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German Pages 930 [932] Year 2000
Nation und Sprache
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Nation und Sprache Die Diskussion ihres Verhältnisses in Geschichte und Gegenwart herausgegeben von Andreas Gardt
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Walter de Gruyter · Berlin · New York 2000
® Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.
Die Deutsche Bibliothek - CIP Einheitsaufnahme Nation und Sprache : die Diskussion ihres Verhältnisses in Geschichte und Gegenwart / hrsg. von Andreas Gardt. - Berlin : New York : de Gruyter, 2000 ISBN 3-11-014841-2
© Copyright 2000 by Walter de Gmyter G m b H & Co. KG, 10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Satz: Dörlemann Satz, Lemförde Druck und Buchbinderische Verarbeitung: WB-Druck G m b H & Co. Buchproduktions KG, Rieden am Forggensee
Inhalt Nation und Sprache·. Aufriß des Themas
1
I. Die historische Dimension H E R M A N N JAKOBS:
Diot und Sprache. Deutsch im Verband der Frankenreiche (8. bis frühes 11. Jahrhundert)
7
H E I N Z THOMAS:
Sprache und Nation. Zur Geschichte des Wortes deutsch vom Ende des 11. bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts
47
JOACHIM K N A P E :
Humanismus, Reformation, deutsche Sprache und Nation
103
THORSTEN ROELCKE:
Der Patriotismus der barocken Sprachgesellschaften
139
ANDREAS GARDT:
Nation und Sprache in der Zeit der Aufklärung JOCHEN A .
169
BÄR:
Nation und Sprache in der Sicht romantischer Schriftsteller und Sprach theoretiker
199
ULRIKE H A S S - Z U M K E H R :
Das Deutsche Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm als Nationaldenkmal
229
ANDREAS GARDT:
Sprachnationalismus zwischen 1850 und 1945
247
G O T T H A R D LERCHNER:
Nation und Sprache im Spannungsfeld zwischen Sprachwissenschaft und Politik in der Bundesrepublik und der D D R bis 1989
273
C H R I S T I A N E SCHLAPS:
Das Konzept eines deutschen Sprachgeistes in der Geschichte der Sprachtheorie
303
VI
Inhalt
DIETRICH H A R T H :
Nationalliteratur - ein Projekt der Moderne zwischen Mystifikation und politischer Integrationsrhetorik
349
II. Das Deutsche in der Gegenwart J O H N O L E ASKEDAL:
Das Deutsche als strukturell europäische Sprache
385
OSKAR REICHMANN:
Nationalsprache als Konzept der Sprachwissenschaft
419
ULRICH A M M O N :
Die Rolle des Deutschen in Europa
471
HILMAR H O F F M A N N :
Das Goethe-Institut als Mittler deutscher Sprache und Kultur . . .
495
ULRICH A M M O N :
Sprache - Nation und die Plurinationalität des Deutschen
509
PETER WIESINGER:
Nation und Sprache in Österreich
525
W E R N E R KOLLER:
Nation und Sprache in der Schweiz
563
III. Sprachen Europas und der Welt M A N F R E D GÖRLACH:
Nation und Sprache: das Englische
613
FRANZ LEBSANFT:
Nation und Sprache: das Spanische
643
CHRISTIAN SCHMITT:
Nation und Sprache: das Französische
673
HARALD HAARMANN:
Nation und Sprache in Rußland
747
TILMAN BERGER:
Nation und Sprache: das Tschechische und das Slovakische
825
HELGE SANDOY:
Nation und Sprache: das Norwegische
865
Namenregister
907
Sachregister
913
Nation und Sprache Aufriß des Themas Ausgangspunkt des Bandes ist die Erfahrung, daß bei der Bestimmung ethnischer, kultureller und politischer Identität gesellschaftlicher Gruppen oder ganzer Gesellschaften Sprache stets eine hervorgehobene Rolle spielt. Das Gegebensein ethnischer Gebilde wie Stamm und Volk, politischer Gebilde wie Reich, Land, Staat und Nation oder kultureller Gebilde wie Kultur(nation), Volk (nun ohne jedes genetisch-biologische Moment) wird dann mit dem Verweis auf eine jeweilige Sprache begründet: Die Deutschen (Franzosen, Engländer etc.), so lautet die Argumentation, bilden unter anderem deshalb ein Volk bzw. eine Nation, weil sie eine gemeinsame Sprache sprechen. Umgekehrt werden Einzelsprachen über die jeweilige ethnische, kulturelle oder politische Bezugsgröße bestimmt: Das Deutsche ist dann die Sprache ,der Deutschen', d.h. der zum deutschen Kulturraum / in Teilen des Mittelalters: zu bestimmten Stämmen / zum deutschen Reich / zur deutschen Nation etc. Gehörenden. Analoges gilt für das Französische, Englische und prinzipiell jede Einzelsprache. Daß solche Korrelierungen zwischen Sprache und Größen wie Nation oder Volk alles andere als unproblematisch, nicht selten sachlich falsch sind, zeigen bereits die zuletzt zitierten Beispiele. Die Heterogenität der sprachlichen, kulturellen und politischen Wirklichkeit - mangelnde Dekkung von politischen Grenzen und Sprachgrenzen, grundsätzliche Problematik der Abgrenzung von Ethnien bzw. Kulturen, Interferenzen durch Sprachkontakte, Varietätenvielfalt anstelle strukturell homogener Landessprachen, Prozesse des Sprachwandels etc. - stellt im Grunde jede Zuordnung sogleich wieder in Frage. Dennoch ist die Bestimmung der Identität von Sprechergemeinschaften anhand ihrer Sprache seit Jahrhunderten fester Bestandteil der gelehrten und laienhaften Diskussion. Die Geschichte dieser Diskussion ist einerseits die Geschichte einer sachorientierten Auseinandersetzung, wie sie in großen Teilen der geschichtsund sprachwissenschaftlichen Fachdebatte in Vergangenheit und Gegenwart begegnet, ist andererseits eine Geschichte patriotischer bis nationalistischer Uberzeichnungen - auch dies wiederholt in den Wissenschaften - , letztere im deutschsprachigen Raum am schärfsten ausgeprägt in der im Umkreis des Nationalsozialismus angesiedelten Form der Sprachpflege, mit ihrer Auffassung vom „heiligen erb- und blutgebundenen deutschen Sprachgut".
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Nation und Sprache
In jedem Fall ist sie auch Teil der Geschichte der Bildung der Begriffe Nation, Reich, Kultur, Kulturnation, Volksnation, Sprachnation, Sprache (im Sinne von Nationalsprache), Deutsch (bzw. Englisch, Französisch, Spanisch, Ungarisch etc.) durch jeweilige gesellschaftliche Gruppen. Gegenstand des vorliegenden Bandes ist zum einen die Dokumentation der in der Vergangenheit begegnenden Korrelierungen von ethnisch, kulturell oder politisch definierten Größen mit einer jeweiligen Sprache, zum anderen die Behandlung zentraler gegenwartsbezogener und systematischer Aspekte solcher Korrelierungen. So lassen sich ζ. B., um eine Gruppe von Beiträgen herauszugreifen, für die historischen Einzeluntersuchungen des Bandes als Leitfragen formulieren: In welcher Weise wurde in der Geschichte versucht, den Nachweis einer wie auch immer verstandenen ethnischen, kulturellen oder politischen Identität bestimmter Gemeinschaften durch Hinweis auf die in diesen Gemeinschaften gesprochene Sprache zu fuhren? Wo finden sich etwa Argumentationen, wonach ,das deutsche Reich' oder ,die deutsche Nation' zu einem Reich bzw. einer Nation gerade dadurch würden, daß in ihnen eine gemeinsame Sprache, das Deutsche, gesprochen wird? Aus sprachwissenschaftlicher Perspektive formuliert: Was genau meinen Autoren zu bestimmten Zeiten, wenn Sie den Ausdruck deutsch in bezug auf Sprache verwenden? Verstehen sie das Deutsche - wobei bereits die Rede von ,dem Deutschen' angesichts der Varietätenvielfalt problematisch ist - lediglich als lexikalisch und grammatisch bestimmtes System oder aber auch als Sprache einer ethnischen, kulturellen oder politischen Gemeinschaft, und, wenn ja, wie definieren sie diese Gemeinschaft? Innerhalb der historischen und philologischen Disziplinen ist diese Diskussion natürlich nicht neu. Für die jüngere Geschichts- und Sozialwissenschaft etwa ist es eine Selbstverständlichkeit, daß ein Begriff wie Nation nicht einfach auf eine vorgegebene historische Tatsache Bezug nimmt, sondern Ergebnis von Prozessen der Bewußtseinsbildung innerhalb einer jeweiligen Gesellschaft ist. So setzen auch Nationalbewußtsein, Patriotismus und Nationalismus nicht bzw. nicht notwendigerweise eine bestehende Nation voraus, sondern tragen zunächst zu ihrer Konstituierung bei, bringen die Nation im Extremfall erst hervor oder stärken und dynamisieren sie zumindest, sei es zum Guten oder zum Schlechten. Nationen, darin scheint sich die neuere Forschung einig, sind nicht einfach ,da', als historische Entitäten, sondern werden dort geschaffen, wo nach ihnen verlangt wird, sie werden - wie die pointierte deutsche Ubersetzung des Titels von Benedict Andersons modernem Klassiker „Imagined Communities" lautet - erfunden.1 1
Benedict Anderson: Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts (1983). Frankfurt, New York 1996.
Nation und Sprache
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Auch .Identität' ist keine irgendwie natürlich-ontologische Eigenschaft, sondern Resultat einer individuellen und gesellschaftlichen Setzung. Jan Assmann formuliert diesen Sachverhalt in „Das kulturelle Gedächtnis" treffend: „Identität ist eine Sache des Bewußtseins, d.h. des Reflexivwerdens eines unbewußten Selbstbildes. Das gilt im individuellen wie im kollektiven Leben. Person bin ich nur in dem Maße, wie ich mich als Person weiß, und ebenso ist eine Gruppe „Stamm", „Volk" oder „Nation" nur in dem Maße, wie sie sich im Rahmen solcher Begriffe versteht, vorstellt und darstellt". 2 Was für den Begriff der Nation gilt, trifft ebenso auf den der Nationalsprache zu. Auch er ist nicht bloß deskriptiv, sondern beinhaltet immer ein Bekenntnis seiner Benutzer, die ihre jeweilige Sprache zu einer Nationalsprache erst erklären - indem sie sie mythologisierend aus den Tiefen eines Volkstums zu begründen versuchen oder, in aufklärerischer Tradition, voluntaristisch setzen, also als Ausdruck der gewollten Zugehörigkeit zu einer kulturellen und/oder politischen Gemeinschaft begreifen. Daß die Korrelierung von Nation und Sprache in jedem Fall und nach wie vor brisant sein kann, zeigen die politischen Veränderungen im gegenwärtigen Europa, mit den Verschiebungen politischer Grenzen und den Tendenzen einerseits zur Europäisierung, andererseits zu einer neuen Nationalisierung. Der maßgebliche Grund für die Auswahl der in diesem Band außer dem Deutschen behandelten Sprachen ist daher der, daß alle diese Sprachen auch in Europa gesprochen werden.
Die Drucklegung des Bandes hat sich aus unterschiedlichen Gründen mehrfach verzögert. Den Autoren, die zum Teil ihre Beiträge bereits vor zwei bis drei Jahren eingereicht haben, sei fur ihre große Geduld an dieser Stelle sehr herzlich gedankt. Die Leser wiederum seien darauf aufmerksam gemacht, daß nicht in allen Fällen neueste sprachpolitische Entwicklungen und aktuellste Forschungsliteratur berücksichtigt und ergänzt werden konnten. Unter den Kollegen, mit denen ich mich über das Vorhaben ausgetauscht habe, gilt mein ganz besonderer Dank Rainer Wimmer (Trier). Sehr herzlich danke ich auch Frau Dr. Brigitte Schöning, Frau Susanne Rade und Herrn Andreas Vollmer sowie den weiteren mit der Herstellung des Bandes befaßten Mitarbeitern des Verlags Walter de Gruyter für die ausgezeichnete Zusammenarbeit. Frau Stephanie Stracke danke ich vielmals für Hilfe bei der Einrichtung des Manuskripts, Frau Stefanie Bitsch bei der Anlage der Register. Andreas Gardt 2
Jan Assmann: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen (1997). München 1999, 130.
I. Die historische Dimension
HERMANN JAKOBS
Diot und Sprache Deutsch im Verband der Frankenreiche (8. bis frühes 11. Jahrhundert) 1 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Überlieferungsbefunde im allgemeinen Recht und Rede Zu den literarischen Belegen des 9. Jhs. Theodisk im Frankenreich Zusammenfassung in Thesen Literatur
Zur Kennzeichnung seines Inhalts steht über diesem Beitrag eine Formel, die einen historisch brauchbaren Parallelismus zum Oberthema unseres Sammelbandes zu umreißen versucht. Ob die Überschrift einen Sinn macht, steht einstweilen dahin, der Gegenstand, um den es geht, soll jedenfalls nicht als vertraut, nicht wie „Nation und Sprache" gleichsam als ein uns geläufiges Thema erscheinen, nicht als eines, für das wir ein sicheres Vorverständnis mitbrächten. Auch ist „Deutsch im Verband der Frankenreiche" kein nationalgeschichtliches Thema, zumindest ist die Annahme des Namens, die Formierung von Nationsbewußtsein, die der ottonenzeitlich gewonnenen Staatlichkeit nachfolgt und auf der Schwelle zum 11. Jh. beginnt, nicht unser Thema. 2
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Eine stark erweiterte und mit einem Quellenregister erschlossene Fassung lege ich unter dem Titel „Theodisk im Frankenreich" vor (Schriften der Philosophisch-historischen Klasse der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Heidelberg 1998; 2. verbesserte Aufl. mit einem Nachwort 1999). Ich darf mich deshalb in der wissenschaftlichen Rückkoppelung dieses Beitrags auf die wichtigsten Quellenzitate und ausgewählte Literaturbelege beschränken. Zu den Sachverhalten des 11. J h . vor allem: H. Thomas, Die Deutschen 1990, ferner 1991, 1992, 141 ff. und 1994, 139ff.
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Hermann Jakobs
1. Überlieferungsbefunde im allgemeinen Das Wort deutsch erscheint im Werk des St. Galler magister Notker „des Deutschen" mit dem Schriftstand der Jahrtausendwende als diutisk und ist ein Namensadjektiv. 3 Die mittellateinische Uberlieferung, die um gut 2 0 0 Jahre 4 höher hinaufreicht, wird am Anfang und noch in vielen Belegen des 9 . / 1 0 . J h . appellativ verstanden, sie qualifiziert fast immer eine Sprache oder man spricht theodisce. Hinzuzunehmen ist, daß gegen 8 3 0 in Tours theodiscus literarisch in die Nähe von teutonicus gerät und spätestens 876 (Fuldaer Annalen) ein als „klassisch sanktioniert" vorgezogenes teutonicus die „als Barbarismus erscheinende Vokabel" theodiscus ersetzen kann. 5 Hinfort, d . h . in den spätkarolingischen und ottonenzeitlichen Texten, überlagert teutonicus die weitere Entwicklung, relativiert aber auch die bis dahin wesensmäßige Affinität von theodiscus zu Sprache in Attributierungen zu miliaria (Meilen), terra (?) und (mit Worten Vergils) ritus.6 Tauchen die Sub-
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Fünf Belege finden sich in der Übertragung der „Categoriae" [II 4.26; IV 27] bzw. von „De interpretatione" des Aristoteles nach der Fassung des Boethius [I 3], ein sechster im „Psalter" [zu Ps. 80, 3] (Paul Piper [Hrsg.], Die Schriften Notkers und seiner Schule. Bd. I: Schriften philosophischen Inhalts. Bd. II: Psalmen und katechetische Denkmäler. Freiburg i.Br., Tübingen 1882 u. 1883. Bd. I, 400/13, 423/15, 424/30, 495/1, 503/25. Bd. II, 334/11). - Reiffenstein 1985; hier S. 1717 ein Hinweis auf „Beleg-Zusammenstellungen"; Haubrichs, Anfänge 1995. Der älteste Beleg: Georg von Ostia, päpstlicher Legat, Bischof von Amiens, der sich mehrfach am Karlshof aufhielt, wahrscheinlich an Hadrian I. a. 786 über zwei englische Synoden. Auf der zweiten, der von Cealchyd in Mercien, wurden die Beschlüsse der ersten Synode von Corbridge in Northumberland noch einmal vorgelesen: Et in conspectu concilii clara voce singula capitula perfecta sunt et tarn latine quam theodiscf; quo omnes intellegerepotuissent, dilucide reserata sunt (Alcuini epistola 3. In: MGH Epp. IV, 28). Thomas 1987,292ff. und: Frenkisk 1990, 88f. In den Annales Fuldenses ad a. 876 (Ed. Friedrich Kurze. Hannover 1891. Nachdruck 1993 [MGH SS rer. Germ., 7], 89) geht es um die von Ludwig dem Jüngeren und Karlmann beeidete Teilung und gegenseitige Treueverpflichtung: Cuius sacramenti textus theutonica lingua conscriptus in nonnullis locis habetur. - Gesta Karoli Magni imperatoris lib. I c. 10 (Ed. Hans F. Haefele. Berlin 1959. Nachdruck 1980 [MGH SS rer. Germ. N.S. XII], 15) wohl erstmals die ausdrückliche Behandlung der Adjektive als Synonyme: Apudnos autem, qui Theutonica sive Teutisca lingua loquimur ... Gesta lib. II c. 1 (wie Anm. 5, 50) in der Beschreibung der Ringwälle der Awaren: XX miliaria Teutonica, qu? sunt XL Italica\ vgl. Brühl 1990, 208. - Gesta Berengarii imperatoris II 84 (MGH Poetae IV 1, 375); Ehlers, Schriftkultur 1989, 307 Anm. 19. - Rhythmus in Odonem regem (MGH Poetae IV 1, 138); vgl. Brühl 1990, 209f. mit Thomas, Die Deutschen 1990,26 mit Anm. 45. - Teutonica Francia in der Passio maior sancti Kilian! Wirziburgensis (Ed. Franz Emmerich, Der heilige Kilian. Würzburg 1896, 11-15; vgl. c. 2, 9, 5. 12, 16; Wilhelm Levison. MGH SS rer. Merov. V, 720 Anm. 8, 722 Anm. 3) gehört nicht ins 9. Jh., bleibt zwar als geographisch-politischer Terminus Erstbeleg, stammt aber erst aus den 960er Jahren: Petersohn 1992; dort S. 28f. die jünge-
Diot und Sprache
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stantive Teutonia o d e r Teutones erst in der zweiten Hälfte des 10. J h . 7 auf, gibt es aus Italien s c h o n in U r k u n d e n der ersten Hälfte des 9. J h . 8 F o r m e n v o n theodiscus, die als Substantivierungen verstanden werden k ö n n e n , eindeutig d a n n bei Walahfrid 9 u m 8 4 0 , u m 8 8 0 in e i n e m sächsischen Sakram e n t a r als Glosse ( A p u d Thiudiscos) u n d a u f der Schwelle des 10. J h . d a n n a u c h in e i n e m hagiographischen Text 1 0 aus der F e d e r des Franken u n d U t r e c h t e r Bischofs R a d b o d ( 8 9 9 - 9 1 7 ) . D i e Redeweise ultra morem
omnium
Theotiscorum (datiert a u f etwa 8 9 3 ) in der Biographie Alfreds des G r o ß e n ist ebenfalls fränkisch beeinflußt 1 1 . A u c h w e n n frühe W o r t b i l d u n g e n a u f -isk als gelehrtensprachlich gelten 1 2 u n d m a n dafür als erstes Beispiel Wulfilas Prägung des gotischen
thiudisks
für griechisches ethnikos anführen k ö n n t e , wäre d a m i t nicht gleich mitentschieden, d a ß d e m mittellateinischen theodiscus ein volkssprachliches
*diu-
tisk erst folgte u n d nicht s c h o n vorausging. 1 3 W i r r e c h n e n m i t e i n e m h ö h e -
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ren Belege des 11. Jh., vorweg Wipos Gesta Chuonradi c. 2 (Thomas 1991, 264 f.), urkundlich zuerst 1075 im Hirsauer Formular (Brühl 1990, 114 Anm. 174 [der ohne Beachtung der Nachträge das D Η IV 280 als Fälschung bezeichnet]). Theutunici im Gegenüber zu Sclavi, beide Magdeburger Zinspflichtige, im D Ο I 222b von 961 stehen am Anfang: Brühl 1990, 211; Thomas, Die Deutschen 1990, 31, 34. Wenig später (969) im D 0 1 3 7 1 Franci und Teutonici nebeneinander nach den Kalabris und Italicis, denen allen der Kaiser Gesetze auferlegt; vgl. Brühl a.a.O. 212 f. Aus dieser Zeit aber auch der Beleg von Francis Teutonias bei Liudprand von Cremona, Liber antapodoseos I c. 5; III c. 20 (In: Die Werke Liudprands von Cremona. 3. Aufl. Ed. Joseph Becker. Hannover, Leipzig 1915. Nachdruck 1993 [MGH SS rer. Germ., 41], 7, 82); vgl. auch Relatio de legatione Constantinopolitana c. 33 (ebd., 192); Brühl a.a.O. 114f. und Thomas a.a.O. 29f. - Betr. regnum Teutonicorum der Salzburger Annalen vgl. nach Anm. 121; betr. Teutonica Francia als Prägung der 960er Jahre für Franken als Landschaft vgl. Anm. 6. In Bergamo in einer noticia brevis 816: presencia bonorum hominum ... Borno, Gero, Rigmund teotischis: Jarnut 1996, mit kritischer Edition der Urkunde; vassi domnicis (!) tarn Teutisci quam et Langobardi in Trient 845 (Cesare Manaresi [Hrsg.], I placiti del „Regnum Italiae". Bd. I. Rom 1955 [Fonti per la storia d'Italia, 92], Nr. 49, S. 162); vgl. Brühl 1990, 202 f. Von den Latini haben die Theotisci viel in ihre Sprache übernommen: Walahfrid Strabo, Libellus de exordiis et incrementis rerum ecclesiasticarum c. 7 (MGH Capit. II, 481). Zu Apud Thiudiscos vgl. Hüpper 1987 und Thomas, Frenkisk 1990, 83 ff., 87. - Libellus de miraculo S. Martini c. 4 (Ed. Oswald Holder-Egger. MGH SS XV 2, 1242): Dani Suevique quos Theotisci lingua sua Northman ... appellant·, vgl. Brühl 1990, 195. Entgegen dem Urteil Brühls 1990, 190f., vgl. den Editor (De rebus gestis Aelfredi c. 13 [William Henry Stevenson [Hrsg.], Asser's Life o f King Alfred ... Oxford 1904. Nachdruck 1959, 12], dazu S. XCIIIf., 202-204), allerdings mit der Deutung „name for the Germanic races" und „843 raised it to the dignity o f a national name." Vgl. ebd. 225 f. über den Franken Felix als Verantwortlichen fur den Schriftverkehr am Hofe Aethelwulfs, den Lupus von Ferneres erwähnt. Zuletzt Lühr 1994. Vgl. Reiffenstein 1985, 1719.
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Hermann Jakobs
ren als dem überlieferten Alter von diutisk,14 aber über das wahre Alter wissen wir nichts Sicheres, und auch über die Bedeutung und Verbreitung des Wortes nur soviel, wie man aus germanischer Etymologie und aus der mlat. Verbreitung mit ihren landschaftlich getönten Lautungen zu erschließen sich zutraut. An das mlat. Wort halten wir uns, aber auch daran, daß eine fränkische Wortbildung, ob sie nun im Umlauf war oder nur im Kopf eines Sprachschöpfers Wirkung gezeitigt hat, sich nicht wegdisputieren läßt. Einmal latinisiert, scheint dieses Wort dann buchstäblich zum Einsatz gebracht worden zu sein; als solches ist es ein neues Wort „bewußten Sprachgebrauch(s)" 15 . Ohne in der Etymologie den Maßstab historischer Erkenntnis zu setzen, muß doch auf das Altbekannte zurückgegriffen werden, daß nämlich das Suffix -isk eine Beschaffenheit, Zugehörigkeit und Herkunft bezeichnet, * diutisk demnach noch ohne Festigung als Name rein appellativ soviel wie ,zu der (oder dem) diot gehörig' bedeuten würde, theodisca lingua aber .Sprache, die der (oder dem) diot eigen ist'.16 Die diot bezeichnete neben heri,folc, liut(i), kunni u. a. das, was wir mit ,Volk' wiedergeben - einem Wort mit langer Geschichte, das sich aber erst seit dem Dreißigjährigen Krieg auch den Schwingungen von Patriotismus öffnete. 17 Harmlos war das semantologische Räsonnement über diutisk tatsächlich nie.18 So behauptete bereits ganz am Anfang Fichte in einer seiner „Reden an die deutsche Nation", daß „das Wort Deutsch in seiner eigentlichen Wortbedeutung ... das Volk schlechtweg" bezeichne. Mit diesem Zitat greife ich zurück auf die Kritik, die ich vor 30 Jahren an den mit Germanen- und am Ende noch mit Muttersprachenideologie befrachteten Romantikern in der i&W»£-Forschung geübt habe. Sie war allerdings wenig originell, denn inspiriert war sie von der theodiscus-Theorie, die Eugen Ro14
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Es dürfte davon auszugehen sein, daß eo und nicht iu die frühe Überlieferung von theodiscus bis etwa 830 beherrscht, mithin das lateinische Adjektiv zu theod(a), aber nicht zu einem bereits umgelauteten *thiudisk gebildet sein kann. Ernsthaft an ahd. Vorgabe denken lassen die Formen tiutiscae / diutisce 882 in St. Gallen und 893 (?) in Eichstätt (vgl. Anm. 50). Reiffenstein 1985, 1720, mit der Konkretisierung: „in der Hofkanzlei". Das würde voraussetzen, daß Kapitularientexte aus der Kanzlei stammen. Einschlägige Urkunden mit theodiscus haben wir erst aus der Zeit Ludwigs des Deutschen. - Thomas 1987; 1988; Die Deutschen 1990, 26-28, 38-40; Frenkisk 1990, 92f. *theudo f. > theoda, jünger diot(a) f.m.n.; *eu > iu vor i der nachfolgenden Silbe; vgl. Anm. 14; Reiffenstein 1985, 1717; Schützeichel, Ahd. Wörterbuch 112. - Angesetzt habe ich einen jüngeren ahd. Lautstand. Herold 1940; Jakobs 1968; Ehrismann 1990; 1993; 1994. Über „Volk, Bevölkerung, Nation" in der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Entwicklung Ehrismann 1993, 101-124. Sichtung von oberster Warte der Ideologiekritik die Abschnitte „Wortgeschichte und Nationalgeschichte" sowie „Semantische und pragmatische Defizite" bei Ehrismann, 1990 und 1994.
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senstock bereits im J . 1928 vorgetragen hatte.19 Dieser Autor mit Außenseiterposition über mehreren Fächern20 hielt das Auftauchen des Wortes in der Frühzeit Karls des Großen nicht für einen beliebig weit zurückdatierbaren Zufall der Überlieferung; und er erklärte die theodisca lingua funktional aus der Apperzeption des Sprachenproblems eines Vielvölkerheeres und seiner Ordnung unter allgemein gültigen Rechtswörtern. Die Bedeutung von theodiscus wird mit Hilfe eines historisch reflektierten Begriffs von diot als einem in Gericht und Heer nach strengen Normen versammelten (und auch redenden) Verband der Freien verstanden, im besonderen Falle des Karolingerreiches allerdings von einem aus vielen Völkern, die dennoch als „Heer aus den Landeskindern des Königtums der Franken" den einenpopulus Francorum bilden. „Mythos" der Franken hat Rosenstock das genannt und in ihm die theodisca lingua als Sprachbezeichnung zur Ehrenwahrung der unterworfenen, dem Heere integrierten Völker verstanden.21 Daß diese funktionale Sprache materiell die des Königs war („Sprache der unverwälschten Franken", wie Rosenstock auch sagen konnte), mache ihre Bezeichnung als theodisca fast schon zum Namen, eröffne die Entwicklung dahin. Mit seinen „Prämissen" muß Rosenstock dann die gelehrten Vorstellungen des 9. Jh. (vgl. die Abschnitte 3 und 4), die der theodisca lingua alle oder viele, freilich nur germanische Volkssprachen unterordnen, für sekundär gehalten haben. Die Kritiken an Rosenstock zu verfolgen, erbrächte nichts sonderlich Ergiebiges.22 An die Substanz gingen allein die „Überlegungen zur frühen Semantik und Pragmatik des Wortes deutsch" von Otfrid Ehrismann (1994), wenn seine totale Abgrenzung der o&«)-Unterscheidung (56) vor. Im Engl, ist die Möglichkeit der Referatsanzeige überhaupt nicht vorhanden, und in dieser Sprache erscheint es sogar fraglich, ob zwischen sog. Präsensund Präteritumformen {can vs. could, may vs. might, ohne morphologische Unterscheidung must) eine normale Zeitreferentialitätsopposition besteht. In den rom. Sprachen finden sich am ehesten Verblexikalisierungen von .können' und .müssen', die aber kaum eine dem Germ, vergleichbare Modalverbsystematik darstellen, und im Slaw. ist der Bereich verbaler Modalitätslexikalisierungen insgesamt auch verhältnismäßig schwach entwickelt. Im Germ, wird der Bestand an Ausdrucksmitteln für Zukunftsbezug vor allem aus dem Bereich der Modalverben gespeist (Askedal 1995, 117f.). Wäh-
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John Ole Askedal
rend im Isl. und Fär. noch zugrunde liegende Modalitätsbedeutung anzunehmen ist (Kress 1982: 165; Lockwood 1977: 130f., 149), liegt wohl bei den festlandskand., wfries., ndl. und engl. Entsprechungen von,sollen' (57) und den engl, und festlandskand. von ,wollen' (58) modale Desemantisierung vor: (57a) (57b) (57c) (57d) (57d) (58a) (58b)
Ik sil hjoed meane. (Wfries.) ,ich werde heute m ä h e n ' Ik zal direct schrijven. (Ndl.) ,ich werde bald schreiben' We shall n o doubt live to see stranger things. D u ska(ll) fa et vykort fran mig. (Schwed.) ,du wirst eine Postkarte von mir bekommen' H a n skal reise pä torsdag. (Norw.) ,er wird am Donnerstag verreisen' The sun will be up at 6.30. Hvad m o n det nye ar vil bringe? (Dän.) ,was wird das neue Jahr wohl bringen?'
Während auf Modalverben basierende Zukunftsausdrücke in den rom. Sprachen verständlicherweise fehlen, besitzen einzelne germ. Sprachen zukunftsbzogene Verbfügungen, die im Rom. konzeptuelle Parallelen haben, so im Ndl. an frz. aller + Infinitiv erinnerndes gaan ,gehen' (59) sowie im Engl, die „progressive form" von go mit ίο-Infinitiv (60): (59) (60)
Jan en Marie gaan in juli trouwen. J o h a n n und Maria werden im Juli heiraten' He is going to leave next Sunday.
Es ist ein bemerkenswerter Zug der dt. Sprachgeschichte, daß die im M h d . in Ansätzen vorhandene zukunftsbezogene Verwendung von Modalverben inzwischen rückgängig gemacht worden ist (Paul/Moser/Schröbler 1969, 360-363). Statt dessen erscheint werden mit Infinitiv, das freilich wie die Modalverben auch eine subjektiv-epistemische Bedeutung (62), aber ansonsten keine im eigentlichen Sinne objektiv-deontische Bedeutung (61) hat: (61) (62a) (62b)
Er wird heute den Rasen mähen. Sie wird das schon wissen. Er wird das Problem überhaupt nicht verstanden haben.
Werden entspricht lexikalisch dem slaw. byti, das bei imperfektiven Verben als Futurauxiliar gebraucht wird (russ. 3aBTpa O H Ö Y ^ E T P A Ö O T A T B ,er wird morgen arbeiten'); neuerdings wird auch arealtypologisch naheliegender atsch. Ursprung erwogen (Leiss 1985, 259-265). Germ, und Slaw. haben es gemeinsam, daß mit zukunftsanzeigender Funktion morphologische Präsensformen {er kommt schon) und neu hinzugekommene Auxiliarfugungen gebraucht werden; es sind anders als im
Das Deutsche als strukturell europäische Sprache
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Bait, keine alten synthetischen Futurformen noch vorhanden und anders als im Rom. keine neuen synthetischen Formen entwickelt worden.
3.6.
Aspekt u n d Aktionalität
Im slaw. Verbsystem ist die Aspektopposition Imperfektiv/Perfektiv grundlegend. Daher sind Aktionalitätsperiphrasen in diesen Sprachen weitgehend systematisch überflüssig. Im Germ, und Rom. ist Aktionalität vor allem eine einzellexematische Angelegenheit, weswegen besondere Aktionalitätsausdrücke eher zu erwarten sind und auch in einzelnen Sprachen vorkommen, vor allem in der Westromania und der Westgermania. Sowohl Span, als auch It. besitzen kursive Aktionalitätsperiphrasen aus .sein* und dem sog. Gerundiv (span, estaba andando). Im germ. Raum sind vor allem die Verbalsysteme der beiden westlichsten Sprachen Engl, und Isl. durch grammatikalisierte Aktionalitätsperiphrasen bereichert worden. Die markiert kursive /«g-Form des Engl., die im Kelt, unverkennbare Parallelen hat (Wagner 1959, 118 f., 197, 238 f.), zeichnet sich unter allen germ. Aktionalitätsausdrücken durch semantisch bedingte Komplementarität zu einfachen finiten Verben aus (Quirk/Greenbaum/Leech/Svartvik 1992, 198-213), was ein Zeugnis hochgradiger Grammatikalisierung ist: (63a) (63b)
She is enjoying herself tremendously. She always enjoys herself at parties.
Isl. hat bei den Periphrasen vera, vera buinn and fara mit « _ 00 S 00 Μ t D -Η
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Tabelle 2: Sonderzeichen in kyrillischen Schriftsystemen fur nichtrussische Sprachen der Sowjetunion (nach Haarmann 1990, 491)
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j
3 3Θ
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TILMAN BERGER
Nation und Sprache: das Tschechische und das Slovakische 1. 2. 2.1. 2.2. 3. 3.1. 3.2. 3.3. 3.4. 3.5. 3.6. 3.7. 3.8. 4. 4.1. 4.2. 4.3. 4.4. 5. 5.1. 5.2. 6. 6.1. 6.2. 6.3. 7.
Einleitung Die Frühzeit bis zum Ende des 9. Jhs. Die ersten Erwähnungen der westslavischen Stämme in Böhmen und Mähren Das Altkirchenslavische als Schriftsprache des „Großmährischen Reiches" Die Entwicklung des Verhältnisses von Sprache und Nation bei den Tschechen bis 1918 Erste Erwähnungen der tschechischen Volkssprache (10.-13. Jh.) Vom Beginn der schriftsprachlichen Überlieferung bis zum Ende des 14. Jhs. Jan Hus und die hussitische Bewegung Vom Ende des 15. Jhs. bis zur Schlacht am Weißen Berg 1620 Die Zeit des „Dunkels" von 1620 bis zu den josephinischen Reformen Die erste Phase der „Nationalen Wiedergeburt" Die zweite Phase der „Nationalen Wiedergeburt" Die Durchsetzung der Gleichberechtigung des Tschechischen bis 1918 Die Entwicklung des Verhältnisses von Sprache und Nation bei den Slovaken bis 1918 Vom Beginn der schriftsprachlichen Überlieferung bis zum Ende des 16. Jhs. Erste Zeugnisse für ein eigenes slovakisches Sprachbewußtsein Der erste Ansatz zu einer slovakischen Schriftsprache (vom Ende des 18. bis zur Mitte des 19. Jhs.) Die schriftsprachliche Konzeption von Eudovit Stur und ihre Durchsetzung (von der Mitte des 19. Jhs. bis 1918) Sprache und Nation in der Tschechoslovakei bis 1989 Von der Gründung der Tschechoslovakei bis zum Ende des 2. Weltkriegs Von 1945 bis 1989 Die neueste Entwicklung Von 1989 bis zum Zerfall der Tschechoslovakei Die Situation in der Tschechischen Republik Die Situation in der Slovakischen Republik Literatur
1. Einleitung Die Herausbildung eines eigenen Sprach- und Nationalbewußtseins bei den Tschechen und den Slovaken erfolgte zu verschiedenen Zeiten und unter sehr unterschiedlichen Voraussetzungen. Die „Länder der böhmischen
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Krone" waren seit der deutschen Ostsiedlung das am weitesten in den Westen vorgeschobene geschlossene slavische Siedlungsgebiet und gleichzeitig Teil des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, so daß sich hier die Frage nach einem eigenen tschechischen Bewußtsein schon früh stellte. Die heutige Slovakei war hingegen seit dem frühen Mittelalter als „Oberungarn" fester Bestandteil des Königreichs Ungarn, eines Vielvölkerstaats, in dem das Lateinische noch lange als Schriftsprache dominierte. Die Frage einer eigenen Identität der in Oberungarn lebenden Slaven - die sich seit dem 14. Jh. der tschechischen Schriftsprache bedienten - wurde erst im 17. Jh. aktuell, als die Position der tschechischen Schriftsprache geschwächt war, und erhielt ihre eigentliche Bedeutung seit dem Aufblühen des ungarischen Nationalbewußtseins gegen Ende des 18. Jhs. Im ersten Drittel des 19. Jhs. setzte sich bei den Tschechen eine weitgehende Gleichsetzung von Nation und Sprache durch, die dann auch auf vergangene Epochen zurückprojiziert wurde. Entsprechend interpretierte die traditionelle tschechische Forschung historische Belege von Völkernamen oder Sprachbezeichnungen fast immer im „modernen" Sinne und zog sie als Beweis für ein frühes Nationalbewußtsein heran. Da deutsche und österreichische Historiker des 19. und frühen 20. Jhs. im Gegenzug die Herausbildung einer tschechischen Nation als ein spätes Phänomen bezeichneten oder überhaupt in Zweifel zogen, wurde die Fragestellung im Zuge der nationalen Auseinandersetzungen zwischen Tschechen und Deutschen zunehmend politisiert und ideologisiert. - Die Slovaken übernahmen mit leichter zeitlicher Verschiebung die Gleichsetzung von Nation und Sprache. Auch hier kam es zu einer Politisierung der Debatte, allerdings unter anderen Vorzeichen: Tschechische Intellektuelle stellten im 19. Jh. die Frage nach der Existenzberechtigung einer eigenen slovakischen Nation, diese Diskussion lebte dann nach der Gründung der Tschechoslovakei im Jahre 1918 wieder auf. Eine differenziertere und vorsichtigere Sichtweise ist bei den Tschechen schon seit den zwanziger Jahren (vgl. Rädl 1928) belegt und gewinnt in neuerer Zeit an Boden, obwohl in öffentlichen Debatten noch das traditionelle Verständnis der „Sprachnation" zu beobachten ist. Dies gilt in stärkerem Ausmaß für die Slovakei, wo Fragen des nationalen Selbstverständnisses seit 1989 (wieder) einen besonderen Stellenwert erhalten haben. Eine wissenschaftliche Darstellung des Verhältnisses von Nation und Sprache bei Tschechen und Slovaken muß daher sehr genau darauf achten, daß sie nicht in tagespolitische Debatten hineingezogen wird, vor allem dann, wenn sie weithin anerkannte Ansichten in Zweifel zieht. Im folgenden sollen getrennt die Entwicklung bei Tschechen und Slovaken bis 1918 behandelt werden, danach die Verhältnisse in der Tschechoslovakei von 1918-92. Für jede Epoche folgen nach einer notgedrungen kurzen historischen Einleitung zunächst Angaben über die (Selbst)bezeich-
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nung für Sprache und Nation und Zeugnisse des Sprach- und Nationalbewußtseins. Angesichts der Fülle von entsprechenden Texten und der zugehörigen Sekundärliteratur können hier immer nur einige zentrale Texte gewissermaßen exemplarisch behandelt werden. 1 Erst danach soll auf die verschiedenen Interpretationen der Primärtexte eingegangen werden. - Die Periodisierung richtet sich nach den gängigen Standardwerken. 2
2. Die Frühzeit bis zum Ende des 9. Jhs. 2.1.
Die ersten Erwähnungen der westslavischen Stämme in Böhmen und Mähren
Die Frühzeit der slavischen Landnahme, die wohl im Laufe des 6. Jhs. stattgefunden hat (vgl. Hoensch 1987, 30ff.), liegt weitgehend im Dunkeln. So ist bis heute umstritten, wo das erste westslavische Staatsgebilde, das Reich des Samo (etwa 623-658), gelegen hat. Dessen Bewohner heißen in der einzigen Quelle, der Chronik des Fredegar3, Winidi bzw. Sclavi, letztere Bezeichnung entspricht den Σκλαβήνοι der byzantinischen Quellen. Spezifische Bezeichnungen für die slavischen Stämme in Böhmen sind ab dem Ende des 8. Jhs. belegt, sie heißen Boemani, Beheimi, Beheimare u.ä. (vgl. Graus 1980,170 ff.). Etwas später werden auch die Mährer erwähnt, als Marvani, Marharii, Sclavi Margenses.4 Ab dem 9. Jh. sind beide Stämme auch in vielen weiteren Quellen belegt.
2.2.
Das Altkirchenslavische als Schriftsprache des „Großmährischen Reiches"
Als Zentrum der ersten schriftsprachlichen Tradition bei den Slaven gilt das sog. „Großmährische Reich", in das die Slavenapostel Kyrill und Method im Jahre 863 aus Byzanz berufen wurden und wo sie die ersten religiösen Texte aus dem Griechischen in eine Sprachform auf eindeutig südslavischer 1
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Die Arbeit wird dadurch erleichtert, daß zum Tschechischen eine umfangreiche Chrestomathie vorliegt (Praiak 1945). Die Frühzeit des Slovakischen behandeln ferner Prai i k (1922) und Stanislav (1967). Vgl. für das Tschechische Havranek (1936), für das Slovakische Vainy (1936) und Pauliny (1966). Vgl. „Chronicarum quae dicuntur Fredegarii Scholastici libri IV cum continuationibus", Buch IV, Kapitel 48ff. (Krusch 1888, 114ff.). Vgl. Graus 1980, 154 ff.
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Grundlage übersetzten, die üblicherweise als Altkirchenslavisch bezeichnet wird. Das „Großmährische Reich" wird traditionell in Mähren und der westlichen Slovakei angesiedelt (Böhmen soll hingegen nur locker zu diesem Reich gehört haben).5 Trotzdem ist aber nur bedingt ein Zusammenhang zwischen dem altkirchenslavischen Schrifttum und der späteren alttschechischen Schriftsprache herzustellen: Fast alle altkirchenslavischen Handschriften sind im südslavischen Raum entstanden6, eine eigene tschechische bzw. mährische „Redaktion" des Kirchenslavischen ist nicht nur erst spät und in wenigen Denkmälern belegt, sie bricht auch gegen Ende des 11. Jhs. wieder ab. Spuren dieser Überlieferung finden sich jedoch in kirchenslavischen Legenden mit böhmischer Thematik (u.a. Wenzels- und Ludmilla-Legende), die offenbar auf lateinische Originale zurückgehen. Bezeichnungen für die von den Slavenaposteln verwendete Sprache sowie für die slavische Bevölkerung finden sich zwar nicht in den ältesten Texten, die überwiegend religiösen Inhalt haben, aber in den sog. „pannonischen Legenden" über das Leben von Kyrill und Method, die bald nach deren Tod entstanden, aber erst in Handschriften ab dem 15. bzw. 12. Jh. erhalten sind. Die Eigenbezeichnung der Sprache lautet stets jezykh slovenbskyi, was der lateinischen Bezeichnung „lingua s(c)lavonica" entspricht. Dem Adjektiv, das auch für die Schrift usw. verwendet wird, entspricht als Völkername Slovene, womit offenbar alle Sprecher der Sprache zusammengefaßt sind. Die Bewohner des „Großmährischen Reiches" im engeren Sinne heißen hingegen Moravljane. Von den Tschechen ist in den pannonischen Legenden nirgends die Rede. Ihr slavischer Name ist in der Form Cesi (Nom.pl. von Cedrb) erstmals in russisch-kirchenslavischen Texten belegt, sowohl in den oben erwähnten Legenden westlicher Herkunft (vgl. Vajs 1929) wie in der sog. Nestorchronik. Daneben kommt auch der Ländername Cechy (auch Cachy u.a.) vor, der sich nur im Nominativ vom Völkernamen unterscheidet.7 In den genannten Texten stehen diese Bezeichnungen auf einer Stufe mit anderen Völker- und Ländernamen wie Ljasi/Ljachy (Polen), Ugri/Ugry (Ungarn) und dem Ländernamen Marava (vgl. Havränek 1925, 117). Da sowohl die Legenden als auch die Nestorchronik nur in Handschriften ab dem 14. Jh. vorliegen, ist eine Datierung aller dieser Belege schwierig.8 - Eine 5
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Diese Lokalisierung wird in neuerer Zeit häufiger in Zweifel gezogen, vgl. dazu Buch von Eggers (1995). Eine Ausnahme bilden nur die sog. „Kiever Blätter" aus dem 10. Jh., das älteste altkirchenslavische Denkmal überhaupt. An anderer Stelle kommt auch die Bezeichnung „Boemia" vor. Havranek (ebd.) verzichtet folgerichtig auf eine Datierung der Belege. Andere lassen weniger Vorsicht walten, so etwa auch Graus (1980, 176), der angibt, die ältesten Belege stammten aus dem 10. Jh., allerdings mit in einem Hinweis auf die kritische Ausgabe von Vajs.
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eigene Bezeichnung für die Bevölkerung der heutigen Slovakei findet sich in den kirchenslavischen Texten nicht, es sei denn, man wolle den Terminus Slovene auf sie beziehen, von dem der heute gebräuchliche Name Slovak abgeleitet ist (s.u. Abschnitt 4.2.). Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die Beziehung der Tschechen und Slovaken zum „Großmährischen Reich" lose ist, ja im Falle der Slovaken noch schwächer als bei den Tschechen, da sie sich ausschließlich auf die (umstrittene) Einheit des Ortes stützt. Dennoch ist die kyrillo-methodianische Tradition in der Neuzeit ein wichtiges Element des Selbstverständnisses der Tschechen und der Slovaken geworden, was sich u.a. darin widerspiegelt, daß die postulierte gemeinsame Zugehörigkeit der beiden Völker zum „Großmährischen Reich" nach 1918 ein zentraler Bestandteil der Staatsideologie der Tschechoslovakischen Republik wurde (vgl. hierzu Eggers 1995, 11 ff.). In der Linguistik hat diese Haltung dazu geführt, daß sprachgeschichtliche Darstellungen des Tschechischen und Slovakischen stets die großmährische Epoche einbeziehen (vgl. Havranek 1936 und Stanislav 1967).
3. Die Entwicklung des Verhältnisses von Sprache und Nation bei den Tschechen bis 1918 3.1.
Erste Erwähnungen der tschechischen Volkssprache (10.-13. Jh.)
Aus einigen kleineren Fürstentümern, die einzelnen „Stämmen" zugeordnet werden können, bildete sich unter der Herrschaft der Pfemysliden ab dem Ende des 9. Jhs. das Herzogtum Böhmen mit Zentrum in Prag heraus. Für dieses Staatsgebilde und seine zunächst noch ethnisch homogene Bevölkerung setzte sich allmählich die lateinische Bezeichnung „Bo(h)emia" bzw. „Bo(h)emi" durch, auch wenn bis ins 12. J h . noch der Oberbegriff „Sclavi" u.ä. belegt werden kann (vgl. Graus 1980, 172 f.). Bemerkenswert ist, daß die allgemeinere Bezeichnung für die Sprache länger erhalten geblieben ist. So ist etwa in der vor 1126 abgeschlossenen Kosmas-Chronik insgesamt dreimal von der „lingua slavonica" die Rede. 9 Die Kosmas-Chronik enthält auch eine Reihe von negativen Äußerungen über die „Deutschen", die in der späteren Tradition als erste Zeugnisse von Sprach- und Nationalbewußtsein interpretiert wurden. Sie beziehen
Vgl. dazu ausführlicher Havranek 1925, 111 ff. Die ersten Belege fur „lingua bohemica" liegen erst aus dem 13. Jh. vor (vgl. Graus 1980, 174).
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sich jedoch noch nicht auf die Zuwanderung deutscher Siedler, die erst im Laufe des 12. Jhs. zunahm, sondern auf die Berufung deutscher Priester und die Heiratsbeziehungen der Pfemysliden zu deutschen Fürstenhäusern. Vgl. etwa die folgende Stelle, in der es um die Benennung des deutschen Priesters Lanczo zum Bischof geht (Bretholz 1923, 116): Aut si tibi displicet frater tuus, cur sordet nostratum clerus non modicus, scientia eque preditus ut iste Teutonicus? ( . . . ) Frater tuus, beate memorie Zpitigneu 10 , aliquid sapuit, qui una die omnes Teutonicos hac de terra extrusit. 11
Diese und ähnliche Stellen wurden als Zeugnis des tschechischen „Nationalstolzes" interpretiert 12 , doch scheint es hier eher um „Fremdenfeindschaft" zu gehen, zumal der Begriff des Stammes (gens) bei Kosmas noch deutlich sozial geprägt ist (vgl. Graus 1980, 61 ff.). Die Komplexität der tatsächlichen sprachlichen Verhältnisse deutet sich an einer Stelle an, in der es um die Inthronisierung des ersten Bischofs von Prag im Jahr 976 geht und wo wir erfahren, daß der Klerus das ,Te Deum laudamus' sang, während der Herzog und die Adligen .Christus keinado' und die einfache Bevölkerung das (offenbar slavische) .Krlessu' sangen.13 Die Verwendung eines deutschen Kirchenliedes durch den Adel wird von Kosmas nicht negativ kommentiert.
3.2.
Vom Beginn der schriftsprachlichen Uberlieferung bis zum Ende des 14. J h s .
Die Entwicklung einer im engeren Sinne tschechischen Schriftsprache auf der Grundlage des mittelböhmischen Dialekts um Prag beginnt am Ende des 13. Jhs. Zunächst entstehen geistliche Texte (Bibelübersetzungen, Lieder, Legenden), bald aber auch literarische Übersetzungen (wie die Alexandreis) und Chroniken (vor allem die Reimchronik des sog. Dalimil 14 , die auch in zwei zeitgenössischen deutschen Übersetzungen vorliegt). Diese Entwick10
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O b die Vertreibung aller Deutschen nach dem Regierungsantritt Spytihnivs II. tatsächlich so stattgefunden hat, ist umstritten (vgl. hierzu Hoensch 1987, 55). „Wenn dir aber dein Bruder mißfallt, warum gilt auch unser zahlreicher einheimischer Klerus nichts, der ebenso wissenschaftlich gebildet ist, wie dieser Deutsche? ( . . . ) Dein Bruder Spitignev seligen Andenkens war klug, als er eines Tages alle Deutschen aus dem Lande jagte." (vgl. Grandaur 1895, 116f.). Praiäk (1945, 17) stellt den bewußten Nationalstolz des Kosmas dem geschwächten Nationalbewußtsein des 13. Jhs. gegenüber, das Mischehen und massive Zuwanderung zuließ. „... iuxta altare sancti Viti intronizatur ab omnibus clero modulante: ,Te Deum laudamus'. Dux autem et primates resonabant: .Christus keinado', et cetera; simpliciores autem et idiote clamabant,Krlessu', et sic secundum morem suum totam illam diem hylarem sumunt" (Bretholz 1923, 45 f.). Der tschechische Text wird nach Danhelka (1988 ff.) zitiert, die deutsche Fassung nach Jirefek (1878).
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lung erreicht in der Regierungszeit Karls IV., unter dem Prag zum Zentrum des Römischen Reiches wurde, ihren Höhepunkt. Für diese Epoche ist bereits die Ansiedlung zahlreicher Deutscher (seit Ende des 12. J h s . ) relevant. In einigen Texten finden sich n o c h Belege für die Selbstbezeichnung als Slave (Slovenin) und der Sprachbezeichnung slovensky jazyk15, so beispielsweise in der Legende v o m hl. Prokop aus der Mitte des 14. Jhs. 1 6 ; die mit den Worten „Svaty Prokop jest slovenskeho roda, nedaleko ot CeSskeho Broda" 1 7 beginnt (vgl. zu weiteren Belegen Graus 1980, 174ff.). Meist steht slovensky aber für die Sprache der kirchenslavischen Tradition. 1 8 Von diesen Resten abgesehen, herrschen von Anfang an von der Selbstbezeichnung Cech19 abgeleitete Wörter, wie Cechy für das Land und das Adjektiv cesky, vor. Die deutschen Äquivalente sind Beheim (auch Behemlant u . a . ) und das Adjektiv beheimisch, die lateinischen Bohemus, Bohemia und bohemicus. Bezeichnungen wie Tsechen oder Czechen sind sehr selten (vgl. Graus 1980, 176). Hier deutet sich - schon zu Anbeginn der schriftlichen Überlieferung das Problem an, das für die folgenden Jahrhunderte charakteristisch sein sollte. Die Sprachbezeichnung cesky jazyk bzw. später cestina bleibt zwar dem Tschechischen im heutigen Sinne vorbehalten, die Bezeichnung des Landes Cechy/Böhmen umfaßt jedoch auch die von Deutschen besiedelten Gebiete, die Bezeichnung des Volks weist schließlich eine charakteristische Unschärfe auf, bei der letztlich immer unklar bleibt, ob unter einem Cech bzw. einem Böhmen ein Sprecher des Tschechischen oder ein Bewohner des Landes Cechy/Böhmen zu verstehen sei. Zur Polysemie der genannten Begriffe tritt die allmähliche Ausdifferenzierung des Volks- bzw. Nationbegriffs (vgl. Graus 1980, 170 ff.). Neben den von den ersten Texten an verwendeten Terminus jazyk {Zunge, Sprache), der im wesentlichen in der Bedeutung von lat. gens (aber auch des selteneren natio) gebraucht wird, tritt allmählich auch narod als Äquivalent von natio.20 Trotz erster Belege aus dem 14. J h . bleibt jazyk aber n o c h lange der 15
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Hier ist zu beachten, daß dieses Adjektiv Ende des 18. Jhs. die Bedeutung „slovakisch" angenommen hat, im Sinne von „slavisch" wird dann das Adjektiv „slovansky" gebraucht. Hier zitiert nach: Havranek/Hrabak 1957, 360. „Der Heilige Prokop stammt aus slavischem Geschlecht, nicht weit von Cesky Brod." Vgl. die Stelle in der Dalimil-Chronik, wo es vom hl. Method heißt, er habe die Messe auf Slavisch gefeiert „msy slowensky sluzyesse" (Daühelka 1988,1, 312). In der deutschen Übersetzung steht: „der sang eine windisse messe czu hant" (Jirefek 1878, 48). Ursprünglich dürfte „Cech" der Name eines in Mittelböhmen ansässigen Stammes gewesen sein, doch treten die übrigen Stämme, von denen hier nur die Chorvaten und die Lufanen genannt seien, bereits im Laufe des 10. Jhs. in den Hintergrund. Die ursprüngliche Bedeutung ist „Geburt", „Herkunft" (vgl. Bflif 1951). Die Parallele zur Bedeutungsentwicklung im Lateinischen ist nicht zu übersehen.
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vorherrschende Begriff.21 Während eine Bezeichnung wie cesky jazyk ein sprachliches Kriterium bei der Abgrenzung der Volksgruppe suggeriert und damit zugleich auf den engeren Begriff der „gens" zurückverweist, sind mit närod wie mit natio viel stärkere politische Implikationen verbunden, die die Einbeziehung der deutschen Bevölkerung möglich machen, aber nicht erzwingen. Das wichtigste Dokument eines böhmischen Bewußtseins zu Anfang des 14. Jhs. ist die bereits erwähnte Dalimil-Chronik, in der sich die konservative Sicht des durch die deutsche Zuwanderung bedrohten böhmischen Adels niederschlägt. Die Chronik enthält zahlreiche negative Äußerungen über die Deutschen {nemct), die seit der Epoche der „Nationalen Wiedergeburt" als Beweis für ein frühes Nationalbewußtsein gewertet worden sind. Heute besteht weitgehend Einigkeit darüber, daß die Äußerungen eher „fremdenfeindlich" als im heutigen Sinne „nationalistisch" interpretiert werden sollten.22 Die Antipathien des Autors wenden sich über die Deutschen hinaus auch generell gegen die (zwar überwiegend, aber nicht ausschließlich deutschen) Bürger der Städte. Diese allgemeinere Zielrichtung hat es möglich gemacht, daß die Chronik schon bald (ca. 30 Jahre später) in deutscher Übersetzung vorlag. Der Übersetzer wählt als Äquivalent der tschechischen Bezeichnung nemec (bzw. des Adjektivs nemecky) teilweise Fremde/r, wenn auch an vielen Stellen, insbesondere stets dann, wenn es um die Sprache geht, von Deutschen die Rede ist. Vgl. die folgende Passage, in der der Fürst Oldrich (1012-33) begründet, warum er keine deutsche Fürstin, sondern die tschechische Bäurin BoSena heiratet: Wrzet kazdemu srdcze po iaziku swemu A pro to nyemkynye mene bude przyety lidu memu Nyemkyny nyemeczku czeled bude gmyety A nyemeczky bude vcziti me dyety. (Dafihelka 1988,1, 493 ff.) Einem ichlichin ist daz hercze czu siner zcungin groz, darvmb wirt ein vremde nummir min genoz, noch minen lutin wirt si nit getrwe. Fremdes gesinde wirt habin ein fromdein, min kinder wirt sy deutsch lerin vnd ir gewonheit virkerin. (Jirefek 1878, 83)
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Vgl. Βέΐϋ (ebd.) und Seibt (21990, 103 ff.). Vgl. den ausführlichen Kommentar in der kritischen Ausgabe von Dafihelka et al. (Band III, 1995,239ff.). In der Einschätzung, welchen Stellenwert die Sprache bei Dalimil hat, gehen die Meinungen allerdings auseinander: Während Radi (1928, 58) die Dalimil-Chronik als „poetisierten Ausdruck der Rassenantipathie" bezeichnet und sie als Denkmal einer „niedrigen Entwicklungsstufe" ansieht, sieht Graus (1980, 92 ff.) in ihr den Ansatz zur Verwendung der Sprache als „politisch-verfassungsmäßiges Kriterium" und sieht die Entwicklungen der Hussitenzeit vorgezeichnet.
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Die Tatsache, daß eine solche Uminterpretation offenbar ohne größere Probleme möglich war, zeigt, daß der zeitgenössische Leser den Terminus Nemec und entsprechend wohl auch Cech noch nicht sprachnationalistisch verstand. Als erster Vorbote eines solchen Verständnisses kann aber die Urkunde des Prager Bischofs Johann IV. angesehen werden, der 1334 in Raudnitz/ Roudnice ein Stift gründete, in das ein Novize nur aufgenommen werden konnte, wenn beide Eltern „bohemice" sprachen („nisi sit Bohemus de utroque parente idiomatis bohemice ortum trahens"). 23
3.3.
Jan Hus u n d die hussitische Bewegung
Um die Mitte des 14. Jhs. herum hatte sich das Tschechische zu einer vollausgebildeten Literatursprache entwickelt. Zu den religiösen 24 und literarischen Texten waren nun auch die ersten Fachtexte hinzugekommen. 2 5 Zur zentralen Persönlichkeit einer theologischen und zum Teil auch schon politischen Reformbewegung wird um das Jahr 1400 Magister Jan Hus (1372-1415), der zwar überwiegend lateinisch schrieb, von dem aber auch eine Reihe tschechischer Schriften erhalten ist.26 1409 bewegte er König Wenzel IV. zum sog. „Kuttenberger Dekret", das die Stimmenverteilung zwischen den „nationes" zugunsten der „natio Bohemica" veränderte und zum Auszug der drei anderen „nationes" (Bayern, Sachsen und Polen) führte. Nach der Hinrichtung von Hus in Konstanz, der hussitischen „Revolution" und dem Bürgerkrieg, der 1437 mit der Niederlage des radikalen Flügels der Hussiten endete, blieb das labile Gleichgewicht zwischen Katholiken und Utraquisten mit gewissen Schwankungen bis zur Ständeerhebung von 1618 erhalten. Die Bezeichnungen für Sprache und Volk bzw. Nation sind in dieser Epoche die gleichen wie in der vorhergehenden, wenn wir von einem okkasionellen Gebrauch der Ausdrücke „purus" bzw. „verus Bohemus" (vgl. Graus 1980, 181) zur Abgrenzung von den ebenfalls in Böhmen ansässigen Deutschen absehen. Die terminologische Unschärfe bleibt also bestehen, die sprachlichen Ausdrücke tragen nicht zur Klärung des Verhältnisses von Nation und Sprache in der hussitischen Epoche bei. 23
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Vgl. Seibt (ebd., 62 f.) und Graus (1980, 94). - Das Raudnitzer Privileg wurde bereits 1349 wieder aufgehoben. In dieser Zeit entstand vermutlich auch schon die erste vollständige Bibelübersetzung. Vgl. die in Prosa abgefaßten theologischen Werke des Toma$ ze Stitneho (1333-1409) und das lateinisch-tschechische Wörterbuch des Claretus. U.a. gilt er als Verfasser des Traktats „De orthographia bohemica", die gewissermaßen die Grundlage der modernen tschechischen Rechtschreibung darstellt
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Innerhalb der hussitischen Bewegung, deren Zielsetzungen bald über die ursprüngliche religiöse Orientierung hinausgingen (vgl. Hoensch 1987, 140 ff.), lassen sich verschiedene Flügel ausmachen, die sich auch in ihrer Haltung zu nationalen Fragen unterscheiden (vgl. ausführlich Seibt 2 1990, 72 ff.). Schwerer ist zu entscheiden, welche Bedeutung den sprachlichen Kriterien bei der Abgrenzung der Nation zukam. Das Kuttenberger Dekret ist in dieser Hinsicht eindeutig, da aus dem Text selbst deutlich wird, daß die „natio Bohemica" Tschechen und Deutsche umfaßt; die Zusammenfassung der bisherigen drei nichtböhmischen „nationes" zur „natio Theutonica" erfolgt nicht auf der Grundlage sprachlicher, sondern politischer Kriterien. 27 Die Bewertung der hussitischen Bewegung im engeren Sinne, vor allem seit 1419, fallt hingegen schwerer. Die konfessionellen und die nationalen Grenzen verliefen nicht parallel: Eine große Zahl tschechischer Städte blieb der katholischen Kirche treu und Schloß sich nicht den Hussiten an, doch gab es auch eine Reihe von deutschsprachigen Hussiten (vgl. Seibt 2 1990, 92 ff.). Zeugnisse, in denen die Sprache zum entscheidenden Kriterium wird, sind weiterhin sehr selten. 28 Dennoch wurde die hussitische Bewegung aus verschiedenen Gründen von Anfang an als eine explizit tschechischsprachige Bewegung wahrgen o m m e n . Dabei waren die letztlich auf Wiclif zurückgehende Forderung nach der Verbreitung der Bibel in der Volkssprache u n d das Streben nach einem volkssprachlichen Gottesdienst 2 9 von Bedeutung, das Tschechische festigte gleichzeitig seine Position als Amtssprache. Vor allem aber wurde im Zuge der sozialen Umwälzungen das deutsche Patriziat zurückgedrängt, es kam zu einer weitgehenden Bohemisierung der Städte. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die „natio Bohemica" in dieser Zeit weder ihrer Definition nach noch faktisch ausschließlich Sprecher des Tschechischen umfaßte, daß aber der Begriff der Nation den der Sprachnation gewissermaßen konnotierte.
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Vgl. Seibt 21990, 67 ff. Als Ausgangspunkt des Konfliktes muß letztlich nicht die nationale Frage, sondern der Konflikt zwischen den in der Nachfolge Wiclifs stehenden Realisten um Hus und den von deutschen Theologen dominierten Nominalisten angesehen werden (vgl. dazu Radi 1928, 44). Praiak (1945, 27ff.) zitiert auf nur zwei Seiten einige Passagen aus Texten der hussitischen Zeit. Hier ist zwar immer von „Nimci" und „Ceäi" die Rede, der Kontext erzwingt aber nie die sprachnationalistische Lesart. Aufschlußreicher sind einige von Seibt (21990, 103 ff.) angeführte Belege für lat. „linguagium", das in Abgrenzung vom doppeldeutigen Terminus „lingua" verwendet wird. Vgl. die besondere Rolle des volkssprachlichen (d.h. tschechischen) Kirchenlieds bei den Hussiten.
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3.4. Vom Ende des 15. Jhs. bis zur Schlacht am Weißen Berg 1620 Bis zum Dreißigjährigen Krieg blieben die Machtverhältnisse in den böhmischen Ländern im wesentlichen die gleichen. Der wachsende Einfluß der deutschen Reformation, der sich auch ein großer Teil der Utraquisten anschloß, führte allerdings zu einer allmählichen Stärkung des deutschen Elements im Lande. Trotzdem erlebte die tschechische Schriftsprache in dieser Zeit und insbesondere in der 2. Hälfte des 16. Jhs. eine Blüte, die später den Namen eines „Goldenen Zeitalters" des Tschechischen erhielt. Diese Epoche war vor allem durch eine Vielzahl von wissenschaftlichen Werken (Geschichtsschreibung, Lexikographie, erste Grammatiken u.a. 30 ) bedeutsam, die im Kreis um den Polyhistor Daniel Adam ζ Veleslavina (1546-99) entstanden sind. Eine entscheidende Rolle für die weitere Entwicklung spielte auch die vollständige Ubersetzung der Bibel durch die sog. „Böhmischen Brüder", die in den Jahren 1579-84 in Kralice in Mähren gedruckt wurde (daher als sog. „Kralitzer Bibel" bekannt). 31 Vor dem Hintergrund der verstärkten wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Tschechischen verwundert nicht, daß in dieser Zeit Lobreden über den Reichtum der tschechischen Sprache veröffentlicht werden, gleichzeitig aber auch dazu aufgerufen wird, die Sprache stärker zu pflegen. 32 Dennoch bestand offenbar kein Bedürfnis zu einer terminologischen Klärung des Verhältnisses zwischen der böhmischen Nation im umfassenderen Sinne und der tschechischen Sprache. Als völlig vereinzelter Beleg für die Anfange einer Differenzierung kann die erstmalige Verwendung des Begriffs „Germanobohemus" angeführt werden. 33 Ebenfalls in diese Epoche gehören die ersten Belege einer erneuten Verwendung des Terminus „slavicus", der nunmehr jedoch die Slovaken bezeichnet (vgl. hierzu Abschnitt 4.1.). Erst zu Beginn des 17. Jhs. verschieben sich die Verhältnisse leicht, die Wichtigkeit der eigenen, einheimischen Sprache wird stärker betont als zuvor. So tadelt etwa der mährische Landeshauptmann Karel der Ältere ζ Zerotina 1610 die (deutschen!) Bürger von Olmütz, weil sie ihm nicht auf Tschechisch geschrieben haben, und fahrt fort (vgl. Praiak 1945, 38): 30
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U.a. gehört hierzu die 1603 erschienene Grammatik des in Prag wirkenden Slovaken L. B. Nudozierinus, auf die in Abschnitt 4.2. näher eingegangen werden soll. Angesichts der Tatsache, daß diese Bibel später zum Symbol für gutes Tschechisch und gewissermaßen zu einem „nationalen Heiligtum" geworden ist, sei darauf hingewiesen, daß zu den Böhmischen Brüdern auch kleinere deutschsprachige Gruppen gehörten und daß die Druckerei in Kralice auch deutsche Bücher produzierte (vgl. Rädl 1928, 71). Vgl. entsprechende Zitate bei Praiak 1945, 29 ff. Nach Angaben von Βέΐίί (1951, 75) bezeichnete sich so in der Mitte des 16. Jhs. der humanistische Dichter Georg Handsch.
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[Jjezto vite dobfe, ze ν teto zemi jazyk svfij obzvlaStni a vlastni mime, za ktery se Vam styditi nie neni potfebi; nebri stydfti bychom se slu5n£ za to museli, kdybychme se toho dopustili, aby tyi jazyk naf pfirozeny, tak vzacny, starozitny a rozSifeny, mil od ciziho vytisknut byti.34
End- und Höhepunkt dieser Entwicklung ist ein 1615 vom Böhmischen Landtag gefaßter Beschluß zur Förderung des Tschechischen, der u.a. das Erbrecht an Kenntnisse des Tschechischen knüpfte. Auch sollten Ausländer nur noch als Bürger aufgenommen werden, wenn sie tschechisch lernten, auch in diesem Falle sollten aber die Neubürger und zwei folgende Generationen keine Amter bekleiden dürfen. 35 Dieser Beschluß wird in der Literatur meist als Abwehrmaßnahme gedeutet, die ursächlich auf die verstärkte Zuwanderung von Deutschen zurückzuführen sei36, abweichend deutet Rädl den Beschluß als erneutes Zeichen der „Rassenantipathie". 37 Die demographische Entwicklung ist nicht von der Hand zu weisen, dennoch zeugt die Entschließung auch vom deutlich gestiegenen Selbstbewußtsein der böhmischen und mährischen Stände gegenüber dem Reich. Unabhängig von der Frage, ob ein solcher Beschluß hätte durchgesetzt werden können, war aber spätestens nach der Niederschlagung des Ständeaufstandes 1620/21 nicht mehr an eine Zurückdrängung des deutschen Einflusses zu denken.
3.5.
Die Zeit des „Dunkels" von 1620 bis zu den josephinischen Reformen
Der Versuch der böhmischen und mährischen Stände, die Habsburger Dynastie zu entmachten, endete im November 1620 mit der Niederlage am Weißen Berg. Nach den Repressionen gegen die Aufständischen, vor allem aber nach der „Verneuerten Landesordnung" von 1627, die keine Konfession außer der katholischen mehr zuließ, kam es zu einer deutlichen Um34
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„Denn Ihr wißt gut, daß wir in diesem Land unsere besondere und eigene Sprache haben, für die Ihr Euch nicht schämen müßt; sondern wir müßten uns richtigerweise dafür schämen, wenn wir uns dies zu Schulden kommen ließen, daß wir zulassen, daß unsere selbige natürliche, so wertvolle, altertümliche und verbreitete Sprache von einer fremden verdrängt wird." Vgl. Ridl 1928, 73. Für den Originaltext dieses Beschlusses sowie eines ähnlichen Beschlusses des mährischen Landtags von 1609 sei auf Fischel (1901, 4 ff.) verwiesen. Vgl. etwa Praiäk (1945, 40) und Hoensch (1987, 217). Ridl 1928, 72 f. Vgl. auch das folgende Zitat, das gleichzeitig den polemischen Charakter seiner Darstellung verdeutlicht: „Die Proteste der Tschechen gegen die Deutschen haben in dieser Zeit den Charakter einer Art von Verteidigung irgend einer lokalen Gepflogenheit; mitunter verteidigten alteingesessene Tschechen mit diesen Protesten ihre .Rechte' nur in der Form, wie sie ihre erbgesessenen Rechte auf städtisches Bier oder Holz verteidigt hätten."
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Schichtung der Bevölkerung der böhmischen Länder. Zahlreiche (tschechische und deutsche) „Akatholiken" wanderten aus, viele Adelsgüter gingen an ausländische Besitzer über. Die formelle Gleichberechtigung von Tschechisch und Deutsch wurde in der „Verneuerten Landesordnung" 38 festgeschrieben, die Landtagsbeschlüsse, Gesetze usw. erschienen weiterhin in beiden Sprachen. In anderen Bereichen kam es zu stärkeren Veränderungen, vor allem durch die Emigration zahlreicher nichtkatholischer Autoren (u.a. Comenius). Traditionell ist diese Epoche oft als Zeit des Niedergangs oder des Dunkels (tschech. „temno") bezeichnet worden, in der vor allem die Exilliteratur von hoher Qualität gewesen sei, während im Lande selbst nur noch religiöse Erbauungsliteratur veröffentlicht wurde. 39 Diese Ansicht kann heute als überholt gelten 40 , auch wenn diese Epoche bis heute nicht besonders gut erforscht ist.41 - Auch die in jener Zeit entstandenen Grammatiken wurden später als Zeugnisse der Verfalls kritisiert, weil sie in zunehmendem Maße von den Normen des „Goldenen Zeitalters" abwichen. Vor allem die Neigung zu puristischen Wortschöpfungen wurde in diesem Sinne interpretiert, ohne zu berücksichtigen, daß diese generell für die Barockzeit charakteristisch sind. Die Reflexionen über die eigene Sprache setzen zunächst noch die Traditionen der vorhergehenden Epoche fort (Lobreden über den Reichtum des Tschechischen u.ä.), spiegeln aber allmählich auch die veränderte Situation wider. Besonders bekanntgeworden ist die „Dissertatio apologetica pro lingva Slavonica, praecipve Bohemica" 42 des Jesuiten Bohuslav Baibin (1621-88), der den Rückgang des Tschechischen beklagt, seine Ursachen untersucht und die Verkleinerung des Sprachgebiets dokumentiert. 43 In terminologischer Hinsicht ist bemerkenswert, daß Baibin das Tschechische in den größeren Zusammenhang der slavischen Sprachen stellt und somit zur älteren Bedeutung des Wortes „slavonicus" zurückkehrt. Damit greift er einerseits die kyrillomethodianische Tradition wieder auf, andererseits wird hier ein breiteres slavisches Bewußtsein deutlich, das für die Barockzeit insgesamt typisch werden sollte. Auch die Grammatiken dieser Zeit, beginnend mit Rosa (1672), betonen, daß das Tschechische eine slavische Sprache ist, deren Erlernen den Zu3« Vgl. Fischel (1901, 8 ff.) 39 So u.a. auch in der ansonsten sehr differenzierten Darstellung von Havranek (1936, 68). 40 41
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Von entscheidender Bedeutung war hier die Monographie von VäJica (1938). Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Beschäftigung mit der katholischen Barockliteratur von 1948-1989 auf deutliche ideologische Vorbehalte stieß. Dieser Text ist 1672/73 entstanden, wurde aber erst 1775 veröffentlicht. O f t zitiert wird die Feststellung, daß noch fünfzig Jahre vor Abfassung des Textes in ganz Böhmen die Städte, Marktflecken, Dörfer und der Adel Tschechisch gesprochen hätten („omnes prope per Bohemiam Vrbes, Oppida, Pagos vt Nobilitatem [...] bohemice locvtos ...").
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gang zu einem großen Sprachgebiet erlaubt44, und argumentieren mit der seit dem 16. Jh. belegten phantastischen Angabe, daß Alexander der Große den Slaven ihre Wohnsitze zugewiesen habe.45 Man wird wohl nicht fehlgehen, wenn man hierin eine Art Kompensation für den Bedeutungsverlust des Tschechischen sieht (vgl. Havränek 1925, 119). In der 1704 erschienenen Grammatik von V. Jandyt sowie in einem etwa gleichzeitigen Traktat „Notitia de Poesi Boemica, Poetisque Boemis ac Slavis"46 findet sich auch der Terminus „Lingva Boemica, seu Boemo-Slavica", vermutlich der erste Beleg für eine innere Differenzierung des Begriffs „böhmisch" mit Hilfe der Sprache. Jandyt verwendet Slavus aber auch noch in der Bedeutung Slovake (vgl. Havränek 1925, 119). Der Terminus „lingua bohemo-slavica" sowie die verwandte Bezeichnung „lingua slav(ic)o-bohemica" sind im 18. Jh. auch sonst öfter belegt, der zweite vor allem bei den Slovaken.47 Sie sind gewissermaßen Vorläufer späterer Bezeichnungen wie tschechoslawisch bzw. tschechoslovakisch. - In dem genannten Traktat wird schließlich auch zweimal das lateinische Adjektiv „Czechicus" verwendet, ein weiteres Indiz für das Bedürfnis, zwischen tschechischer Sprache und böhmischer Nation zu unterscheiden. 3.6.
Die erste Phase der „Nationalen Wiedergeburt"
Ab der Mitte des 18. Jhs. kommt in die erstarrte Sprachsituation in den böhmischen Ländern wieder Bewegung. Die politischen Reformen Maria Theresias und vor allem Josephs II. hatten dabei zwiespältige Auswirkungen. Die Wiener Regierung stärkte die Rolle des Deutschen als alleiniger Verkehrssprache der Monarchie48, doch profitierte das Tschechische auch von der Reform des Bildungswesens (ab 1752 Tschechischunterricht an der neuen Militärakademie in Wiener Neustadt, 1775 Einrichtung eines Lehrstuhls für tschechische Sprache an der Universität Wien u. a.). 44
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Vgl. etwa in der Grammatik von Pohl (1756, VI): „Du wirst hieran finden eine solche Sprache, welche du nicht nur in Böhmen, und dessen zugehörigen Ländern, sondern durch den grösten Theil von Europa, bevorab durch Hungarn, Dalmatien, Croatien, Slavonien, Servien, Boßnien, die Wallachey, Moldau und Bulgarien, sondern auch durch Pohlen, Lithauen, Rußland, die Ukrain und Tartarey, dann durch das gesamte kleinere Asien, bis an Armenien und Persien hin dich bedienen, und deinen Vortheil befördern kanst." Vgl. hierzu die ausfuhrliche Darstellung in Myl'nikov (1996). Dieser Traktat ist an das Exemplar der 1. Auflage von Jandyts Grammatik in der Prager Universitätsbibliothek angeheftet (vgl. Havränek 1925, 118). Der älteste von Durovid (1989) zitierte Beleg für „lingua slavico-bohemica" stammt aus dem Jahre 1729 und ist damit deutlich jünger als der zitierte Beleg aus Jandyt. Durch eine Reihe von Dekreten wurde ab Anfang der siebziger Jahre nach und nach der deutsche Pflichtunterricht an allen Schulen eingeführt.
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Im Gefolge einer verstärkten wissenschaftlichen Beschäftigung mit der böhmischen Landesgeschichte (vgl. Schamschula 1973,22ff.) wuchs das Interesse an älteren Sprachstufen des Tschechischen und an seiner Beziehung zu anderen slavischen Sprachen. Die zentrale Persönlichkeit der ersten Phase der tschechischen „Wiedergeburt" war Josef Dobrovsky (1753-1829), der mit der 1792 erschienenen „Geschichte der Böhmischen Sprache und Litteratur" den Grundstein zu einer wissenschaftlichen Bohemistik legte. Dobrovsky betrachtete die Epoche seit 1620 als Zeit des „Verfalls" (vgl. Dobrowsky 1792, 193 ff.), sein Ideal war die vorhergehende Periode, „die man das schöne oder goldene Zeitalter der böhmischen Sprache nennen könnte" (ebd., 1260 ff.). Der Usus dieser Zeit bildete auch die Grundlage für seine Grammatik (Dobrowsky 1809, 21819), die barocken Neubildungen lehnte er fast durchweg ab. Die Erweiterung der Funktionen der tschechischen Schriftsprache war nicht das primäre Anliegen Dobrovskys, der selbst fast ausschließlich deutsch schrieb 49 , seine Äußerungen über den aktuellen Stand des Tschechischen sind zwiespältig, eher nostalgisch als in die Zukunft gerichtet. Sein Verständnis der „böhmischen" Geschichte und Kultur Schloß die „Deutschböhmen" nicht ausdrücklich aus. Er kann somit im weiteren Sinne der Richtung des „Landespatriotismus" oder „Bohemismus" zugerechnet werden, die ab dem Ende des 18. Jhs. vor allem unter dem Adel viele Anhänger fand und sich sowohl zur einheimischen Tradition als auch zur deutschen Literatur bekannte. 50 Die Einbettung der tschechischen Sprache in den größeren Kontext einer böhmischen Tradition begünstigte die weitere ambigue Verwendung der Bezeichnungen „böhmisch", „bohemicus" und „desky". Das Adjektiv „czechisch" und verwandte Wörter werden aber allmählich häufiger, allerdings eher als Äquivalent von „böhmisch" denn als Gegensatz dazu (vgl. Kofalka 1991, 64 ff.). Zur Bezeichnung derjenigen Einwohner der böhmischen Länder, die überwiegend oder ausschließlich tschechisch sprachen, kommen okkasionell die Ausdrücke „Stockböhme" und „SamoCech"51 vor, für die deutschsprachigen Böhmen etwas häufiger der Ausdruck „Deutschböhme". Trotz der Skepsis Dobrovskys kam es ab den achtziger Jahren des 18. Jhs. zu einer Steigerung der Publikationen in tschechischer Sprache. Hinsichtlich der verwendeten Sprachform und der Haltung zur Tradition können mehrere Richtungen unterschieden werden, eine neue Qualität erhält die 49
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Entgegen der landläufigen Meinung hat er durchaus manchmal tschechisch geschrieben, so u. a. Privatbriefe und in den späteren Lebensjahren auch einige kürzere Texte. Vgl. die „Erinnerung über einen wichtigen Gegenstand von einem Böhmen" des Grafen Franz Josef Kinsky von 1773 (ausführlicher dazu Schamschula 1973, 119 ff.). Vgl. Kofalka, ebd. und Βέΐίί 1951, 75. „Samoiech" bedeutet wörtlich „Nur-Böhme". In ähnlicher Verwendung findet sich auch „pouhy Cech" („bloßer Tscheche").
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Entwicklung aber erst durch die Rezeption von Herders „Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit" durch die nächste Generation. 3.7.
Die zweite Phase der „Nationalen Wiedergeburt"
Die zentrale Persönlichkeit der zweiten Phase der „Nationalen Wiedergeburt" ist Josef Jungmann (1773-1847), ein entschiedener Verfechter der Gleichsetzung von jazyk (Sprache) und ndrod (Volk bzw. Nation). 52 Am pointiertesten hat er diese Ansicht in den 1806 erschienenen zwei „Gesprächen über die tschechische Sprache" formuliert (Jungmann 1806). Im ersten Gespräch in der Unterwelt wird ein denationalisierter Tscheche mit einem (fließend tschechisch sprechenden!) Deutschen und Daniel Adam ζ Veleslavina kontrastiert, im zweiten diskutieren Slavomil („Slavenfreund") und Protiva („Widersacher"). Vgl. zwei kurze Zitate aus den Gesprächen: Ziv jest narod ten, jehozto jazyk zcela nepoSel.53 Nebo jestlize vlasti bez närodu, närodu bez jazyku zvläStniho pomysliti nelze, doklädam jelti jednou, ze se zadny, kromi kdoz jazyk närodu sveho miluje, pravou läskou k vlasti honositi nemüie. 54
Die Aktivitäten zur Wiederbelebung des Tschechischen nahmen in der Konsequenz des Bekenntnisses zur Sprachnation deutlich zu. Während die vorhergehende Generation noch im wesentlichen für den tatsächlichen Bedarf an tschechischen Texten produziert hatte, stand nun der Gedanke im Mittelpunkt, daß das Tschechische in der Lage sein müsse, alle Funktionen einer Schriftsprache abzudecken. Der Kreis um Jungmann bemühte sich um die Schaffung von Terminologien fiir alle Bereiche der Wissenschaft, gab Zeitschriften heraus usw. Die wichtigste Leistung Jungmanns selbst ist 52
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Bei der Übersetzung ergeben sich hier spezielle Probleme dadurch, weil sich das Gegensatzpaar ndrod vs. lid nicht mit deutsch Nation vs. Volk deckt. Das Lexem lid ist spezieller als Volk, es bezeichnet zunächst das „einfache Volk", dann das „Volk in seiner Allgemeinheit", und nimmt im 20. Jh. eine politische Konnotation an (vlada lidu = „Herrschaft des Volkes"). Da es keinen Plural bildet, entspricht dem dt. Völker immer tschech. ndrodove bzw. närody. - Diese Unterscheidung wurde sogar teilweise von deutschen Gegnern der tschechischen Nationalbewegung als Argument dafür herangezogen, „die Tschechen grundsätzlich bloß als ein Volk im Sinne der unpolitischen Ethnie und in einer geographisch und nationalpolitisch bedingten Abhängigkeit von der deutschen Nation darzustellen" (vgl. Kofalka 1991, 25). „Lebendig ist das Volk, dessen Sprache nicht völlig untergegangen ist." (zitiert nach Jungmann 1948, 30). „Oder, wenn man sich eine Heimat ohne Volk, ein Volk ohne besondere Sprache nicht denken kann, so betone ich noch einmal, daß sich keiner außer dem, der die Sprache seines Volkes liebt, wahrer Liebe zur Heimat rühmen kann." (zitiert nach Jungmann 1948, 34).
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das erste große Wörterbuch des Tschechischen, das den klassischen Wortschatz dokumentiert, aber auch Entlehnungen aus anderen slavischen Sprachen und Neuschöpfungen umfaßt. Der „lingvocentrismus", wie Vladimir Macura dieses Phänomen genannt hat (vgl. Macura 1983, 42ff.), wird zu einem konstitutiven Merkmal der Kultur der „nationalen Wiedergeburt". Philologische Fragen aller Art (u.a. Debatten über die Rechtschreibung, über die Metrik, über das Verhältnis zu anderen Sprachen usw.) spielen seitdem eine wichtige Rolle in der tschechischen Kultur. 55 Eine besondere Bedeutung kommt der Etymologie zu, die in einem engen Zusammenhang mit der Begeisterung für das slavische Altertum steht. Die etymologische Erklärung von Ortsnamen in ehemals slavisch besiedelten Gebieten dient gewissermaßen zu einer symbolischen Wiedergewinnung und „Aneignung" dieser Gebiete. 56 Vor dem Hintergrund, daß sich die slavischen Sprachen relativ ähnlich sind57, legte die Definition der Nation durch die Sprache die Vorstellung einer einheitlichen slavischen Nation und Sprache nahe. Entsprechende Ansichten finden sich schon bei Jungmann selbst, dann aber vor allem bei Jan Kollar (1793-1852), der vier slavische Stämme (den russischen, den illyrischen, den polnischen und den tschechoslovakischen) unterschied. Mit diesen Vorstellungen war nicht notwendigerweise das Ideal einer Vereinigung aller Slaven in einem Staat verbunden, insbesondere Kollars Nationsbegriff war „betont unpolitisch" (vgl. Kofalka 1993, 44 f.).58 Auch die Bemühungen um eine einheitliche Sprache sind nie sehr weit gediehen. 59 Während sich die Vorstellung einer über die Sprache definierten tschechischen Nation allmählich durchsetzte, existierte in der ersten Hälfte des 19. Jhs. die Position des „Landespatriotismus" durchaus weiter. Ihr wichtigster Vertreter war der Philosoph und Mathematiker Bernard Bolzano (1781-1848), der eine politische Definition der Nation vorzog und den Gemeingeist zu ihrem wesentlichen Inhalt erklärte. In seinen der moralischen Erneuerung gewidmeten Erbauungsreden rief er die „Böhmen und Deutschen" zur freundschaftlichen Vereinigung auf und forderte u.a., „es lerne
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Häufig heißt es gar, die Tschechen seien eine „philologische Nation" (filologicky närod), laut Macura (ebd., 42) stammt diese Bezeichnung von Pavel Josef Safafik. Vgl. Macura 1983, 54ff. Dies geht bis zu phantastischen Beweisführungen, nach denen die Kelten, die Italer, ja sogar die Germanen eigentlich Slaven seien. Die Bezeichnung der slavischen Sprachen als „Dialekte" oder „Mundarten" war im 18. Jh. völlig üblich, auch bei Dobrovsky. Freilich darf nicht übersehen werden, daß die öffentliche Äußerung einer solchen Position sehr gefahrlich gewesen wäre (vgl. hierzu Kofalka 1991, 44 ff.). Wie Kofalka (1991, 46) zutreffend vermerkt, wäre nach Lage der Dinge nur das Russische als Grundlage einer gemeinsamen slavischen Schriftsprache in Frage gekommen, was weder politisch möglich war noch im Interesse einer Generation liegen konnte, die sich erfolgreich um die Wiedererweckung des Tschechischen bemühte.
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der eine die Sprache des anderen, nur um sich ihm desto gleicher zustellen" (Bolzano 1850, 155). Auch unter dem böhmischen Adel blieben eine landespatriotische Haltung, die nicht notwendigerweise die Entscheidung für die eine oder die andere Sprache erforderte, populär. So ist kein Zufall, daß der zum Kreis um Jungmann gehörende Historiker Frantisek Palacky (1798-1876) seine böhmische Landesgeschichte auf Deutsch und Tschechisch herausgab.60 Als letzter politischer Vertreter des klassischen „Landespatriotismus" gilt Johann Matthias von Thun (1794-1868), der 1845 in seiner oft zitierten Schrift „Der Slawismus in Böhmen" das Bekenntnis ablegte: Darauf kann ich nur im vollen Selbstbewußtsein erwidern: daß ich weder ein Ceche noch ein Deutscher, sondern nur ein Böhme bin, daß ich, von inniger Vaterlandsliebe durchglüht, das Unterdrückenwollen einer dieser beiden Nationalitäten - gleichviel welcher - als das unheilvollste Mißgeschick betrachte, und daß ich für meine iechischen Brüder das Wort ergreife, weil ich es für Ritterpflicht halte, auf der Seite des Schwächern zu stehen.
In den folgenden Jahren wurde der „Bohemismus" immer deutlicher zu einer Minderheitsposition61, spätere Generationen hatten für ihn nur noch Unverständnis und Spott übrig.62 Hinsichtlich der Sprachbezeichnungen zeigt diese Epoche erstaunlich wenige Unterschiede zur vorhergehenden. Die Bezeichnung „czechisch" wird etwa ab 1840 häufiger, zunächst als vor allem von Deutschen gebrauchter polemischer Begriff in bewußter Abgrenzung von „böhmisch"63, dann aber schon bald auch als Selbstbezeichnung der „böhmischen Slawen".
3.8.
Die Durchsetzung der Gleichberechtigung des Tschechischen bis 1918
Im Zuge der Revolution von 1848 verstärkten sich die nationalen Auseinandersetzungen zwischen Deutschen und Tschechen. Von symbolischer Bedeutung war vor allem die Reaktion Frantisek Palackys auf die Einladung ins Frankfurter Parlament, in der er begründete, warum er als „Böhme sla60
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Die deutsche Ausgabe erschien unter dem Titel „Geschichte von Böhmen", die tschechische als „D6jiny närodu ieskeho ν Cechäch a na Moravi" („Geschichte des tschechischen Volkes in Böhmen und Mähren"). Kofalka (1991, 63) verweist u.a. auf ein Bekenntnis des Fürsten Karl Schwarzenberg zum gemeinsamen böhmischen Vaterland im Jahr 1886. So wirft etwa Βέΐίί (1951, 74) Thun nicht nur vor, daß er einen „reaktionären" Begriff von Nation vertrete, er kann es sich auch nicht verkneifen, darauf hinzuweisen, daß Thun dieses Bekenntnis „in seiner Muttersprache" abgelegt habe. Vgl. hierzu ausführlich Kofalka (1991, 65 ff.).
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vischen Stammes" nicht an dem neuen deutschen Bund teilnehmen wolle. 64 Auf die Niederschlagung der Revolution folgte ab 1849 zunächst wieder eine Epoche der Reaktion 65 , in den durch das Februarpatent von 1861 einberufenen parlamentarischen Gremien wirkten aber erstmals in größerem Umfang Tschechen mit (darunter Palacky als Mitglied des Herrenhauses). Die folgenden Jahrzehnte waren durch eine zwiespältige Entwicklung gekennzeichnet. Auf der einen Seite konnten die Tschechen nahezu keine politischen Forderungen durchsetzen und mußten sich mit der 1867 erfolgten Zweiteilung des Reichs abfinden 66 , auf der anderen Seite steigerten sie ihre kulturellen Aktivitäten immer weiter und kamen im Kultur- und Bildungsleben der Gleichberechtigung immer näher (1866 Zulassung tschechischer Gymnasien, 1879 Einrichtung der Kgl. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften, 1882 Teilung der Prager Universität usw.). Die Vorstellung der tschechischen Nation als einer Sprachnation hatte sich in dieser Zeit fast völlig durchgesetzt. Entsprechend konzentrierten sich die politischen Auseinandersetzungen gegen Ende des Jahrhunderts immer stärker auf den rechtlichen Status der beiden Landessprachen. Angesichts der deutlichen tschechischen Bevölkerungsmehrheit tendierten die deutschböhmischen Parteien eher zu einer Aufteilung nach Sprachgebieten, die tschechischen Parteien präferierten die Gleichberechtigung in allen Landesteilen. Der ersten Lösung standen die sog. Wiener Punktuationen von 1890 näher, der zweiten die Badeni'schen Sprachverordnungen von 1897 - beide scheiterten am Widerstand der jeweils anderen Seite. Nur in Mähren gelang 1905 der sog. Mährische Ausgleich, der bei den Wahlen und im Schulwesen eine Aufteilung in zwei „Kurien" vorsah, deren Rechte genau festgelegt waren (vgl. zu den Einzelheiten Hoensch 1987, 397ff. und Kofalka 1991, 159 ff.). Die nationalen Auseinandersetzungen wurden dadurch gemindert, allerdings mußte sich jeder Wähler zu einer der beiden Nationalitäten bekennen. Gewissermaßen den Endpunkt der Aufteilung der böhmischen Länder nach dem sprachlichen Prinzip bildete die allgemeine Durchsetzung des Terminus tschechisch zu Anfang des 20. Jhs. Bereits 1861 gab es erste politische Diskussionen über das Verhältnis von tschechisch und böhmisch (vgl. Ko64
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Im Gegenzug fand im Juni 1848 ein Slavenkongreß statt, der aber wegen des kurz darauf ausbrechenden Pfingstaufstandes zu keinen definitiven Ergebnissen kam (vgl. Hoensch 1987, 340ff.). Hoensch (1987, 350) weist darauf hin, daß auch in dieser Zeit Schritte zur Gleichberechtigung getan wurden, vor allem durch vorsichtige Reformen im Unterrichtswesen. Vgl. ausfuhrlich zu den verschiedenen Ausgleichsbemühungen und dem Widerstand der tschechischen Parlamentarier gegen die österreichische Politik Hoensch 1987, 351 ff. Erwähnt sei hier nur der Boykott des Reichsrats durch die tschechischen Abgeordneten von 1863-1879.
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falka 1991, 60 ff.), noch 1911 beschloß der Tschechische Nationalrat (eine Dachorganisation der meisten tschechischen Parteien), daß historisch und juristisch nur der Terminus böhmisch angebracht sei, in inoffiziellen Kontexten aber auch tschechisch gebraucht werden könne (Kofalka, ebd.). Die immer häufigere Verwendung der Adjektive ceskoslovansky bzw. ceskoslovensky, die die Zugehörigkeit der Tschechen zu den Slaven betonen sollten und meist als tschechoslawisch ins Deutsche übersetzt wurden, begünstigte allerdings die schnelle Durchsetzung von tschechisch im Usus. Die abschließende Debatte zwischen den tschechischen Germanisten ArnoSt Kraus und Antonin Beer (vgl. Kofalka 1991, 62) reichte bis in die neugegründete Tschechoslowakische Republik hinein, in der die politischen Verhältnisse den Begriff böhmisch obsolet machten.
4. Die Entwicklung des Verhältnisses von Sprache und Nation bei den Slovaken bis 1918 4.1.
Vom Beginn der schriftsprachlichen Überlieferung bis z u m Ende des 16. Jhs.
In der Slovakei beginnt die schriftsprachliche Uberlieferung etwa hundert Jahre später als bei den Tschechen. Ab dem Ende des 14. Jhs. sind erste Texte belegt (vgl. Vazny 1936, 148 f., Stanislav 1967, 82 f.), ab der Mitte des 15. Jhs. werden zahlreiche administrative und juristische Texte in einer Sprachform fixiert, die der gleichzeitigen (alt)tschechischen Schriftsprache sehr nahe steht. Das bekannteste Sprachdenkmal dieser Art ist die sog. „Zilinskä kniha", das ab dem Jahr 1451 geführte Stadtbuch von Zilina (dt.: Sillein). Trotz gelegentlicher Slovakismen halten sich diese Texte im wesentlichen an die orthographischen und sprachlichen Normen des Tschechischen ihrer Zeit. Die Art der vorliegenden Denkmäler erlaubt nur wenige Rückschlüsse auf mögliche Selbstbezeichnungen der damaligen slavischen Bevölkerung Oberungarns. Onomastische Belege sowie vereinzelte Angaben der Art, daß etwa das Evangelium „in slavischer Sprache" („slowenskym yazykam") 67 ausgelegt wurde, legen nahe, daß die alten Bezeichnungen „slov£nbskyi" und „Slovene" in dieser Zeit weiterverwendet wurden.
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So in einem Text aus der Zips aus dem Jahre 1480, vgl. Stanislav 1967, 117.
Nation und Sprache·, das Tschechische und das Slovakische
4.2.
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Erste Zeugnisse für ein eigenes slovakisches Sprachbewußtsein
Im 16. Jh. breitete sich die tschechische Schriftsprache in der Slowakei immer weiter aus. Dabei spielte vor allem die Reformation eine wichtige Rolle, die weite Teile des Landes erfaßte. Es kam zu einem regen Austausch mit den böhmischen Ländern. Beispielsweise veröffentlichte der aus Schlesien stammende Reformator Jiii Tranovsky (lat. Tranoscius, 1591-1637) 1636 in der Slovakei sein Gesangbuch, das unter den slovakischen Protestanten bis ins 20. Jh. in Gebrauch blieb, eine Reihe von Slovaken wirkte in Böhmen und Mähren. Einem von ihnen, dem Philologen und Mathematiker Vavrinec Benedikt ζ Nedozer (lat. Nudozierinus, 1555-1615), verdanken wir in seiner 1603 erschienenen tschechischen Grammatik interessante Aussagen über das damalige Verhältnis zwischen Slovaken und Tschechen. Er fuhrt nämlich in der Einleitung aus, daß er seine Grammatik auf den Usus der besten Autoren stütze, und rechtfertigt sich so gegenüber denjenigen, denen es unangemessen erscheint, daß ein Slavus eine böhmische Grammatik schreibe („et hoc mihi adversus eos praesidio erit, quibus nescio quam inconveniens videtur, ut Slavus Bohemicam Grammaticam scribat"). Der Kontext macht deutlich, daß Slavus hier einen slavischen Bewohner Oberungarns, also im heutigen Sinne einen Slovaken, bezeichnet. Auch in der Grammatik selbst wird an mehreren Stellen deutlich, daß Nudozierinus die von ihm beschriebene Sprache als Tschechisch („lingua bohemica") auffaßt, aber außer den Tschechen im engeren Sinne („Bohemi") auch die Mährer („Moravi") und die Slovaken („Slavi") als Benutzer dieser Sprache ansieht. Dieser Sprachgebrauch hat sich das ganze 17. und 18. Jh. über gehalten68, er findet sich auch in der in Abschnitt 3.5. erwähnten Grammatik von Jandyt (1704) und der 1746 erschienenen „Grammatica slavico-bohemica" des Pavel Dolezal. In den tschechischen Texten entspricht dem lateinischen Slavus die Form Slovak69 (selten noch das alte Slovenin), das zugehörige Adjektiv lautet slovensky. Alle diese Formen können sich je nach Kontext sowohl auf die Slaven im allgemeinen wie auch auf die Slovaken im engeren Sinne beziehen. Nach dem Sieg der Gegenreformation in Böhmen pflegten die slovakischen Protestanten unter dem Schutz des ebenfalls großenteils evangelischen ungarischen Adels das Tschechische der „Kralitzer Bibel" weiter. Die ältere Literatur geht zum Teil so weit, die Slovakei im 17. und 18. Jh. gewissermaßen zum Hort des guten Tschechischen zu erklären (vgl. Belid 1964, 167). Tatsächlich waren die sprachlichen Verhältnisse jedoch viel kompli68 69
Vgl. zahlreiche Belege bei Praiäk 1922, 8 ff. Praiak 1922, 10 zitiert den ersten Beleg aus dem Jahr 1439, weist aber daraufhin, daß hier offenbar die Bedeutung .Slave' im weiteren Sinne vorliege.
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zierter, weil neben den protestantischen Texten, die sich sehr stark an der klassischen Norm orientierten, auch andere (vor allem, aber nicht nur katholische) Texte entstanden, die der gesprochenen Sprache näher standen. Einen besonderen Status hatten administrative Texte, die besonders reich an Slovakismen waren. Allmählich entwickelte sich in der Westslovakei um das kulturelle Zentrum Trnava (in geringerem Ausmaße auch in anderen Regionen) ein eigener Usus, der sich zwar noch am Tschechischen orientierte, aber viele Merkmale der gesprochenen Sprache übernahm. In der slovakischen Forschung nennt man diese Sprachform „westslovakische Kultursprache" (kulturna zapadosloven&na) und fuhrt sie auf eine Koine auf der Basis westslovakischer Dialekte zurück. Die heutige slovakische Forschung neigt dazu, einen Großteil dieser Texte als slowakisch zu bezeichnen und die Verwendung der tschechischen Schriftsprache in Oberungarn auf das 15. und 16. Jh. zu begrenzen. 70 Entsprechend beginnen auch die Chrestomathien zur slovakischen Sprachgeschichte mit der Zilinska kniha und fuhren eine Reihe von Texten des 16. und 17. Jhs. an. Auf den ersten Blick mag ein solches Vorgehen angesichts der sprachlichen Nähe zum heutigen Slovakischen und der Tatsache, daß die Autoren dieser Texte sich selbst als Sloväci und die Sprache, die sie verwenden, als slovensky jazyk bezeichnen, verständlich erscheinen. Es erscheint jedoch dann problematisch, wenn man in Rechnung stellt, daß sich die Autoren nicht vom Tschechischen distanzieren und auch kein eigenes slovakisches Nationalbewußtsein, sondern allenfalls ein regionales Bewußtsein erkennbar ist. Deutlich wird dies beispielsweise in Doleials „Grammatica slavico-bohemica" (1746), die sich zwar zum Ziel setzt, die Unterschiede zwischen dem „Dialekt" der Tschechen und dem der „gebildeteren Slaven in Ungarn" („discrimen inter dialectum Bohemorum & cultiorum slavorum in Hungaria") darzustellen, die sich aber faktisch auf Angaben zur Aussprache und zu einzelnen Bereichen der Grammatik beschränkt. 71 Solche Varianten der schriftsprachlichen Normen waren aber in jener Zeit nicht nur auf die Slovakei beschränkt, nur die Tatsache, daß sich in diesem Gebiet später 70
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Pauliny (1966) widmet je ein Kapitel dem „Tschechischen als Schriftsprache der slovakischen Nationalität im 15. J h . " (29 fF.) und den „Kultursprachen der slovakischen Nationalität im 16.-18. J h . " (44 if.). Im zweiten Kapitel wird aber auch die Verwendung des Tschechischen vom 16.-18. J h . behandelt. Durovit (1989) deutet die ab Anfang des 18. Jhs. gebräuchliche Bezeichnung „lingua slavico-bohemica" als Beleg für ein eigenes slovakisches Bewußtsein und versucht, aus Zeugnissen evangelischer slovakischer Gelehrter herzuleiten, daß sich die Slovaken als eigenes Volk („narod") betrachtet hätten, das dieselbe Sprache wie die Tschechen verwende. Für ein Selbstverständnis der Slovaken als „narod" kann er aber nur indirekte Belege anfuhren, wie etwa den 1709 belegten Ausdruck „duplex natio, Hungarica et Slavico-Bohemica", der aber wohl eher für eine Zuordnung der Slovaken zur ungarischen „Nation" spricht.
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eine eigene Standardsprache herausgebildet hat, hat den Regionalismen nachträglich eine andere Bedeutung gegeben.
4.3.
Der erste Ansatz zu einer slovakischen Schriftsprache (vom Ende des 18. bis zur Mitte des 19. Jhs.)
In der Epoche der Aufklärung und insbesondere nach den josephinischen Reformen nahmen die Bemühungen um eine Literatur in der eigenen Sprache in der Westslovakei eine systematischere Form an. Nachdem erste Versuche wenig Verbreitung gefunden hatten, kodifizierte schließlich eine Gruppe junger Priester um Anton Bernolak (1762-1813) die „westslovakische Kultursprache" in einer Reihe grammatischer Schriften, beginnend mit der 1787 anonym veröffentlichten „Dissertatio philologico-critica de literis Slavorum". Die sog. „bemoläctina", wie diese Sprachform später nach ihrem wichtigsten Vertreter genannt wurde, orientiert sich lautlich und morphologisch an den westslovakischen Dialekten, der Wortschatz steht noch deutlich unter tschechischem Einfluß. Charakteristisch ist ferner eine weitgehend phonologische Orthographie. 72 Erklärtes Ziel der „Dissertatio" ist es nach Angaben der Verfasser, dem oft geäußerten Wunsch nach Kultivierung der „pannonisch-slavischen" Orthographie und Aussprache und nach Beseitigung der aus dem Tschechischen eingedrungenen Fehler nachzukommen. 7 3 Die Verfasser sehen also das „Pannonisch-Slavische" bzw. „Ungarisch-Slavische" als eine eigene Sprachform an, verbinden hiermit aber noch nicht die Vorstellung von einer slovakischen Nation. Vielmehr gehen sie von der Existenz einer großen slavischen Nation aus, innerhalb deren die „Slavi in Hungaria" einen mit dem Tschechischen gleichberechtigten „Dialekt" aufweisen. Die Einfuhrung einer eigenen slovakischen Norm, die sich zudem auf die gesprochene Sprache berief, lief den Vorstellungen Dobrovskys und der ihm nahestehenden Gelehrten diametral zuwider. Die „Dissertation" wurde daher bald Gegenstand wissenschaftlicher Debatten 74 und stieß auf allgemeine Ablehnung, wie beispielsweise das folgende Zitat zeigt: Hätten uns doch Pohl mit seiner wahren, gegründeten Rechtschreibart (...) und die Seminaristen mit ihrer neuen Orthographie (für die slowakische Dorfsprache) in der 72
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U.a. verzichtet Bernolak auf das Graphemy, das in der tschechischen (und der späteren slovakischen) Orthographie den gleichen Laut wie i bezeichnet, aber in manchen Kontexten andeutet, daß der vorhergehende Konsonant nicht palatalisiert ist. Bernolak markiert statt dessen konsequent die palatalisierten Konsonanten. «... ad orthographiam, et pronunciationem pannonio-slavicam excolendam, et ab erroribus, ex pronunciatione, et orthographia bohemica in nostram linguam derivatis, repurgandam" (Dissertatio 1787, Ulf.). Vgl. den Überblick bei Prazäk (1922, 136ff.).
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1787 zu Preßburg herausgegeben Dissertatione philologico-critica de litteris slauorum, zur Ehre der alten richtigen Orthographie verschonet, und die böhmische Sprache dadurch nicht verächtlich gemacht! Rühmlicher hatte sich vor den letztern ihr Landsmann Paul Dolezal durch seine Grammatica Slauo-bohemica, Posonii, 1746. 8. ausgezeichnet. 75
Die Hoffnung, die neue Sprache werde nicht angenommen werden 76 , bestätigte sich aber zunächst nicht, auch wenn die politischen Bedingungen in Ungarn bald wieder ungünstiger wurden. In der „bernolactina" entstand schnell ein größeres Schrifttum, darunter auch viele Gebrauchstexte, bedeutende Autoren (wie J . Fändly und J . Holly) schlossen sich Bernoläk an. Trotzdem blieb die neue Schriftsprache ein regional und konfessionell begrenztes Phänomen, da gerade die kulturell sehr aktiven protestantischen Slovaken der tschechischen Schriftsprache treu blieben. 77 Ein eigenes slovakisches Nationalbewußtsein ist in den ersten Jahrzehnten des 19. Jhs. nicht zu erkennen. Für Katholiken und Protestanten ist gleichermaßen ein Bekenntnis zur „slavischen Nation" charakteristisch, unter dem Einfluß J . Kollärs verbreitete sich aber unter den Protestanten auch die Vorstellung von einem gemeinsamen tschechoslovakischen Stamm dieser Nation. Vergleichbar mit dem „Bohemismus" in den böhmischen Ländern war auch die Ideologie des „Hungarismus" 78 , also die Vorstellung einer übergreifenden ungarischen Nation, die Slaven ebenso wie Madjaren umfaßte. 79
4.4.
Die schriftsprachliche Konzeption von Eudovit Stur und ihre Durchsetzung (von der Mitte des 19. J h s . bis 1918)
A. Bernoläks Projekt einer slovakischen Schriftsprache war im wesentlichen durch die Bildungsideale der Aufklärung und das Bestreben, der Bevölkerung Literatur in „ihrer" Sprache zugänglich zu machen, motiviert, für die folgende Periode wurden die Ideen der (deutschen) Romantik und der Hegelschen Philosophie ausschlaggebend. Eudovit Stur (1815-56), ein Absolvent des evangelischen Gymnasiums in Bratislava, der 1838-40 in Halle studiert hatte, entwickelte ausgehend von Überlegungen zur geschichtli-
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Vgl. Dobrovsky 1792, 209 f. Vgl. zahlreiche entsprechende Äußerungen bei Prazäk (1922, ebd.). Angehörige dieser Gruppe spielten in der zweiten Phase der tschechischen „Wiedergeburt" eine wichtige Rolle. So waren J. Kollär und P. Safafik protestantische Slovaken, F. Palacky war Protestant aus dem mährisch-slovakischen Grenzgebiet und absolvierte einen Teil seiner Ausbildung in Preßburg. Vgl. hierzu Prazäk 1922, 69 ff. sowie Koialka 1993, 44. In diesem Zusammenhang wurde oft das Gegensatzpaar ungarisch vs. madjarisch mit der Opposition von böhmisch und tschechisch verglichen (vgl. Kofalka 1993, 44.).
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chen Rolle des Slaventums 8 0 ein politisches Programm gegen die Madjarisierung und fur die Selbstbestimmung der Slaven in Oberungarn. Nachdem er zunächst noch auf tschechisch publiziert hatte, konzipierte er zusammen mit J o z e f Miloslav Hurban (1817-88) und Michal Miloslav Hodza (1811-70) in den vierziger Jahren eine neue Schriftsprache auf mittelslovakischer Basis, in der ab 1845 die „Slovenskje narodnje novini" 8 1 erschienen. In der 1846 veröffentlichten programmatischen Schrift „NareCja slovenskuo alebo potreba pisaüja ν tomto nareii" 8 2 leitet Stur das Recht der Slovaken auf eine eigene Schriftsprache daraus ab, daß sie ein gleichberechtigter Stamm der slavischen Nation seien. Für die Slaven sei stärker als für andere Völker die Gliederung in Stämme „kmeüovitost'" 8 3 charakteristisch, deshalb sei es zulässig, daß jeder Stamm in seinem Dialekt schreibe. Ganz besonders gelte das für die Slovaken, bei denen sich in der Tatra, dem „ältesten und ursprünglichen Wohnsitz aller Slaven", eine besonders reine Sprache erhalten habe. Deshalb legte Stur auch seiner Schriftsprache einen konkreten Dialekt 8 4 mit all seinen Besonderheiten zugrunde, ähnlich wie Bernolak verwendete er eine ahistorische, phonologische Orthographie. Die für die zweite Phase der tschechischen „Wiedergeburt" charakteristische Identifizierung von Sprache und Volk bzw. Nation wird bei Stur gewissermaßen umgekehrt: Die (allgemein anerkannte) Existenz eines eigenen slovakischen Stammes dient als Rechtfertigung für die Einführung einer eigenen Schriftsprache. Bei der tschechischen Nationalbewegung stieß dieser Ansatz auf starken Widerspruch, bereits im Mai 1846 erschien die Streitschrift „Hlasowe ο potrebe jednoty spisowneho jazyka pro Cechy, Morawany a Slowäky" 8 5 , an der sich auch die Slovaken J . Kollar und P. Safah'k beteiligten. Die Verfasser verweisen darauf, daß die Slovaken zu schwach seien, als daß sie eine eigene Schriftsprache durchsetzen könnten. Als Beispiel eines Volkes, das trotz vieler Stämme an einer gemeinsamen Schriftsprache festgehalten habe, werden wiederholt die Deutschen genannt. Weiterhin wird immer wieder die gemeinsame Tradition hervorgehoben, was in Kollars Beitrag zu dem folgenden Bekenntnis führt:
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Besonders zugespitzt finden sich diese Überlegungen in der in den letzten Lebensjahren entstandenen und erst viel später erschienenen deutschen Schrift „Das Slawenthum und die Welt der Zukunft". „Slovakische Nationalzeitung". , D e r slovakische Dialekt oder die Notwendigkeit, in diesem Dialekt zu schreiben". Stür erläutert diesen Neologismus selbst mit den in Klammern gesetzten Übersetzungen „die Gliederung in Stämme, divisio in stirpes". Im wesentlichen der Dialekt des Gebiets um die Stadt Sv. Turiiansky Martin (heute: Martin). „Stimmen über die Notwendigkeit der Einheit der Schriftsprache fur Böhmen, Mähren und Slovaken".
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Mit einem Wort, wir Slovaken sind so seit Menschengedenken vielseitig mit den Tschechen verbunden und verwebt, daß wir bald ihre Väter, bald ihre Brüder, bald ihre Söhne heißen können. Wir Slovaken sind Tschechen, und die Tschechen sind Slovaken... 86
Stür antwortete darauf, daß seine Vorschläge nicht gegen die Tschechen gerichtet seien, sondern vor allem die Einheit der Slovaken befördern wollten. Er versicherte, die Slovaken wollten nicht die Verbindungen zu den Tschechen zerreißen und weiterhin „ununterbrochen Anteil an ihrem Leben haben". 8 7 Von der Feststellung, daß die Slovaken ein eigener, mit den Tschechen gleichberechtigter slavischer Stamm seien, war es nur noch ein Schritt bis zur Forderung nach Anerkennung einer eigenen slovakischen Nation. Stür selbst hat diesen Schritt in seinen theoretischen Schriften nicht getan 88 , in politischen Manifesten der slovakischen Nationalbewegung ist aber ab dem Frühjahr 1848 immer häufiger vom slovensky närod („slovakische Nation") die Rede. So heißen die am 28. April 1848 in Brezovä verabschiedeten Forderungen explizit „Zjadost'i slovenskjeho näroda ν stolici Nitränskej" 89 , ebenso die „Zjadost'i slovenskjeho naroda" („Forderungen der slovakischen Nation") vom 10. Mai 1848."° Nach dem unbefriedigenden Ausgang des Slavenkongresses in Prag unterstützte der von Stür und seinen Freunden gegründete „Slovakische Nationalrat" den Kampf der österreichischen Behörden gegen die ungarischen Revolutionäre, sie erhielten aber nach Niederschlagung des ungarischen Aufstands nicht die gewünschten Minderheitsrechte. Für kurze Zeit konnte sich die konservative Strömung u m Kollär durchsetzen, ab 1849 wurde die sog. „staroslovendina" („Altslovakisch"), ein nur geringfügig slovakisiertes Tschechisch, Unterrichtssprache an den slovakischen Schulen.
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„Slovem, my Sloväci tak jsme od pam£ti svita mnohostranni s Cechy sväzäni a propleteni, ze hned otcove, hned bratfi, hned synove t£chto slouti mfizeme. My Sloväci jsme Cechove, a Cechove jsou Sloväci" (zitiert nach Pich 1978, 323, in moderner Orthographie). So in der Antwort „Hlas oprot'i hlasom" [Eine Stimme gegen die Stimmen], vgl. Stür 1986, 332. Die slovakische Forschung neigt freilich dazu, jede Äußerung eines eigenen Selbstverständnisses national zu interpretieren. Entsprechend wird in einer historischen Darstellung Stürs Verwendung des Ausdrucks Stamm statt Volk und des Ausdrucks Dialekt statt Sprache schlicht zu einer zeitgebundenen Terminologie erklärt (vgl. Dejiny Slovenska II, 1987, 721). „Forderungen der slovakischen Nation im Komitat von Nitra". Vgl. Slovenskje närodüje novini (IV, 1956,1126) sowie Dejiny Slovenska (III, 1992,30ff.). - In den einen Monat vorher verabschiedeten Forderungen des Komitats Liptov ist noch vom slovenskje obcjanstvo („slovakische Bürgerschaft") die Rede, und närod steht noch ohne Adjektiv (vgl. Slovenskje närodüje novini, IV, 1100). Vgl. Dejiny Slovenska, III, ebd.
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Trotz der politischen Niederlage breitete sich die von Stur vorgeschlagene Schriftsprache immer weiter aus, nicht zuletzt deshalb, weil auch katholische Intellektuelle sich seiner Bewegung anschlossen. A u f der Grundlage von Vorschlägen H o d i a s und des Jesuiten Martin Hattala (1821-1903) einigten sich die Gruppe um Stur und Vertreter der „bernoladtina" im O k tober 1851 a u f eine gemeinsame Schriftsprache, die sich im wesentlichen auf Sturs Vorschläge stützte, deren Orthographie sich aber stärker an das Tschechische anlehnte. Diese neue slovakische Schriftsprache gewann ab Anfang der sechziger Jahre deutlich an B o d e n und verdrängte die „starosloveniina" aus den Schulen. Für die in derselben Zeit wieder auflebende Nationalbewegung war nun die slovakische Nation fest etabliert. 9 1 Nach dem österreichischungarischen Ausgleich von 1867 ging die ungarische Regierung jedoch zu einer verstärkten Madjarisierungspolitik über. Das Nationalitätengesetz von 1868 legte fest, daß „sämtliche Staatsbürger Ungarns nach der Verfassung auch in politischer Beziehung eine Nation bilden" und jeder Bürger, „gleichviel welcher Nationalität er angehört", Mitglied der „unteilbaren, einheitlichen ungarischen N a t i o n " sei (v. Gogolak III, 1972, 48). Nach einer liberaleren Ubergangszeit schränkte die ungarische Regierung die Rechte der Slovaken i m m e r stärker ein (1874/75 Schließung der slovakischen Gymnasien und Verbot der Kulturorganisation „Matica Slovenska"). Bis 1918 konnte sich das Slovakische nur im literarischen und publizistischen Bereich entfalten.
5. Sprache und Nation in der Tschechoslovakei bis 1989 5.1.
V o n der G r ü n d u n g der T s c h e c h o s l o v a k e i bis z u m E n d e des 2 . Weltkriegs
Bis 1914 b e m ü h t e sich die tschechische Nationalbewegung um A u t o n o m i e der b ö h m i s c h e n Länder innerhalb der Habsburger Monarchie. Im I. Weltkrieg b o t sich dann die bis dahin nicht ernsthaft erörterte C h a n c e auf einen eigenen Staat. D i e bei Kriegsausbruch ins Exil gegangenen Politiker T. G . Masaryk und E. BeneS vereinbarten mit Vertretern der slovakischen Emi-
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Vgl. etwa das „Memorandum slovenskeho näroda" („Memorandum der slovakischen Nation") vom 6./7. Juni 1861 (Dejiny Slovenska, III, 309 ff.).
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gration 92 die Gründung eines gemeinsamen Staates, in dem allerdings eindeutig die Tschechen dominierten. 93 Die am 28. Oktober 1918 in Prag ausgerufene Tschechoslovakische Republik verstand sich von Anbeginn an als Staat der (sprachlich definierten!) Tschechen und Slovaken und wies den anderen Nationalitäten (insgesamt 34 % der Bevölkerung 94 ) die Rolle von Minderheiten zu. Die Unabhängigkeitserklärung und die Verfassung vom 29. Februar 1920 gingen von einem einheitlichen Staatsvolk, der tschechoslovakischen Nation aus und schlossen damit an die bei den Tschechen noch lebendigen Vorstellungen des 19. Jhs. an. Da aber die Durchsetzung einer gemeinsamen Schriftsprache in der Slovakei kaum noch möglich erschien (es gab keine ernsthafte Alternative zu der von E. Stur begründeten Schriftsprache), griff man hinsichtlich der Staatssprache zu einem merkwürdigen Konstrukt: Zwar geht die Verfassung von der Existenz einer tschechoslovakischen Sprache (jazyk ceskoslovensky) aus 95 , das Sprachengesetz von 1920 regelt jedoch, daß diese Sprache in einer tschechischen und einer slovakischen Variante existiere.96 Obwohl festgelegt war, daß im tschechischen Gebiet in der Regel das Tschechische und im slovakischen das Slovakische Amtssprache sein sollten, war das Verhältnis in der Praxis asymmetrisch, schon allein deshalb, weil die Zentralregierung nur das Tschechische verwendete. Die Vorrangstellung des Tschechischen wurde auch darin deutlich, daß die Bezeichnung ceskoslovensky öfter durch cesky ersetzt wurde (vgl. Marti 1993). Entsprechend verliefen Versuche einer Annäherung beider Sprachen immer in Richtung einer Anpassung der slovakischen Kodifikation an die des Tschechischen. - Mit der klassischen Konzeption der Sprachnation war die Vorstellung von einer Nation mit zwei Sprachen nur schwer vereinbar, sie wurde deshalb auch häufiger kritisiert. 97 92 93
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Oktober 1915 in Cleveland und 31. Mai 1918 in Pittsburgh. Dies lag nicht nur am Zahlenverhältnis der beiden Völker, sondern auch daran, daß sich das kulturelle und politische Leben bei den Tschechen freier hatte entwickeln können. Nur mit Hilfe tschechischer Truppen war es beispielsweise möglich, die zwischen den Slovaken und den Ungarn umstrittenen Gebiete zu besetzen (vgl. Hoensch 1978, 27 ff.). Auch wurde der Aufbau der staatlichen Verwaltung und des Bildungswesens in der Slovakei nach 1918 im wesentlichen von tschechischen Fachkräften getragen. Bei der Volkszählung von 1930 machten Tschechen und Slovaken zusammen 66,25 % aus, daneben lebten 22,5% Deutsche, 4,9% Ungarn und 0,7% Polen im Land (vgl. Hoensch 1978, 34). Bemerkenswerterweise gibt es keinen Verfassungsartikel über die Sprache, sondern nur eine indirekte Erwähnung in § 131. Wie Rädl 1928, 136 f. berichtet, hatte sich der Verfassungsausschuß ausdrücklich geweigert, zur Frage Stellung zu nehmen, ob Tschechisch und Slovakisch selbständige Sprachen seien. Vgl. Radi 1928, 136f., der u.a. fragt, warum die tschechoslovakische Nation nicht auch dreisprachig sein könne.
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Das Sprachengesetz räumte den nichtslavischen Minderheiten in denjenigen Gerichtsbezirken, wo sie mindestens 20 % der Bevölkerung stellten, Minderheitenrechte ein. In der Praxis ermöglichte diese Bestimmung zwar das Weiterbestehen des deutschen und ungarischen Bildungssystems und ließ auch eine Verwendung der Minderheitensprachen im lokalen Amtsverkehr zu, die offizielle tschechische Politik ergriff aber viele Maßnahmen, um die Bevölkerungsverteilung zu beeinflussen (vgl. Radi 1928, 156ff). Von entscheidender Bedeutung war dabei immer die Förderung der tschechischen und slovakischen Sprache. Nach einer vorübergehenden Beruhigung spitzten sich die nationalen Auseinandersetzungen Anfang der dreißiger Jahre wieder zu. Bei den Slovaken waren vor allem die 1931 vorgelegten Rechtschreibregeln, die eine weitgehende Annäherung an das Tschechische mit sich brachten, umstritten. Für kurze Zeit kam es sogar zur Konkurrenz mehrerer Kodifikationen. Nach dem Münchner Abkommen und der Zerschlagung der Tschechoslovakei im März 1939 änderten sich die Verhältnisse radikal. Erstmals in der Geschichte wurde die Slovakei politisch unabhängig, im „Slovakischen Staat" wurde das Slovakische zur Staatssprache erklärt und bis 1945 in deutlicher Abgrenzung vom Tschechischen kodifiziert. Im deutschen Besatzungsgebiet, dem „Protektorat Böhmen und Mähren", konnte das Tschechische zwar weiter gepflegt werden, es wurde aber durch eine Vielzahl administrativer Bestimmungen gegenüber dem Deutschen benachteiligt (vgl. Maly 1991). 5.2.
Von 1945 bis 1989
Die Londoner Exilregierung und die Widerstandsbewegung im Lande wurden zwar überwiegend von Tschechen getragen, hatten aber die Wiederherstellung der Tschechoslovakischen Republik zum Ziel und beteiligten dementsprechend immer auch Slovaken 9 8 an ihrer Arbeit. Auch der slovakische Aufstand vom August 1944 bekannte sich ausdrücklich zur Tschechoslovakischen Republik. Dennoch gestalteten sich die sprachlichen Verhältnisse nach 1945 völlig anders als in der Zwischenkriegszeit. Nach der Vertreibung der Sudetendeutschen und eines Teils der ungarischen Bevölkerung war die Minderheitenproblematik deutlich entschärft, den nationalen Minderheiten wurden deshalb auch weiterhin relativ großzügige Rechte gewährt (eigene Presse, z.T. Schulen).
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In den ersten Jahren gehörten auch noch Sudetendeutsche zum engeren Kreis um den Exilpräsidenten Benel.
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Aber auch das Verhältnis von Tschechen und Slovaken änderte sich deutlich: Beide galten n u n als selbständige Nationen, das Konstrukt der „tschechoslovakischen Sprache" wurde nicht wieder aufgenommen. Dennoch kann auch in den fünfziger und sechziger Jahren noch nicht von einer wirklichen Gleichberechtigung gesprochen werden. Obwohl den Slovaken eine Reihe eigener Institutionen zugestanden wurde (Parlament, Regierung u. a.), bestand die Asymmetrie in der Form weiter, daß jeweils auf tschechischer Seite kein Äquivalent existierte und die tschechoslovakischen Behörden direkt für den tschechischen Landesteil zuständig w a r e n . " Dies führte automatisch zu einer geringeren Repräsentation der Slovaken in zentralen Institutionen. Tschechische Forscher übten auch weiterhin einen Einfluß auf die Kodifikation der slovakischen Standardsprache aus, allerdings mit viel subtileren Methoden als früher. Mit der Begründung, daß eine weitere Auseinanderentwicklung der beiden Sprachen vermieden werden sollte, wurde beispielsweise eine gemeinsame terminologische Kommission eingesetzt (die von den Tschechen dominiert wurde). 100 In den sechziger Jahren wurden solche Praktiken auf einigen Konferenzen offen diskutiert. Mit wachsendem Selbstbewußtsein setzten die Slovaken dann 1968 die Föderalisierung des Staates durch (mit parallelen Institutionen in beiden Republiken), die auch nach dem Ende des „Prager Frühlings" erhalten blieb. Die Gleichberechtigung der Sprachen wurde n u n auch offiziell gefördert, u.a. durch ein gemeinsames Rundfunkprogramm, das abwechselnd in beiden Sprachen sendete. Auch in Publikationen wurden beide Sprachen z u n e h m e n d nebeneinander verwendet. Der ständige Kontakt zwischen Sprechern beider Sprachen begünstigte weiterhin die Annäherung beider Sprachen, doch wurde diese nicht mehr zentral bzw. von tschechischer Seite gesteuert. In neuerer Zeit sind dann auch erstmals in größerem U m f a n g Einflüsse des Slovakischen auf das Tschechische spürbar. Von 1945 bis 1989 blieb die für die tschechische und slovakische Tradition charakteristische Definition der Nation über die Sprache Teil der offiziellen Staatsideologie, auch nach der Machtübernahme der Kommunisten im Frühjahr 1948 und der allmählichen Durchsetzung des Marxismus-Leninismus in der Wissenschaft. Deutlich wird dies beispielsweise an der Definition des Begriffs Nation (närod) in einem offiziellen Nachschlagewerk, wo die Sprache als erstes unter den Kriterien genannt wird, anhand derer
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Beispielsweise war die Slovakische Akademie stets eine Unterabteilung der Tschechoslovakischen Akademie der Wissenschaften, eine Tschechische Akademie der Wissenschaften hat es bis zum Ende der Tschechoslovakei nie gegeben. 100 Vgl hierzu Marti 1993, 302, dort auch weitere Literatur.
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sich eine Nation herausbilde. 101 In einzelnen Bereichen ging man jedoch vom Primat der Sprache ab: So identifizierte man in den sprachlich gemischten tschechisch-polnischen und tschechisch-slovakischen Grenzgebieten die Sprachgrenze mit der politischen Grenze und begründete dies explizit damit, daß historische Faktoren stärker zu bewerten seien als sprachliche. 102
6. Die neueste Entwicklung 6.1.
Von 1989 bis z u m Zerfall der Tschechoslovakei
Als die Alleinherrschaft der Kommunistischen Partei im November 1989 nach friedlichen Massendemonstrationen zu Ende ging, entwickelten sich die Proteste im tschechischen und im slovakischen Landesteil im wesentlichen parallel. Sprachpolitische Fragen spielten auf der Ebene des Bundesstaates angesichts der in der siebziger und achtziger Jahren erreichten Gleichberechtigung keine Rolle. In der Slovakei begannen jedoch bald Diskussionen über des Verhältnis des Slovakischen zu den Minderheitensprachen, wobei insbesondere die Lage in den ungarischen Siedlungsgebieten im Süden des Landes, wo die Slovaken selbst eine Minderheit bilden, in nationalistischen Kreisen Anstoß erregte. Ab Sommer 1990 wurde der Status der Landessprache in der Slovakei heiß diskutiert. Der Kulturverein „Matica Slovenskä" legte einen Gesetzesentwurf vor, nach dem das Slovakische „Staatssprache" (stätny jazyk) werden sollte. Erklärtes Ziel dieses Vorhabens war es, die national-integrierende Rolle des Slovakischen zu stärken und einer angeblichen Entnationalisierung der Slovaken in den ungarischen Siedlungsgebieten entgegenzuwirken.103 Trotz zahlreicher Proteste und Demonstrationen verabschiedete das slovakische Parlament am 25. Oktober 1990 jedoch ein deutlich gemäßigteres Gesetz, das dem Slovakischen den Status einer „Amtssprache" (uradnyja101
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Vgl. Mala ieskoslovenska encyklopedie (IV, 1986, 417). Erst danach folgt das gemeinsame Territorium und die gemeinsame wirtschaftliche Entwicklung, nach diesen werden noch Besonderheiten des Charakters und der geistigen Kultur genannt. Vgl. Βέΐίί (1972, 17). - Auf diese Weise löste sich der alte Streit über die Zuordnung der mährisch-schlesischen Dialekte zum Tschechischen oder Polnischen wie von selbst (obwohl die Existenz einer polnischen Minderheit weiterhin anerkannt wurde), die sog. mährisch-slovakischen Dialekte wurde fast gänzlich dem Tschechischen zugeschlagen. Vgl. die (deutlich parteiische) Darstellung von Jan Kafala, Sloveniina - vec politicki [Slovakisch - eine politische Angelegenheit?] Martin 1994, 53 ff. und 178 ff.
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zyk) zubilligte. Die nationalen Minderheiten durften nach diesem Gesetz weiterhin in Gemeinden, in denen sie mindestens 20% der Bevölkerung bildeten, ihre Sprache als Amtssprache verwenden, während sich der Gesetzesvorschlag der „Matica Slovenskä" auf die Feststellung beschränkt hatte, die Rechte der Minderheiten auf „freie Verwendung der Muttersprache im Bereich der Kultur, der Information, der Kunst und der religiösen Zeremonien sowie das Recht auf Förderung und Kultivierung dieser Sprache" seien durch das Sprachgesetz nicht berührt. In den Diskussionen, die der Trennung der Tschechischen und der Slovakischen Republik im Laufe des Jahres 1992 vorausgingen, trat die Sprachenfrage wieder eher in den Hintergrund. Die Deklaration des Slovakischen zur „Staatssprache" blieb aber ein Merkposten der Parteien, die auf die Unabhängigkeit der Slovakei hinwirkten. Die slovakische Verfassung vom 1. September 1992 (deren Verabschiedung die Teilung des Staates besiegelte) enthielt deshalb in Artikel 6 die folgenden Bestimmungen: (1) Na üzemi Slovenskej republiky je Statnym jazykom slovensky jazyk. (2) Pouzivanie inych jazykov nei Stätneho jazyka ν uradnom styku ustanovi zäkon.104
Die Verfassung der Tschechischen Republik vom 16. Dezember 1992 enthält hingegen keine Bestimmungen über die Staatssprache, ja es kommt nicht einmal das tschechische Volk in der Verfassung vor (statt dessen ist von den „Bürgern der Tschechischen Republik" 105 die Rede). Auf die Frage der nationalen Zugehörigkeit geht nur der Grundrechtskatalog ein, der die Entscheidung für eine Nationalität freistellt und die Rechte der Minderheiten garantiert. Das unterschiedliche Interesse an sprachpolitischen Fragen, das bei der Gründung der beiden Nachfolgestaaten der Tschechoslovakei deutlich wird, zeigt sich dann auch in der weiteren Entwicklung in der Tschechischen und in der Slovakischen Republik.
6.2.
Die Situation in der Tschechischen Republik
Die Tschechische Republik ist heute sprachlich weitgehend homogen, nach den Zahlen der Volkszählung von 1991 kann man davon ausgehen, daß 94,4 % der Bevölkerung Tschechisch als Muttersprache haben 106 . Das 104
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(1) Auf dem Gebiet der Slovakischen Republik ist das Slovakische Staatssprache. (2) Die Verwendung anderer Sprachen als der Staatssprache im Verkehr mit Behörden regelt ein Gesetz. Zitiert nach Üstava Slovenskej republiky [Verfassung der Slovakischen Republik], Bratislava 1992, 34. „obiane Ceske republiky" (in der Präambel). Dabei sind die 3,1 % Slovaken, die das Tschechische passiv beherrschen, noch nicht mitgerechnet.
Nation und Sprache: das Tschechische und das Slovakische
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Tschechische ist daher in einer unangefochtenen Position als faktisch einzige Landessprache. Diskussionen über Fragen des Sprachenrechts spielen im öffentlichen Leben kaum eine Rolle. Dennoch wird in einigen Bereichen deutlich, daß manche früher so erbittert diskutierte Fragen immer noch präsent sind. Nur vor dem Hintergrund des jahrhundertealten deutsch-tschechischen Antagonismus ist beispielsweise verständlich, warum die Entlehnungen aus dem Deutschen im Bewußtsein der Sprecher immer noch eine große Rolle spielen (vgl. hierzu Nekula 1997), obwohl es überwiegend um alte Entlehnungen geht, während die in neuester Zeit sehr zunehmenden Anglizismen kaum die Gemüter erregen. Die offizielle Haltung gegenüber diesen Entlehnungen ist gelassen, ja sogar teilweise positiv. Die Frage, ob das Tschechische durch das Deutsche bedroht ist, war 1995/96 sogar Gegenstand einer Debatte zwischen den Linguisten A. Stich und V. Saur (vgl. Stich 1995, Saur 1996). Während Stich nach einer ausführlicher Analyse verschiedenster Erscheinungen zu dem Ergebnis kommt, die tschechische Gesellschaft werde durch „das Gefühl einer inneren Bedrohung, einer Abwertung der Sprache" beunruhigt 107 , und keine Anzeichen für eine äußere Bedrohung sieht, bezieht sich Saur explizit auf das „nationale Gedächtnis", für das die schlechten Erfahrungen der Tschechen mit den Deutschen immer noch eine Realität seien.108 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang der Hinweis, daß drei Parteien in ihr Programm den Schutz der Muttersprache aufgenommen hätten. 109 Die Studie von Cmejrkova und DaneS (1993), die sich mit dem Tschechischen als der „Sprache eines kleinen Volkes" befaßt, verweist in der Themenstellung ebenfalls auf Befürchtungen der Tschechen, von den „großen" Nachbarn majorisiert zu werden. 110 Der Artikel befaßt sich dann aber mit einer Reihe von Problemen moderner Standardsprachen, unter denen die Veränderungen unter dem Einfluß „großer" Sprachen (genannt werden das Englische und das Deutsche) nur einen Aspekt darstellen. Auch bei den Debatten über die Orthographiereform von 1993 wurden zum Teil Ansichten deutlich, die an vergangene Debatten erinnern. Stärker als die Gleichsetzung von Sprache und Nation wird hier aber die spezifi-
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„... ie spoleienstvi je zneklidnino pocitem interniho ohroieni, devalvace jazyka ..." (Stich 1995, 72). Saur behandelt neben dem deutsch-tschechischen Verhältnis auch noch die mährische Frage (s. dazu unten). Es handelt sich um die „Kommunistische Partei Böhmens und Mährens", die „Republikaner" und die „Mährische Nationalpartei", woraus wohl im Umkehrschluß gefolgert werden kann, daß sich weder die drei konservativen Parteien noch die Sozialdemokraten in ihren Programmen zu sprachlichen Fragen äußern. Die Frage, ab wann ein Volk als „klein" angesehen werden kann, wird nicht gestellt.
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sehe Bedeutung sprachlicher Fragen fur die tschechische Kultur (der „lingvocentrismus" im Sinne von Macura111) manifest. Seit Anfang der neunziger Jahre ist ein bis dahin wenig aktuelles Thema immer stärker in den Vordergrund getreten, nämlich die zunehmende Aufspaltung der tschechischen Nation in Tschechen und Mähren. Die Rivalität zwischen Böhmen und Mähren hat zwar schon in früheren Jahrhunderten existiert, sie blieb aber - von kurzfristigen Vorschlägen zur Etablierung einer eigenen „mährischen" Sprache in den dreißiger Jahren des 19. Jhs. abgesehen (vgl. dazu Haller 1937, 17ff.) - immer dem tschechisch-deutschen bzw. dem tschechisch-slovakischen Gegensatz untergeordnet. Seit 1989 hat der mährische Regionalismus einen deutlichen Aufschwung erlebt, u. a. mit dem Ergebnis, daß es bereits bei der Volkszählung von 1991 möglich wurde, sich selbst als Mähren (moravan) zu deklarieren. Diese Möglichkeit nahmen 13,2% der Bevölkerung wahr.112 Die stärkere Hervorhebung Mährens fuhrt zu neuen terminologischen Problemen. Traditionell dient nämlich als Oberbegriff für Tschechen (Cest) und Mähren ( M o r a v a n e ) wieder Cesi, analoges gilt für die Adjektive cesky und moravsky.m In vielen Kontexten entsteht so aus mährischer Sicht der Eindruck einer Vereinnahmung durch Böhmen. Eine besondere Rolle spielen in diesem Zusammenhang Auseinandersetzungen um die Bezeichnung des neuen tschechischen Staatswesens. Es gibt neben dem offiziellen Namen Ceskä republika keine allgemein eingebürgerte Kurzbezeichnung, die die drei Teile Böhmen (Cechy), Mähren (Morava) und Schlesien (Slezsko)m zusammenfaßt und den umgangssprachlichen Bezeichnungen für andere Länder (Rusko, Polsko, Nemecko usw.) entspricht. Die in der gesprochenen Sprache häufige Neubildung Cesko wird in der Öffentlichkeit scharf kritisiert115, im Gegenzug verwenden viele Sprecher als Kurzbezeichnung Cechy, was wiederum neue Kritik auf mährischer Seite auslöst. Weil alle „ahistorischen" Vorschläge auf großen Widerstand stoßen, ist derzeit keine Lösung in Sicht.
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Vgl. Abschnitt 3.7. Zusammen mit 81,2% Tschechen ergibt sich so die oben genannte Zahl von 94,4% Muttersprachlern. Dies ist eine Konsequenz der schon mehrfach erwähnten Tatsache, daß die beiden Begriffe böhmisch (auf das Land bezogen) und tschechisch (auf Sprache bzw. Nation bezogen) im Tschechischen nicht unterschieden werden können. Hier geht es um den nach den schlesischen Kriegen bei Österreich verbliebenen Teil Schlesiens, auch als „Mährisch-Schlesien" bezeichnet. Neben historischen und sprachästhetischen Argumenten wird auch die Parallelität zum deutschen Begriff Tschechei angeführt, der bei vielen Tschechen als nationalsozialistischer Terminus gilt. Statt dessen propagieren offizielle tschechische Stellen die deutsche Bezeichnung Tschechien, deren tschechisches Äquivalent Cechie zwar auch existiert, aber noch nicht als Staatsbezeichnung in Erwägung gezogen worden ist.
Nation und Sprache: das Tschechische und das Slovakische
6.3.
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Die Situation in der Slovakischen Republik
Anders als in der Tschechischen Republik sind in der Slovakei Debatten über die Staatssprache fester Bestandteil des politischen Lebens. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Sprachsituation in der Slovakei weniger homogen ist - nur 85,7% der Bevölkerung geben als Muttersprache Slovakisch an.116 Das Vorhandensein von Minderheiten kann aber nicht allein für die Debatten verantwortlich gemacht werden, auch die relativ kurz zurückliegende Herausbildung der slovakischen Nation und das Bedürfnis nach identitätsstiftenden Faktoren machen die Öffentlichkeit generell für „nationale" Fragestellungen empfanglicher. 117 Die in Abschnitt 6.1. zitierten Verfassungsbestimmungen erweiterten den Anwendungsbereich des Slovakischen nach der Unabhängigkeit deutlich, es wurde aber vorerst kein neues Sprachengesetz erlassen. Der Widerstand der ungarischen Minderheit richtete sich zunächst gegen die Einschränkungen in der Anwendung ungarischer Familien- und Ortsnamen. Unter dem Druck des Europarats verabschiedete der Slovakische Nationalrat im Mai 1994 ein neues Namensgesetz, das es Angehörigen von Minderheiten gestattete, ihre Namen in unveränderter (d.h. nicht an das Slovakische angepaßter) Form zu tragen, im Juli 1994 regelte ein weiteres Gesetz die Aufstellung zweisprachiger Ortsschilder in den Gemeinden, in denen mindestens 20 % der Bewohner der Minderheit angehören. Nach dem Wahlsieg der nationalistisch ausgerichteten Parteien im Herbst 1994 verschärfte sich die Situation wieder. Das am 15. November 1995 verabschiedete „Gesetz über die Staatssprache der Slovakischen Republik" soll nach der erklärten Absicht der slovakischen Regierung die Rechte des slovakischen Staatsvolkes in den Gebieten, in denen es in der Minderheit ist, sichern. Das Gesetz legt nicht nur den Vorrang der Staatssprache gegenüber den anderen auf dem Gebiet der Slovakischen Republik verwendeten Sprachen und die Verpflichtung des Staates zur Förderung der Staatssprache fest, es regelt auch die obligatorische Verwendung der Staatssprache in den meisten Bereichen des öffentlichen Lebens118. Alle amtlichen Akten bis hin zu Gemeindechroniken und alle „pädagogischen Dokumentationen" müssen auf Slovakisch geführt werden (§ 3 und 4). Auch die Verwendung der Staatssprache in den Massenmedien, bei Kulturveranstaltungen und auf öffentlichen Versammlungen ist bis ins Detail 116
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Nach der Volkszählung von 1991 leben in der Slovakei u.a. 10,7% Ungarn und 1,6% Roma (diese Zahl ist sicher zu niedrig). Auch die 0,6% Ukrainer sind in der Ostslovakei als Minderheit präsent, da sie relativ kompakt siedeln. Ein bekanntes Schlagwort fordert die „Sichtbarmachung der Slovakei" („zviditel'nenie Slovenska"). Als Sanktionen sieht das Gesetz in § 10 Geldstrafen vor, diese Bestimmungen traten erst am 1. 1. 1997 in Kraft.
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geregelt. Wo die Slovakei durch internationale Verpflichtungen gebunden ist, weist das Gesetz jeweils auf die Rechte der Minderheiten hin (z.B. im Falle des Schulunterrichts). Wo es keine internationalen Regelungen gibt, steigern sich die Bestimmungen ins Groteske, etwa wenn in § 8 festgelegt wird, daß im Gesundheitswesen der Verkehr zwischen Personal und Patienten in der Regel in der Staatssprache erfolgen muß. Ausnahmen gelten nur für Staatsbürger oder Ausländer, die die Staatssprache nicht beherrschen. Trotz mehrfacher Aufforderungen durch den Europarat hat die slovakische Regierung bisher nicht die Verfassungsbestimmung umgesetzt, nach der ein Gesetz die Verwendung anderer Sprachen als der Staatssprache im Verkehr mit Behörden regeln solle. Das Slovakische Verfassungsgericht, in das die Gegner des Gesetzes große Hoffnungen gesetzt hatten, setzte am 9. September 1997 lediglich die Regelung außer Kraft, daß Eingaben an staatliche Organe stets in slovakischer Sprache abzufassen sind. Zehn weitere Beschwerden wurden abgelehnt, zum großen Teil aus formalen Gründen. Wie rigoros das Gesetz umgesetzt wird, ist derzeit unklar. Zwar kam es im Frühsommer 1997 erstmals zu ernsthaften Konflikten, als ungarische Schüler die Annahme einsprachig slovakischer Zeugnisse verweigerten, doch scheinen die Auswirkungen ansonsten eher gering. Zum Teil mag das daran liegen, daß das Ungarische im Süden der Slovakei außer in Schule und Kultur nur im privaten Bereich eine Rolle spielt.119 Da nirgends eine tatsächliche „Bedrohung" des Slovakischen durch das Ungarische auszumachen ist, hat das Gesetz bisher eher den Charakter einer politischen Erklärung und läßt sich nur vor dem Hintergrund der Magyarisierungsversuche des 19. Jhs. verstehen, nicht aber aus der derzeitigen Lage.120 Öffentliche Debatten über sprachliche Fragen beschäftigen sich zumeist mit dem Status der heutigen Standardsprache und dem Grad ihres Ausbaus und sind stark politisiert. 121 Besonders radikal sind in dieser Diskussion die Veröffentlichungen in nationalistischen Zeitschriften, die vehement das Sprachengesetz verteidigen bzw. ein noch schärferes fordern. Aufschlußreich sind in diesem Kontext populärwissenschaftliche Veröffentlichungen von Linguisten. Ihr linguistischer Gehalt ist freilich eher gering und beschränkt sich im Wesentlichen auf klassische sprachpflegerische Überlegungen. So finden sich etwa bei Kaiala (1994) Überlegungen über „Sprache und nationale Identität" und ein Unterkapitel mit dem Titel „Wer möchte in der Slovakei nicht slovakisch sein?"122, in dem gefordert wird, 119
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Ungarische Aufschriften sind so selten, daß der ungarische Charakter eines Orts oft schwer zu erkennen ist. Vgl. die Bewertung des Deutschen in der Tschechischen Republik. Im engere Sinne linguistische Fragestellungen stoßen hingegen auf geringes Interesse, so ist etwa die Orthographiereform von 1993 fast unbemerkt über die Bühne gegangen. „Kto nechce byt' na Slovensku slovensky?" (Kacala 1994, 74 ff.).
Nation und Sprache: das Tschechische und das Slovakische
861
staatliche Institutionen mit dem (primär die Sprache bezeichnenden!) Adjektiv slovensky zu benennen und nicht mit der Staatsbezeichnung Slovensko bzw. Slovenskd republika.m Insgesamt ist festzustellen, daß die im tschechischen Sprachgebiet weitgehend vollzogene Identifizierung von Sprache und Nation und die nationale Homogenisierung in der Slovakei noch im Gange ist. So ist nicht auszuschließen, daß die Debatten über die Durchsetzung der Staatssprache mittelfristig zu einer Destabilisierung der politischen Situation fuhren könnten.
7. Literatur 7.1.
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7.2.
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H E L G E SANDOY
Nation und Sprache: das Norwegische1 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20.
Einleitung Von „dpnsk tunga" zu „norront mal" (Wikingerzeit und Hochmittelalter) Norwegen wird ein .Reich' (Wikingerzeit und Hochmittelalter) Norrenn wird norskr Die Reformation mit einer neuen Ideologie: die Volkssprache Macht und politisches Ziel Der Wunsch nach einem Standard nach 1550 Bewußtsein von Norwegisch als eigener Sprache nach 1550 Standarddänisch: gereinigt und gestärkt (ca. 1600-1750) Das Bewußtsein von Norwegisch als eigener Sprache nimmt zu (ca. 1600-1750) Aufklärung und Patriotismus (1750-1814) 1814: Die Freiheit als Geschenk? Die dreißiger Jahre des 19. Jhs.: Das nationalromantische Problem Ivar Aasen und die Landessprache Die Sprachbewegung („Mälrersla") Knud Knudsen und das Dänisch-Norwegische Kompromiß? Die Situation nach dem Zweiten Weltkrieg Immer noch ein nationaler Streit? Literatur
1. Einleitung Die Begriffe .Nation' und .Sprache' beziehen sich nicht auf objektiv gegebene und entsprechend kontrollierbare Sachverhalte, sondern der Ort ihrer Existenz ist das menschliche Bewußtsein. Das Subjektive des Nationsbegriff ist von verschiedenen Seiten betont worden (Osterud 1994, 18), und der französische Historiker Ernest Renan schrieb bereits 1882, daß eine Nation eher kollektive Erinnerung und gemeinsames Bewußtsein, der Wille Oröabök Häskölans (Reykjavik) und Den arnamagnxanske kommissions ordbog (Kopenhagen) haben mir wohlwollend Belege aus dem Altnordischen zur Verfugung gestellt. - Meinen Kollegen Endre Brunstad, Oddvar Nes und Lars S. Vikor bin ich fur ihre Anmerkungen zu einer früheren Fassung dieses Artikels dankbar.
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zur Gemeinschaft, eine Frage der Solidarität und des gegenseitigen Vertrauens sei als eine Summe vorgegebener Eigenschaften (Renan 1882). Eine bestimmte Bündelung kultureller Phänomene als,Nation' aufzufassen, zu interpretieren und zu kategorisieren, ist also stets das Resultat einer „gezielten" Bewußtseinsbildung. In ähnlicher Weise hat auch der Begriff der .Sprache' keinen selbstverständlichen und fest vorgegebenen Inhalt. Hält man sich das Zitat A. Meillets vor Augen, wonach eine Sprache ein Dialekt mit einer Armee und einer Flotte sei (Gundersen 1995, 840), dann wird der machtpolitische Aspekt des Begriffs deutlich. .Sprache' meint dann nicht das grammatische System, das Sprachvermögen o.ä., sondern bezieht sich auf eine bestimmte Menge von Varietäten, die wir dann als .Norwegisch', .Dänisch', .Englisch' usw. bezeichnen. Diese Bedeutung von .Sprache' ist relativ in dem Sinne, daß es, sprachwissenschaftlich gesehen, vergleichsweise offen ist, welche Varietäten zu einer bestimmten .Sprache' zählen sollen. Im vorliegenden Artikel werden folgende Fragen diskutiert: a) Wann und wie entsteht ein Bewußtsein, daß Norwegisch eine eigene Sprache ist? b) Wann und wie entsteht ein Bewußtsein in der Bevölkerung, daß Norwegen eine Menschengruppe mit spezifischen kulturellen Eigenschaften umfaßt? c) Wann und wie werden diese beiden Vorstellungsbereiche - die Begriffe der (norwegischen) Sprache und der (norwegischen) Nation - miteinander verbunden, so daß die Sprache eines der Kennzeichen der Nation wird? Erst wenn die beiden Begriffe miteinander in Verbindung gebracht werden, können wir von einem sprachlichen Nationalbewußtsein sprechen. Wie wir sehen werden, geht dem nationalromantischen Sprachbegriff, nach dem z.B. das Verwenden einer schriftlichen Sprachnorm eine aktive Identitätshandlung ist, eine lange historische Entwicklung voraus. Wenn dem so ist, müssen sich einige Darstellungen der Forschung dahingehend kritisieren lassen, eine anachronistische Beschreibung sprachhistorischer Zusammenhänge zu geben.
2. Von „dgnsk tunga" zu „norront mal" (Wikingerzeit und Hochmittelalter) Es dauerte lange, bevor die Sprache in Norwegen als Norwegisch aufgefaßt wurde, d.h. als unterschieden von anderen Sprachen, z.B. von den benachbarten Sprachen im nordischen Sprachraum. Die ältesten Belege dafür, daß
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die Nordländer eine eigene Bezeichnung für ihre Sprache verwendeten, deuten daraufhin, daß sie die nordischen Dialekte, d.h. den nordgermanischen Sprachzweig, für eine Sprache hielten, die sie dänische Zunge (.dpnsk tunga') nannten. Auf diese Bezeichnung stoßen wir in Snorri Sturlusons zentralem Geschichtswerk Heimskringla von ca. 1230. Das Werk beginnt mit den Worten: „In diesem Buch werde ich Erzählungen über die Herrscher aufzeichnen, die im Norden regiert und die dänische Zunge gesprochen haben". 2 In der isländischen Sammlung von Rechtstexten, Gragas (.Graugans'), heißt es, daß niemand, der nicht die dänische Zunge in der Kindheit gelernt hat, Richter werden kann, ohne zuerst drei Jahre auf Island verbracht zu haben (nach Skautrup 1944 I, 181). Schon zu Beginn der Wikingerzeit (700-800) waren die nordischen Dialekte so verschieden, daß Sprachhistoriker sie in altostnordische und altwestnordische Dialekte gliedern. Aber die Unterschiede waren nicht prinzipieller, sondern gradueller Natur, es ließ sich keine klare Grenze zwischen den einzelnen nordischen Sprachen ziehen. Für die Zeitgenossen bestand die wichtigste Unterscheidung zwischen der Sprache, die man verstand (d.h. dgnsk tunga), und denjenigen Sprachen, die man nicht ohne weiteres verstehen konnte, z.B. Sächsisch und Englisch. Dgnsk tunga blieb auf diese Weise in seiner Bedeutung recht vage und entsprach etwa dem Begriff .Muttersprache'. Noch in den 40er Jahren des 14. Jhs. verwendet der isländische Dichter Eysteinn Asgrimsson im religiösen Gedicht Lilja (,Die Lilie') den Ausdruck .dänische Zunge', wenn er auf seine Muttersprache abzielt. Zu dieser Zeit bestanden bereits zahlreiche morphologische und phonologische Differenzierungen zwischen Isländisch und Norwegisch, vor allem aber zwischen Isländisch und Dänisch/Schwedisch. Wurde etwas anderes als die Sprache beschrieben, verwendete man nach und nach das Adjektiv norrSnn (= ,aus dem Norden kommend'). Vermutlich besaß das Wort anfangs eine allgemeine Bedeutung und bezeichnete alles Nordische. Später wurde das Wort überwiegend für das Westnordische verwendet, d.h. für die Sprache Norwegens, der Färöer Inseln und Islands (cf. Anmerkung 8). Diese begrenzte Bedeutung findet man z.B. im folgenden Zitat aus der Egils saga Skaüagrtmssonar. „Die Dänen werden es für trefflicher halten, einen norrönen Wiking zu töten, als ihren dänischen Neffen" 3 (Flat. I, 83,24, aus dem frühen 13. Jahrhundert.). Die Bedeutungen ,westnordisch' und .norwegisch' waren in norrenn lange nicht klar voneinander getrennt. Aber es gibt auch Beispiele dafür, daß norrenn .norwegisch' be2
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„f bök {>essi let ek rita fomar fräsagnir um hpföingja f>a, er riki hafa haft a Norörlgndum ok i danska tungu hafa mselt" (Snorri Sturluson 1911, 1). „{>at munu Danir kalla betra skipti at drepa heldr viking norrenan en brööurson sinn danskan."
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deuten muß, wie z.B. in diesem Zitat aus der Sturlunga saga von ca. 1300: „Da sammelten sie sich, gutwillige Männer, sowohl norröne und isländische" (Sturl. II, 183, 6)4. Dies ist ein Beleg dafür, daß die Isländer sich für etwas anderes als .norwegisch' hielten. In seiner allgemeinen Bedeutung (d.h.,nordisch') war norrtmn, wenn die Rede von Sprache war, anfangs offensichtlich mit,dänisch' synonym (d.h. norremn tunga = dQtisk tunga). In der Sturlunga saga aber, wo das Adjektiv in der Bedeutung .norwegisch' in Bezug auf Personen benutzt wurde, findet man dort, wo die Rede von Sprache ist, norremn in einer viel weiteren Bedeutung. So heißt es dort z.B., ein Bischof habe „den Bann in der norrönen Sprache [verlesen], damit sie ihn verständen".5 Da hier eine Schilderung von Island vorliegt, kann kaum lediglich das Norwegische gemeint sein, denn in vielen anderen Zusammenhängen ist das Isländische offensichtlich mit eingeschlossen. Das ist etwa bei Snorri der Fall, wenn er schreibt, daß „Ari der erste hier im Lande war, der ein Buch in der norrönen [Sprache] schrieb"6. Es lassen sich keine eindeutigen Belege dafür finden, daß die Sprecher vor 1300 die nordischen Dialekte in mehrere eigenständige Sprachen kategorisierten, auch wenn es um 1300 bedeutend mehr Unterschiede zwischen den Dialekten gab als um 800. Um 1300 schließlich lassen sich allmählich auch merkbare Unterschiede zwischen Isländisch und Norwegisch feststellen.7 Dieser Mangel an Interesse an einer geographischen Bestimmung von Sprachen zeigt sich auch darin, daß nicht einmal im Ersten grammatischen Traktat von ca. 1130 (Hreinn Benediktsson 1972) etwas über die Dialektunterschiede gesagt wird, obwohl dies ein Werk mit sprachlichen Beobachtungen und Betrachtungen von beeindruckender Genauigkeit ist. Ziel des ersten grammatischen Taktats war es, eine effektive und präzise Orthographie zu schaffen. Aber uns fehlen Belege dafür, daß die Sprache selbst ein kulturelles Objekt war, also etwas, dem eigene Werte zugesprochen wurden, obwohl die regionale Sprache ein sehr wichtiges kulturelles Instrument für die in Norwegen und Island aufkommende Literatur war.8 4 5
6 7
8
„spmnuöusk {)a saman goögjarnir menn baeöi norrönir ok islenzkir." „biskup [...] ok las hann bannsetning a norrona tungu svä, at {>eir skyldi skilja" (Sturl. I, 214, 25). „Ari [...] ritaöi fyrstr manna her ί landi at norr6nu mali fraöi" (OH 1,5). Johannes L. L. Jöhannsson (1929, 142) meint, daß die Bezeichnung norrenn schon vor 1300 in Gebrauch kam, weil man zu dieser Zeit auf die großen Sprachunterschiede aufmerksam wurde. Um den Unterschied zum Ostnordischen zu markieren, wurde ein Adjektiv über ihre selbe Sprache verwendet, das in der Regel „norwegisch" bedeutete. Das einzige Zeugnis, in dem ein Dialektunterschied erwähnt wird, findet sich im Dritten grammatischen Traktat von ca. 1250: „jsyöverskir menn ok danskir hafa ν fyrir r i {>essu nafni ok mprgum pörum, ok J)at hyggium ver fornt mal vera. Enn ηύ er J)at kallat vindandin foma ί skaldskap, {>vi at J)at er ηύ ekki haft ί norranu mäli" (3. Gramm
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Mit der Verwendung nordischer Sprache als einer Schreibsprache, die auf dem lateinischen Alphabet basiert, müßte, so könnte man meinen, eine Identifizierung dessen, was z.B. Norwegisch, Schwedisch, Dänisch war, einfacher werden. Die schriftliche Fixierung der Nationalsprache fand zuerst auf Island und in Norwegen statt (um 1050), wahrscheinlich nach dem Muster von Irland, wo die Volkssprache intensiv in der Kirche benutzt wurde (Seip 1955, 61 f.). In Dänemark und in Schweden kam es erst um 1200 zu einer entsprechenden Entwicklung, da dort das Christentum überwiegend aus Deutschland kam, wo das Lateinische einen stärkeren Stand hatte. Die Orthographie in Dänemark, Schweden und im westlichen Norden war unterschiedlich. In jedem Land entwickelten sich mehrere Normtraditionen oder Schreibschulen, was dazu führte, daß keine der Normen mit einer Reichseinheit identifiziert wurde. Auch gibt es keine Anzeichen dafür, daß die Sprache ideologisch genutzt wurde. Die Schreiber der ersten Zeit schrieben vermutlich überwiegend in ihrer Mundart, was die Entscheidung darüber, was norwegische und was isländische Handschriften sind, nicht immer einfach macht. Zur Bestimmung der Provenienz dienen Merkmale der Dialektentwicklung, z.B. die Anfangskonsonanten hr-, hl-, hn- als Kriterium für Isländisch, im Gegensatz zu den norwegischen r-, l-, «-. Da sich jüngere Schreiber mit der Zeit ältere Schreiber zu einem gewissen Grad zum Vorbild nahmen, kam es zu schwachen Normierungstendenzen. Aus einer neueren Forschungsarbeit (Hagland 1986) geht allerdings hervor, daß die königliche Kanzlei keinen Einfluß auf die Normierung der Schriftsprache ausübte. Insgesamt bildete die Sprache der Zeit ein variantenreiches Ganzes, und entweder man verstand sie, oder man verstand sie nicht. Für die Sprache, die man verstand, brauchte man keinen präzisen Namen. Auch beschäftigte man sich kaum mit der Frage, ob die Bewohner eines Landes spezielle Eigenschaften besitzen, durch die sie sich von den Nachbarvölkern unterscheiden; die Sprache jedenfalls spielte in dieser Hinsicht keine Rolle. Schließlich bestanden auch keine irgendwie einheitlichen Forderungen, wie eine gegebene Sprache aussehen sollte.
87,10.) (= „Deutsche und dänische Männer verwenden ν vor r in diesem Wort und vielen anderen, und dies betrachten wir als alte Sprache. Es wird noch in der Metrik der alte vindaniinn genannt, weil es in der aus dem Norden kommenden Sprache nicht mehr benutzt wird." Dieser Traktat handelt von metrischen Regeln. Es fallt auf, daß hier nicht die Sprachen, sondern die Sprecher genannt werden („Deutsche und dänische Männer").
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3. Norwegen wird ein ,Reich' (Wikingerzeit und Hochmittelalter) Es ist ein Gemeinplatz der Geschichtsschreibung, daß die machtpolitische Vereinigung unseres Landes um 890 in der Schlacht am Hafrsfjord stattfand. Dort siegte Harald Härfagre über die Kleinfiirsten und konnte sich damit als König über die alten Fürstentümer von 0stfold bis Lyngen im heutigen Verwaltungsgebiet Troms bezeichnen (s. Anhang Karte 1). Das Gebiet nördlich von Lyngen war bis in die jüngere Vergangenheit nur von Samen bevölkert, und die langgestreckten Täler in Ostnorwegen wurden erst um 1030 effektiv der Königsmacht unterworfen. Die Reichsgrenzen änderten sich später insofern, als einige Gebiete an Schweden fielen. Aber im großen und ganzen liegt das heutige Norwegen innerhalb des geographischen Gebietes, das vor 1100 Jahren vereinigt wurde. Doch auch wenn die Fürstentümer unter Harald Härfagre vereinigt wurden, betonen die Historiker, daß sich der Prozeß der Vereinigung im Sinne einer .politischen, sozialen und kulturellen Integration' über mehrere Jahrhunderte hinzog. Dabei stellte die Einfuhrung von Christentum und Kirche einen Schritt in diesem Vereinigungsprozeß dar, die Etablierung eines gemeinsamen Landrechts im Jahre 1273 einen weiteren Schritt, ebenso die Einrichtung einer königlichen Kanzlei und einer zentralen Verwaltung in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts (cf. Helle 1964). Interessant ist die Frage, bis zu welchem Grade sich die Menschen in Norwegen zu dieser Zeit als .Norweger' verstanden. Daß ein Regent die Macht über zahlreiche kleinere Fürstentümer erhält, bedeutet nicht, daß sich die Einwohner der großen geographischen Einheit tatsächlich Norwegen zugehörig fühlen. Die Herausbildung einer solchen Landesidentität kann sich über einen sehr langen Zeitraum erstrecken. Schon früh wurde die Bevölkerung nach Ländern kategorisiert, denn Bezeichnungen wie danir (Dänen), sviar (Schweden) und norömenn (Norweger) gehen weit zurück, und zwar zusätzlich zu anderen Bezeichnungen, die eine Zugehörigkeit zu einer jeweiligen Region ausdrücken. Basiert die Identität auf der Loyalität gegenüber dem eigenen Land, so könnte man von Patriotismus (oder Protopatriotismus) sprechen. Doch Loyalität ist schwer zu deuten, denn selbst wenn etwa Soldaten ihr Leben in Kämpfen opfern, kann die Loyalität, die sie dadurch zeigen, eine Loyalität gegenüber dem König oder der Sippe sein, nicht aber gegenüber dem Land (Vikor 1992, 34). Ebenfalls interessant ist die Frage, ob sich Isländer und Norweger als verschiedene Völker begriffen (vgl. dazu Sn«evarr 1992 und 1993, Vikor 1992 und 1993). Der größte Teil der Neusiedler auf Island kam aus Norwegen (möglicherweise über die britischen Inseln), und die Beziehungen zu Norwegen waren eng. Seit 1262 gehörte Island zum norwegischen Herrschafts-
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bereich, insofern als es dem norwegischen König unterstand, aber kein Teil von Norwegen war. Dennoch ist möglich, daß sich Norweger und Isländer schon frühzeitig gegenseitig als Ausländer betrachteten. Als - wenn auch indirekten - Beleg ließe sich die Tatsache anfuhren, daß die Isländer im Jahre 1022 mit dem norwegischen König Olav Haraldsson ein Reichsabkommen über ihre Rechte abschlossen (Björn Dorsteinsson 1966, 149). Auch in der isländischen Literatur des 13. und 14. Jahrhunderts finden sich mehrere Stellen, an denen Isländer betonen, daß sie keine Norweger seien. Trotz dieser Abgrenzungen zwischen Norwegern und Isländern entsteht nicht der Eindruck, daß die interne Loyalität unter den Isländern sonderlich groß war. Im Kampf gegen den norwegischen König zeigten sie sich stets gespalten. Vor allem das 13. Jahrhundert war auf Island von solchen internen Spannungen geprägt. Dasselbe läßt sich für Norwegen feststellen, denn dort herrschte in der zweiten Hälfte des 13. Jhs. Bürgerkrieg. Zwar wurde das Land 1217 wieder unter einem König vereinigt, aber es dauerte nur 102 Jahre, bis es in verschiedene größere Königsunionen hineingezogen wurde. Im Jahre 1319 starb das norwegische Königsgeschlecht auf männlicher Seite aus. Die Zeit danach ist, bis zu den großen Machtveränderungen durch die Reformation 1536, vom Reichsratskonstitutionalismus geprägt (Nagel 1980, 203). Der Reichsrat, der ursprünglich eine Versammlung von Ratgebern des Königs war, wurde formell im Jahre 1302 gegründet (Imsen 1977, 51) und erhielt bei der konstitutionellen Krise im Jahre 1319 eine neue Funktion. In der folgenden Zeit war er in königslosen Perioden für die Regierung des Reichs verantwortlich, wählte die Könige, regierte als Vormund, während der König entmachtet war, usw. So entwickelte sich der Reichsrat zu einer selbständigen Staatsmacht neben und teilweise über dem König. In einer Zeit wechselnder Unionen und Könige war es der Reichsrat, der die norwegische Souveränität repräsentierte. Damit wurde es machtpolitisch wichtig, das norwegische Reich in der Verteidigung gegen dänische und/oder schwedische Machtallianzen innerhalb der Reichsunionen zu stärken. Sprachlich schlägt sich das in Formulierungen wie z.B. „der König und das Reich" nieder, und die staatsrechtlichen Dokumente dieser Zeit sind durchsetzt von Wendungen wie „der Reichsrat des norwegischen Reiches" usw. Offensichtlich hatte die Bezeichnung .Reich' an Gewicht gewonnen, und sie wurde mit einem etwas anderen Inhalt verwendet als im klassischen Altnordischen (d.h. in der Sprache vor dem 13. Jh.), wo sie die Bedeutung ,ein zu regierendes Gebiet' besaß. Die neue Bedeutung läßt sich eher als .Gebiet/Einheit, das sich durch Repräsentanten regieren läßt' wiedergeben, in Ubereinstimmung mit der Ideologie der europäischen Konzilbewegung. Es scheint, daß auch der Name des Landes in dieser Zeit in Norrik(i) (rtki = Reich) umgeformt wurde - wahrscheinlich aus demselben
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Grund und als eine Parallele zum N a m e n des Nachbarreiches Schweden (Sveariki) (Sandoy 1997). Es ist also denkbar, daß sich zu dieser Zeit eine stärkere Loyalität gegenüber dem Begriff Reich - d . h . Norwegens .Reich' - entwickelte. Was zuvor an Loyalität „nach oben" existierte, war vermutlich eher auf König und Königsmacht gerichtet, die früher mit der Reichsmacht identisch war. Die Machtposition des Reichsrats und die erwähnte Entwicklung des Reichsbegriffs und Reichsbewußtseins waren von Eigeninteressen getragen. Im Reichsrat saßen Repräsentanten der Geistlichkeit und des norwegischen Adels. Seine Mitglieder hatten große Besitztümer und ihren Einfluß zu verteidigen, sowohl gegenüber der königlichen Gewalt als auch gegen ausländische Adlige. Der Reichsbegriff wurde daher zu einem wichtigen Verteidigungsinstrument. Der Adel, vor allem der niedere Adel, der aus Bauern bestand, konnte breiteren Schichten der Bevölkerung eine bestimmte Ideologie und eine bestimmte politische Identität vermitteln. Im 15. Jahrhundert stützte sich die Ideologie des Reichsrats auf Vorstellungen der europäischen Konzilbewegung, die Gewicht darauflegte, daß der König nur durch die Zustimmung der Untertanen Macht hatte. Das fand konkreten Ausdruck im „Königsgelöbnis", das der König dem Reichsrat geben mußte, wenn der Reichsrat dem König huldigte (Imsen 1977, 48 ff. und 373 ff., Nagel 1980, Benedictow 1977, 104f., Fladby u.a. 1974). Machtpolitisch verloren die norwegischen Interessen im Streit mit der dänischen Königsmacht. Z u m Ende des 15. Jahrhunderts brachte der König dänische Adlige in den Reichsrat, und viele der norwegischen Adelsgeschlechter starben aus. Der letzte Erzbischof, Olav Engelbrektsson, versuchte, den Reichsrat gegen den König auszuspielen, erlitt aber eine Niederlage, so daß die dänische Königsmacht bei der Reformation im Jahre 1536 die Oberhand gewann. Norwegen endete als ein unselbständiges Land unter Dänemark. Aber die Konflikte und die Niederlage haben vermutlich das Bewußtsein dafür gestärkt, daß Norwegen ein Reich darstellte. Die Humanisten etwa beschäftigten sich im Anschluß an die Reformation sehr ausführlich mit dieser Thematik. D e n n o c h bezog dieses Bewußtsein nie die Sprache ein. Sieht man einmal von den beiden im folgenden zu diskutierenden Aspekten ab, scheint Sprache nicht als eigenständiger Faktor kultiviert worden zu sein.
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4. Norremn wird nor skr Das semantisch eindeutige Adjektiv norskr (.norwegisch') taucht zum ersten Mal im Jahre 1415 in den Quellen auf, und zwar in der Form nornskr; nach 1450 begegnet es in der Form norskr (Hacgstad 1910). Das Wort wurde aus dem älteren norremn mit dem produktiven Adjektivsuffix -skr gebildet, vielleicht nach dem Muster der Bezeichnungen für dasjenige, was zu den Nachbarländern gehörte, mit denen Norwegen in Union war: sxnskr (svenskr, .schwedisch') und danskr (.dänisch'). Vom 15. Jahrhundert an aber wird das Adjektiv norskr ausschließlich auf andere Gegebenheiten als die Sprache bezogen (vgl. z.B. norsk mQrk, d . h . eine norwegische Münzeinheit). 9 Ein Bewußtsein von der norwegischen Sprache als einer eigenen, sich von den nordischen Nachbarsprachen unterscheidenden Sprache, läßt sich also damit nicht verbinden. So kann im Spätmittelalter auch insgesamt nicht von einem Sprachbewußtsein in bezug auf das Norwegische die Rede sein, davon, daß die Sprache ein Kulturgegenstand geworden war, dem Werte zugesprochen werden. Aus heutiger Sicht erwies sich diese Zeit als schädlich für die norwegische Schrifttradition, die jetzt mehr und mehr außer Gebrauch kam. Die oberen Schichten der Gesellschaft begannen, Dänisch in der Schrift zu benutzen, und anfangs des 16. Jahrhunderts schreiben nur noch einige Bauern auf Norwegisch. Die Nachwelt hat diesem Verlust einer Schrifttradition große Bedeutung zugemessen, aber von der zeitgenössischen Gegenwart besitzen wir keine Zeugnisse über entsprechende Konflikte. Die Ursache für diese Entwicklung ist hauptsächlich darin zu suchen, daß dem Land eine eigene Zentralmacht fehlte; es waren Dänen, die höhere norwegische Beamtenstellungen erhielten, und die gesprochene Sprache hatte sich u m einiges von der tradierten altnorwegischen Schriftsprache wegentwickelt. Der Reichsrat, der sich aus Mitgliedern der oberen Gesellschaftsschichten zusammensetzte, verwendete bis 1450 viel Norwegisch. Aber er gab auch Briefe in einer schwedisch und dänisch gefärbten Sprache heraus. Einer dieser Briefe besitzt eine sprachpolitische Deutung: das Königsgelöbnis, das der Schwede Karl Knutsson Bonde im Jahre 1449 in Trondheim ausfertigte, als er versuchte, die Königsmacht im Lande zu erlangen ( D N V, 762). Der Konkurrent war der Dänenkönig Kristian I. Zu dieser Zeit hatte die traditionelle norwegische Schriftsprache fast einhundert Jahre, d . h . in der Zeit nach der Pest, unter dem Einfluß des Dänischen gestanden. Das Königsgelöbnis von 1449 hebt sich dadurch von anderen ab, daß In D N I, 643 von 1415 wird der Ausdruck norsk brev („norwegischer Brief") wahrscheinlich für einen Brief in norwegischem Besitz - im Gegensatz zu deutschem - verwendet.
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es in einem traditionellen Norwegisch verfaßt ist, und die Partei, die Karl unterstützte, verwendete das Norwegische bei mehreren Gelegenheiten. Der Sprachhistoriker Gustav Indrebo (1951, 192 f.) vermutet, daß diese Schreibweise politisch motiviert sein könnte, als eine „nationale Demonstration". Möglicherweise hatte Karl Knutsson Bonde im norwegischen Erzbischof Aslak Bolt einen Verbündeten, so daß durchaus denkbar ist, daß Bolt im vorliegenden Streit mit der dänischen Partei im Reichsrat die Sprache als Symbol oder als politisches Signal gegen die Dänen eingesetzt haben mag. Sicher ist diese Deutung allerdings nicht, die Wahl der norwegischen Sprachvariante kann letztlich auch andere Gründe gehabt haben. Ein Jahr später war Karl Knutsson Bondes Versuch, die norwegische Königsmacht zu erlangen, niedergeschlagen worden, und es gelang Kristian I., norwegischer König zu werden. Sein Königsgelöbnis anläßlich der Krönung war in reinem Dänisch verfaßt, und Dänisch wurde auch in der Praxis Regierungssprache. Der Erzbischof Olav Engelbrektsson (ca. 1480-1538) war, wie schon viele seiner Vorgänger, Vorkämpfer für eine norwegische Reichsregierung und arbeitete gegen die dänische Königsmacht. Die letzten zwei aber verwendeten Dänisch als Schriftsprache, nicht dagegen das Norwegische, um ihrer Opposition gegen Dänemark Ausdruck zu verleihen, obgleich Norwegisch ansonsten in bestimmten Bereichen des gesellschaftlichen Lebens in Gebrauch war. Dabei ist nicht sicher, daß die Autoren ihre Schreibsprache überhaupt als Dänisch auffaßten - jedenfalls in der Bedeutung, die das Wort Dänisch heute besitzt. In den überlieferten Quellen gibt es lediglich einen einzigen Beleg für eine Reflexion über sprachliche Zusammenhänge: Eine Prozeßakte von 1489 aus Skien in Telemark berichtet von einem Mord, der seinen Ausgangspunkt in einem Streit auf einer Gesellschaft hatte, wo ein gewisser Livord einen Toast ausbrachte mit den niederdeutschen Worten „Got sint ju!" (,Gott segne dich'). Arne, der das hörte, rügte ihn mit den Worten: „Ich kann dieses Geschwätz nicht leiden. Laß uns die Sprache unseres Vaters und unserer Mutter sprechen. Wir werden nicht besser, als sie es gewesen sind". Dieser Wortwechsel zeugt davon, daß den Sprachen bestimmte Werte zugesprochen wurden: Arne reagiert darauf, daß jemand eine Sprache verwendet, die als angesehener gilt. Das gibt ihm das Gefühl, herabgesetzt zu werden. Dahinter verbirgt sich also ein sozialer Konflikt, der durch den Sprachgebrauch aktualisiert wird. Allerdings ist diese andere Sprache keine nordische, sondern Niederdeutsch, und Arne spricht von der „Sprache unseres Vaters und unserer Mutter" - nicht von Norwegisch.
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5. Die Reformation mit einer neuen Ideologie: die Volkssprache Sprachpolitisch gesehen war das Revolutionäre an der Reformation, daß sie die Volkssprache in der Kirche einführte. Schon zuvor wurde in der Volkssprache gepredigt, nun aber sollten auch die Bibel und die Liturgie volkssprachlich werden. Die Volkssprache stand im Gegensatz zum Lateinischen, der traditionellen Kirchensprache, so daß es nicht um das Thema ,Nationalsprache' ging: Beabsichtigt war lediglich, daß das Volk verstehen sollte. Diese kirchliche Sprachenideologie geht aus einem Schreiben Olaus Petris von 1531 hervor, über „die Ursache, warum die Messe in der Sprache gehalten werden sollte, die für den gemeinen Mann verständlich ist" 10 : [Gott] will allen Menschen Erkenntnis und die ewige Seligkeit geben, darum will er auch, daß seine heiligen Worte in allen Sprachen gesprochen und gepredigt werden. [...] Deshalb müssen auch wir Schweden die Messe in unserer eigenen Muttersprache halten.
Der zitierten Textstelle geht die Erwähnung des Hebräischen, Griechischen und Lateinischen voraus, und es ist offensichtlich, daß mit .Muttersprache' ,die Sprache, die das gemeine Volk versteht' gemeint ist. .Muttersprache' steht also nicht im Gegensatz etwa zum Dänischen, obwohl Dänemark für die neuen Machthaber in Schweden ein Feind war.11 Die dänische Schriftsprache war in Norwegen schon zum Ende des Mittelalters vorherrschend, und durch die Reformation wurde der Einflußbereich dieser Sprache noch größer. Der letzte erhaltene Brief mit deutlich altnorwegischer Sprachform ist ein Bauernbrief von 1584. Einige altnorwegische Wortformen und Formulierungen findet man auch in späteren Briefen, und das altnorwegische Landrecht von 1273 wurde formell erst 1604 durch das ins Dänische übersetzte Recht Kristians IV. ersetzt. Daß das in altnorwegischer Sprache verfaßte Recht so lange gegolten hatte, muß das Bewußtsein und einige Kenntnisse einer alten Schrifttradition bis ins 17. Jahrhundert hinein gesichert haben. In Norwegen erlebten die Humanisten ab Mitte des 16. Jahrhunderts ihre Blütezeit und verwiesen in ihren Texten ab und an auf ,die alte norwe10
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„Orsack hwarföre Messan böör wara pä thet tungomäl som then menighe man forstondelighit är." Das Substantiv svenska (.schwedisch') wurde in Schweden schon um 1340 benutzt, z.B. in Magnus Erikssons Landrecht (Melberg 1951, 137f.). Sowohl zu diesem Zeitpunkt als auch später, bis hin zur Reformation, wird die Bezeichnung in Verbindung mit dem Gegensatz zu Latein und anderen .nicht-verständlichen' Sprachen verwendet. In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts wurde auch das Catholicon in ein lateinisch-schwedisches Wörterbuch umgearbeitet, das erste schwedische Wörterbuch (Ljunggren 1954, 212).
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gische Sprache'. Auf Grund ihrer geschichtlichen Interessen kannten sie diese gut. Mehrere von ihnen verfaßten historische Werke, die auf altnordischen Büchern aufbauten, und sie interessierten sich für alte Handschriften. Aber die Humanisten beschäftigten sich nie mit der Sprachsituation in ihrer Gegenwart. So bezeichnen sie z . B . die Sprache ihrer Zeit nicht als norwegisch. Es scheint, als repräsentiere ,die alte norwegische Sprache' in ihrem Denken ein vergangenes Stadium. Der herausragendste humanistische Autor in Norwegen, Absalon Pedersson Beyer (1528-1575), beklagte den politischen Untergang des norwegischen Reiches, den er als eine Demütigung empfand, aber er äußerte nie Besorgnis über das Schicksal der ,alten norwegischen Schriftsprache'. Es war kein Stolz mit ihr verbunden. Die Bergener Humanisten hegen keinen Groll gegen die Dänen, sind aber - ebenso wie der Lehnsherr Christoffer Valkendorf - voller Haß auf die „garpane" (,die Großmäuler'), d.h. die Deutschen in der Stadt Bergen (Sorlie 1957, 7). Dänisch war die selbstverständliche Sprache der Verwaltung und im intellektuellen Leben geworden. Aber die Zeitgenossen haben dies nicht notwendigerweise als einen Konflikt erlebt, in der Weise, daß sie sich vor die Wahl zwischen zwei eigenständigen Sprachen (Norwegisch - Dänisch), im Sinne zweier Nationalsprachen, gestellt sahen. Beide Schriftsprachtraditionen zeigten von alters her große Variation, lagen auch in Mischformen vor, und beide waren um einiges entfernt von der gesprochenen Sprache in Norwegen, so daß diejenigen, die schrieben, die Sprachform anderer schriftlicher Quellen zum Vorbild haben mußten. Ein moderner Normbegriff existierte nicht; als Autor war man mit der rein praktischen Aufgabe konfrontiert, einen Gedankeninhalt in Schrift umzusetzen. Die Bauern hatten weniger Übung darin, die dänische Schreibtradition anzuwenden, aber sie kannten noch so viele altnorwegische Dokumente, daß sie ihre Vorbilder von dort holen konnten. Ihre Briefe gehören zu einer alten Gattung. Die Humanisten waren mit beiden Traditionen vertraut, aber können die Entscheidung zwischen den beiden Schreibsprachen kaum als eine politische Entscheidung empfunden haben. Für sie war es eine praktische Entscheidung zwischen zwei aktuellen Möglichkeiten, sich schriftlich auszudrücken, aber keine Frage von Norwegisch oder nicht Norwegisch. Möglicherweise empfanden sie die neue Form der Schreibsprache sowohl als Dänisch als auch als Norwegisch, und wahrscheinlich sprachen das Schriftbild auf eine Art Norwegisch aus, in der gleichen Weise, wie sie vielleicht die traditionelle Schreibsprache lasen. Von der gesprochenen Sprache war man dabei ohnehin etwas entfernt - ob man nun die eine oder die andere Schreibsprache las. Daß die alte Sprache in die Gegenwart nicht paßte, wird auch daran deutlich, daß man schon in den dreißiger Jahren des 16. Jhs. eine' Übersetzung des altnorwegischen Landrechtes anfertigte, und zwar in einer Sprachform, die zwischen dem, was wir heute Dänisch und Norwegisch nennen,
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gelegen haben muß. Die Übersetzung wurde vom ehemaligen Rechtssprecher Anders Sacbjornsson verfaßt (Knudsen 1962, 18) und in zahlreichen Abschriften verwendet. Die alte Sprachform kann also veraltet gewirkt haben, und die neue Sprachform, die Sacbjornsson benutzte, muß nicht unbedingt als etwas anderes als eine sprachliche .Modernisierung' aufgefaßt worden sein. Die Schreibsprache, die die Norweger im Laufe des 16. Jahrhunderts verwendeten, war anders als das Dänische, das die Dänen zu dieser Zeit benutzten, denn sie hatte ihr Vorbild weder in der neuübersetzten Bibel Kristians III. von 1550 noch in der Verwaltungssprache. Sie richtete sich mehr nach dem Dänischen der Zeit vor der Reformation (Knudsen 1962, 2 f.). Das Lautbild dieser in Norwegen gängigen Sprache enthielt auch norwegische Merkmale. So schreibt z.B. Absalon das Wort ein mit Diphthong, was charakteristisch für das Norwegische war (dänisch: ett). Sogar Dänen, die sich in Norwegen niederließen, nahmen norwegische Wörter und Formen in ihre Schreibsprache auf (Knudsen 1962, 27 f.). Laurents Hansson übersetzt um 1550 Snorris Heimskringla aus ,der alten norwegischen Sprache' ins .Dänische', weil nur wenige die alte Sprache verstanden. Von dieser alten Sprache gibt er eine Probe und nennt sie Norwegisch, und die Sprache, in die er übersetzt, nennt er Dänisch und erwähnt sie als „die Sprache, die wir jetzt hier in Norwegen sprechen" (Knudsen 1962, 24). Indem er sich auf andere Aussagen Hanssons beruft, argumentiert Knudsen dafür, daß mit „sprechen" hier kaum .mündliches Sprechen' gemeint sei. Vielmehr sei, so Hansson, eher ,die Sprache, die wir jetzt hier in Norwegen verwenden' gemeint, d.h. die schriftlich Variante. Das Wort Norwegisch in Verbindung mit der Schreibsprache bezieht sich also auf die Vergangenheit, Dänisch auf die Gegenwart.12 Diese Begriffe oder Kategorien (.Norwegisch' und .Dänisch') müssen sich nicht auf die gesprochene Sprache beziehen, denn dort gab es nur eine kontinuierliche Variation. Wie im Mittelalter wird also auch anfangs des 16. Jahrhunderts .Norwegisch' nicht auf eine eigene Sprache im Gegensatz zu .Dänisch' bezogen. Sprache war immer noch kein kulturelles Objekt, trotz politischer und kultureller Eigeninteressen in Norwegen. Darum konnte die Schreibsprachentradition auch so stark verändert werden, ohne daß dies zu Konflikten führte.13 12
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In Bergens fundas von 1559 wird das Wort auch in Verbindung mit einer historischen Darstellung und als Gegensatz zu Latein verwendet (siehe Sorlie 1957, 28). Einen interessanten Kontrast zu den Verhältnissen in Norwegen bildet die Sprachsituation auf Island. Die Humanisten dort empfanden Stolz auf die alte isländische/altnordische Sprache, und der Bibelübersetzer Guöbrandur Dorläksson formuliert eine deutlich puristische Zielsetzung für seine Ubersetzungsarbeit. Seine Bibelübersetzung erschien 1584. Die Humanisten markierten den Beginn aktiver puristischer Arbeit auf Island (Kjartan Ottösson 1990, 17 ff.).
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6. Macht und politisches Ziel Die Reformation ging in Skandinavien mit einem Machtwechsel einher, wobei ein wichtiges Moment war, daß der König den kirchlichen Besitz übernahm. Die neuen Machthaber konnten sowohl die Religion wie auch bestimmte Ideologien und einzelne Begriffe funktionalisieren, um ihre Machtposition zu sichern. Einen jeweiligen Sprachbegriff zu entwickeln, kann dann eine Art der Machtausübung sein. Das geschah nicht automatisch mit der Reformation, aber im Laufe des 16. Jahrhunderts wird deutlich, wie sowohl einzelne Begriffe auftauchen als auch ein bestimmtes Bewußtsein formuliert wird; beides läßt erkennen, daß die Sprache dabei ist, Teil der Regierungsideologie zu werden. Das machtpolitische Ziel der Könige in Kopenhagen kam klar in Kristians III. Königsgelöbnis von 1536 zum Ausdruck, in dem er dem dänischen Reichsrat versicherte, daß sich Norwegen immer unter Dänemarks Krone befinden würde, ebenso wie andere „Länder, Jütland, Fünen, Seeland oder Schonen". Norwegen sollte also nur ein Landesteil von Dänemark sein (Skard 1972, 12). Da der König gesiegt hatte, war der norwegische Reichsrat abgeschafft, und der Erzbischof in Nidaros, der gleichzeitig der Vorsitzende des Reichsrats war, mußte aus dem Land fliehen. Für diese politische Zielsetzung war eine Einheitsideologie nötig, um die neue große Reichseinheit rechtfertigen zu können. Eine neue und ständig wachsende Staatsverwaltung konnte sowohl Macht ausüben als auch diese Ideologie verbreiten. Nach und nach wurden z.B. ganz bewußt so viele Dänen wie möglich in höhere Beamtenstellungen in Norwegen eingesetzt.
7. Der Wunsch nach einem Standard nach 1550 Die Bibel wurde ins Dänische übersetzt, und innerhalb der Kirche sollte die dortige Schreibweise mustergültig werden. Aber gleichzeitig benutzte die Kanzlei in Kopenhagen eine etwas andere Rechtschreibung. Es war also noch nichts Selbstverständliches, einen Standard für die Schreibsprache zu fordern. Variation im Schriftbild war das Normale und Selbstverständliche, und die Schreiber brachten viele Dialektmerkmale in die Schreibsprache ein. Vermutlich verwendeten alle Schichten der Gesellschaft ihre Mundarten frei. Die Sprachunterschiede standen also kaum im Brennpunkt des allgemeinen Interesses. In der Zeit nach 1550 begegnet eine neue Tendenz. Die dänische Bibelausgabe von 1550 war in der Rechtschreibung sehr konsequent, und auf
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längere Sicht - in der Praxis ungefähr 150 Jahre (Skautrup 1944 II, 177) wurde sie Vorbild für andere gedruckte religiöse Schriften und für die Buchdrucker, die oft die Verantwortung für die Orthographie übernahmen. Zum Ende des 16. Jahrhunderts lassen sich die D ä n e n auch von deutschen Schriften über Standardorthographie inspirieren, und es entsteht eine Diskussion darüber, was die richtige und beste dänische Schriftsprache sei. S c h o n im Jahre 1589 wird erwähnt, daß Personen mit gehobener Ausbildung Vorbild in Fragen der Aussprache sein sollten. Auch in Schweden k o m m t ein entsprechendes Interesse fur einen schwedischen Standard auf. In einer neuen Kirchenordnung aus den siebziger J a h r e n des 16. J h s . heißt es, daß die Pastoren sich daran gewöhnen sollten, „richtiges Schwedisch zu sprechen" (Skard 1972, 41). Dieses Interesse an einem Standard und an der Frage, was als sprachlich „richtig" oder als „falsch" zu gelten hat, zeigt eine veränderte Einstellung gegenüber der Sprache. Äußerungen aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts über die Verständnisprobleme, die die D ä n e n in Norwegen hatten, scheinen dies zu belegen. Es war die altnorwegische Sprache im Landrecht, die Probleme schaffte. Die inoffizielle Ubersetzung aus den dreißiger Jahren des 16. J h s . deutet d a r a u f h i n , daß es schon zuvor Probleme gegeben hatte, aber nach 1550 werden sie prägnanter formuliert. Es werden Wörterverzeichnisse ausgearbeitet, die das Verständnis erleichtern sollten, sowohl für D ä n e n als auch für Norweger. Das erste Verzeichnis stammt aus dem Jahre 1566. Ein Wörterverzeichnis von ca. 1590 trägt den Titel „Einige alte norwegische Wörter, die man im norwegischen Gesetzbuch findet, und die verdänischt und erklärt werden sollten, so daß jedermann sie verstehen kann". 1 4 Der dänische Statthalter in Norwegen beschwert sich im Jahre 1590 beim Reichsrat in Kopenhagen darüber, daß D ä n e n und Deutsche „dieses Norwegische nicht verstehen" wollen. Im Jahre 1591 erließen die Regierungsbehörden eine neue Ordnung mit Landrichtern15 überall im Lande, und diese sollten sprachkundige Leute sein, die u.a. den Richtern dabei helfen sollten, die Urteile in der Standardsprache zu formulieren. Es ist interessant, daß aus der Zeit dieser Uberschneidungsphase zwischen altnorwegischer und dänischer Schrifttradition die erste Aufzeichnung der modernen norwegischen Sprache stammt. Es handelt sich um die Aufzeichnung eines volkstümlichen Liedes, die eindeutig nicht die altnorwegische Schriftsprache zum Vorbild hat, sondern die gegenwärtige gesprochene Sprache. Dieser volkssprachliche Text stammt aus dem 16. J a h r h u n -
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„Nogle gamle Norske Ord som findis i den Norske Laugbog, som skulle fordanskis oc vdleggis, at huer Mand dennem forstaa künde." Norwegisch sorenskrivar = die höchste juristische Behörde in den Distrikten Norwegens (Anmerkung des Übersetzers).
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dert, vielleicht sogar aus der Zeit vor dem letzten öffentlichen Brief auf Altnorwegisch von 1584.16 Aber dieser volkstümliche Text und die vielen anderen, die vor allem aus der Zeit nach 1600 stammen, gehören einer anderen Gattung an. Sie verwenden Mundart, um Abstand gegenüber dem Offiziellen/Autoritativen zu markieren, d.h. zur Unterhaltung. Die Sprecher brachten die immer noch einigermaßen bekannte altnorwegische Sprache ganz offensichtlich nicht mit ihrer eigenen Mundart in Verbindung. Eben das aber wäre vielleicht der Fall gewesen, wenn die Sprecher die Situation als Wettstreit mit einer ausländischen Sprache erlebt hätten. Diese Kategorisierung der Schrift nach Land/Reich aber fand nicht statt. Wir sehen also, daß Altnorwegisch nicht für humoristische Zwecke verwendet wurde, und es existieren auch keine Aussagen, die daraufhinweisen könnten, daß eine der beiden Sprachen, die alte oder die gegenwärtige norwegische Sprache, weniger Prestige hatte als die andere. Aus der Perspektive moderner Sprachsoziologie würde man annehmen, daß genau das eingetreten wäre, wenn die dänische Schrift auf Grund ihres Prestiges dominiert hätte. Falls eine jeweilige Sprachform Ausdruck grundlegender Sprechereinstellungen gewesen sein sollte, zeigten sich diese Einstellungen allenfalls darin, daß die Volkssprache - im Gegensatz zu einer der beiden Schrifttraditionen - für bestimmte Themen eingesetzt wurde.
8. Bewußtsein von Norwegisch als eigener Sprache nach 1550 Als das Standarddänische nach 1550 in den Brennpunkt des Interesses rückte, kamen präzisere Vorstellungen über Unterschiede und Abweichungen auf. Der Begriff .Standard' setzt seinen Gegensatz voraus, also .Abweichung'. Damit gelten die Abweichungen von der Standardschrift in Norwegen als .norwegisch'. Ein zunehmendes Bewußtsein einer Standardnorm kann also ein Bewußtsein des Norwegischen als einer abweichenden Sprache erzeugen. Aber die Andersartigkeit muß nicht größer als diejenige empfunden worden sein, die für das Jütländische im Vergleich zum Dänischen galt. Im Rückblick läßt sich nicht entscheiden, in welchem Ausmaß Dänisch als Standardsprache' oder als .Sprache in Dänemark' aufgefaßt wurde. Als Standardsprache konnte Dänisch ohne Probleme in Norwegen verwendet
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Venäs (1990, 4 0 5 ) ist der Ansicht, daß der Text v o m Anfang des 16. Jahrhunderts stammt, und fuhrt das Jahr 1525 in seiner Ausgabe an. Venas scheint seine zeitliche Festlegung darauf zu gründen, daß die Sprachform mittelnorwegische Merkmale aufweist. Nes (1994, 102) hält dies für eine zu unsichere Grundlage und meint, daß die zeitliche Bestimmung doch besser „16. Jahrhundert" lauten sollte.
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werden, so lange es keine Ideologie einer Übereinstimmung von Schreibsprache und gesprochener Sprache gab. Nicht viel später wird „norwegisch" zum ersten Mal in Verbindung mit der Gegenwartssprache verwendet, und dieser Gebrauch ist so speziell, daß er eine andere Auffassung des Sprachbegriffs widerspiegelt als unsere heutige. Der Propst Laurents Hermansson in Sandar im heutigen Verwaltungsgebiet Vestfold erwähnt 1567 Anders Sacbjornssons Übersetzung des Landrechts aus den dreißiger Jahren des 16. Jahrhunderts mit den Worten, daß sie „aus dem alten Norwegischen übersetzt" sei und zwar in eine „Art Dänisch oder Küstennorwegisch, das man verstehen kann" (Knudsen 1962, 17-18). Mit „Küstennorwegisch" kann Sxbjornssons südostnorwegischer Dialekt gemeint sein (= die Küstenmundart rund um den Osloer Fjord), der als etwas anderes als die ostnorwegischen Gebirgsmundarten erlebt wurde, und Sxbjornssons Schreibsprache konnte sowohl diesem Küstennorwegischen wie auch zugleich dem Dänischen entsprechen. Der Unterschied in der gesprochenen Sprache zwischen Dänisch und Küstennorwegisch kann nicht als groß und auch nicht als wichtig aufgefaßt worden sein, denn die Sprache zeichnete sich ohnehin durch Variation aus, sowohl in Dänemark als auch in Norwegen. Aber neu ist, daß wir ein Bewußtsein davon erkennen können, daß .dänische' und .norwegische gesprochene Sprache' unterschiedlich sein können, und daß diese zwei Sprachvarianten zu unterschiedlichen Reichen gehören. Außerdem bezieht sich .Norwegisch' in Küstennorwegisch auf die Gegenwartssprache - im Unterschied zu der alten norwegischen Sprache. Auch die Isländer ändern zu dieser Zeit die Bezeichnung für ihre Sprache. Daß ihre Sprache sich von derjenigen unterschied, die in Norwegen gesprochen wurde, muß ihnen völlig klar gewesen sein. Oddur Gottskälksson, der das Neue Testament ins Isländische übersetzte und 1540 drucken ließ (Oddur Gottskälksson 1540), erwähnt das Buch noch als „übersetzt ins Altnordische" (d.h. norrent). Aber im Jahre 1555 erscheint das Buch Ein christliches Handbuch, verisländischt von Herrn Marteinn Einarsson17. Hier liegt laut Oröabok Haskolans in Reykjavik der erste Beleg dafür vor, daß isländisch in Verbindung mit der Sprache verwendet wird, wobei der Ausdruck sogar als Partizip zum Verb islenska (.verisländischen') erwendet wird. Bis nach 1600 werden sowohl Altnordisch (d.h. norrent) als auch Isländisch als Bezeichnungen für die Sprache benutzt (Kjartan Ottosson 1990, 17). Im 17. Jahrhundert beginnen die Isländer schließlich, Norwegisch für die Sprache in Norwegen zu verwenden (Johannes Johannsson 1929, 142). Auch in Norwegen sind sich die Sprecher über die dialektalen Unterschiede zwischen Norwegisch und Isländisch im klaren, und sie wissen auch, daß Isländisch der alten norwegischen Sprache am ähnlichsten ist. 17
Ein Kristilig handbog Islenskud af Herra Marteine Einar syne.
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Dieses Wissen in Begriffe zu fassen, ist ein wichtiger Schritt in der Bewußtseinsbildung. Aus einem Vermerk auf einem Dokument 18 aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts geht hervor, daß die Norweger (und evtl. auch die anderen Skandinavier) wußten, daß Isländisch die Sprache war, die der alten Sprache am meisten ähnelte, denn die altnorwegische Rechtssprache wurde Isländisch genannt ysslenske malt).19
9. Standarddänisch: gereinigt und gestärkt (ca. 1600-1750) Inspiriert von Deutschland gab es im späten 16. Jahrhundert Normierungsdebatten. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts schrieben mehrere dänische Grammatiker (Pontoppidan, Syv, Gerner, Gotlamder) normativ über die Muttersprache. Das Barock stärkte die Standardisierung, und noch vor 1700 erhielt Dänisch eine stabile Standardnorm (Skautrup 1944-70 II, 17 ff.). Gegen 1640 kam in Dänemark die Frage auf, wo man das beste Dänisch finde. Soren Poulsen Gotlasnder antwortet selbst, daß Seeländisch „reines und gepflegtes Dänisch" sei. Dies wird auch von anderen Grammatikern aufgegriffen, und im Jahre 1678 grenzt Henrik Gerner das Muster noch mehr ein, nämlich auf die Hauptstadt und diejenigen, die „an der Akademie" ausgebildet worden sind (Knudsen 1962, 30). Auch fordert er, daß man so sprechen solle, wie man schreibt. Selbst wenn dem nicht alle Zeitgenossen zustimmten, wird deutlich, daß nun eine engere Verbindung entsteht zwischen geschriebenem Standard und einem Kopenhagener Dialekt, der die Funktion des gesprochen Standards bekommt. Der dänische Purismus entwickelte sich in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts und war vom deutschen angeregt. Er kam als ein Bestandteil der dänischen Aufklärung und war, so gesehen, hauptsächlich als Unterstützung für den ,gemeinen Mann' gemeint. Der Purismus repräsentiert ein neues Stadium in der Entwicklung eines Standards mit mehreren präskrip18
Der Vermerk findet sich in einer schwedischen Übersetzung des norwegischen Landrechts: „Erick Gullenstiernn vdlade [Norgis lagh] äff ysslenske mall oc paa dette maall som nu talis med iiij her lagmender myndigiste, wiisseste oc clogiste han mest kune finne, ssa huar mand förstandeligt er, när hon warder lessin" ( = „Erik Gyldenstjerne übersetzte zusammen mit den vier höchsten, weisesten und klügsten Rechtssprechern, die er finden konnte, [Norwegens Recht] aus isländischer Sprache und in die Sprache, die man jetzt spricht, so daß es für jedermann verständlich ist, wenn es gelesen wird" (Indrebo 1951: 302). - Man vermutet, daß dies eine Ubersetzung eines entsprechenden norwegischen Vermerks ist.
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Im Jahre 1673 bezeichnet Lucas Debes die Sprache auf den Färöer Inseln als „Norwegisch" (Debes 1673: 253), aber dabei stützt er sich wohl überwiegend auf das historische Wissen darüber, daß das Land zu Norwegen gehört hat.
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tiven Normen, betont das Eigensprachliche und begreift es als Zeichen von Autonomie. Auf diese Weise kann er die Sammlungsideologie verstärken und die Zentralgewalt im Land stärken. Dänische Schriftsprache wird jetzt zu einer sozialen Institution entwickelt, d.h. eine ,Ausbausprache'. Wieviel norwegische Sprache die Norweger mit in die Schreibsprache brachten, ist unterschiedlich. Einige norwegische Elemente findet man überall, und einige Sprecher bzw. Schreiber verwendeten diese wohl auch bewußt. Überdies waren nicht alle dänischen Grammatiker gegen norwegische Wörter eingestellt. So bewertete z.B. der einflußreiche Sprachpurist Peder Syv norwegische Elemente durchaus positiv, denn die norwegischen Wörter konnten die Sprache bereichern und gegen den deutschen Einfluß abdämmen. Eine solche Einstellung läßt sich auch gut mit einem Einheitsgedanken verbinden. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts bereitete der Däne Mathias Moth ein großes dänisches Wörterbuch vor. Für diese Arbeit bat er norwegische Bischöfe, „besondere Wörter" des Norwegischen zu sammeln, und es kam tatsächlich ein großer Teil norwegisches Material zusammen. Aber das Wörterbuch wurde nie veröffentlicht. Im 17. Jahrhundert sollte Norwegen großen wirtschaftlichen Fortschritt erleben. Das wiederum brachte massive Veränderungen in allen Bereichen der Gesellschaft mit sich, insgesamt eine Art Modernisierung. Motor dieser Modernisierung waren oft Dänen und andere Ausländer. Sprachlich ging die Modernisierung auf Dänisch vor sich. Das Geistesleben wurde hauptsächlich von Pastoren repräsentiert, und nach 1629 mußten diese laut Gesetz ihr Studium an der dänischen Universität in Kopenhagen abschließen. Auf diese Weise wurde die Zentralisierung der Macht immer stärker. 1660 brach mit der Alleinherrschaft ein neues Stadium an. Aufgrund größerer Verbreitung von Büchern und der zunehmenden Lesefähigkeit nach der Reformation konnte die dänische Standardschriftsprache ihre Stellung auch in Norwegen stärken. Besonders mit der Einfuhrung eines allgemeinen Schulwesens im Jahre 1739 bekam die dänische Schriftsprache den Status als Gemeinschaftssprache, in einer mehr intimen Kommunikationsgemeinschaft zwischen den Ländern.
10. Das Bewußtsein von Norwegisch als eigener Sprache nimmt zu (ca. 1600-1750) Hinsichtlich der gesprochenen Sprache setzt sich nach und nach die Ansicht durch, daß Seeländisch und die Hochkopenhagener Mundart die Leitvarietäten darstellen. Im Laufe des 17. Jahrhunderts versucht die Oberschicht in Norwegen, die Prestigesprache in verschiedenen Zusammenhän-
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gen nachzuahmen, als erste die Pastoren in ihren Predigten. Das fuhrt allmählich zu einer sozialen Differenzierung im Sprachgebrauch. Der sprachsoziale Konflikt, der sich damit einhergehend entwickelte, brachte z.B. den Begriff knote mit sich, was laut einer Wörtersammlung von Jonas Ramus (aus Ringerike) von 1698 .Dänisch sprechen' bedeutet. Das Wort, dessen Inhalt negativ besetzt ist, existiert auch heute noch 2 0 , und seines bloßes Vorliegen im 17. Jahrhundert zeigt, daß sich zu dieser Zeit ein volkstümliches Bewußtsein eines sozialen Gegensatzes innerhalb der Sprache gebildet hatte. Dieser Gegensatz war mit dem Unterschied zwischen den Sprachen Dänisch und Norwegisch verknüpft, und es wird deutlich, daß der Begriff .norwegische Sprache' jetzt etabliert war. Die Standardisierung und die Statussprache hatten also ihre ideologische Antithese' erzeugt. Aber es gibt keine Belege dafür, daß der Begriff,norwegische Sprache' mit einer Vorstellung davon verbunden wurde, daß Norwegen eigentlich ein eigenes Reich war. Wahrscheinlich handelte es sich eher u m Norwegisch als Dialekt gegenüber einer Standardsprache (Dänisch). Petter Dass (1647-1707), der sehr gut Dänisch schrieb, kommentiert in seiner Dichtung ab und an seine Verwendung norwegischer Wörter (Skard 1972, 63). Die Formulierung „der nordländische Dorsch, den die Fischer auf Norwegisch wohl ,Skrejen' nennen" 2 1 , in Die Trompete aus Nordland (Nordlands Trompet) von ca. 1680-1700 zeigt, daß er sich der Unterschiede zwischen dem Norwegischen und der Schriftsprache, in der er schrieb, bewußt war. Ein noch ausgeprägteres Bewußtsein davon, daß Norwegisch etwas anderes als Dänisch war, mußte jemand haben, der die Sprache grammatisch beschrieb. Den ersten Versuch einer solchen Beschreibung finden wir bei Jorgen Tomasson, der gegen 1625 „kleiner Anfang einer norwegischen Grammatik" 2 2 von drei Seiten verfaßte (Hannaas 1911). Tomasson behandelt einige phonologische Merkmale und die Beugung starker Verben. Die Grammatik ist auf Lateinisch geschrieben, aber die grammatische Darstellung ist eine Kontrastierung des Norwegischen mit dem Dänischen. Es fällt auf, daß der Verfasser weder mit Altnorwegisch vergleicht, noch Altnorwegisch erwähnt. Allerdings m u ß er zumindest einige Informationen über die ältere norwegische Sprache besessen haben, denn die Umarbeitung der Rechte war noch ziemlich neu zu dieser Zeit. Hinzu kommt, daß Tomasson das Propstamt im Bistum Agder gleich nach Peder Clausson Friis innehatte, der für seine Ubersetzung von Snorris Heimskringla aus dem Altnordischen bekannt war. Falls Tomasson verstand, daß es einen Zusammenhang zwi20 21
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In der Bedeutung .unnatürlich, geschraubt sprechen' (Anmerkung des Übersetzers). „den Nordlandske Torsk, som Fiskerne kalde m o n Skrejen paa Norsk" (.Skrejen' = Kabeljau). „En liden begyndelse til en norsk Grammaticam."
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sehen der Gegenwartssprache und Altnordisch geben könnte, so war es fur ihn jedenfalls nicht wesentlich, diese historische Dimension des Sprachbegriffs zu betonen. Seine Grammatik hat die Form der Beschreibung einer Sprache, die vom Standard Dänisch abweicht. Die Sprache, die Tomasson beschreibt, ist der Dialekt in Agder. Er erwähnt sogar dialektale Unterschiede zwischen Küsten- und Gebirgsortschaften innerhalb dieses Gebietes. Aber im Titel heißt es „eine norwegische Grammatik". Vermutlich war dies für Tomasson diejenige Sprache, die die verwaltungsmäßige Einheit .Norwegen charakterisiert', d.h. der Autor besaß ein Bewußtsein davon, daß „Norwegisch" als gemeinsame Bezeichnung für die gesprochene Sprache in Norwegen zu benutzen ist. Der Sprachbegriff hat also eine neue Dimension erhalten, nämlich die der geographischen Abgrenzung gegenüber einer anderen Sprache. Norwegisch beginnt, als eine eigene Sprache hervorzutreten, verbunden mit einer fokusierten regionalen Identität. Im Jahre 1646 gab der Pastor Christen Jensson Das norwegische Wörteroder Glossenbuch (Den Norske Dictionarium Eller Glosebog) heraus, ein umfangreiches Wörterverzeichnis aus Sunnfjord von ca. 950 Wörtern. Im Vorwort widmet der Verfasser das Buch seinen Landsleuten und erklärt, daß er sie über „unsere gute und alte norwegische Sprache" aufklären möchte, so daß sie diese von dem unterscheiden könnten, was in der Gegenwart an „fremden Sprachen" hineingemengt werde. Dieses .Hineinmengen' ausländischer Wörter nimmt ständig zu, und der Verfasser empfand ganz offensichtlich Stolz angesichts der Dialektwörter und mag mit dem Adjektiv „alte" auf Verwandtschaft mit dem Altnorwegischen abgezielt haben. Das Interesse an der Sprache erhält damit eine historische (und puristische) Dimension, auf die wir erst ca. 150 Jahre später wieder stoßen. Im Vergleich zu Tomasson, der seinen Text 20 Jahre zuvor verfaßt hatte, ist dies ein großer Sprung. Es mag fur die Gegenwart in Norwegen nicht repräsentativ sein, bildet aber in bescheidenem Umfang eine Parallele zu dem Purismus, den die isländischen Humanisten eingeleitet hatten. Nach Seip (1936, 29) ist Jenssons Wörterbuch Ausdruck des Einflusses der Accademia della Crusca. Die Zahl der Arbeiten über die norwegische Sprache nahm stetig zu, und auch norwegische Dialektdichtung wurde schriftlich fixiert. Die vollständige Textedition (Venas 1990) umfaßt acht Texte in norwegischer Mundart aus der Zeit von 1647-1700 (30 Seiten), 25 Texte (108 Seiten) aus den folgenden 50 Jahren und 40 Texte (162 Seiten) aus der Zeit von 1750-1800. Der Umfang nimmt also gleichmäßig zu. Bei den Arbeiten handelt es sich zum überwiegenden Teil um unterschiedliche Typen von Volksdichtung, d.h. scherzhafte Volkslieder und Gelegenheitsgedichte, so daß man nicht von einem bewußten Versuch ausgehen kann, eine alternative Schriftsprache zu verwenden. Vielmehr wird in den Texten die stilistische Wirkung der Differenz zum Standard ausgenutzt. Die Wörtersammlungen aus Norwegen
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aber haben diese Funktion nicht, sie sollen der Aufklärung und praktischen Zwecken dienen. In dieser Hinsicht besteht ein markanter Unterschied zwischen den Verhältnissen in Dänemark und denen in Norwegen: Die Norweger haben sich ausführlicher mit ihrer Sprache beschäftigt. Das mag daran liegen, daß die Bauernsprache in Norwegen nicht den gleichen niedrigen Status wie in Dänemark bekommen hatte (Knudsen 1962, 40 f.).
11. Aufklärung und Patriotismus (1750-1814) Die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts war von der Aufklärung geprägt. Die Intellektuellen interessierten sich fur alles, was dem Land im Wirtschaftsund Kulturleben vorwärtshelfen konnte, insbesondere ersterem. Viele Pastoren sind dafür bekannt, ihre Mission darin gesehen zu haben, das Volk aufzuklären und alle nur denkbaren Informationen zu sammeln, die von Nutzen sein könnten. Der bekannteste war Hans Strom (1726-97), fur einige Zeit Pastor in Volda. Sein Werk über Die physikalische und wirtschaftliche Beschreibung der Vogtei Sunnmere23 (1762-66) wurde ein Muster für viele Regionsbeschreibungen im Norwegen dieser Zeit. In dem Maße, in dem die Wissenschaft Fortschritte machte, verwendeten die Intellektuellen die neuen Einsichten, um neue Seiten an Norwegen zu entdecken. So trug die Aufklärung dazu bei, eine norwegische Identität zu erzeugen (Apelseth 1996, 45.). Dabei ist bekannt, daß die norwegischen Intellektuellen mit der französischen philosophischen Diskussion über die Souveränität des Volkes gut vertraut waren. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts lassen sich allmählich Zeichen für ein zunehmendes Interesse für das spezifisch Norwegische in politischen Zusammenhängen erkennen. Die Übersetzung, die der Humanist Friis von Snorris Heimskringla angefertigt hatte, erschien 1757 in einem neuen Nachdruck und übte ihre Wirkung auf das historische Bewußtsein der Zeitgenossen aus. Dasselbe gilt für Wochenblätter und Zeitschriften, die jetzt nach und nach erschienen. 1771 wurde Die Geschichte des norwegischen Reiches (Norges Riiges Historie) von Gerhard Schöning (1722-80) veröffentlicht. Unter den norwegischen Studenten in Kopenhagen wurde eine Vereinigung gebildet, die das Patriotische pflegte. Der Wunsch nach einer Trennung von Dänemark läßt sich allerdings darin nicht erkennen. Aber es gab auch soziale Unruhen in dieser Zeit. So rebellierten die Bauern gegen Steuern und Staatsmacht, und es ist durchaus denkbar, daß Rejer Giellebols Wahl der Sprache für seine politische Streitschrift aus dem Jahre 23
Physisk og Oeconomisk Beskrivelse over Fogderiet Sendmore.
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1771 - es handelt sich um ein Gespräch zwischen zwei Bauern - auch politisch motiviert war: Der Text war in einem Dialekt aus dem zentralen Ostnorwegen verfaßt. Die sprachliche Standardisierung in Dänemark nahm ständig zu, und sie führte jetzt dazu, daß die Dialekte, auch die norwegischen, herabgesetzt wurden. Aber der politische Patriotismus in Norwegen hatte nicht ohne weiteres Folgen für die Sprachkonzeption. Einer der bedeutenden Vertreter der norwegischen patriotischen Studentenvereinigung in Kopenhagen ging so weit, norwegische Wörter in seinem Dänisch zu verwenden, aber ohne ein anderes Ziel zu haben als „unsere Sprache zu bereichern", d.h. die Gemeinschaftssprache Dänisch (Skard 1972, 111). Die Ausnahme bildet eine Wörtersammlung von Laurents Hallager, der erwähnt, daß die norwegische „Bauernsprache" eine eigenständige Sprache hätte werden können, wenn sie schriftlich kultiviert worden wäre (Hallager 1802). Insgesamt aber können wir jetzt ein zunehmendes Interesse für norwegische Dialekte und die Anknüpfung an das Altnorwegische erkennen. Das geht etwa aus einem Schreiben hervor, das Marcus Schnabel (1744-1780) 1774 verfaßte und an die Wissenschaftsgesellschaft in Trondheim schickte, als „Probe davon, inwieweit es die alte norwegische Sprache draußen in der Bauernsprache von Hardanger noch gibt" 24 (Gedruckt im Jahre 1784). Es handelt sich um eine etymologische Erörterung, und Schnabel ist stolz darauf, vieles vom Altnorwegischen in seinem Dialekt wiederzufinden. Hier begegnet also ein früher Fall der Historisierung des Sprachbegriffs, wie sie in der Nationalromantik so wichtig werden sollte. Aber es ist interessant, daß Schnabel selbst die rein praktische Motivation hervorhebt, dieses Schreiben zu verfassen: anderen Beamten zu helfen, Norwegisch zu lernen, damit sie auf diese Weise ihre Amter besser ausüben konnten. Schnabel zog also keine politischen Schlüsse, wie es die Nationalromantik 60 Jahre später tat. Auch eine Frage wie die des Studenten Greger F. Lundh, die dieser in seinen Notizen der Jahre 1806 und 1807 formulierte, begegnet bei ihm nicht: „Warum hat Norwegen nicht seine eigene Nationalsprache?" (Skard 1972, 128).
12. 1814: Die Freiheit als Geschenk? Den Norwegern blieb es erspart, für die Unabhängigkeit von Dänemark zu kämpfen, sie waren nur Zuschauer. Als Napoleon die Schlacht bei Leipzig verloren hatte, mußte das alliierte Dänemark beim Frieden von Kiel im 24
Prove paa hvorvidt det gamle Norske Sprog endnu er til udi det Hardangerske Bondemaal.
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Jahre 1814 Norwegen an Schweden abtreten. Nach diesem Frieden begann die norwegische „Erhebung", die das Grundgesetz vom 17. Mai schaffte. Die Historiker haben darüber diskutiert, ob die Norweger zu diesem Zeitpunkt reif fur die Freiheit gewesen seien, ob sie die Freiheit nur unerwartet als Geschenk bekamen oder ob der Freiheitsbegriff nur eine taktische Rolle spielte, um eine neue Union mit Dänemark zu erreichen. Ein gewisses Bewußtsein davon, daß Norwegen den Status eines eigenen Reichs haben könnte, war wohl vorhanden, vor allem unter den Intellektuellen, die sich sogar in der französichen Philosophie auf dem laufenden hielten. Im Bürgertum wiederum bestand ein gewisses Bedürfnis nach norwegischer Unabhängigkeit, wegen der finanziellen Vorteile, die dadurch erlangt werden könnten. Aber wie allgemein verbreitet solche Vorstellungen waren, läßt sich nicht genau sagen. Sonderlich stark wurde die Unabhängigkeit zu dieser Zeit jedenfalls nicht gefordert. Andererseits nutzten die norwegischen Politiker die Situation im Streit mit Schweden im Laufe des Jahres 1814 und erlangten ein hohes Maß an Unabhängigkeit in einer Königsunion. Mit dem Grundgesetz, das sie in diesem Jahr erstellten, wurde Norwegen in Skandinavien ein Wegbereiter hinsichtlich Volkssouveränität und Demokratie. Der Historiker Kare Lunden (1992) hat betont, daß auch in der Bevölkerung Überlegungen zur Frage der Unabhängigkeit kursierten. Durch die Wehrpflicht hatten die Bauern erfahren, daß Norwegen eine Einheit war, die ein eigenes Heer besaß, so daß sich auch auf diese Weise Gefühle der Loyalität gegenüber dem Lande entwickelten. In der Volkstradition lebte sicherlich die Erinnerung an mehrere Kriegsepisoden mit Schweden in den vergangenen Jahrhunderten fort. Obwohl der König im Königsgelöbnis von 1536 versprochen hatte, Norwegen als einen Landesteil in Dänemark zu integrieren, war Norwegen immer mehr als nur ein Landesteil, auf vielen Gebieten hatte es eine eigene Verwaltung. Die Norweger verstanden sich nicht als Dänen. Die Kritiker betonen, daß der Patriotismus vor 1814 keine Trennung von Dänemark forderte und auch nicht mit einer historisch-nationalen Argumentation verknüpft war. Wahrscheinlich war Loyalität gegenüber dem dänischen König vorhanden; es wurde sogar damit experimentiert, in einem politischen Intermezzo im Jahre 1814 einem dänischen Prinzen norwegischen Königsstatus zu verleihen (Torp u. Vikor 1993, 137). Worüber sich beide Richtungen einig sind ist, daß es zu einer „ethnischen Selbstkategorisierung" kommt (Brunstad 1995, 204ff.). Was hätten wir von den Vorstellungen und der Ideologie um 1814 erwarten können? Obwohl ein Bewußtsein davon bestand, daß Norwegen seine „physikalischen und wirtschaftlichen" Sondermerkmale hatte (cf. den Titel von Strom 1762-66), war es nicht selbstverständlich, daß eine solche Einheit politische Unabhängigkeit besitzen sollte. Ein solcher Zusammenhang
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zwischen ethnischen Sondermerkmalen und Staatsbildung war nicht üblich, damals noch weniger als heute. Das Jahr 1814 gab dem politischen Reichsbewußtsein der Norweger einen Stoß, aber wir können wenig Interesse für eigene kulturelle und sprachliche Merkmale erkennen. Norwegen wurde im Jahre 1814 ein Staat, ohne eine Nation zu sein - in unserer nachromantischen Deutung des Wortes. Als das Grundgesetz nach den Verhandlungen mit Schweden im Herbst 1814 revidiert wurde, schrieb man in einen Passus, daß „alle Gesetze in der norwegischen Sprache ausgefertigt werden" sollten. In einem anderen Paragraph ist festgelegt, daß alle „norwegischen Angelegenheiten in der norwegischen Sprache verfaßt werden" sollten. Hier war die gemeinsame Standardsprache aus der Dänenzeit gemeint. Die spezifische Formulierung der Paragraphen sollte davor schützen, daß schwedische Interessen über norwegische dominieren, so wie Schweden das z . B . im 17. Jahrhundert bei der Verschwedung von Schonen getan hatten. Sprachlich gesehen lag nichts Ungewöhnliches darin, in Norwegen Dänisch zu schreiben. Der Gedanke, daß ein unabhängiges Land seine eigene Sprache haben sollte, war zu dieser Zeit noch nicht allgemein verbreitet. Es gab viele Länder, die eine „ausländische" Schriftsprache besaßen. Daß es Unterschiede zwischen der geschriebenen und gesprochenen Sprache gab, war eine „natürliche Sache" (Torp & Vikar 1993, 137 f.). In den ersten Jahrzehnten nach 1814 legten die Norweger sogar mehr Gewicht darauf als zuvor, reines Dänisch zu schreiben; sie akzeptierten die stärkere Standardisierung von Kopenhagen. Wichtig war, sich gegen Schweden zu behaupten, und dazu konnte man das Dänische gut gebrauchen.
13. Die dreißiger Jahre des 19. Jhs.: Das nationalromantische Problem Im Jahre 1814 verbreiteten sich nationalromantische Gedanken in Skandinavien. In den 20er und 30er Jahren griffen die Intellektuellen Herders Ideen des Zusammenhangs zwischen Nation, Kultur und Sprache auf, und sie versuchen natürlich, diese Ideen auf ihr eigenes unabhängiges Land anzuwenden. Sie betrachteten es als Herausforderung, das Bild einer norwegischen Nation zu schaffen. So wurde die volkstümliche Kultur entdeckt, und man stellte fest, daß diese sich mit einer historischen Tradition verknüpfen ließ. Nun begegnete das Problem, daß man in Norwegen eine Schriftsprache verwendete, die eigentlich Ausdruck der dänischen Kultur und des dortigen Volkstums war. Ja, es gab sogar Dänen (z.B. N . F. S. Grundtvig), die kritisch darauf reagierten, daß die Norweger ihre Schreibsprache als „Norwegisch"
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bezeichneten. Diese Reaktion, die ein Besitzverhältnis zur Schriftsprache ausdrückte, basierte ebenfalls auf nationalromantischem Denken. In Norwegen versuchte man erst, das Problem dadurch zu lösen, daß man die Schreibsprache als „Muttersprache" bezeichnete - also weder als „Norwegisch" noch als „Dänisch". In der stärker werdenden norwegischen Nationalromantik fehlte noch eine Betonung des sprachlichen Sonderstatus. Die nationalromantische Ideologie erreichte ihre volle Blüte erst in den 30er Jahren, und erst zu dieser Zeit diskutierten bedeutende Intellektuelle das Fehlen einer norwegischen Schriftsprache. Daß die Dialekte in einer Traditionslinie bis zum Altnorwegischen standen, wußten einige der Aufgeklärten. 25 Aber es war nicht klar, wie dies einen schriftlichen Ausdruck erhalten konnte. Eben das war das Diskussionsthema in einigen Zeitungsartikeln der Jahre 1832-35, in denen sich der Dichter Henrik Wergeland (1808-1845) dafür einsetzte, Glossen aus der Volkssprache in die Schriftsprache aufzunehmen. So könne man schrittweise eine unabhängige norwegische Sprache entwickeln, bevor das Jahrhundert vorbei war. Die geistesgeschichtliche Position, die darin zum Ausdruck kommt, ist offensichtlich, denn Wergeland spricht davon, daß „des Landes Charakter sich in dem des Volkes prägt, (und) dessen in der Sprache". Sowohl er als auch andere sprechen vom „Genius der Sprache", vom „Geist der Sprache" und von der „Natur der Sprache". Der Historiker P.A. Munch (1810-1863) wandte sich deutlich gegen den Gedanken, norwegische Wörter in die Sprache aufzunehmen, denn das würde ein ,verdorbenes' Dänisch erzeugen, und Dänisch könne ohnehin nicht ,die Nationalität wechseln'. Stattdessen wollte er eine völlig neue Schriftsprache entwickeln, die auf einem archaischen Dialekt basiert und dem Altnorwegischen so ähnlich wie möglich sein sollte. Für Munch und die anderen norwegischen Historiker dieser Zeit war es wichtig, die Geschichte der Nation zu .erschaffen', und das Mittelalter konnte die Nation Norwegen legitimieren. So engagierte sich Munch z.B. dafür, daß die alte Sprache des Mittelalters „Altnorwegisch" und nicht „Altnordisch" (oldnordisk) genannt wurde. Die selektive historische Erinnerung wurde jetzt neu organisiert, und „the imagined community" geschaffen (cf. den Titel von Anderson 1983). Die Nationalromantik setzte eine Gemeinschaft jenseits der Standesunterschiede voraus, und das war neu. Für die Intellektuellen kam es so zu einem Dilemma, denn sie gehörten den sozial gehobenen Schichten an und 25
Folgende Bemerkung, die Μ. B. Landstad, ein Sammler von Volksweisen, zu einem Text als Anmerkung ergänzt, zeugt von der romantischen Sicht der Dialekte: „Det viser sig ogsaa her, at der i vort Almuesprog ikke egentlig kan vaere Tale im Dialekter, men at det er det samme gamle norske Sprog overalt, mere og mindre reent vedligeholdt." (Landstad 1853: 711). („Auch hier erscheint es, daß es sich in unserer Volkssprache eigentlich nicht um Dialekte rührt, aber daß es überall um dieselbe alte Sprache handelt, mehr oder weniger rein erhaltet.")
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standen, was die Kultur betraf, weit entfernt von der Bauerngesellschaft, die sie ideologisch kultivierten. D a ß diese soziale Klasse historisch gesehen von ausländischem (dänischem und deutschem) Ursprung geprägt war, scheint kein Problem gewesen zu sein. Ihre Vertreter identifizierten sich ebenso sehr mit Norwegen wie andere. Aber das Dilemma war folgendes: Als die Intellektuellen die Bauernkultur aufwerteten, um das Bild einer vollwertigen Nation zu erschaffen, bedeutete dies gleichzeitig eine Bedrohung ihrer eigenen kulturellen und sozialen Hegemonie. Selbst P. A. M u n c h äußerte sich sehr negativ über die Sprache des Volkes. Die Elite sah sich selbst als die geistig überlegenen Mitglieder der Gesellschaft und meinte, die Volkskultur „veredeln" zu können. Zur gleichen Zeit, also in den 30er Jahren, erhielten die Bauern so viele Repräsentanten im Storting (= norwegisches Parlament), daß sie eine bedeutende politische Kraft wurden, die von den Beamten zunehmend gefürchtet wurde. Jonas Anton Hielm (1782-1848) trat in der erwähnten Zeitungsdebatte mit dem Vorschlag hervor, eine neue Schriftsprache auf den Dialekten in den Städten aufzubauen und Material über diese zu sammeln. Diese Dialekte wären hinreichend .national', auch wenn die Dialekte in den Ortschaften .vollkommener' wären. Hielm fand keine Unterstützung, aber theoretisch löste der Vorschlag einen Teil des Dilemmas, und er wies sowohl auf Aasen als auch auf Knudsen voraus (dazu s. unten). Noch in den 30er Jahren des 19. Jhs. gab es Schriftsteller wie den Nationalromantiker J. S. Welhaven (1807-73), die ein reineres Dänisch schrieben als dasjenige der meisten Norweger in der Zeit zuvor. Aber sowohl Welhaven als auch andere nahmen allmählich mehr und mehr typisch norwegische Wörter in ihre Schreibsprache auf. So begann ein längerer Prozeß, in dessen Verlauf man einsah, daß die Sprache von dem Land, in dem sie verwendet wurde, geprägt sein mußte. Sogar P. A. M u n c h , der in den 30er Jahren heftig gegen Wergelands .Vernorwegischung' argumentiert hatte, stellte in den 40er Jahren fest, daß eine adäquate Übersetzung von Snorris Königssagas nicht in reinem Dänisch verfaßt werden könnte, denn dieser Sprache fehlte eine „nationale Kongenialität'' mit dem Stoff (Knudsen 1962, 59). In den 30er und 40er Jahren des 18. Jhs. wurde viel neu gesammeltes Material der norwegischen Volksdichtung und Volkskunst gedruckt, und die Begeisterung für die norwegische nationale Kultur hinterließ schnell deutliche Spuren in allen Kunstarten. Den H ö h e p u n k t im nationalromantischen .Rausch' bildeten einige Vorstellungen im Theater von Christiania (Oslo) im Jahre 1849: Das Szenenbild war ein Tableau nach den nationalromantischen Malern Adolph Tiedemand und Hans Gude, unter den Programmpunkten war ein Prolog von Welhaven, die Geiger Ole Bull und Myllarguten spielten norwegische volkstümliche Tanzweisen, und es wurden Gedichte von bekannten nationalromantischen Schriftstellern vorgetragen. Andere Gedichte wurden zu den Noten von Komponist Halfdan
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Kjerulf gesungen; z.B. sang das Publikum „Aftenstemning" (,Abendstimmung') des Dichters und Folkloristen Jorgen Moe. Die Initiative für dieses Arrangement kam vom Märchensammler P. Chr. Asbjornsen. Das Publikum soll außer sich gewesen sein vor Begeisterung. Im Jahre 1857 gab der Schriftsteller Bjornstjerne Bjornson auch Synn&ve Solbakken heraus, den ersten und klassischsten norwegischen nationalromantischen Roman. Ab jetzt entwickelt Norwegen kulturelle Institutionen und Schulen, die die Bevölkerung in die neuen Ideen hineinsozialisieren, und es entstehen freiwillige Organisationen, die dafür sorgen, daß sich die Menschen für diese nationale Fragen engagieren. So wird Norwegen zu einer Nation. Festzustellen bleibt, daß die Nationalromantik zu zwei Überlegungen geführt hatte: zum einen, daß Dänisch nichts anderes sein oder werden konnte als Dänisch - auf Grund der mit ihm einhergehenden nationalen Eigenschaften, die eine Sprache als Ausdruck des „Volksgeistes'' besitzt und daß man deshalb nicht versuchen sollte, es zu .vernorwegischen' (cf. M u n c h und Welhaven in den 30er Jahren); zum anderen, daß die norwegische Nation ihre eigene Sprache schaffen müßte.
14. Ivar Aasen und die Landessprache Der Hauslehrer Ivar Aasen (1813-1896) verfolgte die intellektuelle Debatte der frühen 30er Jahre so eingehend, daß er im Jahre 1836 selbst einige Gedanken „Über unsere Schriftsprache" („Om vort Skriftsprog") niederschrieb, ein Text, der erst 1909 gedruckt wurde. Dort setzt er sich dafür ein, eine neue norwegische Schriftsprache, die auf den Dialekten aufbaut, zu schaffen. Er gibt eine Zusammenfassung der nationalromantischen Ideologie, z.B. der Auffassung, daß eine unabhängige Sprache „das vornehmste Kennzeichen einer Nation" sei, geht dann aber schnell dazu über, die Konsequenzen aus einer sozialen Perspektive zu betrachten: Es hat mich immer bitter geschmerzt, wenn ich hörte, daß unsere Volkssprache gekränkt und verlacht wurde, entweder aus eleganter Ignoranz, oder aus einem - wenn auch wohlmeinenden - Reinigungseifer. Sollen wir wirklich, dachte ich, auf diesen kostbaren Schatz aus der Vergangenheit verzichten, den unsere Ahnen durch alle ihre Drangsale treu bewahrt und uns als heiliges Erbe überlassen haben? [...] Unsere Hauptsprache [...] sollte das Mittel der Dialekte des Landes sein, der Mittelpunkt, um den sie sich drehten [...] Der Bauer hat die Ehre, der Retter der Sprache zu sein; seinem Reden sollte man also zuhören. (Aasen 1909, 2 f.)
Aber es finden sich auch Formulierungen, die die Philosophie der Volkssouveränität erkennen lassen: „jetzt, wo sich die Freiheit des Volkes wieder zwischen unseren Klippen befindet" (Aasen 1909, 2).
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Der Bauernsohn Ivar Aasen wuchs in Kontakt mit einem Dorfmilieu in Südsunnmore auf, wo der Aufklärungspastor Hans Strom ein Kulturzentrum mit Interesse für ausländische Ideen und für wirtschaftlichen und kulturellen Fortschritt geschaffen hatte. Die Familie Aarflot auf dem Bauerngut Ekset in Volda hatte das Erbe von Strom weitergeführt, und Aasen nutzte die Büchersammlung auf diesem Gut. Sowohl der Gedanke der Volkssouveränität als auch die soziale Perspektive in Aasens Sprachauffassung haben wohl ihren Ursprung in diesem Erbe aus der Aufklärung. Die Nationalromantik stand dem Milieu der Bauern weiter entfernt gegenüber. (Apelseth 1996.) 1841 reiste Aasen nach Bergen, um den Bischof Jacob Neumann aufzusuchen. Das Ziel war, sich anzubieten, eine nützliche Arbeit für das Land zu tun. Er zeigte dem Bischof eine Pflanzensammlung und eine kleine Grammatik über seinen Heimatdialekt. Der Bischof, der Mitglied der Königlichen norwegischen Gesellschaft: der Wissenschaften war und geprägt von den kulturellen Strömungen der Zeit, zeigte großes Interesse für die Grammatik und konnte sich sofort vorstellen, daß Aasen der Mann sein könnte, den Sprachschatz aus der Volkssprache zu gewinnen, nach dem die Nationalromantiker suchten. Durch Neumanns Unterstützung erhielt Aasen ein Stipendium der Wissenschaftsgesellschaft und begann seine Sammlung von Dialektmaterial auf Reisen durch das Land (1842-46). Später bearbeitete er das Material in Grammatiken und Wörterbüchern, indem er zunächst eine Volkssprache vorstellte {Die Grammatik der norwegischen Volkssprache26 im Jahr 1848 und Wörterbuch über die norwegische Volkssprache27 im Jahr 1850), später eine Landessprache. Der Plan für eine neue Landessprache war also in Aasens Programm von 1836 festgeschrieben, und während der Sammelarbeit begann er, systematisch daran zu arbeiten, der Sprache Form zu geben. Das geht aus der Art und Weise hervor, in der er das Dialektmaterial zusammenstellt. Er präsentiert das Resultat 1853 in Proben der Landessprache in Norwegen,28 und legt 1864 eine umfassende Grammatik und 1873 ein entsprechendes Wörterbuch vor. Damit war eine Norm für eine neue norwegische Nationalsprache geschaffen. Zweifelsohne favoriserte Aasen die archaischen Dialekte; er versuchte, die .vollkommensten' Formen zu finden. Er erklärte, daß er bei der Gestaltung der Norm die Dialekte in Hardanger, Voss und Sogn am stärksten berücksichtigte. Aber er nahm auch Rücksicht auf den Rest des Landes und außerdem auf die benachbarten Schriftsprachen und den inneren sprachlichen Zusammenhang. Die Kriterien der Normierung sind in der Norwegischen Grammatik (Norsk Grammatik, 1864) eingehend dargelegt. 26 27 28
Det norske Folkesprogs Grammatik. Ordbog over det norske Folkesprog. Prever af Landsmaalet i Norge.
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Weil er eine Sprachnorm erstellen wollte, die auf eine systematische Weise so viele Dialekte im Lande wie möglich repräsentieren sollte, war es natürlich, daß Aasen am meisten auf die ältesten Formen zurückgriff. Sie stellten eine systematische Abstraktion der einzelnen Varianten dar und konnten so am stärksten vereinigend wirken. Zudem kamen die ältesten Formen dem nationalromantischen Interesse für das Alte entgegen. Aber Aasen verfolgte zugleich das Prinzip, nichts in die Schriftnorm einzuführen, was es nicht auch irgendwo in den Dialekten gab. Nur in sehr seltenen Fällen hat er altnorwegische Formen, die nicht in der Gegenwartssprache existierten, rekonstruiert oder benutzt. Auf diese Weise entsprach Aasens Arbeit nicht ganz den Idealen desjenigen, der die norwegische Philologie dominierte, nämlich P. A. Münchs, der sich eine viel archaischere Sprache wünschte. Von 1853 bis 1864 nahm Aasen kleinere Veränderungen an der Landsprache vor, aber ab dann stand seine Norm fest. Seine Position in Normierungsfragen war kompromißlos - „es sollte nur eine Sprachform geben" (Aasen 1957-60 II, 298) - , und er äußerte Irritation über diejenigen, die abwichen. Aasen war also sprachlich autoritär, und führte auf diese Art das Standardideal weiter, das das Dänische und andere Sprachen etabliert hatten. Der Gedanke einer .Standardsprache' war wahrscheinlich ein Produkt des politischen Einheitsgedankens, den auch die Nationalromantik übern o m m e n hatte. Zugleich war Aasen auch Purist, denn er versuchte, Lehnwörter außerhalb der N o r m zu halten, besonders solche, die dem Dänischen oder Deutschen entstammten. In seiner umfangreichen schriftlichen Produktion versuchte er sogar, zahlreiche neue Wörter zu bilden. Auch auf diese Weise erfüllte er die Forderungen an eine autonome Nationalsprache. Einen Kompromiß allerdings ging er im Hinblick auf das niederdeutsche Suffix -heit ein, das er akzeptierte, das die Landessprache nach ihm aber wieder zurückdrängte.
15. Die Sprachbewegung („Mälrorsla") Aasen war kein politischer Streiter. Es ist weitgehend unklar, wie er sich die Realisierung (Implementation) des neuen Schriftcodes gedacht hatte. Die erste akademische Begeisterung für seine wissenschaftliche Arbeit war vom nationalromantischen Hochgefühl geprägt, und nur wenige konnten sich vorstellen, daß Aasens Werk größere praktische Konsequenzen haben könnte. Aber im Laufe der 50er und 60er Jahre des 19. Jhs. verwendeten einige Autoren die Landessprache, und ab 1868 wurden Organisationen ge-
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gründet, die sich dafür einsetzten, diese Sprache zu fördern. Nach und nach bekam die Sprachenfrage eine so starkes politisches Moment, daß sie die norwegische Kulturpolitik 150 Jahre lang prägte (Hoel 1996, 265 ff.). Den Zuspruch, den die Bewegung erhielt, kann man nicht verstehen ohne sie als Ausdruck der nationalen Aufrüstung im Konflikt mit Schweden zu sehen, denn Norwegen war in der Union unterlegen. Besonders seit 60er Jahren kam es zu politischen Konflikten, die alle die Schaffung einer völlig unabhängigen Nation zum Ziel hatten. Die Nationsbildung konnte somit bis zum Unionsbruch im Jahre 1905 als politischer Sprengstoff wirken, und die Sprachbewegung sah sich selbst als einen wichtigen Teil der Hervorhebung des .Norwegischen'. Mehr als je zuvor wurde die Sprache als kulturelles Objekt gepflegt. Nachdem die radikale Partei „Venstre" in den 80er Jahren gegründet worden war, wurde die Sprachbewegung zu einem wichtigen Verbündeten, und die Sprachenfrage profitierte von dieser Allianz. So konnte die Sprachbewegung z.B. 1885 erreichen, daß das „Storting" einen Beschluß faßte, der die Landessprache im Prinzip mit dem Dänisch-Norwegischen gleichstellte. 1892 wurde ein Schulgesetz erlassen, das es möglich machte, die Landessprache in der Schule einzuführen, und im Jahre 1886 wurde an der Universität in Kristiania ( = Oslo) eine Professur für Landessprache eingerichtet. Diese staatlichen Beschlüsse und Initiativen waren notwendig, um der Landessprache Erfolg zu sichern. Aber schon in den 60er Jahren, als zunehmend die Schriftsteller die Landessprache verwendeten, regte sich unter den Konservativen und in den höheren sozialen Schichten Opposition. Mit der Zeit spiegelte die Sprache einen sozialen Konflikt zwischen den unterschiedlichen Klassen in der Gesellschaft. Der nationale Konflikt, der die strategisch notwendige Voraussetzung für die Sprachbewegung darstellte (Torp 1996), wurde so mit den sozialen Gegensätzen in der Gesellschaft verknüpft, denn die gesellschaftlich radikalen Kräfte dominierten nun die nationale Politik. Die soziale Dimension der Sprachbewegung geht aus der Forderung vieler ihrer Anhänger hervor, daß die Schriftsprache den Dialekten höheres Prestige verleihen sollte und damit der Bevölkerung ein stärkeres Selbstwertgefuhl. Dazu mußte die Schriftsprache repräsentativ sein, und ein Teil derer, die sich für die Landsprache einsetzten, fühlten sich bei ihr nicht an die von Aasen formulierte Norm gebunden, wo sie diese nicht fur repräsentativ genug hielten oder wo sie annahmen, daß Aasen zu viel rekonstruiert hatte. Auf diese Weise entstand schon früh eine Spannung in der Sprachbewegung zwischen den Aasen-Anhängern und den sogenannten Neubuchstabierern. Der rebellischste dieser Neubuchstabierer war Olaus Fjortoft (1847 bis 1878), der eine lautgetreue Schreibung forderte. Nach Fjortoft sollte sich auch die Arbeiterklasse in den Städten in der Landessprache zu Hause füh-
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len. Doch dann mußte diese Landessprache anders aussehen, denn Aasen hatte bewußt von den Stadtdialekten als Grundlage für die Norm abgesehen. Einige Sprecher, vor allem nach der Jahrhundertwende, legten auch Wert darauf, der Landessprache das Gepräge ihres Heimatdialektgebiets zu geben (Brunstad 1995, 225 ff.), und es wurden sogar Landesteilnormen als Anleitung für die Bevölkerung ausgearbeitet. So wurde die Landessprache auch zu einem Instrument in der regionalen Selbstbehauptung. Diese zahlreichen Erscheinungsformen der Variation standen dem alten Ideal der einheitlichen Nationalsprache entgegen, aber strategisch gesehen war die Variation kaum von Nachteil, denn die regionale Selbstbehauptung verstärkte eher den Zuspruch, den die nationalen Forderungen erhielten. Die Variation macht deutlich, daß es keine in jeder Hinsicht homogene nationale sprachliche Einheit geben konnte, die zudem noch so etwas wie die ,Volksseele' ausdrückte. Die Sprachauffassung entwickelte sich so von der nationalromantischen Position weg. Wurde später gegen Variation in der Schriftsprache argumentiert, dann wurde dies praktisch und pädagogisch begründet, zugleich mit der Feststellung, daß eine solche offene Normsituation von dem abweicht, was andere Kulturnationen als Ideal betrachten, eben die Homogenität. Dieser letzte Aspekt erinnert wiederum an die nationalromantische Ideologie, obgleich die ihr eigene Begrifflichkeit eine andere ist.
16. Knud Knudsen und das Dänisch-Norwegische Es gab eine Alternative zur rein nationalen Linie, die in vieler Hinsicht eine Ausgleichsposition darstellte. Sie wurde vom Pädagogen Knud Knudsen (1812-1895) entwickelt, aber hatte ihre Vorläufer in Hielm, der schon in den 30er Jahren daraufhingewiesen hatte, daß man auf den Stadtdialekten aufbauen könnte, und in Wergeland, der bewußt norwegische Wörter in seine Sprache einbrachte. Knudsens Vorschlag, den er zum ersten Mal im Jahre 1844 formulierte, war der, daß man eine norwegische Sprache auf ,der landesgültigen norwegischen Aussprache der gebildeten Klasse' aufbauen sollte. Hier wurde also die gesellschaftliche Schicht mit berücksichtigt, die Grundlage sollte die Sprache der sozialen Elite sein. Im Gegensatz zu den Ortsdialekten war diese Sprachvariante im ganzen Land vergleichsweise homogen. Aber obgleich Knudsen zu seiner Zeit keinen großen Zuspruch für seine sprachpolitischen Vorschläge fand, folgte in späteren Jahren das DänischNorwegische im Prinzip seiner Linie, indem es sich Schritt fur Schritt in der Aussprache und den sonstigen Ebenen des Sprachsystems der gebildeten
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Alltagssprache anpaßte. Die erste formelle Änderung, die von der dänischen Schriftnorm wegführte, kam mit einem Departementsbeschluß im Jahre 1862 und betraf das Buchstabieren einiger Lehnwörter (z.B. Philosoph > Filosof). Einige weitere Änderungen wurden noch vor der Jahrhundertwende eingeführt. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde also die prinzipielle Gemeinsamkeit mit der dänischen Schriftsprache aufgegeben; das Normideal lag nicht länger in Kopenhagen, d.h. außerhalb des Landes. So gesehen war dies ein Sieg für die nationalromantische Idee, daß eine Nation über ihre eigene Sprache verfügen sollte. Die Frage, was als .beste' und .richtigste' Sprache zu gelten habe, hatte für die Normierung der Aussprache in den norwegischen Theatern schon lange Probleme bereitet. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war dort Dänisch vorherrschend. Ab 1849 arbeitete Knudsen daran, die neue Norm für das Norwegische am Theater zu etablieren. Sie baute auf der .gebildeten Alltagssprache' (den dannede dagligtak) auf, die sich über längere Zeit als eine Aussprache dänischer Schrift nach einem norwegischen phonologischen System entwickelt hatte. Die schrittweise Trennung vom Dänischen hatte sowohl eine wirtschaftliche als auch eine ideologische Seite. Schriftsteller und Verlage hatten in einem gemeinsamen Markt für Bücher finanzielle Interessen. Dieser gemeinsame Markt wurde durch den neuen Kurs bedroht, was dazu führte, daß einige Schriftsteller zögerten, zur norwegischen Variante der Schriftsprache überzugehen. Die Gegebenheiten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts führten also zu zwei unterschiedlichen Ausprägungen in der Entwicklung der Sprache. Beide dieser Ausprägungen teilten die nationalromantische Überzeugung, daß eine Nation ihre eigene Sprache besitzen sollte. Dieser Überzeugung ließ sich rhetorisch als Bekenntnis zu einer mehr oder weniger nationalen Haltung Ausdruck verleihen, während zugleich soziale, kulturelle und geographische Gegensätze konkreten Anlaß für Konflikte boten. Dem Dänisch-Norwegischen konnte immer vorgehalten werden, aus geschichtlichen Ursachen,nicht norwegisch genug' zu sein. Aber seit den Änderungen in den Jahren 1907 und 1917 hatten sich zentrale Eigenschaften der Sprache so gewandelt, daß sie nun in ihrer Struktur mehr der gehobenen gesprochenen Sprache Norwegens als dem Dänischen entsprach. So wurde zum Beispiel 1907 die dänische Pluralform in Substantiven wie beste (,Pferde') zu bester verändert, die dänische Präteritumsendung -ede zu -et, und stimmlose inter- und postvokalische Plosive wurden statt der dänischen stimmhaften eingesetzt (z.B. dänisch had(,Haß') > norwegisch bat). In Verbindung mit dieser Änderung mußte man 1917 dazu übergehen, das norwegische Quantitätssystem zu markieren, um Homonyme zu vermeiden, d. h. daß ζ. B. dänisch hat (,Hut') auf Norwegisch hatt geschrieben werden mußte.
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Der ideologische Wandel, den die Nationalromantik bewirkte, brachte terminologische Probleme mit sich. Wir haben gesehen, daß die Sprache in der Verfassung „Norwegisch" genannt wurde. Nachdem es mit der Zeit ideologisch unmöglich wurde, die dänische Schriftsprache als „Norwegisch" zu bezeichnen, ging man dazu über, sie „Muttersprache" zu nennen, manchmal auch „Dänisch-Norwegisch" und später „die allgemeine Buchsprache" {det altnindelige bogsprog). 1899 schlug Bjornstjerne Bjornson vor, daß sie „Reichssprache" (riksmaat) heißen sollte, eine Bezeichnung, die politisch tendenziös war. Einen neutralen Terminus hat man aber nicht finden können. Das gleiche gilt für die Bezeichnungen Landessprache {landsmaat), die sowohl .Sprache für das ganze Land' als auch ,Sprache für die ländlichen Gegenden' bedeuten kann. 1929 wurden die Termini offiziell ausgetauscht, so daß das Dänisch-Norwegische von da an Bokmal (,Buchsprache') heißen sollte und die Landessprache Nynorsk (.Neunorwegisch'). Neutral sind aber auch diese Bezeichnungen nicht.
17. Kompromiß? Nachdem sich die zwei Schriftnormen als praktikabel erwiesen hatten, traten sie in Konkurrenz zueinander. Viele erlebten die beiden sprachpolitischen Ausprägungen als Extreme und sympathisierten stark mit dem nationalen und demokratischen Aspekt in der Ideologie der Landessprache. Aber sie sahen auch Mängel in dieser Landessprache, zum einen deshalb, weil sie nicht genügend repräsentativ für alle Dialekte war, zum anderen, weil sie als literarische Sprache immer noch unfertig war. Der Schriftsteller Arne Garborg, der in der Landessprache schrieb, äußerte sich 1897 folgendermaßen: „Es ist offensichtllich, daß eine Vereinigung der beiden Sprachen angestrebt werden muß. Das Norwegische der einen Sprache muß sich mit der Kultur der anderen verbinden. Dann sind wir am Ziel". Die kulturellen Gegensätze in der Gesellschaft sollten überwunden werden, mit der alten Zielsetzung, eine Nation zu schaffen. Den größten Einfluß in der praktischen Sprachpolitik übte der Kulturforscher Moltke Moe aus, der ebenfalls einen Gewinn darin sah, wenn die beiden Kulturen zusammenfinden könnten, so wie zwei Flüsse zu einem großen zusammenfließen. Die Argumente der Nationalromantik und des Evolutionisten Max Müller, daß zwei Nationalsprachen nicht vermischt werden könnten, wurden jetzt ignoriert. Diese politische Linie, die zwei Schrifttraditionen zu vereinigen - oft „Gemeinnorwegisch-Linie" (satnnorsk-linja) genannt - sollte die norwegische Schriftsprachenpolitik fast 100 Jahre lang prägen, in der Praxis bis
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1981. Das systematische Arbeiten in Richtung Zusammenfügung zeigt sich in mehreren geringfügigen Regelungen vor der Jahrhundertwende und in größeren Rechtschreibreformen der Jahre 1907, 1910, 1917, 1938 und 1959. Man ging schrittweise vor, u m nicht zu große Brüche zu erzeugen. Der Staat blieb auch in der Sprachenpolitik die ausübende Macht. Die Konsequenzen dieser Haltung sind beachtlich: Die Schriftsprache besitzt keine selbstverständliche Form, sondern ihre Gestaltung ist Resultat politischer und sprachtechnischer Entscheidungen. Veränderungen können auf ein geplantes Ziel hin gesteuert werden, die Sprache ist nicht von unzugänglichen Kräften im nationalen Volksgeist geschaffen worden. Diese veränderte Einstellung gegenüber von Sprache sollte zu großen Auseinandersetzungen fuhren, da man auf konservativer Seite stets behauptet hatte, daß eine Änderung der Schriftsprache durch politisch beschlossene Rechtschreibreformen künstlichen Charakter habe. Die „Gemeinnorwegisch-Linie" wurde auch von dem Wunsch getragen, daß beide Schriftsprachen repräsentativer für die Dialekte werden sollten. Man hoffte, daß die am weitesten verbreiteten Dialektformen auch die gemeinsamen Formen in den Schriftsprachen werden könnten. Diesem Wunsch lagen sowohl demokratische Rücksichten zugrunde als auch die Überzeugung, daß eine Schriftsprache, die der gesprochenen Sprache nahe ist, große pädagogische Vorzüge besitzt. U m eine breite Grundlage für die Dialekte zu bieten und u m Annäherungen an die jeweils andere Schriftsprachenvariante zu ermöglichen, konnte man mit der Zeit in beiden Varianten frei zwischen mehreren orthographischen und morphologischen Formen wählen. So konnte in Bokmäl z.B. das Drei-Genera-System eingeführt werden, indem die Wörter, die in norwegischen Dialekten Feminina waren, wahlweise entweder die dänische Genus-communis-Endung -en oder die verbreitete norwegische Femininaendung -a erhalten konnten. Nynorsk wiederum erlaubte die Wahl zwischen der weniger repräsentativen Femininaendung -i und dem repräsentativeren -a. Von der letztgenannten Form n a h m man an, daß sie in dem Maße, in dem die Schriftsprachen zusammenwuchsen, die gemeinsame Form werden könnte. Bei anderen Wörtern konnten die Wahlmöglichkeiten noch zunehmen - besonders dort, wo man Gewicht auf die Ö f f n u n g zu den Dialektformen legte. Das Fragewort „wie" hatte in Nynorsk die Varianten korleis, hoss und honen, in Bokmäl hvorledes, hvordan und ässen. Auf diese Weise stellt die Standardisierung nicht mehr eine so weitgehende Voraussetzung für den Begriff Norwegisch dar. Die Wahlmöglichkeiten haben die Toleranz gegenüber der Variation gestärkt und den Glauben an Autoritäten in der Schriftsprache reduziert. Sprachlicher Pluralismus zeichnet die norwegische Schriftsituation aus, ein Pluralismus, der aber kaum die Überzeugung einschränkte, daß Norwegisch eine Nationalsprache ist.
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18. Die Situation nach dem Zweiten Weltkrieg Bildungspolitisch erreichte Nynorsk 1944 eine Art H ö h e p u n k t , als 34,1 % der Schüler in der (damals sieben Jahre umfassenden) Pflichtschule Unterricht auf Nynorsk erhielten. Nach den beiden großen Rechtschreibreformen der Jahre 1917 und 1938 zeigten sich offensichtliche Fortschritte. Aber nach dem Zweiten Weltkrieg ging der prozentuale Anteil von Nynorsk bald wieder zurück. Besonders stark fiel er in den 50er Jahren, und seinen Tiefp u n k t erreichte er 1977, als er bei 16,4% lag. Seit dieser Zeit stagniert der Anteil weitestgehend (mittlerweile ist er wieder ein wenig gestiegen, auf etwa 17 %). In anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens hat sich Nynorsk z u n e h m e n d gefestigt, so in der öffentlichen Verwaltung, in Radio und Fernsehen, in der Literatur usw. Nynorsk wird stark durch das Sprachengesetz unterstützt (das erste wurde im Jahre 1930 erlassen), das vorschreibt, wie die Gleichstellung zu organisieren sei. Hinzu kommt der vom Storting verabschiedete Beschluß, der die staatliche Radio- und Fernsehgesellschaft N R K verpflichtet, mindestens 25 % Nynorsk zu verwenden. Für die Nynorskbewegung erwies sich als ernstes Problem, daß viele Bürger, die in der Schule Nynorsk gelernt haben, nach Ende ihrer Schulzeit dazu übergehen, Bokmal zu benutzen. Aus einer Meinungsumfrage, die 1995 durchgeführt wurde, ging hervor, daß 7,4% der Bevölkerung ausschließlich Nynorsk verwenden und 5 % beide Sprachvarianten, d . h . zusammen 12,4 %. Diese „Flucht" von Nynorsk zu Bokmal zeigt, wie groß der Druck ist, der vom vorherrschenden Bokmal ausgeht. Im Wirtschaftsleben dominiert Bokmal, bei den großen Landeszeitungen wird den Journalisten verboten, Nynorsk zu benutzen, und die Verlage üben oft Druck auf die Autoren aus, ihre Bücher auf Bokmal zu schreiben. Diese Minderheitssituation fuhrt dazu, daß Nynorsk oft die Funktion einer Protestsprache erhält. In der letzten Generation hat sich die Tendenz herauskristallisiert, daß Nynorsk stärkeren Zuspruch in Westnorwegen findet, und diese Zunahme hat den Rückgang in anderen Landesteilen aufgewogen. In Nordnorwegen und Trandelag existiert Nynorsk an den Schulen fast nicht mehr, aber in Ostnorwegen hält es sich gut in den Gebirgs- und Talregionen, die nach dem Westen zu liegen (siehe Anhang Karte 2). So ist Nynorsk mittlerweile mehr und mehr eine Schriftsprache für Westnorwegen geworden, jedenfalls hinsichtlich seiner Verwendung, während die Struktur der Sprache durch die großen Rechtschreibreformen in diesem Jahrhundert mehr ost- und nordnorwegisch geprägt ist. In Westnorwegen dominiert Nynorsk in den Ortschaften, hat sich aber auch Eingang in einige Städte verschafft. In den regionalen Zeitungen hat es in den vergangenen Jahrzehnten große Fortschritte erzielt. Hält diese Tendenz weiter an, dann wird die Verwendung der beiden Schriftsprachen regionalisiert, mit einem Landesteil für Ny-
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norsk und drei für Bokmal. Diese Entwicklung besteht also trotz der Werbung für die Sprache und der mit ihr einhergehenden Ideologie, die ja gerade darauf abhebten, daß diese Schriftsprache die Dialekte im ganzen Land repräsentiert, was Bokmal weder tut noch zu tun vorgibt. Vielleicht kann man diese Entwicklung folgendermaßen erklären: Bis zum Zweiten Weltkrieg konnte die Sprachbewegung mit .norwegischer' und ,unnorwegischer' Kultur argumentieren. Nach dem Krieg hatte die nationale Rhetorik gegen Bokmal keine Wirkung mehr. In Kulturfragen konnte man nicht länger zwischen dem Nationalen und dem Nichtnationalen trennen, denn im Widerstand während des Krieges hatten alle Gruppen ihre nationale Gesinnung bewiesen (Jahr 1989, 88 u. 123). Während des Wiederaufbaus nach dem Krieg erlebte das Land eine sehr starke Zentralisierung, die allgemein als notwendig aufgefaßt wurde. Die Peripherie, wo Nynorsk am stärksten vertreten war, erfuhr dann eine starke Abwanderung und verlor an kulturellem Selbstvertrauen. Während einer Auseinandersetzung über die Schulsprache in den 60er Jahren wurde z.B. Nynorsk mit einem Pferd und Bokmal mit einem Traktor verglichen. Diejenigen, die daran interessiert waren, das Land zu modernisieren, sahen Bokmal als die Sprache der Zukunft. Diese Ideologie stieß um 1970 auf starken Widerstand. Zu dieser Zeit wandelte sich die politische Debatte, und die Wirtschaft in den Distrikten wurde gestärkt. Die Landesteile entlang der Küste entwickelten sich stark, was neues kulturelles Selbstvertrauen erzeugte. Damit gewann die Pflege der regionalen Kultur an Bedeutung. So wurden in allen Landesteilen regionale Theater gegründet, und die Bevölkerung begann, die Verwendung von Dialekten in öffentlichen Zusammenhängen positiv zu bewerten. Es erschien nunmehr als Vorzug, seine regionalen Wurzeln zu zeigen, indem man an seinem Dialekt festhielt. Bei der Entwicklung regionaler Kennzeichen ergab es sich ganz natürlich, daß Nynorsk in Westnorwegen verwendet wurde, denn dort hatte es von vorher schon eine starke Stellung gehabt. In den anderen Landesteilen war es eine Sprache der Minderheit und schaffte es nicht, zum Symbol für die Region zu werden. Dort zeigte sich die sprachliche Regionalität nur in der gesprochenen Sprache, nicht in der Schrift. Somit hat die Kultivierung der Sprache als eines kulturellen Objekts einen weiteren Schritt vom Nationalen zum Regionalen getan. Das geschah allerdings nicht insofern auf Kosten des nationalen Elements, als beide Sprachvarianten als norwegische Nationalsprachen aufgefaßt werden. Der historische Aspekt des Sprachbegriffs spielt heute nur eine untergeordnete Rolle; die Sprachvarianten werden als Ausdruck der Gegenwartssprache betrachtet.
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19. Immer noch ein nationaler Streit? M a n kann den norwegischen Purismus gegen das Angloamerikanische als Ausdruck einer modernen nationalen Sprachpolitik betrachten. Die Skepsis gegenüber modernen Lehnwörtern englischer Herkunft ist in Norwegen relativ groß, nicht nur unter Sprachwissenschaftlern, sondern auch in der Bevölkerung. Intensiver Gebrauch von Anglizismen wird als affektiert und als Imponiergehabe gedeutet. Viele Anglizismen werden daher durch neu gebildete norwegische Wörter, die semantisch durchsichtiger und in der Struktur stärker dem Norwegischen angepaßt sind, ersetzt. In den Fällen, in denen sich gute Lehnübersetzungen kaum finden lassen, werden die englischen Wörter oft der norwegischen Aussprache und Beugung angepaßt. D a r u m werden Wörter wie job, juice, jazz norwegisch /job, j»:s, jas/ ausgesprochen und sowohl norwegisch geschrieben als auch flektiert, z.B.jobben = ,the job'. Diese Art der Anpassung ist so sehr verbreitet, daß der Prozeß fast von selbst läuft, ohne Steuerung durch das Organ der Sprachpflege Norsk spräkräd (,Rat für Norwegische Sprache'). Insgesamt ist dieses sprachpflegerische Verhalten Ausdruck einer demokratischen und gesellschaftsnahen Haltung: Die Gemeinsprache soll gestärkt und die Entwicklung unnötiger Sonderformen vermieden werden. Wird gefordert, diese Anti-Anglifizierungsarbeit zu verstärken, dann geschieht das häufig mittels des Arguments, die norwegische Sprache gegen Druck von außen verteidigen zu müssen. In dieser Argumentation spiegelt sich der Drang nach einer nationalen Selbstbehauptung. Auch allgemeinpolitisch finden Initiativen breite Unterstützung, die die Wahrung norwegischer Eigenart z u m Ziel haben. So hat bei zwei Volksabstimmungen über die Mitgliedschaft in der E U (1972 und 1994) die Mehrzahl der Bevölkerung dafür gestimmt, daß sich das Land nicht u m Mitgliedschaft in einer europäischen Union bemühen solle, die politische und wirtschaftliche Grenzen abbaut. Diese Abstimmungsergebnisse kamen trotz der Gegenargumente zustande, wonach der Zusammenschluß in größeren wirtschaftlichen Einheiten auf längere Sicht unvermeidbar sei und Norwegen ansonsten zu einem rückständigen Außenseiter in Europa werde. Dieser nationale ,Trotz' wurde allerdings durch eine positive wirtschaftliche Situation begünstigt und ist nie von langanhaltenden ökonomischen Krisen auf die Probe gestellt worden. [Übersetzt von Dagmar Bendt und Andreas Gardt]
Nation und Sprache: das Norwegische
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ANHANG Karte 1: Norwegen im Mittelalter
Bischofsitz norwegisches Reich unter Harald Hlrfagre um 890 gegenwärtige Reichsgrenze gegenwärtige schwedische Länder, die im Hochmittelalter und bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts zum norwegischen Reich gehörten
Karte 2: Nynorsk in der Grundschule (1991)
£0stfold
— Grenzen der Amtsbezirke = fur 50-100% der Schüler wird der Unterricht auf Nynorsk gegeben IUI für 0,1-50% der Schüler wird der Unterricht auf Nynorsk gegeben
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Helge Sandoy
20. Literatur 1.
Quellen
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Nation und Sprache·, das Norwegische
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Namenregister Aasen, Ivar 892ff. Abbe Gregoire 698 Abbt, Thomas 176 Adalhard von Corbie 23 Adelung, Johann Christoph 184 ff., 230, 261, 307, 445, 529 f., 533 f. Agricola, Johannes 129 Albertus, Laurentius 130 Alexander der Große 838 Alexanderl. 784 Alexander II. 785 Alexander von Roes 52 Alfons IX. von Kastilien 77 Alfred der Große 9 Alkuin 21 Alonso, Dämaso 665 Althamer, Andreas 125 Alvarez, Arturo Costa 665 Andrian-Werburg, Viktor von 536 Anno II. 55 Antesperg, Johann Balthasar von 530 Antioch Kantemir 775 Anton, Karl Gottlob 315 Arndt, Ernst Moritz 234, 373, 376, 567 Arnim, Achim von 376 Arntz, Helmut 255 Asbjemsen, P. Chr. 892 Augustus 58 Aventin[us] s. Turmair, Johannes Bach, Adolf 256, 334, 336, 427, 431 Baege, Max 303 f. Balbi, Adrien 255 Baibin, Bohuslav 837 Baldemann, Otto 82 Bamberger, Ludwig 368 Barthes, Roland 336 Basil, Otto 551 Bastian, Adolf 255 Bauer, Otto 542 Bäuerle, Adolf 534 Beauzee, Nicolas 316 Bebel, Heinrich 105, 107 ff., 120 Becher, Johann Joachim 146
Beilin, Johannes 143 Beneä, Eduard 851 Bernhardi, August Ferdinand 210,216, 315 Bernoläk, Anton 847 Bemward von Seckau 69 Berthold von Graisbach 79 Bertuch, Friedrich Justin 254 Beyer, Absalon Pedersson 876 Birken, Sigmund von 142 f. Bismarck, Otto von 537 Bjornsen, Bjemstjeme 898 Bobrikov, Ν. I. 786 Bodmer, Johann Jacob 171, 173, 192 ff., 360 Boemus, Johannes 117 Böhme, Jacob 156,173 Bolzano, Bernard 841 Bonde, Karl Knutsson 873 f. Bopp, Franz 326 Bouillus, Carolus 690 Brant, Sebastian 107, 116, 120 Breitinger, Johann Jacob 171, 192 ff. Brentano, Clemens 351 Brasses, Charles de 316 Bruck, Arthur Moeller van den 201 Bruckmüller, Ernst 527 Brugger, Josef 263, 440 Buchner, August 142 Bühler, Karl 429 Bürger, Gottfried August 317 Butschky, Samuel 310 Caesar, Gaius Julius 55 ff., 62 f. Campe, Joachim Heinrich 189ff, 307f., 567 Carreter, Fernando Läzaro 660 Cassirer, Ernst 266, 306, 430 Castelli, Ignaz Franz 534 Celtis, Konrad 105 ff, 118 f., 124, 127 Charles VIII. 683 Charles IX. 695 Chaucer, Geoffrey 618 Cheraskov, Michail 769 Churchill, William 637
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Namenregister
Claius, Johannes 129 Cochläus, Johann 110 Cohn, Gustav 359 Comenius, Johann Arnos 145, 151,837 Condillac, fitienne Bonnot de 322 Curtius, Ernst Robert 265 Danielson, J. R. 786 Danilevskij, Nikolaj H.J. 808 Dante Alighieri 104, 172 Dass, Petter 884 Dasypodius, Petrus 128 Dauzat, Albert 336 Der Stricker 66 Descartes, Rene 178,260 Dilthey, Wilhelm 265 Diouf, Abdou 726 DobrovskyJ o s e f 807, 839 Doleial, Pavel 845 Douglas, G. 618 Dschingis Khan 758 Du Marsais, Cesar Chesnau 315 f. Dudan, Camille 706 Duden, Konrad 540 Dürrenmatt, Friedrich 569 Eduard I. 68 Eike von Repgow 48 f., 54, 80 Einhard 30 Elias, Norbert 363 Engelbrektsson, Olav 874 Engels, Friedrich 357 ff. Entralgo, Pedro Lain 663 Erasmus von Rotterdam 107 f. Erdmann, Karl Dietrich 552 Eyb, Albrecht von 112 Fabricius, Johann Andreas 319 Fändly, J. 848 Felbiger, Sagan Johann Ignaz (von) 529 Ferdinand von Aragonien 648 Fichte, Johann Gottlieb 202, 214, 216 ff., 266, 426, 430, 453, 526 Ficker, Julius von 537 Figl, Leopold 545, 550 Fischart, Johann 123 Fjertoft, Olaus 895 Flacius Illyricus, Matthias 128 Flodoard von Reims 20 Fontane, Theodor 265, 425 Franck, Sebastian 425 Francis I« 693
Frangk, Fabian 126 Franz II. (I.) 535 Frechulf von Lisieux 21 Freiherr vom Stein 230 Friedrich I. Barbarossa 51 Friedrich II. 67,75 Friedrich II. von Preußen 360 Friedrich von Österreich 79 Friis, Peder Clausson 884 Geiger, Lazarus 254 Gerdau, Hans 255 Gerner, Henrik 882 Gervinus, Georg Gottfried 376 Geßner, Konrad 127 f. Giscard d' Estaing, Valery 710 Gleich, Alois 534 Gobineau, Joseph Arthur Comte de 251 Godet, Philippe 706 Goethe, Johann Wolfgang von 213, 233, 355ff, 367 Gonzalez, Felipe 660 Gorbatschow, Michail 790 Görres, Josef 230 Gotlaender, Seren Poulsen 882 Gottfried von Viterbo 52 Gottschalk der Sachse 21 Gottschedjohann Christoph 173, 184ff, 192, 445, 528f. Gottskälksson, Oddur 881 Gregor VII. 50, 53,58,62 Grillparzer, Franz 534 Grimmjacob 200, 229 ff, 256 ff., 305, 325 f., 327, 336, 426, 453, 456, 526, 567 Grimm, Wilhelm 229 ff. Grundtvig, N. F. S. 889 Gryphius, Andreas 142 Gueintz, Christian 142, 152, 155, 426, 452 Günther, Hans 255 Hadrian I. 14 Haito von Reichenau 22 Hamann, Johann Georg 321 Hansson, Laurents 877, 881 Harris J a m e s 322 Harsdörffer Georg Philipp 142 f., 148, 171 Hartmann von Aue 52, 57 Hattala, Martin 851 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 216, 526 Heinrich der Löwe 63
Namenregister Heinrich I. 48 f., 60, 79 Heinrich II. 48, 52 Heinrich III. 48 Heinrich IV. 50, 53, 58, 62, 89 Heinrich V. 51,53 Heinrich VII. 67,75 Henri IV 693 Herder, Johann Gottfried 192 ff., 200,204, 214, 259, 266, 362, 369f., 430, 526 Heß, Georg 316 Hesse, Eoban 108 Heyse, Johann Christian August 308 Hielm, Jonas Anton 891 Hildebrand, Rudolf 230, 329 Hille, Carl Gustav von 142, 151, 154, 157, 173 Hirt, Hermann 254,257,456 Hodia, Michal Miloslav 849 Höfer, Matthias 534 Hoffmann, Leopold Alois 528 Holly, J. 848 Holtei, Karl von 539 Hormayr, Joseph von 535 Hrabanus Maurus 21 Hrauda, Carl Friedrich 543, 548 f. Humboldt, Alexander von 230, 255 Humboldt, Wilhelm von 179, 185, 190, 202, 209,215, 255,259,262,266, 323 f., 335, 366, 373, 430 Hurban, Jozef Miloslav 849 Hus, Jan 768, 833ff. Hutten, Ulrich von 121, 371 Inglin, Meinrad 564 Innozenz III. 54, 62, 81, 84 Isabella von Kastilien 648 f. Isto, Edvard 786 Iwan III. 754, 763, 765, 770 Iwan IV. 764, 766 f., 770, 783 Jahn, Friedrich Ludwig 233, 373 Jandyt, Vaclav 838 Jans Enikel 78 Jaroslaw der Weise 757 Jaspers, Karl 295 Jens, Walter 230 Jenssen, Christen 885 Jesaias der Grieche 762 Johann IV., Bischof von Prag 833 Johannes XXII. 62 Joseph II. 531 f., 838 Jungmann, Josef 840
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Kant, Immanuel 362 Kantzow, Thomas 118 Karamzin, Nikolaj 776 Karl der Große 11, 16, 22, 29, 39, 52, 63, 129, 153, 172 Karl I. (Kaiser Karl V.) 95, 648 Karl II. der Kahle 20 Karl III. 650 Karl IV. 83, 85 ff., 831 Kasimir Graf Badeni 539 Katharina II. 772 ff., 782 Kaulfuss, Jan Samuel 315 Keller, Gottfried 565 Kiliaan, Cornelius 129 Kireevskij, Ivan 809 Klaj, Johann 143 Kleist, Heinrich von 200 Klemm, Christian Gottlob 529 Klopstock, Friedrich Gottlieb 221, 369, 371 Knudsen, Knud 896 Koch, Theodor 230 Kolbe, K. W. 200, 219 Kollär, Jan 535, 841, 848 f. Konrad II. 48 Konrad III. 63,73 Konstantin IX. 768 Kossuth, Lajos 536 Kostmann, Jenö 548 Kraus, Karl 544 Kringsteiner, Ferdinand 534 Kristian I. 873 f. Kristian III. 877f. Krug, Wilhelm Traugott 308 Krylov, Ivan 776 Küchelbecker 776 Kunitsch, Michael 533 Lachmann, Karl 238 Lambert, Johann Heinrich 320 f. Lampert von Hersfeld 51 Langbein, Otto 547 Lazius, Wolfgang 128 Leibniz, Gottfried Wilhelm 145, 161, 177 ff., 252, 260, 426, 445 Lenin, Wladimir Iljitsch 789 ff. Lessing, Gotthold Ephraim 360 Lewi, Hermann 539 Leygues, Georges 705 Liebknecht, Karl 440 Lindemayr, Maurus 530 Linne, Carl von 251
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Namenregister
List, Friedrich 359 Liudger von Münster 23 Liutfrid von Trient 18 Llorach, Emilio Alarcos 661 Locher, Jakob 119 Logau, Friedrich von 142 Lomonosov, Michail 776 Longolius, Johann Daniel 174 Lorca, Frederico Garcia 659 Louis XI. 682, 693 Lowth, Robert 315 Ludwig der Bayer 62, 79 f., 83 Ludwig der Deutsche 16, 20, 24, 26 Ludwig der Fromme 24, 31 Ludwig von Anhalt-Köthen 155, 171 Ludwig XIV. 650, 696 Luick, Karl 540 Luipold von Osterreich 79 Lupoid von Bebenburg 52, 82 Luther, Martin 107,110,112, 121,153, 189, 309, 365 Lysura, Johannes 76 Maaler, Josua 128 f. Mackensen, Wilhelm 319 Mann, Thomas 225 Mannerheim, Carl Gustaf 779 Manuel, Niklas 108 Marek, Yves 713 Maria Theresia 528 f. Martin, Benjamin 315 Marx, Karl 357ff., 790 Masaryk, T. G. 851 Maximilian I. 113, 115, 124 Meier, Harri 644 Meierotto, Johann Heinrich Ludwig 316 Meinecke, Friedrich 526 Meisl, Karl 534 Meister, Leonhard 360 f. Meisterlin, Sigmund 425 Melanchthon, Philipp 107 Mencken, Henry Louis 625 Menendez Pidal, Ramon 651, 661 Menzel, Wolfgang 364 Mertian, Ignatz 314f., 317, 320 Meyfart, Johann Matthäus 172 Miege, Guy 315 Moe, Jorgen 892 Moll, Aina 658, 664 Monomach, Wladimir 768 Moscherosch, Johann Michael 142 f. Moser, Justus 361
Moser, Karl von 364 Moth, Mathias 883 Motte Fouque, Friedrich de la 223 Müller, Adam 526 Müller, Friedrich 256 Müller, Max 898 Munch, P.A. 890, 894 Münster, Sebastian 425 Muschg, Adolf 352 Nadler, Josef 201 Nagy, Moses M. 336 Napoleon I. Bonaparte 217 Nebrija, Antonio de 649 Nedoier, Vavfinec Benedikt ζ 845 Neidhart von Reuenthal 77 Nestroy, Johann 534 Neumann, Jacob 893 Neumark, Georg 142f., 147, 159 Newskij, Aleksandr 761 Nicoliier, Jean 706 Nikolai II. 786 f. Notker der Deutsche (Teutonicus) 8, 34, 54,59 Novalis (Friedrich Freiherr von Hardenberg) 205f„ 376 Oberrheinischer Revolutionär 123 Olav Haraldsson 871 Olearius, Tilmann 158 Opitz, Martin 142, 153, 445, 775 Ordin, K. F. 785 Ortega y Gasset, Jose 651, 659 Otfrid von Weißenburg 21, 25, 30, 76, 127 Otto I. (der Große) 37, 48 f., 60 Otto I. von Freising 51, 62, 72 Otto II. 18,63 Otto III. 35,48,61, 66 Otto IV. 62,67,74 Ottokar II. von Böhmen 73, 88 Palacty, FrantiSek 536, 842 Paschasius Radbertus 23 Pehem, Joseph Johann Nepomuk 532 Perion, Joachim 690 Peter I. 751, 770ff., 782, 804 Peter von Andlau 52 Petersen, Julius 201 Petris, Olaus 875 Pfaffe Konrad 52 Philipp Graf Stadion 535 Philipp von Anjou (Philipp V.) 649 f.
Namenregister Philipp von Schwaben 62 Philipps, Jenkin 315 Piccolomini, Enea Silvio 105, 117 Pirckheimer, Willibald 108 Piron, Claude 336 Ponat, Georg Leopold 181 Popowitsch, Johann Valentin Siegmund 529, 531 Pott, August Friedrich 252 Priestley, Joseph 316 Pudor, Christian 310 Pujol, Jordi 660 Puschkin, Alexander 776 f. Qyartenoud, Jean 706 Raimund, Ferdinand 534 Ramus, Jonas 884 Ramuz, C. F. 596 Ratke, Wolfgang (Ratichius) 426 Reimer, Karl 234 f. Renan, Ernest 645, 865 Renner, Karl 542 Rhenanus, Beatus 127 Richard von Cornwall 77 Richter, Joseph 534 Riederer, Friedrich 111 Ringel, Erwin 550 Rist, Johann 142 f. Rivarol, Antoine de 318 Rivera, Prima de 659 Roback, Abraham Aaron 336 Rollenhagen, Georg 106 Rompier von Löwenhalt, Jesaias 142 Rosa, Vaclav 837 Rosenkranz, Karl 372 Rotth, Christian 150 Rousseau, Jean Jaques 210, 214, 370 Rüdiger, Johann Christian Christoph 315 Rudolf von Habsburg 67, 69, 425 Rudolf von Schwaben 51 Sacy, Antoine-Isaac Silvestre de 315 Sa:bjornsson, Anders 881 Safafik, Pavel Joseph 535,849 Salvador, Gregorio 661 ff. Sanders, Daniel 230, 236 f. Schärf, Adolf 545 Schelling, Friedrich Wilhelm 205 Schemann, Ludwig 251 Scherer, Wilhelm 374 Schill j o h a n n Heinrich 148,172
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Schiller, Friedrich 175, 213, 238, 360ff. Schlegel, August Wilhelm 205-208, 210-215, 220f., 225, 256, 259, 376 Schlegel, Friedrich 205,209f„ 220ff„225, 261, 376 Schleicher, August 261 Schmiedel, Franz Leopold 533 Schnabel, Marcus 887 Schönerer, Georg (von) 538 Schöning, Gerhard 886 Schorer, Christoph 145, 218 Schottelius, Justus Georg 142 ff., 149, 155, 158, 161, 171 ff., 256, 310 ff., 445, 453 f. Shirley, James 315 Siebs, Theodor 540 Sierck, Jakob von 76 Smaragd von St. Mihiel 21 Snellman, J. V. 785 Sonnenfels, Joseph von 529 Sophie Friederike von Anhalt-Zerbst 774 Spalatin, Georg 118 Span, Martin 533 Spitzer, Leo 265 Stalin, Jossif Wissarionowitsch 789 ff. Staphylus, Friedrich 189 Stephanus, Henricus 690 Stephanus, Robertus 129 Stieler, Kaspar 142 f., 150, 154, 158 f., 309, 312 f. Stroh, Fritz 265, 333 Strom, Hans 886, 893 Stür, L'udovit 848 ff. Suger von St. Denis 53 Sumarokov, Aleksandr 776 Svinhufvud, P. E. 786 Sybel, Heinrich von 537 Syv, Peder 883 Tacitus, Publius Cornelius 23, 119, 124, 172, 365 Tamaron, Marques de 666 Tassilo von Bayern 14, 21 Tejero, Antonio 659 Thiebault, Dieudonne 314 Thomasin von Zirclaere 70 Thomasius, Christian 183 Thun, Johann Matthias von 842 Tieck, Ludwig 376 Tiedemann, Dietrich 318 Töllner, Justinus 313 f. Tomasson, Jorgen 884
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Namenregister
Tfanovsky, Jifi 845 Trattner, Johann Thomas (von) 529 Tredjakovskij, Vasilij 775 Tremblay, Frain du 214 Trier, Jost 179 Trippault, Leon 690 Trithemius, Johannes 118, 125, 127, 129 Tscherkasska, Marija 770 Tschudi, Aegidius 124 Tura, Jordi Sole 663 Turmair, Johannes, ( = Aventin[us]) 110, 124 f., 425 Twinger von Königshofen, Jakob 90 Ulbricht, Walter 277 Varnhagen von Ense, Karl August 234 Vater, Johann Severin 254 Veleslavina, Daniel Adam ζ 835 Viterbo, Annius von 123 Vollbeding, Johann Christoph 319 Wachler, Ludwig 374 Wagner, Max Leopold 336 Walahfrid Strabo 9, 21, 23 Walther von der Vogelweide 71 ff. Wandruszka, Mario 336
Ward, William 317 Wasilij III. 765, 770 Wasilij IV. 770 Webster, Noah 624 Weisgerber, Leo 179, 266, 430 Welhaven.J. S. 891 Wenzelll. 83,85 Wenzel IV. 833 Wergeland, Henrik 890 Wieland, Christoph Martin 171, 176, 188, 369 Wilhelm II. (Kaiser) 440 Wimpfeling, Jacob 119 Winkelmann, Hans Just 153 Wladimir I. 755 Wolff, Christian 183 Wolfram von Eschenbach 56, 64 Wulfila 9 Wundt, Wilhelm 304 Wurm, Christian Friedrich Ludwig 230, 23 6 f. Wyle, Niklas von 110 Zerotina, Karel der Ältere ζ 835 Zesen, Philipp von 142 f., 157, 310 Zilk, Helmut 522 Zirinovskij, Vladimir 809
Sachregister Abasinisch 793 Absolutismus 141, 694 Abstammung 296, 421 ff. Academic Frangaise 213, 696, 709 Accademia deUa Crusca 885 Adel 62, 103, 143, 180, 185 - böhmischer 842 Afrika 664 - frankophones 718 Afi-ikaans 632 agglutinierende Sprachen 255, 260 Aissor 794 alamodische Fremdwörter 312 Albanisch 385 Akman 65 Alemannen/Alemannisch 30, 48, 192 f., 515 Algerien 717 Allgemeiner Deutscher Sprachverein 331 Alltagskommunikation mündliche s. mündliche Alltagskommunikation Alltagskultur 297 Altfranzösisch 47 Althochdeutsch 13 Altitalienisch 47 Altkirchenslawisch 770 Altnordisch 890 Altnorwegisch 885, 879, 890 Altrussisch 770 altrussische Kultur 755 ff. amerikanisches Englisch 624 ff. amerikanisches Spanisch 665 Amtssprache 473 ff, 646 Amtssprachen der EG 483 Analogie 454 A N C 632 Ändert Regime 697 Andalusisch 662 Anglizismen 491, 728, 902 Annolied 48, 5 5 f f , 63, 74 Anthropologie 249 ff. anthropologische Identität 250 antik-rhetorische Tradition s. Rhetorik Antiqua 242
antisemitischer Rassismus 252, 368 Apartheid 632 Aquatorialguinea 664 Arabisch 211, 717, 783 Aragonesisch 662 Arbeitsmigranten 481 arisch 253 Aserbaidschan 796 Asien 664 Asturisch 662 Aufklärung 152ff, 169ff, 177, 181 f., 186, 190, 203, 210, 232, 528, 774, 847, 886 ff. Australien 63 6 ff. Austriazismen 514, 523 auswärtige Kulturpolitik 495, 501 Babylonische Sprachverwirrung 123, 146, 156, 452, 689 Baltikum/Baltisch 385, 501 Barbados 628 Barbarismusvorstellungen 106 Barock 145, 173, 249 barocke Sprachgesellschaften s. Sprachgesellschaften des Barock barocke Sprachreflexion 311 barocke Sprachtheorie s. Sprachtheorie des Barock Baskenland/Baskisch 645 ff, 698 Bayern/Bairisch 30, 35, 48 f., 58 ff, 61, 78, 81, 84, 833 behemisch gezung 91, 92 Belgien 475, 5 0 9 f f , 716 Belgismus 514 Bengali 634 Bewußtsein, kollektives 365 Bibel 24, 112, 156, 170, 189 Bibelübersetzungen 107 Bildung/Bildungsbegriff 174, 495 ff. Bildungsbürgertum 170, 3 5 0 f f , 371 ff. Bilingualismus in Rußland 802 Bohemismus 839 Böhmen, Landespatriotismus 839 Böhmen/Böhmisch 82 ff, 88 f., 827 ff. Böhmische Brüder 835
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Sachregister
böhmischer Adel s. Adel, böhmischer Bojaren 754 Bokmäl 899 ff. Bozen-Südtirol 473 ff, 509 ff. BRD-geprägter Wortschatz 287 Bretonisch 687, 698 brevitas 184 Buchdruck 108 Bühlersche Grundfunktionen der Sprache 429 ff. Bundesdeutsch, 297 Bundesregierung 485 Bundesrepublik Deutschland 273 ff, 435f., 496, s.a. Deutschland Bürgertum 143, 170, s.a. Bildungsbürgertum Buren 632 Burgund/Burgunder 30 Burjatien 796 Burkina Faso 720 Caesar-Mythos 57 Chauvinismus 200, 226 Chinesisch 186, 213, 252, 261, 324, 484 Christentum in Rußland 748 Christentum und Kirche in Norwegen 870 copia 182 ff. cuius regio, eius lingua 685, 695 Dänisch 483, 488, 875, 879, 883, 896 D D R 2 7 3 f f , 283, 351, 437, s.a. DDR, charakteristische Sprachformen DDR, charakteristische Sprachformen 291, 277, 286 Denken und Sprache 152, 177f., 179, 185, 190, 194, 214 ff, 220, 223 f. 255, 258 f., 266, 320, 324, 430 deutlich/Deutlichkeit 184 Deutsch - als Amtssprache 473, 505 - als Arbeitssprache 487 - als Fremdsprache 482, 497 ff. - als Minderheitssprache 477 - als Wissenschaftssprache 503 - als Zweitsprache 482 ff. - Grammatikschreibung 127 - Alter 155 - Aufwertung 181 - strukturelle Charakterisierung 385 ff. deutsch, Etymologie und Wortgeschichte 8 ff, 47 ff, 118, 155, 425
deutschblütig 253 deutsch-deutsche Sprachentwicklung 279 deutsch-deutsches Verhältnis 274 Deutsche Gesellschaften 174 deutsche Hochsprache im 18. Jahrhundert 364 deutsche Kultur 495 ff. deutsche Lande 91 deutsche Muttersprache 531 deutsche Nation 7 6 f f , 113 ff, 250, 278, 283f., 294, s.a. Nation deutsche Nationalität der Kurfürsten 87 deutsche Nationalsprache s. Nationalsprache deutsche nationalsprachliche Varietäten 277, 295 deutsche Philologie 202, 232, 243, 354, s.a.: Sprachwissenschaft, s.a. Germanistik deutsche Sprache als didaktisches Mittel 109 deutsche Sprache im Ausland 499 deutsche Spracheinheit 281 deutsche Sprachkultur 107 deutsche Verwaltungssprache 530 Deutsche Wolgarepublik 481 deutsche Zunge 76 ff. deutscher Sprachgeist 303 ff. deutsches gezung 94 deutsches Identitätsproblem 61, s.a. Identität deutsches Reich 48, 75, s.a. Reichsgeschichte Deutsches Wörterbuch 229 ff. deutsch-französischer Krieg 250 Deutschland 2 2 0 f f , 273, 297, 472, 496, 5 0 9 f f , s.a. Bundesrepublik Deutschland Deutschland, Wortgeschichte 69 ff. Deutschlandismus 514 deutschsprachige Minderheiten 509 ff. Deutschtum 201, s.a.: Germanen; Germanenmythos Dialekt 141, 446, 455 ff, 515 Dialektrenaissance 458 Dichtersprache 106 Didaktik 170 dietsch 36 Diot 7 ff. Diskurs 273f.,288 diutisk s. deutsch, Etymologie und Wortgeschichte
Sachregister dpnsk tunga 866 ff. Dreißigjähriger Krieg 140, 145, 249, 695, 835 dutch 36 Eigenklassifikation 435 Eigentlichkeit deutscher Wörter 160 Einzelsprache, Natürlichkeit 424, 464 elegantia 182 Empirismus 203 England 616 ff. Englisch 212, 387ff„ 483f„ 488, 492f., 504, 613 ff, 676 - in Großbritannien und Irland 614 ff. - amerikanisches 624 ff. - australisches 636 ff. - in Ubersee 621 ff. - im Unterricht 623 epistemologische Leistung von Sprache 320, 324, 392ff., s.a. Denken und Sprache Ergativität 392 ff. Erkenntnisfunktion 4 2 9 f f , s.a. Denken und Sprache Erster Weltkrieg 250 Erziehungsbegriff 174 Estland/Estnisch 777, 793, 796 Estrangelo 794 Ethnie 248 ethnikös 9 ethnische Identität s. Identität, ethnische ethnische Säuberungen 427 ethnischer Nationsbegriff 526 ethnogenetische Assoziationen 31 Ethnolinguistik 430 Ethnologie 249 ff. Etymologie 155, 241 Europa 224, 428, 461, 471 ff. Europäische Gemeinschaft 483 europäische Sprachen 388 ff, 481 Europäische Union 486, 522 Europarat 485, 860 Eurozentrismus 250, 252, 439 Evenki 793 Fachsprachen 170 Fachwortschatz 182 Färöisch 387 ff. Finnisch 783 ff. flektierende Sprachen 255, 260 Flexion 327, 395 ff. Flug- und Kampfschriften 112
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Formularbücher 111 Fraktur 242 Francis als Sprachbezeichnung 691 ff. Francia/Franci 48, 51 f., 66 franciscus 25 Francuslegende 690 franglais 711 Franken 7ff„ 30, 48f„ 52, 58, 60f„ 78, 84, 118, 125 Fränkisch 39, 61 frankistische Sprachpolitik 662 frankophones Afrika 718 Frankophonie 627, 673 ff. Frankoprovenzalisch 697 Frankreich 217, 222, 249, 373, 435, 682ff. Franzosen 200, 223, 248 Französisch 56f., 147, 154, 171, 212, 218, 249, 3 8 7 f f , 483f., 488, 493, 5 0 9 f f , 647, 673 ff, 682, 694 f., 702, 793 Französische Revolution 72, 203, 697 französischer Nationalstaat 682 Fremdwörter, alamodische s. alamodische Fremdwörter Fremdwörter/fremde Sprachen 151, 153, 183, 186ff, 200, 217ff, 249, 308, 312, 506 Fremdwortpurismus s. Purismus frenkisg 25 Fruchtbringende Gesellschaft s. Sprachgesellschaften des Barock Frühe Neuzeit 169, 181, 189, 648 Frühromantik 217, 220, s.a. Romantik Funktion von Sprache, erkenntnistheoretische 324 Funktionen von Sprache, Bühlersche 429 ff. Funktionsenkodierung 386 ff. Galicisch 645 ff. Gälisch 619 f. Gallia 48 Gallier 124 gallo-griechische Theorie 124 Gastarbeiter 481 Gebrauchssprache 241 Gegenreformation in Böhmen 845 Geist der Nation 215 Geist der Sprache s. genie de la langue Gemeinschaft 420 ff. Gemeinschaftsbildungen, ihre Geschichtlichkeit 421 Genealogie der Sprachen 154
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Sachregister
genetischer Nationsbegriff s. Nationsbegriff, genetischer genie de la langue! Genie der Sprache/ Genius der Sprache/ Geist der Sprache 175, 247, 305 ff. gens 30, 58, 831 Georgien 485 Germanen 118, 124, 172, 254 ff., 328 Germanenmythos 172, 254 ff, Germania 48, 86 Germania des Tacitus 172, 365 germanicus 21, 23, 25, 31, s.a. deutsch, Etymologie und Wortgeschichte Germanisch 172, 253 ff, germanische Sprachen 38, 387ff. germanisch-romanischer Kulturkreis 808 Germanistik 231, 354, 526, s.a.: deutsche Philologie; Sprachwissenschaft germano-griechische Theorie 125 Geschichte 202, 209, 213, 421 ff. Geschichtlichkeit von Gemeinschaftsbildungen 421 Geschichtsnation 434, s.a. Nation Gesellschaft 202, 440 gezunge 114 Globalismus 439 Goethe-Institut 495 ff. Goldene Bulle 8 3 f f , 87, 94 Goldenes Zeitalter des Tschechischen 835 Görz 78 Gotisch 9 Göttinger Sieben 231, 244 Grammatik, inhaltsbezogene 430 Griechisch 106, 154, 172, 385, 483, 488 Großbritannien 614 ff. Großmährisches Reich 827 Grundrichtigkeit 454 Guyana 628 Habsburger 67 Handlungsfunktion, sprachliche 213 Harmonie 217 Hebräisch 106, 154, 172, 211 heilige Sprachen 130 Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation 93 ff, 116 Heliand 23, 31, 39 Helvetismus 514 Hermeneutik 202, 212, 220, 226 Hindi 634 Hin Motu 635
Hispanität 665 historisch-genetische Betrachtung 446 Hochdeutsch 61,169 ff., 171,177 ff, 186 ff, 193, 446 hochsprachliche Norm 458 Humanismus 103 ff. Humanismus in Norwegen 875 Hundertjähriger Krieg 682 Hungarismus 848 Hussiten 91, 833 ff. Hypostasierung von Sprache 247 Iberische Halbinsel 648 idealistische Sprachtheorie 210, 266, 430, s.a. Denken und Sprache Identität (und Sprache) 4 9 f f , 88, 115, 183, 188,203,356,436ff, 461, 626, 635, s.a.: Identität, ethnische; Identität, nationale; Identität, kulturelle; Identität, staatliche Identität, anthropologische 250 Identität, ethnische 113, 118, 172 Identität, individuelle und kollektive 296 Identität, kulturelle 113, 145 Identität, kulturell-ethnische 250 Identität, nationale 115, 145 Identität, staatliche 103, 113 Identitätsbestimmung, kulturell, ethnisch, staatlich 113 Ideologie der Sprachgeschichtsschreibung 462 ideologische Indoktrination sprachwissenschaftlicher Darstellungen 275 ideologische Interpretationen von Sprachen 248 ideologischer Diskurs 273 Illokutionen, politische 289 Imperium Romanum 51 ff, 58 f., 75 Indien 633 ff. indoeuropäische Sprachen 385ff. Indogermanisch 253 ff, 452 Ingrisch 780 inhaltsbezogene Grammatik 430 Internationalismus 439 Irisch 620 f. Irland 614 ff, 620 f. Ischorisch 780f., 793 Islam 782 Island/Isländisch 3 8 7 f f , 867ff. isolierende Sprachen 255, 260 Italien 109, 119, 509f., 688 Italienisch 154, 483 f., 493, 509 ff, 697
Sachregister Jamaika 628 Japanisch 484 Japhet 123 jazyk 88 Jiddisch 794 Josephinische Reformen 836 journalistische Formen 274 Jurakisch 793 Kaiserchronik 56, 63, 67, 73, 75 Kalmükisch 794 Kamerun 630 Kanada 626 ff., 721 ff. Kanzleien/Kanzleideutsch 110 Karaimisch 794 Karatschai-Balkarisch 793 Karibik 628 ff. Karlinge 52 Kärnten 78 Karolinger 14 ff. Kasachstan/Kasachisch 485, 793 Kastilisierung 650 Katalanisch 6 4 5 f f , 662, 697 Katalanismus 644 ff. Katalonien 645 ff. Keltisch 155,385 Kirche, russisch-orthodoxe 763 Kirchenslawisch 775 f. Kirgisisch 793 Klima 207, 210ff„ 225, 304 Klimatheorie 255 kognitive Funktion von Sprache s. Denken und Sprache kognitives Leistungsvermögen eines Volks 185, s.a. Denken und Sprache kollektives Bewußtsein 365 Kölner Dom 230 Kolonialismus, spanischer 664 Kolonialsprachen 476, 628 ff., 635 Kommunikation 213, 225 Kommunikation, rituelle 289 Kommunikationsgemeinschaft 293 Kommunikationskulturen 298 kommunikative Funktion der Sprache 178 kommunikative Leistungsfähigkeit von Sprachen 152 kommunikatives Handeln 435, 449 Kommunistische Partei der Tschechoslovakei 855 Kommunistisches Manifest 357 Konfession 421 ff. Königstitel 50 ff.
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Konstanzer Konzil 113 kontaktbezogene Sichtweise 463 Konversationskultur 160 Konzil 113 ff. Kosmopolitismus 203, 220, 226, 439 Kosovokrise 810 Kreolsprachen 628 ff. Kriegszüge, napoleonische 372 Krio 629 Kultur 248, 298, 421 ff. Kultur und Sprache 499ff. Kultur, deutsche s. deutsche Kultur kulturelle Identität s. Identität, kulturelle kultureller Nationsbegriff 222 kultureller Pluralismus 363 ff. Kulturnation 205, 222 f., 296 f., 424, 434, 526, 645, s. a. Nation Kulturpatriotismus 170, 180 ff, 249, 257, s.a. Patriotismus Kulturpolitik, auswärtige 495, 501 Kultursprachen 154 Kunst 202 Kunstwörter 182 Kurfürsten 84 ff, 94 Küstennorwegisch 881 Kyrillica 794 Ladinisch 509 ff. Langobarden 19, 30 langue d'oc 683 lant 69 ff. Latein 48 ff, 61, 104 ff, 120, 147, 154, 172, 181, 189 ff, 433, 688, 793 f. latinitas 152, 182 f. Lehnbildungen 111 Lehnwörter, russische 781 Lehnwortschatz 239 Leichtfertigkeit 212 Leitvarietät im Deutschen 170 Lettisch 793 Letzeburgisch 475, 509 ff. Lexikographen, französische 690 Lexikographie 128,189ff.,230ff.,265,s.a. Wörterbücher Lexikographie, norwegische 885 Liberia 629 Liechtenstein 436, 4 7 3 f f , 509ff. Liechtensteinismus 514 lingua barbara 23 Lingua franca 27, 491, 504, 648, 666 lingua ipsa Germanica 171 lingua rationalis 178 f.
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Sachregister
lingua rustica 23 lingua theodisca s. theodisca lingua lingua vulgaris 23, 104 linguistischer Diskurs 273, s.a. Sprachwissenschaft Litauen/Litauisch 793, 796 literarischer Patriotismus 369 Literatur 350 Literaturkanon 359 Literaturnation 359 Literatursprache 109, 241, 455 ff. literatursprachlicher Einheitsgedanke 129 Literaturwissenschaft, Vergleichende 356 Londoner Standard 618 Loi Toubon 706 Lothringen 48 f. Luciburgismus 514 Ludwigslied 27 Luxemburg 436, 473 ff., 509 ff. Machtpolitik und Sprachgeschichte 687 Mähren 827ff„ 858 Malaysia 635 manipulativer Sprachgebrauch 275 Meißen/Meißnisch 78, 170 f., 187 Mensch als zoon politikon 419 menschlicher Intellekt und Organismus 208,211 Metapher 173 Minderheiten, deutschsprachige 509 ff. Minderheitensprachen 477 ff, 514, 662, 703, 715 Minoritätensprachen s. Minderheitensprachen Mitteleuropa 484, 501 Moderne 349ff. Moral 248 Morphologie 410 ff. Moselfränkisch 515 Moskauer Staatsdoktrin 766 f. Moskowiterreich 763 ff., 769 Motivierungsgedanke, onomatopoetischer 453 Mundart 191 mündliche Alltagskommunikation 109 Muttersprache 106,112,121,180f., 185,189, 215, 267, 280, 293, 296, 313, 4 7 7 f f , 514, 531 Muttersprachmehrsprachigkeit 477 mythologisch/Mythologie/Mythos 173, 189, 202, 248, 305, 373, 433
Namengebung in Frankreich 700 Namibia 476 Napoleonische Kriege 250, 372 natio 114, 143, 832 natio Alamania 114 natio Alamannica 94 natio Anglicana 92 natio Behemica/Bohemica 91 ff, 834 natio Gallicana 92 natio Germanica 92, 94, 114 natio particularis 92 f. natio principalis 92 natio Teutonica 91 Nation 94 ff., 143, 177, 179 ff, 180, 186, 192, 202, 204 ff., 213, 215, 217, 222, 224, 248 ff, 250, 267, 278, 283 f., 293, 296, 324,350,359,428ff.., 440,472f., 5 0 9 f f , 613 ff, 643 ff, 653 ff, 673 ff, 747 ff, 8 2 5 f f , 8 6 5 f f , s.a.: Sprachnation; Staatsnation Nationalbewegungen 532 Nationalbewußtsein 116, 237, 526, 647, 825, s.a.: Patriotismus, Nationalismus Nationalbildung 362, 377 Nationalcharakter 175, 200,207,216,248, 365, National-Denkungsart 175 nationale (Sprach-)Varietäten 277, 285, 509 ff. nationale Ideen 532 nationale Identität s. Identität, nationale nationale Minderheiten in der ehem. Tschechoslovakei 856 nationale Semantik 430 nationale Symbole 229 nationale Variable 513 nationale Varietäten des Deutschen 285 National-Eigentämlichkeit 175, 212 Nationalerziehung 364 nationales Symbol 229 Nationalgedanke im italienischen Humanismus 115 Nationalgeist 175 f., 194 Nationalhymne 72, 373 Nationalisierungsprogramm in Frankreich 689 Nationalismus 113, 139ff, 199ff, 372, 614, 622, 646, 651, 777 ff., 783, 803 ff., s.a.: Sprachnationalismus; Patriotismus Nationalität 212, 293, 296, 352, 653 ff, s.a. Nation Nationalitätenkarte 427
Sachregister Nationalitätensprache 482, 645 Nationalkultur 145, 366, 368ff. nationalkulturelle Norm 459 Nationalliberalismus 368 Nationalliteratur 349 ff. Nationalphilologie 357, s.a. deutsche Philologie Nationalpolitik 437 nationalromantische Gedanken in Skandinavien 889 Nationalsozialismus 250, 264 nationalsozialistische Rassenideologie 208 nationalsozialistischer Sprachgebrauch 290 Nationalsprachbewertung 154 Nationalsprache 113, 119, 143 ff., 151, 171, 175, 182, 232, 237, 240f„ 258, 280, 293, 333, 351, 419 ff, 514 ff, 644 ff, 682, 694 f., 875 Nationalsprachenbewußtsein 113 Nationalsprachentheorie 428 Nationalstaat 248, 353, 532, s.a. Nation - französischer 682 - russischer 787 Nationalstaatgedanke in Rußland 778 Nationalstolz 366 Nationaltheater 360 f. Nationalwesen 175 Nationalwörterbuch 230ff Nationen Europas 471 ff Nationen, ihre Sprachkonstituiertheit 440 nationes 91 nationes tbeotiscae 21 Nationsbegriff 7, 92, 144, 169 ff, 526, 865 - genetischer 208, 222 - kultureller 205, 222 - lebensräumlich-charakterlicher 207,222 - sprachlicher 207 Nationsbildung durch dynastische Aggregation 648 NATO-Erweiterung 810 Natur 202, 209, 307 Natur von Sprache 247 f., 262, 309 natürliche Einheit 206 Natürlichkeit der Einzelsprache 464 Neo-Nationalismus, spanischer 658 ff Neuaramäisch 794 neuhochdeutsche Standardsprache 169 Neuseeland 636 ff. Niederdeutsch 61, 190, 432 Niederländisch 387 ff, 432 f., 483 f., 488
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Nigeria 629 Nominalglieder 407 ff Nordeuropa 493 nordgermanischer Sprachzweig 867 nordische Sprachen 253, 867 Norm - hochsprachliche 458 - nationalkulturelle 459 norrent mal 866 ff. norskr 873 Norwegen 866 ff, 869 f. Norwegisch 3 8 7 f f , 8 6 5 f f , 896 norwegische Lexikographie 885 norwegische Sprachbewegung (Mälrerslü) 894 Nynorsk 900 ff. Oberdeutsch 191 Oberflächlichkeit 212 Obersächsisch 171, 187 Objekt 386ff Okzitanisch 697 onomasiologische nationale Variable 513 onomatopoetischer Motivierungsgedanke 453 ordo naturalis 185 organische Begrifflichkeit 247, 326 f. Organismus-Konzept und Sprache 263, 326 ff. organologische Sprachgeschichtsauffassung s. Organismus-Konzept und Sprache Orthographie 161, 236 Orthophonie 161 Osmanisches Reich 808 Österreich 71, 78, 436, 473 ff, 509 österreichische Sprachpflege 531 österreichische Sprachreformer 530 Osteuropa 484, 493, 808f. ostslawische Staatsbildung 75 5 ff. Ottonen 33 Pädagogik 170 Pangermanismus 439 Pannonisch-Slavisch 847 Panslavismus 439 panslavische Föderation 808 Papst/Papsttum 29, 5 0 f f , 61 f., 81 Papua-Neuguinea 635 f. Partikularismus, post-sowjetischer 798 ff. patois 628, 703
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Sachregister
Patriotismus 123, 139ff., 176, 226, 886ff., s.a.: Nationalismus; Kultuipatriotismus - literarischer 369 Persisch 211 perspicuitas 184 petrinische Sprachreformen 775 Philippinen 635, 664 Phonologie 410 ff. Pidginsprachen 503, 622, 632 ff. Pluralismus, kultureller 363 ff. Plurinationalität des Deutschen 509 ff. plurizentrische Sprache 512 plurizentrische Sprachentwicklung 295 Pöbel 185 Poesie 350 ff. Poetik der Moderne 351 Polen 833 politische Illokutionen 289 politische Streitkultur 274 politischer Nationsbegriff 206, 222, 526, s.a. Nation Portugiesisch 483 f., 488 post-sowjetischer Partikularismus 798 ff. Prädikat 386 ff. pragmatischer Sprachbegrifif 267 Preußen 526 Propagandasprache 281 Protestantismus 170, 220, s.a. Reformation Provinzialismen 220 Purismus 158,158, 170, 173, 189 ff., 216 ff., 263 ff., 463 puritas 182 Qiiebec 721 ff. Rasse 204, 208, 248ff„ 333f., 421 ff. rassenkundliche Sprachwissenschaft 333 f. Rassismus, antisemitischer 252 rassistische Sprachauffassung 334 ratio 175 ratio linguae 191 Rationalismus 203 rationalistisches Exaktheitsideal 182 Real Academia Espanola 654, 660 realistisches Weltbild 421, 454 realistisch-metaphysisches Weltbild 454 Recht 14 ff, 37 f. Rechtschreibreform 427 Rechtsgeschichte 12 Rechtstexte 38 Rechtswörter 11 ff, 16, 38
Reformation 103ff, 871, 875ff, s.a. Protestantismus regnum Francorutn 51, 66 regnum Teutonicorum 51, 53, 58 Reich 172, 179 f., 250 Reichsgeschichte 28 ff, 48 ff. Reichsgeschichte und Sprachgeschichte s. deutsch, Etymologie und Wortgeschichte Reichspatriotismus 113 Reichtum von Sprache 152, 182, 454 Reinheit von Sprache 182 f., 220, 454 Relaissprachen 504 relativistische Ansätze s. Denken und Sprache Religion 202, 421 ff, s.a. Protestantismus res publica literaria 175 Restitution 203 rex Romanorum 53 Rhetorik 111, 152, 184 rieht 69 ff. Rithmus teutonicus 27 rituelle Kommunikation 289 Rolandslied 35, 39, 60, 63f. romanische Sprachen 22, 118, 218 f., 304, 3 87 ff, 644 Romanistik 645 f. Romantik 199ff., 376, s.a. Frühromantik Romantische Schule 349, 351 romantischer Diskurs 201 f., 224 Römisches Reich 57, 60 Rumänisch 3 87 ff. Russen/Russentum 747 ff, 765, 798 ff. Russifizierung 786, 795 Russisch 287,389ff, 484,493,775,788ff, 795 - französische Entlehnungen 773 Russische Föderation 790, 799 russische Lehnwörter 781 Russische Revolution 789 russische Sprachnation 748, 771 ff. russischer Chauvinismus 765, 769, 777ff, 783, 803 ff. russisch-orthodoxe Kirche 763, 780 Rußland 481, 747 ff., 765, 805 - kollektiv-ethnische Gemeinschaftsbildung 753 - Sprache-Nation-Staat-Relation 750 - Bilingualismus 802 - Christentum s. Christentum in Rußland - ethnische Kontakte 747 f. - Ethnosprachen 805 - Islam 748
Sachregister - Lehnwortschatz 753 - Massenmedien 806 - mittelalterliche Geschichte 755 - Nationalkultur 751, 788 ff. - Nationalstaatgedanke 778 - seine Westeuropäisierung 771 ff. - Staatsideologie 766 f. rustica Romana 22 f., 38 Saamisch 793 Sachsen/Sächsisch 24f., 30, 35, 48, 58ff„ 78, 81, 84, 125, 285, 833 Sachsenspiegel 48, 54, 78, 80, 87 Sächsische Weltchronik 67 Sakralisierung des Sprachgeistes 332 Sanskrit 211 Satz 386 ff. Schottland/Schottisch 617 ff. Schulen 104 Schulsprache 106 Schwaben/Schwäbisch 49, 58 ff, 84 Schwabenspiegel 84, 87 Schweden 783 f., 867 ff, 879 Schweiz 436, 473 ff, 509 ff, 716 Schweizerdeutsch 515 Sclavi 39 SED 275 SED-geprägter Sprachgebrauch 281, 291, s.a. DDR, charakteristische Sprachformen Sehnsucht 202 Selkupisch 793 Semantik, nationale 430 semasiologische nationale Variable 513 Senegal 720 Serialisierung 386 ff. Sierra Leone 629 Sitte 248 skandinavische Sprachen 211 Slaven/Slaventum 124, 753 ff, 808, 849 Slavenkongress 850 slavische Sprachen 3 87 ff. Slovaken 826 ff. Slovakisch 825 ff. - als Amtssprache 855 - als Staatssprache 860 Slovakische Republik 485, 859ff. slovakische Schriftsprache 847 ff. slovakisches Sprachbewußtsein 825, 845 ff. Sowjetdeutsch 287 sowjetische Ethnien 790
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sowjetische Sprachplanung 792 sowjetische Staatsideologie 788 ff. Sowjetunion 798, 803, 805 Sozialgeschichte 420 ff. Sozietätswesen 174, s.a. Sprachgesellschaften Spanien 154, 483f., 488, 493, 6 4 3 f f , 689 - Neo-Nationalismus 658 ff. Spanisch 643 ff. - amerikanisches 665 Spanischamerika 664 ff. spanische (Sprach-)Geschichte 647 spanische Nation 646, 653 ff. Spanischer Bürgerkrieg 645, 652 spanischer Kolonialismus 664 spanischer Nationalismus 651 spanischer Neo-Nationalismus 653, 658 ff spanisches Volk 653 ff. Sprachcharakter 248, 262 Sprache und Identität s. Identität (und Sprache) Sprache - als Kunstwerk 219 - der Deutschen Demokratischen Republik s. DDR, charakteristische Sprachformen - und Denken s. Denken und Sprache - und Gesellschaft 277 - und Kognition s. Denken und Sprache - und Kultur 499 ff. - und Menschheitsgeschichte 154 - ihre Hypostasierung 247 Spracheinheit, deutsche 281 Sprachen, europäische 388 ff, 481 Sprachenhierarchie 123 Sprachgebrauch 159,280 - manipulativer 275 - nationalsozialistischer 290 Sprachgeist 194 - deutscher 303 ff. - seine Sakralisierung 332 Sprachgemeinschaft 284, 293, 425, 433, 472 f., 512 Sprachgeschichte und Machtpolitik 687 Sprachgeschichtsauffassung, organologische s. Organismus-Konzept und Sprache Sprachgeschichtsschreibung und Ideologie 462
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Sachregister
Sprachgesellschaften 249, 709, 728 - des Barock 139 ff., 142, 172 ff. Sprachgesetz für das Slovakische 855 Sprachideal 173 Sprachideologie 455 ff. Sprachkritik 157 ff. - puristische s. Purismus - stilistische 158 Sprachkultur, deutsche 107 sprachliche Handlungsfunktion 213 sprachliche Kognitionsfunktion s. Denken und Sprache sprachliche und kulturelle Entfremdung 160 sprachliches Relativitätsprinzip s. Denken und Sprache sprachlich-kommunikative Kompetenz
112 Sprachminderheiten s. Minderheitensprachen Sprachnation 143 ff., 194,205,473, s.a. Nation Sprachnationalismus 121, 139 ff, 245 ff, 649, s.a. Nationalismus Sprachnatur 248, 262 Sprachnormautoritäten 511, 516 Sprachpädagogik 265, 499 Sprachpatriotismus 139 ff., 183, 2 4 7 f f , 521, s.a.: Patriotismus; Nationalismus; Sprachnationalismus Sprachpflege 157 ff., 177 ff. - österreichische 531 Sprachphilosophie 177ff, s.a. Denken und Sprache Sprachpolitik 277, 503 - im französischen Sprachgebiet 694 - in der D D R 277 - in Norwegen 898 - frankistische 662 - französische 682, 713, 726 - katalanistische 662 Sprachreform 530 Sprachreformen, petrinische 775 Sprachreformer, österreichische 530 Sprachreinigung 714, s.a. Reinheit \on Sprache sprachrelativistische Überlegungen s. Denken und Sprache Sprachsystem 280, 285 Sprachtheorie des Barock 152, 311 Sprachtheorie, idealistische s. idealistische Sprach theorie
Sprachtypologie 385 ff. Sprachunterricht - im Ausland 497 - deutscher 529 Sprachursprung 172 f. Sprachverwandtschaften 255 Sprachvolk 194, 258, 425, 434 Sprachwandel 213 Sprachwesen 248 Sprachwissenschaft 185, 2 4 7 f f , 273 ff, 305, 333, 419ff, 520; s.a. deutsche Philologie; Germanistik Sprecherbewußtsein 433 Staat 204, 206, 293 staatliche Identität s. Identität, staatliche Staatsideologie, sowjetische 788 ff. Staatsnation 206, 222 f., 296, 473, 526, 645, s.a. Nation Staatssprache 646, 855 Staatsvolk 284, 424, 434, s.a. Volk Staatszugehörigkeit 422 ff. Stamm 209, 248 ff. Stammwörter 312 Standardsprache 232 Steier 78 Stil 173, 184, 290 stilistische Sprachkritik s. Sprachkritik, stilistische Straßburger Eide 692 Subjekt 386ff. Südafrika 632 ff. Südeuropa 493 Südostasien 633 ff. Südosteuropa 501 Südtirolismus 514 Swahili 622 Symptomfunktion 429 ff. Syntax 385ff. System 173 systemlinguistischer ahistorischer Ansatz 152 Taiwan 635 Tansania 622 Tatarisch 777 Tatisch 793 f. Temperamentenlehre 253 territorialer Volksbegriff 296 Teutonen 9, 35, 51 teutonica lingua 17, 31, 32, 37 ff, 49 ff., s.a.: theodisca lingua; theodiscus; deutsch, Etymologie und Wortgeschichte
Sachregister Teutonismus 514 Textsortensystem Ost und West 288 Thailand 635 theodisca lingua 10, 11, 14f., 17, 32, 37ff., 49ff., s.a.: theodiscus; deutsch, Etymologie und Wortgeschichte theodiscus 14, 21, 23, 31, 32, 37 ff., 49 ff. s.a.: theodiscalingua·, deutsch, Etymologie und Wortgeschichte thiudisk s. deutsch, Etymologie und Wortgeschichte Thüringen 78 Tiedeis 35, 39 Tirol 78 tiutsch s. deutsch, Etymologie und Wortgeschichte Tobago 628 Tok Pisin 635 Toleranzerlaß 706 tote Sprache 214, 218 f. Translatio Imperii 80 translatio latinitatis 107 Transzendentalphilosophie 203 Trinidad 628 Tschechen 88f„ 8 2 6 f f , 858 Tschechisch 825 ff., 839 - und Deutsch 837, 857 tschechische »Nationale Wiedergeburt« 838 tschechische Nation 858 Tschechische Republik 485, 856ff. tschechisches Sprachbewußtsein 825 Tschechoslovakei 851 ff. - ihr Zerfall 855 tschechoslovakische Sprache 852 Tuiskott 124 Turkmenisch 793 Typologie 385 ff, 446 f. überregionale Verkehrssprache 109 Übersetzung 212, 216, 225, 316 Ukrainer/ Ukrainisch 755, 770, 777 Ultramontanismus 439 Ungarisch-Slavisch 847 Ungarn 851 universalgrammatische Beschreibung 386 ff. Universalismus 202 Universalität 212 Universalsprache 320 Universitäten 104 Unverständlichkeit 219
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Urdu 634 Ursprache des Paradieses 172 f. USA 623 ff. US-amerikanische Denkstrukturen 503 Variationskompetenz von Sprachteilhabern 448 Varietät, (binnen-)deutsche nationalsprachliche 295 Varietäten 144, 187f„ 293 - des Deutschen, nationale 285 Varietätenpurismus 170, s.a. Purismus Varietätenspektrum, seine Vertikalisierung 460f. Vaterland 296 Verb 388ff. Vereinte Nationen 489 Verfassungsvolk 434 Verfassungszugehörigkeit 422 ff. Vergleichende Literaturwissenschaft 356 Verkehrssprache, überregionale 109 Verleger 234 Vermittlung 209, 212, 220, 225 Verstehen 216 Vertikalisierung des Varietätenspektrums 460 f. Verwaltungssprache, deutsche 530 Vielvölkerstaat, zaristischer 765 ff. vitalistisches Prinzip in der Sprache 313 Volgare 104 Volk 58, 172, 176, 179f., 186, 192, 202, 204 ff, 215 ff, 222,248 ff, 284,293,808, s.a. Staatsvolk Volk, deutsches 58ff., 63, 65, 250, s.a. Volk Völker Osteuropas 798 Völkerbund 472 Völkerschlachtdenkmal 229 Völkerwanderung 128 völkischer Nationalismus 240, s.a. Nationalismus Volksbegriff, territorialer 296 Volkscharakter 175,262 Volksgeist 175, 194 Volkskultur 145 Volksseele 304 Volkssouveränität in Norwegen 892 Volkssprache 7 ff, 30,47 ff, 104,170, 189, 193, 333,433, 875ff. Volkstum 304 vornationalistisches Zeitalter 527 vulgaris 23, 86 Vulgärsprache 683
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Sachregister
Wales/Walisisch 615 f. Walhalla 229 Wallonien 475 Weißrussen/Weißrussisch 755, 770 Weltansicht einer Sprache s. Weltbild der Sprache Weltbild der Sprache 179, 185, 199, 220, 223f., s.a. Denken und Sprache Weltbild, realistisches 421 Weltbild, realistisch-metaphysisches 454 Weltbildthese s. Weltbild der Sprache Weltliteratur 350 ff. Weltsprache 350 ff. Wepsisch 793 Wesen der Sprache 247, 309 Westafrika 629 Westeuropa 493 Westfälischer Friede 141 Westfriesisch 387 ff. west-östliche Differenzierungserscheinungen 281 westromanische Sprachen 387 ff. West-Sahara 664 Wikingerzeit 870 ff. Wilhelm Teil 598
Willensgemeinschaft 472 f., 865 f. Wirtschaftsraum, Zugehörigkeit 422 ff. Wirtschaftsvolk 434 Wissenschaftssprache 106, 170 Wissenschaftstheorie 202 Wohlklang 211 Wortbildung 410 ff. Wörterbuch, dänisches 883 Wörterbücher 161 f., 182, 511, 518, 637, 654, 728, 879 Wortschatz - BRD-geprägter 287 - DDR-typischer 286 ff. Wortvarianten 513 ydioma Theutonicum 85 Zarenreich 748, 777ff. zaristischer Vielvölkerstaat 765 ff. Zierlichkeit 153 Zoo« politikon 419 zunge 86, 88, 114 Zweisprachigkeit, national-russische 796 Zweitsprache 482