung des Wettbewerbs (Entgelte, Netzzugang, gesellschaftsrechtliche Ausgliederung, besondere Verhaltensauflagen und Rechnungslegungsvorschriften); der Grundversorgung; der Informationssicherheit. Ähnlich auch Spoerr/Deutsch, DVB1. 1997, 300 (303). 911 Dazu oben S. 283 ff. Vgl. auch Leo/Schellenberg, Z U M 1997, 188 (191). 908

23 Oertel

34

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

Sicht setzte sich im Gesetzgebungsverfahren f o r t . 9 1 2 Sie fand ihren Niederschlag zuletzt in § 8 Abs. 2 S. 2 T K G . 9 1 3 Danach können der Lizenz auch nach ihrer Erteilung zur Sicherstellung der Regulierungsziele Nebenbestimmungen beigefügt werden. 9 1 4 Über die Nebenbestimmungen könnte die Lizenz zum handlungsförmlichen Kern verschiedener Lenkungsauflagen w e r d e n 9 1 5 und so die regulatorische Verhaltensaufsicht

konzentrieren. 9 1 6 Indes verweisen die

Vorschriften, in denen das T K G ausdrücklich von einer Auflage spricht, auf den Dritten und Vierten T e i l des Gesetzes und damit auf das Beschlußkammerverfahren 9 1 7 und dessen spezielle Ermächtigungsgrundlagen. 9 1 8 A u c h sonst lassen spezielle Befugnisse den R ü c k g r i f f auf § 8 Abs. 2 T K G entbehrlich erscheinen. 9 1 9 Für eine Verhaltensregulierung über Lenkungsauflagen bietet das Gesetz entgegen einer ursprünglichen Vorstellung des Gesetzgebers nur wenig Raum.920

912 Vgl. Fraktionsentwurf, BT-Drs. 13/3609, S. 34: „Die Lizenzpflicht ist notwendig, weil die Verpflichtungen, denen Lizenznehmer unterliegen, in vielen Bereichen nur einzelfallbezogen beschrieben werden können." Zurückhaltend aber schon der Bundestagsausschuß nach Börnsen, Jahrbuch Telekommunikation und Gesellschaft 1996, 396 (396); Börnsen, Jahrbuch Telekommunikation und Gesellschaft 1997, 367 (370). 913 Vgl. weiter § 82 S. 3 TKG: Nebenbestimmungen nach dem Dritten oder Vierten Teil des Gesetzes; § 32 TKG: Zusammenschlußverbot als Lizenzauflage; § 11 Abs. 7 TKG: Universaldienstauflage. 914 Vgl. zu den möglichen Nebenbestimmungen Grzeszick, Z U M 1997, 911 (921). 915 Vgl. Scholz/Aulehner, Arch PT 1993, 221 (242). 916 Vgl. §71 S. 1 TKG. 917 Vgl. § 82 S. 3 TKG u. § 73 Abs. 1 S. 1 TKG. Die in § 32 TKG und § 11 Abs. 7 TKG genannten Auflagen rechnen ebenfalls dem Dritten Teil zu und betreffen Fälle einer nach § 10 TKG erteilten besonderen Lizenz, über die die Präsidentenkammer entscheidet (§ 73 Abs. 3 TKG). Auch die „Auferlegung" von Universaldienstpflichten, die an eine Auflage denken läßt, erfolgt nach § 19 TKG iVm. § 73 Abs. 3 TKG durch die Präsidentenkammer. Die weiteren Entscheidungen innerhalb des Universaldienstregimes richten sich zwar an Lizenznehmer, dürften aber ebenfalls durch gesonderte Verwaltungsakte ergehen (Vgl. § 20 Abs. 1 S. 1 TKG: Ausgleichsgewähr; § 21 Abs. 2 S. 1 TKG: Festsetzung der Ausgleichsabgabe; § 21 Abs. 4 TKG: Beitreibung der Ausgleichsabgabe; § 22 Abs. 1 S. 1 : Anforderung einer Umsatzmeldung). 918

Aus dem Dritten Teil sind das Widerspruchsrecht nach § 23 Abs. 2 S. 2 u. 3; die Genehmigung nach § 25 Abs. 1 TKG; der Widerspruch nach §§ 25 Abs. 2, 30 Abs. 4 TKG; die Anordnung nach § 31 TKG und die Untersagung nach § 29 TKG zu nennen. Im Vierten Teil bietet vor allem § 33 Abs. 2 u. 3 TKG eine umfassende Ermächtigungsgrundlage für die Mißbrauchsaufsicht, auf die § 34 Abs. 1 u. Abs. 3 sowie § 38 Abs. 2 TKG verweisen. Für die Zusammenschaltung sieht § 37 Abs. 1 TKG die Anordnung vor; § 39 TKG verweist auf die schon erwähnten Vorschriften der Entgeltregulierung. 919 Vgl. § 91 Abs. 1 S. 1 TKG für den gesamten Elften Teil; sowie § 71 S. 2 TKG. Dazu Kerkhoff, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 71 Rnr. 18-20. 920 Zu den Ermessensgrenzen, die die Genehmigungsrichtlinie nationalen Nebenbestimmungen setzt, vgl. Scherer, NJW 1998, 1607 (1609); Windthorst, Universaldienst, S. 429 f. Der Vorstellung des Gesetzgebers näher steht noch die Beurteilung von Spoerr/Deutsch, DVB1. 1997, 300 (306).

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

35

Der gebundenen und auflagenresistenten Natur der allgemeinen Lizenzerteilung entspricht es, die Lizenzentscheidung

im allgemeinen

Verwaltungs-

verfahren zu treffen. 9 2 1 Anfängliche Überlegungen, jegliche Lizenz im Beschlußkammerverfahren zu vergeben, hat der Gesetzgeber korrigiert. 9 2 2 Demzufolge sind weder die besonderen Verfahrensvorschriften chungsbefugnisse

nach

§§ 75-77

TKG

gegeben. 9 2 3

noch die Untersu-

§ 8 Abs. 1 S. 3

TKG

schreibt vor, Lizenzanträge regelmäßig innerhalb von sechs Wochen zu bescheiden. 9 2 4 Damit bleibt angesichts des erheblichen A n d r a n g s 9 2 5 nur wenig Zeit fur eine individualisierte Entscheidung. Lizenzen werden grundsätzlich wie beantragt erteilt. 9 2 6 Bereits das B M P T hatte Verfahren, Antragsunterlagen und Lizenzinhalt in allgemeiner Form geregelt. 9 2 7 Der Präsident hat in der Geschäftsverteilung die Lizenzierung nunmehr zwei Referaten des früheren B A P T anvertraut. 9 2 8 Ihnen steht ein Grundsatzreferat zur Seite. 9 2 9

921 § 1 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG iVm. §§ 9ff VwVfG. Dazu Schütz, in: Beck'scher TKGKommentar, § 8 Rnr. 9. Insoweit ist die Beobachtung Scherers, NJW 1998, 1607 (1609), das Lizenzverfahren nach § 8 TKG sei „verfahrensrechtlich im Telekommunikationsgesetz kaum strukturiert", um den Hinweis auf das allgemeine Verfahrensrecht zu ergänzen. 922 Vgl. Ausschußbericht, BT-Drs. 13/4864, S. 82 Zu § 70, im Anschluß an Bundesrat, BT-Drs. 13/4438, S. 19 Ziff. 75. 923 Allerdings ergänzt § 72 TKG die Vorschriften der §§ 24, 26 VwVfG. Zu ersterem Kerkhoff, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 72 Rnr. 1; zu letzteren aus Sicht des TKG Schütz, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 8 Rnr. 13f. 924 Da die Lizenz auf ein Vorhaben von wirtschaftlicher Bedeutung zielt, greifen auch die Beschleunigungsvorschriften der §§ 71a- e VwVfG. Vgl. Schütz, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 8 Rnr. 9. 925 Anfang 1998 lagen etwa 100 Anträge in den Klassen 3 und 4 vor. 269 Lizenzen waren bereits erteilt worden. Vgl. Reg TP, Mitteilung Nr. 22/1998, Veröffentlichung der Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen einschließlich Lizenznehmer, ABl. Reg TP 2/1998, S. 101 (254). 926 So Fraktionsentwurf, BT-Drs. 13/3609, S. 38 Zu §8. Zustimmend Schütz, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 8 Rnr. 25. 927 BMPT, Vfg 229/1996, Beantragung von Lizenzen für den Sprachtelefondienst auf der Basis selbst betriebener Telekommunikationsnetze (Lizenzklasse 4), ABl. BMPT 30/1996, S. 1767; BMPT, Vfg 116/1996, Beantragung von Lizenzen zum Betreiben von Übertragungswegen, ABl. BMPT 17/1996, S. 951; BMPT, Vfg 193/1997 Beantragung von Lizenzen zum Betreiben von Übertragungswegen für Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit durch den Lizenznehmer oder andere, für die eine Zuteilung von Frequenzen zur Übertragung von Rundfunkprogrammen erforderlich ist, ABl. BMPT 1997, S. 1278. 928 Vgl. Reg TP, Aufgabenbeschreibung, Referat 315 u. 316; Reg TP, Mitteilung Nr. 21/1988, Beantragung von Lizenzen zum Betreiben von Übertragungswegen sowie zum Erbringen von Sprachtelefondienstleistungen; hier: Neue Anschrift für Lizenzanträge, ABl. Reg TP 2/1998, S. 101. 929 Reg TP, Aufgabenbeschreibung, Referat 122.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

Die besondere Beachtung, die die Lizenzierung in der ersten Zeit nach Inkrafttreten des TKG erfahren hat, erklärt sich nach alledem daraus, daß Lizenzpflicht und Lizenzrecht das Ende des rechtlichen Fernmeldemonopols markieren. Die §§ 6 ff TKG eröffnen den rechtlichen Zugang zum Markt. Die Lizenzentscheidung ist jedoch, solange sie nicht die Zuteilung knapper Frequenzen vorwegnimmt, eine gebundene und durch Verwaltungsvorschriften typisierte Erlaubnis. Verhaltensauflagen werden regelmäßig im gesonderten Beschlußkammerverfahren ergehen. Mit der allgemeinen Lizenz verfugt der Präsident daher nicht über ein Instrument, die Marktstruktur oder das Marktverhalten in der Telekommunikation zu bestimmen. Seine Befugnisse als Genehmigungsbehörde verbleiben innerhalb der einer besonderen Gewerbeaufsicht. 930

b) Anzeigepflicht,

§ 4 TKG

Das Angebot von Telekommunikationsdienstleistungen, die nicht lizenzpflichtig sind, ist der Regulierungsbehörde lediglich anzuzeigen.931 So soll die Behörde einen gewissen Marktüberblick gewinnen. 932 Ungeachtet ihrer Bußgeldbewehrung 933 löst die Anzeigepflicht keine inhaltliche Regulierung des angebotenen Dienstes aus.

c) Zulassung, §§ 59 ff TKG Während die Anzeigepflicht im wesentlichen den Markt der Mehrwertdienste erfaßt und die Lizenzierung die öffentliche Telefonie im engeren Sinne zum Gegenstand hat, regelt der Neunte Teil des TKG den Endgerätemarkt. Telefonapparate, aber auch die mit Geräteaufbau, -anschluß und -Wartung betrauten Techniker, unterliegen einem Zulassungsregime. 934 Im Anschluß an die 930

Vgl. Grämlich, VerwArch 88 (1997), 598 (629-631). § 4 TKG. Dazu Nolte, CR 1996, 459 (460). 932 Inwieweit sich die Anzeigepflicht in der Dynamik des Telekommunikationsmarktes überhaupt durchhalten läßt, wurde daher schon bei Inkrafttreten des TKG bezweifelt. Vgl. Scherer, NJW 1996, 2953 (2955). 933 Vgl. § 96 Abs. 1 Nr. 1 TKG. 934 Vgl. §§ 59 Abs. l,Abs. 4 S. 3 TKG. Zum Anspruch auf Personenzulassung, § 63 Abs. 2 S.' 1 TKG. Das unübersichtliche Regelwerk der §§ 59- 64 TKG erschließt sich am besten, indem man zunächst zwischen Personenzulassung nach § 63 TKG iVm. der Verordnung über die Personenzulassung zum Aufbauen, Anschalten, Änderung und Instandhalten von Telekommunikationsendeinrichtungen (Personenzulassungsverordnung - PersZulV) v. 19.12.1997, BGBl. I, S. 3315, und der Gerätezulassung nach §§ 5961 TKG iVm. der Verordnung über die Konformitätsbewertung, die Kennzeichnung, die 931

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

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Endgeräterichtlinie 9 3 5 wurde dieser Markt bereits 1988/89 liberalisiert, so daß die § § 5 9 f f T K G weithin die bisherigen §§ 2a bis 2e F A G übernehmen konnten. Beschränkungen des Marktzutritts dürfen nach dem Europarecht nur aus technischen Gründen erfolgen. 9 3 6 Die grundlegenden Anforderungen, die eine Beschränkung rechtfertigen, und das System ihrer Festlegung und Überwachung harmonisierte die Endgerätekonformitätsrichtlinie 1991. 9 3 7 Sie folgt dem auch anderweitig zur gemeinschaftsweiten Harmonisierung der technischen Standards genutzten Prinzip der „ M o d e l l r i c h t l i n i e " : 9 3 8 Danach definiert das staatliche bzw. gemeinschaftliche Recht grundlegende Anforderungen technischer Sicherheit. 9 3 9 Sie werden wiederum durch nichtstaatliche Normen konkretisiert. 9 4 0 Die Einhaltung dieser Normen läßt vermuten, daß das Gerät den grundlegenden Anforderungen im Sinne des Europarechts genügt. 9 4 1 Daß diese Vermutung zutrifft, stellt der jeweilige Hersteller si-

Zulassung, das Inverkehrbringen und das Betreiben von Funkanlagen, die nicht zur Anschauung an ein öffentliches Telekommunikationsnetz bestimmt sind, und von Telekommunikationseinrichtungen (Telekommunikationszulassungsverordnung) v. 20.8. 1997, BGBl. I , S. 2117, im folgenden ZulVO, trennt. Unter den Geräten ist dann wiederum zu unterscheiden zwischen (1) Telekommunikationseinrichtungen, § 2 Nr. 1 ZulVO, namentlich Endeinrichtungen zum Anschluß an ein öffentliches Telefonnetz (§ 59 TKG iVm. § 3 Nr. 3 TKG; § 2 Nr. 2 ZulVO), Satellitenfunkanlagen zum Anschluß an ein satellitengestütztes Netz (§ 60 TKG iVm. § 2 Nr. 3 ZulVO) und Einrichtungen, die am öffentlichen Netz angeschlossen werden könnten, dafür aber nicht verwendet werden sollen und daher nur mittelbar angeschlossen werden (§ 60 TKG iVm. § 2 Nr. 4 ZulVO), sowie (2) Funkanlagen, die nicht zur Anschaltung an ein Netz bestimmt sind, z.B. CB-Funk, Betriebsfunk, aber ebenfalls einzelnen grundlegenden Anforderungen unterliegen (§61 S. 1 iVm. § 59 Abs. 2 Nr. 1 u. Nr. 2 TKG; Beispiele bei Bönsch/Volbert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 61 Rnr. 5). 935

Art. 2 Endgeräterichtlinie. Vgl. Art. 3 Endgeräterichtlinie. 937 Richtlinie der Kommission v. 16.5.1988 über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikations-Endgeräte (88/301/EWG), ABl. EG Nr. L 131 v. 27.5.1988, S. 73. 938 Entschliessung des Rates v. 7.5.1985 über eine neue Konzeption auf dem Gebiet der technischen Harmonisierung und der Normung (85/C 136/01), ABl. EG Nr. C 136 v. 4.6.1985, S. 1: Die „Modellrichtlinie" bildet Anhang II. Sie bildete das Vorbild für eine Vielzahl von fachspezifischen Richtlinien. Zur neuen Konzeption vgl. Schmidt- Ρreuß, VVDStRL 56 (1996), S. 160 (207 ff) mwN. 939 Vgl. Art. 4 Konformitätsrichtlinie iVm. § 59 Abs. 1 u. 2 TKG. 940 Einführend zu „Standardisierung, Konformitätsprüfung und Zertifizierung" Ruprecht Niepold und Jörg Wenzel, in: Jung/Warnecke (Hrsg.), S. 6-26 ff. 941 Vgl. § 59 Abs. 5 S. 1 TKG, § 5 Abs. 3 ZulVO u. Art. 7 Konformitätsrichtlinie. Zu den technischen Empfehlungen der Regulierungsbehörde für Funkanlagen und Standortbescheinigungen vgl. § 5 Abs. 4, § 6 Abs. 3 ZulVO. 936

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

eher. Er bedient sich dazu akkreditierter Prüf- und Überwachungsstellen. 9 4 2 Die Geräte selbst läßt eine gemeinschaftsrechtlich benannte, national beliehene Stelle z u . 9 4 3 Endgeräte- und Konformitätsrichtlinie

verbinden Elemente der Liberali-

sierung mit solchen der gemeinschaftsweiten Harmonisierung. Sie bereiten über die Beleihung und Akkreditierung privater Stellen den Boden dafür, Aufgaben der technischen Sicherheit auch materiell zu privatisieren. 9 4 4 Folgerichtig arbeitet die Gemeinschaft am Vorschlag für eine neue Endgeräterichtlinie. 9 4 5 Sie könnte sogar die Gerätezulassung entbehrlich machen. Angesichts der verschärften Produkthaftung soll eine Eigenerklärung der Hersteller ausreichen. M i t der haftungsrechtlichen Lösung endete die sektorspezifische Regulierung der Gerätezulassung. Das allgemeine Wirtschaftsrecht träte e i n . 9 4 6 Schon jetzt beschränkt sich die Regulierungsbehörde darauf, die Beleihung oder Akkreditierung auszusprechen, 947 die mit der Wahrnehmung der Zulassungsaufgaben

942 Vgl. §§ 7-12 ZulVO. Überblick auch über die einzelnen Module der Qualitätssicherung nach den einschlägigen DIN-Vorschriften bei Jürgen Niebling, Rechtsfragen der Zertifizierung und Akkreditierung, WiB 1995, 737. 943 § 64 Abs. 1 S. 1 TKG iVm. Art. 11 Abs. 1 Konformitätsrichtlinie. Zur Bindung der Beliehenen an das VwVfG statt aller Rolf Stober, Verwaltungsrecht II, Besonderes Organisations- und Dienstrecht, 5. Aufl., München 1987, § 104 V. 2,., S. 418 Rnr. 10 mwN.. Übersicht über die bisher 8 Benannten Stellen bei Reg TP, Mitteilung Nr. 96/1998, Bekanntgabe einer weiteren „Benannten Stelle" nach Beleihungs- und Akkreditierungsverordnung, ABl. Reg TP 10/1998, 1385. 944

Die Beleihung nach § 62 u. § 64 TKG wandert bei einer dynamischen Betrachtung daher zwischen den von Trute, DVB1. 1996, 950 (952 ff) statisch gebildeten Typen der „Handlungen und Entscheidungen Privater im Rahmen staatlicher Entscheidungsverantwortung" einerseits und „Staatlicher Regulierung und Überwachung gesellschaftlicher Selbstregulierung" andererseits. 945 Für eine Richtlinie „on Connected Telecommunications Equipment" [CTEDirective] vgl. den Gemeinsamen Standpunkt des Rates für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über angeschaltete Telekommunikationsgeräte und die gegenseitige Anerkennung ihrer Konformität, ABl. EG Nr. C 375 v. 10.12.1997, S. 48,; dazu Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1997, 2. b) S. 5. 946

Zur Definition von Regulierung als besonderem Wirtschaftsrecht aus ökonomischer Sicht Paul J.J Welfens/Cornelius Graach, Telekommunikationswirtschaft. Deregulierung, Privatisierung und Internationalisierung., Berlin u.a. 1996, S. 125. Diese Definition entspricht der Abgrenzung, die Fihentscher, Wirtschaftsrecht I, München 1983, § 3 I., S. 40, zwischen allgemeinem und besonderem Wirtschaftsrecht vornimmt: Mit den Mitteln des allgemeinen Wirtschaftsrechts bildet, nutzt und sichert der 'protektive' Staat den Markt; über das besondere Wirtschaftsrecht interveniert der 'produktive' Staat in die Selbststeuerung des Marktes. Reiner Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Allgemeiner Teil, Berlin u.a. 1990, § 2 II 2., S. 59, hält diese Trennung für ungeeignet, eine dogmatische Leistung, d.h. allgemeine Rechtsinstitute hervorzubringen. 947 Vgl. § 62 TKG iVm. § 64 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 2 TKG und der Verordnung über die Anforderungen und das Verfahren für die Beleihung von benannten Stellen und für die Akkreditierung von Testlabors für Endeinrichtungen und Prüfstellen für Qualitätssiche-

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Beliehenen zu überwachen, 9 4 8 ggf. technische Empfehlungen auszusprechen 949 und i m Einzelfall Prüfungen vorzunehmen 9 5 0 oder Widerspruchsentscheidungen zu treffen. 9 5 1 Sie entledigt sich damit schrittweise der Zulassungsaufgab e n . 9 5 2 So ist das Bundesamt für Zulassungen Anfang 1998 in eine privat getragene G m b H überführt w o r d e n . 9 5 3 Namentlich die Beleihung fuhrt als funktionelle Privatisierung zur materiellen Privatisierung der Endgeräteüberwachung hin. Der Behörde verbleibt nach den §§ 59 f f T K G im wesentlichen die auf eine Fachaufsicht zurückgenommene, durch Beliehene vermittelte Wirtschaftsaufsieht. 9 5 4

rungssysteme auf dem Gebiet der Telekommunikation (Beleihungs- und Akkreditierungsverordnung - BAkkrV) v. 10.12.1997, BGBl. I, S. 2905. 948 Vgl. §§ 12 ff BAkkrV. 949 Diese wiederum vollziehen häufig Vorentscheidungen der Netzbetreiber nach, deren faktischem Zwang sich auch eine behördliche technische Vorschrift nicht entziehen kann. Vgl. Vfg 189/1996 Zulassungspflicht von Endeinrichtungen zur Anschaltung an öffentliche Telekommunikationsnetze, hier: Mitwirkung der Netzbetreiber, ABl. BMPT 2471996, S. 1478. Zu den technischen Empfehlungen der Regulierungsbehörde für Funkanlagen und Standortbescheinigungen vgl. § 5 Abs. 4, § 6 Abs. 3 ZulVO. 950

Vgl. § 59 Abs. 7 u. 8 TKG; § 16 ZulVO; §§ 59 Abs. 1, Abs. 4 S. 1 TKG iVm. § 12 ZulVO. 951 Zur Widerspruchsbehörde vgl. § 17 S. 2 ZulVO. Hier wäre die Regulierungsbehörde im Zweifel auch ohne ausdrückliche Anordnung zuständig. Vgl. Dolde, in: Pietzner/Schmidt-Aßmann/Schoch, VwGO, § 73 Rnr. 7. Zum (untechnischen) Widerspruch bei der Abschaltung von Endgeräten vgl. § 59 Abs. 6 TKG u. § 19 ZulVO. Hier hat ein Teilnehmer außerdem die Rechte aus § 31 TKV, der wiederum Art. 6 Abs. 4 S. 3 ONPMietleitungsrichtlinie 1997 umsetzt. Da es sich auch um eine Frage des Netzzuganges iSd. Vierten Teiles des TKG handelt, läßt sich erwägen, ob § 19 ZulVO und § 31 TKG nicht vor eine Beschlußkammer führen (§ 73 Abs. 1 S. 1 TKG). Allerdings müssen auch nicht marktbeherrschende Netzbetreiber Endgeräte abschalten. Die streitgegenständliche Norm, § 59 Abs. 6 TKG liegt außerhalb des Vierten Teils. Im Kern geht es nicht um die Ausübung von Marktmacht, sondern um die Auslegung der grundlegenden Anforderungen. Dafür kommt es wesentlich auf technische Fragen an. Über die Zustimmung nach § 59 Abs. 6 S. 2 TKG, § 19 Abs. 2 ZulVO u. § 31 TKV ist daher im einfachen Verwaltungsverfahren von der Behörde zu befinden. 952 Vgl. Reg TP, Vfg 65/1998, Einstellung der Tätigkeit der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post als Zulassungsbehörde im Bereich der Telekommunikation, ABl. Reg TP 11/1998, S. 1560. Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1996), S. 160 (211) konstatiert einen „Verdrängungseffekt", den die behördliche Kontrolle der Kontrolle und das gemeinschaftliche Schutzklauselverfahren (vgl. Art. 7 iVm. Art. 13 Endgerätekonformitätsrichtlinie; Art. 6 iVm. Art. 15 Richtlinie des Rates v. 29.10.1993 zur Ergänzung der Richtlinie 91/263/EWG hinsichtlich Satellitenfunkanlagen (93/97/EWG), ABl. EG Nr. L 290 v. 24.11.1993, S. 1) vielleicht punktuell steuern, aber kaum strukturell aufhalten können. 953 Vgl. Reg TP, Pressemitteilung 114/98, Bundesregierung privatisiert das BZT Saarbrücken. 954 Vgl. zur Einrichtung eine „Gremiums der Benannten Stellen" (GBSt) bei der Reg TP Reg TP, Vfg 65/1998, Einstellung der Tätigkeit der Regulierungsbehörde für Tele-

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

Hierfür sind innerhalb der Behörde verschiedene Referate der Abteilung Technische Regulierung Telekommunikation zuständig. 955 Sie stammen aus dem ehemaligen Bundesamt. 956 Abweichungen vom hierarchischen Prinzip sind nicht veranlaßt.

d) Fazit Als Genehmigungsbehörde verfugt die Behörde über Instrumente verschiedener Intensität: Die allgemeine Anzeigepflicht für Telekommunikationsdienste gestattet die Marktbeobachtung; die Gerätezulassung ist gemeinschaftsweit Beliehenen übertragen und rückt einer materiellen Privatisierung näher; lediglich die allgemeine Lizenz nach §§ 6 ff TKG wird von der Behörde selbst erteilt. Sie reguliert in den Grenzen einer gebundenen Erlaubnis den Marktzutritt, nicht aber das Marktverhalten der lizenzierten Unternehmen. Insoweit verbleiben die Befugnisse der Behörde im Rahmen klassischer Gewerbeaufsicht. Dem entspricht es, daß sie in diesen Aufgabenfeldern eine hierarchische Binnenstruktur aufweist.

2. Die Regulierungsbehörde als Zuteilungsbehörde Telekommunikation belegt, wenn sie den Äther nutzt, Funkfrequenzen; auf der Erde beanspruchen ihre Linien Wegerechte; Quelle und Senke ihres Signals müssen durch eine Telefonnummer bezeichnet werden. Eine Aufgabe der Regulierung ist es, die nötigen Ressourcen - Frequenzen, Nummern und Wegerecht - zuzuteilen. 957

a) Frequenzordnung,

§§44 ff TKG

§ 47 Abs. 1 S. 1 TKG erklärt das gesamte Frequenzspektrum zum staatlichen Gut. 9 5 8 Jede Frequenznutzung bedarf einer vorherigen Zuteilung durch die Re-

kommunikation und Post als Zulassungsbehörde im Bereich der Telekommunikation, ABl. Reg TP 11/1998, S. 1560. 955 Vgl. Reg TP, Aufgabenbeschreibung, Gruppe 320, Referat 310, Referat 319. 956 Vgl. Reg TP, Organisationsplan v. 1.4.1998. 957 Überblick zu Frequenzen und Numerierung bei Ruprecht Niepold und Jörg Wenzel, in: Jung/Warnecke (Hrsg.), S. 6-28 ff. 958 Vgl. zu rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Güterbegriffen Christoph Engel, Das Recht der Gemeinschaftsgüter, Die Verwaltung 1997, 429, (461) insbesondere zu Nutzungsrechten.

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

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gulierungsbehörde. Die regulatorische Frequenzordnung soll eine effiziente und störungsfreie Nutzung der vorhandenen Bandbreite sicherstellen. 959 Dazu bedient sich das Gesetz zunächst eines gestuften Planungsverfahrens. Auf dessen oberster Stufe steht der Frequenzbereichszuweisungsplan (§ 45 TKG). Er weist die Frequenzbereiche einzelnen Anwendungen zu, z.B. dem Amateurfunkdienst. Die Zuweisung verbindet also bestimmte Kapazitäten mit wirtschaftlichen Zwecken. Indem der Plan Ressourcen bereitstellt und freihält, setzt er die technischen Parameter einer weiteren wettbewerblichen Entwicklung. Der Bedeutung dieser Vorgaben entspricht es, daß die Bundesregierung den Frequenzbereichszuweisungsplan in Form einer Rechtsverordnung aufstellt. In die Vorbereitung sind die von den Zuweisungen betroffenen Kreise einzubeziehen.960 Dabei sind die internationalen und gemeinschaftsrechtlichen Eckdaten umzusetzen.961 Soweit der Plan Frequenzen dem Rundfunk zuweist, ist die Zustimmung des Bundesrates einzuholen. Im übrigen verzichtet das TKG aber auf ein Gegenstromprinzip, da die Frequenzhoheit allein in der Hand des Bundes liegt. 962 Auf der folgenden Stufe wird die Regulierungsbehörde selbst planend tätig, indem sie den Frequenznutzungsplan erstellt (§ 46 TKG). Er bestimmt die Vorgaben des Frequenzbereichszuweisungsplans näher, so daß eine Frequenzzuteilung erfolgen kann. 963 Zu berücksichtigen sind die Regulierungsziele, die europäische Harmonisierung, die technische Entwicklung und die wechselseitige Verträglichkeit der verschiedenen Frequenznutzungen. 964 Diese Ziele verstehen sich als Abwägungsgebote, die unter Beteiligung der Öffentlichkeit und nach Anhörung des Beirates zu konkretisieren sind. 965 Einzelne Personen, zu deren

959 Vgl. § 44 Abs. 1 TKG. Zur Notwendigkeit einer Frequenzplanung vgl. Grotelüschen/Haas, in: Beck'scher TKG-Kommentar, Vor § 44 Rnr. 25-30. 960 Vgl. BMWi, Mitteilung Nr. 54/1999, Anhörung zum Entwurf einer Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung, ABl. Reg TP 3/1999, S. 515; BMWi, Mitteilung Nr. 1/1999, Anhörung zum Entwurf der Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung, ABl. Reg TP 1/1999, S. 14. 961 Vgl. Grotei tischen/Haas, in: Beck'scher TKG-Kommentar, Vor § 44 Rnr. 35-45. 962 Vgl. zu § 1 Abs. 5 ROG Krebs, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), BVwR, 4. Abschn. III 3 bb, Rnr. 35 u. 38, S. 326 f. 963 Vgl. § 47 Abs. 1 S. 2 TKG. 964 Vgl. § 46 Abs. 1 TKG. 965 § 46 Abs. 3 S. 1 TKG u. § 69 Nr. 6 TKG. Verordnung über das Verfahren zur Aufstellung des Frequenznutzungsplanes (Frequenznutzungsplanaufstellungsverordnung FreqNPAV) - Entwurf, BR-Drs. 378/97. Vgl. auch Scheurle/Lehr/Mayen, Einführung, S. 14.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

Nachteil die Planung gerät, können ihr Beteiligungsrecht gerichtlich durchsetzen. 966 Der Frequenznutzungsplan bildet wiederum die Grundlage fur die Frequenzzuteilung. Sie erfolgt durch Verwaltungsakt in einem - so formuliert es das Gesetz - diskriminierungsfreien, nachvollziehbaren und objektivem Verfahren. 967 Dabei sind zwei Fälle zu unterscheiden: Sofern hinreichend Frequenzen vorhanden sind, gelten diese Kriterien lediglich allgemein in ihrer durch die Verfahrensverordnung geringfügig spezifizierten Form. 968 Werden hingegen für eine Frequenz mehrere Anträge gestellt, ist die Ressource also knapp, kann ein Vergabeverfahren beschritten werden. 969 Hierfür ist die Präsidentenkammer zuständig, zumal die Frequenzzuteilung sich häufig an die entsprechende Lizenzvergabe anschließen wird. 9 7 0 Mit der Zuteilung ausreichend vorhandener Frequenzen sind nach der Geschäftsverteilung verschiedene Referate des ehemaligen Bundesamtes befaßt. 971 Die Organisation des bisherigen Bundesamtes lebt aber vor allem in der Überwachung der Frequenznutzung fort. 972 Sie forscht nach der störenden, unbefugten oder zwecküberschreitenden Nutzung und ist die notwendige Konsequenz der behördlichen Zuteilung. 973 Besonders für die Frequenzüberwachung ist es notwendig, daß die Regulierungsbehörde ein flächendeckendes Netz von Außenstellen unterhält. 974 Als staatliche und Zuteilung teilungskonflikte hält der Behörde

Güterverteilung wird die Frequenzordnung also von Planung getragen. Die Planung schichtet die möglichen Verin einem beteiligungsoffenen Verfahren stufenweise ab, bebzw. der Bundesregierung aber die Letztentscheidung vor. 9 7 5

966 Vgl. § 6 Verordnung über das Verfahren zur Aufstellung des Frequenznutzungsplanes (Frequenznutzungsplanaufstellungsverordnung FreqNPAV) - Entwurf, BR-Drs. 378/97. 967 Vgl. § 47 Abs. 1 S. 2 u. Abs. 5 S. 1 TKG. 968 Vgl. Frequenzzuteilungsverordnung (FreqZutV) - Entwurf, BR-Drs. 185/97. 969 Vgl. § 47 Abs. 5 S. 2 TKG. Vgl. allgemein Christian Koenig, Die öffentlichrechtliche Verteilungslenkung, Berlin 1994. 970 Vgl. § 47 Abs. 5 S. 2 TKG iVm. § 73 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 3 S. 1 TKG. 971 Vgl. Reg TP, Organisationsplan v. 1.4.1998: Gruppe 130: Frequenzverwaltung etc.; Unterabteilung 31: Frequenzzuteilung u.a. 972 Vgl. § 47 Abs. 5 S. 3 TKG u. § 49 TKG. 973 Zu Überlegungen an ihrer Stelle privatrechtliche Verfügungsgewalt einzuräumen und so die Frequenzverteilung über einen Markt unter den unmittelbar Beteiligten zu regeln, vgl. Jörn Kruse, Zugang zum Frequenzspektrum, in: Mestmäcker (Hrsg.), Kommunikation II, S. 449. 974 Instruktiv die Selbstdarstellung des BAPT, Ein Portrait, S. 12-14. 975 Vgl. zur Planung allgemein Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 59 Rnr. 103-113.

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

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Während sich das PTRegG zur Frequenzordnung noch weithin ausschwieg, nähert sich die Frequenzzuteilung nach dem TKG zaghaft wettbewerblichen Verteilungsmechanismen an. 976 In ihrer gesetzes- und verordnungsförmlichen Regelung unterfällt jegliche Frequenzzuteilung dem kartellrechtlichen Dreiklang der Objektivität, Nachvollziehbarkeit und Diskriminierungsfreiheit. Im Knappheitsfalle wird - sofern die Frequenz versteigert wird - eine marktähnliche Preisbildung das verwaltungsgebührenrechtliche Äquivalenzprinzip überlagern. 977 Ansonsten bleibt es bei der Aussage der FreqZuTV, nach der eine beantragte und gebührenpflichtige Frequenzzuteilung dann versagt werden kann, wenn die beabsichtige Nutzung mit der Sicherstellung einer effizienten Frequenznutzung nicht vereinbar ist. 978 Hierüber entscheidet eine hierarchisch strukturierte Einheit. 979 In der Frequenzordnung agiert die Regulierungsbehörde also als sektorspezifische Fachplanungs- und -Ordnungsbehörde.

b) Numerierung, § 43 TKG Weit weniger gesetzlich durchformt als die Frequenzordnung, aber ihr doch vergleichbar, ist die Numerierung, § 43 TKG. 9 8 0 Die Teilnehmerrufhummer beruht auf einem durch staatliche Zuteilung begründeten, zweckgebundenen öffentlich-rechtlichen Nutzungsrecht. 981 Da sie - zumal für Geschäftskunden einen hohen, markenähnlichen und für Privatkunden zumindest einen persönlichen Identifikationswert hat, wird sie personenbezogen zugeteilt. 982 Sie ist daher einerseits unübertragbar, andererseits aber auch im Falle eines Anbieterwechsels unentziehbar. Mit der fehlenden Marktgängigkeit will die Regulierung einen Handel und ein Horten rarer Nummern verhindern. 983 Die Unent976 977 978

Vgl. § 2 Abs. 2 PTRegG. Vgl. § 48 Abs. 1 TKG iVm. § 16 Abs. 2 TKG. Vgl. § 4 Abs. 2 Frequenzzuteilungsverordnung (FreqZutV) - Entwurf, BR-Drs.

185/97. 979 Vgl. Reg TP, Aufgabenbeschreibung, Referate 131-137, Referate 317, 318. 980 Vgl. Ludwig Grämlich, Rechtsfragen der Numerierung nach § 43 TKG, Arch PT 1998,5. 981 Dies wird aus einer Zusammenschau der bei Mellewigt, in: Beck'scher TKGKommentar, § 43 Rnr. 10-61 im Entwurf zusammengefaßten Zuteilungsbedingungen deutlich. Vgl. auch § 20 TKV. Einen „eigentumsrechtlich verbürgten Bestandsschutz" für Altnummern befürwortet Grämlich, Arch PT 1998, 5 (22), dort auch (15 ff), zur Notwendigkeit hoheitlicher Nummern Verwaltung. Vgl. auch Raimund Schütz, Recht auf eigene Telefonnummer?, M M R 1998, 287. 982 Vgl. § 43 Abs. 3 S. 1 TKG. 983 Vgl. § 43 Abs. 4 S. 1 zur Verfügbarkeit von Nummern. Gegen ein „Horten" z.B. BMPT, Vfg 61/1997, Zuteilung von Rufnummern für Auskunftsdienste; Vorläufige Regeln, ABl. BMPT 8/1997, S. 443, Ziff. 6.3, zu den besonders begehrten und identifikationsträchtigen Auskunftsrufnummern, aber auch BMPT, Vfg 109/1997, Zuteilung von

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ziehbarkeit sorgt als „Netzbetreiberportabilität" dafür, daß ein Anbieter seinen Kunden nicht mit der Drohung an sich bindet, im Falle des Wechsels seine gewohnte Rufnummer zu verlieren. 984 Zudem muß nach § 43 Abs. 6 S. 1 TKG jeder Netzbetreiber die Rufnummer anderer Verbindungsnetzbetreiber in seinem Netz freischalten. Er kann sich also dem Wettbewerb nicht dadurch entziehen, daß er seinen Kunden die Anwahl eines konkurrierenden Anbieters, die sog. „Preselection", versperrt. Indem sie das Verbot des Nummernhortens, die Netzbetreiberportabilität und die Preselection überwacht, übt die Regulierungsbehörde eine sektorspezifische Wettbewerbsaufsicht aus. 985 Diese gilt allen, nicht nur einem marktbeherrschenden Anbieter und hängt in ihrem Ausmaß von den jeweiligen technischen Möglichkeiten ab. 9 8 6 Deswegen ist sie nicht einer Beschlußkammer, sondern der Behörde allgemein zugewiesen. Damit fällt sie in eine gemeinsame Zuständigkeit mit den übrigen Aufgaben der Numerierung. 987 Als Ressourcenverwaltung umfaßt die Numerierung ebenso wie die Frequenzordnung die Entscheidungsebenen der Planung und der Zuteilung. 988 Die Planung findet ihren Ausdruck nach § 43 Abs. 1 S. 2 u. 3 TKG, indem die Regulierungsbehörde die Strukturierung und Ausgestaltung des Nummernraumes vornimmt und dessen wesentliche Elemente veröffentlicht. 989 Dabei greift sie auf die Vorarbeiten einer Expertenkommission Numerierung und die internationalen bzw. europäischen Vorgaben zurück. 990 In der Abstraktionshöhe entspricht die Strukturierung der Frequenzbereichszuweisung. 991

Rufnummern in den Ortsnetzen; Vorläufige Regeln, ABl. BMPT 13/1997, S. 650, Ziff. 5.2 für die bislang von der DTAG gehaltenen Rufnummernblöcke. 984 Vgl. § 43 Abs. 5 TKG. Den Streit darüber, ob für die Portierung ein Entgelt erhoben werden darf, entscheidet wiederum eine Beschlußkammer. Vgl. Reg TP, Entscheidung der Beschlußkammer 2 v. 7.4.1998, K & R 1998, 502. 985 Deutlich wird dies an § 43 Abs. 5 S. 2 TKG. Vgl. auch Scherer, NJW 1998, 1607 (1613) mwN.; Leo/Schellenberg, Z U M 1997, 188 (192). Zu den Entgelten für Preselection und Portierung vgl. Hefekäuser, M M R aktuell, 2/98, S. IX. 986 Vgl. § 43 Abs. 5 S. 3 u. Abs. 6 S. 2 TKG und die Zwangsgeldanordnung nach § 43 Abs. 7 TKG. 987 Vgl. Reg TP, Aufgabenbeschreibung, Referat 115 u. Referat 314. 988 Die erstere liegt beim Referat 115, letztere bei Referat 314. Vgl. Reg TP, Aufgabenbeschreibung. Brigitte Bauer, Numerierung im Telefonnetz, Jahrbuch Telekommunikation und Gesellschaft 1996, 286 (293) unterscheidet dementsprechend strategische und operative Nummernverwaltung. 989 Vgl. Reg TP, Mitteilung Nr. 38/1998, Der Nummernraum für das öffentliche Telefonnetz/ISDN in Deutschland - zusammenfassende tabellarische Darstellung, ABl. Reg TP 4/1998, S. 670. 990 Vgl. § 43 Abs. 4 S. 1 TKG und die Wiedergabe der Experten-Empfehlungen bei Mellewigt, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 43 Rnr. 5. 991 Vgl. auch Grämlich, Arch PT 1998, 5 (19 f) zur Ähnlichkeit von Numerierung und Frequenzordnung.

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Die konkreten, dem Frequenznutzungsplan vergleichbaren Nutzungs- und Vergabekriterien ergeben sich aus den Bedingungen, die die Regulierungsbehörde nach § 43 Abs. 2 TKG aufstellt. Sofern ein Antragsteller sie erfüllt, hat er ein Recht auf Zuteilung. Damit erweisen sich die Nutzungsbedingungen als Dreh- und Angelpunkt des Zuteilungsregimes. Indem sie bestimmte Nummern einzelnen Zwecken zuweisen, prägen sie Dienstekategorien und Tarifstufen. So konnte der Regulierer z.B. für die Mehrwertdienste, die unter dem Präfix 0180 angeboten werden, Preisobergrenzen festsetzen und auf eine Verpflichtung zur inhaltlichen Selbstkontrolle hinwirken. 992 Ggf. bestimmen die Bedingungen auch darüber, wie knappe Rufnummern vergeben und genutzt werden. Unter den für die Auskunftsdienste und die Ferngesprächsvermittlung vorgesehenen Rufnummern waren z.B. die Nummern besonders begehrt, innerhalb derer sich eine Ziffer wiederholte oder die nahe an der bisherigen Rufnummer lagen. 993 Hier löste die Behörde Nummernkonkurrenz durch ein Losverfahren auf. 994 Das Losverfahren erkennt einerseits die wirtschaftliche Bedeutung der Rufnummer an. Es bietet andererseits eine Möglichkeit, Verteilungskonflikte ohne Zuhilfenahme eines Preises zu entscheiden. Das Gesetz macht es sich auch an anderer Stelle zunutze. 995 Bei der Erarbeitung der einzelnen Bedingungen wirkt der Arbeitskreis Numerierung und Netzzusammenschaltung maßgeblich mit. 9 9 6 Die Regulierungsbehörde kann ihre Vorstellungen nur umsetzen, wenn sie die technischen Möglichkeiten der betroffenen Unternehmen respektiert. 997 Da sie nicht imstande ist, etwa 40 Millionen Teilnehmerrufnummern selbst zu verwalten, 998 992

Vgl. Reg TP, Mitteilung Nr. 3/1999, Hinweis zu den Anrufertarifen bei „Shared Cost"-Diensten, ABl. Reg TP 1/1999, S. 15; BMPT, Vfg 301/1997, Festlegungen zur Nutzung der Teilbereiche (0)180 und (0)190 des Nummernraums für öffentliche Telefonnetze, ABl. BMPT 34/1997, S. 1854; Mellewigt, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 43 Rnr. 44. 993 Einen Beleg für die wirtschaftliche Eiedeutung dieser Nummer bietet die Werbekampagne, die die DTAG startete, um ihre neue Rufnummer für die Auskunft bekannt zu machen. 994 Vgl. BMPT, Vfg 61/1997, Zuteilung von Rufnummern für Auskunftsdienste; Vorläufige Regeln, ABl. BMPT 8/1997, S. 443, Ziff. 5.2.1; BMPT, Vfg 62/1997, Vorläufige Regeln für die Zuteilung von Kennzahlen für Verbindungsnetzbetreiber, ABl. BMPT 8/1997, S. 448, Ziff. 5.2.1. 995 Vgl. § 11 Abs. 6 S. 6 TKG. 996 Vgl. BMPT, Mitteilung Nr. 108/1997, Arbeitskreis technische und betriebliche Fragen der Numerierung und der Netzzusammenschaltung, ABl. BMPT 20/1997, S.1021, dem der von Mellewigt, in: Beck'scher TKG-Kommentar, §43 Rnr. 75, beschriebene Lenkungsausschuß zuzuordnen ist, und oben S. 182 ff. 997 Vgl. auch § 43 Abs. 4 S. 2 TKG. 998 Der Mangel behördlicher Kapazität war einer der Gründe, der zur Zweiteilung des Zuteilungsverfahrens zwischen Behörde und Unternehmen nach § 20 TKG führte. Dazu auch BMPT, Vfg 109/1997, Zuteilung von Rufnummern in den Ortsnetzen; Vorläufige Regeln, ABl. BMPT 13/1997, S. 650.

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muß sie sich auf eine planende, verteilende und überwachende Rolle zurückziehen. Sie bewältigt diese Aufgabe innerhalb der hierarchischen Referatsstruktur. Darin befaßt sich ein in Bonn angesiedeltes Referat mit den Grundsatzfragen der Numerierung, also ihrer Strukturierung und Ausgestaltung; die alltägliche Nummernverwaltung obliegt hingegen einem Referat im ehemaligen Bundesamt. 999 Auch insoweit folgt die Regulierungsbehörde trotz der besonderen Wettbewerbsbedeutung der Rufnummer dem Typus einer Fachplanungsund Ordnungsbehörde.

c) Wegerechte, § 50 Abs. 4 TKG Eine letzte Ressource, die zur Verlegung von Telekommunikationskabeln erforderlich ist, ist das Wegenutzungsrecht. Es wird mit der Lizenz übertragen. 1000 Besondere Verteilungsaufgaben kommen hier auf die Regulierungsbehörde nicht zu. Die Zustimmung zum Bau neuer Leitungen erteilt der jeweilige Wegebaulastträger. Lediglich dann, wenn dieser selbst Lizenznehmer ist, ζ. B. weil die betroffene Kommune ihrerseits auch Telekommunikationsdienstleistungen vertreibt, also eine institutionelle Befangenheit droht, geht die Zustimmungskompetenz auf die Regulierungsbehörde über. 100 ' Dann trifft die Regulierungsbehörde eine gebundene bzw. beim Bau oberirdischer Leitungen eine abwägende Entscheidung. 1002 Sie agiert also wiederum als Fachbehörde und bedient sich dazu eines Referates des vormaligen Bundesamtes.1003

d) Fazit In ihren zuteilenden Zuständigkeiten bewirtschaftet die Regulierungsbehörde staatliche Güter, die sie zur Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen zur Verfügung stellt. Die Zuteilung von Frequenzen und Rufnummern be-

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Vgl. Reg TP, Organisationsplan v. 1.4.1998; Reg TP, Aufgabenbeschreibung, Referate 115 u. 314. 1000 Vgl. § 50 Abs. 2 TKG. 1001 § 50 Abs. 4 TKG. Gegen die Unterstellung, der Wegebaulastträger könne Konkurrenzunternehmen benachteiligen der Bundesrat, BT-Drs. 13/4438, S. 16 Ziff. 62. Eine Beeinflussung der Regulierungsbehörde durch die Deutsche Telekom AG befürchten hingegen Leo/Schellenberg,, Z U M 1997, 188 (194). 1002 Vgl. § 50 Abs. 3 S. 2 TKG für oberirdische Leitungen. Zur Entscheidungsbindung vgl. Schütz, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 50 Rnr. 39 u. 41. Zu Zuständigkeit und Verfahren auch BMPT, Vfg 57/1997, Zustimmungsverfahren nach § 50 Abs. 4 TKG, ABl. BMPT 7/1997, S. 410. 1003 Vgl. Schütz, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 50 Rnr. 42; Reg TP, Aufgabenbeschreibung, Referat 316.

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ruht auf einem jeweils gestuften Planungsverfahren. Trotz der planungseigenen Zieloffenheit und Abwägungsnotwendigkeit folgt die Organisation insoweit der Referatsgliederung. 1004 Bis auf weiteres bildet die hierarchische Struktur das organisatorische Gerüst der Planung und der konkreten Zuteilung von Ressourcen. Lediglich im Falle der Frequenzknappheit geht die Zuteilung in ein Beschlußkammerverfahren über. Im übrigen sollen Verteilungskonflikte mit den Instrumenten und der Organisation einer Fachplanungs- und Ordnungsbehörde bewältigt werden. In der gebotenen behördeninternen Abstimmung zwischen Grundsatz- und Detailfragen einerseits und in der gesetzlich vorgeschriebenen behördenexternen Anhörung und Beteiligung der Planungsbetroffenen andererseits können sich aber nicht-hierarchische Kommunikationsroutinen herausbilden. 1005

3. Die Regulierungsbehörde als Aufsichtsbehörde Weder der im engeren Sinne genehmigenden noch der zuteilenden Funktion der Regulierungsbehörde sind ihre Zuständigkeiten im Bereich der Informationssicherheit und des Kundenschutzes zuzurechnen. Sie lassen sich dem allgemeineren Titel der Aufsichtsbehörde unterordnen.

a) Informationssicherheit,

§§ 85 ff TKG

Unter dem Sammelbegriff der Informationssicherheit sollen diejenigen Aufgaben zusammengefaßt werden, die der 11. Teil des TKG mit den Stichworten Fernmeldegeheimnis, 1006 Datenschutz, 1007 und Sicherung bzw. Fernmeldeüber-

1004 Dessen Dysfunktionalität für komplexe Vorhaben mit wenig präziser Zieldefinition und offener Problemstruktur erörtert Dreier, S. 154. Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 65 Rnr. 87-89, betont jedoch, daß eine ministerielle, hierarchisch vermittelte Leitung sich auf die Planung erstreckt. 1005 Zum A K N N oben Fn. 996 und BMPT, Mitteilung Nr. 108/1997, Arbeitskreis technische und betriebliche Fragen der Numerierung und der Netzzusammenschaltung, ABl. BMPT 20/1997, S.1021. Vgl. weiterhin BMPT, Mitteilungen Nr. 7/1997 Einrichtung eines "Ausschusses für die technische Regulierung der Nutzung von Rundfunkfrequenzen" (TRR), ABl. BMPT 2/1997, S. 58. 1006 Vgl. §§ 85 f TKG und § 206 StGB in der Fassung des Art. 2 Abs. 13 BegleitG. Dazu Ulrich Wuermeling, /Stefan Felixberger, Staatliche Überwachung der Telekommunikation: Anwendungsbereich und Befugnispalette des Begleitgesetzes zum TKG, CR 1998, 143; Ulrich Wuermeling, /Stefan Felixberger, Fernmeldegeheimnis und Datenschutz, CR 1997, 230; Thomas Groß, Die Schutzwirkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses nach der Privatisierung der Post, JZ 1999, 326. 1007 Vgl. § 89 TKG. Dazu Thomas Königshofen, Datenschutz in der Telekommunikation, Arch PT 1997, 19; für Auskunftsdienste auch Ernst-Olav Ruhle/Martin Geppert,

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

wachung 1008 umschreibt und denen noch die Katastrophenvorsorge nach dem PTSiG 1 0 0 9 hinzuzählen wäre. 1 0 1 0 Der Elfte Teil des TKG sollte schon nach dem Fraktionsentwurf aus der Zuständigkeit der Beschlußkammern herausgenommen werden. 1011 Er fällt in die allgemeine Zuständigkeit der Behörde. Diese arbeitet dabei zum einen mit den Unternehmen zusammen, die als einzelne Sicherheitsbeauftragte bestellen und ein Sicherheitskonzept vorlegen, das einem von der Behörde gemeinsam mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und dem Datenschutzbeauftragten öffentlich erarbeiteten Katalog entspricht. 1012 Die Gesamtheit der Unternehmen tritt der Behörde dabei in ihren Verbänden und einem speziellen Arbeitskreis gegenüber. 1013 Auf der anderen Seite grenzt sich die Zuständigkeit der Behörde von der des Datenschutzbeauftragten ab. Primär ist die Regulierungsbehörde dafür zuständig, die Informationssicherheit sicherzustellen. 1 0 1 4 Auf einer zweiten Stufe kann aber auch der Datenschutzbeauftragte Beanstandungen aussprechen, denen wiederum in pflichtgemäßer Ermessensausübung nachzukommen ist. 1 0 1 5 Wenngleich die Regulierungsbehörde auch Aufgaben des Datenschutzes wahrnimmt, wird sie nicht aus der hierarchischen Verwaltungsgliederung herausgelöst. Die Zuständigkeiten in der Informationssicherheit liegen bei Nachfolgereferaten des ehemaligen BAPT. 1 0 1 6

Auskunfts- und Verzeichnisdienste in einem liberalisierten Telekommunikationsmarkt, K & R 1998,374. 1008 Vgl. § 88, 90, 91 TKG und die Änderungen des Gesetzes zur Artikel 10 Grundgesetz durch Art. 2 Abs. 1 Begleitgesetz. Dazu Ulrich Wuermeling, /Stefan Felixberger, Staatliche Überwachung der Telekommunikation: Anwendungsbereich und Befugnispalette des Begleitgesetzes zum TKG, CR 1998, 555. 1009 Vgl. Post- und Telekommunikationssicherstellungsgesetz v. 14.9.1994, BGBl. I, S. 2325, 2378, zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 33 BegleitG v. 17.12.1997, BGBl. I, S. 3108. 1010 Überblick bei Karl-Heinz Helf Sicherheit in der Telekommunikation als Regulierungsaufgabe, CR 1997, 331. 1011 Vgl. Fraktionsentwurf, BT-Drs. 13/3609, S. 51 Zu § 70. 1012 Vgl. § 87 TKG und die Bekanntmachung des Katalogs von Sicherheitsanforderungen gem. § 87 des Telekommunikationsgesetzes, BAnz Nr. 208 a ν. 7.11.1997. Dazu Peter Münch, Wem hilft der Katalog der Sicherheitsanforderungen gemäß § 87 TKG?, RDV 1998, 102. 1013 Vgl. BMPT, Mitteilung 70/1995, Arbeitskreis „Sicherheit in der Telekommunikation", ABl. BMPT 18/1995, S. 1213. Helf CR 1997, 331 S. 333, berichtet, daß in diesem Arbeitskreis Konsens über das Niveau der sog. Standardsicherheit erzielt wurde. 1014 Vgl. §91 Abs. 1 TKG. 1015 Vgl. § 91 Abs. 4 S. 2 TKG. Zur zweistufigen Zuständigkeit Ehmer, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 91 Rnr. 13, § 87 Rnr. 31. 10,6 Vgl. Reg TP, Aufgabenbeschreibung, Referate 316, 333-335 und bereits BMPT, Vfg 211/1996, Wahrnehmung von Aufgaben und Befugnissen nach dem 11. Teil des TKG, ABl. BMPT 28/1996, S. 1630.

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b) Kundenschutz., §§ 40 f TKG Den Kundenschutz überweist § 4 0 T K G i V m . § 4 1 T K G in das Sonderprivatrecht der Telekommunikationskundenschutzverordnung ( T K V ) . 1 0 1 7 In ihrem verfahrensrechtlichen Teil verweist die T K V im wesentlichen auf die Beschlußkammern. 1 0 1 8 Außerhalb des Beschlußkammerverfahrens liegt aber die nach § 35 T K V eröffnete Schlichtungsmöglichkeit. 1 0 1 9 Hier kann ein Endkunde die Regulierungsbehörde anrufen, wenn er sich von seinem Anbieter in Rechten aus der Verordnung verletzt glaubt. Die Regulierungsbehörde w i r d beide Parteien anhören und auf eine gütliche Einigung hinwirken. Sie trifft aber in diesem Schlichtungsverfahren keine Entscheidung, sondern stellt lediglich fest, ob es zu einer Einigung kommt. Diese vermittelnde Rolle füllt eine Schlichtungsstelle aus, die sich zwar aus drei Schlichtern zusammensetzt, jedoch keine Beschlußkammer, sondern T e i l des Referates für Verbraucherfragen i s t . 1 0 2 0 Diesem Referat sind auch die übrigen Fragen i m Umfeld des Kundenschutzes und der Universaldienstgewährleistung anvertraut. In Grundsatzfragen der Schlichtung berührt sich seine Zuständigkeit mit der des Referates, dem auch die A G B - K o n t r o l l e anvertraut i s t . 1 0 2 1 In allen diesen Zuständigkeiten agiert die Be-

1017

Telekommunikationsverordnung (TKV) v. 11.12.1997, BGBl. I, S. 2910. Ggf. kann sich die Regulierungsbehörde nach § 80 Abs. 3 TKG in den entstehenden zivilrechtlichen Streitigkeiten beteiligen. Zur TKV vgl. Joachim Scherer/Ulrich Eilinghaus, Die neue Telekommunikations-Kundenschutzverordnung, NJW 1998, 883; Elisabeth Grote, Die Telekommunikations-Kundenschutzverordnung, BB 1998, 1117; Jürgen E. Kammerlohr, Kundenschutz im Telekommunikationsrecht, K&R 1998, 90; Hubertus Leo, Rechnungen nach der neuen TKV, K & R 1998, 381. 1018 Im Verfahren bei Zugangsbeschränkung, § 34 TKV iVm. Art. 8 Abs. 1 ONPMietleitungsrichtlinie 1997 und Art. 13 Abs. 1 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1997, wird um den Netzzugang gestritten. Die „Entscheidung nach den Vorschriften des Telekommunikationsgesetzes und der aufgrund des Telekommunikationsgesetzes erlassenen Verordnungen" (§ 34 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 2 S. 1 TKV) führt also zu §§ 33 ff TKG und der NZV. Damit ist gemäß § 73 Abs. 1 S. 1 TKG eine Beschlußkammer zuständig. Für die Sicherstellung des Universaldienstes, § 36 TKV, verweist S. 2 auf das Verfahren nach §§ 17 ff TKG u. der TUDLV iVm. § 73 Abs. 3 TKG, also auf die Zuständigkeit der Präsidentenkammer. 1019 Vgl. Reg TP, Mitteilung Nr. 135/1998, Anhörung zum Entwurf einer Verfahrensordnung für das Schlichtungsverfahren nach § 35 Abs. 1 TKV, ABl. Reg TP 14/1998, S. 1644, und Reg TP, Mitteilung Nr. 235/1998, Mitteilung über die endgültige Verfahrensordnung für das Schlichtungsverfahren nach § 35 Abs. 1 TKV. 1020 Vgl. Reg TP, Aufgabenbeschreibungen, Referat 123. 1021 Vgl. Reg TP, Aufgabenbeschreibung, Referat 121. Obwohl das Widerspruchsverfahren bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach § 23 TKG im Dritten Teil des Gesetzes angesiedelt ist, ist es aus der Zuständigkeit der Beschlußkammern nach § 73 Abs. 1 S. 1 TKG herausgenommen worden. Da es sich um eine reine Rechtskontrolle am Maßstab des Europarechts handelt, die unabhängig von der jeweiligen Marktmacht für alle lizenzpflichtigen Leistungen erfolgt, also sowohl ein Routine- als auch ein Massengeschäft ist, erscheint diese Herausnahme sinnvoll. Solange zusätzlich die Instrumente der privatrechtlichen AGB-Kontrolle greifen (dazu Büchner, in: 24 Oertel

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hörde als Fachaufsicht im Interesse der Verbraucher. 1022 Weder im einschlägigen Verfahrensrecht 1023 noch in der Geschäftsverteilung ist insoweit eine Abweichung von der hierarchischen Gliederung erkennbar.

4. Fazit Die Entscheidungsmuster der Regulierungsbehörde folgen, sofern keine Beschlußkammerzuständigkeit besteht, weithin denen einer Fachbehörde. Als Genehmigungsbehörde erteilt die Regulierungsbehörde gebundene Erlaubnisse; in der Bewirtschaftung von Frequenzen und Nummern wird sie planend und zuteilend tätig; im Bereich der Informationssicherheit und des Kundenschutzes verfügt sie über sektorspezifische Aufsichtsbefugnisse. Eine Annäherung an den verselbständigten Typus der allgemeinen Kartellbehörde, wie ihn das Bundeskartellamt verkörpert, ist aus den einzelnen Mustern nicht zu erkennen.

II. Die monokratische Verfassung der Regulierungsbehörde Das TKG führt die beschriebenen Entscheidungsmuster in der Leitungsgewalt des Präsidenten zusammen. § 66 Abs. 2 S. 1 TKG gibt ihm jedenfalls die Befugnis zum Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften. 1024 Auch darüber hinaus verfügt der Präsident über das Einzelweisungsrecht, soweit die Behörde als solche und nicht die Beschlußkammern betroffen sind. Denn eine Ausnahme vom hierarchischen Prinzip innerhalb der Behörde ist weder dem Gesetz noch den einschlägigen Organisationsakten zu entnehmen. Das Gesetz räumt dem Präsidenten die Leitungsbefugnis ein. 1 0 2 5 Als Vorgesetztem steht ihm, so-

Beck'scher TKG-Kommentar, § 23 Rnr. 39), ist eine Einbuße an Rechtsschutz nicht zu befürchten. Daher läßt sich § 23 TKG als lex specialis zu § 73 Abs. 1 TKG verstehen, der die Zuweisung der AGB-Kontrolle in die allgemeine Behördenzuständigkeit rechtfertigt. Vgl. zu den Inhalten der Überprüfung Büchner, in: Beck'scher TKGKommentar, §23 Rnr. 1, 8f u. Anh §23; zur Einbeziehung von AGB Klaus-Peter Schulz, AGB der Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen, CR 1998, 213. 1022 Auch Niederleithinger, in: FS-Mestmäcker, S. 683 (695) schlägt die damaligen § 41 u. § 22 des Entwurfs den fachaufsichtlichen Instrumenten zu. Nach http://www.regtp.de/Aktuelles/pml507.htm, Stand 25.7.1998, hatte die Behörde im ersten Halbjahr 1998 etwa 4.300 Verbraucheranfragen zu bearbeiten. 1023 Vgl. noch § 26 S. 3 TKV iVm. Art. 5 ONP-Mietleitungsrichtlinie 1997: Entscheidung über die Aufgabe von Übertragungswegen. 1024 Vgl. §81 Abs. 2 TKG. 1025 Vgl. Wolff in: Wolff/Bachof II, § 76 III b 1., S. 94; Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 66 Rnr. 24 f, der in diese Leitungsbefugnis aber auch die Beschlußkammern einschließen will, während Grämlich, CR 1998, 463 (466) die Beschlußkammern hiervon ausnimmt.

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lange keine abweichende gesetzliche Regelung erkennbar ist, das beamtenrechtliche Weisungsrecht zu. 1 0 2 6 Dies gilt auch gegenüber den Vizepräsidenten. Für sie läßt sich wegen ihres öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnisses zwar nicht § 53 S. 2 BBG heranziehen. Das TKG selbst versteht die Vizepräsidenten aber, solange sie nicht als Beschlußkammermitglieder gemeinsam mit dem Präsidenten zuständig sind, als dessen Vertreter. 1027 Das deutet sich schon in der Bezeichnung als „Vizepräsident an und wird in der geschäftsordnungsrechtlichen Zeichnung „in Vertretung" deutlich. 1028 Nach der GO Reg TP handeln die Vizepräsidenten außerhalb ihrer Beschlußkammertätigkeit in der Wahrnehmung übertragener Aufgaben. 1029 Sie vertreten und unterstützen den Präsidenten also in der Behördenleitung nach den Maßgaben, die er vorgibt. 1030 Eine eigene Leitungsbefugnis kommt ihnen nicht zu. Die Regulierungsbehörde hat eine monokratische, keine kollegiale Spitze. Sie wird von einem Präsidenten, nicht von einem Präsidium geleitet. Vorbehaltlich der ministeriellen Bestätigung und des § 73 Abs. 1 TKG verfügt der Präsident auch über die Selbstorganisationsgewalt. 1031 Er kann und soll seine Aufgaben delegieren. Der Präsident ist also kein monistisches, unteilbares Ausfuhrungsorgan, wohl aber ein monokratisches Leitungsorgan. 1032 Dem entspricht es, daß Präsident und Ministerium in Ausübung ihrer Organisationsgewalt am hierarchischen Prinzip festhalten. 1033 Die Behörde gliedert sich jenseits der Beschlußkammern in Referate, die wiederum in Gruppen, Unterabteilungen und Abteilungen zusammengeführt werden. 1034 Die Unterscheidung von Stabsund Linienfunktion, Grundsatz- und Einzelkompetenzen vollzieht sich innerhalb dieses Organisationsschemas. Außerhalb der Beschlußkammern weicht die behördeneigene Organisation also weder in den Entscheidungsmustern noch in den gesetzlichen Bestimmungen oder den exekutiven Organisationsakten vom Grundsatz der Weisungsbindung ab. In ihren fachbehördlichen Tätigkeiten ist die Behörde hierarchisch verfaßt. 1026

Vgl. § 53 S. 2 BBG. Vgl. § 68 Abs. 7 S. 2 TKG. 1028 Vgl. § 42 Abs. 4 Nr. 2 GO Reg TP. 1029 § 3 GO Reg TP. 1030 Vgl. zur Vertretungsregelung § 49 Abs. 1 GO Reg TP. 1031 Vgl. § 66 Abs. 2 TKG. 1032 Vgl. Wolff, in: Wolff/Bachof II, § 75 II, S. 71 f. 1033 Vgl. § 3 GO Reg TP zur Leitung. 1034 Vgl. Reg TP, Organisationsplan v. 1.4.1998 und § 4 Abs. 3 GO Reg TP zur Bedeutung des Referates als organisatorischer Grundeinheit. Zur Abteilungsgliederung vgl. Wolff in: Wolff/Bachof II, § 76 III c. u. d., S. 95 f. In seiner Begrifflichkeit sind diese Einheiten Organteile und können durch Verwaltungsvorschrift gebildet werden. Vgl. Wolff in: Wolff/Bachof II, § 74 I 10 f ß , S. 52 u. § 78 II c 4., S. 133. 1027

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III. Zur Weisungsfreiheit

des Präsidenten

Fraglich ist allerdings, ob sich das hierarchische Prinzip auch über die Behörde hinaus zum Ministerium hin erstreckt. Dann wäre der Präsident in seiner Kapazität als Behördenleiter seinerseits ministeriellen Einzelweisungen unterworfen. Aus dem institutionellen Gesetzesvorbehalt folgt, daß die Entlassung in den ministerialfreien Raum im Gesetz selbst angeordnet oder wenigstens in von Auslegungszweifeln freier Weise angelegt sein müßte. 1035 Eine ausdrückliche Weisungsfreistellung enthält das TKG nicht. Systematisch ordnet § 66 Abs. 1 TKG die Behörde in den Geschäftsbereich des Bundesministers ein; § 66 Abs. 5 TKG hält allgemeine Weisungen für zulässig. § 66 Abs. 2 S. 2 2. Hs. TKG stellt die Selbstorganisation der Behörde unter einen ministeriellen Bestätigungsvorbehalt. Organisatorische und allgemeine Entscheidungen jenseits des Einzelfalles trifft der Präsident also jedenfalls nicht im ministerialfreien Raum. Allerdings verzichtet das Gesetz ausdrücklich darauf, behördliche Einzelfallentscheidungen einer Kontrolle im Wege des Vorverfahrens zu unterwerfen. 1036 Diese Regelung begründete der Postausschuß mit dem Argument, nicht jede Entscheidung der Regulierungsbehörde solle durch das Ministerium kassiert werden können. 1037 Dieses Argument läßt sich aber kaum verallgemeinern. Nach § 73 Abs. 1 Nr. 3 VwGO würde ohnehin die Behörde selbst einen Widerspruchsbescheid erlassen. Außerdem läßt die Begründung nicht erkennen, ob jegliche Entscheidung der Behörde oder nur solche der Beschlußkammern einer Einflußnahme entzogen werden sollten. Die Aussagen des Gesetzgebers zu § 80 Abs. 1 TKG sind insofern kaum klarer als seine allgemeinen Äußerungen zur Unabhängigkeit der Behörde. 1038 Einerseits war der Gesetzgeber von dem Gedanken beherrscht, die Regulierung in ihren Entscheidungen unabhängig zu stellen. 1039 Andererseits entschied er sich gegen die Errichtung einer obersten Bundesbehörde. Im Gesetzgebungsverfahren wurde auch die Zuständigkeit der Beschlußkammern zugunsten der hier in Rede stehenden allgemeinen Behördenzuständigkeit reduziert. 1040 Der Bundesrat gelangte schließlich zu der Bewertung, es werde eine weisungsunterworfene

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Dazu oben S. 344 f. Vgl. § 80 Abs. 1 TKG. 1037 Vgl. Ausschußbericht, BT-Drs. 13/4864, S. 82 Zu § 77. 1038 Dazu oben S. 200 ff. 1039 Vgl. Fraktionsentwurf, BT-Drs. 13/3609, S. 51 Zu § 65; Ausschußbericht, BTDrs. 13/4864, S. 82 Zu § 77. 1040 Vgl. Ausschußbericht, BT-Drs. 13/4864, S. 82 Zu § 70, im Anschluß an Bundesrat, BT-Drs. 13/4438, S. 19 Ziff. 75. 1036

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Bundesoberbehörde eingerichtet. 1041 Die Materialien ergeben also kein eindeutiges Bild zur Weisungsbindung. 1042 Die historischen Widersprüche lassen sich am ehesten dahin auflösen, daß nur die Beschlußkammern unabhängig entscheiden sollten. Dann wäre der Präsident, soweit er die Behörde nach § 66 Abs. 2 S. 1 TKG leitet, weisungsunterworfen. Allerdings tritt der Präsident als Behördenleiter in verschiedenen Zuständigkeiten die Nachfolge des Bundesministers für Post und Telekommunikation an. Er steht in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis zum Bund. 1 0 4 3 Das Amtsverhältnis wird auf Vorschlag des Beirates durch einen Beschluß der gesamten Bundesregierung begründet. Der Minister kann es nicht von sich aus beenden, sondern nur die Entlassung aus wichtigem Grund beantragen. In seinem personellen Status ist der Präsident also nicht vom Minister abhängig. Sein öffentlich-rechtliches Amtsverhältnis steht einem Bezug auf § 53 S. 2 BBG, der die Weisungsbindung festhält, entgegen. Aus § 8 PersBG kann aber nicht der Gegenschluß gezogen werden, der Präsident sei allen Weisungen enthoben. Die im PersBG begründete personelle Unabhängigkeit der Präsidenten behält ihren Sinn auch dann, wenn der Minister den Präsidenten in seiner behördenleitenden Kapazität anweisen, ihn aber nicht wegen einer Differenz über die Ausübung dieses Amtes entlassen kann. In der Unterscheidung von Weisungsfreiheit und Statussicherheit wird ein gestuftes Abhängigkeitsverhältnis begründet, das sich das öffentliche Dienstrecht auch sonst, etwa in der Unterscheidung des Dienstvorgesetzten vom Vorgesetzten, zunutze macht. 1044 Zudem könnten wegen § 8 Abs. 8 PersBG auch die Vizepräsidenten behaupten, in gleicher Weise weisungsfrei gestellt zu sein. Sie sind aber jedenfalls im Verhältnis zum Präsidenten als Behördenleiter nach dem Wortlaut des TKG weisungsgebunden.1045 Dies führt zu einem letzten Einwand dagegen, die Weisungsfreiheit des Präsidenten aus § 8 PersBG iVm. § 66 Abs. 3 u. Abs. 4 TKG zu begründen. Diese Vorschriften sind vornehmlich auf die Gesamtheit der Präsidenten zugeschnitten. Deren gesetzlich hervorgehobene Kompetenz liegt in ihrer Tätigkeit als Beschlußkammer nach § 73 Abs. 3 TKG. In dieser Kompetenz treffen sie Entscheidungen zur Frequenzvergabe und zur Universaldienstauferlegung. Auf diese Kompetenz fokussiert sich auch die Mitwirkung des Beirates. 1046 Aus ihr 1041 1042 1043 1044 1045 1046

Vgl. Bundesrat, BT-Drs. 13/4938, S. 5 Ziff. 12. Vgl. auch oben S. 344. Vgl. § 8 PersBG. Zu den Einzelheiten oben S. 210 ff. Vgl. § 3 Abs. 2 BBG. Oben S. 461 Fn. 57. Vgl. § 73 Abs. 3 S. 3 iVm. § 69 Nr. 2 u. Nr. 3 TKG.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

heraus erklärt sich dessen personelles Vorschlagsrecht. Der personelle Sonderstatus des Präsidenten nach § 8 PersBG ist eher aus seiner Mitgliedschaft in der Präsidentenkammer als aus seiner Eigenschaft als Behördenleiter zu begründen. Als Behördenleiter nach § 66 Abs. 2 S. 1 TKG agiert der Präsident monokratisch. Die Leitung ist, wie soeben gesehen, 1047 nicht kollegial verfaßt. Nach der Geschäftsordnung nehmen die Vizepräsidenten übertragene Aufgaben wahr, 1 0 4 8 bestimmt der Präsident den konkreten Dienstweg 1049 und behält sich ggf. das Zeichnungsrecht vor. 1 0 5 0 Den Vizepräsidenten kommt nur ein Mitzeichnungsrecht zu, in dessen Ausübung sie allenfalls eine abweichende Auffassung vermerken können. 1051 Sie können nur im Rahmen der übertragenen Aufgaben Auskunft und Aktenvorlage verlangen. Sonst sind sie über wichtige Vorgänge nur zu unterrichten. 1052 Außerhalb seiner Beschlußkammertätigkeit kann der Präsident also nicht ein Kollegialprinzip gegen seine hierarchische Einstufung ins Feld führen. Den beschriebenen Tätigkeiten der Behörde fehlt weiterhin der kartellrechtliche Einschlag, der ein typologisches Argument für die Weisungsfreiheit des Präsidenten aus dem Vergleich mit dem Bundeskartellamt stützen könnte. Die Behörde agiert in ihren Zuständigkeiten außerhalb der Beschlußkammern als eine Fachordnungs- und -planungsbehörde. Eine besondere Nähe zum Kartellamt ist jenseits der Beschlußkammern weder Verfahrens- noch materiellrechtlich zu erkennen. In ihren fachbehördlichen Kapazitäten verantwortet die Regulierungsbehörde ebenso wie in der Beschlußkammertätigkeit grundsätzlich die Umsetzung des Privatisierungsauftrages. Deswegen könnte auch hier das Motiv der Distanzierung von der tagespolitischen Einflußnahme herangezogen werden, um die Weisungsfreiheit zu begründen. Dieses Argument erscheint aber aus mehreren Gründen fragwürdig. Denn als monokratisches Organ bietet der Präsident selbst keine besondere Gewähr dafür, tagespolitische Einflüsse auszugleichen. Ob seine im Amtsverhältnis angelegte personelle Unabhängigkeit ihn insoweit der Einflußnahme entrückt oder gerade den befürchteten Interessen näher kommen läßt, hängt von der jeweiligen Person des Amtswalters ab. Des weiteren ist der Regulierungsansatz in der fachbehördlichen Tätigkeit nach dem TKG kein asymmetrischer: Als Genehmigungs-, Zuteilungs- und Aufsichtsbehörde steht die Regulierungsbehörde auch, aber nicht ausschließlich 1047 1048 1049 1050 1051 1052

Oben S. 370. § 3 Abs. 2 GO Reg TP. § 9 Abs. 3 GO Reg TP. § 43 GO Reg TP. §44 GO Reg TP. Vgl. § 26 GO Reg TP.

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

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und nicht einmal typischerweise einem marktbeherrschenden Unternehmen gegenüber. In diesen Kapazitäten begegnet ihr namentlich die Deutsche Telekom AG als ein Unternehmen unter anderen. Es fehlen daher auch besondere materiell- und verfahrensrechtliche Sicherungen, die deren Marktmacht entgegenwirken könnten. Damit besteht eine gewisse Gefahr, daß die Regulierung in Ermangelung spezieller entgegenwirkender Rechtsinstitute an funktioneller Unabhängigkeit einbüßt. In einer solchen Situation kann sich eine ministerielle Weisung auch als Instrument erweisen, einer Bevorzugung des bundeseigenen Unternehmens zu begegnen und aus der übergeordneten Perspektive den Allgemeinwohlbelang zu artikulieren. 1053 Daß die Weisungsfreiheit nicht aus der Sachstruktur geboten ist, zeigt letztlich die binnenhierarchische Organisation der Regulierungsbehörde selbst. Aus seinen allgemeinen Aufgaben heraus kann der Präsident keinen Grund anführen, aus dem er selbst weisungsbefugt sein sollte, nicht aber der übergeordnete Minister. Im Ergebnis läßt sich dem Gesetz daher nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, daß der Präsident in seiner Kapazität als Behördenleiter weisungsfrei gestellt sein sollte. Die Materialien legen einen gegenteiligen Schluß nahe. Die gesetzgeberisch gewollte Distanzierung sollte vornehmlich in den Beschlußkammern entstehen. Außerhalb seiner Beschlußkammer genießt der Präsident nicht den weisungswehrenden Schutz des Kollegialprinzips und seines öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnisse. Dort, wo die Regulierung nicht asymmetrisch verfaßt ist, kann sich im Einzelfall gerade die Weisung als Instrument erweisen, die funktionelle Unabhängigkeit gegenüber dem nicht nur bundeseigenen, sondern vor allem marktmächtigsten Unternehmen zu behaupten.

IV. Zum ministeriellen

Weisungsverzicht

Wenn auch das Gesetz die Regulierungsbehörde als solche nicht in den ministerialfreien Raum entläßt und sogar im Einzelfall eine ministerielle Weisung ihre funktionelle Unabhängigkeit stärken kann, so bleibt doch der symbolische Wert ihrer politischen Unabhängigkeit erheblich. 1054 Auf ihn zielten augenscheinlich verschiedene öffentliche Äußerungen des Bundeswirtschaftsministers und des Präsidenten der Regulierungsbehörde. 1055 Damit rückt eine tat-

1053

Zu den Funktionen der Weisung oben S. 240 f f Siehe auch oben S. 287 f f 1055 Vgl. anläßlich des Tätigkeitsbeginns der Regulierungsbehörde die Reden des Präsidenten Scheurle, http://www.regtp.de/Regulierung/scheurle2.htm , Stand 25.7.1998, und des Bundeswirtschaftsministers Rexrodt, http://www.bmwi.de/reden/1998/0107 1054

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

sächliche Verständigung über die politische Unabhängigkeit der Behörde in den Bereich des Möglichen. Ihre Wahrscheinlichkeit und ihre Belastbarkeit sollen hier nicht politologisch hinterfragt werden. 1056 Sofern man eine dahingehende Verständigung unterstellt, ergibt sich vielmehr die verfassungsrechtliche Frage, inwieweit ein Weisungsverzicht des Ministers rechtsverbindlich sein kann (1) und ob er als unverbindliche Absprache die Grenzen des verfassungsrechtlich Zulässigen achten würde (2).

1. Verfassungsrechtliche Unverbindlichkeit eines Weisungsverzichtes De facto kommt ein einvernehmlicher Weisungsverzicht einer Delegation von Kompetenzen gleich. Sie widerspräche dem allgemeinen Delegationsverbot. 1057 Zudem bestehen Zweifel, ob der Minister mit einem solchen Weisungsverzicht nicht schon im Verhältnis zu seinen Regierungskollegen seine Kompetenz überschreitet. Nach dem Wortlaut des Art. 86 S. 2 GG liegt die Organisationsgewalt, die hier berührt wird, bei der Regierung. Zudem dürfte es sich um eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung iSd. § 15 GeschO BReg handeln. 1058 Jedenfalls mißachtet eine solche Verständigung den Vorrang und den Vorbehalt des Gesetzes.1059 Das TKG geht in § 66 Abs. 5 TKG ausdrücklich davon aus, daß allgemeine Weisungen erteilt werden können. Eine konkludente Herausnahme des Präsidenten der Regulierungsbehörde aus der ministeriellen Einzelweisungsbefugnis ist ihm nicht zu entnehmen. Sie bedürfte einer gesetzli-

redl.html, Stand 25.7.1998. Vgl. auch die Äußerungen Scheuries in „Der Weg für Telefon-Wettbewerb ist frei", FAZ v. 30.12.1997, Nr. 302, S. 11 (13) und in FAZ v. 4.5.1998, Nr. 102, S. 17, „Scheurle: Telekom-Aufsicht muß politisch unabhängig entscheiden", zur Unabhängigkeit seiner Behörde von der Politik. Nach dem Regierungswechsel hatte der neue Minister Müller sich zwar zugunsten der Deutschen Telekom AG in einem laufenden Entgeltgenehmigungsverfahren geäußert, sah sich aber bald genötigt, klarzustellen, daß er keine personellen Änderungen an der Behördenspitze beabsichtigte. Vgl. FAZ v. 4.12.1998, Nr. 282, „Bald Entscheidung über Anschlußmiete". 1056

So ermahnte der Bundeswirtschaftsminister bereits im Juli 1998 die Regulierungsbehörde, über § 43 Abs. 6 TKG auch im Mobilfunkmarkt mittelfristig die Möglichkeit der Preselection zu schaffen. Vgl. FAZ v. 3.7.1988, Nr. 151, S. 16, „Mehr Wettbewerb im Mobilfunkverkehr". Nach der hier vertretenen Auffassung wäre eine dahingehende Weisung möglich. Der Aufruhr, den der neue Bundeswirtschaftsminister Müller nach dem Regierungswechsel 1998 mit seiner Äußerung zur Entgeltregulierung auslöste, belegt aber, daß die Unabhängigkeit der Behörde auch politischen Rückhalt findet. Vgl. FAZ v. 4.12.1998, Nr. 282, „Bald Entscheidung über Anschlußmiete". 1057

Vgl. zum Delegationsverbot nur Rudolf, in: Erichsen (Hrsg.), AVwR, § 52 IV 1, Rnr. 45; S. 804. 1058 Dazu auch oben S. 168 ff. 1059 Dazu oben S. 344.

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

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chen Regelung. Der Minister kann sich also seiner Weisungsrechte nicht selbst begeben.

2. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines Weisungsverzichtes Eine Verständigung zwischen Minister und Präsidenten darüber, das Weisungsrecht nicht auszuüben, hebt die Weisungsbefugnis des Ministers rechtlich nicht auf. Sie soll aber ihre Ausübung faktisch erschweren. Deswegen fragt sich, ob der Minister mit einer tatsächlichen Zurückhaltung die verfassungsgebotene Steuerungsintensität unzulässig verkürzt. Aus Sicht der Anbindungsfunktion der Weisung, Art. 86 ff GG, droht eine solche Verkürzung nicht. Die Behörde bleibt über die institutionellen, personellen, verfahrensrechtlichen und materiell-rechtlichen Faktoren dem Bund verbunden. 1060 Dies gilt gerade in ihrer Tätigkeit als gesetzesvollziehende Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde und dank der verordnungsrechtlichen Vorgaben auch in der Frequenzplanung. Art. 65 S. 2 GG schützt die Leitungsfunktion der Weisung gegen Eingriffe anderer Gewalten, nicht aber dagegen, daß sich der Minister selbst seines Rechtes begibt. Zumal der Steuerungsverzicht, die faktische Delegation, kann sich als notwendiges Leitungsinstrument erweisen. Damit bleibt die Legitimationsfunktion der Weisung, Art. 20 Abs. 2 GG, als Grenze eines faktischen Verzichtes. Auf die legitimationsbedingende Funktion der Weisung 1061 wirkt sich ein Weisungsverzicht nicht aus. Im Verhältnis des Ministers zum Parlament kann die ministerielle Zurückhaltung dessen Rechenschaftspflicht nicht verkürzen. Hier muß sich der Minister nicht nur für eine erteilte Weisung, sondern auch für ihre bewußte und gewollte Unterlassung rechtfertigen. 1062 Folglich führt ein Weisungsverzicht nicht notwendig dazu, daß die Weisungsbefugnis ihre legitimationsvermittelnde Wirkung verliert. Denn solange die Weisung rechtlich möglich bleibt, der Präsident de jure unter der ministeriellen Vorherrschaft agiert, nimmt er auch an deren Legitimation teil. In Ermangelung sachlich-inhaltlicher Vorgaben bleibt diese allerdings in hohem Maße generalisiert. Zweifelhaft ist jedoch, ob in dem konkreten institutionellen Arrangement noch eine hinreichende Legitimation effektiv erreicht werden kann. In der Be-

1060 1061 1062

Vgl. oben S. 200 ff. Vgl. oben S. 303 ff. Ähnlich schon Füßlein, S. 105.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

Stimmung des Legitimationsniveaus wird zu beachten sein, daß zahlreiche Aufgaben, die nunmehr der Regulierungsbehörde unter Leitung des Präsidenten zugewiesen sind, zuvor im Bundesamt für Post und Telekommunikation organisiert waren. Sie mochten sich dort einer ministeriellen Weisungsbefugnis ebenfalls faktisch entziehen. 1063 Innerhalb der Behörde kann zudem unter den oben diskutierten Alternativen zur weisungsförmlichen Legitimation die beiratliche Kontrolle stützend wirken. 1 0 6 4 Sie bezieht nach § 69 Nr. 3 und 4 TKG auch die Tätigkeiten der Regulierungsbehörde ein, die nicht Beschlußkammern zugewiesen sind. In den ersten Monaten der vollständigen Marktöffnung scheint die beiratliche Kontrolle so intensiv, daß von einem Legitimationsdefizit kaum gesprochen werden kann. 1065 Eine abschließende Beurteilung wird allerdings erst dann möglich sein, wenn sich das institutionelle Arrangement eingespielt hat. 1 0 6 6 Hier obliegt dem Parlament als dem Schöpfer des institutionellen Arrangements eine besondere Beobachtungspflicht. Nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ist es zuvörderst seine Aufgabe, darauf zu achten, daß innerhalb der gesetzlich geschaffenen Verwaltung ein hinreichendes Legitimationsniveau effektiv erreicht wird. 1 0 6 7 Das TKG bietet mit dem Tätigkeitsbericht der Behörde nach § 81 Abs. 1 TKG einen Regelanlaß zu einer solchen Überprüfung. Es eröffnet mit den an das Parlament angebundenen Kompetenzen des Beirates auch die Möglichkeit zu einer tiefenscharfen Beobachtung. Sollte sich erweisen, daß infolge des ministeriellen Weisungsverzichts das Legitimationsniveau unerträglich abgesunken ist, wird das Parlament verfassungsrechtlich gehalten nachzusteuern. Dafür ist keine Gesetzesänderung erforderlich. In einer Situation des faktischen Weisungsverzichts dürfte es vielmehr schon ausreichen, den Minister für diesen Verzicht zur Rechenschaft zu ziehen. 1068 Damit würde sich gleichsam die legitimatorische Spannung der Weisungsbefugnis wieder erneuern. Die Weisungsbefugnis läßt sich in ihrer legitimationsvermittelnden Qualität mit einer Batterie vergleichen, die sich lang-

1063

Zur Nutzung des Ministerialmodells als Legitimationsstandard oben S. 313 ff. Vgl. oben S. 331 ff. 1065 Beispiel hierfür die Stellungnahme des Beirates zu Postlizenzen, vgl. NJWWochenspiegel, 18/1998, S. X L I V , „Konkurrenz für Deutsche Post AG" ebenso wie die Auseinandersetzung des Wirtschaftsausschusses des Bundestages mit der Entgeltregulierung, vgl. FAZ v. 4.12.1998, Nr. 282, „Bald Entscheidung über Anschlußmiete". 1066 Als Beispiel könnte ihr die kritische Durchleuchtung der Postverwaltung vor 1985 dienen, die Joachim Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, Baden-Baden 1985, vorgelegt hat. 1067 Vgl. BVerfG E 93, 37 (74) - Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein -, und oben S. 311 ff. 1068 Zur Möglichkeit, das Auseinanderdriften von Gesetzeslage und Verfassung durch eine faktische Korrektur zu beenden, vgl. Mayer, Nachbesserungspflicht, S. 161 f. 1064

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

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sam entlädt, wenn sie nicht ausgeübt wird, aber dennoch auch über den Zeitraum ihrer Nichtbenutzung hinweg Legitimation vorhält. 1069 Daher genügt es, wenn sie gelegentlich durch die parlamentarische Kontrolle des Ministers aufgeladen wird. Dafür bieten sich etwa mit der zweijährlichen Debatte nach § 81 Abs. 1 TKG eine wiederkehrende oder in Gestalt eines Minister- oder Regierungswechsels eine außerordentliche Gelegenheit. 1070 Aber auch auf eine solche Kontrolle hin wäre der Minister rechtlich nicht gehalten, eine Weisung auszusprechen. Die konkrete Weisung ist eine der Möglichkeiten, mit denen er auf die parlamentarische Kontrolle reagieren kann. Hält er es aber dennoch für sinnvoll, von einer Weisung abzusehen, genießt auch diese Entscheidung erneuerte, da parlamentarisch reflektierte Legitimation.

3. Fazit Ein verabredeter Weisungsverzicht ist nach alledem verfassungsrechtlich unverbindlich, weil der Minister sich nicht selbst von seiner Kompetenz freizeichnen kann. 1071 Ein Verzicht ist aber trotz seiner rechtlichen Unverbindlichkeit als Abrede von verwaltungspolitischer Bedeutung grundsätzlich zulässig. Erst wenn der faktische Weisungsverzicht zu einem Defizit effektiver Legitimation führt, wird er vor Art. 20 Abs. 2 GG unhaltbar. Hier ist das Parlament gehalten, die legitimatorische Effektivität des TKG zu beobachten. Sollte es feststellen, daß dessen institutionelles Arrangement etwa aufgrund eines faktischen ministeriellen Weisungsverzichtes die erforderliche Legitimationsleistung nicht mehr erbringt, muß es nachsteuern. Dafür kann es aber bereits genügen, den Minister für seine Zurückhaltung in der Ausübung des Weisungsrechts zur Rechenschaft zu ziehen. Denn damit würde das legitimatorische Potential der Weisungsbefugnis erneuert. Die ministerielle Zurückhaltung gegenüber dem Präsidenten der Regulierungsbehörde ist also gegenwärtig verfas-

1069

Vgl. oben S. 311 ff zur Effektivität der weisungsvermittelten Legitimation. Vgl. die Äußerung des oppositionellen MdB Bury (SPD), man werde sich im Falle eines Regierungswechsels ansehen, ob das Präsidium der Behörde sich an die Gesetze halte. Vgl. FAZ v. 5.5.1998, Nr. 103, S. 17, „SPD: Telekom-Regulierung nicht transparent" Vgl. außerdem die Aussage des neuen Wirtschaftsministers Müller Ende 1998, er beabsichtige keine personelle Änderung in der Behördenspitze. Vgl. FAZ v. 4.12.1998, Nr. 282, „Bald Entscheidung über Anschlußmiete". Zur Diskussion um eine Änderung des TKG im Zusammenhang mit der Bundestagswahl 1998 vgl. FAZ v. 28.8.1998, Nr. 199, S. 16, „Rexrodt: SPD gefährdet Arbeitsplätze" und FAZ v. 29.8.1998, Nr. 200, S. 14, „Scharping: Kein neues Telekomgesetz". 1071 Vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 65 Rnr. 99. 1070

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

sungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie kann aber eine politische Verselbständigung der Regulierungsbehörde nur faktisch, nicht rechtlich befördern. V. Die politische Verselbständigung

des Präsidenten

Zusammenfassend läßt sich fur die politische Verselbständigung des Präsidenten folgendes festhalten: Als Behördenleiter ist der Präsident das Organ, in dem die Zuständigkeiten der Regulierungsbehörde zusammenlaufen, die nicht den Beschlußkammern zugewiesen sind. Hier agiert die Behörde genehmigend, verteilend und beaufsichtigend. Ihr Präsident ist demnach ein Organ der fachlichen Marktaufsicht. Insoweit gleicht die Organisation der Regulierungsbehörde der einer Fachplanungs- oder -Ordnungsbehörde. Die behördeninterne Referats- und Abteilungstruktur folgt dem hierarchischen Prinzip. Ihr Präsident ist als monokratisches Leitungsorgan weisungsbefugt. Gegenüber dem Minister muß er aber nach dem TKG als weisungsunterworfen gelten. Anhaltspunkte dafür, daß er in den ministerialfreien Raum entlassen werden sollte, lassen sich weder dem Wortlaut noch den Materialien noch der Systematik des Gesetzes entnehmen. Der Wille des historischen Gesetzgebers, die Behörde in ihren Entscheidungen unabhängig zu stellen, konzentrierte sich auf die Beschlußkammern. Ihre Beschlußkammertätigkeit erklärt auch die personelle Unabhängigkeit des Präsidenten und der Vizepräsidenten. Soweit der Präsident als Behördenleiter monokratisch entscheidet, kann er für sich weder das Kollegialprinzip noch die besondere Wertigkeit des Beschlußkammerverfahrens in Anspruch nehmen. Auch der Grundsatz asymmetrischer, dem bundeseigenen und marktbeherrschenden Unternehmen in besonderer Weise begegnender Regulierung gilt vornehmlich für die Tätigkeit der Beschlußkammern. Die allgemeine Marktaufsicht ist vergleichsweise privatisierungsneutraler. Sie verlangt daher auch in geringerem Maße nach staatsinterner Distnzierung. Wenngleich der Präsident nach dem TKG weisungsunterworfen ist, deuten die öffentlichen Äußerungen des Ministers darauf hin, daß er seine Weisungsbefugnis bis auf weiteres nicht ausüben will. Ein solcher faktischer Weisungsverzicht kann nicht rechtsverbindlich erklärt werden. Er wird über den institutionellen Gesetzesvorbehalt der parlamentarischen Organisationsgewalt vorbehalten. Als rechtlich unverbindliche, politisch aber bedeutsame Aussage ist ein ministerieller Weisungsverzicht gleichwohl verfassungsrechtlich zulässig. Er schmälert weder die Anbindung der Regulierungsbehörde an den Bund noch die Leitungsbefugnisse der Regierung. Letztere können sich gerade darin äußern, daß der Minister nachgeordneten Behörden Handlungsspielraum gewährt. Auch die Legitimationsfünktion der Weisungsbefügnis wird durch einen Weisungsverzicht solange nicht unterminiert, als eine gelegentliche parlamentarische Kontrolle eintritt. Indem das Parlament die ministerielle Zurückhaltung in

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

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Frage stellt, kann es verhindern, daß aus einer für sich legitimen faktischen Nichtausübung des Weisungsrechts im Wege der Observanz eine rechtliche Nichtausübbarkeit der Weisungsbefugnis und damit ein Legitimationsdefizit entsteht. Eine solche Entwicklung ist gegenwärtig noch nicht abzusehen. Sie wäre vom Parlament z.B. aus Anlaß des Tätigkeitsberichtes nach § 81 TKG zu beobachten und, sofern sie zu einem Absinken der effektiven Legitimation unter das erforderliche Legitimationsniveau führt, zu korrigieren. Dafür dürfte es genügen, den Minister für die Nichtausübung seiner rechtlich weiterhin vorhandenen, seiner Disposition nicht zugänglichen Weisungsbefugnis zur Rechenschaft zu ziehen. Für den Präsidenten der Behörde bedeutet dies, daß der faktische Weisungsverzicht ihm bis auf weiteres die Möglichkeit zur politischen Verselbständigung bietet. Damit ist aber keine dauerhafte Entlassung aus der ministeriellen Obhut verbunden. Inwiefern der rechtlich unverbindliche Weisungsverzicht tatsächlich durchgehalten wird, hängt von Opportunitätsmomenten ab. Gegenwärtig symbolisiert die Zurückhaltung des Ministers den Willen zum ordnungspolitischen Modellwechsel. Amerikanische Erfahrungen zeigen jedoch, daß sich die marktöffnenden Maximen der Regulierung in fernerer Zukunft verlieren könnten. 1072 An ihre Stelle mögen z.B. Motive des organisatorischen Selbsterhaltes und der dauerhaften Kooperation mit den regulierten Unternehmen treten, die ihrerseits gefestigte Marktstellungen auch regulatorisch verteidigen wollen. Dies gilt besonders für diejenigen Tätigkeiten der Behörde, in denen das justizähnliche, eine Marktbeherrschung überwachende, weithin kontradiktorische Beschlußkammerverfahren nicht greift. Namentlich in ihrer Tätigkeit als Verteilungs- und Aufsichtsbehörde dürfte die Regulierung daher langfristig kooperativen Anfechtungen ausgesetzt sein. 1073 In einer solchen Lage mag es geboten erscheinen, die ministerielle Zurückhaltung aufzugeben, um den Amtsauftrag der Regulierungsbehörde weisungsförmlich zu erneuern. Eine Weisung kann dann einer drohenden Klientelorientierung Artikulationen des Gemeinwohls entgegensetzen. Indem der faktische Weisungsverzicht für die Gegenwart die politische Autonomie der Regulierung betont, ohne sie für alle Zukunft einer politischen 1072

Die grundlegende Arbeit zu dieser Theorie des Lebenszyklus regulatorischer Agenturen stammt von Marver .H. Bernstein, Regulating Business by Independent Commission, Princeton 1955. Referiert und kritisiert, in ihrer grundsätzlichen Bedeutung aber nicht bestritten wird sie z.B. von Schuppert, Verselbständigte Verwaltungseinheiten, S. 341-346. 1073 Einen institutionellen Kern könnte eine solche Entwicklung in den bereits vorhandenen Arbeitskreisen finden. Zu ihnen oben S. 182 ff und S. 226 ff. Die frühere Rolle der Arbeitskreise in der Zusammenarbeit der Behörde Bundespost mit den sog. „Amtsbaufirmen" analysiert Scherer, Telekommunikationsrecht, S. 386-392; 476-478.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

Kontrolle zu entziehen, erweist er sich als ein verfassungsrechtlich zulässiges und verwaltungspolitisch sinnvolles Instrument. Er ermöglicht dem Präsidenten der Regulierungsbehörde die politische Verselbständigung, ohne ihn in die politische Unabhängigkeit zu entlassen.

B. Die Beschlußkammern, § 73 Abs. 1 T K G In der Regulierungsbehörde finden sich 4 Beschlußkammern, die Zuständigkeiten nach dem TKG wahrnehmen. Neben der Präsidentenkammer, die als 1. Beschlußkammer zählt, sind der Beschlußkammer 2 die Entgeltgenehmigung, der Beschlußkammer 3 die nachträgliche Entgeltregulierung im Wege des Widerspruchs sowie die besondere Mißbrauchsaufsicht und der Beschlußkammer 4 die Anordnung des besonderen Netzzuganges einschließlich der Zusammenschaltung zugewiesen. 1074 Da die Präsidentenkammer nach § 73 Abs. 3 TKG über die Vergabe beschränkter Lizenzen und knapper Frequenzen sowie die Auferlegung von Universaldienstleistungen unter Mitwirkung des Beirates entscheidet, soll ihr ein eigener Abschnitt gewidmet werden (C). Das Folgende befaßt sich lediglich mit den allgemeinen Beschlußkammern nach § 73 Abs. 1 TKG. Ihnen ist die sektorspezifische, asymmetrische Mißbrauchsaufsicht zugewiesen (I). Sie verfahren in bestimmten Enscheidungsmustern (II). Darin will das Gesetz sie weisungsfrei stellen (III). Dies ist verfassungsrechtlich zulässig (IV). Im Ergebnis wird den Beschlußkammern eine auf die Entscheidung des Einzelfalles beschränkte, politische Verselbständigung möglich (V).

/. Die Beschlußkammern als sektorspezifische, asymmetrische Mißbrauchsaufsicht Die Tätigkeit der allgemeinen Beschlußkammern läßt sich schlagwortartig als sektorspezifische, asymmetrische Mißbrauchsaufsicht umschreiben. Der Begriff der Mißbrauchsaufsicht grenzt die Beschlußkammertätigkeit einerseits zur Marktaufsicht unter Leitung des Präsidenten, andererseits zur Präsidentenkammer ab.

1074 Vgl. Reg TP, Organisationsplan v. 1.4.1998. Zu den Einzelheiten Reg TP, Aufgabenbeschreibung, BK2-4. Dort auch zur Beschlußkammer 5: Entgeltregulierung und besondere Mißbrauchsaufsicht Postbereich.

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

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1. Die Mißbrauchsaufsicht im Unterschied zur Marktaufsicht Als Marktaufsicht fungiert die Regulierungsbehörde als Genehmigungs-, Zuteilungs- und Aufsichtsbehörde. 1075 Es entsteht regelmäßig ein zweipoliges Verwaltungsrechtsverhältnis zwischen dem jeweils betroffenen Unternehmen und der Behörde. Es kulminiert handlungsförmlich in einer Anordnung, Genehmigung oder Zuteilung. Die Marktaufsicht öffnet oder schließt eine rechtliche Marktzugangsschranke. Die Mißbrauchsaufsicht beobachtet hingegen das Marktverhalten des marktbeherrschenden Unternehmens. Es bestimmt über die Preisgestaltung und die Bereitstellung von Vorprodukten in Form des Netzzugangs die Handlungsmöglichkeiten seiner Wettbewerber mit. 1 0 7 6 Folglich reicht auch die Mißbrauchsaufsicht über ein zweipoliges Verwaltungsrechtsverhältnis hinaus. Im Streit um den Netzzugang ist schon das Verfahrensverhältnis selbst notwendig mehrpolig. Der Nachfrager wird beantragen, den Antragsgegner zu verpflichten, Zugang zu gewähren. Die Entgeltgenehmigung wird zwar von einem Unternehmen beantragt, wirkt sich aber auf die betroffenen Kunden und Konkurrenten unmittelbar aus. 1077 Als Mißbrauchsaufsicht gerät die Beschlußkammer daher in weit stärkerem Maße als die allgemeine Marktaufsicht in eine schlichtende Rolle. 1 0 7 8

2. Die Mißbrauchsaufsicht im Unterschied zur Tätigkeit der Präsidentenkammer Auf der anderen Seite grenzt die Bezeichnung „Mißbrauchsaufsicht" die Tätigkeit der allgemeinen Beschlußkammern von der der Präsidentenkammer ab. 1075

Vgl. oben S. 349 ff. Zur Bedeutung des Netzzugangs für die Wettbewerber vgl. Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Wettbewerbsregeln auf Zugangsvereinbarungen im Telekommunikationsbereich - Rahmen, relevante Märkte und Grundsätze (98/C 265/02), ABl. EG Nr. C 256 v. 22.8.1998, S. 2, Ziff. 49-51. Zum Entwurf dieser Mitteilung Klaus W. Riehmer, EG-Wettbewerbsrecht und Zugangsvereinbarungen in der Telekommunikation, M M R 1998, 355. 1077 Eine Klagebefugnis der Kunden gegen die Tarifgenehmigung nach dem PTRegG befürwortete Ossenbühl, Arch PT 1996, 207 (220). 1078 Vgl. aus dem Europarecht Art. 12 Nr. 1 ONP-Mietleitungsrichtlinie 1992 und 1997, Art. 27 Nr. 1 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1995 und Art. 26 Nr. 1 ONPSprachtelefondienstrichtlinie 1997 und weiterhin Art. 5 S. 2 ONP-Mietleitungsrichtlinie 1992 und 1997, Art. 6 Abs. 2 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1995 bzw. Art. 22 Abs. 3 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1997, Art. 10 Abs. 3 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1995, Art. 16 Abs. 2 S. 1 u. Abs. 4 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1997 sowie Art. 9 Abs. 3 S. 1 Zusammenschaltungsrichtlinie; Entschliessung v. 18.9. 1995 zur Entwicklung des künftigen ordnungspolitischen Rahmens für die Telekommunikation (95IC 258/01), ABl. EG Nr. C 258 v. 3.10.1995, S. 1 (Ziff. 3 c) 4. Spiegelstrich)). 1076

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

Letztere setzt sich nach § 73 Abs. 3 TKG aus dem Präsidenten und den beiden Vizepräsidenten zusammen. Anders als für die übrigen Beschlußkammern ist also die Befähigung zum höheren Dienst vom Gesetz nicht zur Voraussetzung für die Mitgliedschaft in dieser Kammer erhoben worden. 1079 Die Präsidentenkammer bildet sich zudem unmittelbar nach dem Gesetz, während die Bildung der übrigen Kammern auf die Organisationsgewalt des Bundeswirtschaftsministers zurückgeht. 1080 Die Präsidentenkammer entscheidet fernerhin ggf. im Einvernehmen mit dem Beirat. 1081 Sie gibt sich selbst Vergabe- und Entscheidungsrichtlinien. 1082 Sie kann damit den gesetzlichen Rahmen materiell selbst konkretisieren, ist aber in ihrer Zuständigkeit formell auf die gesetzliche Regelung fixiert. Gemäß § 73 Abs. 3 S. 1 TKG entscheidet die Präsidentenkammer in den Fällen des § 11 und des § 19 TKG. Diese Entscheidungen lassen sich nicht mehr als Mißbrauchsaufsicht bezeichnen. Denn anders als die Entgeltregulierung und die Gewährung des Netzzuganges richten sich § 11 TKG und § 19 TKG tatbestandlich nicht notwendig an ein marktbeherrschendes Unternehmen. 1083 Die Zuteilung eines knappen Rechtes oder die Auferlegung des Universaldienstes kann auch ein nicht marktbeherrschendes Unternehmen treffen. 1 0 8 4 In ihren Zuständigkeiten fällt der Präsidentenkammer also eine besondere Aufgabe zu. Sie ersetzt eine wettbewerbliche Güterverteilung, soweit sich der Marktmechanismus als rechtlich oder faktisch dysfunktional erweist. 1085 1079

Vgl. § 73 Abs. 4 TKG. § 73 Abs. 1 S. 3 TKG. 1081 § 73 Abs. 3 S. 3 TKG. 1082 Vgl. § 11 Abs. 4 u. 5 TKG, § 19 Abs. 7 TKG. 1083 § 19 Abs. 2 u. Abs. 3 TKG fassen zwar besonders das marktbeherrschende Unternehmen als Träger von Universaldienstleistungen ins Auge. Dies hat seinen Grund aber nicht darin, daß das marktbeherrschende Unternehmen in seinem Verhalten den Wettbewerb verfälschen könnte. Dieser besteht ja gerade auf dem unterversorgten Markt nicht. Vielmehr knüpfen § 19 Abs. 2 u. Abs. 3 TKG an die besondere Leistungsfähigkeit des Unternehmens an, die regelmäßig in seiner marktbeherrschenden Stellung zum Ausdruck kommt. Erweist sich ein anderes, nicht marktbeherrschendes Unternehmen im Wege der Ausschreibung als leistungsstärker, kann die Verpflichtung auch ihm aufgegeben werden (§ 19 Abs. 5 u. 6 TKG). Die finanzielle Last der Universaldienstverpflichtung müssen alle Lizenznehmer auf dem jeweiligen Markt tragen (§ 19 Abs. 1 TKG). Auf ihre Marktbeherrschung kommt es nicht an; lediglich Unternehmen mit einem geringen Marktanteil sind von der Abgabepflicht ausgenommen. 1080

1084

Vgl. § 19 Abs. 2 u. Abs. 5 TKG, die es jeweils in das Ermessen der Präsidentenkammer stellen, die Universaldienstleistung einem marktbeherrschenden Unternehmen aufzuerlegen oder sie auszuschreiben. Auch § 11 Abs. 3 TKG räumt, obwohl er sich in der Tendenz gegen ein marktbeherrschendes Unternehmen richtet, der Kammer Ermessen ein. 1085 Als rechtliche Versagung einer wettbewerblichen Verteilung läßt sich die Beschränkung von Lizenzen nach § 10 TKG bzw. § 47 Abs. 5 S. 2 TKG einstufen; ein faktisches Marktversagen liegt in der Unterversorgung nach § 19 Abs. 1 TKG.

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

35

Hingegen geht die Regulierung nach §§ 24 ff und §§ 33 ff TKG im Ansatz von der Funktionsfähigkeit des Marktes aus. Die jeweiligen Beschlußkammerentscheidungen sollen die Wettbewerbsstruktur nicht ersetzen, sondern lediglich korrigierend sicherstellen. 1086 Die Tätigkeit der allgmeinen Beschlußkammern versteht sich anders als die der Präsidentenkammer. 1087

3. Die sektorspezifische Ausformung der Mißbrauchsaufsicht gegenüber dem GWB Die Mißbrauchsaufsicht nach dem TKG ist im Vergleich zur Mißbrauchsaufsicht nach dem GWB eine sektorspezifische. 1088 Das heißt zunächst, daß sie dem kartellrechtlichen Vorbild folgt. Materiellrechtlich formt etwa § 33 TKG die wettbewerbsrechtliche essential-facilities-doctrine aus. 1089 § 24 Abs. 2 TKG ist dem GWB nachgebildet. 1090 Formell-rechtlich übernimmt das TKG die Vorschriften des GWB in §§73 ff TKG weithin aufs Wort. Organisatorisch entspricht die Struktur der Beschlußkammern nach dem TKG der der Beschlußabteilungen nach dem GWB. Regulierungsbehörde und Bundeskartellamt stellen diesen Kollegialorganen gleichermaßen hierarchisch gegliederte, dem jeweiligen Präsidenten zugeordnete Grundsatzreferate zur Seite. 1091 Die Monopolkommission nach § 44 GWB ist auch kompetent, zur Regulierung Stellung zu nehmen. 1092 Über weite Phasen des Gesetzgebungsverfahrens war sogar erwogen worden, die Beschlußkammern sogleich dem Bundeskartellamt einzugliedern. 1093 Auch nach Inkrafttreten des TKG bleibt es eine langfristige Perspektive, die sektorspezifische Mißbrauchsaufsicht organisatorisch in das

1086 Folgerichtig überläßt daher die Entgeltregulierung nach § 24 Abs. 1 S. 2 TKG die Frage nach der angemessenen Bepreisung iSd. Art. 87f Abs. 1 GG ausdrücklich dem Universaldienstregime. 1087 Zu dieser unten S. 420 ff. 1088 Zum folgenden auch Ernst-Joachim Mestmäcker, Regulierende Mißbrauchsaufsicht, in: FS-Fikentscher, Tübingen 1998, S. 557; Dirk Schroeder, Telekommunikationsgesetz und GWB, WuW 1999, 14. 1089 Dazu Piepenbrock, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 33 Rnr. 20. Vgl. auch Fraktionsentwurf, BT-Drs. 13/3609, S. 45 Zu § 32. 1090 Vgl. § 19 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 u. Nr. 3 GWB. Zur Anlehnung an § 22 GWB alter Fassung Fraktionsentwurf, BT-Drs. 13/3609, S. 43 Zu § 23. 1091 Vgl. Reg TP, Organisationsplan v. 1.4.1998; Organisationsplan des Bundeskartellamtes v. November 1996, WuW 1996, 971. 1092 Vgl. § 81 Abs. 3 TKG. 1093 Vgl. Ernst-Joachim Mestmäcker/Eberhard Witte, Gutachten zur Zuständigkeit für die Verhaltensaufsicht nach dem dritten und vierten Teil des Referentenentwurfs für eine Telekommunikationsgesetz (TKGE), Hamburg und München, 22.11.1995, Monopolkommission,, Sondergutachten 24, Tz. 26-32; Jan B. Rittaler, WuW 1996, 699 (703 f). 25 Oertel

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

Bundeskartellamt zu überführen. 1094 So mag die Entgeltregulierung nach einiger Zeit entbehrlich erscheinen und die Netzzugangsgewähr an die entsprechenden Vorschriften des GWB anschließen.1095 Dessen Vorschriften und die Zuständigkeit des Bundeskartellamtes läßt das TKG unberührt. 1096 Dennoch hat sich der Gesetzgeber bis auf weiteres entschieden, die Mißbrauchsaufsicht nach dem TKG nicht dem Bundeskartellamt anzuvertrauen, sondern sie sektorspezifisch zu verfassen. Ein Grund dafür mag gewesen sein, daß das Kartellamt selbst bezweifelte, hinreichende technische Spezialkenntnisse zu besitzen. 1097 Ein tieferer Grund läßt sich in der wirtschaftlichen Eigenart der Regulierungssituation finden. 1098 Hier führt die sektorspezifische Natur der Mißbrauchsaufsicht zu deren asymmetrischen Charakter hinüber.

4. Die asymmetrische Anlage der Mißbrauchsaufsicht Als asymmetrisch gilt die gesamte Regulierung des TKG, soweit sie dem marktbeherrschenden Unternehmen besondere Pflichten auferlegt und damit im Gegenzug seine Wettbewerber stärkt. 1099 Insbesondere die Mißbrauchsaufsicht nach den §§ 24 ff und §§ 33 ff TKG erfaßt schon tatbestandlich ausschließlich marktbeherrschende Unternehmen. 1100 Hinter diesem Tatbestandsmerkmal wird

1094

Vgl. Ausschußbericht, BT-Drs. 13/4864, S. 72; § 81 Abs. 3 TKG. Dazu Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 82 Rnr. 9. Die vom Bundesrat angeregte Befristung der Entgeltregulierung auf das Jahr 2002 nahm das Gesetz aber nicht auf. Vgl. Bundesrat, BT-Drs. 13/4438, S. 27 f Ziff. 115. 1095 Vgl. zur Entgeltregulierung § 81 Abs. 3 S. 3 TKG; zur Regelung des Netzzuganges im GWB Anette Klimisch/'Markus Lange, Zugang zu Netzen und anderen wesentlichen Einrichtungen als Bestandteil der kartellrechtlichen Mißbrauchsaufsicht, WuW 1998, 15; Hermann-Josef Bunte, 6. GWB-Novelle und Mißbrauch wegen Verweigerung des Zugangs zu einer "wesentlichen Einrichtung", WuW 1997, 302. 1096 Vgl. § 1 Abs. 3 TKG u. § 82 S. 4-5 TKG. Zu den Schwächen einer sektorspezifische Regelung noch die Monopolkommission, Sondergutachten 24, Tz. 33. 1097 Vgl. Kartellamtspräsident Wolf in: Postausschuß, Öffentliche Anhörung v. 13.3.1996, Protokoll Nr. 18, S. 33. 1098 Vgl. auch Reg TP, Entscheidung vom 15.6.1998, K & R 1998, 545 (550). 1099 Vgl. Schuster, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 2 Rnr. 9; Monopolkommission, Sondergutachten 24, Tz. 10; Fraktionsentwurf, BT-Drs. 13/3609, S. 34; Mestmäcker, in: FS-Fikentscher, S. 557 (561). Fuhr/Kerkhoff NJW 1997, 3209 (3209). Kritisch zur asymmetrischen Regulierung Christoph Engel, Der Weg der deutschen Telekommunikation in den Wettbewerb, MMR-Beilage 3/1999, 7 (8 f). 1,00 Vgl. § 25 Abs. 1 u. Abs. 2 TKG für die Entgeltregulierung; § 33 TKG u. § 35 TKG für den offenen Netzzugang. § 37 TKG bildet für die Zusammenschaltung von öffentlichen Telekommunikationsnetzen insofern eine Ausnahme, als er das Merkmal der Marktbeherrschung nicht eigens nennt. Leo/Schellenberg, Z U M 1997, 188 (194 ff) fassen den Netzzugang daher nicht unter die Überschrift „Sektorspezifisches Wettbewerbsrecht". Bei einer engen (Punkt-) Marktabgrenzung beherrscht aber jeder Netzbetreiber

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

37

sich i m Regelfalle die Deutsche Telekom A G verbergen. 1 1 0 1 Als Leistungsverwaltung i m Schutze des Fernmeldemonopols konnte sie eine überragende Marktmacht aufbauen. Diese Marktmacht kann, da sie sich bislang nicht im Wettbewerb bewähren mußte, nur bedingt als Ausdruck wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit g e l t e n . 1 1 0 2 Deswegen begegnet ihr das T K G anders als das G W B . 1 1 0 3 Weder nach dem G W B noch nach den Art. 85, 86 E W G würde eine marktbeherrschende Stellung fur sich genommen besondere Verhaltenspflichten auslösen. 1 1 0 4 Das allgemeine Kartellrecht kann konzentrierte Marktmacht als das Resultat unverfälschten Wettbewerbs zunächst einmal hinnehmen. Das T K G versagt sich eine ähnliche Zurückhaltung. Schon die marktbeherrschende Stellung der Deutschen Telekom genügt, um ihre Entgelte der Genehmigungspflicht zu unterwerfen. Denn namentlich im Bereich der Lizenzklassen 3 und 4 ist die marktbeherrschende Stellung der Deutschen Telekom historisch nicht im Wettbewerb erworben, sondern i m Schutze des Sprachtelefondienst- und Übertragungswegemonopols erhalten worden. Verfassungsrechtlich kann die Leistungserbringung erst dann als privatwirtschaftlich gelten, wenn das Unternehmen in diesen Bereichen effektivem Wettbewerb ausgesetzt w i r d . 1 1 0 5 U m die

den Markt des Zugangs zu seinen Teilnehmern. Insoweit kann auch die Zusammenschaltungspflicht als Teil der Mißbrauchsaufsicht verstanden werden. In diese Richtung wohl BGH, WuW 1996, 728 - Premiere -. Offener Schütz, M M R 1998, 11 (17). Vgl. auch Peter Salje, Marktbeherrschung auf Telekommunikationsmärkten, K & R 1998, 331. 1101 Vgl. nur Fraktionsentwurf, BT-Drs. 13/3609, S. 33. In den bereits vor 1998 schrittweise geöffneten Mobilfunkmarkt verfügen zwar die drei aktiven Betreiber gemeinsam über einen Marktanteil, der nach § 19 Abs. 3 GWB die Marktbeherrschung vermuten läßt. Die Vermutung kann mit dem intensiven (Preis- und Angebots-) Wettbewerb unter ihnen widerlegt werden. Eingehend dazu Emst-Joachim Mestmäcker, Entgeltregulierung, Marktbeherrschung und Wettbewerb im Mobilfunk, MMR-Beilage 8/1998. Gleichwohl sollen weitere Mobilfunklizenzen vergeben werden. Vgl. FAZ v. 8.10.1998, Nr. 233, S. 22, „Weitere Mobilfünklizenzen im nächsten Jahr". 1102 Mestmäcker, in: FS-Fikentscher, S. 557 (560) erkennt eine „Wettbewerbsbeschränkung durch Zustand". 1,03 Vgl. Hefekäuser/Wehner, GR 1996, 698 (700). Die Widersprüche zwischen TKG und GWB will Thomas Lampert, Der Begriff der Marktbeherrschung als geeignetes Kriterium zur Bestimmung des Normadressaten für das sektorspezifische Kartellrecht nach dem TKG?, WuW 1998, 27, durch eine teleologische Reduktion des Tatbestandsmerkmals im TKG auf eine im Schutze des Monopols erlangte Marktbeherrschung ausräumen. 1104 Hinzu kommen muß stets ein Element, das den Mißbrauch befürchten läßt, etwa eine Fusion oder ein diskriminierendes Verhalten. Auch der Verzicht auf einen Entflechtungstatbestand belegt, daß das Kartellrecht Marktmacht per se toleriert. Vgl. zur Mißbrauchsaufsicht Rittner, § 6 Rnr. 66 ff und weiter § 5 Rnr. 24, § 6 Rnr. 40; Emmerich, Kartellrecht, S. 35 f; Immenga/Mestmäcker, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, Einleitung Rnr. 6-9. Zu den wettbewerbstheoretischen Grundlagen, insbesondere der Chicagoer Schule, vgl. Emmerich, Kartellrecht, S. 17; Rittner, § 5 Rnr. 45. 1105 Vgl. oben S. 65.

3

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

vorhandene Marktmacht der deutschen Telekom in wirtschaftshistorisch begründeter und verfassungsrechtlich gebotener Weise auf die wettbewerbliche Probe zu stellen, war die Mißbrauchsaufsicht asymmetrisch anzulegen.

5. Die Mißbrauchsaufsicht unter dem Privatisierungsauftrag Mit der Entgeltregulierung und dem Netzzugang wählt die asymmetrische Mißbrauchsaufsicht zwei zentrale Ansatzpunkte. 1106 In der Entgeltgenehmigung führt die asymmetrische Regulierung die Gebührenordnung der Leistungsverwaltung unter veränderten Bedingungen fort. Deren daseinsvorsorgendes Element geht in das Universaldienstregime nach §§17 ff TKG und damit in die Zuständigkeit der Präsidentenkammer über. 1107 Der Entgeltregulierung durch die allgemeinen Kammern bleibt sowohl das Anliegen erhalten, über die Tarifvorgaben Effizienzgewinne zu erzeugen und sie an die Kunden weiterzugeben, 1108 als auch das Eingeständnis, sich an den Kosten der Leistungserbringung orientieren zu müssen. 1109 Schon unter dem PTRegG erwogen worden, 1110 aber erst im TKG in die Entgeltregulierung eingegangen ist das ursprünglich kartellrechtliche Diskriminierungsverbot. 1111 Ähnliche Vorschriften finden sich im PostG. 1112 Auch in der Regulierung des Netzzuganges verfährt das TKG ähnlich wie PostG und AEG. 1 1 1 3 Er

1106

Vgl. nur Fraktionsentwurf, BT-Drs. 13/3609, S. 35. Vgl. § 24 Abs. 1 S. 2 TKG u. § 3 Abs. 4 S. 2 TEntgV. 1108 Vgl. Fraktionsentwurf, BT-Drs. 13/3609, S. 35. 1109 Vgl. § 24 Abs. 1 1. Hs. TKG iVm. § 3 Abs. 2 TEntgV. Das Beiwort von der „effizienten" Leistungsbereitstellung bietet dabei aber Spielraum für die kostenrechnerische Korrektur von unternehmenseigenen Leistungsschwächen. Vgl. Schuster/Stürmer, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 24 Rnr. 11-14. I,10 Vgl. Vgl. § 4 Abs. 2 S. 1 PTRegG und Ausschußbericht, BT-Drs. 12/8060, S. 110. 1111 Vgl. § 24 Abs. 2 TKG u. § PTRegG. 1112 § 24 Abs. 2 S. 1 PostG. § 12 Abs. 3 Nr. 2 AEG beschränkt die Tarifgenehmigungspflicht auf die Entgelte für den Regionalverkehr und damit auf einen eher daseinsvorsorgende Perspektive. Allerdings wird diskutiert, auch die Entgelte der Bahn für den Netzzugang zu regulieren. Vgl. FAZ v. 3.6.1998, S. 27, „Die Trassenpreise der Bahn sollen eine Vollkostendeckung bringen". II,3 Vgl. außer §§ 33 ff TKG §§ 28 ff PostG u. § 14 AEG iVm. Verordnung über die diskriminierungsfreie Benutzung der Eisenbahn infrastruktur und über die Grundsätze zur Erhebung von Entgelt für die Benutzung der Eisenbahninfrastruktur (Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung - EIBV), BGBl. I 1997, S. 3153. Umfassende Erörterung bei Michael Fehling, Mitbenutzungsrechte Dritter bei Schienenwegen, Energieversorgungs- und Telekommunikationsleitungen vor dem Hintergrund staatlicher Infrastrukturverantwortung, AöR 121 (1996), 59. 1,07

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

3

schließt über § 39 TKG wiederum an die Entgeltregulierung an. 1 1 1 4 Die besondere Mißbrauchsaufsicht über den Zugang zu den Leistungen des bundeseigenen Unternehmens und die Gestaltung seiner Entgelte erscheint als ein gemeinsamer Zug des Privatisierungsprogramms nach Art. 87f GG und Art. 87e GG. 1 1 1 5 Die asymmetrische Regulierung gestaltet also den Privatisierungsauftrag aus. Da der Privatisierungsauftrag sich dann erledigt, wenn die Überführung in die privatwirtschaftliche Leistungserbringung abgeschlossen sein wird, versteht sich auch die sektorspezifische Mißbrauchsaufsicht nach dem TKG als eine vorübergehende Institution. Sie kann im einzelnen dort nicht mehr eingreifen, wo das Unternehmen seine marktbeherrschende Stellung verliert. Insgesamt steht ihre Notwendigkeit unter der besonderen Beobachtung der Monopolkommission. 1116 Insoweit kann eine Rücknahme der Mißbrauchsaufsicht einen erfolgreichen Abschluß der Privatisierung bedeuten. 1117 Im Beginn der materiellen Privatisierung, während des Eintritts in die Marktöffnung, fallt der Beschlußkammertätigkeit aber eine wegweisende Rolle zu.

6. Fazit Die Beschlußkammern nach § 73 Abs. 1 TKG entscheiden über die Entgeltregulierung und die Gewährung des Netzzugangs. Sie sind im Gegensatz zur fachbehördlichen Tätigkeit der Behörde unter Leitung ihres Präsidenten einerseits und zur marktersetzenden Tätigkeit der Präsidentenkammer andererseits ein Organ der wettbewerbskorrigierenden Mißbrauchsaufsicht. Damit tragen sie organisatorisch das Konzept der sektorspezifischen und asymmetrischen Regulierung. Als sektorspezifische Regulierung folgt das TKG namentlich in seinen Verfahrens- und organisationsrechtlichen Bestimmungen dem Vorbild des GWB. Anders als das allgemeine Kartellrecht steht die Regulierung aber nicht einer im Wettbewerb erworbenen, sondern einer im Schutze des Monopols gewachsenen Marktmacht gegenüber. Daher unterwirft es das 1114

Dazu Karl-Michael Fuhr/Bärbel Kerkhoff, Entgelte für die Gewährung von Netzzugang gemäß § 39 TKG, NJW 1997, 3209. 1115 Vgl. aus europäischer Perspektive Karel van Miert, Probleme der wettbewerblichen Öffnung von Märkten mit Netzstrukturen aus europäischer Sicht, WuW 1998, 7; Eicke Sackofsky, Wettbewerbspolitische und kartellrechtliche Probleme der Liberalisierung von Bahn, Post und Telekommunikation, WuW 1996, 20. 1116 Vgl. §81 Abs. 3 TKG. 1117 Dies wird namentlich aus Sicht der Deutschen Telekom AG hervorgehoben. Vgl. Hefekäuser/Wehner, CR 1996, 698 (702). Vgl. auch Bundesregierung, BT-Drs. 13/8016, S. 19: „Der [behördliche! Normalzustand wird erst im Laufe der Jahre erreicht, dies korrespondiert mit der allmählichen Erreichung eines wettbewerblichen Regelfalles." Ähnlich S. 37.

3

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

marktbeherrschende Unternehmen im Vergleich zu seinen Wettbewerbern einer intensiveren, asymmetrischen Regulierung. Diese setzt ähnlich wie AEG und PostG an den wettbewerbskritischen Faktoren der Entgelte 1118 und des Netzzugangs an. 1 1 1 9 In ihrem Objekt, dem marktbeherrschenden Unternehmen Deutsche Telekom AG, in ihren Inhalten, der Entgeltregulierung und der Netzzugangsgewähr, und nicht zuletzt in dem Anliegen, sich selbst entbehrlich machen zu wollenen, exemplifiziert die sektorspezifische und asymmetrische Mißbrauchsaufsicht den Privatisierungsauftrag. Dies lohnt einen näheren Blick auf ihre Entscheidungsmuster.

II. Die Entscheidungsmuster

der Beschlußkammern

Der komplexen Regulierungssituation entspricht es, daß das TKG verschiedene und differenzierte Entscheidungsmuster vorsieht. Innerhalb der Entgeltregulierung nach dem Dritten Teil des TKG ist zwischen Entgeltgenehmigung und Widerspruch zu unterscheiden (1); unter der Überschrift des Offenen Netzzugangs finden sich im Vierten Teil des TKG neben der Zusammenschaltung und dem besonderen Netzzugang auch der allgemeine Netzzugang und die besondere Mißbrauchsaufsicht (2). Das Folgende soll diese Begriffe veranschaulichen und dem jeweiligen organisatorischen Gefüge zuordnen.

1. Die Entgeltregulierung nach dem Dritten Teil des TKG Die Entgeltregulierung soll nach § 24 TKG sicherstellen, daß marktbeherrschende Unternehmen ihre Tarife an ihren Kosten orientieren und nicht gegenüber Wettbewerbern oder Nachfragern diskriminieren. 1120 Deswegen unter1118

Fraktionsentwurf, BT-Drs. 13/3609, S. 35, antwortet insoweit auf den Vorwurf Mestmäckers, in: ders. (Hrsg.), Kommunikation II, S. 13 (111), die Tarifkontrolle sei unter Geltung des Staatsmonopols nicht als zentrales ordnungspolitisches und wirtschaftsrechtliches Problem erkannt worden. 1119 Zur zentralen Bedeutung des Netzzugangs auch Hermes, S. 249 f. 1120 Überblick bei Volker Großkopf/Klaus Ritgen, Entgeltgenehmigung nach dem Telekommunikationsgesetz, CR 1998, 86. Auf der Grundlage der 1998 ergangenen Entscheidungen nunmehr Raimund Schütz/Rolf-Georg Müller, Entgeltregulierung in der Telekommunikation, M M R 1999, 128; Lutz Becker, Entgeltregulierung im TKG unter besonderer Berücksichtigung kartellrechtlicher Preiskontrollinstrumentarien, K & R 1999, 112. Daß die §§ 24 ff TKG über § 39 TKG im Falle der Zusammenschaltungsanordnung auf nicht-marktbeherrschende Betreiber öffentlicher Netze keine Anwendung finden, vertreten Scherer, NJW 1998, 1609 (1612); Fuhr/Kerkhoff, NJW 1997, 3209; Matthias Bock/Sven B. Völcker, Regulatorische Rahmenbedingungen für die Zusammenschaltung von TK-Netzen, CR 1998, 473 (481); A.A. anscheinend Piepenbrock, in:

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

3

liegen die Entgelte, die ein marktbeherrschendes Unternehmen für öffentlichen Sprachtelefondienst und Übertragungswege verlangt, einer Genehmigungsp f l i c h t . 1 1 2 1 Sie setzt gegenüber der Deutschen Telekom gewissermaßen die frühere Monopolpreiskontrolle fort, unterscheidet sich aber in ihren Maßstäben und Verfahren deutlich von i h r . 1 1 2 2 Der Maßstab der Genehmigung ergibt sich i m Regelfall aus einem sog. Price-Cap-Verfahren. 1 1 2 3

Die Price-Cap

ist eine Maßzahl,

um die das

Un-

ternehmen die Preise für die erfaßten Leistungen maximal erhöhen darf. Da diese Maßzahl regelmäßig aus der Inflationsrate abzüglich eines bestimmten Produktivitätsfortschrittes gebildet wird, sinkt der inflationsbereinigte P r e i s . 1 1 2 4 Die einzelne Genehmigung w i r d daher durch die Festsetzung der Price-Cap und die Bildung der zugehörigen Warenkörbe vorweggenommen. Hier hat noch das B M P T eine grundlegende Entscheidung getroffen. 1 1 2 5 Zukünftig obliegt die Vorgabe der Maßgröße und die Zusammenfassung von Dienstleistungen in Körben der Beschlußkammer 2 . 1 1 2 6 Diese w i r d ihre Vorstellungen veröffentlichen und kommentieren lassen. 1 1 2 7 Sofern eine Leistung nicht dem Price-Cap-

Beck'scher TKG-Kommentar, § 39 Rnr. 1 u. 5; Reg TP, Beschluß v. 26.6.1998, K & R 1998, 444 (447). 1121 Vgl. zur Unwirksamkeit nicht genehmigter Entgelte § 29 TKG und Reg TP, Entscheidung der Beschlußkammer 2 v. 5.2.1998 - Preselection -, M M R 1998, 325. 1122 Vgl. § 4 Abs. 1 PTRegG. 1123 Vgl. § 27 Abs. 1 Nr. 2 TKG iVm. § 1 u. §§ 2 f TEntgV. Überblick bei Schuster/Stürmer, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 27 Rnr. 48-51. 1124 Das Verfahren hat bestimmte Vorzüge: Indem es die relative Preissenkung und nicht die absolute Preisbildung zum Genehmigungsmaßstab macht, enthebt es die Beschlußkammer der Notwendigkeit, den dem jeweiligen Preis zugrundeliegenden Kosten im einzelnen nachzugehen. Da die jeweilige Price-Cap mehrere Leistungen, sog. „Körbe", umfaßt, kann das Unternehmen, solange der Gesamtpreis der Körbe unter der Kappe bleibt, einzelne Leistungen verteuern und andere verbilligen, um auf Schwankungen der Nachfrage zu reagieren. Unterhalb der Obergrenze behält der Leistungspreis also seine wirtschaftliche Allokationsfunktion. Mit der Obergrenze erhält das Unternehmen zugleich ein konstantes Planungsdatum, aus dem es ablesen kann, weicher Produktivitätsfortschritt von ihm erwartet wird. Da die Price-Cap unabhängig von den einzelnen Kosten gebildet wird, gerät das Unternehmen nicht in Versuchung, die Kosten zu treiben (sog. Averch-Johnson-Effekt). Vielmehr kann es Kostenersparnisse unterhalb der PriceCap für sich verbuchen. Vgl. Horn/Müller/Knieps, Deregulierungsmaßnahmen, S. 36 f. Zu Problemen der Preisaufsicht auch Ladeur, K & R 1998, 479 (48 lf). 1125

Vgl. BMPT, Mitteilung Nr. 202/1997, Price-Cap-Regulierung Telefondienst, ABl. BMPT 34/1997, S. 1891, eine Festsetzung, die auf den Entwurf BMPT, Mitteilung Nr. 55/1997, Entgeltregulierung, ABl. BMPT 11/1997, S. 606, zurückgeht. 1,26 Vgl. § 27 Abs. 1 Nr. 2 TKG iVm. § 4 u. § 8 TEntgV; Reg TP, Aufgabenbeschreibung, BK 2. Eine andere Zuständigkeit hält Ladeur, K&R 1998, 479 (486) für denkbar. 1127 Vgl. § 8 Abs. 1 TEntgV. Zum Verfahren eingehend Ladeur, K & R 1998, 479 (484 ff).

3

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

Verfahren unterfällt, ist eine Einzelpreisgenehmigung erforderlich. 1 1 2 8

Hier

muß die Beschlußkammer ermitteln, ob der beantragte T a r i f den Kosten einer effizienten letztlich

Leistungsbereitstellung entspricht. 1 1 2 9 Dieses Kriterium

einen

Preiskorridor,

innerhalb

dessen

die

eröffnet

Beschlußkammerent-

scheidung aber gerichtlicher Überprüfung unterliegt und jederzeit durch eine Rücknahme des Antrags gegenstandslos werden k a n n . 1 1 3 0 Wenngleich die Einzelpreisgenehmigung wesentlich aufwendiger ist, gelten für sie und für die Genehmigung am Maßstab der Price-Cap die gleichen Verfahrensbestimmungen: 1 1 3 1 A u f einen Entgeltantrag hin hat die Beschlußkammer binnen sechs, äußerstenfalls binnen zehn Wochen zu entscheiden. 1 1 3 2 Vorher gibt sie dem Bundeskartellamt Gelegenheit zur Stellungnahme. 1 1 3 3 Da der A n trag veröffentlicht wird, können auch andere Personen und Konkurrenten Stel-

1128

Vgl. § 27 Abs. 1 Nr. 1 u. Abs. 1 S. 1 u. Abs. 3 1. Hs. TKG iVm. §§ 2 f TEntgV. Dazu die Kommentierung von Schuster/Stürmer, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 27 Rnr. 7-47. Beispiele bieten Reg TP, Entscheidung vom 30.1.1998 - Neue Produkte -, M M R 1998, 327; Reg TP, Beschluß v. 26.6.1998, K & R 1998, 444. 1129 Dabei kommen ihr die Untersuchungsbefugnisse nach §31 TKG iVm. § 2 TEntgV zugute. 1,30 Vgl. Großkopf/Rittgen, CR 1998, 86 (89 u. 93 f). 1131 Vgl. §28 TKG. 1.32 Vgl. § 28 Abs. 2 TKG. In der Praxis läßt sich die Frist dadurch strecken, daß die Deutsche Telekom AG zunächst einen Antrag stellt, ihn dann aber zurückzieht, um ihn einige Zeit später erneut vorzulegen. Dieses Vorgehen wurde beispielsweise für die sensible Frage der Portierungsgebühren vereinbart. Vgl. Reg TP, Vfg 67/1998, Veröffentlichung gemäß § 8 Abs. 2 Telekommunikations-Entgeltregulierungsverordnung, ABl. Reg TP 12/1998, S. 1571. Außerdem ist an eine knapp befristete Genehmigung zu denken, vgl. Reg TP, Mitteilung Nr. 51/1998, Veröffentlichung nach § 28 Abs. 4 Telekommunikationsgesetz (TKG)/§ 9 der Telekommunikationsentgeltregulierungsverordnung, ABl. Reg TP 6/1998, S. 890; Reg TP, Mitteilung Nr. 110/1998, Veröffentlichung nach § 9 TEntGV. Dieses vom Behördensprecher gelegentlich mit dem 1000-seitigen Umfang der Anträge begründete Hinausziehen von Entscheidungen stößt auf Kritik kommunaler Telefongesellschaften. Vgl. FAZ v. 23.7.1998, Nr. 168, S. 17, „Die Telekom pokert um Monatsmiete für den Teilnehmeranschluß". Es ist nunmehr durch einen Beschluß des VG Köln in Frage gestellt worden. Vgl. FAZ v. 27. Januar 1999, S. 13, „Bis zum 8. Februar Anschlußmiete festzulegen". Zur Befristung auch Großkopf/Rittgen, CR 1998, 86 (94), Kritisch zu vorläufigen Genehmigungen Raimund Schütz/Rolf-Georg Müller, Entgeltregulierung in der Telekommunikation, M M R 1999, 128 (136). 1.33 Vgl. § 82 S. 3 TKG. Nicht eindeutig ist § 82 S. 2 TKG zu entnehmen, ob die Beschlußkammer nur im Einvernehmen mit dem Bundeskartellamt eine marktbeherrschende Stellung feststellen darf. Da S. 2 aber allgemein formuliert ist, dürfte er auch für das Verfahren nach den §§ 24 ff TKG gelten. Sonst könnte es zu widersprüchlichen Entscheidungen über die Marktbeherrschung kommen. Sie sollen nach § 82 S. 5 TKG vermieden werden. Im Ergebnis ebenso Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 82 Rnr. 9.

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

3

lung nehmen. 1134 Die Genehmigung oder Ablehnung des Antrags wird veröffentlicht. 1135 Die Entgelte für die Leistungen, die ein marktbeherrschenden Unternehmens außerhalb der öffentlichen Sprachtelefonie und der Bereitstellung von Übertragungswegen anbietet, muß es nicht vorab genehmigen lassen. Hier unterliegt es aber einem ex-post greifenden Widerspruchsverfahren. 1136 Es wird von der Beschlußkammer 3 durchgeführt und folgt denselben inhaltlichen Maßstäben wie die Genehmigung. 1137 Die Verfahrensdauer darf zwei Monate nicht überschreiten; das Bundeskartellamt ist zu beteiligen. 1138 Ggf. wird die Beschlußkammer das betroffene Unternehmen im Wege des sog. „Widerspruchs" öffentlich auffordern, seine Tarife den gesetzlichen Bestimmungen anzupassen.1139

2. Der Zugang zu Leistungen nach dem Vierten Teil des TKG Offenen Netzzugang begehren sowohl Wettbewerber, die Vorleistungen eines marktbeherrschenden Unternehmens in Anspruch nehmen wollen, als auch Endkunden, die angeschlossen werden müssen. 1140 Der Vierte Teil des TKG unterscheidet dazu - in zunehmender Allgemeinheit - vier verschiedene Kategorien, in denen ein Unternehmen seine Leistungen Nachfragern zugänglich machen muß. 1 1 4 1

1134

Vgl. § 8 Abs. 2 TEntgV. § 28 Abs. 4 TKG iVm. § 9 TEntgV. 1,36 Vgl. § 25 Abs. 2, § 30 Abs. 2 TKG iVm. § 6 TEntgV. Einführung bei Schuster/Stürmer,, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 30 Rnr. 1-6. 1137 Vgl. § 24 TKG. Daher kommt eine nachträgliche Überprüfung mit dem Ziel eines Widerspruchs auch dann in Betracht, wenn das Unternehmen auf die genehmigten Entgelte diskriminierende Abschläge oder Vorteile gewährt. Vgl. § 30 Abs. 1 TKG. 1138 Vgl. § 30 Abs. 3, § 82 S. 3 TKG. Zur Qualifikation der Entscheidungsfristen als Ordnungsvorschriften vgl. VG Köln, CR 1998, 668 (669). 1139 Vgl. § 30 Abs. 4 u. Abs. 6 TKG. Für den Fall, daß keine Anpassung erfolgt, kommt es zur Untersagung nach § 30 Abs. 5 TKG. Prominentes Beispiel ist die Aufforderung, die Kabelgebühren ab dem 1.1.1999 zu senken, vgl. Reg TP, Mitteilung Nr. 85/1998, Veröffentlichung nach § 30 Abs. 6 Telekommunikationsgesetz, ABl. Reg TP 9/1998, S. 1368. Dazu oben S. 272 ff. 1140 Zur dem damit angerissenen Spannungsfeld von Privatwirtschaftlichkeit und Gewährleistungsauftrag nach Art. 87f GG Trute, VVDStRL 57 (1998), S. 216 (224 f). 1141 Vgl. Hans-Willi Hefekäuser/Christoph Dreier, Der gesetzliche Rahmen für Netzzugang und Netzzusammenschaltungen, CR 1997, 110; Norbert Nolte , Das Recht auf Netzzugang nach dem Telekommunikationsgesetz, CR 1996, 2629. Zu einem Teilbereich auch Guido Meyer-Arndt, Der Zutritt der neuen Wettbewerber zu den lokalen Märkten der Telekommunikation, Z U M 1996, 757. Sektorübergreifend Hermes, S. 375 ff. Aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht Susanne Stürmer, Netzzugang und Eigentumsrechte in der Telekommunikation, Baden-Baden 1997; Günter Knieps, Zu1135

3

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit Die erste Kategorie bildet die Zusammenschaltung. 1 1 4 2 Damit ist der Zu-

sammenschluß von Telekommunikationsnetzen g e m e i n t . 1 1 4 3 Über ihn werden zunächst die beteiligten Netzbetreiber verhandeln. 1 1 4 4 Dabei finden die bilateralen Verhandlungen vor dem multilateralen Hintergrund des Arbeitskreises für Numerierung und Netzzusammenschaltung statt. Er bietet den verschiedenen Unternehmen und der Regulierungsbehörde ein Forum, vor allem technische und betriebliche Fragen allgemein zu k l ä r e n . 1 1 4 5 Gelangen die betroffenen Unternehmen nicht zu einer Einigung, so können sie gemeinsam die Regulierungsbehörde u m einen - unverbindlichen - Schlichtungsversuch b i t t e n . 1 1 4 6 Da die Schlichtung nicht auf eine behördlichen Entscheidung, sondern auf eine vertragliche Einigung zielt, entbehrt sie der Förmlichkeit des Beschlußkammerverfahrens. 1 1 4 7 Das bietet die Möglichkeit, den Schlichtungsversuch nicht

gang zu Netzen, M M R 1998, 275. Zu dem neu in das GWB eingeführten § 19 Abs. 4 Nr. 4 Gabriela von Wallenberg , Diskriminierungsfreier Zugang zu Netzen und anderen Infrastruktureinrichtungen, K & R 1999, 152. 1142 Vgl. §§ 36-39 TKG. Dazu Ludwig Grämlich, Rechtsfragen bei Zusammenschaltungsvereinbarungen, CR 1997, 65; Klaus Riehmer, Konfliktlösung bei Netzzugang und Netzzusammenschaltung in der Telekommunikation, M M R 1998, 59; Matthias Bock/Sven B. Völcker, Regulatorische Rahmenbedingungen für die Zusammenschaltung von TK-Netzen, CR 1998, 473; Donatus Kaufmann, Rechtsanspruch auf Zugang zu Mehrwertdiensten im Rahmen einer Netzzusammenschaltung mit einem marktbeherrschenden Netzbetreiber, CR 1998, 728. 1143

Vgl. §3 Nr. 24 TKG. Vgl. zur Verhandlungspflicht § 36 TKG. 1145 Vgl. BMPT, Mitteilung Nr. 108/1997, Arbeitskreis technische und betriebliche Fragen der Numerierung und der Netzzusammenschaltung, ABl. BMPT 20/1997, S. 1021. Dazu auch oben S. 226 ff. 1146 Vgl. 8 NZV. Außerhalb dieses Verfahrens lag, da er keine Frage des Netzzuganges betraf, der Versuch des Behördenpräsidenten Scheurle, die Auseinandersetzung um die sog. „Wechselgebühr" zu schlichten (Anders aber Riehmer, M M R 1998, 59 (61). Sie wollte die DTAG von ihren Wettbewerbern erheben, falls ein Kunde seinen Anschluß auf einen Konkurrenten umschalten lasse. Vgl. dazu FAZ v. 10.1.1998, Nr. 8, S. 13, „Bedenken gegen Telekom-Ablösegebühren"; FAZ v. 28.1.1998, Nr. 23, S. 13, „Telekom senkt Wechselgebühr um die Hälfte"; FAZ v. 16.6.1998, Nr. 136, S. 17, „Telekom darf 27 D M Wechselgebühr nehmen". Die Genehmigung sieht nunmehr eine stufenweise Absenkung von zunächst 27,- D M auf 10,- D M zum Jahr 2000 vor. Vgl. Reg TP Vfg 69/1998, Veröffentlichung gemäß § 9 Telekommunikations-Entgeltregulierungsverordnung, ABl. Reg TP 12/1998, S. 1580. 1144

1147 Vgl. § 73 Abs. 1 S. 1 u. 2 TKG. Nach Ansicht von Piepenbrock, in: Beck'scher TKG-Kommentar, Anh. § 39 § 8 NZV Rnr. 9 handelt es sich um eine behördliche Streitentscheidung. Deswegen wäre nach § 73 Abs. 1 S. 1 TKG ein Beschlußkammerverfahren durchzufuhren. Das Verfahren nach § 8 NZV versteht sich ausweislich der Amtlichen Begründung aber weder als Voraussetzung noch als Ausschluß eines Beschlußkammerverfahrens (Vgl. Amtliche Begründung Zu § 8, abgedr. bei Scheurle/Lehr/Mayen, S. 98). Bei näherer Betrachtung ist die Entscheidung nach § 8 S. 2 NZV nicht darauf gerichtet, eine verwaltungsaktförmliche Regelung zu treffen (§ 35 S. 1 VwVfG). Sie soll den Beteiligten lediglich einen Vorschlag unterbreiten. Er ist unverbindlich und kann

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

35

öffentlich zu unternehmen. 1148 Zuständig ist nach der internen Geschäftsverteilung gleichwohl die Beschlußkammer 4. Sie hätte auch in einem förmlichen Verfahren zu entscheiden. 1149 Die Möglichkeit, eine förmliche Entscheidung zu beantragen, steht jeder Partei offen. Eine sog. Zusammenschaltungsanordnung ergeht, solange und soweit sich die beiden Netzbetreiber nicht einigen können. 1150 Hier kann die Mißbrauchsaufsicht ggf. auch ein nicht marktbeherrschendes Unternehmen erfassen. 1151 Die Beschlußkammer wird ihre Entscheidung innerhalb von sechs, äußerstenfalls zehn Wochen treffen. Ggf. setzt sie auch die Zusammenschaltungsentgelte fest. 1152 Die Entscheidung ist zu veröffentlichen. 1153 Das BMPT hat weiterhin allgemeine Hinweise zur Zusammenschaltung veröffentlicht, die aber wenig mehr als eine Zusammenfassung der gesetzlichen Vorschriften enthalten. 1154 Die Zusammenschaltung iSd. § 37 TKG ist ihrerseits ein Unterfall des sog. besonderen Netzzuganges nach § 35 TKG, der zweiten hier vorzustellenden Kategorie. 1155 Der besondere Netzzugang verbindet ein anderes Telekommunikationsnetz oder Endeinrichtungen mit dem begehrten Netz über Anschlüsse, die sich von denen des allgemeinen Netzzugangs unterscheiden. 1156 Ihn benötigen insbesondere solche Anbieter, die die Leistungen des Netzes nutzen möchten, um ihre Dienste darauf aufzusetzen. 1157 Der marktbeherrschende nur kraft vertraglicher, privatautonomer Annahme Rechtsfolgen zwischen den Parteien zeitigen. Ebenso Riehmer, M M R 1998, 59 (61). 1148

Vgl. § 75 Abs. 3 S. 1 TKG. Noch weniger förmlich sind die Gespräche, die der Vizepräsident Börnsen mit einem Vorstand der Deutschen Telekom AG führte, um diese zu bewegen, wieder über Netzzugänge zu verhandeln. Vgl. FAZ v. 26.6.1998, Nr. 145, S. 13, „Telekom verhandelt wieder über Netzzugänge". 1149 Vgl. Reg TP, Aufgabenbeschreibung, BK 4. 1150 Vgl. § 37 Abs. 2 S. 1 TKG. Zu den Einzelheiten § 9 NZV. Zur Rolle der öffentlich-rechtlichen Anordnung als Auffangrecht vgl. Spoerr/Deutsch, DVB1. 1997, 300 (302 Fn. 29) unter Verweis auf Schmidt-Aßmann, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 7. Ähnlich Trute, VVDStRL 57 (1998), S. 216 (229). Zum „Vorrang individuell-selbstregulativer Eigenvornahme" vgl. auch Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1996), S. 160 (212 f). 1151

Deswegen ist nicht auszuschließen, daß es zu einer weitreichenden staatlichen Netzbewirtschaftung kommt. Vgl. Fehling, AöR 121 (1996), 59 (75). Reg TP, Beschluß v. 26.6.1998, K & R 1998, 444 (447) scheint einerseits den Anwendungsbereich der Entgeltregulierung nach § 39 TKG persönlich auch auf nicht-marktbeherrschende Anbieter erstrecken zu wollen, beschränkt ihn aber andererseits sachlich auf notwendige Leistungen. 1152 Vgl. § 39 TKG und oben S. 390 ff. 1153 Vgl. § 9 Abs. 5 iVm. § 6 Abs. 5 NZV. 1154 Vgl. BMPT Vfg 104/1997, Hinweise zur Zusammenschaltung von Telekommunikationsnetzen, ABl. BMPT 11/1997, S. 603. 1155 Vgl. § 35 Abs. 1 S. 2 u. S. 3 TKG. 1156 Vgl. § 35 Abs. 1 TKG iVm. § 3 Nr. 9 TKG. 1157 Zu denken ist an Mehrwertdienste, Verbindungsnetzdienste etc.

36

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

Netzbetreiber muß ihnen diese Leistungen bereitstellen, auch wenn er selbst ähnliche Dienste betreibt. Falls es zu einer Zugangsvereinbarung kommt, ist sie der Regulierungsbehörde zuzuleiten, von dieser anderen Nachfragern zur Einsicht zu eröffnen und ggf. als sog. „Grundangebot" zu veröffentlichen. 1158 Gegen den Willen des marktbeherrschenden Netzbetreibers kann das Zugangsbegehren im Beschlußkammerverfahren durchgesetzt werden. 1159 Darin wird wiederum das Bundeskartellamt Stellung nehmen. 1160 Drittens hat ein marktbeherrschender Netzbetreiber allen Nachfragern den allgemeinen Netzzugang zu ermöglichen. 1161 Dieser wird über solche Anschlüsse hergestellt, die für sämtliche Nutzer bereitstehen. Das marktbeherrschende Unternehmen darf also niemanden von seinen Standardleistungen ausschließen. Hier berührt sich der offene Netzzugang mit dem Universaldienstleistungsgedanken.1162 Viertens und letztens unterliegt ein marktbeherrschende Anbieter der besonderen Mißbrauchsaufsicht. Demnach darf er Wettbewerbern nicht wesentliche Leistungen vorenthalten oder zu diskriminierenden Bedingungen abgeben, die er selbst intern nutzt oder am Markt anbietet. 1163 Dies bezieht sich nicht allein, aber auch auf den Netzzugang. 1164 § 33 Abs. 1 TKG hat sich schnell als zentrale Norm erwiesen. Das VG Köln verpflichtete noch 1997 in einer Eilentscheidung die Deutsche Telekom AG, ihren Wettbewerbern die Teilnehmeranschlußleitung entbündelt zur Verfügung zu stellen. 1165 Damit erhalten die Konkurrenten die Möglichkeit, auf das letzte Stück Telekommunikationskabel zwischen dem Ortsverteiler und ihrem Kunden zuzugreifen, ohne

1158 Vgl. § 35 Abs. 2 S. 3 TKG u. § 6 NZV; Reg TP, Vfg 11/1998, Veröffentlichung nach § 9 Abs. 6, § 6 Abs. 5 NZV, ABl. Reg TP 3/1998, S. 288. 1159 Weitere materiell-rechtliche Einzelheiten ergeben sich aus § 1-5 NZV. 1160 Vgl. §82 S. 3 TKG. 1161 Vgl. § 35 Abs. 1 S. 1 u. S. 2 TKG. 1162 Das Europarecht hat beide bereits zusammengeführt. Vgl. ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1997. 1163 Vgl. § 33 Abs. 1 S. 1 TKG. Dazu eingehend im Auftrag der Deutschen Telekom AG Christoph Engel/Günter Knieps, Die Vorschriften des Telekommunikationsgesetzes über den Zugang zu wesentlichen Leistungen, Baden-Baden 1998. 1164 Vgl. §33 Abs. 1 S. 2 TKG. 1165 Vgl. dazu OVG Münster, M M R 1998, 98 mit Anm. Riehmer; VG Köln, M M R 1998, 102 = CR 1997, 639; VG Köln, CR 1999, 79; VG Köln, CR 1999, 161; Reg TP, Vfg 124/1998, Entscheidung der Beschlußkammer 3 über den Zugang zur Teilnehmeranschlußleitung, ABl. Reg TP 21/1998, S. 2626. Zu den Einzelheiten Thomas Tschentscher/Holger Neumann, Das telekommunikationsrechtliche Regulierungsverfahren Verfahrensfrage, Mißbrauchsaufsicht, Entbündelung, BB 1997, 2437; Karl-Michael Fuhr/Bärbel Kerkhoff Entbündelter Zugang - Vereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, M M R 1998, 6; Klaus Stern/Johannes Dietlein, Netzzugang im Telekommunikationsrecht, Archiv PT 1998, 309.

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

37

weitere Leistungen von der Deutschen Telekom abnehmen zu müssen. Das behördliche Verfahren nach § 33 TKG führte damals noch das BMPT durch; heute ist die Beschlußkammer 3 zuständig. 1166 Als Entscheidungen nach dem Dritten Teil ergehen Anordnungen über den allgemeinen Netzzugang und die besondere Mißbrauchsaufsicht ebenfalls im Beschlußkammerverfahren. Besondere Verfahrensvorschriften enthält das TKG aber nicht.

3. Fazit In der Regulierung von Entgelten und Netzzugang enthalten das Gesetz und die einschlägigen Verordnungen grundlegende materiell-rechtliche Vorgaben. Verfahrensrechtlich überformen sie die §§73 ff TKG aber kaum. Gegenüber den allgemeinen Vorschriften über das Beschlußkammerverfahren sind lediglich die Beteiligung des Bundeskartellamtes, 1167 sowie verschiedene Fristen und Veröffentlichungspflichten hervorzuheben. 1168 Daher führt die Tätigkeit der drei allgemeinen Beschlußkammern als Mißbrauchsaufsicht auf die justizähnliche Anlage ihres Verfahrens zurück.

III. Die Weisungsfreiheit

der Beschlußkammern nach dem TKG

In ihrer Kapazität als sektorspezifische, asymmetrische Mißbrauchsaufsicht könnten die Beschlußkammern weisungsfrei agieren. Dazu müßte dem TKG mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen sein, daß die Beschlußkammern ministerialfrei entscheiden (1). Da dies im Ansatz bejaht werden wird, fragt sich sodann, wie weit ihre Weisungsfreiheit reicht (2).

1. Die gesetzliche Entlassung in den ministerialfreien Raum Im Gegensatz zum PTRegG bezeichnet das TKG seine Beschlußkammern nicht ausdrücklich als „unabhängig". 1169 Daher steht in Frage, ob das Gesetz

1166 Vgl. Reg TP, Aufgabenbeschreibung, BK 3. Beispiel hierfür die Folgeanordnung zur Teilnehmeranschlußleitung der Reg TP, Entscheidung der Beschlußkammer 3, K&R 1998, 495. Dort (496 f) auch zum Verhältnis zum zivilrechtlichen Rechtsschutz. 1167 Vgl. §82 S. 2 u. 3 TKG. 1168 Vgl. § 28 TKG; §§ 8 f TEntgV; § 37 Abs. 1 TKG; § 6, § 9 Abs. 6 NZV. 1169 Zur Unabhängigkeit der Beschlußkammer nach § 15 Abs. 1 PTRegG Leffler, Arch PT 1996, 182. Zu § 15 Abs. 1 PTRegG auch Kerkhoff, in: Beck'scher TKGKommentar, § 73 Rnr. 2.

3

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

hinreichende Anhaltspunkte dafür enthält, daß die Beschlußkammern von Einzelweisungen frei gestellt sein sollen.

a) Zu Wortlaut

und Entstehungsgeschichte des TKG

Der Wortlautvergleich zu § 15 Abs. 1 PTRegG hat dabei nur beschränkte Aussagekraft. 1170 Denn zur Zeit des PTRegG waren die wesentlichen Privatisierungsentscheidungen, namentlich über Entgelte und Netzzugang, noch dem Minister vorbehalten. 1171 Die Beschlußkammern nach dem PTRegG verfügten nur über geringe, kaum jemals aktualisierte ex-post wirkende Aufsichtsbefugnisse. Die Begründung des PTRegG stellte zudem die Ressortverantwortlichkeit des Ministers heraus. 1172 Um einiges entschiedener äußern sich die Materialien zum TKG. Sein Fraktionsentwurf übernahm zwar nicht die Formulierung des Referentenentwurfs, die Regulierungsbehörde treffe ihre Entscheidungen durch unabhängige Beschlußkammern. 1173 Er betonte jedoch gleichwohl, daß die sektorspezifische Regulierungsinstanz ihre Entscheidungen „möglichst unabhängig" fällen solle. 1 1 7 4 Das Organ, in der sich diese Unabhängigkeit verwirklichen sollte, waren die Beschlußkammern. Zu ihnen führte die Bundesregierung im weiteren Gesetzgebungsverfahren aus: „Die Einrichtung von Beschlußkammern als Kollegialspruchkörper sichert gerade bei der Organisationsform einer oberen Bundesbehörde eine politisch weitgehend unabhängige Entscheidung der Regulierungsbehörde". 1175 Der Postausschuß hielt an dieser Einschätzung fest, obwohl er die Zuständigkeit der Beschlußkammern reduzierte. Er bezeichnete in seiner Erläuterung die Beschlußkammern ausdrücklich als „unabhängig". 1176 Wenn der Bundesrat gegen Ende des Gesetzgebungsverfahrens von einer weisungsabhängigen Behörde spricht, 1177 bleibt offen, ob er damit auch die Beschlußkammern meint. Jedenfalls stellt diese Beschreibung nicht den Willen in Abrede, die Beschlußkammern möglichst unabhängig zu stellen. Dieser Wille ist allen zitierten und den Materialien zu entnehmenden Äußerungen gemein-

1170

Zu ihm auch Grämlich, VerwArch 88 (1997), 598 (639 Fn. 245). Zu den Einzelheiten oben S. 75 ff. 1172 Vgl. Fraktionsentwurf, BT-Drs. 12/6718, S. l l O Z u § 21. 1173 Vgl. Referentenentwurf v. 6.10.1995, § 76 Abs. 1 u. § 68 Abs. 2. 1,74 Fraktionsentwurf, BT-Drs. 13/3609, S. 51 Zu § 65. 1175 Bundesregierung, BT-Drs. 13/4438, S. 38 Zu Nr. 75 gegen den Vorschlag des Bundesrates, die Zuständigkeit der Beschlußkammern zu reduzieren. 1,76 Ausschußbericht, BT-Drs. 13/4864, S. 82 Zu § 77 Abs. 1. 1177 Bundesrat, BT-Drs. 13/4938, S. 4 f Nr. 12. 1171

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

3

sam. 1178 Er hat seinen Ausdruck nicht im Wortlaut, sondern in der Systematik der §§73 ff TKG gefunden. Ihr ist nunmehr im einzelnen nachzugehen.

b) Die Beschlußkammern als Kollegialorgane Das Gesetz versteht die Beschlußkammern als Kollegialorgane. 1179 Die Verfahrensregeln der §§ 73 ff TKG überlagern die §§ 88 ff V w V f G . 1 1 8 0 Sie betonen das Kollegialprinzip, indem sie von „Vorsitzendem" und „Beisitzern" sprechen. Alle Mitglieder des Kollegiums verfügen über die gleiche statusrechtliche Qualifikation. 1181 Ihre Dreizahl befördert die Entscheidungsfindung durch Abstimmung. 1182 Sie ermöglicht es insbesondere, den Vorsitzenden zu überstimmen, 1 1 8 3 so daß auch innerhalb der Kammer die hierarchische Ordnung zurücktritt. Die Kollegialverfassung begründet prima facie ein Argument zugunsten der Weisungsfreiheit. Denn die wechselseitige Balance gleichberechtigter Entscheidungsträger soll die Objektivität, Intensität und Akzeptanz der Entscheidungsfindung fördern. Ihr Rational ist der gremieneigene Diskurs. 1184 Die Kollegialstruktur steht daher quer zum dezisionistischen Prinzip der Weisungshierarchie. 1185 Indes schließt das eine Prinzip das andere nicht aus. Ein zwingender Zusammenhang zwischen der Kollegialstruktur eines Gremiums und seiner Weisungsunterworfenheit besteht nicht. 1 1 8 6 Es gab und gibt Kollegialgremien, die weisungsunterworfen sind, deren Kollegialqualität aber dennoch zum Tragen kommt. 1 1 8 7 Hier entfaltet sich die Leistung beider Prinzipien in ihrer Kombination. Die Kollegialverfassung erzwingt die Weisungsfreiheit der Beschlußkammern also nicht. Die Weisungsfreiheit kann aber als gewollte Regelfolge der kollegialen Struktur angesehen werden. Denn die gesetzgeberische Ent1178 Deutlich wird er zuletzt im Bericht des Vorsitzenden des Postausschusses und späterem Vizepräsidenten der Behörde Börnsen, in: Witte (Hrsg.), S. 11 (13). 1179 Vgl. §73 Abs. 2 TKG. 1180 Vgl. Kerkhoff, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 73 Rnr. 14. Zur entsprechenden Anwendung der §§66 ff VwVfG diess., § 74 Rnr. 2 f. 1181 Vgl. § 73 Abs. 3 TKG. 1182 Vgl. §91 S. 1 VwVfG. 1183 Vgl. § 91 S. 2 VwVfG; § 10 Abs. 2 S. 2 GO Reg TP. 1184 Vgl. Groß, Kollegialprinzip, S. 231. 1185 Vgl. Groß, Kollegialprinzip, S. 56. 1186 Oebbecke, S. 54-56; Klein, S. 46; Füßlein, S. 148 f; Groß, Kollegialprinzip, S. 57. 1187 Vgl. nur das Zusammenspiel von Richtlinienkompetenz, Ressortprinzip und Kollegialprinzip in Art. 65 GG.

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

Scheidung für ein kollegiales Organ ist eine Ausnahme von der üblichen Verwaltungsstruktur. Als Ausnahme kann sie besondere Beachtung verlangen. Sie verbindet sich mit der Erwartung, das Organ werde weisungsfrei agieren. Deswegen gilt die kollegiale Verfassung als - widerlegbares - Indiz für die Weisungsfreiheit eines Gremiums. 1188 Aus Sicht des Demokratieprinzips findet dieses Indiz seinen Grund darin, daß die Kollegialstruktur einer individuellen Festlegung auf Sonderinteressen entgegen wirkt. Der Austausch mit den Kollegen zwingt zur Reflexion durch Austragung des Arguments. In dieser gremienimmanenten Balance und Orientierung auf das Gemeinwohl liegt der demokratische Wert der Kollegialverfassung, der die Rücknahme der Weisungsbindung rechtfertigt. Im Ergebnis unterläuft daher das Kollegialprinzip nach §§73 ff TKG das hierarchische Prinzip, das ansonsten die Behörde durchzieht.

c) Das justizähnliche, transparente Verfahren

der Beschlußkammern

Das Kollegialverfahren nach den §§73 ff TKG ist zudem in besonderer Weise justizähnlich ausgestaltet. Dies sah schon der Gesetzgeber so. 1 1 8 9 Die Justizähnlichkeit ergibt sich zum Teil aus der Verfahrensgestaltung. 1190 Zum verbleibenden Teil könnte sie auf eine sachliche Unabhängigkeit der Entscheidungsfindung hindeuten. Dies würde insbesondere erklären, warum das Gesetz den Beschlußkammern Ermittlungs- und Beschlagnahmebefugnisse einräumt, die es der übrigen Behörde vorenthält und die selbst das förmliche Verwaltungsverfahren nicht kennt. 1191 Das Verfahrensrecht soll zudem eine erhöhte Transparenz herstellen. 1192 Darin sichert es die Beschlußkammerentscheidungen gegen den Vorwurf ab,

1188

So speziell für das TKG Müller-Terpitz, ZG 1997, 257 (271); allgemein Sodan, S. 157; Groß, Kollegialprinzip, S. 278; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 406; ähnlich Klein, S. 99; Füßlein, S.152; Borgs, in: Hans Meyer/Hermann Borgs-Maciejewski, Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl., Frankfürt 1982, § 88 Rnr. 16. Noch weitergehend (zwingende Annahme der Weisungsfreiheit) etwa Fichtmüller, AöR 91 (1966), 297 (311); Prodomos Dagtoglou, Kollegialorgane und Kollegialakte der Verwaltung, Stuttgart 1960, S. 48; für Kondominialgremien auch Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 117. 1189 Vgl. Fraktionsentwurf, BT-Drs. 13/3609, S. 51 Zu §70; Müller-Terpitz, ZG 1997, 257 (268); Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 112. Für das GWB vgl. Rodegra, S. 34 mwN. 1190 Oben S. 174 ff. 1,91 Vgl. § 76 u. § 77 Abs. 1 TKG im Gegensatz zu § 72 Abs. 6 S. 2 u. Abs. 5 TKG und zu § 65 VwVfG. 1192 Vgl. § 75 Abs. 3 S. 1 TKG; Kerkhoff, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 73 Rnr. 10; Müller-Terpitz, ZG 1997, 257 (269); oben S. 179 ff.

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

das bundeseigene Unternehmen zu bevorzugen. Ein solcher Vorwurf möchte vor allem dann Nahrung finden, wenn die Entscheidungen der Beschlußkammern unter dem Vorbehalt einer internen, in ihrer Ausübung nur schwer zu erkennenden und zu verfolgenden Weisungsbefugnis stehen. § 66 Abs. 5 TKG und § 81 Abs. 2 TKG räumen die Möglichkeit eines solchen Vorwurfs aus, indem sie dazu anhalten, allgemeine Weisungen und Verwaltungsvorschriften zu veröffentlichen. Diesen Vorschriften kann zwar für sich nicht entnommen werden, ob die Beschlußkammern Einzelweisungen unterliegen. Versuche, aus der Vorschrift des § 66 Abs. 5 TKG textgleichen § 52 GWB ein Verbot der Einzelweisung abzuleiten, sehen sich dem Einwand ausgesetzt, daß diese Vorschrift sich zur Einzelweisung weder positiv noch negativ verhält. 1193 Aus dem Wortlaut des § 66 Abs. 5 TKG läßt sich ebensowenig eine Aussage zur Zulässigkeit der Einzelweisung entnehmen. 1194 § 66 Abs. 5 TKG und § 81 Abs. 2 TKG legen es aber, namentlich in Verbindung mit § 73 Abs. 3 S. 1 TKG, nahe, daß die Entscheidungsvorgaben der Beschlußkammer offenzulegen sind. 1 1 9 5 Dies entspricht dem Grundsatz der Transparenz, der das Behördenhandeln beherrscht. 1196 Die Annahme, eine Einzelweisung sei zulässig, führt daher zu der Frage, warum das Gesetz nicht verlangt, sie zu veröffentlichen. Es widerspräche dem auf Förmlichkeit und Durchsichtigkeit angelegten Beschlußkammerverfahren, es durch eine geheime Weisung zu entscheiden. 1197 Dieser Widerspruch kann dahin aufgelöst werden, daß auch eine Einzelweisung analog § 66 Abs. 5 TKG und § 81 Abs. 2 TKG veröffentlicht wird. Dann fragt sich aber, warum das Gesetz nicht schon selbst die Veröffentlichung anordnet. Angesichts dieser Frage liegt die überzeugendere Lösung in der Annahme, das Gesetz selbst halte eine Einzel Weisung zumindestens im Beschlußkammerverfahren nicht für möglich. Insoweit bietet die dem Beschlußkammerverfahren eigene Transparenz ein weiteres Indiz seiner Weisungsfreiheit.

d) Die personelle Qualifikation

der Beschlußkammermitglieder

In personeller Hinsicht hat das TKG auf das im GWB zu findende Erfordernis verzichtet, die Beschlußkammermitglieder sollten zum Richterdienst ge1193

Vgl. Rodegra, S. 35; Finkelnburg, in: Frankfurter Kommentar, § 49 Rnr. 3 mwN. Vgl. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 66 Rnr. 20. 1195 Jedenfalls dann, wenn eine Weisung beschlußgleiche Qualität hat, wäre sie nach § 93 VwVfG auch aktenkundig niederzuschreiben. Analog § 68 Abs. 3 Nr. 3 u. 4 VwVfG würde die Protokollpflicht sogar noch weiter reichen. 1196 Dazu oben S. 179 ff. 1197 Diesen Widerspruch scheint Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, §66 Rnr. 20 f, hinnehmen zu wollen. 1194

26 Oertel

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

eignet sein. 1198 Es wollte auch andere, vor allem technisch vorgebildete Fachkräfte einbeziehen. Das Schweigen des TKG zur personellen Befähigung schließt also weder Juristen aus noch nimmt es dem Beschlußkammerverfahren die justizähnliche, häufig schlichtende Qualität. 1199 Auch die im Fraktionsentwurf noch enthaltene Vorschrift, die Beschlußkammermitglieder müßten Beamte auf Lebenszeit sein, 1200 ist entfallen, um so der Postausschuß - „eine möglichst flexible Besetzung der Beschlußkammern zu ermöglichen." 1201 Die Öffnung für andere Mitglieder als Lebenszeitbeamte löst die Beschlußkammern aus der das hierarchische Prinzip stützenden, laufbahnorientierten Beamtenschaft. 1202 Sie kann je nach Gestaltung des Amtsverhältnisses die Anwendbarkeit des zum Gehorsam verpflichtenden § 55 S. 2 BBG in Frage stellen. Indem § 73 Abs. 4 TKG zum personellen Status der Beschlußkammermitglieder schweigt, läßt er es sowohl zu, eine dem Lebenszeitbeamten eigene fachliche Unabhängigkeit in den Dienst der Beschlußkammer zu nehmen, als auch solche Amtsträger einzubeziehen, die dem beamtenrechtlichen Gehorsamsdenken nicht verpflichtet sind. Damit deutet das Schweigen des § 73 Abs. 4 TKG darauf hin, daß eine Ausnahme vom Grundsatz der Weisungsbindung möglich sein soll. Für eine eventuelle Weisungsfreiheit sorgt § 73 Abs. 4 TKG schließlich vor, indem er zumindestens ein äußerstes Qualifikationskriterium vorgibt. 1203 Die Beschlußkammermitgliedschaft setzt demnach die Befähigung zur eigenverantwortlichen Beurteilung umfassender Sachverhalte voraus. 1204 In der Summe weisen daher auch die personellen Regelungen des § 73 Abs. 4 TKG daraufhin, daß die Beschlußkammern weisungsfrei agieren sollen.

1198

Vgl. § 51 Abs. 4 GWB. Vgl. Fraktionsentwurf, BT-Drs. 13/3609, § 70 u. S. 51

Zu § 70. 1199 Dies ergibt sich deutlich aus Fraktionsentwurf, BT-Drs. 13/3609, S. 51 Zu § 70 (dem heutigen § 73): „Das Verfahren vor den Beschlußkammern ist justizähnlich ausgestaltet und trägt damit dem Umstand Rechnung, daß die Regulierungsbehörde in diesen Fällen u.a. als Schlichtungsstelle im Streit zweier Unternehmen tätig wird. ... Der Vorsitzende und die Beisitzer müssen ... die Befähigung für eine Laufbahn des höheren Dienstes haben. Damit ist sichergestellt, daß an den Entscheidungen Kräfte mitwirken, die über die notwendige Fachkompetenz (Juristen, Wirtschaftswissenschaftler, Ingenieure) verfügen." Vgl. auch Kerkhoff, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 73 Rnr. 23 f. 1200 Vgl. Fraktionsentwurf, BT-Drs. 13/3609, §70 Abs. 4 S. 1. Gleichlautend § 48 Abs. 4 S. 1 GWB a.F. 1201 Ausschußbericht, BT-Drs. 13/4864, S. 82 Zu § 70. 1202 Vgl. Kerkhoff in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 73 Rnr. 25. 1203 Vgl. § 73 Abs. 4 TKG. Zur „lex Börnsen", § 73 Abs. 3 S. 1 idF. Art. 2 Abs. 34 BegleitG, oben S. 211 Fn. 151. 1204 Zu den erforderlichen Kenntnissen Kerkhoff in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 73 Rnr. 25. Vergleichbare Fällen benennt Klein, S. 100.

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

3

e) Die organisatorische Sonderstellung der Beschlußkammern In dieselbe Richtung weisen die organisatorischen Vorschriften des TKG. Der Gesetzgeber selbst hat die Beschlußkammern abstrakt - sozusagen als gesetzliches Modell - geschaffen. 1205 Der Bundesminister bildet sie, bestimmt also ihre Anzahl auf einer nächsten Konkretisierungsstufe. 1206 Auf einer letzten Stufe verteilt der Präsident in der vom Minister zu bestätigenden Geschäftsordnung die Zuständigkeiten unter den Beschlußkammern. 1207 Indem der Gesetzgeber selbst die Beschlußkammern schuf, bestimmt er sie zum Organ und füllt damit den institutionellen Gesetzesvorbehalt aus, der dann einschlägig ist, wenn ein Organ weisungsfrei gestellt werden soll. 1 2 0 8 Zur Schaffung von unselbständigen, weisungsgebundenen Organteilen genügte eine Verwaltungsvorschrift. 1209 Die besondere Aufmerksamkeit, die der Gesetzgeber der Organisation der Beschlußkammern widmete, spricht dafür, ihnen eine herausgehobene Stellung zuzuerkennen. Dieses Argument wird dadurch gestützt, daß das Gesetz die Beschlußkammerleitung als „Vorsitzenden" bezeichnet. 1210 Damit scheint es ihr eine gewisse eigene Organisationsgewalt einräumen zu wollen, die wiederum für weisungsunabhängige Organe typisch ist. 1 2 1 1

f) Der Verzicht auf ein Vorverfahren

und ein ministerielles

Einspruchsrecht

Die genannten Indizien erfahren Unterstützung dadurch, daß das TKG ein Vorverfahren ausdrücklich für entbehrlich erklärt. 1212 Historisch begründet sich

1205 Nach Wolff in: Wolff/Bachof II, § 78 I b), S. 129, wäre korrekt von „Bildung" zu sprechen. Da § 73 Abs. 1 S. 3 TKG diesen Begriff aber auf die konkrete Errichtung der Beschlußkammern durch den Minister bezieht, sollen Verwechslungen vermieden werden. 1206 Vgl. § 73 Abs. 1 S. 3 TKG. 1207 Vgl. § 66 Abs. 2 S. 2 TKG. Vgl. Kerkhoff in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 73 Rnr. 8 f. Zu den Einzelheiten oben S. 205 ff. 1208 Vgl. oben S. 344 f. Zum Gesetzesvorbehalt für die Bildung von Organen vgl. Wolff in: Wolff/Bachof II, § 78 II b), S. 130 f. 1209 Vgl. Wolff in: Wolff/Bachof II, § 78 II c 4., S. 133. 1210 Vgl. § 73 Abs. 2 TKG. 1211 Zur „inneren" Organisationsgewalt unabhängiger Organe, sich selbst Geschäftsordnungen u.ä. zu geben, vgl. Wolff in: Woiff/Bachof II, § 78 III b 1., S. 136. 1212 Vgl. § 80 Abs. 1 TKG.

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

dies aus dem Willen des Gesetzgebers, Status und Unabhängigkeit der Beschlußkammern zu wahren. 1213 Darin unterscheiden sich die Beschlußkammern nach dem TKG wiederum vom PTRegG. Diese hatte den Beteiligten als Widerspruchsmöglichkeit ein Schlichtungsverfahren eröffnet, in dem sich die Beschlußkammern wechselseitig überprüfen konnten. 1214 Auch das GWB kannte anfänglich eine Einspruchsabteilung, die aber zwischenzeitlich aufgelöst wurde. 1215 Im Vergleich zu diesen Regelungen mißt das TKG den Beschlußkammerentscheidungen eine solche Qualität zu, daß sie einer weiteren verwaltungsinternen Kontrolle auf Antrag des Betroffenen entzogen werden können. Zu einem Indiz gegen die ministerielle, antragsunabhängige Weisung verdichtet sich diese Beobachtung im weiteren Vergleich: Sowohl PTRegG als auch GWB enthielten bzw. enthalten nämlich Vorbehalte, die es dem Minister erlauben, seine Politik im Einzelfall auch gegen die Entscheidung der Beschlußkammer bzw. Beschlußabteilung durchzusetzen. Aus dem PTRegG ist hier das ministerielle Vetorecht nach § 21 Abs. 2 zu nennen; 1216 aus dem GWB die Ministererlaubnis im Verfahren der Fusionskontrolle nach § 42. Das TKG kennt keinen solchen Ministervorbehalt. In Verbindung mit dem Verzicht auf ein Vorverfahren stützt dies den Schluß, daß die Beschlußkammerentscheidungen einer ministeriellen Weisung im Einzelfall entzogen sein sollten.

g) Die Aufwertung der Beschlußkammern gegenüber dem Bundeskartellamt Einen typologischen Beleg erfahrt dieser Schluß aus dem weiteren Vergleich mit dem Bundeskartellamt. 1217 Seinen Beschlußabteilungen sind die Beschlußkammern der Regulierungsbehörde nachgebildet. Die §§ 73 ff TKG folgen den §§ 51 ff GWB in weiten Bereichen aufs Wort. Die §§ 51 ff GWB bilden die Rechtsgrundlage, aufgrund derer die Beschlußabteilungen des Bundeskartellamts in weitestgehender Autonomie entscheiden. Diese Autonomie ist trotz aller juristischen Zweifel faktisch unangefochten. 1218 Die Wortlautähnlichkeit 1213 Ausschußbericht, BT-Drs. 13/4864, S. 82 Zu § 77. Zustimmend Scheurle, M M R 1998, VII; Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 66 Rnr. 16; Müller-Terpitz, ZG 1997, 257 (272 f); Grämlich, CR 1998, 463 (464 ff). 1214 Vgl. §20 PTRegG. 1215 Vgl. Bechtold, Einführung Rnr. 9. 1216 Dazu oben S. 78. 12,7 Vgl. Möschel, MMR-Beilage 3/1999, S. 3 (5). 1218 Vgl. Müller-Terpitz, ZG 1997, 257 (271) mwN. zur Weisungsunterworfenheit des Bundeskartellamtes. Umfassende Erörterung bei Jürgen Rodegra, Zum Problem aufsichtsfreier Verwaltung durch das Bundeskartellamt, Frankfurt u.a. 1992, der sich der überwiegenden Meinung im Ergebnis anschließt.

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

5

sollte aber nicht zu dem Schluß verleiten, die Weisungsfreiheit der Beschlußkammern nach dem TKG sei rechtlich ähnlich zweifelhaft wie die der Beschlußabteilungen nach dem GWB. Historisch belegen die zitierten Äußerung des Gesetzgebers, daß die Übernahme der Vorschriften aus dem GWB von dem Willen getragen wurde, den Beschlußkammern eine größtmögliche Entscheidungsunabhängigkeit zu ermöglichen, insoweit der Gesetzgeber des TKG den Wortlaut des GWB übernahm, billigte er die faktisch erreichte Unabhängigkeit des Bundeskartellamtes. 1219 Das Gesetz erhebt sie zum rechtsverbindlichen Vorbild für die Beschlußkammern der Regulierungsbehörde. 1220 Dem entspricht es, daß das TKG auch sonst deutlicher für eine politische Verselbständigung seiner Organe vorsorgt als das GWB. 1 2 2 1 Neben dem Verzicht auf eine Ministererlaubnis ist hier namentlich die Einrichtung des Beirats zu nennen. Ihn, der legitimationsstützende Wirkung übernehmen kann, kennt das Kartellrecht nicht. Es ordnet die Beschlußabteilungen des Kartellamtes in einem höheren Maße dem Wirtschaftsminister unter als das Telekommunikationsrecht die Beschlußkammern der Regulierungsbehörde. Das streitet wiederum dafür, die Beschlußkammern noch eher für weisungsfrei zu halten.

h) Fazit Im Wortlaut des TKG kommt der Wille des Gesetzgebers, zumindestens die Beschlußkammerentscheidungen in größtmöglicher fachlicher Unabhängigkeit treffen zu lassen, nur unvollkommen zum Ausdruck. Jedoch bieten das kollegiale, justizähnliche und transparente Verfahren der Beschlußkammern deutliche Indizien dafür, daß sie frei von Einzelweisungen entscheiden sollen. Im Vergleich zum PTRegG und zum GWB wertet das TKG die Stellung der Beschlußkammern gegenüber dem Minister auf. Die §§73 ff TKG folgen den §§51 ff GWB im Wortlaut. Sie erheben damit die faktisch erreichte Unabhängigkeit der kartellbehördlichen Beschlußabteilungen zum rechtlichen Vorbild der regierungsbehördlichen Beschlußkammern. Diese sind das Organ, dem im ständigen Kontakt mit dem marktbeherrschenden Unternehmen die Hauptlast des regulatorischen Privatisierungsauftrags zufällt. 1222 In den Beschlußkam-

1219 Nach Rodegra, S. 49, hat es in der 30-jährigen Geschichte des GWB erst fünf allgemeine und lediglich zwei auf einen Einzelfall bezogene Weisungen gegeben. 1220 Hierin fügt es sich, daß der Vizepräsident der Regulierungsbehörde Harms zuvor Direktor einer Beschlußabteilung im Bundeskartellamt war. Vgl. NJW-Wochenspiegel 7/1998, S. XLIV, „Gerhard Harms Vizepräsident der Regulierungsbehörde für Telekommunikation". 1221 Ähnlich Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 66 Rnr. 15. 1222 Vgl. nur die Verfahrensübersicht unter http://www.regtp.de/Termine/start.htm , Stand 25.7.1998.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

mern verbinden sich daher das Gebot funktioneller Unabhängigkeit und das privatisierungseigene Verlangen nach Distanzierung. Im Einklang mit dem Anliegen des Art. 87f GG enthält das TKG hinreichend deutliche Anhaltspunkte dafür, daß die Beschlußkammern weisungsfrei entscheiden sollen.

2. Zur Reichweite der Weisungsfreiheit Wenngleich das TKG die Beschlußkammern also im Ansatz weisungsfrei stellt, bleibt noch zu untersuchen, wie weit diese Weisungsfreiheit reicht. Dazu fragt sich zunächst, ob sie instanziell sowohl dem Minister als auch dem Präsi* denten gegenüber, also behördenintern und extern gilt (a)). Des weiteren ist die gegenständliche Reichweite der Einzelweisungsfreiheit gegenüber allgemeinen Weisungen und nicht entscheidungsbezogenen Weisungen abzugrenzen (b)). Schließlich sind ministerielle Empfehlungen zu erörtern, die sich nicht an die entscheidende Beschlußkammer, sondern an die Verfahrensbereiligten richten (c)).

a) Kein präsidentielles

Weisungsrecht

Mittler tagespolitischer Einflußnahme auf die Beschlußkammern kann ebenso der Minister wie ein Präsident der Regulierungsbehörde sein. So äußerte der Vizepräsident Börnsen öffentlich, die Deutsche Telekom müsse in der Frage der sog. „Wechselgebühren" fair behandelt werden. 1223 Diese Bemerkung bezog sich auf einen Entgeltgenehmigungsantrag, über den zur gleichen Zeit eine Beschlußkammer seiner Behörde zu entscheiden hatte. In ähnlicher Weise legte Vizepräsident Börnsen seine Vorstellungen für die Zusammenschaltungstarife dar, noch bevor eine Anhörung der Regulierungsbehörde dazu stattgefunden hatte. 1224 Das Gesetz wendet sich in der vorerörterten Auslegung gegen Einzelweisung jeglicher Provenienz. Es wäre widersinnig, Weisungen des Ministers für unzulässig zu halten, aber nachgeordneten Organen die Weisung zu gestatten. 1223

Vgl. FAZ V. 9.4.1998, Nr. 84, S. 17, „Börnsen: Telekom muß fair behandelt werden. Neuer Antrag für Wechselgebühr hat Aussichten auf Erfolg." ; FAZ v. 16.6.1998, Nr. 136, S. 17, „Telekom darf 27 D M Wechselgebühr nehmen". Zur Vorgeschichte oben Fn.l 146. Ähnlich äußerte sich Börnsen zu einer beabsichtigten Tarifsenkung schon, bevor der Genehmigungsantrag gestellt war. Vgl. FAZ v. 28.1.1999, Nr. 23, S. 17, „Telekom kündigt weitere Tarifsenkung an". 1224 Vgl. FAZ v. 11.9.1998, Nr. 211, S. 19, „Börnsen schlägt gestaffelte Tarife für die Zusammenschaltung vor". Angesichts des Bundestagswahlkampfes räumte Börnsen zugleich Meinungsverschiedenheiten im Präsidium ein, die er aber nicht als Machtkampf bezeichnet sehen wollte.

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

7

Die Weisungsfreiheit eines Organs gilt gegenüber sämtlichen übergeordneten Instanzen. 1225 Auch für den Präsidenten des Bundeskartellamtes wird überwiegend angenommen, er sei gegenüber den Beschlußabteilungen seines Hauses nicht weisungsbefugt. 1226 Verfügte der Präsident gegenüber den Beschlußkammern über ein Weisungsrecht, könnte er im äußersten Falle die Mitglieder seiner eigenen Kammer anweisen. Zudem würde damit ein behördeninternes Kontrollverfahren im Ansatz ermöglicht, das das Gesetz gerade ausschließt. 1227 Die eigene Zuständigkeit der Beschlußkammern steht sowohl Weisungen entgegen, die sich auf die Einordnung der Behörde in den Geschäftsbereich des Ministeriums stützen 1228 als auch solchen, die sich aus der Leitungsbefugnis des Präsidenten herleiten. 1229 Dementsprechend behandelt auch die Geschäftsordnung der Behörde die Beschlußkammern als unabhängig. Ihr zufolge entscheiden die Beschlußkammern im eigenen Namen, ihre Mitglieder zeichnen nicht in Vertretung des Präsidenten. 1 2 3 0 Dieser ist zwar von bedeutenden Verfahren und vor grundsätzlichen Äußerungen und Entscheidungen zu unterrichten. 1231 In Grundsatzfragen soll er entscheiden, ob und in welcher Weise die Sache zu koordinieren ist. 1 2 3 2 Nach der hier gefundenen Auslegung der Gesetzes kann diese Koordination jedoch nicht zu einer inhaltlichen Einflußnahme führen. Der Präsident darf lediglich in Ausübung seiner Geschäftsordnungs- und Geschäftsleitungsgewalt nach § 66 Abs. 2 S. 2 TKG koordinieren, sich aber keine Sachentscheidungsbefugnisse anmaßen. Dem entspricht es, daß § 14 GO Reg TP dem Präsidenten auch dann keine Sachentscheidungsgewalt einräumt, wenn zwei Beschlußkammern zu ge-

1225 Vgl. Oebbecke, S. 22. Dieser Parallelität der Weisungsfreiheit grundsätzlich zustimmend auch Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 66 Rnr. 25. 1226 Bechtold, § 49 Rnr. 3; Wernhard Möse hei, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Köln u.a. 1983, Rnr. 1073; Rodegra, S. 36; Rittner, Wettbewerbsrecht, § 14 Rnr. 47jeweils mwN., gegen Finkelnburg, in: Frankfurter Kommentar, § 48 Rnr. 26; diesem folgend wohl Schultz, in: Langen/Bunte, § 48 Rnr. 6. 1227 Vgl. § 80 Abs. 1 TKG. 1228 Vgl. § 66 Abs. 1 TKG. 1229 Vgl. § 66 Abs. 2 S. 1 TKG. Hieraus leitet Geppert, in: Beck'scher TKGKommentar, § 66 Rnr. 25, ab, daß der Präsident auch die Beschlußkammern anweisen könnte. 1230 Vgl. § 12 Abs. 1, § 42 Abs. 4 Nr. 4 u. 5 GO Reg TP. 1231 Vgl. § 13 GO Reg TP. 1232 So § 13 Abs. 2 S. 2 GO Reg TP. Die Frage der Bindung der Beschlußkammern an Entscheidungen anderer Kammern wird angerissen bei Reg TP, Entscheidung vom 15.6.1998, K & R 1998, 545 (548). Über eine Grundsatzkammer verfügt die Regulierungsbehörde trotz der Anregung von Kerkhoff, in: Beck'scher TKG Kommentar, § 73 Rnr. 9, nicht.

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

gensätzlichen Rechtsauffassungen gelangen. Der Präsident kann lediglich Zuständigkeitskonflikte entscheiden.1233 Zwar birgt auch die Organisationsgewalt die Möglichkeit zur inhaltlichen Steuerung. 1234 Ihrer hat sich der Präsident aber dadurch begeben, daß die Zuständigkeiten der drei Beschlußkammern bereits in einer behördlichen Aufgabenbeschreibung festgeschrieben ist. Zudem wird er jeweils zu Jahresbeginn festlegen, wie sich die Mitglieder der Beschlußkammern wechselseitig vertreten. 1 2 3 5 Demnach sind die Beschlußkammern sowohl innerhalb als auch außerhalb der Behörde weisungsfrei gestellt.

b) Keine Freiheit von allgemeinen Weisungen Um den Kern der fachlichen Weisungsfreiheit lagern sich die Rechte der Beschlußkammern, selbst Ermittlungen anzustellen 1236 und die Fachabteilungen der Behörde um Gutachten zu ersuchen. 1237 Ihren Vorsitzenden kommt in den Grenzen der Geschäftsordnung und des Gesetzes zudem eine Selbstorganisationsgewalt zu. Jedoch bedeutet die Einzelweisungsfreiheit keine grundsätzliche Verselbständigung. Allgemeine Weisungen sind dem Minister nach § 66 Abs. 5 TKG auch in Beschlußkammerfragen möglich. Die Vorschrift ist § 52 GWB nachgebildet. Sie bezieht sich dort, da alle außenwirksamen Entscheidungen des Bundeskartellamtes durch die Beschlußabteilungen getroffen werden, 1238 auch auf die Kollegialorgane. Ein nämliches gilt für das TKG. Die Weisung kann sich nach dem Wortlaut des § 66 Abs. 5 TKG ausnahmslos auf Entscheidungen nach diesem Gesetz beziehen, schließt also Beschlußkammerentscheidungen ein. Da sie allgemein gehalten sein muß und veröffentlicht wird, bleibt eine gewisse Distanz zum Einzelfall notwendig erhalten. Ähnlich sind behördeneigene Verwaltungsgrundsätze zu beurteilen. 1239 Sie können nach dem Wortlaut des § 81 Abs. 2 TKG auch Lizenzauflagen betreffen. Darunter versteht das Gesetz, wie der folgende § 82 S. 3 TKG zeigt, auch Nebenbestim1233

Vgl. § 15 S. 3 GO Reg TP; § 24 Abs. 3 S. 4 GO Reg TP. Besonders der Präsident des Bundeskartellamts Kartte soll sie dem Bericht von Geberth, AG 1991, 295 (296-298) zufolge, virtuos gehandhabt und sich einer förmlichen Festlegung einer mehr als vorläufigen Geschäftsordnung erfolgreich entzogen haben. 1235 Vgl. § 11 Abs. 3 GO Reg TP. 1236 §§ 76 ff TKG. 1237 Vgl. § 16 Abs. 1 GO Reg TP. 1238 Vgl. §51 Abs. 2S. 1 GWB. 1239 Zur Notwendigkeit planungssichernder „Regulierungsgrundsätze" aus Sicht der Praxis Scherer, Bewährungsproben für das TKG, K & R 7/1998,1. 1234

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

mungen, die den Dritten oder Vierten Teil des Gesetzes betreffen und damit Beschlußkammerentscheidungen sind. 1 2 4 0 Demnach können die Verwaltungsgrundsätze auch Inhalte der Beschlußkammertätigkeit erfassen. Zuständig für ihren Erlaß ist der Präsident als Behördenleiter. Denn die Beschlußkammern entscheiden nach § 73 Abs. 1 S. 2 TKG durch Verwaltungsakt, also im Einzelfall. Über die Unterrichtungspflicht der Beschlußkammern erhält der Präsidenten Kenntnis von den grundsätzlichen Fragen. Er wird daher die besondere Erfahrung und die Herrschaft der Beschlußkammern über den Einzelfall in seinen Grundsätzen berücksichtigen müssen. 1241 Eine behördliche Verwaltungsvorschrift muß als Grundsatz über den Einzelfall hinweg Geltung beanspruchen können. Auch hier wahren Allgemeinheit und Veröffentlichung die Distanz zum Einzelfall.

c) Ministerielle

Empfehlungen an Verfahrensbeteiligte

Indes läßt sich nicht jedes ministerielle Einwirken in einzelne Beschlußkammerverfahren als Weisung charakterisieren. Ein lehrreiches Beispiel bildet die Empfehlung des Wirtschaftsministers Müller an die Deutsche Telekom AG, ihren Antrag auf Genehmigung der Entgelte für die Bereitstellung der Teilnehmeranschlußleitung zurückzuziehen. Dieses Genehmigungsverfahren hatte die Deutsche Telekom AG gemäß § 39 TKG vor einer Beschlußkammer eingeleitet. 1 2 4 2 Sie konnte aber dem Vernehmen nach nicht mit einer Genehmigung in der beantragten, sondern nur in einer deutlich geringeren Höhe rechnen. Da die Höhe dieser Entgelte als einer der Schlüsselfaktoren für den Wettbewerb im Ortsnetz galt, wurde die Beschlußkammerentscheidung mit Spannung erwartet. Die Spannung wurde noch dadurch gesteigert, daß sich während des laufenden Verfahrens der Regierungswechsel vollzogen hatte und daß der neue Minister auch eine Änderung der Telekommunikaitonspolitik angekündigt hatte. 1243 We1240

Vgl. § 73 Abs. 1 S. 1 TKG. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 81 Rnr. 8 verlangt im Anschluß an Klaue, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 50 Rnr. 5, deren Einvernehmen. 1242 Vgl. zusammenfassend zur Verfahrensgeschichte Herbert Posser/Peter Rädler, Entgeltlose Nutzung der Teilnehmeranschlußleitung, MMR 2/1999, V; FAZ v. 23. September 1998, Nr. 221, S. 19, „Telekom hält an Entgeltforderung fest". 1243 Vgl. FAZ v. 10.11.1998, Nr. 261, S. 3, „Nach zwanzig Jahren Union und FDP ist der Sozialismus verwirklicht", einem Gespräch, in dem Müller bestätigte, in der Telekommunikationspolitik andere Wege als bisher beschreiten zu wollen. Dazu die positive Stellungnahme der Deutschen Telekom AG, FAZ v. 13.11.1998, Nr. 264, S. 15, „Telekom setzt Gebühren für Ferngespräche drastisch herab", und die Kritik aus den Reihen ihrer Wettbewerber, FAZ v. 17.11.1998, Nr. 267, S. 19, „Warnung vor Kurswechsel in der Telekommunikation"; FAZ v. 17.11.1998, Nr. 267, S. 23, „Stadtnetze: Regierung beeinflußt Regulierer"; FAZ v. 26.11.1998, Nr. 275, S. 19, „Telefongesellschaften fürchten Benachteiligung". 1241

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

nige Tage vor Bekanntgabe der Entscheidung empfahl der Minister der Deutschen Telekom AG öffentlich, ihren Genehmigungsantrag zurückzuziehen. 1244 Das Unternehmen folgte der ministeriellen Empfehlung und entzog damit der Beschlußkammer die Entscheidungsgrundlage. In der Folge wurde zunächst die bestehende vorläufige Genehmigung verlängert, bevor auf einen erneuten Antrag hin im Februar 1999 eine endgültige Genehmigung erteilt wurde. Das Vorgehen des Ministers wurde von den Wettbewerbern der Deutschen Telekom AG unverhohlen kritisiert. Es handele sich um einen Eingriff in die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde. 1245 Formal betrachtet liegt jedoch eine förmliche Weisung nicht vor. Die ministerielle Empfehlung, einen Antrag zurückzunehmen, läßt vielmehr die Entscheidungshoheit der Beschlußkammer und auch des Unternehmens zunächst unangetastet. Ihr läßt sich allenfalls eine negative Wertung des gestellten Antrags, aber unmittelbar keine Aussage zu genehmigungsfähigen Tarifen entnehmen. 1246 Dennoch hinterläßt das ministerielle Vorgehen einen zwiespältigen Eindruck: Die Empfehlung, den Antrag zurückzunehmen, um einer Zurückweisung zuvorzukommen, ist zwar ein verwaltungsüblicher Ratschlag. Sie wird aber, soll die Entscheidungszuständigkeit der Behörde und die Integrität des Beschlußkammerverfahrens gewahrt bleiben, immer nur von der zuständigen Beschlußkammer selbst ausgesprochen werden können. 1247 Eine ministerielle Empfehlung an einen Verfahrensbeteiligten desauvouiert dieses Verfahren. Es mißachtet auch das Gebot der funktionellen Unabhängigkeit, wenn dem regulierten Unternehmen ein vermeintlich zweckmäßiges Verfahrensverhalten ministeriell angeraten wird. Damit wird auf die autonome unternehmerische Entscheidung erheblicher Einfluß genommen. Schließlich birgt die ministerielle Empfehlung auch Gefahren für die politische Unabhängigkeit der Beschlußkammer, in deren inhaltliche Bewertung der gestellten Anträge die Meinung des Ministers unweigerlich einfließen wird. 1 2 4 8

1244

Vgl. SZ v. 28./29.11.1998, „Rückzug auf der letzten Meile". Vgl. FAZ v. 3.12.1998, Nr. 281, S. 25, „Heftige Kritik von Arcor an der Politik"; FAZ v. 4.12.1998, Nr. 282, S. 18, „Bald Entscheidung über Anschlußmiete". 1246 Der Minister begründete seine Empfehlung im Nachhinein damit, die Deutsche Telekom AG habe weit überhöhte Forderungen gestellt. Vgl. FAZ v. 21.1.1999, Nr. 17, S. 15, „Telekom reduziert Mietforderung für den Teilnehmeranschluß". 1247 Zur instanziellen Zuständigkeit vgl. Rudolf, in: Erichsen (Hrsg.), AVwR, § 52 IV 1, Rnr. 45, S. 804. 1248 Jedenfalls führte die ministerielle Empfehlung zu einer anderen Verfahrensgestaltung, insbesondere zu zusätzlichen Gesprächen zwischen Behörde und Unternehmen. Vgl. FAZ v. 6.2.1999, Nr. 31, S. 13 u. 16, „Regulierungsbehörde entscheidet über Teilnehmeranschlußmiete". Auch äußerte sich Minister Müller nach seiner Empfehlung öffentlich zur Bemessung der Anschlußkosten. Vgl. FAZ v. 22.12.1998, Nr. 297, S. 18, „Staat trägt Sorge für Telekom". 1245

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

Diese Bedenken mögen ausreichen, eine derartige Empfehlung für unzulässig zu erklären. Jedenfalls geben sie Anlaß, die Unverbindlichkeit einer solchen Empfehlung gegenüber Unternehmen und Beschlußkammer zu betonen. Will er rechtsverbindlichen Einfluß nehmen, ist der Minister auf die gesetzlich vorgegebenen Instrumente der allgemeinen Weisung und der institutionell oder personell vermittelten Einflußnahme verwiesen.

d) Fazit Die Beschlußkammern sind in der Entscheidung des Einzelfalls politisch verselbständigt und mit verfahrensrechtlicher Autonomie begabt. Dies gilt sowohl gegenüber dem Minister als auch gegenüber den Präsidenten der Behörde. Sie können auch grundsätzliche Entscheidungen in eigener Verantwortung treffen. Indes verfügen hier sowohl der Minister als auch der Präsident als Behördenleiter über die Möglichkeit, allgemeine Maßgaben öffentlich aufzustellen.

IV. Verfassungsrechtliche

Grenzen der Weisungsfreiheit

Daß das Grundgesetz Ausnahmen vom Grundsatz der Weisungsbindung zuläßt, wurde bereits im allgemeinen Teil zur Ministerialfreiheit der Regulierungsbehörde dargestellt. 1249 Demnach ist eine Ministerialfreiheit von Organen der Regulierungsbehörde aus zwei Gesichtspunkten zu rechtfertigen: Zum einen kann sich eine Distanzierung der Beschlußkammern von tagespolitischer Einflußnahme auf den Privatisierungsauftrag des Art. 87f GG berufen (1). Zum anderen können die verfassungsrechtlich notwendigen Leistungen der Weisungsbindung in der Organisation der Beschlußkammern auch über andere Rechtsinstitute bereitgestellt werden (2).

1. Die Beschlußkammern als Organ der Privatisierung Verfassungsrechtlich findet eine Weisungsfreiheit der Beschlußkammern ihren Grund darin, daß ihnen die besonderes privatisierungssensiblen Zuständigkeiten übertragen sind. Im Vergleich zum Bundeskartellamt, aber auch im Vergleich zu den Fachabteilungen der Behörde obliegt ihnen eine sektorspezifische Mißbrauchsaufsicht. Ihr unterliegt nach dem Grundsatz asymmetrischer Regulierung im Regelfall das marktbeherrschende, überwiegend bundeseigene Unternehmen Deutsche Telekom. Es soll nach Art. 87f Abs. 2 S. 1

1249

Oben S. 245 ff u. S. 261 ff.

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

GG dem Wettbewerb ausgesetzt werden. Die organisatorische Speerspitze des Privatisierungsauftrages sind daher die Beschlußkammern. Folglich gilt fur sie die Notwendigkeit der Distanzierung in besonderer Weise. Denn in ihnen setzt sich die leistungsbehördliche Steuerung des bundeseigenen Unternehmens in regulatorisch reduzierter und veränderter Form fort. Sie setzen mit den Entgeltgenehmigung und den Konditionen des Netzzuganges die Eckdaten, von denen die neuen Wettbewerber ausgehen. Zuletzt sind sie daher die Organe, deren Entscheidungen das Objekt der befürchteten tagespolitischen Einflußnahme sind. Der berichtete Fall, in dem der Staatssekretär des Finanzministeriums den Bundeswirtschaftsminister bat, sich für eine Erhöhung der Kabelgebühren zu verwenden, war vor einer Beschlußkammer zu entscheiden. 1250 Hier konnte der Bundeswirtschaftsminister mit verfassungsrechtlich reinem Gewissen auf die Unabhängigkeit der Beschlußkammer verweisen.

2. Funktionale Äquivalente zur Weisungsbindung der Beschlußkammern Des weiteren erscheint eine Weisungsbindung der Beschlußkammern deswegen nicht geboten, weil das TKG sowohl die erforderliche Anbindung der Beschlußkammerentscheidungen an den Bund als auch die Leitungskompetenz der Regierung und nicht zuletzt die erforderliche Legitimation über andere, funktional äquivalente Rechtsinstitute sicherstellen kann.

a) Zur Anbindungsfunktion,

Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG

Im Rahmen bundeseigener Verwaltung werden die Beschlußkammern bereits über ihr detailliertes materielles und Verfahrensrecht dem Bund zugeordnet. 1 2 5 1 Personell und institutionell sind sie ihm gleichfalls verbunden. Daher stellt ihre Weisungsfreiheit die bundeseigene Qualität der Beschlußkammern nach Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG nicht in Frage.

b) Zur Leitungsfunktion,

Art. 65 S. 2 G G

In ihrer Leitungsfunktion nach Art. 65 S. 2 GG wäre die Weisungsbindung dann verfassungsrechtlich unabdingbar, wenn der Regierung andernfalls we-

1250 Vgl. Reg TP, Mitteilung Nr. 85/1998, Veröffentlichung nach § 30 Abs. 6 Telekommunikationsgesetz, ABl. Reg TP 9/1998, S. 1368. Dazu oben S. 272 ff. 1251 Vgl. oben S. 196 ff.

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

3

sentliche Bereiche der Telekommunikationsverwaltung als solche oder mangels hinreichender Einwirkungsbefugnisse entglitten. 1252 Die Entscheidungen der Beschlußkammern sind von erheblicher Tragweite. Die Entgeltregulierung bestimmt nach Vorgabe des unternehmerischen Antrages unmittelbar über die Telefontarife für alle Kunden der Deutschen Telekom AG. Sie entfaltet damit eine ähnliche Breitenwirkung wie die früheren Gebührenverordnungen. 1253 Die Regulierung des Netzzuganges ist, wenngleich nicht unmittelbar dem Endkunden gegenüber, ebenfalls von elementarer Bedeutung für die Entwicklung des Wettbewerbes. Daher wäre es nicht möglich, die Kompetenzen der Beschlußkammern den Ingerenzbefugnissen der Regierung ganz zu entziehen. Indes verfugt der Minister mit der allgemeinen Weisung, seiner Personalgewalt und seiner abstrakten Organisationsgewalt über die Kompetenz zu struktureller Einflußnahme. Die Regierung kann zudem, sofern sie die Verordnungsermächtigungen nach § 35 Abs. 5 TKG und § 27 Abs. 4 TKG ausschöpft, weitere Maßgaben erteilen. Ihre Leitungskompetenz wird durch einen Verlust des Einzelweisungsrechts nicht ernsthaft in Frage gestellt.

c) Zur Legitimationsfunktion,

Art. 20 Abs. 2 GG

Zuletzt richtet sich der Blick damit auf die Legitimationsfunktion der Weisung. Eine ministerielle Weisungsbefugnis läßt die nachgeordneten Entscheidungsträger an der Legitimation der Regierung teilhaben, weil sie ihre Entscheidungen an der Regierungspolitik ausrichten können. Sofern die Beschlußkammern ministerialfrei entscheiden, bleibt ihnen dieses Legitimationselement versagt. Deswegen muß die Legitimation in der Entgeltregulierung und in der Regulierung des Netzzuganges aber nicht notwendig defizitär werden.

(1) Zur Legitimation der Entgeltregulierung Um die legitimatorische Leistung der Weisungsbindung in der Entgeltregulierung abschätzen zu können, sollen zunächst das bisherige Regime der Fernmeldeverwaltung sowie andere Tarifgenehmigungen zum Vergleich herangezogen werden. 1254

1252

Vgl. oben S. 294 ff. Vgl. § 14 PostVwG. 1254 Zur Bestimmung des erforderlichen Legitimationsniveaus über den Vergleich mit einer idealtypischen Ministerialverwaltung oben S. 313 ff. 1253

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

Die Gebührenordnung war im Fernmeldewesen nie einer idealtypischen Ministerialverwaltung anvertraut: Nach dem PostVwG lag die Gebührenhoheit bei dem kondominial besetzten Verwaltungsrat. 1255 Der Postminister konnte zwar die Letztentscheidung der Bundesregierung herbeiführen. 1256 Dies geschah aber nur ausnahmsweise. Im Regelfall entschied das nicht weisungsgebundene Verwaltungsgremium. 1257 Die Hälfte seiner Mitglieder wurde zudem auf Vorschlag der Gesamtwirtschaft und der Gewerkschaft benannt. 1258 Diese Vertreter gesellschaftlicher Interessen konnten nicht überstimmt werden. 1259 Damit war die Entgeltfestsetzung in der Leistungsverwaltung im Regelfall einer weisungsgesteuerten Entscheidung entzogen. Mit der Ausgliederung der Unternehmen in der Postreform I änderte sich auch das Verfahren der Tarifgenehmigung. 1260 Monopolentgelte unterfielen der Beschlußfassung des kondominial besetzten Aufsichtsrates; seinen Beschluß wiederum genehmigte der Bundesminister. Erst wenn dieser die Genehmigung im Interesse der Bundesrepublik versagen wollte, mußte der parlamentarisch gebildete Infrastrukturrat befaßt werden. Um eine Beschlußfassung des Infrastrukturrates zu vermeiden, verhandelten Unternehmen und Ministerium namentlich die Eckdaten der Tarifreform 1996 solange, bis ein Übereinkommen erreicht war und der Minister den neuen Tarifen zustimmen konnte. 1261 Als diese, begleitet von technischen Pannen, zum Jahresbeginn 1996 in Kraft traten, war die allgemeine Aufregung so groß, daß sich der Postausschuß des Deut-

1255

Vgl. § 14 S. 1 PostVwG iVm. §§ 5 ff PostVwG. Dazu oben S. 38 ff. Vgl. § 13 PostVwG. 1257 Vgl. § 5 Abs. 3 S. 1 PostVwG. 1258 Vgl. § 5 Abs. 2, § 6 Abs. 2 u. Abs. 3 PostVwG. 1259 Vgl. 10 Abs. 2 S. 3 PostVwG. Dazu Werner Neu/Jörn Kruse, Monopolpreiskontrolle in der Telekommunikation, in: Mestmäcker (Hrsg.), Kommunikation II, S. 567; Rainer Hallenga, Die Tarifpolitik als Steuerungsinstrument für den Wettbewerb zwischen Fernmeldediensten, Arch PT 1994, 50. 1260 Das im folgenden geschilderten Verfahren für Monopolentgelte erfaßte im wesentlichen die Leistungen der Deutschen Bundespost TELEKOM, die heute den Lizenzklassen 3 und 4 zuzuordnen sind und daher der Entgeltgenehmigung unterliegen. Die Leistungsentgelte für Pflichtleistungen wären in der heutigen Regulierung eher dem Universaldienstregime zuzuordnen. Zur Festsetzung von Pflichtleistungen vgl. § 25 Abs. 2 PostVerfG u. Verordnung zur Regelung der Pflichtleistungen der Deutschen Bundespost TELEKOM v. 16.9.1992, BGBl. I, S. 1614. Dazu Scherer, Arch PT 1993, 262 (264). Hier konnte der Bundesminister nach Beschlußfassung des Infrastrukturrates den Tarifvorstellungen des Unternehmens widersprechen, vgl. § 28 Abs. 2 iVm. § 34 Abs. 2 Nr. 2 PostVerfG. 1261 Vgl. die Chronologie bei Ossenbühl, Arch PT 1996, 207 (233). Die Abneigung gegen die Mitwirkung des Rates aus Sicht der Telekom wird deutlich bei Hefekäuser, ZGR 1996, 385 (394). 1256

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

5

sehen Bundestages zu einer öffentlichen Sondersitzung veranlaßt sah. 1262 Darin bemühte er sich klarzustellen, daß nicht das Parlament, dessen Vertreter formell nicht beteiligt worden waren, sondern Unternehmen und Ministerium die Verantwortung für die Umstellung trugen. An diesem, in der Ausschußgeschichte bislang einzigartigen Vorgehen zeigt sich, daß sich das Verfahren nach dem PostVerfG nicht durch besondere Transparenz auszeichnete. Obwohl es eine ministerielle Entgeltgenehmigung vorsah, entstand die Entscheidung effektiv im Aushandlungsprozeß zwischen Unternehmen und Verwaltung unter bewußter Zurückdrängung parlamentarischer Einflußnahme über den Infrastrukturrat. Weder in der Gestalt des PostVwG noch in der Praxis des PostVerfG kann das Verfahren der Entgeltbestimmung nach Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG a.F. daher die weisungsgebundene, ministerielle Entscheidung zum Legitimationsmodell erheben. Unter Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG richtete sich das Verfahren der Entgeltgenehmigung zunächst nach dem PTRegG. Danach genehmigte der Bundespostminister die Entgelte im Benehmen mit dem Bundeswirtschaftsminister und in Übereinstimmung mit dem Regulierungsrat. 1263 Bei der Genehmigung waren die abwägungsleitenden Regulierungsziele zu beachten; weitere inhaltliche oder verfahrensrechtliche Maßgaben fehlten. 1264 In der Summe erscheint das bisherige Verfahren der Entgeltregulierung daher im wesentlichen von personeller Legitimation getragen. Materiell- oder verfahrensrechtliche Vorschriften enthielten die einschlägigen Gesetze kaum. Die personelle Legitimation des entscheidenden Ministers ist typischerweise generalisiert und nicht auf einzelne Gebührenentscheidungen zugeschnitten. 1265 Ein einheitliches, vorbildliches Legitimationsniveau für die Entgeltregulierung läßt sich der bisherigen Ministerialverwaltung des Fernmeldewesens nicht entnehmen. Ergänzend können andere Tarifgenehmigungsverfahren betrachtet werden. In den Infrastrukturmärkten, zu denen der Zugang beschränkt ist, etwa der Per-

1262

Vgl. Börnsen, Jahrbuch Telekommunikation und Gesellschaft 1997, 367 (373 f). Vgl. § 4 Abs. 1 S. 1 iVm. § 13 Abs. 3 S. 1 PTRegG. Zum Letztentscheidungsrecht der Bundesregierung vgl. § 14 PTRegG. 1264 Vgl. § 4 Abs. 2 S. 1 iVm. § 2 Abs. 2 PTRegG. Zur Abwägungsoffenheit der Entscheidung und zur von den Gerichten verkannten Möglichkeit der Überprüfung vgl. Ossenbühl, Arch PT 1996, 207 (234f) und passim. 1265 Jürgen Plagemann/Ulrich Bachmann, Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer privatrechtlichen Organisation der Deutschen Bundespost, DÖV 1997, 807 (813) gelangten für das PostVwG zu dem Schluß, „daß die Möglichkeit des unmittelbaren Eingriffs des Ministers in die Verwaltungshierarchie als Merkmal unmittelbarer Bundesverwaltung weit überschätzt wird." 1263

6

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

sonenbeförderung, genehmigen hierarchisch strukturierte Behörden die jeweiligen Tarife. 1266 Als Genehmigungskriterien benennen die einschlägigen Gesetze knapp die jeweiligen Versorgungszielen und die unternehmerische Kostenstruktur. Verfahrensvorschriften fehlen weithin. Die Tarifgestaltung kann allerdings, soweit gegen Wettbewerber diskriminiert wird, auch kartellbehördlicher Überprüfung unterfallen. 1267 Fachbehördliche, hierarchisch organisierte und kartellbehördliche, kollegial verfaßte Kontrolle überlagern einander. 1268 Das Ministerialmodell tritt also ggf. zugunsten der kollegialen Beschlußfassung im Bundeskartellamt dort zurück, wo die Entgeltregulierung wettbewerbsrelevant wird. Weder dem historischen noch dem sektorübergreifenden Vergleich ist zu entnehmen, daß die sowohl kosten- als auch wettbewerbsorientierte Entgeltregulierung allein in einer weisungsgeprägten Ministerialverwaltung verfassungsrechtlich möglich ist. Der kartellrechtliche Einschlag der Entgeltregulierung nach dem TKG schafft dem Kollegialprinzip Raum; ein vorbildliches Legitimationsniveau kann die bisherige Fernmeldeverwaltung nicht aufzeigen. Vor diesem Hintergrund wird das Beschlußkammerverfahren einer eigenen Beurteilung zugänglich:

(2) Die legitimatorische Leistungsfähigkeit des Beschlußkammerverfahrens Im Vergleich zur bisherigen Verfahrensweise scheint das Beschlußkammerverfahren auch in seiner weisungsfreien Form deutliche Legitimationsgewinne zu versprechen. Das Gesetz selbst gibt nunmehr mit der Kostenorientierung und dem Diskriminierungsverbot Entscheidungskriterien vor. 1 2 6 9 Die Entgeltregulierungsverordnung führt diese Vorgaben weiter aus. Sie sind im Ergebnis um einiges präziser und einer Abwägung weniger zugäng-

1266

Vgl. § 39, § 41 Abs. 3, § 41 Abs. 2 PBefG, § 51 PBefG; § 12 Abs. 3 AEG. Zur Ineffektivität der Preisaufsicht in der Energieversorgung Hermes, S. 509 ff. Dazu Jürgen Baur, Die Zukunft der staatlichen Aufsicht über die Preise der Energieversorgungsunternehmen, in: Ernst Niederleithinger/Rosemarie Werner/Gerhard Wiedemann (Hrsg.), FS-Lieberknecht, München 1997. Vgl. Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts v. 24.4.1998, BGBl. I, S. 730. Dazu Gunter Kühne/Boris Scholtka, Das neue Energiewirtschaftsrecht, NJW 1998, 1902; Ulrich Büdenbender, Die Energieaufsicht über Energieversorgungsunternehmen nach dem neuen Energiewirtschaftsgesetz, DVB1. 1999, 7. 1267 Vgl. § 19 Abs. 4 GWB. 1268 Vgl. zur Abstimmung zwischen Fachaufsicht und Karteilaufsicht Niederlei'thinger, in: FS-Mestmäcker, S. 683 (686-689); Monopolkommission, Sondergutachten 24, Tz. 32; Dirk Sehr oeder, Telekommunikationsgesetz und GWB, WuW 1999, S. 14 (27 f). 1269 Vgl. § 24 TKG.

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

7

lieh als noch die Maßstäbe des PTRegG aber auch die des G W B . 1 2 7 0 Verfahrensrechtlich sorgt das Beschlußkammerverfahren dafür, daß diese materiell-rechtlichen Vorgaben in nachvollziehbarer, transparenter Weise ausgefüllt werden. Eine gerichtliche Überprüfung wird möglich. 1271 Damit erlangt die gesetzesförmliche, materielle Legitimation ein Gewicht, das ihr in der bisherigen Entgeltfestsetzung versagt blieb. Daneben bleibt die weisungsförmliche Legitimation in Gestalt allgemeiner Anordnungen möglich. Die personelle Legitimation der Beschlußkammermitglieder ist zudem weniger generalisiert als die des zuvor befaßten Ministers. Denn der Minister hatte in seinem Amt die gesamte Bandbreite der Telekommunikations- und Postpolitik zu verantworten. Die Zuständigkeit der Beschlußkammermitglieder ist demgegenüber wesentlich enger umrissen. Sie beruht in ihrer organisatorischen Komponente auf einem gesetzlich vorgezeichneten, durch die ministerielle Bildung der Beschlußkammern und ihre präsidentielle Einrichtung konkretisierten Rahmen. Aus der Zuweisung dieses klar definierten Amtes erfahren die Entscheidungen der Beschlußkammermitglieder eine besonders zielgenaue personelle Legitimation. Zuletzt unterliegen auch die Beschlußkammern als Teil der Regulierungsbehörde der beiratlichen Kontrolle. Sie ist zwar nicht besonders auf die Verfahren der allgemeinen Beschlußkammern zugerichtet. 1272 Sie kann aber auch für die Entgeltregulierung legitimierende Wirkung entfalten. Insgesamt ist daher, auch soweit die Beschlußkammern in der Entgeltregulierung ministerialfrei agieren, im Vergleich zum weiteren Verwaltungsumfeld kein verfassungsrechtlich bedenkliches Absinken des Legitimationsniveaus zu befürchten.

(3) Zur Legitimation in der Regulierung des Netzzuganges Während für die Entgeltregulierung die Fernmeldeverwaltung nach Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG a.F. nur ein fragwürdiges Legitimationsvorbild abgibt, verhält sie sich zur Regulierung des Netzzuganges gar nicht. Die Öffnung des marktbeherrschenden Netzes für andere Anbieter ist eine Regulierungsaufgabe, die sich erst mit der Beendigung des Monopols stellt. Soweit sie in den „Rand-

1270

Zum Vergleich mit dem GWB Großkopf/Rittgen, CR 1998, 86 (89). Sie wird insbesondere von der Deutschen Telekom angestrengt. Vgl. für die Kabelgebühren NJW-Wochenspiegel, Klage gegen Regulierungsbehörde, NJW 1998, 23, XLIII. Dabei ist die gerichtliche Kontrolle nach Großkopf/Rittgen, CR 1998, 86 (93 f) umfassend. 1272 Vgl. hingegen § 69 Nr. 2 TKG iVm. § 73 Abs. 3 TKG für die Präsidentenkammer. 1271

27 Oertel

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

bereichen" des früheren Monopols zu regeln war, geschah dies über ministerielle Verwaltungsvorschriften. 1273 Auch unter Art. 87f GG enthielt das verfassungsbegleitende Gesetzeswerk keine eingehenden Bestimmungen zum Netz1274

zugang. Als wettbewerbseröffhende Regulierung steht die Gewährung des Netzzuganges aber dem Kartellrecht in noch höherem Maße als die Entgeltregulierung nahe. In der Regulierung des Netzzuganges ist die Beschlußkammer regelmäßig berufen, zwischen Nachfrager und Anbieter zu schlichten. Solche justizähnlichen Entscheidungen trifft in der bundesdeutschen Wettbewerbsaufsicht typischerweise das Bundeskartellamt. 1275 In seinen Beschlußabteilungen erreicht es das erforderliche Legitimationsniveau auch ohne den Rückgriff auf die Weisungsbindung. Deswegen läßt sich für die Regulierung des Netzzuganges nach dem TKG nicht erkennen, daß ein der Ministerialverwaltung für vergleichbare Fragen eigenes Legitimationsprofil unterschritten würde. Vielmehr kann das Beschlußkammerverfahren hinsichtlich des Netzzuganges auf die zwischenzeitlich hohe materiell- und verfahrensrechtliche, gesetzesförmliche Durchdringung der Materie hinweisen. Im Streit über den Netzzugang befördert das regelmäßig dreipolige Verfahrensrechtsverhältnis ein justizähnliches Vorgehen zusätzlich. Die personelle Legitimation der entscheidenden Beschlußkammermitglieder ist ähnlich wie in der Entgeltregulierung auf Fragen des Netzzuganges zugerichtet. Die beiratliche Kontrolle kann hier ebenfalls eintreten. Daher ist auch im Falle der Weisungsfreiheit kein Legitimationsdefizit zu befurchten.

1273

Vgl. Riehmer, in: Mestmäcker (Hrsg.), Kommunikation II, S. 369 (389) mwN.; Vgl. Anlage Β zur El-Lizenz, ABl. BMPT 23/94, S. 887, Vfg 260/1994 Verwaltungsvorschriften, nämlich die Vfg 260.1 Verwaltungsvorschrift für die Bereitstellung von Monopolleistungen für Zwecke des digitalen zellularen Mobilfünks (Dl-Netz, D2-Netz, El-Netz) und die Vfg 260.2 Verwaltungsvorschrift für die Bereitstellung von Monopoldienstleistungen für Zwecke des analogen zellularen Mobilfünks (C-Netz). 1274 Lediglich § 1 Abs. 4 S. 2 FAG hielt fest: „Soweit Fest- und Wählverbindungen von dem Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost TELEKOM bereitgestellt werden, hat jedermann das Recht, diese Verbindungen für die Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen für andere zu nutzen." 1275 Auch für die Zuständigkeit nach § 15 AEG wurde erwogen, das Bundeskartellamt heranzuziehen, bevor die Entscheidung auf das Eisenbahnbundesamt fiel. Vgl. Ausschußbericht, BT-Drs. 12/6269, S. 139 zu § 12. Dazu Fromm, DVB1. 1994, 187 (193). Von der Bahnreform bis September 1998 hatte das Eisenbahnbundesamt 13 Beschwerden von Wettbewerbern zu bearbeiten. Vgl. FAZ v. 25.9.1998, Nr. 223, S. 19, „Unzufrieden mit der Bahnreform".

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

V. Die politische Verselbständigung

der Beschlußkammern

Den drei allgemeinen Beschlußkammern der Behörde sind also mit der Entgeltregulierung und dem Netzzugang Aufgaben der sektorspezifischen, asymmetrischen Mißbrauchsaufsicht anvertraut. Darin heben sie sich sowohl von den Einheiten der Behörde ab, die unter Leitung des Präsidenten die fachbehördliche Marktaufsicht wahrnehmen, als auch von der Präsidentenkammer, die nicht wettbewerbswidrige Mißbräuche korrigieren, sondern marktstrukturierende Pflichten und Rechte zuteilen soll. In den Entscheidungsmustern der Entgeltregulierung und der Gewährung des Netzzuganges tritt die justizähnliche Natur des Beschlußkammerverfahrens unverfälscht zutage. Wenngleich das TKG die Beschlußkammern nicht ausdrücklich von Einzelweisungen frei stellt, war es doch der deutlich erkennbare Wille des historischen Gesetzgebers, daß sie ihre fachlichen Entscheidungen unabhängig treffen. Die kollegiale Verfassung der Organe, ihr justizähnliches, besonders transparentes Vorgehen, ihre dem beamtenrechtlichen Gehorsam nicht unbedingt verpflichtete Besetzung und die im Wortlaut ablesbare Orientierung an der weisungfernen Praxis des GWB verleihen diesem Willen gesetzesförmlichen Ausdruck. Das TKG entläßt die Beschlußkammern in den ministerialfreien Raum. Damit entzieht es sie sowohl ministeriellen als auch präsidentiellen Einzelweisungen. 1276 Allgemeine Weisungen bzw. der Erlaß von Verwaltungsgrundsätzen bleiben aber auch in Angelegenheiten der Beschlußkammern möglich. Es ist nicht erforderlich, dieses Ergebnis im Wege verfassungskonformer Auslegung zu korrigieren. Gerade in den Beschlußkammern muß sich vielmehr die privatisierungstypische, in Art. 87f GG verfassungsrechtlich angenommene, staatsinterne Distanzierung verwirklichen. Denn sie treten als Organe der asymmetrischen Regulierung der Marktmacht des bundeseigenen Unternehmens entgegen und müssen es dem Wettbewerb aussetzen. Da sie die für die Marktöfftiung zentralen Entscheidungen fällen, sind sie in besonderem Maße gegenüber tagespolitischer Einflußnahme zu isolieren, soll das Privatisierungsprogramm des Art. 87f GG ungetrübt verwirklicht werden. Andernfalls ließe sich nicht ausschließen, daß, wie schon verschiedentlich unternommen, das Gebot funktioneller Unabhängigkeit zugunsten der Deutschen Telekom durchbrochen wird. Die Weisungsfreiheit der Beschlußkammern ist zudem deswegen verfassungsrechtlich tragbar, weil das TKG dafür Sorge trägt, die Beschlußkammern über ihre institutionelle Stellung und ihre personelle Besetzung an den Bund anzubinden. Sie bleiben auch als weisungsfreie Organe bundeseigene Verwal-

1276

Ebenso im Ergebnis Müller-Terpitz, ZG 1997, 257 (271); Kerkhoff, in: Beck'scher TKG-Kommentar, München 1997, § 73 Rnr. 32 gegen Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 66 Rnr. 20 u. 25.

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

tung. Sie können sich der Regierung nicht in einem Maße entziehen, daß deren in Art. 65 S. 2 GG garantierte Leitungsfunktion in Frage gerät. Vielmehr bleibt es in den politisch bedeutenden Fragen der Entgeltregulierung und des Netzzuganges möglich, die Beschlußkammerentscheidungen im Wege der einschlägigen Verordnungen und allgemeiner Weisungen zu steuern. Ihre politische Verselbständigung ist rechtlich auf die Entscheidung des Einzelfalles beschränkt. Diese Entscheidung entbehrt nicht deswegen der erforderlichen demokratischen Legitimation, weil die Beschlußkammern weisungsfrei entscheiden. Weder in der Geschichte der Fernmeldeverwaltung noch in vergleichbaren Verwaltungslagen erweist sich die Einzelweisungbefugnis als das tragende Element für die Legitimation von Entgeltregulierung und Netzzugangsgewähr. Der kartellrechtlichen Eigenart der Regulierungsentscheidungen entspricht eher das im Bundeskartellamt verwirklichte, von Kollegialorganen getragene Legitimationsniveau. Auch im Legitimationsmodus setzt sich das Beschlußkammerverfahren positiv von der bisherigen Fernmeldeverwaltung ab. In dieser unterlagen Entgeltregulierung und Regelung des Netzzuganges letztlich ministerieller Entscheidung. Damit gingen sie auf eine personelle, generalisierte, durch gesetzliche Vorgaben kaum konkretisierte Legitimation zurück. Demgegenüber enthält das TKG präzise materiell-rechtliche Entscheidungskriterien. Es geht darin noch über das GWB hinaus. Mit dem justizähnlichen Verfahren sorgt es dafür, daß diese Kriterien peinlich beachtet werden. Es eröffnet zudem die gerichtliche Kontrolle. Zugleich spitzt es durch die Abgrenzung der Beschlußkammerzuständigkeiten die personelle Legitimation der Amtswalter auf das jeweilige Amt im funktionalen Sinne zu. Über den Beirat unterwirft das TKG die Beschlußkammern zuletzt intensivierter parlamentarischer Überwachung. In der Präzision und Verdichtung der legitimierenden Elemente gewinnen Entgeltregulierung und Netzzugangsgewähr an effektiver Legitimation. Die Ministerialfreiheit der Beschlußkammern ist daher verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie verändert das Legitnnationsgefüge zugunsten einer stärker materiell-rechtlich geprägten und verfahrensrechtlich transparenten Regulierung. Die Beschlußkammern mögen insoweit von Einzelfall zu Einzelfall eine eigene Politik entwickeln können. Ihre politische Verselbständigung bleibt aber auf ihre einzelnen Zuständigkeiten beschränkt, sie wird durch die gesetzlichen, gerichtlich einklagbaren Vorgaben begrenzt und durch das justizähnliche Verfahren in ihrer Geschwindigkeit begrenzt. Sie geht nicht über die Entscheidung des Einzelfalles hinaus. C. Die Präsidentenkammer, §§ 73 Abs. 3,11,19 TKG Unter den allgemeinen Beschlußkammern hervorgehoben, aber nicht der Leitungsgewalt des Präsidenten zugeordnet, ist die Präsidentenkammer nach

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

§ 73 Abs. 3 TKG. Ihr gehören von Gesetzes wegen der Präsident als Vorsitzender und die beiden Vizepräsidenten als Beisitzer an. Sie entscheidet in den Fällen des § 11 TKG und des § 19 TKG. Demnach fällt ihr die Auswahl unter mehreren Bewerbern für knappe Frequenzen ebenso zu wie der Vollzug des Universaldienstregimes (I). Das Gesetz stellt sie in diesen Entscheidungen ministerialfrei (II). Dies ist verfassungsrechtlich zulässig und geht mit einer Verlagerung parlamentarischer Verantwortung auf die Ebene der Bundesregierung einher (III). Im Ergebnis kann die Präsidentenkammer im Rahmen ihrer begrenzten Kompetenzen politisch selbständig entscheiden (IV).

/. Die Präsidentenkammer

als Marktstrukturaufsicht

§ 11 und § 19 TKG bergen trotz aller Unterschiede so viele Gemeinsamkeiten (1), daß sie ein gemeinsames Entscheidungsmuster tragen (2). Dieses kennzeichnet die Präsidentenkammer als ein Organ, das im Falle des Marktversagens eine wettbewerbsstimulierende und weithin marktsimulierende Auswahlentscheidung trifft und damit über die Marktstruktur bestimmt (3).

1. Die Kompetenzen der Präsidentenkammer Nach § 73 Abs. 3 iVm. § 19 TKG befaßt sich die Präsidentenkammer mit der Auferlegung von Universaldienstleistungen. Nach § 11 TKG nimmt sie die Vergabe beschränkter Lizenzen vor. Die Präsidentenkammer trifft also die Auswahl unter mehreren Antragstellern für ein Recht. Ein solche Auswahl ist nur notwendig, wenn die Zahl der Lizenzen beschränkt werden muß, weil nicht genügend Frequenzen vorhanden sind. 1 2 7 7 Das Verfahren nach § 11 TKG fuhrt also im Kern auf Fragen der Frequenzverteilung zurück. 1278 Systematisch findet es sich deshalb im Abschnitt über die Lizenzen, weil der Lizenznehmer mit der Lizenz für einen funkgestützten Dienst regelmäßig einen Anspruch auf die Zuteilung der benötigten Frequenzen erwirbt. 1279 § 11 TKG findet aber auch dann Anwendung, wenn der in Rede stehende Dienst nicht lizenzpflichtig ist, jedoch knappe Frequenzen benötigt. 1 2 8 0 Dann muß die Präsidentenkammer ebenfalls eine Auswahlentscheidung treffen. An die Stelle eines Anspruchs auf Frequenzzuteilung 1281 1277

Vgl. § 10 S. 1, § 8 Abs. 3 Nr. 1 TKG. Vgl. Grzeszick, Z U M 1997, 911 (916); Leo/Schellenberg, Z U M 1997, 188 (189). 1279 Vgl. § 8 Abs. 5 TKG. Zum „leistungsrechtlichen Annex" der Lizenz allgemein auch Spoerr/Deutsch, DVB1. 1997, 300 (304 f) und oben S. 350 ff. 1280 Vgl. § 47 Abs. 5 S. 2 TKG. 1281 Dazu Leo/Schellenberg, Z U M 1997, 188 (191). 1278

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

bzw. des Anspruch auf Lizenzerteilung 1282 tritt im Falle der Frequenzknappheit mithin ein Anspruch auf Beteiligung an einem nicht diskriminierenden, sachgerechten Vergabeverfahren. 1283 Es wäre nun ein leichtes, die Auferlegung von Universaldienstleistungen dem Gesetzeszweck der Gewährleistung einer Grundversorgung zuzuschlagen, die Vergabe knapper Frequenzen und Lizenzen hingegen unter die Festlegung einer Frequenzordnung zu subsumieren. 1284 Bei näherer Betrachtung berühren beide Verfahren der Präsidentenkammer aber zugleich den Wettbewerbszweck. 1285 Schon nach Art. 87fAbs. 2 S. 1 GG sind auch die Dienstleistungen der Grundversorgung privatwirtschaftlich zu erbringen. Die Auferlegung der Universaldienstleistung soll eine Versorgungslücke überbrücken, nicht aber die bestehenden Marktverhältnisse zementieren und damit letztlich die staatliche Lasten Verteilung auf Dauer festschreiben. 1286 Der Staat wird gehalten, seiner Gewährleistungsverantwortung innerhalb eines marktimmanenten Ausgleichsystems nachzukommen. 1287 Ebensowenig darf sich die Frequenzzuteilung ungeachtet ihrer hoheitlichen Natur gegen eine privatwirtschaftliche Orientierung sperren. 1288 Auch hier soll das Auswahlverfahren dem regulierungspolitischen Ziel dienen, den Wettbewerb zu fördern. 1289 Im Einzelfal! wird die Frequenzvergabe unmittelbar Elemente der Grundversorgung aufnehmen. 1290 Wenngleich sie also einerseits von der staatlichen Gewährleistung der Grundversorgung und andererseits von der staatlichen Bewirtschaftung der Frequenzen herkommen, berührten sich die Verfahren nach § 11 TKG und § 19 TKG in ihrer Zielsetzung. In beiden Verfahren geht es um eine Auswahlentscheidung. Hier ist der geeignete Lizenznehmer, dort der geeignete Versorger zu bestimmen. Das gemeinsames Anliegen von staatlicher Frequenzordnung und staatlicher Gewährleistung, die wettbewerbliche Leistungsbereitstellung zu stimulieren, verfolgen

1282 1283 1284 1285

Dazu oben S. 350 ff. Vgl. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 11 Rnr. 1. Vgl. § 1 TKG. Zur Überlagerung der Regulierungsziele auch Windthorst,

Universaldienst,

S. 411 f. 1286 1287 1288 1289

§11.

Vgl. Schütz/Cornils, DVB1. 1997, 1146 (1150). Vgl. Schütz/Cornils, DVB1. 1997, 1146 (1147). Vgl. Art. 87f Abs. 2 GG. Vgl. § 11 Abs. 6 S. 3 a.E. TKG; Fraktionsentwurf, BT-Drs. 13/3609, S. 39 Zu

1290 So verbindet sich das Recht, Teilnehmeranschlüsse über Funk anzubinden, notwendig mit der Pflicht den Universaldienst Sprachtelefonie anzubieten (§ 11 Abs. 7 TKG). Des weiteren verlangt die Zuteilung regelmäßig, daß der Berechtigte einen bestimmten Versorgungsgrad erreicht (§ 11 Abs. 4 S. 2 Nr. 3, Abs. 6 S. 2 Nr. 3, Abs. 6 S. 4 TKG).

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

3

sowohl § 11 TKG als auch § 19 TKG, indem sie marktähnliche Auswahlprozesse simulieren. Die Präsidentenkammer trifft alle ihre Auswahlentscheidungen in einem objektiven, nachvollziehbaren und diskriminierungsfreien Verfahren. 1 2 9 1 Das Ausschreibungsverfahren nach § 19 Abs. 5 TKG bezeichnete der Fraktionsentwurf ausdrücklich als „Wettbewerbsverfahren". 1292 Ebenso soll auch das Versteigerungsverfahren nach § 11 Abs. 4 TKG über den Wettbewerb der Anbieter erweisen, wer die begehrte Frequenz möglichst wirtschaftlich nutzt. 1293 Trotz ihrer zunächst ganz unterschiedlichen Ausrichtung können die marktorientierten Entscheidungsmuster der Universaldienstauferlegung und der Frequenz- bzw. Lizenzvergabe daher im folgenden gemeinsam dargestellt werden.

2. Die Entscheidungsmuster der Präsidentenkammer Im Verfahren der Präsidentenkammer sind verschiedene Abschnitte festzustellen (vgl. a) - d)). a) Bevor das eigentliche Auswahlverfahren beginnen kann, ist seine Notwendigkeit festzustellen. Nach § 19 Abs. 1 TKG geschieht dies, indem die Präsidentenkammer eine Unterversorgung feststellt und ankündigt, die fehlende Leistung ggf. zwangsweise erbringen zu lassen. 1294 Zur Vergabe von Lizenzen nach § 11 TKG kommt es erst, wenn die Anzahl der Lizenzen gemäß § 10 TKG beschränkt worden ist. 1 2 9 5 Diese Entscheidung trifft die Behörde unter Leitung ihres Präsidenten. 1296 Dabei kommt ihr entge1291

Vgl. § 11 Abs. 4 S. 3, Abs. 6 S. 5 TKG, § 19 Abs. 7 S. 2 TKG, § 47 Abs. 1 S. 2

TKG. 1292

Vgl. Fraktionsentwurf, BT-Drs. 13/3609, S. 42 Zu § 18. Vgl. Fraktionsentwurf, BT-Drs. 13/3609, S. 39 Zu § 11. 1294 Die Feststellung nach § 19 Abs. 1 TKG gilt, obwohl sie nur eine Ankündigung des weiteren Vorgehens auslöst, als feststellender Verwaltungsakt. Vgl. Schütz, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 19 Rnr. 7 gegen Geppert, in: Beck'scher TKGKommentar, § 69 Rnr. 8. Sie wird daher gem. § 73 Abs. 3 S. 1 TKG im Beschlußkammerverfahren getroffen. So Scherer, NJW 1996, 2953 (2959); Schütz, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 19 Rnr. 9. Die Reg TP, Aufgabenbeschreibung, Referat 123, weist allerdings zumindestens die Entscheidungsvorbereitung einem Fachreferat zu. 1293

1295 Graphische Übersicht über das Verfahren nach § 10 TKG bei Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 10 Rnr. 8; über das Verfahren nach § 11 TKG bei Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 11 Rnr. 2. 1296 § 10 TKG ist in § 73 Abs. 3 S. 1 TKG nicht erwähnt. Daher gehen Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 11 Rnr. 15, und Reg TP, Aufgabenbeschreibung, Referat 122 u. 125, davon aus, daß die Entscheidung, ein Verfahren nach § 11 TKG einzuleiten, nicht im Beschlußkammerverfahren fallt. Handlungsförmlich gilt die Beschränkung als Allgemein Verfügung. Vgl. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 10 Rnr. 10; Scherer, NJW 1997, 2953 (2957); Grzeszick, Z U M 1997, 911 (913).

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

gen dem Wortlaut des § 10 TKG nur ein reduziertes Ermessen zu. 1 2 9 7 Gemeinsam ist beiden Entscheidungen zur Verfahrenseinleitung, daß sie eine Anhörung voraussetzen. Dies ergibt sich für § 10 TKG unmittelbar aus dem Wortlaut und stützt die Notwendigkeit eines formellen Bedarfsermittlungsverfahrens. 1298 Auch die Ankündigung nach § 19 Abs. 1 TKG hat die Funktion, die Notwendigkeit einer Zwangsverpflichtung abzuschätzen. Beide Entscheidungen sind folgerichtig zu veröffentlichen. 1299 b) In einem nächsten Schritt hat die Präsidentenkammer sodann zu entscheiden, in welchem Verfahren sie die Auswahl des Universaldienstverpflichteten bzw. Frequenznutzungsberechtigten treffen möchte. § 11 TKG und § 19 TKG bieten ihr jeweils zwei Module an. (1) Zum einen ist eine Versteigerung bzw. eine Ausschreibung möglich. 1 3 0 0 Vorbehaltlich der erforderlichen Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit verfolgen diese beiden Verfahren ein identisches Ziel. Sie wollen über den Preis feststellen, welches der zur Auswahl stehenden Unternehmen das effizienteste ist. 1 3 0 1 Im Falle der Frequenzvergabe geschieht dies über eine simultane, mehrstufige Versteigerung. 1302 Es erhält also derjenige Bewerber den Zuschlag, der das höchste Gebot abgibt. Im Falle der Universaldienstverpflichtung geht es darum, den Bewerber zu ermitteln, der die Leistung am kostengünstigsten erbringt. Deswegen erhält hier das Unternehmen den Zuschlag, das den geringsten finanziellen Ausgleich verlangt. Die Versteigerung ermittelt einen positiven, die Ausschreibung gleichsam einen negativen Preis. Beide Verfahren wollen aber über die wettbewerbliche Preisbildung den effizientesten Bewerber feststellen. Insoweit sind § 19 Abs. 5 und § 11 Abs. 4 TKG strukturgleich. Es handelt sich um preisgeleitete Auswahlverfahren.

1297 Vgl. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 11 Rnr. 14; Spoerr/Deutsch, DVB1. 1997, 300(306 f). 1298 Dazu Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 10 Rnr. 6. Vor der Vergabe weiterer Mobilfünklizenzen lud die Reg TP folgerichtig zu einer Informationsveranstaltung ein. Vgl. FAZ v. 8.10.1998, Nr. 233, S. 22, „Weitere Mobilfünklizenzen im nächsten Jahr". Vgl. auch Reg TP, Mitteilung Nr. 161/1999, Frequenzbedarfsabfrage für Nutzung von Frequenzen des Festen Funkdienstes und des Navigationsfunkdienstes im Langwellenbereich, ABl. Reg TP 7/1999, S. 1260. 1299 Vgl. § 19 Abs. 1 S. 1 u. § 10 S. 2 TKG. 1300 Vgl. § 11 Abs. 4 TKG u. § 19 Abs. 5 TKG. Zu Versteigerungsverfahren für Luftfahrzeugstart- und Landerechte Koenig, S. 408 ff. 1301 So ausdrücklich § 11 Abs. 4 S. 1 TKG. 1302 Vgl. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 11 Rnr. 23. Dabei wird das Verfahren im einzelnen voraussichtlich dem Modell folgen, das sich aus BMPT, Vfg 115/1996, Regeln für ein Auktionsverfahren zur Versteigerung von ERMESLizenzen/Frequenzen sowie regionaler Frequenzen, ABl. BMPT 17/1996, S. 948, Ziff. III., ergibt. Ausführlich dazu Ernst-Olav Ruhle/Martin Geppert, Versteigerungsverfahren für Funkfrequenzen und Lizenzen, M M R 1998, 175.

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

5

Diese Verfahren fuhren zu einer Kommerzialisierung der Auswahlentscheidung. 1303 Sie ist dem deutschen Verwaltungsrecht unbekannt und hat zu verfassungsrechtlichen Zweifeln Anlaß gegeben. Es wird bestritten, daß der Versteigerungserlös allein ein sachgerechtes Auswahlkriterium im Sinne der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung sein könne. 1304 Dieser Kritik ist im einzelnen folgendes entgegenzuhalten:1305 Einer Fixierung der Auswahl auf den zu erzielenden Erlös kann die Präsidentenkammer bereits durch eine entsprechende Gestaltung der Vergabebedingungen entgegenwirken. 1306 In ihnen können namentlich nicht bezifferbare Kriterien des Sachgerechtigkeit abgeschichtet werden. Der höchstmögliche Preis ist, wie schon die Gesetzesformulierung „effizient" belegt, kein Primärziel der Vergabe. Er ist vielmehr ein sekundäres Kriterium, das eine Aussage darüber erlaubt, wie die Primärziele der Vergabe wirtschaftlich erreicht werden. Insofern macht sich die Versteigerung die Konkurrenz der Bewerber zunutze, um sie anzuhalten, ihre ökonomische Kalkulation im Wechselspiel von Angebot und Nachfrage offenzulegen. Sie erzeugt eine größere Informationsdichte und stellt die behördliche Zuteilung auf eine verläßlichere Tatsachengrundlage. 1307 Die Gefahr spekulativen Bietens kann durch eine entsprechende Gestaltung des Auktionsverfahrens verringert werden. 1308 Hier hat 1303

Zur Kommerzialisierung der öffentlichen Verwaltung mit kritischer Tendenz Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. IV, § 88 Rnr. 187. Zur Kommerzialisierung als Leitmotiv des Art. 87f GG Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 34. 1304 Diese Auffassung vertritt insbesondere Grzeszick, DVB1. 1997, 878 (884). Nicht ohne Zweifel auch Scherer, NJW 1996, 2953 (2958 Fn. 32); Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 11 Rnr. 16 f f . Die von letzterem zitierten Bedenken Kirchhofs, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR IV, § 88 Rnr. 187 gegen eine „Kommerzialisierung" der Verwaltung richten gegen ein den Gebührenbegriff auflösendes Verleihungskriterium, das die Inanspruchnahme öffentlicher Rechte auch dann von der Finanzkraft abhängig macht, wenn es nicht um eine möglichst effiziente Nutzung geht. Als Effizienzkriterium stellt Kirchhof den Preis nicht in Frage. Dem weiterhin von Hilt/Großmann, BB 1996, 169 (171 Fn. 27) noch befürchteten Horten von Frequenzen wirkt bereits § 47 Abs. 5 S. 3 TKG entgegen. 1305 Vgl. allgemein Andreas Voßkuhle, „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst!" - Das Prioritätsprinzip als antiquierter Verteilungsmodus einer antiquierten Rechtsordnung, Die Verwaltung 1999,21. 1306 Auf diesem Wege läßt sich auch der von Christian Koenig/Torsten Schäfer, Versteigerung von Telekommunikationslizenzen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, K & R 1998, 243 (248) aus Art. 11 Abs. 2 S. 2 Genehmigungsrichtlinie eingeforderten „Entwicklungssicherungsfunktion" Rechnung tragen. 1307 Die Ansicht Grzeszick, DVB1. 199^, 878 (884), gründet letztlich auf der Hoffnung, die Behörde sei auch ohne Preisbildung in der Lage, die Eignung eines Bewerbers unmittelbar zu beurteilen. Er erörtert aber nicht, wie die Behörde die Informationen erlangt, die sie zu einer tragfähigen Beurteilung instande setzen. 1308 Gegen diese Befürchtung Scherers, NJW 1996, 2953 (2958 Fn. 32) vgl. schon H. Demsetz, Why Regulate Utilities, (1968) 11 Journal of Law and Economics 55. Verschiedene Auktionsverfahren stellen vor Ruhle/Geppert, MMR 1998, 175 (177).

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

das Versteigerungsverfahren im Vergleich zu einer behördlichen Preisfestsetzung den Vorteil größerer Marktnähe für sich. Die Orientierung am Preis ist zudem dort ein sachgerechtes Kriterium, wo es im Kern um eine effiziente Nutzung der staatlichen Güter geht. Im Gegensatz zur berufswahlkritischen Vergabe von Studienplätzen 1309 oder auch zur stärker daseinsvorsorgend geprägten Vergabe von Beförderungsgenehmigungen 1310 ist die Telekommunikation verfassungsrechtlich auf die privatwirtschaftliche Berufsausübung hin ausgerichtet. 1 3 1 1 Ihr entspricht ein Versteigerungsverfahren aus einem letzten Grund: In seiner Kriterienklarheit wirkt es dem Verdacht entgegen, das bundeseigene Unternehmen könne unter dem Vorwand besserer Eignung bevorzugt werden. Das TKG schließt sich also mit dem Versteigerungsverfahren in verfassungsrechtlich zulässiger Weise an die Praxis der U S A 1 3 1 2 und an die Lizenzrichtlinie der EG an. Nach dieser dürfen die Mitgliedstaaten dort, wo die Zuteilung knapper Ressourcen mit der Lizenzerteilung einhergeht, Gebühren erheben, die für eine effiziente Nutzung dieser Ressourcen sorgen. 1313 Dies sind letztlich Preise. Im Ergebnis können die verfassungsrechtlichen Bedenken das preisgeleitete Auswahlverfahren nicht grundsätzlich in Frage stellen. (2) Zum anderen eröffnen § 11 Abs. 6 TKG und § 19 Abs. 2-4 TKG der Präsidentenkammer die Möglichkeit, die Auswahl am allgemeineren Kriterium der Eignung zu orientieren. 1314 Auszuwählen ist der Bewerber, der die Nachfrage nach der in Rede stehenden Leistung voraussichtlich am besten befriedigen wird. 1 3 1 5 Darunter versteht namentlich § 11 Abs. 6 S. 3 TKG, die Fähigkeit, eine größtmögliche Fläche mit Dienstleistungen zu versorgen. Dieses Kriterium

1309 Dazu BVerfG E 33, 303 (338) - Numerus clausus -, BVerfG E 43, 291 (314) Numerus clausus II -. 1310 Dazu BVerfG E 40, 196 (232) - Güterkraftverkehr -; BVerwG E 64, 238 (245); Werner Frotscher/Ernst Becht, Verfassungsrecht und Handel mit Taxikonzessionen, N V w Z 1986,81. 1311 Diesen Unterschied deutet an Fraktionsentwurf, BT-Drs. 13/3609, S. 39 Zu § 11. 1312 Vgl. See. 309 (j) Communications Act: Use of Competitive Bidding. Vgl. auch Ruhle/GepperU M M R 1998, 175 (177 ff). 1313 Vgl. Art. 11 Abs. 2 S. 1 Genehmigungsrichtlinie. 1314 So ausdrücklich § 11 Abs. 6 S. 1 TKG. Schlüssig ergibt sich aus § 19 Abs. 2-6 TKG, daß die Eignung die Ermessensausübung in der Auswahl des Universaldienstverpflichtenden leitet. Seine Leistungsfähigkeit wird sich regelmäßig in überlegener Marktmacht ausdrücken, weshalb § 19 Abs. 2-4 TKG die Marktbeherrschung zum Anknüpfungspunkt der Universaldienstverpflichtung bestimmen. § 11 Abs. 6 TKG bezeichnet dieses Verfahrensmodul als Ausschreibungsverfahren. Um eine Verwechslung mit der Ausschreibung nach § 19 Abs. 5 TKG zu vermeiden, soll im folgenden nur von „eignungsgeleiteter Auswahl" die Rede sein. 1315

Vgl. § 11 Abs. 6 S. 1 TKG. Zu den weiteren Kriterien § 11 Abs. 6 S. 3 TKG.

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

7

läßt sich ohne weiteres auf die Ermessensentscheidung nach § 19 Abs. 2-4 T K G übertragen. 1 3 1 6 (3)

Für

orientierten

die

Wahl

zwischen

Verfahrensmodul

dem

preisgeleiteten

und

dem

eignungs-

gibt das Gesetz der Präsidentenkammer

in

§ 11 Abs. 2 S. 1 T K G eine Leitlinie an die Hand. Danach gilt die preisgeleitete Versteigerung als der Regelfall der Lizenzvergabe. 1 3 1 7 § 19 Abs. 6 T K G führt hingegen nur dann zwingend zur preisgeleiteten Ausschreibung, wenn eine Verpflichtung anders nicht möglich ist. Allerdings gebietet es sowohl das Gebot der Verhältnismäßigkeit gegenüber dem marktbeherrschenden Unternehmen als auch das Ziel, die Universaldienstkosten möglichst gering zu halten, auf eine freiwillige Leistungsübernahme h i n z u w i r k e n . 1 3 1 8 Daher ist die Präsidentenkammer auch nach § 19 T K G gehalten, die preisgeleitete Ausschreibung besonders zu e r w ä g e n . 1 3 1 9 Insgesamt neigt das Verfahren der Präsidentenkammer damit einer preisgeleiteten Auswahl z u . 1 3 2 0

1316 Anders als § 19 TKG sorgt § 11 Abs. 6 S. 6 TKG auch für den Fall vor, daß mehrere Bewerber gleich geeignet sind: Dann entscheidet das Los. Eine Verletzung des Untermaßverbotes fürchtet in der willkürfreien, aber auch das Ringen um eine sachlich begründete Auswahl aufgebende Losentscheidung Koenig, S. 225. BVerfG E 43, 291 (324) will aber ein leistungsgesteuertes Losverfahren bei der Vergabe von Studienplätzen anerkennen. Allgemein zum Losentscheid Horst Sendler, Der Maria-TheresienTaler (MTT) als Hilfe der Rechtsfindung, DRiZ 1991, 158; Otto Depenheuer, Zufall als Rechtsprinzip, JZ 1993, 171. 1317 Die Ausnahmen sind (1) die Vergabe von Frequenzen für die Funkanbindung von Teilnehmeranschlüssen (§ 11 Abs. 2 S. 3); (2) die vorangegangene Erteilung einer Lizenz im Ausschreibungsverfahren (§ 11 Abs. 2 S. 2 1. Hs., dazu als Beispiel BMPT, Vfg 114/1996, Hinweis auf die Ausschreibung einer bundesweiten Lizenz für ein digitales zellulares Mobilfunknetz auf der Basis des europäischen DCS 1800-Standards (E 2Netz) in der Bundesrepublik Deutschland, ABl. BMPT 17/1996, S. 941); (3) sonst gesetzlich begründete Präferenzen (§ 11 Abs. 2 S. 2 2. Hs., zum Beispiel Rundfunk vgl. Nolte , CR 1996, 459 (462); (4) andere Gründe, die das Versteigerungsverfahren als ungeeignet erscheinen lassen (§ 11 Abs. 2 S. 1). Vgl. auch Reg TP, Vfg 122/1998, Anhörung nach §§10 und 11 Abs. 1 Telekommunikationsgesetz zur Regulierung von Universal Mobile Telecommunications System (UMTS), ABl. Reg TP 20/1998, S. 2513, Eckpunkt 5, wonach dem Versteigerungsverfahren grundsätzlich der Vorrang einzuräumen ist. 1318

Ähnlich für die Vergabe von Start- und Landerechten Koenig, S. 412. Ähnlich Schütz/Cornils, DVB1. 1997, 1146 (1150 Fn. 42). 1320 Bislang hat die Präsidentenkammer sich allerdings für das Ausschreibungsverfahren entschieden. In Vfg 55/1998 Entscheidung der Präsidentenkammer vom 3. Juni 1998 über das Verfahren zur Vergabe von Frequenzen für die Funkanbindung von Teilnehmeranschlüssen als Punkt-zu-Mehrpunkt-Richtfunk, ABl. Reg TP 11/1998, S. 1519 begründet sich dies aus § 11 Abs. 7 u. § 11 Abs. 2 S. 3 TKG; in der Vfg 61/1998 Vergabeverfahren für eine Lizenz zum Betreiben von Übertragungswegen zum Angebot terrestrischer Flugtelefondienstleistungen für die Öffentlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland (TFTS-Lizenz), ABl. Reg TP 11/1998, S. 1540, in nicht zweifelsfreier Weise daraus, daß der Betreiber angesichts der festliegenden technischen Vorgaben ohnehin über keinerlei Gestaltungsspielraum verfüge; in der Vfg 44/1998 Anhörung nach 13,9

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit c) Dem Verfahrensablauf selbst werden zunächst die §§ 73 f f T K G zugrunde liegen. Das justizähnliche gesetzliche Verfahrensrecht w i r d aber durch kammereigene Regeln überlagert werden. Das Gesetz fordert die Präsidentenkammer ausdrücklich auf, die Verfahrensregeln selbst festzulegen. 1 3 2 1 Sie müssen ein objektives, nachvollziehbares und diskriminierungsfreies

Vorgehen ge-

währleisten. In der Praxis verbinden sich die Verfahrensregeln mit den Vergabebedingungen. 1 3 2 2 In ihnen legt die Präsidentenkammer den Inhalt der zu vergebenden Lizenz bzw. der Frequenzzuteilung oder der Universaldienstverpflichtung vorab fest. 1 3 2 3 Über Verfahrensregeln und Vergabebedingungen w i r d sie den gesetzlichen Rahmen selbst ausfüllen. Dabei geht sie nach bisheriger Praxis in zwei Schritten v o r : 1 3 2 4 Zunächst stellt sie Eckpunkte zum Verfah§ 11 Abs. 1 Telekommunikationsgesetz für jeweils eine Lizenz zum Betreiben von Ubertragungswegen für Mobilfunkdienstleistungen für die Öffentlichkeit nach dem Frequenzbündelprinzip (Bündelfunklizenz Typ A) etc., ABl. Reg TP 9/1998, S. 1366, aus § 11 Abs. 2 S. 2 TKG. Ausführlich begründet und entschieden für das Versteigerungsverfahren aber Reg TP, Vfg 45/1999, Entscheidung der Präsidentenkammer vom 14. April 1999 über das Verfahren zur Vergabe weiterer Frequenzen im Bereich 1800 MHz für Mobilfunkanwendungen nach dem GSM-1800 Standard, ABl. Reg TP 7/1999, S. 1251 (1252 ff). 1321 Vgl. § 11 Abs. 4 S. 3, Abs. 5 S. 5 TKG, § 19 Abs. 7 S. 2 TKG. 1322 Vgl. § 11 Abs. 4 S. 2, Abs. 6 S. 2 TKG; § 19 Abs. 7 S. 1 TKG. Beispiele: Reg TP, Vfg 74/1998, Ausschreibung einer Lizenz zum Betreiben von Übertragungswegen zum Angebot von Flugtelefondienstleistungen für die Öffentlichkeit nach dem TFTSStandard in der Bundesrepublik Deutschland (TFTS-Lizenz), ABl. Reg TP 12/1998, S. 1583; BMPT, Vfg 114/1996, Hinweis auf die Ausschreibung einer bundesweiten Lizenz für ein digitales zellulares Mobilfunknetz auf der Basis des europäischen DCS 1800-Standards (E 2-Netz) in der Bundesrepublik Deutschland, ABl. BMPT 17/1996, S. 941); Reg TP, Vfg 7/1998 Anhörung nach § 11 Abs. 1 TKG zur Vergabe einer Lizenz zum Betreiben von Übertragungswegen zum Angebot von terrestrischen Flugtelefondienstleistungen für die Öffentlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland, ABl. Reg TP 2/1998, 90; BMPT, Vfg 310/1997; BMPT, Vfg 310/1997, Anhörung nach § 47 Abs. 5 S. 2, 2. Halbs. i.V.m. § 11 Abs. 1 TKG für Frequenzzuteilungsverfahren für Punkt-zuMehrpunkt-Richtfunk (PMP-Rifu) für die Funkanbindung von Teilnehmeranschlüssen, die dem Angebot von Sprachtelefondienst mit ISDN-Leistungsmerkmalen gewidmet sind, ABl. BMPT 34/1997, S. 1889; BMPT, Vfg 81/1997, Hinweis auf die Ausschreibung einer Lizenz zum Betreiben von Übertragungswegen für Datenfunkdienstleistungen für die Öffentlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland, ABl. BMPT 10/1997, S. 539; Vfg 63/1997, Hinweis auf die Ausschreibung von jeweils einer Lizenz zum Betreiben von Übertragungswegen für Mobilfunkdienstleistungen für die Öffentlichkeit nach dem Frequenzbündelungsprinzip (Bündelfunklizenz Typ A) in den Regionen Rhein/Ruhr und Leipzig, ABl. BMPT 8/1997, S. 452. 1323

Ausdrücklich formuliert Vfg 55/1998 Entscheidung der Präsidentenkammer vom 3. Juni 1998 über das Verfahren zur Vergabe von Frequenzen für die Funkanbindung von Teilnehmeranschlüssen als Punkt-zu-Mehrpunkt-Richtfunk, ABl. Reg TP 11/1998, S. 1519 (1521): „Die Kammer bindet hiermit ihr Ermessen,....". 1324 Vgl. Reg TP, Vfg 45/1999, Entscheidung der Präsidentenkammer vom 14. April 1999 über das Verfahren zur Vergabe weiterer Frequenzen im Bereich 1800 MHz für Mobilfunkanwendungen nach dem GSM-1800 Standard, ABl. Reg TP 7/1999, S. 1251; Reg TP, Vfg 55/1998 Entscheidung der Präsidentenkammer vom 3. Juni 1998 über das

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

rensprogramm auf und lädt zu deren Kommentierung ein. Sodann entscheidet sie über die konkreten Verfahrensregeln und Vergabebedingungen, wobei sie Verfahren zur Vergabe von Frequenzen für die Funkanbindung von Teilnehmeranschlüssen als Punkt-zu-Mehrpunkt-Richtfunk, ABl. Reg TP 11/1998, S. 1519, Reg TP, Vfg 123/1998, Eckpunkte der Ausschreibungsverfahren zur Vergabe von Frequenzen für die Funkanbindung von Teilnehmeranschlüssen mittels Punkt-zu-MehrpunktRichtfunk (WLL-PMP-Rifu), ABl. Reg TP 20/1998, S. 2515 und zuvor Reg TP, Vfg 57/1998 Anhörung nach § 11 Abs. 1 Telekommunikationsgesetz (TKG) zu den Eckpunkten für das Ausschreibungsverfahren zur Vergabe von WLL-Frequenzen für Punktzu-Mehrpunkt-Richtfunk (PMP-Rifu) für die Funkanbindung von Teilnehmeranschlüssen, AB1.11/1998, S. 1527; im Anschluß an BMPT, Vfg 51/1997, Bereitstellung von Frequenzen für die drahtlose Teilnehmeranschlußleitung im lizenzierten Bereich (Wireless Local Loop - WLL), ABl. BMPT 5/1997, S. 338 und BMPT, Vfg 129/1996 Funkanwendung "Drahtloser Teilnehmeranschluß" (Wireless Local Loop - WLL); Anhörung, ABl. BMPT 19/1996, S.1210; Reg TP, Vfg 33/1999, Entscheidung der Präsidentenkammer vom 25.3.1999 über die Eröffnung der Ausschreibungsverfahren zur Vergabe von Frequenzen im Bereich 3410 MHz bis 3580 MHz und im 26-GHz-Bereich für die Funkanbindung von Teilnehmeranschlüssen als Punkt-zu-Mehrpunkt-Richtfunk (WLLPMP-Rifu), ABl. Reg TP 6/1999, S. 1079, und Reg TP, Vfg 56/1998 Auswertung der Eckpunkte und Eröffnung des Frequenzzuteilungsverfahrens für Punkt-zu-MehrpunktRichtfunk (PMP-Rifu) für die Funkanbindung von Teilnehmeranschlüssen, die insbesondere dem Angebot von Sprachtelefondienst mit ISDN-Leistungsmerkmalen gewidmet sind, ABl. Reg TP 11/1998, S. 1526, im Anschluß an BMPT, Vfg 310/1997, Anhörung nach § 47 Abs. 5 S. 2, 2. Halbs. i.V.m. § 11 Abs. 1 TKG für Frequenzzuteilungsverfahren für Punkt-zu-Mehrpunkt-Richtfunk (PMP-Rifu) für die Funkanbindung von Teilnehmeranschlüssen, die dem Angebot von Sprachtelefondienst mit ISDNLeistungsmerkmalen gewidmet sind, ABl. BMPT 34/1997, S. 1889; Reg TP, Vfg 61/1998 Vergabeverfahren für eine Lizenz zum Betreiben von Übertragungswegen zum Angebot terrestrischer Flugtelefondienstleistungen für die Öffentlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland (TFTS-Lizenz), ABl. Reg TP 11/1998, S. 1540 im Anschluß an Reg TP, Vfg 7/1998 Anhörung nach § 11 Abs. 1 TKG zur Vergabe einer Lizenz zum Betreiben von Übertragungswegen zum Angebot von terrestrischen Flugtelefondienstleistungen für die Öffentlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland, ABl. Reg TP 2/1998, 90. Im ersten Stadium stehen noch Reg TP, Vfg 57/1998 Anhörung nach § 11 Abs. 1 Telekommunikationsgesetz (TKG) zu den Eckpunkten für das Ausschreibungsverfahren zur Vergabe von WLL-Frcquenzen für Punkt-zu-Mehrpunkt-Richtfunk (PMP-Rifu) für die Funkanbindung von Teilnehmeranschlüssen, ABl. Reg TP 11/1998, S. 1527; Reg TP, Vfg 44/1998 Anhörung nach § 11 Abs. 1 Telekommunikationsgesetz für jeweils eine Lizenz zum Betreiben von Übertragungswegen für Mobilfunkdienstleistungen für die Öffentlichkeit nach dem Frequenzbündelprinzip (Bündelfunklizenz Typ A) etc., ABl. Reg TP 9/1998, S. 1366, aus § 11 Abs. 2 S. 2 TKG; Reg TP, Vfg 122/1998, Anhörung nach §§ 10 und 11 Abs. 1 Telekommunikationsgesetz zur Regulierung von Universal Mobile Telecommunications System (UMTS), ABl. Reg TP 20/1998, S. 2513. Vgl. auch BMPT, Vfg 296/1997, Anhörung nach § 11 Abs. 1 TKG zu den Eckpunkten für eine Ausschreibung von Frequenzen nach § 47 Abs. 5 S. 2 iVm. § 11 Abs. 6 TKG für DAB nach den Schlußakten der T-DAB-Planungstagung der CEPT, Wiesbaden 1995, festgelegten Frequenzblockverteilungen [sie], ABl. BMPT 34/1997, S. 1835; Reg TP, Vfg 110/1998, Entscheidung der Präsidentenkammer vom 14.9.1998 über das Verfahren zur Vergabe von Frequenzen für T-DAB (Terrestrischer Digitaler Hörfunk) gemäß den Frequenzblockverteilungen des in der Besonderen Vereinbarung der CEPT, Wiesbaden 1995, festgelegten Planes, ABl. Reg TP 19/1998, S. 2271.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

sich in der Begründung mit den eingegangenen Kommentaren auseinandersetzt. 1325 d) Am Ende des so bestimmten Verfahrens steht die eigentliche Auswahlentscheidung. Lizenzerteilung, Frequenzzuteilung oder Universaldienstauferlegung schließen ein von der Präsidentenkammer in den vorangehenden Schritten weithin selbst konkretisiertes Verfahrensprogramm ab.

3. Die Bedeutung der Präsidentenkammer Die Präsidentenkammer hat demnach eine besondere Bedeutung. In ihrem Verfahren werden die §§73 ff TKG durch die §§ 11 und 19 TKG sowie die kammereigenen Verfahrensregeln überlagert, weil die Konkurrenzsituation unter einer Vielzahl von Bewerbern in einem justizähnlichen, auf zwei Parteien angelegten Verfahren kaum zu bewältigen ist. 1 3 2 6 Die damit eröffnete Verfahrensautonomie steht allerdings unter intensivierter Kontrolle des Beirats. Dessen Einvernehmen ist für alle Entscheidungen iSd. § 19 TKG und für die Formulierung einzelner Lizenzbedingungen nach § 11 TKG erforderlich. 1327 Aus dieser Perspektive stellt sich die oben dargestellte öffentliche Entwicklung von Eckpunkten auch als ein Instrument dar, dem Einfluß des Beirates andere Interessen entgegenzustellen. Im Gegensatz zu den allgemeinen Beschlußkammern befaßt sich die Präsidentenkammer nicht mit dem Mißbrauch von Marktmacht. Sie schlichtet nicht typischerweise Streitigkeiten zwischen zwei Unternehmen um den Netzzugang. Sie reguliert auch nicht die Entgelte eines marktbeherrschenden Unternehmens. Ihr Verfahren ist vielmehr daraufhin angelegt, unter einer potentiellen Vielzahl von Bewerbern den geeigneten Lizenznehmer oder Universaldienstleister auszuwählen, die Marktstruktur zu bestimmen. Das Verfahren der Präsidentenkammer richtet sich also nicht notwendig gegen ein marktbeherrschendes Unternehmen. 1328 Dem entspricht es, daß das Bundeskartellamt in diesem 1325 Z.B. Reg TP, Vfg 110/1998, Entscheidung der Präsidentenkammer vom 14.9.1998 über das Verfahren zur Vergabe von Frequenzen für T-DAB (Terrestrischer Digitaler Hörfunk) gemäß den Frequenzblockverteilungen des in der Besonderen Vereinbarung der CEPT, Wiesbaden 1995, festgelegten Planes, ABl. Reg TP 19/1998, S. 2271. 1326 Vgl. zum Problem der „polycentricity" schon Lon Fuller , The forms and limits of adjudication, 92 Harvard Law Review (197*3), 353. 1327 Vgl. § 73 Abs. 3 S. 3 TKG. 1328 Der Ausschluß nach § 11 Abs. 3 TKG bildet eine Ausnahme und ist in das Ermessen der Präsidentenkammer gestellt. Vgl. für einen Ausschluß BMPT, Vfg 114/1996, Hinweis auf die Ausschreibung einer bundesweiten Lizenz für ein digitales zellulares Mobilfunknetz auf der Basis des europäischen DCS 1800-Standards (E 2Netz) in der Bundesrepublik Deutschland, ABl. BMPT 17/1996, S. 941, Ziff. II.2.)

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

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Verfahren nicht allgemein zur Stellungnahme berufen ist. 1 3 2 9 Lediglich zu einzelnen Feststellungen sowie zum Ausschluß eines Bewerbers ist sein Einvernehmen erforderlich. 1330 Die Entscheidungsmuster sind dem Kartellamt entrückt und dem Beirat angenähert, weil die Präsidentenkammer dort entscheidet, wo der Wettbewerb die gewünschte Verteilungsleistung nicht erbringt. Dies mag seinen Grund darin finden, daß ihm die staatliche Güterbewirtschaftung die erforderlichen Frequenzen vorenthält oder sich die zu versorgenden Märkte nicht als hinreichend lukrativ erweisen. In dieser Lage kann die Präsidentenkammer nicht im Wege der korrigierenden Mißbrauchsaufsicht den Wettbewerb wiederherstellen. Die Präsidentenkammer muß vielmehr in ihrer Verfahrensgestaltung und ihrer abschließenden Entscheidung die weitere Entwicklung des jeweils betroffenen Marktes positiv gestalten. Zugleich bestimmen die Auswahlentscheidungen der Präsidentenkammer negativ darüber, in welchen Märkten das bundeseigene Unternehmen zugelassen bzw. aus welchen Märkten es als Grundversorger nicht entlassen wird. Darin fällt der Kammer eine ordnungspolitisch bedeutsame, privatisierungskritische Kompetenz zu. Dennoch wird sich der Auftrag der Präsidentenkammer nicht kurzfristig erledigen. Ihre Aufgaben, die Bewirtschaftung knapper Frequenzen und die staatliche Gewährleistung der Grundversorgung, sind dauerhaft in Art. 87f GG festgeschrieben. Art. 87f Abs. 1 GG verlangt iVm. § 17 Abs. 1 u. Abs. 2 S. 2 TKG, die Gewährleistung auf das jeweils angemessene Niveau fortzuschreiben. 1331 Die Frequenzordnung zählt nach § 2 Abs. 1 TKG zu den dem Bund verbleibenden hoheitlichen Aufgaben iSd. Art. 87fAbs. 2 S. 2 GG. 1 3 3 2 Diese Aufgaben fallen auch dann nicht fort, v/enn das bundeseigene Unternehmen privatwirtschaftlich agiert. Nach dem TKG bleiben Frequenzzuteilung und Universaldienstauferlegung folgerichtig auch dann möglich, wenn kein Unternehmen mehr über eine marktbeherrschende Stellung verfügen sollte. Die Präsidentenkammer versieht in der Summe also die Aufträge, denen sich der Staat über den eigentlichen Privatisierungsprozeß hinaus unterzogen hat. Sie trifft in ihren marktsimulierenden, eine potentielle Vielzahl von Bewerbern 1329

§ 82 S. 3 TKG beschränkt das Recht des Bundeskartellamts, Stellung zu nehmen, auf den Dritten und Vierten Teil des Gesetzes. 1330 Vgl. § 82 S. 1 u. 2 TKG iVm. § 11 Abs. 3 TKG. Zu letzterem Grzeszick, Z U M 1997, 911 (918). Vorab ist dazu der relevante Markt zu bestimmen, worüber etwa bei drahtlosen Teilnehmeranschluß die Reg TP und das Kartellamt verschiedene Ansichten vertraten. Vgl. FAZ v. 26.8.1998, Nr. 197, S. 17, „Telefonkunden werden drahtlos angeschlossen". 1331 Vgl. Eifert, S. 185 u. S.197 f. Ähnlich Windthorst, Universaldienst, S. 235 f; Hermes, S. 250 f. 1332 Vgl. Bundesregierung, BT-Drs. 12/7269, S. 5 Zu Nummer 3.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

erfassenden, weithin selbst programmierten und über den Beirat parlamentarisch kontrollierten Auswahlverfahren ordnungspolitische Grundsatzentscheidungen, die privatisierungskritisch, aber nicht privatisierungsabhängig sind. Es handelt sich um Kompetenzen, die voraussichtlich das Privatisierungsprogramm überdauern werden.

II. Die gesetzliche Weisungsfreiheit

der Präsidentenkammer

In ihrer eigenen Qualität sticht die Präsidentenkammer so von den allgmeinen Beschlußkammern ab, daß sich die Frage ihrer Weisungsbindung aufs Neue stellt. Daher untersucht das Folgende zunächst, ob sich im Gesetz hinreichende Anhaltspunkte dafür finden, daß die Präsidentenkammer im Einzelfall weisungsfrei entscheidet (1). Darüber hinaus könnte die Präsidentenkammer auch allgemeinen Weisungen gesetzlich entzogen sein (2).

1. Die Freiheit von ministeriellen Einzelweisungen Wenngleich der Wortlaut des TKG auch zur Präsidentenkammer schweigt, erfassen die oben zitierten Erwägungen des historischen Gesetzgebers zu den allgemeinen Beschlußkammern die Präsidentenkammer gleichermaßen. Sie gilt ungeachtet ihrer besonderen Besetzung als eine der Beschlußkammern, die ihre Entscheidungen in fachlicher Unabhängigkeit treffen sollten. 1333 Das Verfahren der Präsidentenkammer unterliegt zudem ebenso wie das der allgemeinen Beschlußkammern dem Kollegialprinzip. In der Beschlußkammer entscheidet der Präsident nach der Systematik des Gesetzes nicht in seiner allgmeinen Funktion als Behördenleiter, 1334 sondern in seiner besonderen Kapazität als Vorsitzender. 1335 In dieser Rolle kann er von den beiden Vizepräsidenten überstimmt werden. 1336 Die kollegiale Verfassung der Präsidentenkammer indiziert daher ihre Weisungsfreiheit. 1337 Das justizähnliche Verfahrensrecht der §§73 ff TKG wird von den kammereigenen Regeln überlagert, aber nicht verdrängt. Außerdem heben die § 11 Abs. 4 S. 3, Abs. 6 S. 5, § 19 Abs. 7 S. 2 und § 47 Abs. 1 S. 2 TKG aus-

1333 1334 1335 1336 1337

Zu den Einzelheiten oben S. 398 ff. Vgl. § 66 Abs. 2 S. 1 TKG. Vgl. § 73 Abs. 3 S. 1 TKG. Vgl. § 91 S. 2 VwVfG; § 10 Abs. 2 S. 2 GO Reg TP. Vgl. oben S. 399 f.

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

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drücklich die Transparenz und die Objektivität des Verfahrens hervor. Damit stehen sie einer unveröffentlichten Einzelweisung entgegen. 1338 Persönlich stehen alle gesetzlichen Mitglieder der Kammer in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis. 1330 Daher greift §55 S. 2 BBG, der die Weisungsbindung zur beamtenrechtlichen Regel erhebt, nicht ein. In der Verfassungspraxis zeichnet sich das öffentlich-rechtliche Amtsverhältnis vielmehr dadurch aus, daß seine Amtswalter keinen Weisungen unterliegen und politisch eigenverantwortlich entscheiden. 1340 In ihrer Amtsstellung hängen die Präsidenten zudem weniger vom Minister ab als von der Gesamtheit der Bundesregierung. Diese entscheidet über ihre Benennung und ihre Entlassung aus wichtigem Grund. 1341 Damit streitet auch die dienstrechtliche Stellung der Präsidenten dagegen, ihre Kammerentscheidungen einer ministeriellen Einzelweisung zu unterwerfen. Dies gilt um so mehr, als die gesetzliche Funktion der Vizepräsidenten gerade darin liegt, die Entscheidungen der Präsidentenkammer mitzubestimmen. In ihrer Kammermitgliedschaft entfaltet sich die originäre Kompetenz der Vizepräsidenten, die im übrigen nur als Stellvertreter des Präsidenten fungieren. 1342 Auf die Kammermitgliedschaft ist das personelle Vorschlagsrecht des Beirats ausgerichtet. 1343 Auf die Kammerentscheidung bezieht sich auch das Erfordernis, im Benehmen mit dem Beirat vorzugehen. 1344 Diese durchdachte gesetzliche Gestaltung dieses Verfahrens würde hinfällig, wenn der Minister es jederzeit durch eine Weisung durchbrechen könnte. Daß das gesetzliche Arrangement sich hier als ministerialfest versteht, zeigt sich daran, daß TKG und PersBG die organisatorische und die personelle Komponenten der Präsidentenämter umfassend regeln. Das Gesetz begnügt sich nicht damit, die Präsidentenkammer abstrakt zu bilden; es bestimmt auch deren Zuständigkeiten abschließend und regelt ihre Besetzung detailliert. 1345 Auch hier ist die umfassende Ausfüllung des organisatorischen Gesetzesvorbehalts

1338

Im einzelnen oben S. S. 400 f. Vgl. § 8 Abs. 1 u. Abs. 8 PersBG. Zur Vertretungsregelung vgl. § 73 Abs. 3 S. 2 TKG idF. Art. 2 Abs. 43 BegleitG u. § 11 Abs. 3 iVm. § 49 Abs. 1 GO Reg TP. 1340 Vgl. § 1 BMinG; § 1 Abs. 3 ParlStG; Jestaedt, Kondominialverwaltung, S. 194 u. S. 293. Ausführlich auch oben S. 326 ff. 1341 Vgl. § 66 Abs. 3 TKG; § 8 Abs. 5 S. 3 PersBG. 1342 Vgl. oben S. 370 ff. 1343 Vgl. zu § 66 Abs. 3 S. 1 u. § 69 Nr. 1 TKG oben S. 211 ff. 1344 Vgl. § 69 Nr. 2, § 73 Abs. 3 S. 3 TKG. Dazu oben S. 452 ff. 1345 Vgl. § 73 Abs. 3 TKG. 1339

28 Oertel

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

ein Indiz dafür, daß der Gesetzgeber die Präsidentenkammer ministeriellen Weisungen entziehen wollte. 1 3 4 6 Gegenüber den allgemeinen Beschlußkammern des TKG wertet der Gesetzgeber die Präsidentenkammer durch ihre Besetzung und ihre gesetzesförmliche Organisation nochmals auf. Sie sind damit aus der ministeriellen Hierarchie noch weiter gelöst, als es schon den allgemeinen Beschlußkammern in ihrer Nachahmung der kartellbehördlichen Beschlußabteilungen gelingt. Insgesamt begründen die Gesetzesmaterialien und das kollegiale, transparente Verfahren ein hinreichendes Indiz dafür, daß auch die Präsidentenkammer weisungsfrei entscheiden sollte. Dieses Indiz wird durch den Vergleich mit den bereits einzelweisungsfreien allgemeinen Beschlußkammern und dem Bundeskartellamt nochmals verstärkt. Es trägt ohne weiteres den Schluß, daß die Präsidentenkammer Einzelweisungen des Bundeswirtschaftsministers nicht unterworfen ist.

2. Die Freiheit von allgemeinen Weisungen Trotz § 66 Abs. 5 TKG könnte die Präsidentenkammer darüber hinaus auch allgemeinen ministeriellen Weisungen enthoben sein. Der Vergleich mit § 52 GWB zeigt zwar, daß § 66 Abs. 5 TKG auch und gerade die Beschlußkammertätigkeit erfaßt. 1347 Die Präsidentenkammer trifft aber Entscheidungen, die inhaltlich weit von der kartellrechtstypischen Mißbrauchsaufsicht entfernt sind. Daher trägt der Vergleich des TKG mit dem GWB für sie nicht. Regelungen, die typischerweise Gegenstand allgemeiner Weisungen sein werden, sind Verfahrensfragen und die Festlegung allgemeiner Kriterien. Diese Regelungen soll nach dem Gesetz die Präsidentenkammer selbst treffen. Sie hat nach Maßgabe der § 11 und § 19 TKG. die Vergabebindungen und die Verfahrensregeln selbst zu bestimmen. Dabei stimmt sie sich mit dem Beirat ab. Daß der Minister hier durch allgemeine Weisungen einwirken kann, ist in den Vorschriften des Gesetzes nicht ersichtlich. Diese gehen vielmehr davon aus, daß die Präsidentenkammer sich an den Bedingungen des § 47 TKG bzw. der Frequenzzuteilungsverordnung orientiert. § 17 Abs. 2 S. 3 TKG formuliert für die Universaldienstkriterien ausdrücklich, daß die Regulierungsbehörde und damit die Präsidentenkammer befugt und nicht nur zuständig ist, über die Einhaltung dieser Maßstäbe zu entscheiden. Die speziellen Vorschriften der § 11 und § 19 TKG stehen in ihrer im Gesetzgebungsverfahren mühsam gewonnenen Balance von gesetzlichen Vorschriften, Verordnungsbefugnissen, verfahrensrechtlicher

1346 1347

Vgl. oben S. 403. Vgl. oben S. 408.

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

Abstimmung und personeller Auswahl der Präsidenten auch einer allgemeinen ministeriellen Weisung entgegen. Hier mag eingewandt werden, die Möglichkeit einer allgemeinen ministeriellen Weisung sei bereits in die gesetzliche Balance einbezogen worden. Dagegen spricht aber, daß § 66 Abs. 5 TKG zu den Vorschriften zählt, die aus dem GWB schlicht übernommen wurden. Diese Vorschrift wurde nicht in das besondere Verfahrensrecht des TKG eingepaßt. Im Streit um die Einführung des Beirates, die Errichtung des Präsidiums und die Ausgestaltung von § 11 und § 19 TKG blieb sie folglich unbeachtet. Sie fügt sich nicht in deren System. Das TKG richtet die Präsidentenkammer nicht auf den Minister, sondern auf den Beirat einerseits und die Bundesregierung anderseits aus. Dies zeigt sich auf der einen Seite an den personellen und sachlichen Mitwirkungsrechten des Beirates. Auf der anderen Seite stehen die personellen Letztentscheidungsrechte der Bundesregierung zu. Ihr, nicht dem Minister, kommen auch die einschlägigen Verordnungsermächtigungen zugute. 1348 Es entspricht weder der Stellung der Präsidentenkammer in diesem System noch ihren speziellen Verfahrensvorschriften, sie allgemeinen ministeriellen Weisungen zu unterwerfen. Die Präsidentenkammer ist demnach in höherem Maße als die übrigen Beschlußkammern politisch verselbständigt. Sie trifft ihre ordnungspolitisch bedeutsamen Entscheidungen nach § 11 und § 19 TKG, ohne ministeriellen Weisungen im Einzelfall oder im allgemeinen zu unterliegen.

III. Die verfassungsrechtlichen

Grenzen der Weisungsfreiheit

Die Auslegung des TKG führt dazu, die Präsidentenkammer der ministeriellen Weisung weithin zu entziehen. Ob dies noch verfassungsrechtlich zulässig ist, ist an Art. 87 f GG (1) sowie mit Blick auf die verfassungsrechtlichen Äquivalente einer Weisungsbindung (2) zu erörtern.

1. Die Distanzierung der Präsidentenkammer und Art. 87f GG Wenngleich die Präsidentenkammer nicht rechtlich auf das marktbeherrschende Unternehmen fixiert ist, steht ihr doch als geborener Universaldienstverpflichteter zunächst die Deutsche Telekom AG gegenüber. 1349

1348 Vgl. § 47 Abs. 4 TKG; § 17 Abs. 2 TKG. Dabei ist jeweils die Zustimmung des Bundesrates erforderlich. 1349 Vgl. § 97 Abs. 1 TKG.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

Auch in der Vergabeentscheidung nach § 11 TKG wird die Präsidentenkammer abwägen müssen, ob sie das bislang übermächtige Unternehmen von der Auswahl ausschließt oder es gerade deswegen berücksichtigt, weil es in sich eine erhebliche technische Kompetenz bündelt. 1350 In beiden Kompetenzen entscheidet die Präsidentenkammer also ggf. darüber, inwieweit die frühere Leistungsverwaltung sich privatwirtschaftlich verhalten darf, indem sie eine Universaldienstleistung einstellt bzw. einen neuen funkgestützten Dienst aufnimmt. Sie ist zwar nicht notwendig in demselben Ausmaße wie die allgemeinen Beschlußkammern mit dem bundeseigenen Unternehmen befaßt. Gleichwohl bestimmt sie den Fortgang des Privatisierungsprogrammes mit. Daher ist sie ebenfalls gegen tagespolitische Einflußnahme zu isolieren. Sie kann das Distanzierungsgebot des Art. 87f GG für sich beanspruchen. Eine gewisse Distanzierung wird für die Tätigkeiten der Präsidentenkammer auch dann verfassungsrechtlich geboten bleiben, wenn der Privatisierungsprozeß in ein Stadium effektiven Wettbewerbs gelangt ist. Dies gilt zunächst für die auch im Wettbewerb verfassungsnotwendig bleibende staatliche Sicherung der Universaldienstleistungen. Denn der Gewährleistungsauftrag, Art. 87f Abs. 1 GG, versteht sich als Rücknahme des leistungsstaatlichen Anspruchs, die Grundversorgung politisch zu steuern. Er ist so zu erfüllen, daß die privatwirtschaftliche Orientierung der jeweiligen Unternehmen und des gesamten betroffenen Marktes erhalten bleibt (Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG). Der Wettbewerbsmechanismus soll auch unter der Gewährleistung in seiner Funktion erhalten bleiben. Gewährleistung bezeichnet dem Wortlaut nach eine Haftung, aber keinen Auftrag, das Handlungssystem zu verändern. Die staatliche Indienstnahme soll also nicht zu einer politischen Verfälschung des Wettbewerbs führen. Dem entspricht es, daß Art. 87f Abs. 1 GG das Gesetz zum verfassungswertigen Instrument des Universaldienstregimes erhebt. Ihm schwebt eine rechtlich weithin konturierte, die privatwirtschaftliche Orientierung nicht erschütternde, von der bisherigen Leistungsverwaltung deutlich unterschiedene Hoheitsverwaltung vor. Die Universaldienstauferlegung ist daher nach Art. 87f Abs. 1 GG in Distanzierung von tagespolitischer Einflußnahme, d.h. weisungsfrei, vorzunehmen. Die Frequenzverteilung nach § 11 TKG zählt zu den Hoheitsaufgaben des Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG. 1 3 5 1 In der verfassungshistorischen Abfolge bezeichnet auch diese Formulierung einen Rückzug des Staates aus der umfassend daseinsvorsorgenden Leistungsverwaltung nach Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG a.F. Systematisch verstehen sich die Hoheitsaufgaben als unentbehrliche Stütze der privatwirtschaftlichen Leistungserbringung nach Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG. Ähnlich 1350 Die Pole dieser Abwägung werden deutlich in § 11 Abs. 3 TKG, der den Ausschluß vom Vergabeverfahren ermöglicht. Dazu Grzeszick, Z U M 1997, 911 (918). 1351 Vgl. nur Bundesregierung, BT-Drs. 12/7269, S. 5.

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

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wie der Gewährleistungsauftrag erkennt auch Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG das Primat des Wettbewerbs an. Unter diesem Primat bleibt es zwar bei der hoheitlichen Frequenzordnung durch die Präsidentenkammer. Es sind aber die gesamten Dienstleistungen in der Telekommunikation privatwirtschaftlich zu erbringen, nicht nur diejenigen, für die keine Frequenzen benötigt werden. Daher versteht sich auch die hoheitliche Frequenzzuteilung als eine ordnungspolitisch dienende, nicht als eine tagespolitisch zur Verfügung stehende. In ihrer verfassungsrechtlichen Ausrichtung auf ein privatwirtschaftliches Wirtschaftssystem kann die Frequenzzuteilung dann überzeugen, wenn sie von ministerieller Einflußnahme distanziert ist. 1 3 5 2 Auch in dieser Kapazität der Präsidentenkammer vermag Art. 87f GG ihre Weisungsfreiheit zu rechtfertigen. In der Summe entspricht die Weisungsfreiheit der Präsidentenkammer Art. 87f GG. Denn wenn Universaldienstgewährleistung und Frequenzzuteilung von tagespolitischer Einflußnahme distanziert sind, kann sich das ordnungspolitische Konzept des Art. 87f GG ungestört entfalten. Seine Konkretisierung obliegt insbesondere nach Art. 87f Abs. 1 GG dem Gesetzgeber, nicht einem verwaltungsleitenden Minister. Dies gilt sowohl in der momentanen Situation der Privatisierung als auch in der langfristigen Orientierung der Hoheitsverwaltung auf den privatwirtschaftlichen Wettbewerb hin.

2. Funktionale Äquivalente der Weisungsbindung in der Präsidentenkammer Für den gesetzlich gewollten Fortfall der ministeriellen Weisungsbindung könnte das TKG iVm. PersBG zudem so Vorsorgen, daß auch eine ministerialfreie Präsidentenkammer als bundeseigen gelten kann (a)), der Leitungsgewalt der Regierung nicht gänzlich entzogen wird (b)) und über verfassungsrechtlich hinreichende Legitimation verfügt (c)).

a) Zur Anbindungsfunktion,

Art. 87f Abs. 2 S. 2 G G

Die Präsidentenkammer bleibt auch als ministerialfreie Stelle Teil der bundeseigenen Verwaltung. Sie ist ein Organ der Regulierungsbehörde und somit dem Bund zuzurechnen. Ihm ist sie über das Amtsverhältnis ihrer Mitglieder, deren Ernennung und Besoldung eindeutig zugeordnet. 1353 Sie unterliegt bundesgesetzlich ausgeübter Organisationsgewalt. 1354 Ihr Verfahren folgt dem Bundesrecht; ihre Ent1352 1353 1354

Vgl.im einzelnen oben S. 271 ff. Vgl.§ 66 Abs. 3 u. 4 TKG; § 8 Abs. 1, Abs. 4, Abs. 8 PersBG. Vgl.§ 73 Abs. 3 TKG.

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

scheidungsmaßstäbe entnimmt sie Rechtsverordnungen der Bundesregierung. 1 3 5 5 Der personell und inhaltlich auf ein Benehmensrecht beschränkte Einfluß des Beirates geht von Bundesorganen aus und fuhrt die Präsidentenkammer nicht aus der Eigenverantwortlichkeit und Eigenorganschaft des Bundes hinaus. 1356 Insofern ist der Fortfall der Weisungsbindung verfassungsrechtlich nicht zu bemängeln.

b) Zur Leitungsfunktion,

Art. 65 S. 2 GG

Die Präsidentenkammer kann Entscheidungen von erheblicher politischer Bedeutung treffen. Dies gilt allerdings weniger fur die Auferlegung von Universaldienstleistungen als für die Vergabe von Frequenzen: In der Auferlegung von Universaldienstleistungen trifft die Präsidentenkammer eine gesetzesvollziehende, ggf. auf einen engen Gegenstand begrenzte Auswahlentscheidung. Sie bestimmt den Anbieter, der die festgestellte Unterversorgung behebt. Dabei wird der in Rede stehende Versorgungsbereich bzw. Markt häufig lokal begrenzt sein. 1357 Welche Leistungen in welcher Qualität und zu welchem Preis anzubieten sind, ergibt sich bereits aus der einschlägigen Verordnung. Sie erläßt die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates. 1 3 5 8 Die Umsetzung der vergleichbaren Pflichtleistungsverordnung war nach dem PostVerfG der nicht näher ausgeformten ministeriellen Rechtsaufsicht über die Deutsche TELEKOM zuzuordnen. 1359 Unter dem PTRegG sollte eine Beschlußkammer über die Einhaltung der Pflichtleistungsverordnung entscheiden. 1 3 6 0 Vor diesem historischen und gesetzlichen Hintergrund zeigt sich, daß die Präsidentenkammer in ihrer Auswahl eine das Gesetz und die Verordnung

1355 Vgl. §§ 73 ff TKG, § 1 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG; § 47 Abs. 2 TKG iVm. Frequenzzuteilungsverordnung (FreqZutV) - Entwurf, BR-Drs. 185/97; § 17 Abs. 2 TKG iVm. TUDLV. 1356 Vgl. oben S. 193 ff. Zum Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit und der Eigenorganschaft vgl. Schmidt-Aßmann/Fromm, S. 131 f. 1357 Vgl. zur Notwendigkeit einer regional begrenzten Bestimmung des räumlichen Marktes Schütz, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 18 Rnr. 27 f. 1358 Vgl. Telekommunikations-Universaldienstleistungsverordnung (TUDLV) v. 30.1.1997, BGBl. I, S. 141, abgedr. im wortgleichen Entwurf bei Scheurle/Lehr/Mayen, S. 83. Dazu oben S. 233. 1359 Vgl. § 27 iVm. § 30 Abs. 2 TKG iVm. Verordnung zur Regelung der Pflichtleistungen der Deutschen Bundespost TELEKOM v. 16.9.1992, BGBl. I, S. 1614. Dazu Scherer, Arch PT 1993, 261 (264). 1360 Vgl. § 15 Abs. 3 Nr. 4 PTRegG iVm. § 8 PTRegG.

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

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vollziehende Entscheidung trifft, die ggf. eine nur geringe wirtschaftliche Bedeutung h a t . 1 3 6 1 A u c h eine Frequenzvergabe nach § 11 T K G kann sich auf ein räumlich eng abgegrenztes, wirtschaftlich zu vernachlässigendes Gebiet beschränkten. § 11 T K G bietet aber ebenso das Potential, über die Gestalt eines bundesweiten Marktes von großer gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Bedeutung zu entscheiden. A l s hervorragendes Beispiel ist hier die Vergabe von Rechten für die mobile Telefonie zu n e n n e n . 1 3 6 2 Wollte die Bundespost eine vergleichbare Entscheidung über die Einfuhrung eines neuen Dienstes treffen, hatte darüber der Verwaltungsrat zu befinden. 1 3 6 3 Unter dem PostVerfG

fielen derartige Ent-

scheidungen dann aber in die Kompetenz des Unternehmens. 1 3 6 4 Lediglich über die politischen Zielvorgaben konnte der Minister die T E L E K O M anhalten, bestimmte Marktentwicklungen voranzutreiben. 1 3 6 5 In der Trennung von hoheitlichen und betrieblichen Entscheidungen fiel es dann der regulatorischen Kompetenz des Postministers nach § 2 F A G zu, einzelne Märkte durch Verleihun-

1361 Zurückhaltend auch Eberhard Witte in: Jung/Warnecke (Hrsg.), S. 6-40. Entscheidungen sind bislang nicht ersichtlich. Bis auf weiteres obliegt es der Deutschen Telekom AG, die Universaldienstleistungen zu erbringen. Will sie einen Dienst einstellen, muß sie dies ein Jahr zuvor ankündigen (§ 97 Abs. 1 TKG). Entscheidungsvorbereitend aber Reg TP, Mitteilung Nr. 127/1999, Kriterien der Reg TP zur Sicherstellung einer flächendeckenden Bereitstellung von öffentlichen Telefonstellen, ABl. Reg TP 6/1999, S. 1127. 1362

Vgl. BMPT, Vfg 114/1996, Hinweis auf die Ausschreibung einer bundesweiten Lizenz für ein digitales zellulares Mobilfunknetz auf der Basis des europäischen DCS 1800-Standards (E 2-Netz) in der Bundesrepublik Deutschland, ABl. BMPT 17/1996, S. 941. Zu denken ist auch an die zur Zeit populären Funkrufsysteme, sog. Pager. Dazu BMPT, Vfg 82/1996 Hinweis auf eine Vergabe von vier bundesweiten Funkruflizenzen auf der Basis des europäischen ERMES-Standards in der Bundesrepublik Deutschland (ERMES-Lizenzen), ABl. BMPT 10/1996, S. 630. Gegenwärtig wird die Entscheidung über ein neues Rundfunkübertragungssystem vorbereitet. Dazu BMPT, Vfg 296/1997, Anhörung nach § 11 Abs. 1 TKG zu den Eckpunkten für eine Ausschreibung von Frequenzen nach § 47 Abs. 5 S. 2 iVm. § 11 Abs. 6 TKG für DAB nach den Schlußakten der T-DAB-Planungstagung der CEPT, Wiesbaden 1995, festgelegten Frequenzblockverteilungen [sie], ABl. BMPT 34/1997, S.1835, und Reg TP, Vfg 110/1998, Entscheidung der Präsidentenkammer vom 14.9.1998 über das Verfahren zur Vergabe von Frequenzen für T-DAB (Terrestrischer Digitaler Hörfunk) gemäß den Frequenzblockverteilungen des in der Besonderen Vereinbarung der CEPT, Wiesbaden 1995, festgelegten Planes, ABl. Reg TP 19/1998, S. 2271. 1363

Vgl. § 12 Abs. 1 Nr. 5 u. 6 PostVwG. Eine Analyse der tatsächlichen Entscheidungsstrukturen findet sich bei Scherer, Telekommunikationsrecht, S. 369-372. 1364 Nach § 23 Abs. 5 Nr. 1 u. Nr. PostVerfG konnte schon der Aufsichtsrat lediglich Stellung nehmen. 1365 Vgl. § 25 Abs. 1 PostVerfG. Zur Befassung des Infrastrukturrates § 34 Abs. 4 Nr. 1 PostVerfG. Als Beispiel sei aus BMPT, Vfg 53/1994, Politische Zielvorgaben für die Unternehmen der Deutschen Bundespost, ABl. BMPT 5/1994, S. 239 (241), der Ausbau des Breitbandkabelnetzes hervorgehoben.

440

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

gen zu öffnen. 1360 Die Lizenzierung durch die Präsidentenkammer fuhrt diese zuvor ministerielle Kompetenz für die Märkte fort, die auf die Nutzung knapper Frequenzen angewiesen sind. 1 3 6 7 In diesem Zuständigkeitsausschnitt kommt ihren Entscheidungen besondere ordnungspolitische Tragweite zu. Angesichts dieser Bedeutung wäre es mit der verfassungsrechtlichen Leitungsfunktion der Regierung nicht vereinbar, die Verwaltungsagenden der Präsidentenkammer der gubernativen Einwirkung ganz zu entziehen. Das TKG sieht allerdings auch die verfassungsrechtlich zu respektierende Notwendigkeit, die privatisierungs- und wettbewerbskritischen Entscheidungen der Präsidentenkammer im Einzelfall gegen eine tagespolitische Einflußnahme abzuschirmen. Es kanalisiert die Leitungsbefugnisse der Regierung daher in zweierlei Weise. Zum einen behält es der Regierung die personelle Besetzung der Präsidentenkammer v o r . l j 6 8 Dabei sind die Zuständigkeiten der Präsidentenkammer klar bestimmt. Die gesetzliche Kernkompetenz der Mehrheit ihrer Mitglieder liegt in der Beschlußkammertätigkeit. Lediglich in der Benennung des Präsidenten muß die Regierung auch andere Zuständigkeiten von Gesetzes wegen einbeziehen. Die Amtszeit der Kammermitglieder ist zudem mit fünf Jahren auf einen planbaren Zeitraum befristet. 1369 Sie kann ggf. aus wichtigem Grund vorzeitig beendet werden. 1370 In ihrer Personalauswahl kann die Regierung daher bereits recht gezielt vorgehen. Zum anderen gestatten es die einschlägigen Verordnungsermächtigungen der Regierung, die Entscheidungen der Präsidentenkammer zu konturieren. Güte und Kosten der Uni Versaldienstleistungen gibt die TUDLV vor; 1 3 7 1 über die Frequenznutzung bestimmt auf einer obersten Stufe der verordnungsförmliche Frequenzbereichszuweisungsplan; 1372 das weitere Zuteilungsverfahren kann die Bundesregierung im Wege der Zuteilungsverordnung lenken. 1373 Im Zusam1366

Vgl. neben § 2 FAG auch § 1 Abs. 5 FAG. Als Beispiel dienen die vier Mobilfünklizenzen, die nacheinander unter Geltung des PostVerfG, des PTRegG und TKG erteilt wurden. Vgl. zunächst die Verwaltungsvorschrift über Verhaltensregelungen beim Errichten und Betreiben des Dl-Netzes vom 6.7.1990, die nach Ausgliederung des Mobilfunkes in die DeTeMobil in die Lizenz vom 23.12.1992 in der Fassung vom 23.6.1994, ABl. BMPT 14/1994, S. 406, umgeschrieben wurde; sodann den Vertrag vom 15.2.1990, Mitt. BMPT 2007/1991, ABl. BMPT v. 23.5.1991, S. 1680, über das D 2-Netz, neugefaßt als Lizenz am 11.3.1994, ABl. BMPT 14/1994, S. 415; des weiteren die E 1-Lizenz vom 4.5.1993, ABl. BMPT 11/1993, S. 229, und zuletzt die E 2-Lizenz vom 15.5.1997, ABl. BMPT 14/1997, S. 680. 1367

1368

Vgl. § 63 Abs. 3 TKG zur Benennung u. § 8 Abs. 5 S. 3 PersBG zur Entlassung. Vgl. § 8 Abs. 1 PersBG. 1370 Vgl. § 8 Abs. 5 S. 3 PersBG. 1371 Vgl. § 17 Abs. 2 TKG. 1372 Vgl. § 45 Abs. 1 TKG. Dazu oben S. 360 ff. 1373 Die FreqZutV ist die Verordnung nach § 47 Abs. 4 TKG, auf die § 11 Abs. 4 S. 2 u. Abs. 6 S. 2 TKG Bezug nehmen. 1369

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

441

menwirken von Verordnungs- und Benennungsrechten bleibt der Regierung somit ein Kernbereich exekutivischer Leitungsmacht erhalten. Allerdings ist die Präsidentenkammer der Anleitung durch den zuständigen Minister nahezu gänzlich entzogen. Ihm fehlt es am allgemeinen und einzelfallbezogenen Weisungsrecht. Die Organisation der Beschlußkammer ist gesetzlich vorgegeben; 1374 Personalentscheidungen des Ministers hinsichtlich der Präsidenten bedürfen der Zustimmung des Kabinetts. 1375 Die einschlägigen Verordnungsermächtigungen richten sich gleichfalls an die Bundesregierung. 1 3 7 6 Im Verhältnis zur Präsidentenkammer tritt also das Ressortprinzip innerhalb der Bundesregierung zugunsten des Kollegialprinzips zurück. 1377 Verfassungsrechtlich ist die Balance dieser beiden Prinzipien innerhalb der Bundesregierung immer wieder neu auszutarieren. Das Grundgesetz kann die Selbstorganisation des Verfassungsorgans Bundesregierung nicht abschließend bestimmen. Die Vorschriften der Art. 83 ff GG benennen als Träger der Organisations· und Weisungsgewalt immer wieder die Bundesregierung. 1378 Auch die Personalgewalt ordnet das GG ihr zu. 1 3 7 9 Auch die GeschO der Bundesregierung hebt Angelegenheiten von vergleichbarer Bedeutung auf die Ebene des Kollegialorgans. 1380 Die Zuordnung zur Bundesregierung führt aber, da die Präsidentenkammer Organ der Behörde im Geschäftsbereich des Ministeriums bleibt, nicht zu ihrer Ressortfreiheit. 1381 Der Wirtschaftsminister behält die Federführung in der Entscheidung der Bundesregierung. 1382 Verfassungshistorisch kann die Fernmeldeverwaltung kaum zum Kern des Wirtschaftsressorts gezählt werden. Die Präsidentenkammer tritt in ihren Zuständigkeiten in die Nachfolge eines selbständigen Ministeriums ein. Unter den Kollegen nahm ihr Vorgänger, der Bundespostminister, eine Sonderstellung ein. In seiner sektorspezifischen Kapazität unterlag er nicht nur verschiedenen Benehmenserfordernissen, sondern für den Falle eines Konfliktes mit dem je1374

Vgl. § 73 Abs. 3 TKG. Vgl. § 8 Abs. 5 S. 3 PersBG für die Entlassung, § 8 Abs. 4 PersBG für die Besoldung und Versorgung der Präsidenten. 1376 Vgl. § 17 Abs. 2, § 47 Abs. 4 TKG. 1377 Vgl. zusammenfassend Oldiges, in: Sachs, GG, Art. 65 Rnr. 20. 1378 Vgl. Art. 84 Abs. 2-5 GG; Art. 85 Abs. 2 S. 1, Abs. 4 GG; Art. 86 S. 2 GG. Eine Ausnahme bildet für die im TKG bereits ausgeschlossene Weisungsbefugnis Art. 85 Abs. 3 GG. 1379 Vgl. Art. 85 Abs. 2 S. 3 GG; Art. 108 Abs. 1 S. 3 u. Abs. 2 S. 3 GG. Zu weiteren „echten Kollegialzuständigkeiten" vgl. Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 180 f. 1380 Vgl. § 15 u. § 18 Abs. 1 GO BReg. Dazu oben S. 168 ff. 1381 Vgl. zum Ausschluß ressortfreier Behörden Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 181. 1382 Vgl. § 8 Abs. 4 u. Abs. 5 S. 3 PersBG. Zur Federführung als eigentlicher Sachentscheidung vgl. Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 180 Fn. 43. 1375

442

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

weiligen Ratsgremium auch der Letztentscheidung der Bundesregierung. 1383 Es entspricht also dem verfassungsgeschichtlichen Herkommen, die Ressortverantwortung für die Regulierung zugunsten der Kollegialverantwortung der Regierung zurückzunehmen. 1384 Seinen Grund hat dies darin, daß die Präsidentenkammer ggf. Entscheidungen trifft, die die ordnungspolitische und infrastrukturelle Entwicklung der Bundesrepublik in der Telekommunikation be1385

stimmen. Einer der funktionellen Unabhängigkeit schädlichen Einwirkung der Regierung auf die Präsidentenkammer im Interesse des bundeseigenen Unternehmens wird damit kein Vorschub geleistet. Denn obwohl das Ressortprinzip als trennendes Element zwischen Regulierung und Unternehmensverwaltung wegfällt, bleibt die Einzelfallentscheidung der Präsidentenkammer unbeeinflußbar. Im Ergebnis war der Gesetzgeber nicht gehindert, die Einwirkung auf die Präsidentenkammer der Bundesregierung zuzuordnen und dem Wirtschaftsminister zu entziehen. Die Ministerialfreiheit der Präsidentenkammer ist mit der verfassungsrechtlichen Leitungsfunktion der Regierung vereinbar.

c) Zur Legitimationsfunktion,

Art. 20 Abs. 2 GG

Der Fortfall der Weisungsbindung wirft zuletzt die Frage auf, ob damit verfassungsrechtliche Legitimationsfunktionen verkürzt werden. Dazu ist zwischen der legitimationsbedingenden ((1)) und der legitimations vermittelnden Funktion der Weisungsbefugnis ((2)) zu unterscheiden.

(1) Die Transponierung ministerieller Verantwortlichkeit auf die Regierung Indem die ministeriellen Leitungsbefugnisse auf die gesamte Regierung transponiert werden, tritt auch das Ressortprinzip zurück. Soweit die Präsidentenkammer personell, verordnungsrechtlich und organisatorisch der Bundesregierung unterstellt ist, beschränkt sich die Rolle des ressortleitenden Wirtschaftsministers auf eine reine Vermittlung. Insoweit ist seine Ressortverantwortung eine nur noch nominelle. 1386 Die parlamentarische Kontrolle kann da1383

Vgl. § 13 PostVwG; § 35 PostVerfG; § 14 PTRegG. Vgl. zu dem „einmalige[n]Vorgang..., bei dem ein Ministerium zum Teil auf andere Ministerien übergeleitet wird, zum anderen Teil aber hierarchisch „abgestuft" wird", Bundesregierung, BT-Drs. 13/8016, S. 19. 1385 Vgl. die Formulierung aus der Begründung des BegleitG, Bundesregierung, BTDrs. 13/8016, S. 21, von der „für den Wirtschaftsstandort Deutschland überaus wichtigeln] gestalterische[n] Aufgabe". 1386 Zur Bedeutung des Ressortprinzips im Legitimationsgefüge oben S. 308. 1384

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

443

her kaum sinnvoll an ihr ansetzen. Jedoch bleibt die parlamentarische Kontrolle dennoch auf zwei Wegen möglich: Zum einen kann sie ohne Einschaltung des Ministers über den Beirat erfolgen. Dieser wirkt in den Entscheidungen der Präsidentenkammer mit. 1 3 8 7 Er verfügt auch ihr gegenüber über parlamentsähnliche Kontrollrechte. 1388 Er ist schließlich an den Entscheidungen der Bundesregierung beteiligt, die zu Ernennung oder Entlassung der Präsidenten führen. 1389 Zum anderen kann das Parlament über den Bundeskanzler oder den Minister die gesamte Regierung für ihre Einwirkung auf die Präsidentenkammer zur Rechenschaft ziehen. Die Ministerialfreiheit dieser Kammer läßt sie nicht regierungsfrei und daher auch nicht parlamentarischer Kontrolle ledig werden.

(2) Die Legitimation von Entscheidungen der Präsidentenkammer Allerdings müßte die parlamentarische Einwirkung auf die Präsidentenkammer so beschaffen sein, daß auch ohne die ministerielle Weisungsbefugnis das erforderliche Legitimationsniveau erreicht wird. Dieses Niveau läßt sich für die Auferlegung von Universaldienstleistungen am ehesten noch durch einen Vergleich mit dem bisherigen Verfahren bestimmen. Nach dem PTRegG sollte eine unabhängige Beschlußkammer darüber wachen, daß die Deutsche Telekom AG die Bestimmungen der Pflichtleistungsverordnung einhielt. 1390 Die verfassungsbegleitende Gesetzgebung hielt also auch eine im Regelfall weisungsfreie Entscheidung für hinreichend legitimiert, das anderweitig spezifizierte Grundversorgungskonzept zu vollziehen. Im Vergleich dazu ist der Präsidentenkammer zwar insoweit ein weiterer Entscheidungsspielraum eröffnet, als nach der TUDLV ein größerer Leistungskanon in Rede steht und auch weitere Unternehmen als Leistungsträger in Betracht kommen. Andererseits trifft das TKG auch detailliertere materiell- und verfahrensrechtliche Vorgaben als das PTRegG. Es sieht zudem die Mitwirkung des Beirates vor. Daher läßt sich für die Entscheidungen nach § 19 TKG kein verfassungsrechtlich bedenklicher Legitimationsverlust verzeichnen. In den Vergabeentscheidungen nach § 11 TKG übernimmt die Präsidentenkammer einen Ausschnitt aus der ministeriellen Verleihungskompetenz nach § 2 Abs. 1 FAG. Diese war materiell- und verfahrensrechtlich kaum gesetzlich 1387

§ 69 Nr. 2 iVm. § 73 Abs. 3 S. 3 TKG. § 69 Nr. 3 u. Nr. 4, § 68 Abs. 7 TKG. Dazu oben S. 336 ff. 1389 Vgl. § 66 Abs. 3 S. 1 TKG; § 8 Abs. 5 S. 3 PersBG. 1390 Vgl. § 13 Abs. 3 Nr. 4 iVm. § 15 Abs. 1 PTRegG. Zur Reichweite dieser Unabhängigkeit oben S. 78. 1388

444

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

konkretisiert. Mithin beruhten die Verleihungen im Einzelfall wesentlich auf der personellen Legitimation des Ministers. Sie verband sich mit einer grob umrissenen, gesetzesförmlichen materiellen Legitimation. Dabei gab es das FAG dem Minister selbst auf, im Verordnungswege nach § 2 Abs. 2 FAG bzw. über § 1 Abs. 5 FAG gemeinsam mit dem Regulierungsrat die Vergabebestimmungen weiter festzulegen. Aus diesem Vorbild heraus erklärt sich auch die Ermächtigung des TKG an die Präsidentenkammer, selbst Vergaberegeln und Vergabebedingungen aufzustellen, als eine Anregung, der förmlichen Kodifikation vorzuarbeiten. 1391 Allerdings entscheidet die Präsidentenkammer dabei innerhalb eines enger abgesteckten materiell-rechtlichen Rahmens. Ihr im Grunde noch justizähnliches Verfahren wird ihn in besonderem Maße beachten. Die Kriterien der Objektivität, Nachvollziehbarkeit und Diskriminierungsfreiheit wenden sich, wenn auch aus kartellrechtlicher Sicht, gegen die Bevorzugung von Sonderinteressen. In ihrem Gleichheitsverlangen sind sie verfahrensrechtliche Vorfeldmarkierungen demokratischer Gemeinwohlverträglichkeit. Die Benennung der Entscheidungsträger kann deswegen besonders ihre Zuständigkeit in der Präsidentenkammer in den Blick nehmen. Deren Mitglieder bringen so eine hoch spezifizierte personelle Legitimation mit. Hinzu tritt das beiratliche Legitimationselement. Demnach läßt sich auch, wenn man die Weisungsfreiheit der Präsidentenkammer in Rechnung stellt, für Entscheidungen nach § 11 TKG kein Legitimationsdefizit erkennen.

IV. Die politische Verselbständigung

der Präsidentenkammer

Zusammenfassend läßt sich für die politische Unabhängigkeit der Präsidentenkammer folgendes feststellen: Die Präsidentenkammer trifft Auswahlentscheidungen. Sowohl in der Auferlegung von Universaldienstleistungen nach § 19 TKG als auch in der Vergabe knapper Frequenzen nach § 11 TKG ist sie gehalten, objektiv, nachvollziehbar und diskriminierungsfrei zu entscheiden. Das TKG erkennt damit zum einen die wettbewerbsbedeutende Wirkung dieser Entscheidungen an. Zum anderen legt es der Präsidentenkammer nahe, das eigene Verfahren wettbewerbsähnlich zu gestalten, insbesondere dem preisgeleiteten Verfahrensmodul nach § 11 Abs. 6 TKG bzw. § 19 Abs. 5 TKG den Vorrang zu geben. In den Auswahlverfahren der Präsidentenkammer tritt damit die justizähnliche Natur des allgemeinen Beschlußkammerverfahrens zugunsten einer offeneren Konkurrenz und einer ausgeweiteten Beteiligung des Beirats zurück. Dennoch zeigen die kollegiale Verfassung der Präsidentenkammer und ihre gesetzliche Besetzung

1391

TKG.

Vgl. § 11 Abs. 4 S. 2 u. S. 3 TKG; § 11 Abs. 6 S. 2 u. S. 5 TKG; § 19 Abs. 7

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

445

mit besonders ausgewählten öffentlich-rechtlichen Amtswaltern, daß die Präsidentenkammer ministerialfrei entscheiden soll. Sie ist nicht nur Einzelweisungen, sondern auch allgemeinen Weisungen entzogen. Denn § 66 Abs. 5 TKG tritt gegenüber den speziellen Vorschriften der § 11 Abs. 4 u. Abs. 6 sowie des § 19 Abs. 7 TKG zurück. Demnach kann die Präsidentenkammer ihr Verfahrensprogramm innerhalb der gesetzlichen und verordnungsrechtlichen Vorgaben selbst bestimmen. Ihre Ministerialfreiheit ist verfassungsrechtlich zunächst aus der privatisierungskritischen Bedeutung ihrer Kompetenzen zu erklären. Der Rückzug des Staates aus der Leistungsverwaltung auf die Gewährleistungsverantwortung soll nicht von tagespolitisch motivierten ministeriellen Interessen aufgehalten werden. In der Frequenzzuteilung muß die Regulierung ihre Unabhängigkeit vom bundeseigenen Unternehmen demonstrieren. Aber auch dann, wenn das bundeseigene Unternehmen bereits effektivem Wettbewerb ausgesetzt sein sollte, werden die Aufgaben der Präsidentenkammer sich nicht erledigen. Gewährleistungsverantwortung und hoheitliche Frequenzordnung bestehen auch in einem Zustande privatwirtschaftlicher Leistungserbringung fort. Langfristig bleibt es ein Anliegen des Art. 87f GG, die ordnungspolitische Regulierung von ministerieller Einflußnahme zu distanzieren. Die staatliche Gewährleistung und die hoheitliche Frequenzzuteilung haben den Vorrang der privatwirtschaftlichen Leistungserbringung zu achten. Darum sind sie in besonderem Maße auf wettbewerbliche Neutralität zu verpflichten. Dazu dient das ministerialfreie Verfahren der Präsidentenkammer. Als ministerialfreie Kammer ist die Präsidentenkammer über Ernennungsund Entlassungsrecht sowie über die einschlägigen Verordnungsermächtigungen der gesamten Bundesregierung zugeordnet. Damit tritt innerhalb der Regierung das Ressortprinzip hinter das Kollegialprinzip zurück. Die Präsidentenkammer zeigt hier noch deutlicher als die übrige Behörde, daß die Regulierung in der Organisationstradition eines eigenständigen Ministeriums steht und erst schrittweise zu einer nachgeordneten Behörde des Bundeswirtschaftsministers absinkt. Dieser Übergang bringt eine Veränderung des Legitimationsgefüges mit sich. Sie erfaßt nur in geringerem Maße die Umsetzung des Universaldienstleistungsregimes. Dessen Vollzug sollte schon nach dem PTRegG eine unabhängige Beschlußkammer überwachen. Deutlicher zeigen sich die Änderungen in der Frequenz- und Lizenzzuteilung nach § 11 TKG. Sie war bislang postministeriellen Verleihungen vorbehalten und damit im wesentlichen von personeller Legitimation getragen. Über das öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis der Präsidenten bleibt ihre personelle Legitimation zwar ebenfalls ein bestimmendes Element. Sie ist aber, insbesondere in der Benennung der Vizepräsidenten, speziell auf die Tätigkeit in der Beschlußkammer mit ihrer in

446

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

§ 73 Abs. 3 S. 1 TKG gesetzlich klar umrissenen Zuständigkeit ausgerichtet. Zudem hat sich sowohl das materielle Recht der Frequenzordnung als auch das Verfahren der Frequenzzuteilung inhaltlich verdichtet. In einzelnen Teilentscheidungen tritt die Mitwirkung des Beirates hinzu. In der Summe läßt dies eher eine Erhöhung des effektiven Legitimationsniveaus erhoffen als sein Absinken unter den bisherigen Stand. Die Präsidentenkammer ist damit im Bereich ihrer bedeutenden, aber letztlich auch begrenzten Zuständigkeiten politisch unabhängig, ohne daß ihre Entscheidungen legitimatorisch fragwürdig werden.

D. Die Organe der Behörde als Träger einer politischen Verselbständigung der Regulierung Das Vorstehende zeigt, daß die Regulierungsbehörde über ihre Organe drei verschiedene Organisationstypen in sich versammelt: Unter der Leitung ihres Präsidenten agiert sie als hierarchisch gegliederte Fachordnungs- und Fachplanungsbehörde. In ihren allgemeinen Beschlußkammern ahmt sie als sektorspezifische Mißbrauchsaufsicht die kollegiale Verfassung des Bundeskartellamtes nach. Das Kollegialprinzip beherrscht auch die Präsidentenkammer, die ordnungspolitische und infrastrukturelle Verteilungsentscheidungen in der Nachfolge des Postministeriums fällt. Vor dem Hintergrund dieser drei Typen sind die rechtlichen Ansätze zur politischen Unabhängigkeit der Regulierung auf drei Beziehungsebenen festzumachen: innerhalb der Behörde (I); im Verhältnis der Behörde zum übergeordneten Ministerium (II); und im Verhältnis der wirtschaftsministeriellen Aufsicht zur Gesamtheit der Bundesregierung (III). In der Summe verbleiben diese Ansätze innerhalb des verfassungsrechtlich Zulässigen (IV).

I. Behördeninterne

Verselbständigung

Innerhalb der Behörde arbeiten hierarchisch geführte und kollegial verfaßte Organe nebeneinander: In ihrer fachbehördlichen Tätigkeit sind die Abteilungen und Referate der Behörde der Leitung des Präsidenten vollumfänglich unterworfen (§ 66 Abs. 2 S. 1 TKG). Gegenüber den kartellrechtsähnlichen Beschlußkammern fehlt dem Präsidenten aber das Einzelweisungsrecht. Hier kann er allenfalls über allgemeine Verwaltungsgrundsätze einwirken (§81 Abs. 2 TKG). Als Mitglied der Präsidentenkammer unterliegt der Präsident schließlich selbst dem Kollegialprinzip und muß sich äußerstenfalls überstimmen las-

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

447

Als Behördenleiter und Vorsitzender der Präsidentenkammer verfugt der Präsident damit über das zentrale Amt innerhalb der Behörde. In ihm läuft die behördliche Weisungshierarchie zusammen. 1393 Auf ihn ist die behördeninterne Kommunikation letztlich ausgerichtet. 1394 Er vertritt die Behörde nach außen. 1395 Bei ihm liegt die Organisationsgewalt, soweit sie nicht gesetzlich fixiert oder ministerieller Bestätigung vorbehalten ist. 1 3 9 6 Als Behördenleiter übt er zuletzt auch die Personalgewalt aus. 1397 Die Vizepräsidenten nehmen demgegenüber außerhalb der Kammer nach § 73 Abs. 3 TKG nur übertragene Aufgaben wahr. Die Beschlußkammern sind auf ihre geschäftsordnungsrechtlich eng festgelegte Zuständigkeit fixiert. Weder die Vizepräsidenten noch die Vorsitzenden der allgemeinen Beschlußkammern können von Rechts wegen selbst eine die Behörde umfassende Führung übernehmen. 1398 Die Kollegialorgane können sich aber gegen eine présidentielle Leitung sperren. Ihnen gegenüber kann der Präsident eine überlegene Autorität nicht aus einer rechtlichen Weisungsbefugnis herleiten. Hier kann er nicht kraft Amtes, sondern nur als Amtswalter, d.h. als Person, überzeugen. Daher wird der Präsident eine politische Verselbständigung der gesamten Behörde nur dann anführen können, wenn es ihm gelingt, die Beschlußkammern für seine Politik zu gewinnen. Eine politische Verselbständigung läßt sich innerhalb der Behörde nicht präsidentiell verordnen, sondern allenfalls präsidentiell befördern. Damit hängt sie zum einen von der Person des Präsidenten ab. Zum anderen kann sie aber, wenn sie einmal die übrigen Amtswalter erfaßt hat, auch einen Wechsel im Amt des Präsidenten überdauern. Insoweit ist das Arrangement der Regulierungsbehörde nicht auf eine politische Verselbständigung des Präsidenten, sondern auf eine politische Verselbständigung der Behörde durch den Präsidenten angelegt.

1392

Vgl. § 91 S. 1 VwVfG iVm. § 10 Abs. 2 S. 2 GO Reg TP. Vgl. § 66 Abs. 2 S. 1 TKG; § 3 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 2 GO Reg TP. 1394 Vgl. § 9 Abs. 3 GO Reg TP: Dienstweg; § 13 GO Reg TP: Grundsätzliche oder bedeutende Entscheidungen der Beschlußkammern. 1395 Vgl. zum Rechtsverkehr § 66 Abs. 2 S. 2 1. Hs. TKG; zur Öffentlichkeitsarbeit § 3 Abs. 1 S. 2, § 71 GO Reg TP; zum Verkehr mit Behörden und Parlament § 43 S. 2 GO Reg TP. 1396 Vgl. § 66 Abs. 2 S. 2 2. Hs. TKG. 1397 Vgl. § 3 Abs. 2 S. 3 TKG iVm. dem nur deklaratorischen § 77 Abs. 1 GO Reg TP. 1398 Vgl. zur beschränkten Unterrichtung der Vizepräsidenten § 26 Abs. 2 GO Reg TP. 1393

448

3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

II. Politische Verselbständigung

gegenüber dem Ministerium

Als Behördenleiter untersteht der Präsident wiederum dem Wirtschaftsministerium. Das Ministerium ist in den fachbehördlichen Tätigkeiten der Regulierung einzelweisungsbefugt. Gegenüber den kartellrechtsähnlichen Beschlußkammern kann der Minister allgemeine Weisungen aussprechen. Hier will ihn aber die Veröffentlichungspflicht, § 66 Abs. 5 TKG, zur Zurückhaltung ermahnen. 1399 Die Präsidentenkammer ist schließlich ministerieller Einwirkung ganz entzogen. 1400 Bereits jetzt kann die Behörde daher gegenüber dem Ministerium als verselbständigt gelten, soweit sie sich dem Typus des Bundeskartellamts annähert bzw. in der Präsidentenkammer postministerielle Zuständigkeiten fortführt. Mit der Auflösung des Bundespostministeriums hat die Fernmeldeverwaltung ihren früheren ministeriellen Rang verloren. Die Regulierungsbehörde wurde dem Bundeswirtschaftsministerium untergeordnet, dem auch die übrigen Zuständigkeiten des Postministeriums zufielen. 1401 Damit ist zunächst eine Erweiterung des Wirtschaftsressorts verbunden. Als Querschnittsressort ist es berufen, die sektorspezifischen Belange von Post und Telekommunikation mit allgemein wirtschaftlichen Interessen abzugleichen. Solange die Regulierung noch ministeriell eigenständig verfaßt war, erforderten die einschlägigen Gesetze daher z.B. für die Tarifgestaltung das Benehmen des Wirtschaftsministers. 1402 Mit der Einordnung der Regulierung in sein Ressort wird ein solches Benehmenserfordernis hinfällig. Damit entfällt zugleich die in der Geschäftsordnung der Bundesregierung 1403 und Art. 65 S. 3 GG angelegte Möglichkeit, Fragen der Regulierung als Meinungsverschiedenheiten zwischen zwei Ressorts auf die Ebene des Kollegiums zu heben.

III. Die Ressortordnung innerhalb der Bundesregierung Das TKG beläßt den Ausgleich von sektorspezifischen und allgemeinpolitischen Belangen jedoch nicht generell innerhalb des Ministeriums. Es hebt ihn vielmehr auf die Regierungsebene empor, indem es namentlich die Benen-

1399

Vgl. oben S. 235. Oben S. 434. 1401 Vgl. die Bekanntmachung des Organisationserlasses des Bundeskanzlers v. 17.12.1997, Ziff. II. 2., BGBl. I 1998, S. 68. Zur Auflösung des BMPT auch das Abschiedswort des Ministers Bötsch, ABl. BMPT 34/1997, Titelblatt. 1402 Vgl. dazu die früheren Benehmensrechte des Bundesministers für Wirtschaft nach § 14 S. 1 PostVwG; § 28 Abs. 3 Nr. 2 PostVerfG; § 4 Abs. 1 S. 1 PTRegG, jeweils hinsichtlich der Tarifgestaltung. 1403 Vgl. § 15 Abs. 1 lit. f) GO BReg. Dazu oben S. 168 ff. 1400

3. Abschnitt: Die Unabhängigkeit der Organe

449

nung und die Entlassung des Präsidenten und der Vizepräsidenten einem Beschluß der gesamten Bundesregierung vorbehält. 1404 Im öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis des Präsidenten und der Vizepräsidenten klingt noch die postministerielle Vergangenheit nach. Das Ressortprinzip tritt in ordnungspolitisch gewichtigen Fragen der Regulierung zugunsten des Kollegialprinzips auf der Ebene der Regierung zurück. Da sich ihre Leitung auf die Gesamtheit der Regierung stützen kann, ragt die Regulierungsbehörde aus dem Wirtschaftsministerium hervor. Dies gilt um so mehr, als sie auch im Beirat unmittelbar parlamentarische Unterstützung finden kann. Rechtlich verdichten sich diese Faktoren dann zu einem Gebot politischer Unabhängigkeit, wenn weder die Ressorttrennung noch das Kollegialprinzip innerhalb der Bundesregierung die Regulierung gegen Interessen des bundeseigenen Unternehmens isolieren können. 1405 Dann ist die Regulierungsbehörde von Verfassungs wegen weisungsfrei zu stellen, um ihre funktionelle Unabhängigkeit zu sichern. Da sie in der Nachfolge des Postministeriums in besonderem Maße auf die gesamte Regierung bezogen und folglich dem Wirtschaftsressort noch entzogen ist, kann sich die Regulierungsbehörde also in - noch - ministeriumsähnlicher Weise verselbständigen.

IV. Politische Verselbständigung

innerhalb verfassungsrechtlicher

Grenzen

Aus der Tradition des Bundespostministeriums heraus und in der Ausrichtung auf das Bundeskartellamt hin wird der Regulierungsbehörde in der Summe eine politische Verselbständigung möglich. Diese bleibt aber, wie die Untersuchung ihrer einzelnen Organe gezeigt hat, innerhalb des verfassungsrechtlich Zulässigen. Insbesondere läßt die partielle Entlassung in den ministerialfreien Raum kein Absinken des Legitimationsniveaus befürchten. In der früheren LeistungsVerwaltung nach Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG a.F. und auch in der bisherigen Regulierung unter Art. 87f GG war die ministerielle Weisungsbefugnis ein fragwürdiges Legitimationselement. Sie führte auf eine personelle Legitimation des Postministers zurück, die ihrerseits in hohem Maße generalisiert und durch die gesetzlichen Vorgaben kaum spezifiziert war. Im Vergleich dazu präzisiert das TKG die materiell-rechtliche Steuerung erheblich; es sichert sie insbesondere im justizähnlichen Verfahren der Beschlußkammern, aber auch über die kartellrechtliche Trias der Objektivität, Nachvollziehbarkeit und Diskriminierungsfreiheit, verfahrensrechtlich ab. Die gesetzlichen Zuständigkeitsregelungen richten die personelle Legitimation der Amts1404

Vgl. § 66 Abs. 3 TKG u. § 8 Abs. 5 S. 3 PersBG. Nach BVerwG E 69, 256 (264) erreicht der Ausschluß wegen Befangenheit gem. § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 VwVfG auch die Ministerialebene. 1405

29 Oertel

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3. Teil: Die politische Unabhängigkeit

waiter in der Regulierungsbehörde auf klar umrissene Sachkomplexe und Verfahrensprogramme aus. Der Beirat unterwirft ihr Handeln einer in die Behörde hinein vorverlagerten parlamentarischen Kontrolle. Mit der Auflösung der Leistungsverwaltung geht also eine politische Verselbständigung der Regulierung einher, die nicht zu einer Verdünnung ihrer Legitimation fuhrt, sondern im Gegenteil ihre Verdichtung erhoffen läßt. Dies läßt sich darauf zurückfuhren, daß das TKG die organisationsrechtlichen Steuerungsmöglichkeiten in höherem Maße gesetzlich erschließt, als es seinen Vorgängern, dem PTRegG, dem PostVerfG und dem PostVwG, gelungen ist. Indem die organisatorische, von der Weisungsbindung gehaltene Klammer des Postministeriums aufgebrochen wurde, treten in der neuen Behörde die verschiedenen Organe der Regulierung hervor. Jedes dieser Organe ist gesetzlich mit einer eigenen Kapazität zur politischen Verselbständigung versehen: Als Leiter der fachbehördlichen Tätigkeiten kann der Präsident über seinen Kontakt mit den Kräften des regulierten Marktes politischen Selbstand gewinnen, obwohl er ministeriellen Weisungen unterliegt. Die allgemeinen Beschlußkammern agieren in einem rechtlich eng abgesteckten Zuständigkeitsfeld einzelweisungsfrei. Die Präsidentenkammer verfugt über größere Möglichkeiten zur inhaltlichen Selbstbestimmung ihrer Entscheidungen, ist aber personell der Regierung eng verbunden. So entsteht schon in der gesetzlichen Anlage ein differenziertes institutionelles Arrangement. Es nimmt das privatisierungseigene Verlangen nach staatsinterner Distanzierung auf und überfuhrt es in Organisationsstrukturen, die jenseits der herkömmlichen Ministerialverwaltung liegen. Damit können die Organe, denen das TKG die Regulierung anvertraut hat, politische Unabhängigkeit gewinnen, ohne an sachangemessener Legitimation zu verlieren.

Vierter Teil

Die Einwirkung der Länder auf die Regulierungsbehörde Die politische Unabhängigkeit, die die Organe der Regulierungsbehörde gegenüber dem Bund gewinnen können, ist im föderalen Gefüge auch gegenüber den Bundesländern zu behaupten. Das Gremium, über das die Länder auf die Regulierungsbehörde Einfluß nehmen können, ist ihr Beirat (§§ 67 ff TKG). Seine Mitwirkungsrechte sind zu untersuchen (Erster Abschnitt) und gegen den naheliegenden Vorwurf unzulässiger Mischverwaltung 1 zu verteidigen (Zweiter Abschnitt).

Erster Abschnitt

Der Beirat als Mittler des föderalen Einflusses Der Beirat ist auf Betreiben des Bundesrates eingerichtet worden, wird jedoch aus Bundesrat und Bundestag gleichermaßen besetzt (A). Schon dies und mehr noch der geringe Umfang seiner Rechte (B) setzen einer Einwirkung der Länder auf die Regulierungsbehörde Grenzen.

A. Die Zusammensetzung des Beirats Nach § 67 Abs. 1 TKG ist der Beirat nicht als Ländergremium, sondern als gemeinsames Gremium von Bundesrat und Bundestag verfaßt. 2 Jedes Organ entsendet neun seiner Mitglieder.

1

Vgl. für die Vorgänger des jetzigen Beirates Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 38; Uerpmann, in: von Münch/Kunig, Art. 87f Rnr. 13; Windthorst, Universaldienst, S. 372 f; aus dem Gesetzgebungsverfahren Bullinger, in: Postausschuß, Öffentliche Anhörung v. 13.3.1996, Protokoll Nr. 18, S. 44. 2 Die Bundesratsvorstellung, den Beirat als reine und echte Ländervertretung zu verfassen, scheiterte im Gesetzgebungsverfahren (vgl. Bundesrat, BT-Drs. 13/4438, S. 18 f Nr. 73 u. Ausschußbericht, BT-Drs. 13/4864, S. 81 f.). Dennoch geht die Einrichtung des Beirates entscheidend auf die Länder zurück. Vgl. Ausschußbericht, BT-Drs. 13/4864, S. 81.

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4. Teil: Die Einwirkung der Länder

Das heißt für den Bundesrat, daß nicht jedes Land Sitz und Stimme im Beirat erhält. Vielmehr müssen sich die Bundesratsmitglieder im Wege der - gewichteten - Abstimmung (Art. 51 Abs. 2 GG) auf gemeinsame Vertreter einigen. Der Beirat ist also im Sinne der Geschäftsordnung des Bundesrates kein Ausschuß, in dem alle Länder vertreten sind.3 Es handelt sich um ein Gremium iSd. § 13 GO BR, in dem die Bundesratsmitglieder den Bundesrat als solchen repräsentieren. Sie sind daher gehalten, nicht als Vertreter ihres Landes, sondern als Vertreter aller Länder zu agieren.4 Im Beirat wiederum stellt der Bundesrat die Hälfte der Mitglieder. Beschlüsse kommen mit einfacher Mehrheit zustande (§ 68 Abs. 3 S. 2 TKG). Beschlußfähig ist der Beirat bereits, wenn jeweils mindestens fünf Vertreter von Bundestag und Bundesrat anwesend sind (§ 68 Abs. 3 S. 1 TKG). Also kann der Beirat Beschlüsse ggf. auch gegen den Willen der anwesenden Bundesratsvertreter fassen; jedenfalls aber gegen den Willen einer Mehrheit der Bundesratsmitglieder. Lediglich für die schriftliche Beschlußfassung (§ 68 Abs. 4 TKG) verlangt die Geschäftsordnung die Zustimmung von mindestens fünf Vertretern des Bundesrates.5 Für das gewöhnliche Verfahren gibt das TKG das bisherige Länderquorum aus § 13 Abs. 3 S. 2 2.Hs. PTRegG auf. 6 Die Stimme eines Landes wird also zweifach mediatisiert - über die Wahl im Bundesrat und über die Abstimmung im Beirat.

B. Die Mitwirkungsrechte des Beirats Die Rechte des Beirates fallen in drei Gruppen: Ein personelles Vorschlagsrecht (§ 69 Nr. 1 TKG); die Mitwirkungsrechte (§ 69 Nr. 2 TKG, § 69 Nr. 6 TKG) und verschiedene Kontroll- und Initiativrechte (§ 69 Nr. 3-5 TKG, § 68 Abs. 7 TKG). Das personelle Vorschlagsrecht betrifft die Präsidentschaft der Regulierungsbehörde: Gemäß § 69 Nr. 1 TKG iVm. § 66 Abs. 3 TKG schlägt der Beirat der Bundesregierung Kandidaten fur die Ämter des Präsidenten und der Vizepräsidenten vor. 7 Die Bundesregierung muß ggf. einen solchen Vorschlag an3

Vgl. § 11 GOBR. Daraus folgt, daß die Bundesratsvertreter Weisungen ihrer jeweiligen Landesregierungen nicht unterworfen sind. 5 Vgl. § 7 Abs. 4 S. 4 GO Beirat. 6 Dort hieß es: ,,[I]n den Fällen des § 13 Abs. 2 [Beschlußfassung über Rechtsverordnungen] sowie Abs. 3 [Beschlußfassung über regulatorische Einzelentscheidungen] kommt ein Beschluß nur zustande, wenn ihm die Mehrheit der anwesenden Vertreter der Länder zustimmt." 7 Graphische Übersicht zum Verfahren bei Geppert, in: Beck'scher TKGKommentar, § 67 Rnr. 11. 4

1. Abschnitt: Der Beirat als Mittler föderalen Einflusses

453

fordern. Im Falle der Ablehnung kann der Beirat einen weiteren Vorschlag unterbreiten. Das Letztentscheidungsrecht verbleibt - so hält es § 66 Abs. 3 S. 4 TKG ausdrücklich fest - bei der Bundesregierung. 8 In ihrer Letztentscheidung ist die Regierung an die Entscheidungsvorlage des Beirates nicht gebunden. Dies hat das BVerfG bereits zu § 13 PostVwG festgestellt. 9 Die Bundesregierung kann, nachdem sie einen zweiten Vorschlag des Beirates abgelehnt hat, eigene Kandidaten auswählen.10 Das Vorschlagsrecht des Beirates entspricht in seiner Wirkung also einem Benehmenserfordernis iSd. § 73 Abs. 3 S. 3 TKG. 1 1 Dem Beirat fehlt konsequenterweise eine Abberufungsbefugnis. 12 Die Mitwirkungsrechte des Beirates aus § 69 Nr. 2 TKG bestimmt § 73 Abs. 3 S. 3 TKG näher: Danach ist das Benehmen mit dem Beirat herzustellen, wenn die Präsidentenkammer Lizenzen vergibt, die an knappe Frequenzen gekoppelt sind (§ 10 iVm. § 11 TKG). Der Beirat erlangt damit Einfluß auf die Lizenzbestimmungen, die den Verwendungsbereich der Frequenzen abgrenzen (§ 11 Abs. 4 Nr. 2 u. Abs. 6 Nr. 2 TKG) und die insbesondere einen Versorgungsgrad vorgeben (§ 11 Abs. 4 Nr. 3 u. Abs. 6 Nr. 3 TKG). Sofern über die Funkfrequenzen Teilnehmeranschlüsse hergestellt werden, ist auch über den Inhalt einer Universaldienstauflage nach § 11 Abs. 7 TKG das Benehmen herzustellen. Dem liegt zugrunde, daß im Gesetzgebungsverfahren die funkgestützte DECT-Technologie als vielversprechende Alternative zum kabelgebundenen Ortsnetz galt. 13 Das Benehmen des Beirates erstreckt sich nur auf die Lizenzbedingungen. Die Auswahl des Lizenznehmers kann er nicht beeinflussen. 14 Auch über die das Vergabeverfahren erst auslösende Beschränkung der Zahl der Lizenzen (§ 10 TKG) befindet der Beirat nicht. Hingegen er8 Vgl. Ausschußbericht, BT-Drs. 13/4864, S. 81 Zu § 65: „Unberührt von diesem Vorschlagsrecht bleibt das aus verfassungsrechtlichen Gründen unabdingbare Letztentscheidungsrecht der Bundesregierung." 9 BVerfG E 28, 66 (84) - Gebührenverordnung -. Dazu oben S. 38 ff. 10 Ebenso Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 69 Rnr. 4. Nach § 8 Abs. 5 S. 3 PersBG muß der Minister den Beirat lediglich anhören, bevor er die Entlassung eines Präsidenten beantragt. Der Beirat kann die Entlassung nicht selbst beantragen. 11 Vgl. auch Art. 85 Abs. 2 S. 3 GG, Art. 108 Abs. 1 S. 3 u. Abs. 2 S. 3 GG. Zur Benennung des ersten Präsidiums vgl. S. 337 ff. 12 Vgl. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 69 Rnr. 5. 13 Vgl. Thorein, Rundfunk und Fernsehen 1997, 285 (298). Kritisch zu dieser Regelung Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 11 Rnr. 33. Aus den Materialien Fraktionsentwurf, BT-Drs. 13/3609, S. 40 Zu § 11; Bundesrat, BT-Drs. 13/4438, S. 9 Nr. 27; Bundesrat, BT-Drs. 13/4938, S. 3 Nr. 4. Zur Umsetzung Vfg 55/1998 Entscheidung der Präsidentenkammer vom 3. Juni 1998 über das Verfahren zur Vergabe von Frequenzen für die Funkanbindung von Teilnehmeranschlüssen als Punkt-zuMehrpunkt-Richtfunk, ABl. Reg TP 11/1998, S. 1519. 14 Dies war auch vom Bundesrat nicht verlangt. Vgl. Bundesrat, BT-Drs. 13/4438, S. 19 Nr. 73: „Dabei soll nicht .eine Mitwirkung der Länder bei der abschließenden Vergabeentscheidung im Einzelfall erfolgen."

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4. Teil: Die Einwirkung der Länder

faßt das Benehmen nach § 73 Abs. 3 S. 3 TKG alle Entscheidungen iSd. § 19 TKG über die Auferlegung von Universaldienstleistungen. 15 Ein letztes, schwächeres Mitwirkungsrecht enthält § 69 Nr. 6 TKG. Danach ist der Beirat bei der Aufstellung des Frequenznutzungsplanes anzuhören. Der Frequenznutzungsplan nach § 46 TKG spezifiziert die Nutzungsordnung des Frequenzbereichszuweisungsplanes, einer Rechtsverordnung, der der Bundesrat insoweit zustimmt, als sie Rundfunkfrequenzen ausweist.16 In ihrer Reichweite gehen die Mitwirkungsrechte des Beirates nirgends über Benehmenserfordernisse hinaus.17 Der Bundesrat selbst stellte fest, daß es an echten Mitentscheidungsrechten fehle. 18 Die Kontrollrechte des Beirates bestehen in einem Initiativrecht, Anträge zu stellen (§ 69 Nr. 3 TKG), einem Zitationsrecht (§ 68 Abs. 7 S. 3 TKG) und einem Fragerecht mit begrenzter Auskunftspflicht (§ 69 Nr. 4 TKG). Sie entsprechen in etwa den Rechten, die Art. 50 u. Art. 53 GG dem Bundesrat zum Zwecke der Verwaltungskontrolle einräumen. In der Summe können die Länder über den Beirat nur sehr begrenzt und in doppelter Weise mediatisiert auf die Regulierungsbehörde Einfluß nehmen: Sie sind auf wenige förmliche Mitwirkungsrechte beschränkt. Sie können nicht als einzelne, sondern nur durch den Bundesrat insgesamt agieren. Und sie bleiben zuletzt auf die Unterstützung der Bundesratsvertreter angewiesen.

Zweiter A bschnitt

Der Beirat als Institution der Mischverwaltung Die Mitwirkungsrechte des Beirates bleiben deutlich hinter denen des früheren Regulierungsrates zurück. 19 Im Vergleich zum früheren Infrastrukturrat und 15 Vgl. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 69 Rnr. 10. Zum Universaldienstregime im einzelnen Schütz/Cornils, DVB1. 1997, 1146 (1149). Zum Verfahren der Präsidentenkammer S. 423 ff. 16 Vgl. § 45 u. § 46 TKG. Zu den Einzelheiten Verordnung über das Verfahren zur Aufstellung des Frequenznutzungsplanes (Frequenznutzungsplanaufstellungsverordnung FreqNPAV) - Entwurf, BR-Drs. 378/97. 17 Vgl. übereinstimmend Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 69 Rnr. 11 f; Kerkhoff,\ in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 73 Rnr. 31. 18 Bundesrat, BT-Drs. 13/4938, S. 5 Nr. 13. Ebenso Scheurle/Lehr/Mayen, Einführung, S. 17; Windthorst, Universaldienst, S. 375. 19 Vgl. zur Beschlußfassung des Regulierungsrates über minsterielle Rechts Verordnungen, dieEntgeltregulierung und die Monopolabgrenzung § 13 Abs. 2 u. Abs. 3 Nr- 13 PTRegG: .Ähnlich bereits § 34 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 PostVerfG u. § 34 Abs. 3 PostVerfG für den Infrastrukturrat. Zur Mitwirkung des Postverwaltungsrates an Gebührenverordnungen § 14 PostVwG. Zum Vergleich des Beirates mit dem Regulierungsrat auch Gep-

2. Abschnitt: Der Beirat als Institution der Misch Verwaltung

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dem Regulierungsrat haben die einzelnen Länder zugunsten des Bundesrates als Gesamtheit an Gewicht verloren. 20 Dessen Stellung ist wiederum im Verhältnis zum Bundestag durch den Verzicht auf ein Länderquorum geschwächt worden. 21 Damit verläßt der Beirat möglicherweise die „verfassungsrechtlich zwielichtigen Pfade", auf denen zuletzt der Regulierungsrat wandelte.22 Gleichwohl wird auch dem Beirat warnend vorgehalten, er dürfe nicht in unzulässige Mischverwaltung ausarten. 23 Die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung verwendet indes den topos der Mischverwaltung selbst nicht mehr als dogmatisch trennscharfen Begriff. 24 Inwieweit eine Mitwirkung der Länder zulässig ist, ist daher direkt an der einschlägigen Verfassungsnorm einerseits (A) und dem konkreten Kooperationsverhältnis andererseits (B) zu untersuchen. 25

A. Die verfassungsanerkannten Belange der Länder in der Telekommunikation Zunächst steht in Frage, inwieweit Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG eine Einflußnahme der Länder zuläßt. Verfassungshistorisch enthielt die bundeseigene Verwaltung des Fernmeldewesens stets eine föderale Komponente, sei es innerhalb des Postverwaltungsrates, 26 des Infrastrukturrates oder des Regulierungsrates. Die Mitwirkungsrechte des Beirates bleiben hinter diesen Vorgängern zurück. 27 Schon dies spricht dafür, das gegenwärtige Arrangement für zulässig zu halten.

pert , in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 69 Rnr. 2 f. Historisch Badura, in: Bonner Kommentar, Art. 87fRnr. 19. 20 Zum Beirat § 32 Abs. 1 PostVerfG; Zum Regulierungsrat § 11 Abs. 1 PTRegG. 21 Vgl. dagegen § 13 Abs. 3 S. 2 2. Hs. PTRegG. 22 Zitat Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 38; ähnlich Uerpmann, in: von Münch/Kunig, Art. 87f Rnr. 13; Windthorst, Universaldienst, S. 376. 23 Vgl. Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 69 Rnr. 3; Ulmen/Gump, CR 1997, 396 (402); Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 13/4438, S. 37 Zu Nr. 73. 24 Vgl. BVerfG E 63, 1 (38) - Schornsteinfegerversicherung -. Zustimmend SchmidtAßmann/Fromm, S. 130 f; Krebs, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. III, § 69 Rnr. 62; Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. IV, § 98 Rnr. 183, der nach der Niederlegung des dogmatischen Dammes der Mischverwaltung eigene, vom Beirat gewahrte Grenzen aufzeigt (aaO., Rnr. 185). Allgemein zur Misch Verwaltung Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rnr. 32 ff. 25 Vgl. zum Prüfungsprogramm Schmidt-Aßmann/Fromm, S. 130 f. 26 Keine Bedenken insoweit bei Dittmann, S. 182. 27 ObenS. 38, S. 51 u. S. 76 ff.

456

4. Teil: Die Einwirkung der Länder

Ein Blick auf die föderalen Belange, die hinter den einzelnen Mitwirkungsrechten stehen, bestätigt dies. Ihr Verlangen nach Beteiligung hatten die Länder zuförderst mit ihrer Sorge begründet, daß städtische Ballungsgebiete und ländliche Flächen gleichmäßig mit Telekommunikationsdienstleistungen versorgt würden. 28 Hier stand die Ausgestaltung der Gewährleistung nach Art. 87f Abs. 1 GG iVm. den heutigen §§ 17 ffu. § 11 Abs. 7 TKG im Streit. Des weiteren machten die Länder ihre Rundfünkkompetenz geltend. Sie beanspruchten daher ein Mitspracherecht bei der Frequenzverteilung. 29 Die in der Öffentlichkeit viel beachtete Frage der Wegerechte spielte demgegenüber eine nachgeordnete Rolle. 30 Jeder der angeführten Belange rechtfertigt aber die im einzelnen gewährten Mitwirkungsrechte: In der Frequenzverwaltung überschneiden sich die Belange der Telekommunikation mit denen der Medien. 31 Ein ähnliches gilt für die Breitbandkabelbelegung.32 Hier ist es die „Telekommunikation", die begrifflich die Bundeskompetenz von der Länderkompetenz scheidet.33 Nach dem Leitsatz des 1. Rundfunkurteils befaßt sich das Fernmeldewesen mit der technischen Übermittlung, der Rundfunk mit den Sendeinhalten.34 Sachgeborene Überlagerun-

28

Zum „Rosinenpicken" vgl. Bundesrat, BT-Drs. 13/4438, S. 5 Nr. 1; Bundesrat, BT-Drs. 13/4938, S. 2 Nr. 2. Dagegen Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 13/4438, S. 29 Zu Nr. 1. 29 Vgl. Bundesrat, BT-Drs. 13/4438, S. 6 Nr. 7; Bundesrat, BT-Drs. 13/4938, S. 2 Nr. 1. Zur früheren Rechtslage Löwer, Fernmeldekompetenz und Funkwellenzuteilung im Bundesstaat, Jb. d. DBP 1989,41. 30 Vgl. Thorein, Rundfunk und Fernsehen 1997, 285 (300) u. den Änderungsantrag der Fraktion der SPD, BT-Drs. 13/4893. Der Bundesrat, BT-Drs. 13/4938, warf die Frage nicht nochmals auf. 31 Vgl. nur § 47 Abs. 3 TKG, nach dem Rundfunkfrequenzen nur nach Vorlage einer medienrechtlichen Genehmigung erteilt werden, u. BMPT, Vfg 193/1997 Beantragung von Lizenzen zum Betreiben von Übertragungswegen für Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit durch den Lizenznehmer oder andere, für die eine Zuteilung von Frequenzen zur Übertragung von Rundfunkprogrammen erforderlich ist, ABl. BMPT 23/1997, S.1278. Vgl. auch BMPT, Vfg 273/1997 Digitale Medien- und Teledienste nach dem T-DAB-Übertragungsverfahren; hier Frequenzbedarfsabfrage 1452 bis 1467,5 MHz, ABl. BMPT 30/1997, S.1704. 32 Vgl. VG Berlin, Beschluß v. 12.8.1997 - VG 27 A 273.97 - Kabelbelegung -, S. 15-19. BGH, WuW 1996, 728 - Premiere -. Ausführlich Hubertus Gersdorf, Regelungskompetenzen bei der Belegung digitaler Kabelnetze, Berlin 1996. 33 BVerfG E 12, 205 (250) - Deutschlandfernsehen -. Dies gilt sowohl für die Gesetzgebungs- als auch für die Verwaltungskompetenz, wobei erstere die äußerste Grenze der letzeren markiert. 34 BVerfG E 12, 205 (225) - Deutschlandfernsehen -. Zustimmend Uerpmann, in: v. Münch, Art. 87f Rnr. 5; Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 52 u. 78; Windthorst, Universaldienst, S. 74 f f

2. Abschnitt: Der Beirat als Institution der Misch Verwaltung

457

gen kann die Faustformel des Bundesverfassungsgerichts ihrer Natur nach nicht abbilden. 3 5 Sie w i r d daher auf einer zweiten Stufe u m Verhaltensprinzipien angereichert, u m drohende Kompetenzkonflikte zu entschärfen. 36 So w i r d beispielsweise die dienende Funktion des Fernmeldewesens gegenüber dem Rundfunk bzw.

der Grundsatz bundesfreundlichen

Verhaltens hervorgehoben. 3 7

Ins-

titutionell führt dies zu verfassungsrechtlich unbedenklichen Abstimmungsmechanismen. 3 8 D i e Anhörung des Beirates bei der Aufstellung des Frequenznutzungsplanes 3 9 ist daher ebenso sinnvoll wie seine M i t w i r k u n g bei der Festlegung v o n Frequenznutzungsbestimmungen. 40 Sofern Medienbelange berührt werden, ist eine M i t w i r k u n g des Beirates unter § 69 T K G i V m . § 11 T K G und § 46 T K G verfassungsrechtlich unbedenkl i c h . 4 1 Wer die These vertritt, jede anderweitige Frequenznutzung beschneide auch die Rundfünkhoheit, w i r d sogar noch weitergehende Mitwirkungsrechte der Länder fordern. 4 2

35 Vgl. Scherer, NJW 1998, 1607 (1608) u. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 78 u. 52 zu „Abstimmungsnotwendigkeiten". Vergleichbare Überlagerungen im Verkehrswesen bezeichnen Schmidt-Aßmann/Fromm, S. 139 als „Verbundmaterien". Ausführlich Karl-Heinz Ladeur, Zur Notwendigkeit einer flexiblen Abstimmung von Bundes- und Landeskompetenzen auf den Gebieten des Telekommunikations- und Rundfunkrechts, Z U M 1998, 261; Christian Koenig/Enrst Röder, Plädoyer zur Überwindung der zersplitterten Aufsicht über neue Informations- und Kommunikationsmedien, K & R 1998,417. 36 Vgl. aus der überquellenden Literatur nur Margarete Schuler-Harms, Rundfunkaufsicht im Bundesstaat, Baden-Baden 1995; Detlef Kröger/FlemmingMoos, Mediendienst oder Teledienst?, AfP 1997, 675; Bernd Holznagel, Probleme der Rundfunkregulierung im Multimedia-Zeitalter, Z U M 1996, 16; R. Bermanseder, Wann sind Mediendienste dem Rundfunk zuzuordnen, ZRP 1997, 330. 37 Im Anschluß an BVerfG E 12, 205 (227) - Deutschlandfernsehen -, vgl. Hubertus Gersdorf, Die dienende Funktion der Telekommunikationsfreiheiten - Zum Verhältnis von Telekommunikations- und Rundfunkordnung, AfP 1997, 424; VG Berlin, Beschl. v. 12.8.1997 - VG 27 A 273.97 - Kabelbelegung -, S. 14 f des Umdrucks; Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 78 u. 52. Des Arguments bedient sich auch Bundesrat, BTDrs. 13/4938, S. 3 Nr. 6. 38 Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 78 u. 108. 39 § 69 Nr. 6 TKG iVm. § 46 TKG. 40 § 69 Nr. 2 TKG iVm. § 73 Abs. 3 S. 3 TKG iVm. § 11 Abs. 4 Nr. 2 u. 3, Abs. 6 Nr. 2 u. 3 TKG. 41 Für den Rundfunk hat sich neben dem Beirat ein eigener Ausschuß gebildet, in dem die Länder unmittelbar mitwirken, vgl. BMPT, Mitteilungen Nr. 7/1997 Einrichtung eines "Ausschusses für die technische Regulierung der Nutzung von Rundfunkfrequenzen" (TRR), ABl. BMPT 2/1997, S. 58. 42 So Michael Libertus, Zur Notwendigkeit einer Neubestimmung des Verhältnisses von Rundfunk- und Telekommunikationsrecht am Beispiel der Frequenzordnung, Z U M

458

4. Teil: Die Einwirkung der Länder

Entscheidungen nach § 19 T K G und § 11 Abs. 7 T K G konkretisieren die bundesstaatliche Infrastrukturverantwortung. 4 3 D i e Regulierung fuhrt hier den staatlichen Auftrag zur Daseinsvorsorge i n der reduzierten F o r m der Gewährleistung fort. I m Umfeld der Daseinsvorsorge war der föderale Kooperationsbedarf typischerweise höher als i n der klassischen Hoheitsverwaltung. 4 4 Namentlich i n der Regulierung v o n Versorgungsnetzen erkennt die Verfassung w e i t h i n die fortbestehenden Interessen der Länder an. 4 5 I m Vergleich erinnert etwa Art. 87e Abs. 4 S. 1 G G m i t der Herausnahme des Schienenpersonennahverkehrs aus der Bundesverwaltung daran, daß die regionale Versorgung Länderaufgabe ist. Für die telekommunikative Grundversorgung ist die Mitverantwortung der Länder ausdrücklich i n Art. 87f Abs. 1 G G niedergelegt w o r d e n Diese V o r schrift baut die bisherigen Rechte der Länder zu einem Zustimmungserfordernis des Bundesrates i n der Gesetzgebung h i n aus. 4 6 Art. 87f G G n i m m t sie i n Gesetzgebung und Verwaltung hinein.

Denn auch i n der Telekommunikation

ist eine Unterversorgung weniger i n bundesweiten Diensten als i n regionalen

1997, 702; Stefan Engels, Regelungen zur rundfunkrechtlichen Frequenzoberverwaltung, Z U M 1997, 106(113). 43 M i t dem Anliegen, ein flächendeckendes Angebot von Telekommunikationsdienstleistungen sicherzustellen, begründete Ausschußbericht, BT-Drs. 13/4864, S. 81 Zu § 65a, S. 82 Zu § 65c, die Einrichtung des Beirats. A u f eine Infrastrukturverantwortung stützte der Bundesrat sein Verlangen nach weitergehender Mitwirkung, vgl. Bundesrat, BT-Drs. 13/4438, S. 19 Nr. 73; Bundesrat, BT-Drs. 13/4938, S. 4 f Nr. 12 u. 13. Die Bundesregierung entgegnete, daß sich aus dem Bundesstaatsprinzip keine über Art. 87f Abs. 1 GG u. Art. 80 Abs. 2 GG hinausgehenden Ingerenzrechte ableiten ließen. Sie gestand aber Mitentscheidungsrechte beim Erlaß von Rechtsverordnungen zu. Vgl. Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 13/4438, S. 37 Zu Nr. 73. Grundlegend zur staatlichen Infrastrukturverantwortung Hermes, S. 323 ff; dazu auch Schock, VVDStRL 57 (1998), S. 158 (198 f). 44 Vgl. Schmidt-Aßmann/Fromm, S. 139. 45 Vgl. Art. 87e Abs. 1 S. 2, Abs. 2 u. Abs. 4 iVm. Abs. 5 GG; Art. 89 Abs. 3; Art. 90 Abs. 3 GG. 46 Vgl. Badura, in: Bonner Kommentar, Art. 87f Rnr. 18, der hierin eine Tendenz zum „kooperativen Bundesstaat" verfassungsrechtlich bestätigt sieht. Einen „systemwidrig[en]" Einbruch in die Verwaltungskompetenzen des Bundes nach Art. 87f Abs. 2 S. 2 u. Abs. 3 befürchtet Windthorst, in: Sachs, Art. 87f Rnr. 21. Dem Vorwurf der Systemwidrigkeit läßt sich jedoch manches entgegenhalten: Art. 143b Abs. 2 S. 3 GG erkennt auch für die Unternehmensverwaltung ein gewisses, budgetär begründbares Interesse des Bundesrates an der Mitwirkung an. Die Bestandsschutzsgarantie des Art. 87f Abs. 3 GG unterwirft eine Aufgabe der Unternehmensverwaltung schon wegen ihrer verfassungsrechtliche Verankerung der Zustimmung des Bundesrates. Dem Bundesrat waren auch in der daseinsvorsorgenden Verwaltung nach Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG a.F. weitgehende Mitwirkungsrechte eingeräumt worden.

2. Abschnitt: Der Beirat als Institution der Misch Verwaltung

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Enklaven zu befürchten. 47 Daher ist es sinnvoll und unter Berücksichtigung des Art. 87f Abs. 1 GG auch verfassungsrechtlich zulässig, Länderinteressen über den Beirat und den Bundesrat in die Entscheidungen nach § 19 TKG und § 11 Abs. 7 TKG einzuführen. 48 Soweit die verbleibenden Entscheidungen gem. § 11 TKG weder der Grundversorgung dienen noch Medienbelange berühren, ist folgendes zu berücksichtigen: Auch jenseits der Grundversorgung ragt die bundeseigene Verwaltung der Telekommunikation in grundgesetzlich den Ländern oder Kommunen zugeordnete Kompetenzen hinein. Exemplarisch hierfür ist der Streit um die kommunalen Wegerechte. 49 Aus der lokalen und regionalen Bedeutung heraus läßt sich eine Mitwirkung der Länder auch dort begründen, wo weder Universaldienstleistungen iSd. Art. 87f Abs. 1 GG iVm. § 19 TKG u. § 11 Abs. 7 TKG noch Medieninteressen in Rede stehen. Zu denken ist beispielsweise an die Vergabe von Bündelfiinklizenzen für kommunale Großräume nach § 11 TKG. 5 0 Aber auch soweit die Vergabe Landesgrenzen überschreitet, etwa bei der Erteilung bundesweiter Mobilfünklizenzen, 51 ist ein verfassungsrechtlich erhebliches Interesse der Länder nicht ganz auszuschließen. Hier kann die gemeinsame Infrastrukturverantwortung Vorwirkungen entfalten. Zudem ist bei der bundesweiten Verteilung knapper Rechte regelmäßig das bundeseigene Unternehmen betroffen. Dieses darf der Bund nach Art. 143b Abs. 2 S. 3 GG

47

Für einen regionalen und gegen einen bundesweiten Marktbegriff ausdrücklich Schütz, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 18 Rnr. 27. 48 Denkbar wäre allerdings auch, das jeweils betroffene Land heranzuziehen. 49 Er wird vorrangig unter dem Blickwinkel der Gesetzgebungskompetenz ausgetragen. Vgl. nur Schacke/Rosin, Die Zuständigkeit des Bundes zur Regelung der unentgeltlichen Benutzung öffentlicher Verkehrswege für Telekommunikati.onslinien, DVB1. 1997,471. Unter dem Blickwinkel der Verwaltungskompetenz ist aber auch § 50 Abs. 4 TKG nicht unproblematisch. Hier geht die Zustimmungskompetenz im Falle institutioneller Befangenheit des Wegebaulastträgers direkt auf die Regulierungsbehörde des Bundes, nicht auf eine übergeordnete Landesbehörde über. 50 Vgl. BMPT, Vfg 6/1996 Interessenabfrage für jeweils eine Lizenz zum Errichten und Betreiben von Bündelfunknetzen in den Regionen Nürnberg und Münster/Osnabrück/Bielefeld, ABl. BMPT 6/1996, S. 29; BMPT, Vfg 48/1996 Ausschreibung je einer Lizenz zum Errichten und Betreiben von Bündelfunknetzen in den Regionen München, Münster/Osnabrück/Bielefeld, Nürnberg und Stuttgart, ABl. BMPT 1996, S. 355. 51 Vgl. BMPT, Vfg 82/1996 Hinweis auf eine Vergabe von vier bundesweiten Funkruflizenzen auf der Basis des europäischen ERMES-Standards in der Bundesrepublik Deutschland (ERMES-Lizenzen), ABl. BMPT 10/1996, S. 630; BMPT, Vfg 104/1996 Hinweis auf eine Vergabe von vier bundesweiten Funkruflizenzen auf der Basis des europäischen ERMES-Standards in der Bundesrepublik Deutschland, ABl. BMPT 16/1996, S. 926; BMPT, Vfg 114/1996 Hinweis auf die Ausschreibung einer bundesweiten Lizenz für ein digitales zellulares Mobilfunknetz auf der Basis des europäischen DCS 1800-Standards (E 2-Netz) in der Bundesrepublik Deutschland, ABl. BMPT 17/1996, 941.

460

4. Teil: Die Einwirkung der Länder

nicht aus der Hand geben, ohne daß der Bundesrat zustimmt. Damit erkennt die Verfassung insoweit ein gewisses, budgetäres Interesse der Länder an. 52 Über die technische Definition der Telekommunikation verschafft sich der Bund im übrigen Zugang zu einer Wirtschaftsverwaltungskompetenz. Diese liegt originär bei den Ländern (Art. 83 GG). 53 Daher ist eine Mitwirkung der Länder an Entscheidungen nach § 11 TKG auch in den nicht speziell verfassungsrechtlich abgedeckten Fällen tragbar. 54 Der Beirat artikuliert in Ausübung seiner Mitwirkungsrechte nach § 73 Abs. 3 S. 3 TKG somit Belange der Länder, die auch im Rahmen bundeseigener Verwaltung unter Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG zu berücksichtigen sind.

B. Die Gewichtung der Länderbelange in der Zusammenarbeit mit der Regulierungsbehörde Diese Belange erhalten durch eine beiratliche Artikulation kein übermäßiges, das verfassungsrechtlich zulässige Kooperationsverhältnis überlastendes Gewicht. Dies gilt namentlich für das personelle Vorschlagsrecht nach § 69 Nr. 1 TKG iVm. § 66 Abs. 3 TKG. Das Grundgesetz selbst normiert verschiedentlich ähnliche Abstimmungserfordernisse. 55 Das gewählte Vorgehen ist ihm nicht strukturfremd. Unter Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG a.F. waren die Präsidenten der früheren Oberpostdirektionen, unter Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG leitende Stellen der Regulierung überhaupt im Einvernehmen mit dem jeweiligen Ratsgremium zu besetzen.56 Demgegenüber fokussiert sich das Vorschlagsrecht des Beirates auf die Sachbereiche, in denen die verfassungsanerkannten Länderinteressen besonders zu berücksichtigen sind. Die von ihm vorgeschlagenen Präsidenten bilden gemeinsam eine Beschlußkammer nach § 73 Abs. 3 S. 1 TKG.

52

Zur Herkunft des Zustimmungsrechts aus der Budgetverantwortung vgl. Badura, in: Bonner Kommentar, Art. 87f Rnr. 19. 53 Vgl. zur kartellrechtlichen Mißbrauchsaufsicht durch die Landesbehörden § 44 Abs. 1 Nr. 3 u. § 45 GWB a.F. und § 48 GWB idF. V. 26.8.1998. Dem Verlangen des Bundesrates, BT-Drs. 13/4438, S. 20 Nr. 77, wegen der regionalen Bedeutung auch die Landeskartellbehörden im heutigen § 82 TKG zu benennen, hielt die Bundesregierung, BT-Drs. 13/4438, S. 38 Zu Nr. 77 entgegen, es bestehe bereits ein Koordinierungsgremium zwischen Bundeskartellamt und Landesbehörden. Allerdings sei die regionale Reichweite und Bedeutung der jeweiligen Fallgestaltung nicht außer acht zu lassen. Vgl. auch Geppert, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 82 Rnr. 12. 54

Bedenklich aber der Versuch des Beirates, die Erteilung von Postlizenzen an die Einhaltung von Sozialstandards zu binden. Dazu NJW-Wochenspiegel, 18/1998, S. X L I V , „Konkurrenz für Deutsche Post AG". 55 Vgl. Art. 85 Abs. 3 S. 3 GG; Art. 108 Abs. 1 S. 3 u. Abs. 2 S. 2 GG. 56 Vgl. § 29 Abs. 1 PostVwG und den in das verfassungsrechtliche Zwielicht (oben S. 76 ff) führenden § 13 Abs. 4 PTRegG.

2. Abschnitt: Der Beirat als Institution der Misch Verwaltung

461

Diese Präsidentenkammer entscheidet in den Fällen des § 11 TKG und des § 19 TKG. Dies sind die Fälle, in denen der Beirat verfassungsrechtlich gebilligte Länderinteressen einbringen kann, namentlich solche der Grund- und der Frequenzversorgung. Weitergehende Kompetenzen besitzt die Präsidentenkammer qua Gesetz nicht. Die Behördenleitung ist dem Präsidenten allein anvertraut (§ 66 Abs. 2 S. 1 TKG). Die Vizepräsidenten verfugen jenseits ihrer Beschlußkammertätigkeit nicht über originäre, sondern nur über vom Präsidenten übertragene Kompetenzen.57 Deswegen ist es einerseits konsequent, daß die Bundesregierung in der Auswahl des gesetzlich allzuständigen Präsidenten - wie gesehen58 - auf ihrem Letztentscheidungsrecht beharrt. Andererseits ist es als Vorwirkung aus § 73 Abs. 3 S. 3 TKG iVm. § 19 u. § 11 TKG hinnehmbar, wenn der Beirat namentlich an der Auswahl der Vizepräsidenten mitwirkt. Das Letztentscheidungsrecht der Bundesregierung fuhrt das Vorschlagsrecht des Beirates auf die Qualität eines Benehmensrechtes zurück. Benehmensrechte - dies gilt auch für die sachliche Mitwirkung des Beirates nach § 69 Nr. 2 iVm. § 73 Abs. 3 S. 3 TKG, § 69 Nr. 6 TKG - stellen keine unzulässige Mischverwaltung dar. Diese läge auch nach der älteren Rechtsprechung erst vor, wenn die Zustimmung der Länder benötigt würde. 59 Auch die Koppelung eines personellen Vorschlags mit einem sachlichen Benehmenserfordernis führt nicht dazu, daß der Beirat in den Angelegenheiten nach § 11 TKG und § 19 TKG mitentscheidet. Dem steht das Letztentscheidungsrecht der Regierung bzw. des Präsidiums entgegen. Informations-, Abstimmungs- und Kooperationspflichten, wie sie der Beirat beansprucht, begründen keine Mischverwaltung. 60 Die Eigenverantwortung des Bundes schmälern sie nicht. Zudem wird der Einfluß der Länder über den Bundesrat vermittelt. Da der Bundesrat selbst Bundesorgan ist, kann er sich dem Vorwurf der Mischverwaltung entziehen.61 Dieses zunächst formale Argument hat für sich, daß nach

57 Deutlich wird dies in § 2 Abs. 2 GO Reg TP: „Die beiden Vizepräsidenten unterstützen den Präsidenten bei der Leitung der Reg TP im Rahmen der ihnen vom Präsidenten allgemein oder im Einzelfall übertragenen Aufgaben." [Hervorhebung meinerseits]. 58 Oben S. 337. 59 Vgl. BVerfG E 11, 105 (124) - Familienausgleichskassen -. Dazu Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. IV, § 98 Rnr. 181. 60 Vgl. Badura, in: Bonner Kommentar, Art. 87f Rnr. 19 mwN.; SchmidtAßmann/Fromm, S. 136 f; Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. IV, § 98 Rnr. 180. 61 So Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 108 u. 38; Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. IV, § 98 Rnr. 179;M*yf?r, Bundespost, S. 80 Fn. 195. A.A. Broß, in: von Münch/Kunig, Art. 86 Rnr. 1; Stern, II, § 41 V I I 1., S. 815. Der Bundesrat selbst forderte stets eine Beteiligung der „Länder", nicht des Bundesrates forderte. Vgl. Bundesrat, BT-Drs. 13/4438, S. 19 Nach § 65; Bundesrat, BT-Drs. 13/4938, S. 4 f Nr. 12; Ausschußbericht, BT-Drs. 13/4864, S. 81.

462

4. Teil: Die Einwirkung der Länder

Art. 51 Abs. 2 GG die Länderstimmen im Bundesrat gewichtet und so auf das Ganze ausgerichtet werden. Es trifft jedenfalls dann zu, wenn die konkreten Abstimmungsverhältnisse einer Repräsentation einzelner Länder entgegenstehen. Dies ist nach dem TKG der Fall. Hier konzentriert sich der Einfluß von 16 Ländern auf neun Bundesratsstimmen im Beirat (§ 66 Abs. 1 S. 2 TKG). Er schlägt damit von einer individuell-identitären in eine kollektiv-repräsentative Vertretung um. Im Beirat wird sodann der Einfluß der Bundesratsvertreter ein weiteres Mal kanalisiert. In ihm treten der Regulierungsbehörde nicht die Länder, sondern die Bundesorgane Bundestag und Bundesrat gegenüber. Aus der ursprünglich geforderten Ländervertretung ist im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens eine parlamentarische Kontrollinstanz geworden. Die Mitwirkungsrechte des Beirates verleihen also weder nach ihrer Reichweite noch nach ihrer Inhaberschaft Länderinteressen übermäßiges Gewicht. 62

Dritter Abschnitt Fazit Der Beirat ist keine Ländervertretung, sondern ein gemeinsames Organ von Bundestag und Bundesrat. Ihm ist besonders die Wahrung infrastruktureller Belange aufgegeben. Die Artikulation von Länderinteressen in der Frequenzund in der Grundversorgung ist unter Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG unbedenklich. Das gilt um so mehr, als die Mitwirkungsrechte des Beirates nach § 73 Abs. 3 S. 3 TKG und § 66 Abs. 3 TKG nicht über Benehmenserfordernisse hinausreichen. Im Konfliktfalle kann der Beirat eine selbständige Entscheidung der Regulierungsbehörde nicht verhindern. Eine unzulässige Mischverwaltung ist nicht zu befürchten. Die mehrfach vermittelte Einflußnahme der Länder wird daher eine politische Verselbständigung der Regulierungsbehörde kaum hemmen, wohl aber begleiten können.

62 Im Ergebnis auch Badura, in: Bonner Kommentar, Art. 87f Rnr. 19; Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rnr. 38 u. 113; Müller-Terpitz, ZG 1997, 257 (266); Scheurle/LehrMayen, Einführung, S. 17.

Fünfter T e i l

Die gemeinschaftsrechtliche Integration der Regulierungsbehörde Bislang hat sich die Betrachtung auf die Stellung der Regulierungsbehörde innerhalb des bundesdeutschen Verwaltungszusammenhanges konzentriert. Dieser ist aber vielfach mit den Institutionen der Europäischen Gemeinschaft verzahnt. 1 Im Zuge der gemeinschaftsrechtlichen Integration stellt sich die Frage, inwieweit die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde durch die Einwirkung der Europäischen Kommission überlagert oder unterfangen wird. Soweit die gemeinschaftliche Telekommunikationspolitik richtlinienförmig niedergelegt ist, unterliegt die Tätigkeit der Regulierungsbehörde der Umsetzungsaufsicht der Kommission (Erster Abschnitt). Die sektorspezifische Regulierung der mitgliedstaatlichen Behörde überschneidet sich mit dem gemeinschaftseigenen Vollzug des vertraglichen Kartellrechts durch die Kommission (Zweiter Abschnitt). Auch der indirekte Vollzug des gemeinschaftlichen Telekommunikationsrechts ist unter der Ägide der Kommission zu harmonisieren (Dritter Abschnitt). Zuletzt könnte eine „Europäische Regulierungsbehörde" bei der Kommission in Konkurrenz zu den mitgliedstaatlichen Behörden treten (Vierter Abschnitt).

Erster Abschnitt

Die Regulierungsbehörüe unter der Umsetzungsaufsicht der Kommission Das Telekommunikationsrecht des TKG ist - ohne den Stolz deutscher Politiker schmälern zu wollen - in seiner Essenz Europarecht. 2 Die Gemeinschaft hat seit Mitte der 80er Jahre die Telekommunikationspolitik an sich gezogen.3 1 Vgl. Thomas von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und europäische Integration, Tübingen 1996. 2 Vgl. Scherer, NJW 1996, 2953 (2953f); Wolfgang Hoffmann-Riem, Telekommunikationsrecht als europäisches Verwaltungsrecht, DVB1. 1999, 125. 3 Einen aktuellen Überblick enthält European Commission, Status Report on European Union Telecommunications Policy, Update: January 1998. Kurze Übersicht in Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1997, S. 4-5, getrennt nach Libe-

464

5. Teil: Die gemeinschaftsrechtliche Integration

Namentlich die Kommission erwies sich als die Institution, die den mitgliedstaatlichen Monopolverwaltungen mit Erfolg gegenüber treten konnte,4 imstande war, deren eigenes Verlangen nach grenzüberschreitender Betätigung im Binnenmarkt aufzunehmen, 5 und die die europäischen Belange in bilateralen und multilateralen Verhandlungen, insbesondere gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika vertritt. 6 Dieser politische Prozeß hat sich in zahlreichen Richtlinien niedergeschlagen.7 Sie dienten zunächst dazu, den Telekommuniralisierung, Harmonisierung und Wettbewerbsrecht. Vgl. auch Lothar Ehring, Grundlagen und Entwicklung der Liberalisierung der Telekommunikationsmärkte in Europa zugleich ein Beitrag zu Art. 90 EGV, in: Thomas Hoeren/Robert Queck (Hrsg.), Rechtsfragen der Informationsgesellschaft, Berlin 1999, S. 32. 4 Vgl. demgegenüber die gescheiterten Reformversuche 1966 und die halbherzige Reform von 1989. Zur europarechtlichen Motivation der Postreform II Badura, in: Bonner Kommentar, Art. 87 Rnr. 7-10; zur Postreform I Grämlich, VerwArch 88 (1997), 598 (613 f). 5 Vgl. aus Sicht der Deutschen Bundespost nur Rupert Scholz/Josef Aulehner, Tochtergesellschaften und Unternehmensbeteiligung der Deutschen Bundespost Telekom im Ausland, Arch PT 1993, 103. 6 Vgl. außer den Verhandlungen im Rahmen des GATS (dazu Dietrich Barth, Die Liberalisierung der Telekommunikationsdienstleistungen in der Welthandelsorganisation, Arch PT 1997, 112; Jürgen A. Heilbock, Neueste Entwicklungen im internationalen Telekommunikationsrecht, M M R 1998, 129) auch die bilateralen Verhandlungen im Zuge des Fusionsvorhabens der britischen BT mit der amerikanischen MCI (dazu Ungere, r, Fordham Corporate Law Institute (1996), S. 465 (498ff). Umfassend Klaus W. Grew lieh, Konflikt und Ordnung in der globalen Kommunikation, Baden-Baden 1997; im Überblick ders., Wettstreit im Regulierungsrecht der Kommunikation - Auswirkungen auf Unternehmen und Geschäftsallianzen, K & R 1998, 523. 7 Überblick bei Windthorst, Universaldienst, S. 122 ff. Weiterhin die Berichte von Marcel Haag, Entwicklungen der Telekommunikationspolitik auf der Ebene der Europäischen Union im Jahre 1996, in: Klump/Kubicek et.al. (Hrsg.), Jahrbuch Telekommunikation und Gesellschaft 1996, 375, und Marcel Haag/Herbert Ungerer, Entwicklungen der Telekommunikationspolitik auf der Ebene der Europäischen Union im Jahre 1995, in: Klump/Kubicek et.al. (Hrsg.), Jahrbuch Telekommunikation und Gesellschaft 1995, 352. Über die Entwicklungen in 1997 berichten die Bundesregierung, BT-Drs. 13/7168, abgedruckt in ArchivPT 1997, S. 171-179 und Klaus Dieter Ordemann, Schaffung der Rahmenbedingungen für eine liberalisierten Telekommunikationsmarkt in Europa ab 1998, ArchivPT 1997, S. 109-112; Michael Esser-Wellié, AfP 1997, S. 612-613. Bis 1995 berichtet zusammenfassend Haar, Marktöffnung, S. 235-286, dazu auch Michael Brenner, Der Gestaltungsauftrag der Verwaltung in der Europäischen Union, Tübingen 1996, S. 321-324. Eine tabellarische Übersicht zur Umsetzung des Europarechts bis 1996 bietet Wolfgang Kilian, Europäisches Wirtschaftsrecht, München 1996, Rnr. 699. Für den Zeitraum 1990-1996 und die parlamentarische Beratung des TKG bietet eine tabellarische Übersicht Helmut Fangmann, Das neue Telekommunikationsgesetz, Heidelberg 1997, S. 11-12. Die Übergangsphase bis zum Erlaß des TKG schildert Rainer Hallenga, Europarechtliche Vorgaben für die Liberalisierung von Telekommunikationsnetzmärkten und die Umsetzung in nationales Recht, ArchivPT 1996, 239-246, der sich insbesondere mit der Telekommunikationsverleihungsverordnung auseinandersetzt. Zur Medienordnung Alexander Tettenborn, Die neuen Informationsund Kommunikationsdienste im Kontext der Europäischen Union, EuZW 1997, S. 462467.

. Abschnitt: Die

e t s a u f s i c h t der Kommission

465

kationsmarkt auf der Grundlage von Art. 90 Abs. 3 EGV 8 zu liberalisieren, also die ausschließlichen Rechte der mitgliedstaatlichen Monopolisten aufzuheben. 9 Die Liberalisierung kumulierte in dem Datum der Aufhebung des verbliebenen Sprachtelefondienstprivilegs am 1.1.1998.10 Nunmehr tritt das Bestreben in den Vordergrund, die Marktbedingungen gemeinschaftsweit zu harmonisieren. 11

8

Diese Abkürzung wird hier durchgängig verwendet, obwohl die früheren Richtlinien auch auf dem Vertrag über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft beruhen. 9 Zusammenfassender Überblick bei Ungerer, Fordham Corporate Law Institute (1996), S. 465 (483 ff), der allerdings die Entscheidung EuGH v. 20.3.1985 Rs 41/83 Italien/Kommission (British Telecom) - Slg. 1985, S. 873 Rnr. 18-20, als erste Phase bezeichnet. Vgl. im einzelnen Richtlinie der Kommission v. 16.5.1988 über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikations-Endgeräte (88/301/EWG), ABl. EG Nr. L 131 v. 27.5.1988, S. 73 [Endgeräterichtlinie]. Soweit die Endgeräterichtlinie sich nicht auf ausschließliche, sondern auf besondere Rechte bezog, hatte eine Klage Frankreichs Erfolg. Art. 2, 7 u. 9 wurden insoweit für nichtig erklärt. EuGH v. 19.3.1991 - Rs. C202/88 - Frankreich/Kommission, ABl. EG Nr. C 96 v. 12.4.1991, S. 6, Slg. 1991 I, S. 1223 Rnr. 17. Die Richtlinie 94/46/EG der Kommission v. 13.10.1994 zur Änderung der Richtlinie 88/301/EWG und 30/388/EWG, insbesondere betreffend die SatellitenKommunikation, ABl. EG L Nr. 268 v. 19.10.1994, S. 15 [Satellitenrichtlinie], faßte daher über ihren Art. 1 auch die Art. 1 u. 2 Endgeräterichtlinie neu. Die Liberalisierung der Dienste begann zunächst verhalten mit der Richtlinie der Kommission v. 28.6.1990 über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikationsdienste (90/388/EWG), ABl. EG Nr. L 192 v. 24.7.1990, S. 10 [Wettbewerbsrichtlinie 1990], wurde dann aber über die folgenden Richtlinien auf den gesamten Telekommunikationssektor ausgeweitet: Richtlinie 94/46/EG der Kommission v. 13.10.1994 zur Änderung der Richtlinie 88/301/EWG und 30/388/EWG, insbesondere betreffend die Satelliten-Kommunikation, ABl. EG L Nr. 268 v. 19.10.1994, S. 15 [Satellitenrichtlinie]; Richtlinie 95/51/EG der Kommission v. 18.10.1995 zur Änderung der Richtlinie 30/388/EWG hinsichtlich der Aufhebung der Einschränkungen bei der Nutzung von Kabelfernsehnetzen für die Erbringung bereits liberalisierter Telekommunikationsdienste, ABl. EG Nr. L 256 v. 26.10.1995, S. 49; Richtlinie 96/2/EG der Kommission v. 161.1996 zur Änderung der Richtlinie 90/388/EWG betreffend die mobile Kommunikation und Personal Communications, ABl. EG Nr. L 20 v. 26.1.1996, S. 59 [Mobilkommunikationsrichtlinie]; Richtlinie 96/19/EG der Kommission vom 13.3.1996 zur Änderung der Richtlinie 90/388/EWG hinsichtlich der Einfuhrung des vollständigen Wettbewerbs auf den Telekommunikationsmärkten [Änderungsrichtlinie]. Dabei ging dem Erlaß der Richtlinien regelmäßig die Veröffentlichung eines sog. „Grünbuchs" voraus, in dem die Kommission ihre Politik vorstellte und zur Kommentierung einlud. Der Telekommunikationssektor ist nach Ungerer, Fordham Corporate Law Institute ( 1996), S. 465 (474) das erste Politikfeld, in dem dieses Verfahren konsequent durchgehalten wurde. 10 Vgl. Art. 2 Abs. 2 Diensterichtlinie. Dort auch zur Möglichkeit, Fristverlängerungen zu gestatten. Zum Begriff der Liberalisierung Windthorst, Universaldienst, S. 118. 11 Überblick auf dem Stand von 1995 bei Scott, in: Scott/Audéoud (eds.), 21 (25-34). Vgl. für Endgeräte Richtlinie des Rates v. 29.4.1991 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Telekommunikationsendeinrichtungen einschließlich der gegenseitigen Anerkennung ihrer Konformität (91/263/EWG), ABl. EG Nr. L 128 v. 23.5.1991, S. 1, ergänzt durch die Richtlinie des Rates v. 29.10.1993 zur Ergänzung der Richtlinie 91/263/EWG hinsichtlich Satellitenfunkanlagen (93/97/EWG), ABl. EG Nr. L 290 v. 24.11.1993, S. 1. Für den Netzzugang zunächst Richtlinie des Rates zur Verwirklichung des Binnenmarktes für Telekommunikationsdienste durch Einführung eines of30 Oertel

466

5. Teil: Die gemeinschaftsrechtliche Integration

A u f der Grundlage von Art.

100a E W G werden die Kriterien fur den Zugang

zu Netzen, einschließlich von Universaldienstleistungen, fur Genehmigungsverfahren, 1 2 die Gerätezulassung und der Datenschutz innerhalb der Gemeinschaft aneinander angeglichen. Daß die Mitgliedstaaten dieses umfängliche und ehrgeizige Programm gem. Art. 189 E G V umsetzen, überwacht die Kommission. Ihr stehen dafür, ggf. i m Zusammenwirken mit anderen Gemeinschaftsorganen,

verschiedene

Instru-

mente zu Gebote. 1 3 Dabei steht auf der einen Seite des Spektrums die informelle Kontaktpflege zwischen Kommission und Mitgliedstaat. 1 4 Z u diesem

fenen Netzzuganges (Open Network Provision - ONP) v. 28.6.1990 (90/387/EWG), ABl. EG Nr. L 192 v. 24. 7.1990, S. 1; Richtlinie 92/44/EWG des Rates zur Einführung des offenen Netzzugangs bei Mietleitungen v. 5.6.1992, ABl. EG Nr. L 165 v. 19.6.1992, S. 27 [ONP-Mietleitungsrichtlinie]. Im Zuge der ONP-Anpassungsrichtline (Richtlinie 97/51/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates v. 6.10.1997, ABl. EG Nr. L 296 v. 29.10.1997, S. 23 zur Änderung der Richtlinien 90/387/EWG und 92/44/EWG zwecks Anpassung an ein wettbewerbsorientiertes Telekommunikationsumfeld [ONP-Anpassungsrichtlinie]) wurden diese Richtlinien 1997 überarbeitet und auf die Wettbewerbsbedingungen eingestellt. Die Richtlinie 95/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung des offenen Netzzugangs (ONP) beim Sprachtelefondienst v. 13.12.1995, ABl. EG Nr. L 321 v. 30.12.1995, S. 6 [ONPSprachtelefondienstrichtlinie 1995] wurde bereits 1997 ersetzt. Dazu jetzt die Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates über die Anwendung des offenen Netzzugangs (ONP) beim Sprachtelefondienst und den Universaldienst im Telekommunikationsbereich in einem wettbewerbsorientierten Umfeld v. 26.2.1998, ABl. EG Nr. L 101 v. 1.4.1998, S. 24. Vgl. weiterhin Richtlinie 97/33/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates v. 30.6.1997 über die Zusammenschaltung in der Telekommunikation im Hinblick auf die Sicherstellung eines Universaldienstes und der Interoperabilität durch Anwendung der Grundsätze für einen offenen Netzzugang (ONP) [Zusammenschaltungsrichtlinie], ABl. EG Nr. L 199 v. 26.7 1997, S. 32. Zum Genehmigungsverfahren Richtlinie 97/13/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates über einen gemeinsamen Rahmen für Allgemein- und Einzelgenehmigungen für Telekommunikationsdienste, ABl. EG Nr. L 117 v. 7.5.1997, S. 15. Zum Datenschutz Richtlinie 97/66/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates v. 15.12.1997 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre im Bereich der Telekommunikation, ABl. EG Nr. L 24 v. 30.1.1998, S. 1. 12 Vgl. hierzu auch die Mitteilung der Kommission über die Behandlung von Sprachkommunikation im Internet unter Gemeinschaftsrecht und insbesondere gemäß Richtlinie 90/388/EC, ABl. EG Nr. C 6 v. 10.1.1998, S. 4. Dazu Hans-Werner Moritz/Andrea Niebier, Internet-Telefonie im Spannungsfeld zwischen Sprachtelefondienst und Lizenzpflicht, CR 1997, 697. 13 Vgl. zu der informellen Abstimmung einerseits und dem förmlichen Gerichtsverfahren andererseits Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1997, S. 6, u. Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1995, II. b), S. 4. Übersicht bei von Sydow, in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 155 Rnr. 9 ff. Vertiefend für die gesamte Wirtschaftsaufsicht Hatje, S. 154 ff. 14 Zu den Berichtspflichten der Mitgliedstaaten gegenüber der Kommission vgl. Art. 2 Abs. 4, Art. 7 Abs. 2 Diensterichtlinie, Art. 5 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 2 S. 2, Art. 7 Abs. 2 Endgeräterichtlinie.

. Abschnitt: Die

e t s a u f s i c h t der Kommission

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Zweck finden regelmäßige Treffen statt; 1 5 auch kann die Kommission auf einen Ausschuß hochrangiger Vertreter der nationalen Regulierungsbehörden zurückgreifen. 1 6 Über die Fortschritte, die die einzelnen Mitgliedstaaten in der Umsetzung erzielen, w i r d die Kommission dem Rat und dem Parlament regelmäßig berichten. 1 7 Die öffentliche Anprangerung von Mißständen läßt eine informelle Ermahnung gewissermaßen in eine formelle Rüge erwachsen. 18 Sie ist aber als Instrument wesentlich flexibler und politisch sensibler als die Maßnahme, die der Kommission am anderen Ende des Spektrums zur Verfugung steht: Die Vertragsverletzungsklage nach Art. 169 E G V . 1 9 Die beiden vorliegenden Umsetzungsberichte von 1995 und 1997 sowie ihre jüngste Aktualisierung zeigen, daß die Kommission die mitgliedstaatliche Telekommunikationspolitik aufmerksam überwacht. 2 0 Indes mag sich die Funkti15 Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafits- und Sozialausschuß und den Ausschuß der Regionen über die Umsetzung des Reformpakets für den Telekommunikationssektor (erste Aktualisierung) v. 8. Oktober 1997 (COM (97)504), Ziff. 2 u. 3. 16 Zum Hochrangigen Ausschuß der nationalen Regulierungsbehörden vgl. Entschließung des Rates v. 17.12.1992 zu der Beurteilung der Lage im Bereich der Telekommunikationsdienste in der Gemeinschaft (93/C 2/05), ABl. EG Nr. C 2 v. 6.1.1993, S. 5 (6), die die Kommission aufrief, „eng mit den Mitgliedstaaten, insbesondere mit den einzelstaatlichen Aufsichtsbeamten, zusammenzuarbeiten und dafür einen hochrangigen Ad-hoc-Ausschuß einzusetzen."; dies bestätigt die Entschließung des Rates v. 22.7.1993 zur Prüfung der Lage im Bereich Telekommunikation und zu den notwendigen künftigen Entwicklungen in diesem Bereich (93/C 213/01), ABl. EG Nr. C 213 v. 6.8.1993, S. 1 (1): „Der Rat setzt einen hochrangigen Ad-Hoc-Ausschuß der einzelstaatlichen Aufsichtsbehörden ein, der die Kommission ... unterstützen soll."; In der Entschliessung v. 18.9.1995 zur Entwicklung des künftigen ordnungspolitischen Rahmens für die Telekommunikation (95/C 258/01), ABl. EG Nr. C 258 v. 3.10.1995, S. 1 (Ziff. 8) fordert der Rat die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Konsultationen über die Ausarbeitung des künftigen ordnungspolitischen Rahmens in diesem Ausschuß fortzusetzen. Vgl. auch die Erwähnung in Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1997, S. 8. 17

Vgl. Art. 9 Diensterichtlinie; Art. 8 ONP-Rahmenrichtlinie 1997; Art. 22 Abs. 2 Zusammenschaltungsrichtlinie. 18 Vgl. etwa die tabellarische Übersicht in Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1997, S. 18 ff. 19 Dazu von Sydow, in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 155 Rnr. 20 ff. 20

Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuß und den Ausschuß der Regionen über die Umsetzung des Reformpakets für den Telekommunikationssektor (erste Aktualisierung) v. 8. Oktober 1997 (COM(97)504), Ziff. 2 u. 3; Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuß und den Ausschuß der Regionen:Vierter Bericht über die Umsetzung des Reformpakets für den Telekommunikationssektor vom 25. November 1998 (COM 98/594) unter http://www.ispo.cec.be /infosoc/telecompolicy/en/com98594de.pdf; Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1997; Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über den Stand der Umsetzung der Richtlinie 90/388/EWG über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikationsdienste (95/C 275/02), ABl. EG Nr. C 275

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5. Teil: Die gemeinschaftsrechtliche Integration

on der Umsetzungskontrolle wandeln, nachdem 1998 die Bedingungen für die Marktöffnung geschaffen sind. Der jüngste Bericht verzeichnet bereits weniger Mängel als seine Vorgänger. Mit einer zunehmenden richtlinienförmigen Verrechtlichung der gemeinschaftlichen Vorgaben und einer wachsenden Zahl von Marktteilnehmern, die sich auf diese Rechte berufen, kann sich die verwaltungspolitische Kontrolle in verwaltungsrechtliche Instanzen verlagern. 21 Dann wird sich die Aufmerksamkeit von Kommission und Rat anderen Politikfeldern zuwenden können. Die besondere Aufmerksamkeit der Gemeinschaftsorgane galt bislang der funktionellen Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden. 22 Ihre Abtrennung von den betrieblichen Funktionen betrachteten Rat und Kommission als eine unerläßliche Bedingung der Marktöffhung. 23 Demzufolge wurde das Gebot funktioneller Unabhängigkeit nicht nur in Art. 6 Endgeräterichtlinie und Art. 7 Diensterichtlinie rechtlich festgeschrieben, sondern auch gemeinschaftspolitisch effektuiert. In Art. 5a ONP-Rahmenrichtlinie hat es jüngst nochmals deutlichen Ausdruck erhalten. 24 Indem die Kommission die Umsetzung dieser Vorschriften überwacht, wird sie die funktionelle Unabhängigkeit der mitgliedstaatlichen Regulierungsbehörde abstützen. Ihre Umsetzungsaufsicht kann darüber hinaus auch die politische Verselbständigung der Behörde befördern. Inhaltlich wendet sich der Umset-

V. 20.10.1995, S. 2. Die Kommission leitete u.a. auch gegen die Bundesrepublik ein Verfahren ein, weil sie die Vorgaben der Diensterichtlinie zum Standardangebot nach Art. 4a und zur Kostenrechnung nach Art. 12 f ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1995 nicht hinreichend umgesetzt habe. Vgl. die Auskunft des BMPT auf die Anfrage des Abgeordneten Kiper, BT-Drs. 12/9392, S. 64, abgedruckt in Arch PT 1998, 95. 21

Die Mobilisierung der Marktkräfte anstelle der Mitgliedstaaten läßt sich aus einem gemeinschaftsrechtlichen Vollzugsdefizit begründen. Vgl. Di Fabio , VVDStRL 56 (1996), S. 235 (239); zustimmend Breuer, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 56 (1996), 329. Zu den verschiedenen Konzeptionen des subjektiven Rechts im Europarecht und im Verfassungsrecht vgl. Johannes Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, Berlin 1997. 22 Vgl. ausführlich noch Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über den Stand der Umsetzung der Richtlinie 90/388/EWG über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikationsdienste (95/C 275/02), ABl. EG Nr. C 275 v. 20.10.1995, S. 9f; kürzer schon Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1997, S. 19. Die nahezu vollständige Umsetzung des Trennungsgebotes stellt fest European Commission, Status Report on European Union Telecommunications Policy, Update: January 1998, S. 29. 23 Vgl. Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 58/96 vom Rat festgelegt am 12.9.1996 im Hinblick auf den Erlaß der Richtlinie 96/.../EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom ... zur Änderung der Richtlinien 90/387/EWG und 92/44/EWG des Rates zwecks Anpassung an ein wettbewerbsorientiertes Telekommunikationsumfeld (96/C 315/07), ABl. EG Nr. C 315 v. 24.10.1996, S. 41 (52 II.); Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1995, S. 9. Dazu oben S. 113 ff. 24 Oben S. 105 ff.

2. Abschnitt: Die Wettbewerbsaufsicht der Kommission

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zungsbericht von 1997 ausdrücklich gegen eine politische Einflußnahme. 25 Strukturell erzeugt die Verpflichtung auf das Gemeinschaftsrecht einen Aufsichtsstrang, der über das Wirtschaftsministerium hinweg in die Zuständigkeit der Kommission fuhrt und damit die mitgliedstaatliche Hierarchie überwölbt. 26 In der inhaltlichen Absicherung ihrer Unabhängigkeit durch die Richtlinien und ihrer strukturellen Eingliederung in eine übergreifende Umsetzungsaufsicht der Kommission wird die Regulierungsbehörde von Rechts wegen also eine Stütze und eine Alternative im Verhältnis zur ministeriellen Einflußnahme finden. Die Umsetzungsaufsicht der Kommission garantiert die funktionelle Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde und kann ihre politische Verselbständigung unterfangen. Die Integration der Regulierungsbehörde in ein gemeinschaftsrechtliches Politiksystem kann somit ihre Herausbildung aus dem bundesdeutschen Verwaltungsapparat befördern.

Zweiter Abschnitt

Die Regulierungsbehörde unter der Wettbewerbsaufsicht der Kommission Die marktöffhende Politik der Gemeinschaft findet ihre Rechtsgrundlage in den Art. 85 ff EGV, dem gemeinschaftsvertraglichen Wettbewerbsrecht. Auf seiner Grundlage konnte die Kommission zugleich Recht setzen und dessen Vollzug bestimmen. Von diesen Kompetenzen hat sie im Fernmeldewesen umfangreichen Gebrauch gemacht und damit die gemeinschaftliche Wettbewerbsaufsicht in eine eigentümliche Spannungslage zu den nationalen Privatisierungsbestrebungen und ihrer Regulierung gebracht: In den Liberalisierungsrichtlinien konkretisierte die Europäische Kommission das vertragliche Wettbewerbsrecht. 27 Der Vollzug dieser Bestimmungen ist

25 Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1997, S. 24. Dazu oben S. 275. 26 Vgl. zum Fehlen einer spezifischen Durchsetzungsbefugnis der Gemeinschaft Thomas von Danwitz, Die Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten bei der Durchführung von Gemeinschaftsrecht, DVB1. 1998, 421 (430 f). 27 Oben Fn. 9. Dazu EuGH v. 19.3.1991 Rs. C 202/88 - Frankreich u.a./Kommission CEndgeräterichtlinie) - Slg. 1991 I, S. 1225 Rnr. 51 f.; EuGH v. 17.11.1992 Rs. C271/90, C-281/90 u. C-289/90 - Spanien u.a./Kommission (Diensterichtlinie) Slg. 1992 I, S. 5833 Rnr. 22. Dazu Ungerer, Fordham Corporate Law Institute (1996), S. 465 (481 Fn. 64, 486). Um die Rechtsetzungskompetenz der Kommission mit der des Rates abzustimmen, mußte aber zunächst ein Kompromiß gefunden werden, in dem sich beide Seiten auf ein komplementäres Vorgehen von Wettbewerbspolitik und Gewährleistung des Universaldienstes verständigten. Vgl. Ungerer, Fordham Corporate Law Institute

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5. Teil: Die gemeinschaftsrechtliche Integration

ihr direkt anvertraut. 2 8 Die Kommission kann aufgrund ihrer Kompetenzen nach Art. 85 f f E G V selbst über das Verhalten einzelner Marktteilnehmer entscheiden. 2 9 Das europäische Wettbewerbsrecht gilt auch und gerade gegenüber Unternehmen, die von den Mitgliedstaaten kontrolliert werden. 3 0 In Anwendung des Wettbewerbsrechts kann die Kommission nach Art. 90 E G V folglich auch gegen den Mitgliedstaat vorgehen. 3 1 A u c h solange die staatliche Einflußnahme unterhalb der Intensitätsschwelle des Art. 90 E G V bleibt, w i r d sie in die Prüfung des unternehmerischen Verhaltens einbezogen. 3 2 I m Effekt w i r d in diesen Fällen eine mitgliedstaatliche Entscheidung am Maßstab des vertraglichen Kartellrechts überprüft. 3 3 Für derartige Prüfungen ist innerhalb der Europäischen Kommission die Generaldirektion I V zuständig. 3 4 Sie ist bereits als „Superregulierungsbehörde" bezeichnet worden. 3 5 Eine nähere Betrachtung soll daher zeigen, inwieweit ihre

(1996), S. 465 (474f); European Commission, Status Report on European Union Telecommunications Policy, Update: January 1998, S. 9 f. 28 Vgl. Pemice/Kadelbach, DVB1. 1996, 1100 (1102f); von Borries, in: FS-Everling, S. 127 (138); Schreiber, S. 28 ff. Zur Reichweite der Art. 85, 86 und 90 EGV eingehend Konstantions Goumagias, Die Stellung der Telekommunikation im Europäischen Vertrag, Münster 1998, S. 102 ff. 29 Vgl. zur Möglichkeit, Eingaben an die Kommission zu richten, Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Wettbewerbsregeln auf Zugangsvereinbarungen im Telekommunikationsbereich - Rahmen, relevante Märkte und Grundsätze (98/C 265/02), ABl. EG Nr. C 256 v. 22.8.1998, S. 2, Ziff. 25. 30 Dazu EuGH v. 12.2.1992 Rs. C-48/90 u. C-66/90, Niederlande u.a./Kommission, Slg. 1992 I, S. 565 Rnr. 30, und Kommission, Leitlinien für die Anwendung der Wettbewerbsregeln im Telekommunikationsbereich (91/C 233/02), ABl. EG Nr. C 233 v. 6.9.1991, S. 2 (5), Ziff. 14. Zustimmend für die Deutsche Bundespost TELEKOM Königshofen, Jb. d. DBP 1991, 499 (507). Zur Bedeutung des Art. 90 Abs. 2 EGV vgl. auch Andreas Bartosch, Das neue EG-Telekommunikationsrecht - Welche Hilfe bietet Art. 90 Abs. 2 EGV den ehemaligen Monopolunternehmen?, K & R 1998, 519. 31 Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Wettbewerbsregeln auf Zugangsvereinbarungen im Telekommunikationsbereich - Rahmen, relevante Märkte und Grundsätze (98/C 265/02), ABl. EG Nr. C 256 v. 22.8.1998, S. 2, Ziff. 61 mwN. aus der Rspr. des EuGH 44-46; zustimmend Grill, in: Lenz (Hrsg.), EGV, Art. 90 Rnr. 27; Pernice , in: Grabitz, Art. 90 Rnr. 65; Mestmäcker, in: ders. (Hrsg.), Kommunikation II, S. 13 (\25); Alexiadis, in: Long, Telecommunications Law, 16-72. 32

Vgl. Alexander Duisberg, Die Anwendung der Artikel 85 und 86 EG-Vertrag in den Fällen der staatlichen Einflußnahme auf Unternehmensverhalten, Frankfurt 1997. 33 Vgl. allgemein Kommission, Leitlinien für die Anwendung der Wettbewerbsregeln im Telekommunikationsbereich (91/C 233/02), ABl. EG Nr. C 233 v. 6.9.1991, S. 2. Als Mitteilung ist dieses Dokument nicht verbindlich, wird aber z.B. in Grund 19 ONPSprachtelefondienstrichtlinie 1995 ausdrücklich in Bezug genommen. 34 Zur Zusammenarbeit zwischen der Generaldirektion Wettbewerb und der Generaldirektion Telekommunikation vgl. Europäische Kommission, Mitteilung über die Umsetzung 1997, 5. S. 9. 35 Von Scherer, NJW 1998, 1607 (1608).

2. Abschnitt: Die Wettbewerbsaufsicht der Kommission

471

Kompetenzen die Tätigkeit der Regulierungsbehörde nach §§66 ff TKG beeinflussen.

A. Die kartellrechtliche Fusionskontrolle der Kommission Augenfällig ist die kartellrechtliche Kompetenz der Europäischen Kommission zunächst in der Fusionskontrolle. 36 Sie mag der Kommission den Titel „Superregulierungsbehörde" gerade in jüngster Zeit eingetragen haben, als es u.a. über die Zusammenarbeit der Deutschen Telekom AG mit der France Télécom oder um die gemeinsame Vermarktung von Kabeldiensten mit den Unternehmen der Kirch-Gruppe und Bertelsmann ging. 37 In diesen und zahlreichen weiteren Verfahren entlädt sich ein Fusionsstau, der sich aus der Aufgabe der nationalstaatlichen Bindung der Fernmeldeunternehmen, der zunehmenden Globalisierung des Informationsausstausches und der sich durch die Übernahme artfremder Unternehmen verwirklichenden Konvergenz von Telekommunikation und Medien erklären läßt. 38 Hier ist es der Kommission aufgegeben, eine letztlich ordnungspolitische Abwägung zwischen entwicklungsfördernder Kooperation und entwicklungshemmender Kartellbildung zu treffen. 39 Vergleichbare Entscheidungen behält das bundesdeutsche Recht den Kartellbehörden vor. 40 Der Regulierungsbehörde gibt das TKG nur vereinzelt eine ähnliche Ab-

36

Eine Übersicht über die einschlägigen Entscheidungen gibt Ungerer, Fordham Corporate Law Institute (1996), S. 465 (495 ff). 37 Vgl. FAZ v. 28.5.1998, Nr. 122, S. 17, „Medienallianz Bertelsmann-Kirch findet nicht statt". 38 Vgl. van Miert, in: Scott/Audéoud, S. 13 (17); Europäische Kommission, Wettbewerbspolitik 1996, Ziff. 65 u. 259. Zur Konvergenz vgl. Europäische Kommission, Grünbuch zur Konvergenz von Telekommunikation, Medien und Informationstechnologie, COM(97)623 v. 3.12.1997 = BR-Drs. 1064/97. Dazu Katharina Scheja, Das Grünbuch zur Konvergenz, CR 1998, 358: Thomas Stögmüller, Konvergenz in der Telekommunikation, CR 1998, 733; Hans-Jörg Bullinger u. Hans-Peter Fröschle, in: Jung/Warnecke (Hrsg.), S. 6-13. 39 Zur notwendigen Balance vgl. Europäische Kommission, Wettbewerbspolitik 1996, Ziff. 79; Karl-Heinz Ladeur, Die Regulierung von Multi-Media als Herausforderung des Rechts, AfP 1997, 598; van Miert, in: Scott/Audéoud, S. 13 (16). 40 Vgl. § 2 Abs. 3 TKG u. § 82 S. 5 TKG. Das TKG schreibt zwar in § 14 TKG die strukturelle Separierung und getrennte Rechnungsführung für marktbeherrschende Unternehmen vor, die sich auch auf den verschiedenen Märkten der Telekommunikation engagieren. Es verbietet solchen Unternehmen aber gerade nicht, sich im Wege der Fusion andere Märkte zu erschließen. Der Gesetzgeber folgte damit dem Ansinnen der Monopolkommission, Sondergutachten 24, Tz. 36-40, nicht, z.B. die Energieversorger aus den Telekommunikationsmärkten fernzuhalten. Er überließ die Fusionskontrolle dem Bundeskartellamt. Vgl. z.B. BKartA, Veba/RWE; AT & T/Unisource; Telekom/DBKom, WuW 1997, 414.

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5. Teil: Die gemeinschaftsrechtliche Integration

wägung auf. 41 Die gemeinschaftliche Fusionskontrolle greift also nicht generell in deren sektorspezifischen Kompetenzen ein. Umgekehrt sind die erforderlichen Entscheidungen der Regulierungsbehörde, etwa über einen mit der Fusion einhergehenden Wechsel des Lizenznehmers, ungeachtet eines Kommissionsverfahrens zu treffen. 42 In der Fusionskontrolle beschränkt sich die Kommission, soweit sie auch den Telekommunikationsmarkt reguliert, auf die Perspektive des allgemeinen Kartellrechts. 43 Dies schließt nicht aus, daß gelegentlich Fragen, die nach dem TKG von der Regulierungsbehörde zu entscheiden wären, von der Kommission im Wege der Fusionskontrolle vorweggenommen werden. So hat die Kommission es zum Kriterium für eine grenzüberschreitende Fusion eines mitgliedstaatlichen Unternehmens erhoben, ob auf dem jeweiligen Heimatmarkt hinreichender Wettbewerb besteht.44 Daher knüpfte sie ihre Zustimmung zur Zusammenarbeit von Deutscher Telekom und France Télécom an die Bedingung, daß die Bundesrepublik Deutschland zwei weitere Netzlizenzen vergebe. 45 Ungeachtet dieser einzelnen Berührungspunkte bleiben die gemeinschaftliche Fusionskontrolle und die Kompetenz der mitgliedstaatlichen Regulierungsbehörde aber strikt getrennt.

B. Die kartellrechtliche Mißbrauchsaufsicht der Kommission Überschneidungen zwischen der Tätigkeit der Kommission und der der Regulierungsbehörde sind eher möglich, sofern die sektorspezifische Miß-

41 So entscheidet über den Ausschluß eines Bewerbers von der Frequenzvergabe nach § 11 Abs. 3 TKG die Präsidentenkammer im Einvernehmen mit dem Bundeskartellamt (§ 82 S. 1 TKG). 42 Vgl. § 9 Abs. 1 TKG. Zur Abgrenzung vgl. auch Art. 21 Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen v. 21.12.1989, ABl. EG Nr. L 257 S. 14, geändert durch Verordnung (EG) Nr. 1310/97 des Rates v. 30.6.1997 zur Änderung der Verordnung Nr. 4064/89 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. EG Nr. L 180, S. 1, abgedruckt bei Langen/Bunte, S. 2597, Art. 9 Verordnung Nr. 17 des Rates, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages v. 6.2.1962, abgedruckt bei Langen/Bunte, S. 2407. 43 Zur Notwendigkeit sektorspezifischer Regulierung unter dem europäischen Wettbewerbsrecht van Miert, in: Scott/Audéoud, S. 13 (16); Sauter , in: Scott/Audéoud, S. 105 (126 f). 44 Vgl. Europäische Kommission, Wettbewerbspolitik 1996, Ziff. 66; Ungerer, Fordham Corporate Law Institute (1996), S. 465 (518); van Miert, in: Scott/Audéoud, S. 13 (17). 45 Vgl. ABl. EG Nr. L 239 v. 19.9.1996, S. 23 (Atlas) berichtet in Europäische Kommission, Die Wettbewerbspolitik der Europäischen Gemeinschaft - 1996, Ziff. 67. Dazu Ungerer, Fordham Corporate Law Institute (1996), S. 465 (506 u. 512).

2. Abschnitt: Die Wettbewerbsaufsicht der Kommission

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brauchsaufsicht auch allgemeine Fragen der Art. 85, 86 E G V aufwirft. 4 6 Dies ist namentlich in der Tätigkeit der allgemeinen Beschlußkammern denkbar. 4 7 M i t der Entgeltregulierung nach § § 2 4 f f T K G und der Gewähr des offenen Netzzugangs paßt das T K G das allgemeine Kartellrecht den Besonderheiten der Telekommunikation an. Es läßt aber schon das bundesrechtliche und erst recht das gemeinschaftsrechtliche Wettbewerbsrecht unberührt. 4 8 Daher ist es ohne weiteres denkbar, daß die Kommission ihrerseits mitgliedstaatlich bereits genehmigte Entgelttarife am Diskriminierungsverbot m i ß t 4 9 oder sich zu Netzzugangsvereinbarungen äußert. 5 0 Z u letzteren hat sie bereits auf der Grundlage ihre vertraglichen Kompetenz eine allgemeine Mitteilung herausgegeben. Unter dem Vorbehalt der allgemein kartellrechtlichen Kompetenz gegenüber der sektorspezifischen Entscheidung kehren hier die Abstimmungsprobleme wieder, die auch i m deutschen Wirtschaftsverwaltungsrecht zwischen Kartellbehörde und Fachbehörde bestehen. 51 Sie potenzieren sich um die weitere Frage,

46 Übersicht über das Vorgehen der Kommission nach Art. 85, 86 EGV bei Alexiadis, in: Long, Telecommunications Law, 16-62 ff. 47 Dazu oben S. 390 ff. Vgl. Karel van Miert, Probleme der wettbewerblichen Öffnung von Märkten mit Netzstrukturen aus europäischer Sicht, WuW 1998, 7. 48 Vgl. § 2 Abs. 3 TKG. 49 Vgl. nur Europäische Kommission, Wettbewerbspolitik 1996, Ziff. 69-71, sowie FAZ v. 11.2.1998, Nr. 35, S. 11, „EU-Kommission: Telefon-Tarifstruktur prüfen"; FAZ v. 28.7.1998, Nr. 172, S. 13, „EU-Kommission prüft Telefongebühren"; FAZ v. 30.7.1998, Nr. 174, S. 13, „EU-Kommission erwartet sinkende Telefongebühren". Außerdem Empfehlung der Kommission zur Zusammenschaltung in einem liberalisierten Telekommunikationsmarkt, Teil I - Zusammenschaltungsentgelte, C (97) 3148 v. 15.10.1997, ABl. EG Nr. L 73 v. 12.3.1998, S. 42. Dazu Schütz, M M R aktuell, 5/98, S. IX. 50 Vgl. allgemein Europäische Kommission, Wettbewerbspolitik 1996, Ziff. 72 f, sowie Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Wettbewerbsregeln auf Zugangsvereinbarungen im Telekommunikationsbereich - Rahmen, relevante Märkte und Grundsätze (98/C 265/02), ABl. EG Nr. C 256 v. 22.8.1998, S. 2. Vgl. weiter Dörte Diemert, Die Regelung der Zusammenschaltung und das Verhältnis zwischen Wettbewerbsrecht und sektorspezifischer Regulierung im Rahmen des ONP-Konzepts, in: Thomas Hoeren/Robert Queck (Hrsg.), Rechtsfragen der Informationsgesellschaft, Berlin 1999, S. 82. Einzelfälle referiert Ungerer, Fordham Corporate Law Institute (1996), S. 465 (508 ff). § 33 TKG setzt letztlich auf die kartellrechtliche „essential facilities doctrine" auf. Dazu Piepenbrock, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 33 Rnr. 22; Matthias Müller, Die „Essential Facilities"-Doktrin im Europäischen Kartellrecht, EuZW 1998, 232. Zur verwaltungsrechtlichen Einordnung der „Mitteilungen" in den Formenkanon vgl. Hatje, S. 158 f. 51 Dazu Niederleithinger, in: FS-Mestmäcker, S. 683 (685-688); Grämlich, VerwArch 88 (1997), 598 (604 f). Monopolkommission, Hauptgutachten 1996/1997, Tz. 22. Das GWB a.F. löste in § 44 Abs. 2, § 102 Abs. 5, §103 Abs. 4, § 103a Abs. 2 Nr. 2 diese Probleme über Zustimmungs-, Erklärungs-, Benehmens- und Stellungnahmerechte verfahrensrechtlich auf, konnte aber äußerstenfalls nach § 44 Abs. 2 S. 2 auf die übergeordnete Instanz des BMWi zurückgreifen. Dazu Klaue, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 44 Rnr. 41 ff; Schultz, in: Langen/Bunte, § 44 Rnr. 24.

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5. Teil: Die gemeinschaftsrechtliche Integration

wie sich mitgliedstaatliche und gemeinschaftliche Kompetenz zueinander verhalten. 5 2 Ein solcher Zustand potentiell konfligierender Zuständigkeiten begünstigt das sog. „forum shopping", das Ausspielen verschiedener Verfahren gegeneinander 5 3 und ein letztlich von informellen Einflüssen bestimmtes Entscheidungsmuster. 54 Die Kommission unternimmt es, diese Probleme teilweise zu entschärfen. Dazu deutet sie in ihrer Mitteilung über Netzzugangsvereinbarungen bestimmte Zuständigkeitskriterien an. 5 5 Zunächst behauptet sie zwar ihre Zuständigkeit ungeachtet des nationalen Charakters der

Telekommuni-

kationsmärkte, weil die Auswirkungen einer Zugangsvereinbarung i m Handel zwischen den Mitgliedstaaten regelmäßig zu spüren seien. 5 6 Zugleich bekräftigt die Kommission aber ihr Bemühen, „die dezentralisierte Anwendung der Wettbewerbsregeln durch einzelstaatliche Gerichte und Behörden zu fördern und dadurch Problemlösungen auf einzelstaatlicher Ebene herbeizufuhren, solange i m Einzelfall kein wesentliches Gemeinschaftsinteresse gegeben i s t . " 5 7 Sie 52 Vgl. Bekanntmachung der Kommission über die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten bei der Bearbeitung von Fällen im Anwendungsbereich der Artikel 85 und 86 EG-Vertrag (97/C 313/03), ABl. EG Nr. C 313 v. 15.10.1997, S. 3, im Entwurf abgedruckt bei Langen/Bunte, S. 2455; Monopolkommission, Hauptgutachten 1996/1997, Tz. 24 f; Möschel, MMRBeilage 3/1999, S. 3 (4). 53 Eine Verfahrensdoppelung ergibt sich beispielsweise nach der Notifikation von Zugangsvereinbarungen. Vgl. § 35 Abs. 2 S. 3 TKG u. Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Wettbewerbsregeln auf Zugangsvereinbarungen im Telekommunikationsbereich - Rahmen, relevante Märkte und Grundsätze (98/C 265/02), ABl. EG Nr. C 256 v. 22.8.1998, S. 2, Ziff. 19. 54 Typisch hierfür das Schreiben des Wettbewerbskommissars van Miert an den Bundeswirtschaftsminister, das ein Prüfverfahren für den Fall ankündigt, daß die Deutsche Telekom sog. Wechselgebühren von mehr als D M 100,- erheben darf. Vgl. FAZ v. 10.1.1998, Nr. 8, S. 13, „Bedenken gegen Telekom-Ablösegebühren". Diese Gebühr war zunächst im Beschlußkammerverfahren zu genehmigen und wurde dort schließlich auf D M 27,- festgesetzt. Vgl. Reg TP Vfg 69/1998, Veröffentlichung gemäß § 9 Telekommunikations-Entgeltregulierungsverordnung, ABl. Reg TP 12/1998, S. 1580. Die Unabhängigkeit seines Hauses von der Europäischen Kommission betont in diesem Zusammenhang der Behördenpräsident Scheurle laut FAZ v. 10.1.1998, Nr. 8, S. 13, „Bedenken gegen Telekom-Ablösegebühren". Überblick über die rechtsförmlichen Abstimmungsmöglichkeiten bei Wolff in: Wolff/Bachof II, § 77 V, S. 118 ff; speziell für das ONP-Regime Sauter, in: Scott/Audéoud, S. 105 (128). 55

Vgl. zur Notwendigkeit, Zuständigkeitskonflikte zu vermindern, ausdrücklich die Schlußfolgerung Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Wettbewerbsregeln auf Zugangsvereinbarungen im Telekommunikationsbereich - Rahmen, relevante Märkte und Grundsätze (98/C 265/02), ABl. EG Nr. C 256 v. 22.8.1998, S. 2, Ziff. 150. 56 Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Wettbewerbsregeln auf Zugangsvereinbarungen im Telekommunikationsbereich - Rahmen, relevante Märkte und Grundsätze (98/C 265/02), ABl. EG Nr. C 256 v. 22.8.1998, S. 2, Ziff. 147. 57 Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Wettbewerbsregeln auf Zugangsvereinbarungen im Telekommunikationsbereich - Rahmen, relevante Märkte und Grundsätze (98/C 265/02), ABl. EG Nr. C 256 v. 22.8.1998, S. 2, Ziff. 5. Des weiteren ruft sie zur Zusammenarbeit mit und unter den nationalen Behörden auf, aaO. Ziff. 9.

2. Abschnitt: Die Wettbewerbsaufsicht der Kommission

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selbst wird Fälle nach Maßgabe ihrer politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Bedeutung aufgreifen und dabei besonders berücksichtigen, ob die nationalen Verfahren die Rechte des Beschwerdeführers in angemessen kurzer Frist, ggf. im Wege einstweiliger Maßnahmen, wahren. 58 Somit ergibt sich ein nach Bedeutung des Falles abgestufter Zugriff: (1) Solange wesentliche Gemeinschaftsinteressen nicht berührt sind, obliegt die Anwendung des Gemeinschaftsrechts den mitgliedstaatlichen Gerichten und Behörden. (2) Grenzüberschreitende Fälle sind zunächst im Wege der Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten, ggf. unter Einschaltung der Kommission, zu behandeln. (3) Fälle von wesentlichem Gemeinschaftsinteresse wird die Kommission selbst aufgreifen. (4) Aber auch in diesen Fällen wird die Kommission regelmäßig zunächst den Verlauf des nationalen Verfahrens beobachten und respektieren. 59 Dieses Bemühen um eine Eingrenzung der eigenen Zuständigkeit zeigt, daß der Kommission selbst nicht daran gelegen ist, die mitgliedstaatliche Regulierungsbehörde in Anwendung des allgemeinen Wettbewerbsrechts aus deren sektorspezifischer und mitgliedstaatlicher Kompetenz zu verdrängen. 60 Der Eindruck, die Kommission agiere als „Superregulierungsbehörde' 4, entsteht eher aus einer Kompetenzüberschneidung in einzelnen Fällen der Mißbrauchsaufsicht und der Fusionskontrolle. Diese Fälle werden mit einer deutlicheren Abgrenzung der jeweiligen örtlichen und sachlichen Zuständigkeit so58 Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Wettbewerbsregeln auf Zugangsvereinbarungen im Telekommunikationsbereich - Rahmen, relevante Märkte und Grundsätze (98/C 265/02), ABl. EG Nr. C 256 v. 22.8.1998, S. 2, Ziff. 29-33. Dabei beruft sie sich auf die Bekanntmachung über die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Gerichten der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Art. 85 u. 86 EGVertrag, ABl. EG Nr. C 39 v. 13.2.1993, S. 6 Ziff. 14, abgedruckt bei Langen/Bunte, S. 2444. In eine ähnliche Richtung geht die Bekanntmachung der Kommission über die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten bei der Bearbeitung von Fällen im Anwendungsbereich der Artikel 85 und 86 EG-Vertrag (97/C 313/03), ABl. EG Nr. C 313 v. 15.10.1997, S. 3, im Entwurf abgedruckt bei Langen/Bunte, S. 2455. Dazu Temple Lang, ELR 23 (1998), 109 (126). 59

Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Wettbewerbsregeln auf Zugangsvereinbarungen im Telekommunikationsbereich - Rahmen, relevante Märkte und Grundsätze (98/C 265/02), ABl. EG Nr. C 256 v. 22.8.1998, S. 2, Ziff. 29 ff. 60 Daß sie die dezentralisierte Anwendung der Wettbewerbsvorschriften fördern wolle, bekräftigt Europäische Kommission, Wettbewerbspolitik 1996, Ziff. 254. Zur Diskussion Schreiber, S. 90 ff. Typisch etwa die 6-monatige Ruhefrist, die die Kommission nach einer Erhebung über die Mobilfunktarife wahrte, um den nationalen Behörde das Einschreiten zu ermöglichen. Vgl. Michael Esser-Wellié/Frank-Erich Hufnagel, Multimedia und Telekommunikation, AfP 1998, 378 (379).

476

5. Teil: Die gemeinschaftsrechtliche Integration

wie mit einer zunehmenden Verfestigung des sektorspezifischen Kartellrechts an Bedeutung verlieren. Den Kern mitgliedstaatlicher Regulierungskompetenzen läßt die Wettbewerbsaufsicht der Kommission unberührt.

C. Die Überlagerung von sektorspezifischer Regulierung und gemeinschaftlichem Kartellrecht In der Summe erscheint daher die Überlagerung von kartellrechtlichen Kompetenzen der Europäischen Kommission mit sektorspezifischen Befugnissen der Regulierungsbehörde auf Randbereiche ihrer sachlichen und örtlichen Zuständigkeit beschränkt. In diesen Randbereichen mag eine parallele Zuständigkeit der Kommission die Eigenständigkeit der Regulierungsbehörde einerseits in Frage stellen, andererseits aber auch im binnenstaatlichen Verhältnis befördern. Namentlich die sektorspezifische Mißbrauchsaufsicht durch die Beschlußkammern, kann, soweit das vertragliche Kartellrecht einschlägig ist, von ihm und seinem den Mitgliedstaaten und ihren Ministerien entrückten Vollzug profitieren. Die europäische Kommission kann in ihrer kartellrechtlichen Kompetenz eine Entscheidung der Regulierungsbehörde im Einzelfall korrigieren, ohne deren politische Verselbständigung aber strukturell in Frage zu stellen.

Dritter Abschnitt

Die Kooperation der mitgliedstaatlichen Regulierungsbehörden mit der Kommission Das gemeinschaftsrechtliche Telekommunikationsrecht wird, soweit es nicht als Kartellrecht direkt der Kommission aufgetragen ist, von den Mitgliedstaaten vollzogen. Es gilt der Grundsatz des indirekten Gemeinschaftsvollzuges. 61 Er fuhrt zu einer gewissen Vollzugsferne der Kommission. 62 Angesichts dieser Vollzugsferne entstehen Abstimmungsnotwendigkeiten. Sie fangt das Gemeinschaftsrecht auf, indem es der Kommission Ausschüsse beigibt, in denen die

61 Vgl. Pernice/Kadelbach, DVB1. 1996, 1100 (1105f); Oebbecke, in: FS-Carl Heymanns Verlag, S. 607 (608); von Borries, in: FS-Everling, S. 127 (129 ff); Schreiber, S. 39; Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, S. 311 ff. 62

Oebbecke, in: FS-Carl Heymanns Verlag, S. 607 (619) unter Verweis auf SiedentopjlHauschild, Europäische Integration und die öffentlichen Verwaltungen der Mitgliedstaaten, DÖV 1990, 445 (454).

. Abschnitt: Die

erat

der Kommission

477

mitgliedstaatlichen Vollzugsverwaltungen vertreten sind. 6 3 Ausschüsse ähnlicher Funktion finden sich auch in anderen Politikbereichen. 6 4 U m die vertraglichen Gemeinschaftsorgane herum ist ein System der Comitology entstanden. 65 Es ist v o m E u G H bereits grundsätzlich bestätigt worden und dient auch in der Telekommunikation dazu, der sachgebotenen Integration einen institutionellen Rahmen zu geben. 6 6

A. Der ONP-Ausschuß als zentrales M o d u l I n der Telekommunikation ist der zentrale Ausschuß der sog. ONP-Ausschuß. 6 7 Er berät die Kommission, die seine Stellungnahme soweit wie möglich zu berücksichtigen hat. 6 8 Dazu hört er selbst Vertreter der betroffenen Unternehmen und Verbraucher an. 6 9 Der Ausschuß besteht aus Vertretern der M i t gliedstaaten, die unter dem Vorsitz der Kommission zusammenkommen. 7 0 Ihm 63

Um auch die Sozialpartner einzubeziehen, wurde durch den Beschluß der Kommission vom 30. Juli 1990 zur Einsetzung eines Paritätischen Ausschusses für den Bereich Fernmeldewesen (90/450/EWG), ABl. EG Nr. L 230 v. 24.8.1990, S. 25 ein Ausschuß aus 50 Vertretern von Arbeitgebern und Arbeitnehmern ins Leben gerufen. Er unterstützt die Kommission durch Vorlage von Berichten und Stellungnahmen (Art. 2 und Art. 3 des Beschlusses) und gilt als ein institutionelles Mittel, die Transparenz der europäischen Regulierung zu erhöhen (Grund 45 der ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1995). 64 Vgl. nur Art. 29-31 Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. EG Nr. L 281 v. 23.11.1995, S. 31. Sauter , in: Scott/Audéoud, S. 105 (129) nennt außerdem die Agrar- und die Sozialverwaltung. 65 Vgl. zur vertikalen und horizontalen Koordination in der Gemeinschaft Hatje, S. 128 ff. Vgl. auch Groß, Kollegialprinzip, S. 379 ff mwN.; Sauter , in: Scott/Audéoud, S. 105 (130f); John Temple Lang, The Duties of National Authorities under Community Constitutional Law, ELR 23 (1998), 109. Weiterführende Überlegungen zu einem „Kooperationsrecht" bei Schmidt-Aßmann, in: FS-Winkler, S. 995 (1001 ff). 66 Vgl. EuGH, C 25/70 - Köster - Slg. I 1970, 1161, Rnr. 6-10. Dazu Hilf, S. 122. Vgl. weiter Beschluß 87/373/EWG des Rates v. 13.7.1987 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse, ABl. EG Nr. L 197 v. 18.7.1987, S. 33. Im Rahmen der Vertragsverhandlungen von Amsterdam wurde die Kommission aufgefordert, bis Ende 1998 einen Vorschlag zur Änderung dieses Beschlusses zu unterbreiten. Vgl. ABl. EG Nr. C 340 1997, S. 137, Nr. 31 ; Rudolf Streinz, Der Vertrag von Amsterdam, EuZW 1998, 137 ( 144 Fn. 98). 67

Vgl. Art. 9 ONP-Rahmenrichtlinie. Die Bezeichnung „ONP-Ausschuß" in ONPMietleitungsrichtlinie, Art. 2 2. Spiegelstrich und ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1995, Art. 2 Abs. 2 lit. h) ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1997. 68 Art. 9 Abs. 2 S. 4 u. 5 ONP-Rahmenrichtlinie. 69 Art. 9 Abs. 1 S. 2 ONP-Rahmenrichtlinie. Inhaltsgleiche Regelungen in Art. 29 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1997. 70 Vgl. Art. 9 ONP-Rahmenrichtlinie.

478

5. Teil: Die gemeinschaftsrechtliche Integration

fallen im wesentlichen drei Funktionen zu: Er ist beratender Ausschuß, entscheidender Regelungsausschuß und schlichtendes Organ. Als beratender Ausschuß unterstützt er die Kommission in der Rechtsentwicklung.71 Namentlich wenn unter den einschlägigen Richtlinien grundlegende Anforderungen 72 oder europäische Normen 73 zu harmonisieren sind, fungiert der ONP-Ausschuß als sog. Regelungsausschuß.74 In dieser Kapazität kann der ONP-Ausschuß auch angerufen werden, wenn Mitgliedstaaten der Meinung sind, daß harmonisierte Normen oder veröffentlichte Standards den Prinzipien des offenen Netzzugangs widersprechen. 75 Daneben fungiert eine Arbeitsgruppe des ONP-Ausschusses als Schlichtungsorgan in Auseinandersetzungen mit Unternehmen. 76 In einem Streit über Mietleitungen oder den Zugang zu Diensten im Sinne der Sprachtelefondienstrichtlinie zwischen Beteiligten aus verschiedenen Mitgliedstaaten kann jede Partei, die sich geschädigt fühlt, die Sache zunächst der nationalen Regulierungsbehörde oder der Kommission vortragen. Wenn diese Anlaß für weitere Prüfung sehen, können sie den Fall an den Vorsitzenden des ONPAusschusses weiterleiten. Dieser ruft - vorbehaltlich zumutbarer Anstrengungen auf nationaler Ebene - eine Arbeitsgruppe ein, der ein Mitglied der Kommission, ein Vertreter der betroffenen Regulierungsbehörde und zwei andere Ausschußmitglieder angehören. Die Arbeitsgruppe bemüht sich sodann, eine Einigung herbeizuführen. Verbindliche Entscheidungen kann sie nicht fällen. 77

71

Dazu auch ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1995 (Art. 30) und 1997 (Art. 29). Die Unterstützung betrifft auch Fragen der Zusammenschaltung (Axt. 7 Abs. 5 u. Art. 15 Zusammenschaltungsrichtlinie). 72 Art. 3 Abs. 3 iVm. Art. 10 ONP-Rahmenrichtlinie. 73 Art. 5 Abs. 5 ONP-Rahmenrichtlinie und Art. 28 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1997, Art. 19 iVm. Art. 16 Zusammenschaltungsrichtlinie. 74 Art. 31 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1995 und Art. 30 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1997, Art. 16 Zusammenschaltungsrichtlinie. Allgemein zur Normung nach der sog. „Neuen Konzeption" Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1996), S.160 (207-

211). 75

Art. 5 Abs. 4 ONP-Rahmenrichtlinie 1997 ebenso wie Art. 5 Abs. 3 ONP-Rahmenrichtlinie 1990. Zu diesem sog. „Schutzklauselverfahren" vgl. Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1996), S. 160 (209 Fn. 190). Weiterführend Pernice/Kadelbach, DVB1. 1996, 1100 (1109 f); Günter Breulmann, Normung und Rechtsangleichung in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Berlin 1993. 76 Vgl. Art. 12 ONP-Mietleitungsrichtlinie und Art. 27 Nr. 2 ff ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1995 bzw. Art. 26 Nr. 2 ff ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1997. 77 Die Einzelheiten regelt ein gesonderter Nachtrag zur Geschäftsordnung des ONPAusschusses. Vgl. Telekommunikation: Offener Netzzugang (ONP) bei Mietleitungen. Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten (94/C 214/04), ABl. EG Nr. C 214 v. 4.8.1994, S. 4, Anhang III (S. 6-8). Er sieht unter anderem vor, daß das Verfahren binnen zweier, ggf. dreier Monate abgeschlossen wird. Damit behält das ONPSchlichtungsverfahren einen Charakter im Grenzbereich des Formalen: Ob das - soweit ersichtlich - einzige Schlichtungsverfahren, das 1995 zwischen den spanischen Unternehmen Telefonica und Esprit Telecom formell durchgeführt wurde, wird von der Tele-

. Abschnitt: Die

erat

der Kommission

479

Der ONP-Ausschuß wurde hier ausfuhrlich vorgestellt, w e i l er ein M o d e l l für die Kooperation und Koordination der Mitgliedstaaten bei der Kommission bildet. Diesem M o d e l l entsprechen namentlich der Genehmigungsausschuß nach Art. 14 der Genehmigungsrichtlinie. 7 8 Er ist ebenfalls beratend, nicht aber schlichtend tätig. A u c h der Zulassungsausschuß für Telekommunikationsendeinrichtungen setzt sich ebenso wie der ONP-Ausschuß aus Vertretern der M i t gliedstaaten unter Vorsitz eines Mitgliedes der Kommission zusammen. 7 9

B. Das Verfahrensrecht der Ausschüsse In ihrer Beschlußfassung greifen die verschiedenen Ausschüsse auf zwei Verfahrenstypen zurück. 8 0 Z u einem Benehmenserfordernis führt das i m Europarecht sog. Verfahren I . 8 1 Hier schlägt die Kommission Maßnahmen vor, zu

fonica und der spanischen Regulierungsbehörde bezweifelt. Beide halten die erzielte Einigung für eine freiwillige. Vgl. Sauter , in: Scott/Audéoud (eds.), 105 (113 Fn. 31). 78 Der Genehmigungsausschuß wird sich auch mit Satellitendiensten befassen (Art. 5 Abs. 1 der Entscheidung Nr. 710/97/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 24.3.1997 über ein koordiniertes Genehmigungskonzept für satellitengestützte persönliche Kommunikationsdienste in der Gemeinschaft, ABl. EG Nr. L 105 v. 23.4.1997, S. 4, im folgenden Satelliten-Entscheidung. Da hier schon jetzt Entscheidungen drängen, wird die Kommission vorläufig durch einen Ad-hoc-Interimsausschuß unterstützt (Art. 5 Abs. 2 Satelliten-Entscheidung). 79 Das entsprechend seinem englischen Titel „Approvals Committee for Terminal Equipment" abgekürzt als ACTE-Ausschuß bezeichnete Gremium beruht auf Art. 13 u. 14 der Endgerätekonformitätsrichtlinie und auf Art. 15 u. 16 der Richtlinie des Rates v. 29.10.1993 zur Ergänzung der Richtlinie 91/263/EWG hinsichtlich Satellitenfunkanlagen (93/97/EWG), ABl. EG Nr. L 290 v. 24.11.1993, S. 1. Vgl. nunmehr Art. 28 f Konformitätsrichtlinie. 80 Es sind dies die Verfahren 1. und II. b), die der Beschluß 87/373/EWG des Rates v. 13.7.1987 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse, ABl. EG Nr. L 197 v. 18.7.1987, S. 33, vorsah. Sie werden auch in zahlreichen anderen Bereichen verwandt, z.B. nach dem Beschluß 90/523/EWG des Rates v. 8.10.1990 über das Verfahren für Abweichungen von den im Protokoll zum Vierten AKP-EWG-Abkommen niedergelegten Ursprungsregeln, ABl. EG Nr. L 290 v. 23.10.1990, S. 33; Art. 2; für den Ausschuß für die statistische Geheimhaltung nach der Verordnung (Euratom/EWG) Nr. 1588/90 des Rates v. 11.6.1990 über die Übermittlung von unter die Geheimhaltungspflicht fallenden Informationen an das Statistische Amt der Europäischen Gemeinschaften, ABl. EG Nr. L 151 v. 15.6.1990, S. 1, Art. 7. Für die Harmonisierung von Normen vgl. Richtlinie 93/42 /EWG des Rates v. 14.6.1993 über Medizinprodukte, ABl. EG Nr. L 169 v. 12.7.1993, S. 1, Art. 6; Richtlinie 93/65/EWG des Rates v. 19.7.1993 über die Aufstellung und Anwendung kompatibler technischer Spezifikationen für die Beschaffung von Ausrüstungen und Systemen für das Flugverkehrsmanagement, Art. 6. Zum Verfahren auch Schreiber, S. 40. 81

Vgl. zur Definition des „Benehmens" als Form möglichst ein verständlicher Entscheidung Püttner, in: Münchener Rechtslexikon, München 1987 s.v. ..Benehmen"; Ba-

480

5. Teil: Die gemeinschaftsrechtliche Integration

denen der Ausschuß Stellung nimmt. Die Stellungnahme ist weitestgehend zu berücksichtigen. Über die Berücksichtigung informiert die Kommission den Ausschuß. Damit verbleibt das Letztentscheidungsrecht bei der Kommission. Dieses Verfahren bestimmt alle beratenden Funktionen des ONP-Ausschusses82 sowie die beratende Tätigkeit des ACTE-Ausschusses83 und des Genehmigungsausschusses.84 Es bestimmt also die Entscheidungsvorbereitung. 85 Dies wird besonders deutlich, wenn zunächst ein Normprogramm nur unter Berücksichtigung der Stellungnahme der Mitgliedstaaten erstellt wird, seine Konkretisierung und Umsetzung aber deren Einvernehmen im europarechtlich sog. Verfahren II b bedarf. Das Verfahren II b beginnt mit einem Vorschlag der Kommission, die eine bestimmte Maßnahme dem Ausschuß unterbreitet. 86 Hierüber stimmen die Vertreter der Mitgliedstaaten innerhalb einer ggf. festzusetzenden Frist ab. Ihre Stimmen werden gem. Art. 148 Abs. 2 EGV gewogen. Die Kommission erläßt die beabsichtigte Maßnahme, wenn sie mit der Stellungnahme des Ausschusses übereinstimmt. Andernfalls unterbreitet sie die Angelegenheit dem Rat, der mit qualifizierter Mehrheit entscheidet. Kann er sich nicht innerhalb von drei Monaten zu einem Beschluß durchringen, so erläßt die Kommission die vorgeschlagene Maßnahme. Damit ist die Entscheidung der Kommission zunächst an das Einvernehmen des Ausschusses bzw. des Rates gebun-

dura, in: Erichsen (Hrsg.), AVwR, § 37 II Rnr. 33, S. 514; Wolff, in: Wolff/Bachof, § 77 V e), S. 122. 82 Vgl. Art. 9 ONP-Rahmenrichtlinie sowie Art. 30 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1995 und Art. 29 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1997 ebenso wie Art. 15 Zusammenschaltungsrichtlinie. Für bestimmte Entscheidungen wird das Benehmen ferner ausdrücklich vorgeschrieben, so für die Festlegung des Arbeitsprogramms für ΟΝΡBedingungen (Art. 4 Abs. 3 ONP-Rahmenrichtlinie 1990, der aber 1997 entfallen ist); die Vorbereitung von ONP-Bedingungen durch Untersuchungen, Einladung zur Stellungnahme, Beauftragung des ETSI (Art. 4 Abs. 4 ONP-Rahmenrichtlinie 1990, Art. 5 Abs. 1 S. 2 ONP-Rahmenrichtlinie 1997); die Beauftragung von CEPT oder anderen Normierungsgremien, harmonisierte Genehmigungsbedingungen auszuarbeiten (Art. 12 Abs. 2 iVm. Art. 16 Abs. 2 Genehmigungsrichtlinie, Art. 3 Abs. 1 u. Art. 7 Satellitenentscheidung). 83 Art. 13 Endgerätekonformitätsrichtlinie. Ebenso Art. 15 Abs. 3 der Richtlinie des Rates v. 29.10.1993 zur Ergänzung der Richtlinie 91/263/EWG hinsichtlich Satellitenfunkanlagen (93/97/EWG), ABl. EG Nr. L 290 v. 24.11.1993, S. 1. 84 Art. 13 Abs. 2 Genehmigungsrichtlinie, Art. 7 Satelliten-Entscheidung. 85 Als „beratend" beschreibt das Verfahren I ausdrücklich Art. 2 des Beschlusses 87/373/EWG des Rates v. 13.7.1987 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefügnisse, ABl. EG Nr. L 197 v. 18.7.1987, S. 33. 86 Vgl. die Beschreibung des Verfahrens II in Art. 2 des Beschlusses 87/373/EWG des Rates v. 13.7.1987 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse, ABl. EG Nr. L 197 v. 18.7.1987, S. 33.

. Abschnitt: Die

erat

der Kommission

481

den. 8 7 I m Falle einer Blockade kann die Kommission aber auch entgegen der Ausschußstellungnahme

tätig werden, wenn der Rat innerhalb

der

Drei-

Monats-Frist keinen Beschluß faßt. I m Ergebnis müssen der Ausschuß bzw. Rat also konstruktiv widersprechen. Dieses Verfahren ist typischerweise dann zu beschreiten, wenn nationale Regeln angeglichen werden sollen. 8 8 Es simuliert letztlich eine Ratssitzung auf Arbeitsebene. Dies zeigt sich daran, daß ein Widerspruch zur Vorlage der Frage an den Rat führt.

C. Die Regulierungsbehörde zwischen Kooperation und Koordination Die Ausschüsse bieten demnach ein Verfahren, das einerseits die Kooperation der Mitgliedstaaten formalisiert, andererseits aber auch der Kommission

87 Vgl. zur Definition des „Einvernehmens" Püttner, in: Münchentr Rechtslexikon, München 1987 s.v. „Einvernehmen"; Badura, in: Erichsen (Hrsg.), AVwR, § 37 II Rnr. 33, S. 514; Wolff in: Wolff/Bachof, § 77 V c) 3., S. 120 f. 88 So verlangt die ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1995 das Einvernehmen für die Fälle, in denen der ONP-Ausschuß als „Regelungsausschuß" fungiert (Art. 31 Abs. 1 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1995, Art. 30 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1997, Art. 16 Zusammenschaltungsrichtlinie). Dies ist der Fall bei der Harmonisierung von Diensten und Leistungsmerkmalen (Art. 25 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1995, entfallen in der ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1997, der die Festlegung der Dienstequalität in Art. 12 den Mitgliedstaaten überläßt, aber in Annex III auf die Empfehlung der ETSI ETR 138 dazu verweist,) und deren Anpassung an den technologischen Fortschritt oder die Marktentwicklung (Art. 29 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1995, der Art. 28 ONP-Sprachtelefondienstrichtlinie 1997 entspricht, und Art. 19 Zusammenschaltungsrichtlinie). Das Verfahren des Einvernehmens findet ferner Anwendung bei der Harmonisierung von Regeln über die grundlegenden Anforderungen, aufgrund derer der Netzzugang beschränkt werden kann. Auch die Verbindlichkeitserklärung oder die Streichung einer harmonisierten Norm muß einvernehmlich erfolgen. Vgl. Art. 10 iVm. Art. 5 Abs. 3 u. Abs. 4 ONP-Rahmenrichtlinie 1997 ebenso wie Art. 5 Abs. 3 ONP-Rahmenrichtlinie 1990. Das Einvernehmen des Genehmigungsausschusses bzw. des Ad-Hoc-Interims-Ausschusses ist erforderlich, um ein Globalverfahren der Genehmigung einzurichten (Art. 13 Abs. 1 S. 1 iVm. Art. 17 Genehmigungsrichtlinie; Art. 4 und Art. 6 Satelliten-Entscheidung) bzw. Genehmigungsbedingungen für Satellitendienste zu harmonisieren (Art. 3 Abs. 3 Satelliten-Entscheidung). Soweit es um die Annahme gemeinsamer technischer Vorschriften für Endeinrichtungen geht, kann die Kommission nur in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des ACTE-Ausschusses Harmonisierungsmaßnahmen einleiten und harmonisierte Normen für verbindlich erklären (Art. 4 u. Art. 6 iVm Art. 14 Endgerätekonformitätsrichtlinie, ähnlich Art. 4 Abs. 6 u. Art. 5 Abs. 2 iVm. Art. 16 Richtlinie 93/97/EWG des Rates v. 29.10.1993 zur Ergänzung der Richtlinie 91/263/EWG hinsichtlich Satellitenfunkanlagen, ABl. EG Nr. L 290 v. 24.11.1993, S. 1). Ein identisches Einvernehmens-Verfahren ist übrigens für den Ausschuß vorgesehen, der die Kommission bei der Organisation des Informationsverbundes zwischen den Verwaltungen in der Gemeinschaft unterstützt. Vgl. Beschluß des Rates v. 6.11.1995 betreffend den Gemeinschaftsbeitrag für den Informationsverbund für den Datenaustausch zwischen Verwaltungen in der Gemeinschaft (IDA), ABl. EG Nr. L 269 v. 11.11.1995, S. 23 (Art. 4 Abs. 3).

31 Oertel

482

5. Teil: Die gemeinschaftsrechtliche Integration

eine koordinierende Rolle zuweist. In ihm verschränken sich vertikale und horizontale Kooperation. 89 Es ist dabei nicht zu befürchten, daß die koordinierende Kommission in den Ausschüssen die mitgliedstaatliche Regulierung verdrängt. Denn die Einrichtung der Ausschüsse soll zunächst nicht das Gewicht der Gemeinschaft gegenüber den Mitgliedstaaten stärken, sondern das Gewicht der Mitgliedstaaten in der Gemeinschaft. Der Rat hat das beschriebene Verfahren gewählt, um die Kommission ihrerseits einer Kontrolle durch die mitgliedstaatlichen Verwaltungen zu unterziehen. 90 Auch die jüngeren Richtlinien lassen erkennen, daß die Kompetenzen der Kommission nicht weiter ausgedehnt werden sollen. So hatte sich das Schlichtungsverfahren des ONPAusschusses zunächst auch für grenzüberschreitende Streitigkeiten über Zusammenschaltungen angeboten.91 Die Zusammenschaltungsrichtlinie setzte demgegenüber auf eine unmittelbare Kooperation zwischen den beteiligten nationalen Behörden. 92 Letztlich hängt die Effektivität der Ausschüsse auch aus Sicht der Kommission davon ab, welches Gewicht ihre mitgliedstaatlichen Angehörigen verkörpern. Deswegen ist es durchaus denkbar, daß - bundesstaatlichen Abstimmungsgremien vergleichbar 93 - die Ausschüsse die Stimme der mitgliedstaatlichen Behörde verstärken und deren Eigenständigkeit sowohl im Verhältnis zur Kommission als auch im Verhältnis zur nicht auf dieser Ebene vertretenen mitgliedstaatlichen Verwaltung betonen. Da das Gemeinschaftsrecht den Begriff der Regulierungsbehörde funktional versteht, können die Vertreter des Mitgliedstaates in den Ausschüssen sowohl der Regulierungsbe-

89

Zu diesen Kategorien Schmidt-Aßmann, in: FS-Winkler, S. 995 (1001 f), ders., Ordnungsidee, S. 35, 313, 318. 90 Vgl. Sauter , in: Scott/Audéoud, S. 105 Π15) zur Auseinandersetzung um die ONPSprachtelefondienstrichtlinie und aaO. (128) zur Kontrolle der Kommission durch den Rat. 91 Vgl. Art. 17 in der Fassung des Gemeinsamen Standpunkts (EG) Nr. 34/96 vom Rat festgelegt am 18.6.1996 im Hinblick auf den Erlaß der Richtlinie 96/.../EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom ... über die Zusammenschaltung in der Telekommunikation im Hinblick auf die Sicherstellung eines Universaldienstes und der Interoperabilität durch Anwendung der Grundsätze für einen offenen Netzzugang (ONP), ABl. EG Nr. C 220 v. 29.7.1996, S. 13. 92 Vgl. Art. 17 Abs. 2 u. Abs. 3 Zusammenschaltungsrichtlinie. Auch für die Überprüfung von Zusammenschaltungen mit Unternehmen ist die Kommission nur Zuständigkeit, wenn ihr der Rat nach ihrer Anrufung durch einen Mitgliedstaat ein Verhandlungsmandat erteilt (vgl. Art. 21 Zusammenschaltungsrichtlinie). Ähnlich Art. 18 der Genehmigungsrichtlinie und Art. 9 Satelliten-Entscheidung für die Abstimmung mit Drittstaaten vor. Nach Art. 12 Abs. 2 Zusammenschaltungsrichtlinie treffen die Mitgliedstaaten sogar selbst die erforderlichen Maßnahmen, um die Koordination ihrer Standpunkte zur Numerierung in internationalen Organisationen und Foren zu gewährleisten, in denen Beschlüsse zur Numerierung gefaßt werden. Eine ähnliche Zurückhaltung gegenüber der Kommission berichtet für die Genehmigungsrichtlinie von Borries, in: FS-Everling, S. 127(135). 93

Zu diesem Vergleich Oebbecke, in: FS-Carl Heymanns Verlag, S. 607 (619).

4. Abschnitt: Eine Europäische Regulierungsbehörde

483

hörde nach §§66 ff TKG als auch dem Ministerium selbst entstammen.94 Insoweit ist das europäische Ausschußwesen rechtlich gegenüber der binnenstaatlichen Zuständigkeitsordnung neutral. Faktisch kann es aber - eine kompetente Mitarbeit der Regulierungsbehörde in den europäischen Gremien vorausgesetzt - deren Verselbständigung aus dem mitgliedstaatlichen Gefuge heraus befördern.

Vierter Abschnitt

Die Bildung einer Europäischen Regulierungsbehörde In der telekommunikationspolitischen Diskussion findet sich seit dem sog. Bangemann-Bericht über die Perspektiven der Informationsgesellschaft die Idee einer Europäischen Regulierungsbehörde. 95 Sie wurde zunächst vom Europäischen Parlament aufgenommen. 96 Es forderte 1995 die Kommission auf, „dem Rat und dem Parlament einen Vorschlag zur Schaffung einer europäischen Telekommunikationsbehörde vorzulegen, deren Aufgabe darin bestünde, auf europäischer Ebene die Bestimmungen durchzusetzen, die zum raschen Aufbau leistungsfähiger europäischer Informationsstrukturen und -dienstleistungen notwendig sind, wobei die Beziehungen zu den einzelstaatlichen Aufsichtsbehörden darzulegen sind." Zugleich äußerte es „seine Besorgnis über die Gefahr, daß es zu oligopolistischen Zuständen oder zu Absprachen kommt, die auf die Aufteilung des Marktes zwischen den fuhrenden Betreibern abzielen und zwar wegen der Art und Weise, in der einige der Vereinbarungen über die Zusammenschaltung formuliert sind, und fordert[e] deshalb eine europäische

94 Da der Mitgliedstaat die Vertreter bei der Gemeinschaft auswählt (vgl. Hilf S. 114 Fn. 19), behält sich das Wirtschaftsministerium vor, die deutschen Vertreter für den ONP-Ausschuß zu bestimmen. Es lädt aber ausdrücklich auch Betreiber, Hersteller und Nutzer ein, sich an der Vorbereitung dieser Sitzungen zu beteiligen. Vgl. BMWi, Mitteilung Nr. 156/1998, ONP-Ausschuß bei der Europäischen Kommission; Beteiligung deutscher Organisationen und Unternehmen an der nationalen Vorbereitung von Ausschußsitzungen, ABl. RegTP 16/1998, S. 1851. 95

„Europa und die globale Informationsgesellschaft" K O M (94) 347 endg. = BRDrs. 792/94 (S. 5f), sogen. Bangemann-Bericht v. 26.5.1994 für die Tagung des Europäischen Rates auf Korfu am 24./25.6.1994. Vgl. Sauter , in: Scott/Audéoud, S. 105 (129). 96 Entschliessung zu der Mitteilung der Kommission „Grünbuch über die Liberalisierung der Telekommunikationsinfrastruktur und der Kabel fernsehnetze" (Teil I - Grundsätze und Zeitrahmen) (KOM (94)0440 - C4-0209/94) (A4-0063/95), ABl. EG Nr. C 109 v. 1.5.1995, S. 310 (Ziff. 9).

484

5. Teil: Die gemeinschaftsrechtliche Integration

Kontrollbehörde mit starken Regelsetzungs- und Interventionsbefugnissen, die in Koordinierung mit den Befugnissen der nationalen Aufsichtsbehörden wahrgenommen werden, wobei diese europäische Aufsichtsbehörde das Recht hätte, unter Aufsicht der gerichtlichen Instanzen der Union Streitfälle zu schlichten" 97 Außerdem sollte die Behörde die europaweiten Frequenzen bewirtschaften, 98 Verbraucherrechte schützen und gegen kriminelle und sozialschädliche Aktivitäten in den Netzen vorgehen. 99 Diese Forderung fand nicht sogleich Gehör. 100 Erst in der Zusammenschaltungsrichtlinie von 1997 wird der Kommission aufgegeben zu prüfen, „welchen zusätzlichen Nutzen die Einsetzung einer Europäischen Regulierungsbehörde hat, die diejenigen Aufgaben übernimmt, bei denen sich herausstellen sollte, daß sie besser auf Gemeinschaftsebene durchgeführt werden." 101 Eine von der Kommission dazu in Auftrag gegebene Studie gelangte dazu 1997 zu dem Ergebnis, daß der Markt gegenwärtig keinen eindeutigen Bedarf für eine solche Behörde erkennen lasse. 102 Die Rechtsprechung des EuGH steht weiterhin allen Versuchen entgegen, ohne eine Vertragsänderung Vollzugskompetenzen der Kommission, die über genau umgrenzte Ausführungsbefugnisse hinausgehen, an eine solche Einrichtung abzugeben.103

97

Europäisches Parlament, Entschließung zum Grünbuch über die Liberalisierung der Telekommunikationsinfrastruktur und der Kabelfernsehnetze" (Teil II) (KOM(94)0682 - C4-0030/95) (A4-0111/95), ABl. EG Nr. C 151 v. 19.6.1995, S. 479 (Ziff. 10). 98 Europäisches Parlament, Entschließung zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und an den Rat „ A u f dem Weg zu Personal Communications Grünbuch über ein gemeinsames Konzept für Mobilkommunikation und Personal Communications in der Europäischen Union" und zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Konsultation zum Grünbuch über Mobilkommunikation und Personal Communications, A4-0097/95, ABl. EG Nr. C 151 v. 19.6.1995, S. 473 (Ziff. 11). 99 Europäisches Parlament, Entschließung zum Grünbuch über die Liberalisierung der Telekommunikationsinfrastruktur und der Kabelfernsehnetze" (Teil II) (KOM(94)0682 - C4-0030/95) (A4-0111/95), ABl. EG Nr. C 151 v. 19.6.1995, S. 479 (Ziff. 11). 100 Vgl. Gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 58/96 vom Rat festgelegt am 12.9.1996 im Hinblick auf den Erlaß der Richtlinie 96/.../EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom ... zur Änderung der Richtlinien 90/387/EWG und 92/44/EWG des Rates zwecks Anpassung an ein wettbewerbsorientiertes Telekommunikationsumfeld (96/C 315/07), ABl. EG Nr. C 315 v. 24.10.1996, S. 41 (S. 53, Ziff. 2. ii)). 101 Vgl. Art. 22 Abs. 2 S. 4 Zusammenschaltungsrichtlinie. Ebenso Art. 8 S. 3 ONPRahmenrichtlinie 1997. 102 Vgl. n/e/r/a , Issues associated with the creation of a european regulatory authority. London April 1997. 103 Vgl. EuGH C 9/56 - Meroni -, Slg. 1958, 33, ( 43 f); C 10/56, Slg. 1958, 57 (81 ff). Dazu Thomas Oppermann , Europarecht, München 1991, Rnr. 369-373; von Börnes·, in: FS-Everling, S. 127 (145); Sauter, in: Scott/Audéoud, S. 105 (131). Skeptisch auch n/e/r/a, Issues, S. 78; Sauter, in: Scott/Audéoud, S. 105 (131).

4. Abschnitt: Eine Europäische Regulierungsbehörde

485

Damit sichert sie zugleich die legitimierende M i t w i r k u n g nationalstaatlicher Behörden im V o l l z u g . 1 0 4 Deswegen ist es bis auf weiteres allenfalls denkbar, daß eine Europäische Regulierungsbehörde die bereits vorhandenen Institutionen der gemeinschaftsweiten Kooperation und Koordination unter ihrem Dach zusammenfuhrt. 1 0 5 Dabei ist zum einen an die Büros zu denken, die Antragstellern für Frequenzen oder Lizenzen als zentrale Anlaufstelle dienen sollen. 1 0 6 Hier sieht das Gemeinschaftsrecht verschiedentlich ein Verfahren des sog. One-stop-shopping v o r . 1 0 7 Demnach können Anträge für verschiedene Mitgliedstaaten bei einer Stelle gebündelt eingereicht werden. Das jeweilige Büro übernimmt die gemeinschaftsinterne Verteilung und Sammlung. Eigene Entscheidungskompetenzen stehen ihm aber nicht zu. Z u m anderen ist an die dargestellten Ausschüsse zu denken. Ihre Zusammenführung w i r d bereits erwogen. 1 0 8 Angesichts der Ähnlichkeiten von Struktur und Verfahren erscheint sie plausibel. Allerdings w i r d eine Zusammenfuhrung nicht notwendig dazu führen, daß der ONP-Ausschuß in die Rolle einer

supra-nationalen

Regulierungsbehörde

hineinwächst. 1 0 9

Die

neuere

Rechtsentwicklung steht einer Ausweitung seiner Kompetenzen zurückhaltend

104

Zum Zusammenhang von mitgliedstaatlicher Organisationsautonomie und Legitimationsordnung eine Andeutung bei von Danwitz, S. 202. 105 Keinen Bedarf für eine europäische Regulierungsbehörde sieht auch die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zum Grünbuch Konvergenz, dargestellt bei Alexander Tettenborn, Zwischennotiz zum Grünbuch Konvergenz, K & R 1998, 296 (298). Ähnlich die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag laut M M R 6/1998, S. XVIII; Möschel, MMR-Beilage 3/1999, S. 3 (6). Anders aber Kommissar Bangemann bei der Vorstellung des 4. Liberalisierungsberichtes der Kommission, vgl. FAZ v. 26.11.1998, Nr. 275, „ M i t Öffnung der Telekom-Märkte zufrieden". Ein Aufleben der Diskussion um ein Europäisches Kartellamt ist in diesem Zusammenhang nicht zu erwarten. Vgl. dazu ClausDieter Ehlermann, Überlegungen zum Europäischen Kartellamt, in: Ole Due u.a. (Hrsg.), FS-Everling, Baden-Baden 1995, S. 283; Oebbecke, in: FS-Carl Heymanns Verlag, S. 607 (609 Fn. 13). 106 Ein Beispiel bietet innerhalb der Konferenz der Europäischen Post- und Telekommunikationsverwaltungen (CEPT) das Komitee für regulatorische Angelegenheiten (ECTRA). Es befaßt sich u.a. mit Genehmigungsfragen. Als Büro des ECTRA fungiert aufgrund eines Memorandums von 1994, das 24 Staaten unterzeichnet haben, das European Telecommunications Office (ETO) in Kopenhagen. Seine 9 Mitarbeiter arbeiten zum einen an der Harmonisierung von Numerierung und Lizenzierung. Zum anderen bieten sie für 15 Staaten ein One-Stop-Shopping-Verfahren zur Beantragung von Lizenzen an. Vgl. n/e/r/a, Issues, S. 13f. 107

Auf das in Fn. 106 beschriebene Verfahren nehmen Art. 13 Genehmigungsrichtlinie und Art. 4 Satelliten-Entscheidung Bezug. 108 Zum 1.1.2000 soll ein Kommissionsbericht erörtern, inwieweit die verschiedenen Ausschüsse sich zusammenführen lassen (Art. 23 S. 3 Genehmigungsrichtlinie). 109 So aber Scott, in: Scott/Audéoud (eds.), 21 (26); zurückhaltender Sauter , in: Scott/Audéoud (eds.), 105 (130).

486

5. Teil: Die gemeinschaftsrechtliche Integration

gegenüber. Wenn sie diese Stellen in sich vereinigte, würde eine Europäische Regulierungsbehörde für Telekommunikation etwa der Europäischen Arzneimittelagentur ähneln. 110 Diese Agentur koordiniert die nationalen Behörden, die unter ihrem Dach kooperieren. Eine Einbuße an Eigenständigkeit wäre bei einer solchen Überwölbung durch eine Europäische Agentur für die nationale Regulierungsbehörde nicht zu erwarten.

Fünfter A bschnitt Die Regulierungsbehörde zwischen gemeinschaftlicher Integration und binnenstaatlicher Autonomie Im Ergebnis bleibt für die Ausgangsfrage nach der Bedeutung der gemeinschaftlichen Integration für die binnenstaatliche Autonomie der Regulierungsbehörde folgendes festzuhalten: Das Telekommunikationsrecht ist im Kern Europarecht. 111 Daher unterliegt die Tätigkeit der Regulierungsbehörde nach §§66 ff TKG der gemeinschaftlichen Umsetzungsaufsicht. Diese Aufsicht stützt ihre funktionelle Unabhängigkeit und in Ansätzen auch die politische Verselbständigung der Regulierungsbehörde ab. Insoweit garantiert die Unterwerfung unter die gemeinschaftliche Umsetzungsaufsicht die richtlinienförmig niedergelegte Eigenständigkeit der Regulierungsbehörde innerhalb des Mitgliedstaates. Soweit die Regulierungsbehörde, insbesondere durch ihre Beschlußkammern, Entscheidungen der sektorspezifischen Mißbrauchsaufsicht trifft, berührt ihre Tätigkeit auch kartellrechtliche Kompetenzen, die die Kommission gemeinschaftseigen vollzieht. Daher ist es denkbar, daß derartige Entscheidungen, soweit sie gemeinschaftsweite Bedeutung haben, von der Kommission korrigiert werden. Daraus folgen Abstimmungs- und Abgrenzungspro110

Vgl. Verordnung EWG Nr. 2309/93 des Rates v. 22.7.1993 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Schaffung einer Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln, ABl. EG Nr. L 214 v. 24.8.1993, S. 1, Titel IV. Dazu mit weiteren Beispielen von Bornes, in: FS-Everling, S. 127 (144). 111 Aus dem europäischen Telekommunikationsrecht sind namentlich die Verfahrenskriterien der Objektivität, Transparenz bzw. Nachvollziehbarkeit und Diskriminierungsfreiheit in das TKG eingegangen. Vgl. § 11 Abs. 4 S. 3, Abs. 6 S. 5, § 19 Abs. 7 S. 2, § 47 Abs. 1 S. 2 TKG. Aus dem Europarecht Art. 3 Abs. 1 ONP-Rahmenrichtlinie, Art. 2 Abs. 2 S. 1, Art. 2 Abs. 3, Art. 4 Abs. 1 Diensterichtlinie, Art 8 A b s . l S. 3 u. Abs. 2 S. 1 ONP-Mietleitungsrichtlinie 1992, ebenso Art. 8 Abs. 1 S. 3u. Abs. 2 S. 1 ONP-Mietleitungsrichtlinie 1997 sowie die Erschliessung des Rates v. 18.9.1995 zur Entwicklung des künftigen ordnungspolitischen Rahmens für die Telekommunikation (95/C 258/01), ABl. EG Nr. C 258 v. 3.10.1995, S. 1 (Ziff. 3 a) 3. Spiegelstrich u. Ziff. 3 b)) als Kernpunkt des künftigen ordnungspolitischen Rahmens an. Diese Trias könnte in ein „Regulierungsverwaltungsrecht" eingehen, auf das Trute, DVB1. 1996, 950 (954), hinarbeitet.

5. Abschnitt: Zwischen Integration und Autonomie

487

bleme. Solche Probleme lassen sich durch eine beiderseitig restriktive Handhabung der eigenen Kompetenz entschärfen, 112 dürften aber ohnehin in Randbereichen der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit auftreten. Der Kern der mitgliedstaatlichen Vollzugskompetenz bleibt auch unter dem gemeinschaftseigenen Vollzug des vertraglichen Wettbewerbsrechts unberührt. Soweit die Mitgliedstaaten das gemeinschaftliche Telekommunikationsrecht indirekt vollziehen, sollen die Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt harmonisiert werden. 113 Neben einer materiell- und verfahrensrechtlich konstituierten Einheit im Vollzug dient hierzu ein Geflecht verschiedener Ausschüsse. In ihnen übernehmen die Vertreter der Mitgliedstaaten unter der Ägide der Kommission und vorbehaltlich einer Letztentscheidung des Rates schlichtende und beratende Funktionen. Das Ausschußgewölbe überfängt die mitgliedstaatlichen Behörden und harmonisiert ihr Handeln, läßt ilire Eigenständigkeit aber unberührt. Daran würde sich aus heutiger Sicht auch dann nichts ändern, falls eine Europäische Regulierungsbehörde gebildet werden sollte. Sie könnte Vollzugskompetenzen nur im Wege einer - nicht abzusehenden - Vertragsänderung erhalten. Daher dürfte sie allenfalls die existierenden Gremien der Koordination und Kooperation zusammenführen, nicht aber die institutionelle Balance zugunsten der Gemeinschaft verändern. Im Ergebnis scheint die Integration der Regulierungsbehörde in einen gemeinschaftlichen Organisationszusammenhang ihre Eigenständigkeit daher nicht zu schwächen. Innerhalb des mitgliedstaatlichen Kontextes kann der Verweis auf das Gemeinschaftsrecht und seine Institutionen ihre Verselbständigung sogar eher fordern. Denn er hebt sie aus dem nationalen Weisungs- und Kontrollzusammenhang heraus und fuhrt in eine supranationale Ordnung hinein.

112 Vgl. dazu Gericht 1. Instanz, Rs. T-24/90- Automec II -, EuGH Slg. II, 1992, 2223, Rnr. 85 ff; Bekanntmachung über die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Gerichten der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Art. 85 u. 86 EGVertrag, ABl. C 39 v. 13.2.1993, S. 6 Ziff. 13. Aus Sicht der Kommission Temple Lang, ELR 23 (1998), 109(118 0113 Vgl. zum indirekten Vollzug aus deutscher Sicht Oebbecke, in: FS-Carl Heymanns Verlag, S. 607 (619 f)·

Sechster T e i l

Resümee Eine abschließende Antwort auf die Ausgangsfrage nach der Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde ist nach dieser Untersuchung nicht in einem Satz zu geben. Das Vorstehende hat ein differenziertes Bild ergeben, innerhalb dessen die beiden Aspekte funktioneller und politischer Unabhängigkeit verschiedene Zusammenhänge beleuchten.

Erster Abschnitt

Die funktionelle Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde Die funktionelle Unabhängigkeit der regulierungsbehördlichen Aufgabenwahrnehmung geht auf die Postreform I zurück, die die sachliche Unterscheidung der betrieblichen und unternehmerischen Aufgaben von den politischen und hoheitlichen Aufgaben in die organisatorische Binnengliederung der Deutschen Bundespost einführte. In der Folge lösten sich vor allem die Unternehmen aus dem Zusammenhang der unmittelbaren Bundesverwaltung heraus. Nach ihrer Rechtsformprivatisierung schob sich zwischen sie und den Bund die anstaltliche Verwaltung von Aufgaben des Bundes in bezug auf die Unternehmen. Aus der ursprünglichen funktionellen Zweiteilung wurde so eine funktionelle Dreiteilung von privatwirtschaftlicher Leistungserbringung, anstaltlicher Unternehmensverwaltung und behördlicher Regulierung. 1 Diese Dreiteilung ist sowohl nach Art. 87f GG als auch nach Art. 5a Abs. 2 ONP-Rahmenrichtlinie unbedingt geboten.

1 Diese Entwicklung wird besonders deutlich an einem Textvergleich von Art. 87f GG mit § 1 Abs. 1 PostVerfG und von Art. 6 Endgeräterichtlinie mit Art. 5a Abs. 2 ONP-Rahmenrichtlinie.

6. Teil: Resümee

489

Die anfänglich von einem sich ergänzenden System von Mitwirkungsrechten überzogene verwaltungsinterne Differenzierung des PostVerfG wird nach dem TKG nunmehr über die Großbauformen des Verwaltungsorganisationsrechts hergestellt. In der Rechtsform der Aktiengesellschaft, der Anstalt und der Oberbehörde erhält jeder Funktionskreis seine eigene Identität. Verknüpfungen, die dadurch entstanden, daß die Anstalt zunächst dem zugleich regulierenden Postministerium unterstellt war, sind zum Jahresbeginn 1998 einer strikten Ressorttrennung gewichen. In der Zuweisung der Unternehmensverwaltung zum Finanzministerium und der Regulierung zum Wirtschaftsressort trennen sich staatliches dominium und imperium auch auf der Kabinettsebene.2 Die im früheren Postministerium geeinte Staatsaufsicht gliederte sich ressortiell in Wirtschaftsaufsicht und Anstaltsaufsicht/ Damit änderten sich zunächst weniger die Steuerungsziele. Den gemeinwirtschaftlichen Auftrag der Deutschen Bundespost führt Art. 87f Abs. 1 GG in komprimierter Form fort; 4 ihre erwerbswirtschaftliche Leistung wird anstelle der früheren Ablieferung nunmehr in der Form von Steuern und Renditen abgeschöpft. 5 Die organisatorische Gliederung erfaßt daher primär die Steuerungsinstrumente. 6 Nach dessen Rechtsformumwandlung trat das regulierende Ministerium dem bundeseigenen Unternehmen als Eingriffsverwaltung gegenüber.7

2

Zur Scheidung von imperium und dominium am Beispiel der Bahn SchmidtAßmann/Röhl, DÖV 1994, 577 (583). Auch Grupp, DVB1. 1996, 591 (595) stellt den Unterschied zwischen Verwaltungsaufsicht im Staatsbahnsystem und Wirtschaftsaufsicht im Privatbahnsystem heraus. Aus Sicht des englischen Rechts Daintith, The Executive Power Today: Bargaining and Economic Control, in: Jowell, Jefßy/Dawn, Oliver (eds.), The Changing Constitution, 2 n d ed., Oxford 1989, S. 193-218. 3 Zur Begrifflichkeit vgl. Ehlers, Wirtschaftsaufsicht, S. 6. Zur Staatsaufsicht über gemischtwirtschaftliche Unternehmen schon Forsthoff, Lehrbuch, S. 445. Im engeren Sinne wird „Staatsaufsicht" nur gegenüber rechtlich verselbständigten Verwaltungsträgern ausgeübt. Vgl. Wolff in: Wolff/Bachof II, § 77 II b 3., S. 103. In diesem Sinne auch Kirchhof ; in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR III, § 59 Rnr. 203: „Die Staatsaufsicht gegenüber der mittelbaren Staatsverwaltung und dem privaten Verwaltungshelfer ist der noch verbliebene Teil staatlicher Verwaltungsverantwortung." 4 Zum Übergang von der Daseinsvorsorge zur Gewährleistung vgl. Hermes, S. 340342. 5 Zum Übergang von der Ablieferungspflicht zur Steuerpflicht vgl. auch § 63 Abs. 1 u. § 43 PostVerfG. 6 Vgl. auch Hermes, S. 339 f. Zur Wechselwirkung von Aufgaben und Instrumenten eingehend Eifert, S. 18 ff. 7 In diese Richtung schon Vogel, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 54 (1995), 335 f; Spoerr/Deutsch, DVB1. 1997, 300 (301). Auch Grämlich, VerwArch 88 (1997), 598 (628), meint, daß sich die wirtschaftsaufsichtsrechtliche Beziehung des Staates zu seinem Unternehmen im Zuge der Postreform Ii „normalisiert" habe. Zur Bahnreform ähnlich Benz, Die Verwaltung 28 (1995), 337 (349-352).

490

6. Teil: Resümee

In dieser Gegenüberstellung zeigt sich, daß die funktionelle Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde eine Bedingung des verfassungsrechtlichen Privatisierungsprogrammes ist. Die von Art. 87f Abs. 1 GG gewollte Gewährleistung setzt ebenso wie der Auftrag zur Privatwirtschaftlichkeit voraus, daß der Staat sich auf eine Systemverantwortung für den Wettbewerb zurückzieht, dessen Eigenrationalität aber so weit als verfassungsrechtlich möglich achtet.8 Dem entspricht ein Organisationsmodell, das gesellschaftliche Interessen nicht in staatliche Rationalitäten einbindet, sondern gerade die Unterschiede beider Handlungssysteme betont. Hierin setzt sich die Regulierungsbehörde gegen eine funktionale oder kondominiale Verwaltung ab.9 Sie ist keine Institution der Pluralisierung zur Gesellschaft hin, sondern vielmehr eine Institution der Differenzierung innerhalb des Staates. Während das staatliche Unternehmen den Weg aus der Gemeinwirtschaftlichkeit in die Erwerbswirtschaftlichkeit antritt und sich in der gemischtwirtschaftlichen Grauzone zwischen Staat und Gesellschaft bewegt, hält sich die Regulierungsbehörde dicht am hoheitlichen Kern staatlicher Aufgaben. 10 Ihre funktionelle Unabhängigkeit dient insofern nicht nur einer staatsinternen Gliederung, sie hebt zugleich das hoheitliche Verwalten vom gesellschaftlichen Wirtschaften ab. 11 Indem sich die hoheitlichen aus den wirtschaftlichen Aufgaben organisatorisch herausschälen, lassen sich die letzteren privatisieren. 12 Die funktionelle Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde

8

Evtl. Konflikte will Stern, DVB1. 1997, 307 (315 f), im Sinne praktischer Konkordanz ausgleichen. Ähnlich für die Wirtschaftsaufsicht im allgemeinen Ehlers, Wirtschaftsaufsicht, S. 75. 9 Dazu Matthias Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, Berlin 1993; Winfried Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, Tübingen 1997; Reinhard Hendler, Das Prinzip Selbstverwaltung, § 106, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR. IV, Heidelberg 1990; Ernst Thomas Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, Berlin 1991. Oben S. 242. Vgl. auch Di Fabio, Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung, VVDStRL 65 (1996), S. 235. Für die Unterscheidung der französischen Autorité de régulation des télécommunications von den auch dem französischen Verwaltungsrecht bekannten grundrechtssensiblen verselbständigten Verwaltungseinheiten Lasserre, AJDA 1997, 224 (224). 10 Zum Streit um die Zulässigkeit gemischtwirtschaftlicher kommunaler Unternehmen in der Telekommunikation vgl. Ebsen, DVB1. 1997, 1039 (1042) mwN.; Hermann Pünder, Die kommunale Betätigung auf dem Telekommunikationssektor, in: DVB1. 1997, S. 1353; Peter Badura, Wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde zur Erledigung von Angelegenheitden der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze, DÖV 1998, 818; Martin Müller, Zur verfassungrechtlichen Problematik kommunaler Unternehmen auf dem Telekommunikationsmarkt, DVB1. 1999, 1256; Trute, VVDStRL 57 (1998), S. 216 (227); Windthorst, Universaldienst, S. 177 ff, S. 193, und die Anhörung im Landtag Nordrhein-Westfalen v. 22.10. 1997, Ausschuß für Kommunalpolitik, Ausschußprot. 12/691. 11 Daß deswegen die Privatisierung den Staat auch zu einer Funktionsklärung veranlaßt, klingt bei Hermes, S. 153, an. 12 Eine ähnliche Entwicklung zeigt für die Bahn Art. 87e GG iVm. § 8 Abs. 1 AEG. Dazu oben S. 111 f.

6. Teil: Resümee

491

ist demnach eine Folge formeller, aber eine unabdingbare Notwendigkeit materieller Privatisierung.

Zweiter Abschnitt

Die politische Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde Auch die politische Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde ist ein organisationsrechtliches Korrelat ihres Privatisierungsprogrammes, aber nicht in gleicher Weise verfassungsrechtlich fixiert. So rechtfertigt es Art. 87f GG einerseits, die Wahrnehmung der Hoheitsaufgaben von tagespolitischer Einflußnahme zu distanzieren. Andererseits muß die Regulierungsbehörde als bundeseigene Verwaltung weiterhin dem Bund substantiell zugeordnet bleiben. Aus dieser Spannungslage erwächst der Organisationsgewalt ein gewisser Spielraum, die Regulierungsbehörde zu verselbständigen. Ihre Organisation wird nicht verfassungsrechtlich vorweggenommen. Soweit ein ministerialfreier Raum geschaffen werden soll, gilt allerdings ein Gesetzesvorbehalt. Ein faktischer Weisungsverzicht des Ministers gegenüber der Regulierungsbehörde ist daher zulässig, aber nicht bindend. Über die Abstufung von verfassungsrechtlicher, gesetzlicher, ministerieller und behördlicher Festlegung erhält die Organisationsgewalt neben den inhaltlichen auch kompetentielle Konturen. Unter Art. 87f GG kann ein differenziertes System politischer Abhängigkeiten entstehen. Wird die Frage nach der politischen Abhängigkeit auf die Weisungsbindung behördlichen Handelns zugespitzt, so ist nach den entscheidenden Organen und dem Typ der Weisung zu unterscheiden: (1) Soweit die Regulierungsbehörde unter der Leitung ihres Präsidenten Aufgaben einer allgemeinen Marktaufsicht wahrnimmt, wollte das TKG das hierarchische Prinzip ersichtlich nicht aufheben. Die fraglichen Zuständigkeiten richten sich nicht allein an das marktbeherrschende Unternehmen des Bundes, sie sind vielfach eher nachgeordneter technischer Natur und als solche privatisierungsneutral. (2) Privatisierungskritische Kompetenzen weist das Gesetz hingegen den allgemeinen Beschlußkammern zu, die als Mißbrauchsaufsicht über die Entgelte und die Netzzugangsbedingungen der Deutschen Telekom AG befinden. In ihrer Entscheidung sind sie von Einzelweisungen des Ministers oder des Präsidenten frei, wenngleich allgemeine Weisungen möglich bleiben. (3) Sowohl Einzelweisungen als auch allgemeinen Weisungen enthoben scheint die Präsidentenkammer. Sie trifft mit der Auferlegung von Universaldienstleistungen und der Vergabe knapper Frequenzen Verteilungsentscheidungen, die auch nach einer gelungenen materiellen Privatisierung hoheitlich blei-

492

6. Teil: Resümee

ben können und sich insofern als privatisierungsüberdauernde Kompetenz erweisen. Die verschiedenen Grade ihrer Weisungsbindung korrespondieren mithin der Bedeutung, die die Organe der Regulierungsbehörde aus dem Privatisierungsprogramm heraus erfahren. Ihr Privatisierungsprogramm erklärt auch, warum sich die Regulierungsbehörde namentlich vom Bundeskartellamt unterscheidet. Ihm ist sie zwar in den allgemeinen Beschlußkammern nachgebildet. Eine Präsidentenkammer, das öffentlich-rechtliche Amtsverhältnis des Präsidenten und der dem GWB unbekannten Vizepräsidenten sowie die Institution des Beirates finden sich in der allgemeinen Kartellbehörde aber nicht. Im Vergleich zu ihr ist das institutionelle Arrangement der Regulierungsbehörde dichter und feiner mit der Regierung und dem Parlament verbunden. Neben die ministerielle Einordnung treten die beiratliche Kontrolle und die persönliche Anbindung der Präsidenten an die Bundesregierung. Sie verdrängt insbesondere in der Präsidentenkammer eine sachlich-inhaltliche durch eine personelle Legitimation. Dieser Legitimationsmodus deutet an, daß das Privatisierungsprogramm namentlich hier noch der materiellen Konkretisierung bedarf. Die Sicherstellung des Wettbewerbs nach dem TKG ist eine wesentlich offenere Verwaltungsagende als die kartellbehördliche Mißbrauchsaufsicht nach dem GWB. Für die Regulierungsbehörde ist der Wettbewerbszweck ein Auftrag zu materieller Privatisierung, also dazu, ein gesellschaftliches Handlungssystem zu entwickeln. 13 Für das Bundeskartellamt stellt sich der Wettbewerb hingegen als ein bestehendes System dar, dessen gelegentlicher Mißbrauch zu korrigieren ist. 14 Hier respektiert das GWB im wesentlichen eine Autonomie des Marktes, den es selbst keinen weiteren Zwecken unterwirft. 15 Das TKG scheint hingegen den Wettbewerb als ein heteronomes Instrument betrachten zu wollen, den es selbst den Interessen der Nutzer nachordnet und der von Verfassungs wegen in den Dienst der Grundversorgung nach Art. 87f Abs. 1 GG zu nehmen ist. 16 So ist das marktbeherrschende Unternehmen aus seiner Verwaltungstradition heraus zugleich der geborene Anbieter der Universaldienstleistungen.17 Die Regulierungsbehörde sieht sich darin typischerweise einem 13

BT-Drs. 13/3609, S. 1, 33f; Schuster, in: Beck'scher TKG-Kommentar, § 1 Rnr. 12. 14 Vgl. Immenga/Mestmäcker, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, Einl. Rnr. 3. 15 Vgl. Rittner, Wettbewerbsrecht, § 6 Rnr. 34; Immenga/Mestmäcker, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, Einl. Rnr 4. Zum - offenen - Wettbewerbsbegriff des GWB vgl. Michael Lehmann, Das Prinzip Wettbewerb, JZ 1990, 61 (62-65). 16 Einen Vorrang der Nutzerinteressen will Schuster, in: Beck'scher TKGKommentar, § 1 Rnr. 5, allein aus der Stellung in § 2 Abs. 2 Nr. 1 ableiten, ohne die Bedeutung des § 1 TKG zu thematisieren. 17 Vgl. § 97 Abs. 1 TKG.

6. Teil: Resümee

493

Unternehmen der öffentlichen Hand gegenüber, während das Kartellamt sich mit privater Konkurrenz befaßt. Im Gegensatz zum bestehenden, autonomen und im wesentlichen unter originär privaten Unternehmen ausgetragenen Wettbewerb erweist sich der Wettbewerb nach Maßgabe des TKG als ein Ziel, das sich heteronom in den Dienst anderer Staatsaufgaben zu stellen hat und das gegen ein Unternehmen der öffentlichen Hand durchzusetzen ist. Vorerst kann sich der Wettbewerb in der Telekommunikation nicht aus sich selbst bestimmen. Er bedarf über die kartellbehördliche Korrektur hinaus regulierender Gestaltung. Damit eröffnet sich den Organen der Regulierungsbehörde ein Entscheidungs- und Abwägungsspielraum. Da er materiell noch nicht zu strukturieren ist, bettet das TKG ihn in ein politikbewußteres institutionelles Arrangement ein, als es sich im Bundeskartellamt findet. Hierin klingt die postministerielle Vergangenheit der Regulierungsbehörde nach. Schon als die Postreform I den ordnungspolitischen Gestaltungsspielraum für die Zulassung von Wettbewerb in den Randbereichen des Fernmeldewesens öffnete, sollte der neugeschaffene Infrastrukturrat die Anforderungen von Bundestag und Bundesländern an die postministerielle Politik artikulieren. Die föderale und parlamentarische Mitwirkung intensivierte sich nach der Postreform II, in der es dem Minister zufiel, die Marktöffnung über Randbereiche hinaus voranzutreiben. Nachdem das TKG das weitere Privatisierungsprogramm kodifiziert hatte, konnte sich der Regulierungsrat auf die Rolle des Beirates zurückziehen. Die Regulierung sank zum 1.1.1998 hierarchisch aus einer obersten, ministeriellen Behörde auf eine Oberbehörde herab. Je nach Entwicklungsstand des Privatisierungsprogrammes nimmt die politische Abhängigkeit also verschiedene Formen und Intensität an. 18 Politische Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde und ordnungspolitische Festigung des Privatisierungsprogramms bedingen einander.

Dritter Abschnitt Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde als bleibendes Thema Funktionelle und politische Abhängigkeit der Regulierungsbehörde hängen vom Fortschritt des Privatisierungsprogrammes ab; Privatisierung und Regulie-

18 So läßt sich im sektorübergreifenden Vergleich die Abhängigkeit des Eisenbahnbundesamtes vom Bundesverkehrsministerium damit erklären, daß die materielle Privatisierung im Bahnwesen noch nicht in vergleichbarer Weise fortgeschritten ist, also weiterhin der politischen Einzelfallfuhrung bedarf. Dazu BMV, Organisationsentscheidung Eisenbahn-Bundesamt, Verkehrsblatt 1994, S. 90, § 2 Abs. 1 S. 2.

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6. Teil: Resümee

rung sind Prozesse des Aufgabenwandels. 19 Das Organisationsrecht zieht diesen Prozessen eine strukturelle Konstante ein. Die Organisationsgewalt muß aber imstande bleiben, diese Konstante dem von ihr selbst getragenen Aufgabenwandel nachzuführen. So wird die Bedeutung der allgemeinen Beschlußkammern dann nachlassen, wenn die marktbeherrschende Stellung der Deutschen Telekom AG verfällt. 20 Die bislang brachliegende Kompetenz der Präsidentenkammer, Universaldienstleistungen aufzuerlegen, mag nach ihrer theoretischen Durchdringung zukünftig auch praktisch unter den Pflug genommen werden. Je nach Entwicklung des Wettbewerbes wird auch die Rolle der gesamten Regulierungsbehörde unterschiedlich beurteilt werden. Sie könnte sich selbst weithin entbehrlich machen, indem sie das Privatisierungsprogramm abschließt und die Telekommunikation in einen funktionierenden Wettbewerb überführt. 21 Es läßt sich aber auch nicht ausschließen, daß die Regulierungsbehörde ihre Interessen mit denen der marktansässigen Unternehmen identifizieren wird und daher für beider Bestand Sorge trägt. 22 Dem offenen Ausgang dieses Prozesses entspricht es, die Organisationsgewalt über die Regulierungsbehörde als eine virulente zu erhalten. Der jährliche Rechenschaftsbericht mag hierzu einen Anlaß bieten. Strukturelle Bedingung für einen Organisationswandel ist aber - so lehrt die Geschichte der Postreformen - die funktionelle Trennung der betroffenen Interessen sowie ein Vorbehalt politischer Einflußnahme. Funktionelle Unabhängigkeit und politische Abhängigkeit der Regulierungsbe19 Art. 87e GG stellen in eine dynamische Perspektive voi allem SchmidtAßmann/Röhl, DÖV 1994, 577 (578). Zur Regulierung als „Lernprozeß" Eberhard Witte, in: Jung/Warnecke (Hrsg.), S. 6-44. Allgemein zur Privatisierung als Prozeß Bauer, VVDStRL 54 (1995), S. 243 (254). 20 § 82 Abs. 3 TKG lenkt darum das besondere Augenmerk der Monopolkommission auf die Notwendigkeit fortwährender Regulierung. 21 Vgl. Regierungsentwurf zum Begleitgesetz, BT-Drs. 13/8016, S. 17: „Die wahrzunehmenden Aufgaben nach dem TKG und dem PostG-E und damit wesentliche Aufgaben der Regulierungsbehörde sind nicht auf unbestimmte Zeit, sondern von vornherein zeitlich befristet angelegt." In diese Richtung auch Hefekäuser/Wehner, CR 1996, 698 (702); Hans-Willi Hefekäuser, Telekommunikationsmärkte zwischen Regulierung und Wettbewerb, M M R 1999, 144 (151 f). 22 Zur Klientelorientierung einer Verwaltungseinheit schon Steinberg, Verwaltungsorganisation, S. 250 ff; Schuppert, Verselbständigte Verwaltungseinheiten, S. 339 ff; auch Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 86 Rnr. 48. Beredtes Beispiel sind die Versuche der Industrie, die Benennung des Behördenpräsidenten zu beeinflussen. Dazu Der Spiegel v. 2.6.1997, „Schwarzes Loch"; Wirtschaftswoche v. 27.3.1997, „Bötsch watscht VebaChef ab". Ausdrücklich zur Gefahr der„capture" der Wissenschaftliche Arbeitskreis für Regulierungsfragen in seinen „Leitlinien für die Regulierungspolitik", abgedr. in CR 1998, 577 unter Ziffer 7. Zur Auseinandersetzung zwischen den betroffenen Unternehmen über die Zukunft der Regulierung vgl. Hans-Willi Hefekäuser, Telekommunikationsmärkte zwischen Regulierung und Wettbewerb, M M R 1999, 144, einerseits und Karl-Michael Fuhr/Bärbel Kerkhoff Regulierung als Voraussetzung für Wettbewerb in den Telekommunikationsmärkten, M M R 1999, 213, andererseits. Siehe auch oben S. 182 ff.

6. Teil: Resümee

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hörde bieten eine Voraussetzung dafür, die Dynamik des Privatisierungsprogrammes mit den Mitteln der Organisationsgewalt zu verarbeiten. In dieser Dynamik wird sich die Frage nach der richtigen Balance von Abhängigkeit und Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde immer wieder aufs Neue stellen. In der ihr aufgegebenen Privatisierung geht der Staat gleichsam auf Distanz zu sich selbst, um sich selbst näherzukommen. 23 Es ist die Eigenheit des Organisationsrechts im allgemeinen und des sektorspezifischen Organisationsrechts im besonderen, Nähe und Distanz zu erzeugen. 24 Anbindende und abkoppelnde Elemente können in der Verwaltungsorganisation variiert werden. Über ihre grundgesetzlichen Bezugspunkte lassen sich verschiedene institutionelle Arrangements aufspannen. Daher mag sich die Regulierungsbehörde verändern. Ihre Unabhängigkeit wird ein Thema bleiben.

23 Am Beispiel der Eisenbahn dazu Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 577 (584) und mit anderer Gewichtung Michael Ronellenßtsch, Privatisierung und Regulierung des Eisenbahnwesens, DÖV 1996, 1028 (1032). Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hb. d. StR III, § 59 Rnr. 98, beobachtet: „Daneben dienen verselbständigte Organisationen im Zwischenbereich von Staat und Privatem dem Übergang zur Verstaatlichung oder Entstaatlichung." 24 Vgl. allgemein Schmidt-Aßmann, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht, S. 9 (47).

Zusammenfassende Thesen 1. In der gegenwärtigen Diskussion um die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde fur Telekommunikation überlagern sich zwei Aspekte: Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde von der Deutschen Telekom AG als dem marktbeherrschenden regulierten Unternehmen und die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde vom Bundeswirtschaftsministerium als der übergeordneten Behörde. 1 2. Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde von dem Unternehmen läßt sich unter dem Aspekt funktioneller Unabhängigkeit beschreiben. Funktionelle Unabhängigkeit bezeichnet den Umstand, daß betriebliche, unternehmensverwaltende und hoheitliche Tätigkeiten in der Telekommunikation verschiedenen Organisationen zugeordnet werden, die die den jeweiligen Agenden eigenen Interessen auch innerhalb der staatlichen Verwaltung autonom artikulieren sollen.2 3. Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde vom Bundeswirtschaftsministerium läßt sich unter dem Aspekt politischer Unabhängigkeit beschreiben. Politische Unabhängigkeit bezeichnet die Kapazität einer Verwaltungsstelle, die von ihr selbst artikulierten Interessen im gesamtstaatlichen Entscheidungsprozeß durchzusetzen.3 4. Über die Parameter funktioneller und politischer Unabhängigkeit stellt sich die Abfolge der Postreformen als eine Kette von Organisationsreformen dar. 4 5. Die funktionelle Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde geht historisch auf die Zweiteilung der vormaligen Verwaltungseinheit Deutsche Bundespost in unternehmerische bzw. betriebliche und politische bzw. hoheitliche Organe zurück; diese hat sich mit der Organisationsprivatisierung der Deutschen Telekom AG und der Herauslösung der unternehmensverwaltenden Bundesanstalt

1 2 3 4

Dazu Fragestellung, S.5. Dazu Erster Teil, Fünfter Abschnitt D, S. 101 ff. Dazu Erster Teil, Fünfter Abschnitt D, S. 101 ff. Dazu Erster Teil, Fünfter Abschnitt A, S. 93 ff.

Zusammenfassende Thesen

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für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost aus dem früheren Postministerium zu einer Dreiteilung entwickelt.5 6. Im gegenwärtigen Organisationsrecht der Regulierungsbehörde leitet sich ein unbedingtes Gebot funktioneller Unabhängigkeit aus der Systematik des Art. 87f GG und aus Art. 5a Abs. 2 ONP-Rahmenrichtlinie her. Demnach ist die Regulierung in der Telekommunikation als eine ordnungspolitisch zielgerichtete, sich typischerweise hoheitlicher Instrumente bedienende staatliche Funktion zu begreifen. Sie ist in der Regulierungsbehörde so zu organisieren, daß sie ihre Eigenrationalität unabhängig von den Interessen der in den Unternehmen verfaßten Leistungserbringung und der der Bundesanstalt zugewiesenen Verwaltung der Bundesunternehmen zur Geltung bringen kann.6 7. Das Organisationsstatut der Regulierungsbehörde bietet seit dem 1.1.1998 eine hinreichende Gewähr dafür, daß die regulatorischen Entscheidungen in funktioneller Unabhängigkeit zustande kommen. Die Unternehmen sind dank ihrer aktienrechtlichen Form von der Verwaltung institutionell isoliert; innerhalb der Bundesverwaltung sorgt die Ressorttrennung zwischen Finanz- und Wirtschaftsministerium dafür, daß Interessen der Unternehmensverwaltung nicht in die Regulierungsbehörde überschlagen. Allerdings bedarf die funktionelle Unabhängigkeit noch der dienstrechtlichen Absicherung. Insbesondere darf der für eine Übergangszeit erleichterte Personalwechsel nach § 2 Abs. 2a Postpersonalrechtsgesetz nicht dazu führen, daß die institutionelle Trennung personell unterlaufen wird. Auch im Verfahrensrecht ist namentlich die Praxis der die Regulierungsbehörde umgebenden Arbeitskreise so zu gestalten, daß die informatorische Autonomie der Behörde gegenüber den beteiligten Unternehmen erhalten bleibt. Hierzu kann ein auch im übrigen Verfahrensrecht des TKG angelegter Grundsatz transparenter Regulierung beitragen. 7 8. Während die funktionelle Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde von Rechts wegen bereits erreicht scheint, verhält sich das Organisationsrecht zu ihrer politischen Unabhängigkeit weniger eindeutig. Hier kann es nur einen letztlich auch nicht-rechtliche Faktoren einschließenden Verselbständigungsprozeß auslösen. Verfassungsrechtliche Bezugspunkte findet dieser Prozeß im Gebot bundeseigener Verwaltung, in einem grundsätzlichen Verbot des ministerialfreien Raumes und im Privatisierungsprogramm des Art. 87f GG. 8 9. Das Gebot bundeseigener Verwaltung verlangt, daß die Entscheidungen der Regulierungsbehörde, die dem Bund zugerechnet werden, ihm auch sub-

5 Dazu Erster Teil, Zweiter Abschnitt B.II, S. 49 ff; Erster Teil, Dritter Abschnitt B, S. 71 ff. 6 Dazu Zweiter Teil, Erster bis Vierter Abschnitt, S. 105 ff. 7 Dazu Zweiter Teil, Fünfter Abschnitt, S. 154. 8 Dazu Dritter Teil, S. 187 ff. 32 Oertel

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Zusammenfassende Thesen

stantiell zuzuordnen sind. Diese Zuordnung w i r d von verschiedenen Faktoren getragen. Institutioneller Faktor ist die Einordnung der Regulierungsbehörde in den Geschäftsbereich des Bundeswirtschaftsministers. Personeller Faktor ist die Zuweisung ihrer Amtsträger zum Bund. Verfahrensrechtlich verfügt die Regulierungsbehörde über die Möglichkeit, sich zum zentralen behördlichen Informationsmittler in der Telekommunikation zu entwickeln und so Selbstand gegenüber dem Ministerium zu erlangen. Diesem ist sie aber über die Befugnis zu allgemeinen Weisungen nach § 66 Abs. 5 T K G unterworfen. Es ist nicht notwendig, die substantielle Zuordnung in jedem Falle über eine ministerielle Einzelweisungsbefugnis herzustellen. 9 10. Das grundsätzliche Verbot ministerialfreier, d.h. einzelweisungsfreier, Verwaltung ist Ausnahmen aus zwei Gründen zugänglich: a) Z u m einen gestattet das Privatisierungsprogramm des Art. 87f, die Regulierungsbehörde weisungsfrei zu stellen, um sie von tagespolitischer Einflußnahme zu distanzieren. 1 0 b) Z u m anderen ist die Weisungsbindung dann nicht erforderlich, wenn ihre verfassungsrechtliche Leistung über andere Institute bereitgestellt werden kann. 1 1 11. Da die oben genannten Faktoren die Anbindungsfunktion der Weisung nach Art. 86 f f GG abdecken, kann die Regulierungsbehörde auch, soweit sie weisungsfrei entscheidet, als bundeseigene Verwaltung gelten. 1 2 12. In der ministeriellen Leitungsfunktion w i r d die Weisungsbefugnis erst dann nach Art. 65 S. 2 GG unentbehrlich, wenn sich andernfalls ein Verwaltungsbereich von politischer Bedeutung dem Z u g r i f f der Regierung entzieht. 1 3 13. In ihrer Legitimationsfunktion nach Art. 20 Abs. 2 GG soll die Weisungsbefugnis einerseits die ministerielle Verantwortlichkeit bedingen, also parlamentarische Legitimation zum Minister hinführen; andererseits soll die Weisungsbindung die ministerielle Legitimation auf die nachgeordneten Behörden ableiten. In keiner der beiden Richtungen ist das Weisungsrecht verfassungsrechtlich unabdingbar: a) Die parlamentarische Kontrolle des Ministers setzt, wie der Vergleich mit dem Bundeskanzler belegt, weniger an seiner Einzelfall Verantwortung als an seiner Gesamtverantwortung an. Sie kommt i m Ressortprinzip zum Ausdruck,

9

Dazu Dritter Teil, Erster Abschnitt A, Dazu Dritter Teil, Zweiter Abschnitt 11 Dazu Dritter Teil, Zweiter Abschnitt 12 Dazu Dritter Teil, Zweiter Abschnitt 13 Dazu Dritter Teil, Zweiter Abschnitt 10

S. C, D, D. D.

188 ff. S. 261 ff. S. 289 ff. I, S. 290 ff. II, S. 292 ff.

Zusammenfassende Thesen

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das neben der Weisungsbefugnis weitere Leitungsrechte einschließt und daher auch bei ihrem Fortfall die Rechte des Parlamentes nicht ins Leere gehen läßt. 1 4 b) Soweit die weisungsgebundenen Behörden sich an der ministeriellen Politik ausrichten und daher an ihrer sachlich-inhaltlichen Legitimation teilnehmen, genügt es nicht, auf die abstrakte ministerielle Befugnis abzustellen. Entscheidend ist das Niveau effektiver Legitimation. Es w i r d im Zusammenwirken der verschiedenen Legitimationsformen und -elemente erreicht. 1 5 14. Hier hält das T K G verschiedene Institute vor, die eine Auflösung der Weisungsbindung legitimatorisch auffangen können: Über das justizähnliche Verfahren der Beschlußkammern und ihre kollegiale Verfassung nach § § 7 3 f f T K G w i r d die aus dem Gesetz fließende sachlich-inhaltliche Legitimation in besonderer Weise erschlossen und ausgeschöpft. In der Präsidentenkammer finden sich Amtswalter, deren personelle Legitimation über das beiratliche Vorschlagsrecht und die regierungsgetragene Ernennung mehrfach verspannt und von Gesetzes wegen ausschließlich auf die Kompetenzen nach § 73 Abs. 3 T K G i V m . §§ 11 u. 19 T K G ausgerichtet wird. Der Beirat nach § § 6 7 f f T K G stellt sich schließlich über seine spezifisch föderalen Komponente hinaus auch als eine Institution dar, über die sich die parlamentarische Kontrolle unmittelbar in die Regulierungsbehörde hinein erstreckt. 16 15. Da die Weisungsfreistellung der gesetzlichen Organisationsgewalt vorbehalten ist, muß die Auslegung das T K G über die Weisungsfreiheit der einzelnen Organe der Regulierungsbehörde entscheiden. 17 16. Dem T K G ist nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit zu entnehmen, daß der Präsident der Regulierungsbehörde bzw. die nach § 66 Abs. 2 S. 1 T K G seiner Leitung unterworfene Behörde einer ministeriellen Einzelweisung enthoben sein sollte, soweit nicht die allgmeinen Beschlußkammern oder die Präsidentenkammer entscheiden. Insoweit fungiert die Regulierungsbehörde als allgemeine Marktaufsicht und unterliegt dem hierarchischen Prinzip. Der M i nister kann zwar sein Weisungsrecht zurückhaltend ausüben. Ein von ihm ausgesprochener Weisungsverzicht hätte aber keine bindende K r a f t . 1 8 17. Die allgemeinen Beschlußkammern nach §§ 73 f f T K G nehmen mit der sektorspezifischen, asymmetrischen Mißbrauchsaufsicht eine besonders privatisierungskritische Aufgabe wahr. Indem der Gesetzgeber sie dem G W B nachbildete, hat er die dort faktisch erreichte Weisungsunabhängigkeit zum rechtli-

14 15 16 17 18

Dazu Dritter Dazu Dritter Dazu Dritter Dazu Dritter Dazu Dritter

Teil, Teil, Teil, Teil, Teil,

Zweiter Abschnitt E, S. 303 ff. Zweiter Abschnitt F, S. 310 ff. Zweiter Abschnitt G, S. 317 ff. Zweiter Abschnitt K, S. 344 ff. Dritter Abschnitt A, S. 349 ff.

500

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chen Inhalt des T K G erhoben. Ein Legitimationsdefizit droht insoweit nicht, da das justizähnliche Verfahren und die Dichte des materiellen Rechts eine intensivere Legitimation verbürgen, als sie unter der bisherigen postministeriellen Regulierung erreicht wurde. Da dem Wirtschaftsminister das Recht zur allgemeinen Weisung verbleibt, steht auch seine Leitungsgewalt nach Art. 65 S. 2 G G nicht in Frage. 1 9 18. Die Präsidentenkammer nach § 73 Abs. 3 T K G trifft in der Auferlegung von Universaldienstleistungen und in der Vergabe knapper Frequenzen Auswahlentscheidungen von ordnungspolitischer Bedeutung. Als Beschlußkammer kann sie nach dem T K G ebenfalls die Weisungsfreiheit für sich beanspruchen. Dies gilt um so mehr, als eine ministerielle Weisung die gesetzliche Balance von beiratlichem Benehmen, regierungsgetragener Ernennung der Kammermitglieder und kammereigener Entscheidung stören könnte. Daher kann der M i n i ster auch nicht durch allgemeine Weisungen eingreifen, soweit nach dem T K G die einschlägigen Verfahrensregeln und Vergabebedingungen von der Präsidentenkammer zu formulieren sind. Eine eventuelle Einbuße an sachlich-inhaltlicher Legitimation gleichen T K G und BegleitG dadurch aus, daß sie insbesondere die personelle Legitimation der Vizepräsidenten spezifisch auf ihre Tätigkeit in der Kammer ausrichten. Das ministerielle Weisungsrecht gegenüber der Präsidentenkammer kann im Rahmen des Art. 65 S. 2 GG zugunsten einer Personalentscheidung der gesamten Regierung zurücktreten. 2 0 19. Die Regulierungsbehörde verklammert mit dem Präsidenten, den allgemeinen Beschlußkammern und der Präsidentenkammer Organe, die in verschiedenen politischen Abhängigkeiten stehen. Diese Organe sind die Träger einer politischen Verselbständigung innerhalb der Regulierungsbehörde und über sie hinaus. 2 1 20. I n seiner den Ländereinfluß begrenzenden Wendung w i r d das Gebot bundeseigener Verwaltung nicht dadurch verletzt, daß verschiedene Entscheidungen der Regulierungsbehörde i m Benehmen mit dem auch aus dem Bundesrat beschickten Beirat getroffen werden. 2 2 21. Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde w i r d gemeinschaftsrechtlich überwölbt, aber nicht verändert. Als Umsetzungsaufsicht stützt die Europäische Kommission die richtlinienförmig verlangte funktionelle Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde ab. Im V o l l z u g des gemeinschaftlichen Kartellrechts kann die Kommission zwar in die Kompetenzen der Beschlußkammern eingreifen; dies w i r d aber immer nur solche Fälle betreffen, die von gemein-

19 20 21 22

Dazu Dazu Dazu Dazu

Dritter Teil, Dritter Abschnitt B, S. 382 ff. Dritter Teil, Dritter Abschnitt C, S. 420 ff. Dritter Teil, Dritter Abschnitt D, S. 446 ff. Vierter Teil, S. 451 ff.

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schaftsweiter Bedeutung sind und über die sektorspezifische Regulierung hinaus allgemein kartellrechtliche Fragen aufwerfen. Auch unter einer Europäischen Regulierungsbehörde bliebe der V o l l z u g des Telekommunikationsrechts i m Kern eine mitgliedstaatliche Aufgabe. 2 3 22. Unter den Aspekten politischer und funktioneller Unabhängigkeit bildet das Organisationsrecht der Regulierungsbehörde damit ein Instrument, den V o l l z u g des verfassungsrechtlichen Privatisierungsprogrammes strukturell zu steuern. 24

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averzeichnis

Abkoppelung hängigkeit

Siehe Politische Unab-

- Kollegialverfassung 175 - Qualifikation der Mitglieder 172

ACTE-Ausschuss 480

- und Beschlußabteilung des BKartA 404

Agrarverwaltungsstellen 141 Aktienrecht 160, 162

- Verfahrensrecht

Aktienverwaltung 132

-

Allgemeine Weisung 235, 408, 434 Allgemeiner Netzzugang 396

Beschlußkammer nach §§ 15ff PTRegG 78, 263, 398

Amt 327, 330

Besondere Mißbrauchsaufsicht 396 Besonderer Netzzugang 395

Anzeigepflicht 356 Arbeitskreis Numerierung und Netzzusammenschaltung (AKNN) 183, 228, 365 Arbeitskreise bei der Reg TP 183,227 Asymmetrische Regulierung 386, 411 Aufgabengerechte Organisation 294

174,317,320

Weisungsbindung 397

254,

Aufgaben-Privatisierung Siehe Privatwirtschaftlichkeit

Binnenmarkt 464 British Telecommunications Act 1984 283 Bundesamt für Post und Telekommunikation 91,204,362 Bundesanstalt Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost 74, 131, 158, 164 Bundeseigene Verwaltung 265, 459

188, 261,

Auskunftsersuchen Siehe Informationsbefugnisse der Reg TP

- nach dem PostVerfG 49

Ausschreibungsverfahren 423

Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen 38, 51

Auswahlverfahren 424

Bundesminister für Post und Telekommunikation 74, 166

BAkkrV 145

- als Regulierungsbehörde 86

BAPostG 131

- Auflösung des Ministeriums 91

Begleitgesetz 91,212

Bundesrat 461

Beirat 220,331,417,430,443,451

Bundesregierung 448

Beleihung 62, 155, 190,358

Bundeswirtschaftsministerium 309, 441, 442, 448

Benannte Stelle 145,358 Beschlußkammer 382 -

Besetzung 401

- Justizähnlichkeit 178,321,400

Capture 228 Comitology 477

221,

;hnis

515

Communications Act 280

Europarecht 463

Daseinsvorsorge 44, 458

Expertenkommissionen bei der Reg TP 227

Datenschutz 367 Datenschutzbeauftragte 142, 368

Fachaufsicht 237

Deutsche Bundespost 35

Federal Communications Commission 279

Deutsche Bundespost POSTBANK 48 Deutsche Bundespost POSTDIENST 48

Fernmeldegeheimnis 367 Fernmeldeüberwachung 368

Deutsche Bundespost TELEKOM 48

Forum shopping 474

Deutsche Post AG 61

Freie Leistungen 46

Deutsche Postbank AG 61

Frequenzbereichszuweisungsplan 361

Deutsche Telekom AG 271

Frequenznutzungsplan 361

61, 72, 155,

Frequenzordnung 361,422,436,454

- Aufsichtsrat 160

Frequenzzuteilung 362, 422

- Einführung am Kapitalmarkt 63

Funktionale Privatisierung 67

- Vorstand 161

Funktionale Selbstverwaltung 248

Dienstleistungen bringung

Siehe Leistungser-

Dienstrecht 151, 171,209,401

Funktionelle 468, 488

Unabhängigkeit

442,

- als Verfahrensprinzip 121

Direktorium der Deutschen Bundespost 50 Distanzierung 269, 411, 435

- Begriff 101, 106 - Effekt 122, 137, 153 -

in der Rechtsprechung des EuGH 147

Effektive Legitimation 311, 378

- und BAnst PT 167

Eigenwirtschaftlichkeit 37

- und politische Unabhängigkeit 272, 412

Eignung 426

Fusionskontrolle 472

Einheit des Staates 99, 102 Einzelweisung Siehe Weisung

Genehmigungsausschuss 480

Eisenbahnverwaltung 111, 266 Empfehlung des Wirtschaftsministers 409

Generaldirektion IV 470 Gerätezulassung 144, 356

Endgerätemarkt 145, 356

Geschäftsordnung 206

Endgeräterichtlinie 47, 357

Geschäftsverteilung 207

Entgeltregulierung 73, 388, 390, 413, 473

Gesetz 318

Entgeltregulierungsverordnung 416

234,

Europäische Gemeinschaft 463 Europäische Regulierungsbehörde 483

Gesetz über die Regulierung der Telekommunikation und des Postwesens 69, 264

516

Sachverzeichnis

Gesetz über die Unternehmensverfas- . sung der Deutschen BundespostEntwurf 1970 41

Kontrolle durch das Parlament 52, 73, 78, 331,339,378, 443,454 Konzernrecht 161

Gesetzesvorbehalt, institutioneller 344

Kundenschutz 223, 369

Gewaltenteilung 293 Grundrechte und Organisation 255 Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens 457

Legitimation 319 - materielle 320

Grundversorgung Siehe Universaldienstgewährleistung

- personelle 323

Harmonisierung 465

Legitimationsniveau 314,417,443

- und Verfahrensrecht 317 Legitimationsgefüge 315,325

Haushaltsrecht 208

Legitimationsverschiebung 242, 248

Hierarchisches Prinzip 241, 371

Leistungserbringung 128, 155

Hoheitsaufgaben Siehe Regulierung

Leistungsverwaltung 36 Letztentscheidungsrecht 337, 461

Indirekter Vollzug 476

Liberalisierung 64, 465, 469

Information 218 Informationsbefugnisse 224

51, 77, 311,

Lizenzerteilung 350, 421, 443 der Reg TP

Informationspflichten der Reg TP 230

- nach dem PostVerfG 55 Luftverkehrsverwaltung 197, 266

Informationsbedarf der Reg TP 182 Informationssicherheit 367 Infrastrukturrat 51, 263, 333, 414, 454 Institution 98 Institutionelle Befangenheit 117, 119

Marktaufsicht 349 Marktöffnung durch das TKG 86 Marktversagen 421, 431 Materielle Privatisierung Siehe Privatwirtschaftlichkeit Mehrwertdienste 47

Kabinett Siehe Ressortprinzip Kanzlerprinzip 171

Minister als Verwaltungschef 298 Ministererlaubnis 404

Kartellamt 29, 201, 221, 244, 374, 385, 404,416

Ministerialfreier Raum 195, 245

Katastrophen Vorsorge 368

Ministerialmodell 241, 243, 249, 250, 290

Kernbereich exekutivischer Leitungsmacht 295,413,440

- als Legitimationsmodell 246,313

Kollegialorgan 399 Kollegialprinzip 169 Kommentierung 180 Kommerzialisierung 66 Kondominialverwaltung 248 Konformitätsrichtlinie 144, 358

Ministerverantwortlichkeit 299 Misch Verwaltung 455 Mißbrauchsaufsicht 382, 473 Mittelbare Bundesverwaltung 193 Mitwirkung der Länder 136, 333, 341, 451

Sachverzeichnis

517

Mobilfunk 47, 49, 55, 439

Postreform I 1989 45

Monopol 36,46,61,66

Postreform II 60, 108 Postreform III 82

Nachbesserungspflicht des Gesetzgebers 312,378 Natur der Sache 254

Poststrukturreform Siehe Postreform I Postverfassungsgesetz 45 Postverwaltungsgesetz 35,414

Natürliches Monopol 44 Netzmonopol 46

Postverwaltungsrat 50,262,342,414 Präsidenten der Reg TP

Netzzugang 388,393,413,417,473 Netzzugangsverordnung 235, 326 Neutralisierung Siehe Distanzierung Numerierung 363

- als Behördenleiter 446 - Amtsstellung 373, 433

209, 370, 406,

172, 210, 326, 372,

- Befugnisse 206, 349 Öffentlichkeit Siehe I ransparenz

- Entlassung 212,329

Oftel 283

- Ernennung 211, 328, 337, 452, 460

One-stop-shopping 485

- und Art. 33 Abs. 4 GG 216 -

ONP-Ausschuß 477

Weisungsbindung 372

Präsidentenkammer 373, 383, 420

Organ 97 Organisationsautonomie der Mitgliedstaaten 106,153,278 Organisationsgewalt 194, 197, 205, 250, 371,376, 403,408, 441

- Mitwirkung des Beirats 453 - und Weisungsbindung 432 - Verfahrensrecht 428, 432 Price-Cap-Verfahren 391

Organisationsprivatisierung 61

Privatisierungsprogramm 61

- und Ministerialfreiheit 271

- und Ministerialfreiheit 261,267

Organisationsrecht des Grundgesetzes 191

Privatwirtschaftlichkeit 387

Organisationsrechtliche Steuerung 93, 196, 450, 493

64, 121, 243,

- und Ministerialfreiheit 274

Organisationsrechtslehren 97 Quersubvention 56 Parlamentarische Verantwortlichkeit Siehe Ministerverantwortlichkeit

Rechtsaufsicht 236

Personal Wechsel 173

Rechtsfähigkeit 189, 192, 196

Personelle Legitimation 417,449

Rechtsvergleich 285

Pflichtleistungen 46,56,71,438

Regelungsausschuß 478

Politische Unabhängigkeit 270, 491

Regierungskommission Fernmeldewesen 43

- Begriff 102, 187 - und 187

funktionelle

Postautonomie 271

Unabhängigkeit

Regierungsverantwortung nisterverantwortlichkeit

Siehe Mi-

Regierungswechsel 215,379,409

518

Sac

Regulierung

- Überblick 83

- asymmetrische 374

- Zweck 28

- Begriff 124,219

Transparenz 176,179,225,400

- und Gesellschaft 243

Trennung betrieblicher von hoheitlichen Funktionen 40,43,47, 51, 52, 108,468

- und Hoheitsaufgaben 126 - und Lizenzerteilung 353

- nach EWG-Vertrag 113

- und Privatisierung 70, 389 und Wettbewerb 385

Umsetzungsberichte 467

Regulierungsbehörde

Unabhängigkeit

- Begriff 123

- Begriff 30,101

- Rechtsform 200 - Überblick Siehe TKG, Überblick Regulierungsrat 454 Ressortprinzip 442,448

76, 264, 333, 415, 168, 272, 308, 441,

- im Sinne der BAkkrV 145 Unabhängigkeit der Beschlußkammern nach PTRegG 79 Uni versaldienstgewährleistung 134,421,436,443

110,

Universaldienstleistungsverordnung 234

Ressourcen 360 Rundfunk 361,456

Unmittelbare Bundesverwaltung 193 Unternehmensverwaltung 129, 157

Satellitendienste 47

- nach dem BAPostG 74

Schlichtung durch den ONP-Ausschuß 478

- nach dem PostVerfG 54

Schlichtung nach N Z V 394

Verfahrensrecht 152,218

Schlichtung nach T K V 369

Vergabeüberwachung 143

Sektorspezifische 411

Mißbrauchsaufsicht

Sektorspezifische Regulierung 473

385,

Selbständige Bundesoberbehörde 203 Sondervermögen 37,253,262,271

Verleihung nach FAG 47, 75,443 Vermögensprivatisierung 62,122 Verordnungen nach dem TKG 233 Verselbständigung 103,150,187, 194, 202,267,270,446 Versteigerung 424 Verwaltungsgrundsätze 236,408

Tarifreform 1996 414

Verwaltungsrat 39

Teilnehmeranschlußleitung 396,409

Verwaltungsvorschrift meine Weisung

Telefondienstmonopol 46 Telekommunikationskundenschutzvero rdnung 369

Siehe Allge-

Verzichtstheorie 259

TKG

Vizepräsidenten 371, 374, 433, 447 Siehe auch Präsidenten der Reg TP

- Entstehung 81,200,372,398

Vorverfahren 222,403

- Regelungsdichte 232

Sachverzeichnis

519

Wegerecht 366,456

Wettbewerb 65,436

Weisung 240,245,315,318

Wettbewerbsgleichheit 109

Weisungsbefugnis 238,245, 346

Wettbewerbsrecht 469

- als Potential 244,251, 306, 311

Widerspruch Siehe Vorverfahren

- als Symbol 287

Wissenschaftliches Institut für Kommunikationsdienste (WIK) 182,226

- und Art. 20 GG 298,413,442 - und Art. 65 GG 249,292,412,438 - und Art. 86 ff GG 290,412,437 - und Kollegial Verfassung 399,447 - und parlamentarische Kontrolle 304 Weisungsverzicht 288, 375

Zusammenschaltung 394 Zuständigkeiten der Reg TP 218 Zuweisung 322,328