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German Pages 324 Year 2014
André Doehring Musikkommunikatoren
texte zur populären musik 7 Herausgegeben von Winfried Pape und Mechthild von Schoenebeck
André Doehring (Dr. phil.) ist Musikwissenschaftler an der Universität Gießen. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Themen der populären Musik, der Musiksoziologie und der musikalischen Analyse.
André Doehring Musikkommunikatoren. Berufsrollen, Organisationsstrukturen und Handlungsspielräume im Popmusikjournalismus
Gießener Dissertation im Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften
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INHALT
Vorwort
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1. Grundlegendes
13
1.1 Arbeitsdefinitionen 1.2 Popmusikmagazine und Popmusikredakteure — der Forschungsstand
13 24
1.3 Exkurs: Popmusikmagazine und Popmusikredakteure im kulturellen Diskurs
32
2. Soziologische Perspektiven auf Popmusikjournalismus
39
2.1 Popmusikjournalismus als System 2.2 Popmusikjournalismus als Feld
41 49
2.3 Popmusikjournalismus als Diskurs
55
2.4 Popmusikjournalismus als eigensinniges Handeln von Medienakteuren
3. Das Feld der Popmusikmagazine 3.1 Begründung und Vorstellung der ausgewählten Magazine
59 65 65
Rolling Stone
66
Spex
71
Intro 3.2 Der Blick über den disziplinären Tellerrand: Journalistik Zum Begriff der Journalistik Themen und Bereiche der Journalistik
76 81 82 87
3.3 Die Ordnung des Feldes der Musikmagazine mit den Begriffen der Journalistik
90
Normenkontext: Rechtliche und (standes-)ethische Aspekte
90
Strukturkontext: Ökonomische und organisatorische Aspekte
98
Ökonomische Aspekte der Zeitschriftenproduktion Organisatorische Aspekte der Zeitschriftenproduktion
99 122
Zur Autonomie der redaktionellen Arbeit
129
Funktionskontext: Aspekte journalistischer Wahrnehmungsroutinen 132 Zur Selektion und Gewichtung des Nachrichtenstoffes
136
Bezugsgruppen, Publikumsvorstellungen und Deutungsmacht von Journalismus Rollenkontext: Zur Situation deutscher Journalisten
145 150
4. Die Wirklichkeit der Musikkommunikatoren
163
4.1 Zur empirischen Rekonstruktion der Wirklichkeitskonstruktionen
163
4.2 Ergebnisse Rollenkontext
167 169
Musikalische und berufliche Sozialisation Selbstbild, Aufgaben und Kompetenzen: Konstruktionen des
169
Musikredakteurs und des Musikmagazins
174
Musikverständnis und Werturteil: Der professionelle Umgang mit Musik
185
Berufszufriedenheit
197
Funktionskontext Die Wirklichkeit der Musiknachrichten — Dimensionen der
206
Auswahl und Darstellung
206
Quellen und Bezugsgruppen
218
Strukturkontext
235
Die Redaktion als Organisations- und Entscheidungszentrum
235
Technologische und zeitliche Aspekte der Produktion Ökonomische Aspekte der Produktion
245 249
Normenkontext Ethik und Aufgabe des Musikjournalismus
260 260
4.3 Zusammenfassung am Beispiel der Hype-Konstruktionen in Popmusikmagazinen
266
5. Diskussion und Ausblick
277
5.1 Musiksoziologie und Popmusikmagazine
278
5.2 Popmusikmagazine und das Internet
281
5.3 Zur Typik und Notwendigkeit der Berufsauffassung im Popmusikjournalismus
285
Literaturverzeichnis
299
VORWORT
»Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir über die Massenmedien«, beginnt Niklas Luhmann (1996: 9) seine Ausführungen über die Realität der Massenmedien. Folgen wir seiner hier beschriebenen Funktion des Systems Massenmedien als einer institutionalisierten systemübergreifenden Selbstbeobachtung der Gesellschaft, kann dieser Satz erweitert werden: Was wir über die populäre Musik in unserer Gesellschaft wissen, wissen wir aus den dafür zuständigen Massenmedien, den Popmusikmagazinen. In ihnen werden Monat für Monat von einer relativ geringen Zahl von Mitarbeitern Informationen, Legenden, Bedeutungen und Wertungen populärer Musik für einen musikinteressierten Leserkreis produziert, die dieser als kulturelles Kapital in seinen Alltag und damit über die Grenzen der Leserschaft hinaus überführen kann. Auch vom ökonomischen Kapital darf nicht geschwiegen werden: Die Umsätze der Pressegattung Zeitschriften sind (bei relativ geringen Produktionskosten) hoch, sie erreichen ihr Publikum unabhängig von der technischen Ausstattung der Haushalte und werden in aller Regel von mehr als einer Person gelesen was sie zu einem attraktiven Medium der Werbung macht. Dennoch beklagt der Kommunikationswissenschaftler Andreas Vogel (1998: 9), dass die Bedeutung von Zeitschriften selten wissenschaftlich reflektiert und »in die Untersuchungen zur Funktion und Wirkungsweise gesellschaftlicher Kommunikation [...] kaum einbezogen« wird, da in der für diese Mediengattung eigentlich zuständigen Disziplin ein Mangel an kontinuierlicher für die Musikzeitschriften ist hinzuzufügen: grundlegender Forschung zu erkennen sei. In der vorliegenden Studie geht es deshalb um Popmusikzeitschriften, genauer: um die Herstellung von Popmusikzeitschriften innerhalb der Redaktion unter der besonderen Beachtung der hier tätigen Musikredakteure. Diese werden als soziale Medienakteure beschrieben, die in den Redaktionen, an der zentralen Stelle der medialen Bedeutungsproduktion, unser Bild von populärer Musik gestalten. Aus diesem Grund stehen die Berufsrollen,
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MUSIKKOMMUNIKATOREN das Rollenhandeln, die Einstellungen und der weitere Kontext der Tätigkeit dieser Musikkommunikatoren im Fokus der Untersuchung. Angesichts der dargestellten Forschungslücke muss allerdings kurz erörtert werden, ob die Musiksoziologie, in deren Rahmen sich diese Arbeit eingliedert, überhaupt bei einer derartigen Thematik außerhalb ihrer angestammten disziplinären Zuständigkeit tätig werden darf bzw. gar soll? Für die Beantwortung soll zuerst grundlegend an den Auftrag systematischer Musikwissenschaft, dann speziell an den der Musiksoziologie erinnert werden, die eine derartige Reklamierung eindeutig unterstützen. Hans-Peter Reinecke (1971: 10) definiert als Aufgabe systematischer Musikwissenschaft, »bestimmte Sachverhalte oder Tatsachen der Musik bzw. Feststellungen über Musik als in regelmäßigen Verknüpfungsverhältnissen stehend zu erkennen und zu beschreiben«, worunter die in den Musikzeitschriften produzierten Bedeutungen ohne Weiteres subsumiert werden können. Für die Musiksoziologie fügt Kurt Blaukopf (1984: 21) hinzu, dass zum Aufgabengebiet einer kulturwissenschaftlich orientierten Musiksoziologie, deren Domäne die Analyse kultureller Verhaltensweisen ist, auch die »theoretische Reflexion über [die] musikalische Praxis selbst, das Denken über Musik, welches auf der jeweiligen Praxis beruht und diese zu steuern vermag«, gehört. Die öffentliche journalistische Rede über Musik ist somit eindeutig Thema einer so begriffenen Musiksoziologie. Ein weiteres Argument für die Auseinandersetzung mit diesem Thema ist das persönliche Interesse des Autors, der als jahrelanger Leser von Musikzeitschriften immer wieder nach den dahinter stehenden Zusammenhängen suchte. Freilich droht vor diesem Hintergrund die vorgebliche Objektivität die hier als Offenlegung der Subjektivität bei gleichzeitiger Wahrung wissenschaftlicher Standards ausgelegt wird der wissenschaftlichen Unternehmung verlustig zu gehen. Doch Helmut Rösing und Peter Petersen beruhigen, indem sie die nicht zu hintergehende Verknüpfung von Erkenntnis und Interesse als geradezu notwendig für die wissenschaftliche Arbeit beschreiben: »Aufklärung über sich selbst ist das Grundmotiv allen Fragens und damit aller Wissenschaft. Besonders in den Kulturwissenschaften, zu denen die Musikwissenschaft gehört, kann das Bedürfnis, sich selbst in Zusammenhängen zu begreifen, mit Fug und Recht als wichtigster Auslöser des Fragens und Forschens gelten« (Rösing/Petersen 2000: 16). Dazu ein Beispiel: Die Beobachtung einer im Jahr 2005 über viele Medien hinweg ausgerufenen Gruppe von Bands als »New Wave of New Wave« wurde als Anlass genommen, einige dieser Bands einer Untersuchung zu unter-
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VORWORT ziehen (vgl. Doehring 2006).1 Dem Handwerkszeug des Musikwissenschaftlers gemäß wurde der Weg der musikalischen Analyse gewählt, um die immer wieder anklingenden Bedeutungszuschreibungen aus den Medien in der Musik nachzuweisen. Doch ließ sich auf der musikalischen Ebene nicht erklären, wie die öffentliche Semantik einer Band wie Maxïmo Park oder Franz Ferdinand entstehen konnte, die analytisch nicht nachweisbare Bezüge zu The Jam oder Orange Juice behauptet. Die durch die mediale Berichterstattung erzeugte Bedeutung der Musik war also nicht auf ihre klingende Gestalt zurückzuführen, was zu der Frage führte, wieso sich diese Medien dann so einig über die Be-Deutung dieser Musik waren. »Die Bedeutungszuweisungen lassen sich, wenn sie durch Musik erfolgen, den musikimmanenten Strukturen allein nicht entnehmen«, schreiben Rösing und Petersen (2000: 14) und fordern deshalb eine Analyse des gesellschaftlichen Diskurses, um »der Mehrdeutigkeit künstlerisch-symbolhafter Botschaften gerecht zu werden«. Musikwissenschaft muss in diesem Moment also zwangsläufig ihr disziplinäres Territorium verlassen, will sie (nicht nur) der populären Musik gerecht werden und zu systematischen Feststellungen über die soziale Produktion von musikalischer Bedeutung gelangen. Sie wird zu einem Teil der Kulturwissenschaft und dies, wie Peter Wicke es formuliert, mit einem dezidierten Auftrag: »Letztlich also geht es um nicht weniger als darum, die populären Musikformen für eine Analyse aufzuschließen, die Einsicht in das Innenleben der Mediengesellschaft und der sie konstituierenden Machtverhältnisse, in die darin aufgehobenen Hoffnungen, Wünsche, Sehnsüchte, Phantasien und Triebstrukturen gewährt. Daß solche Einsichten nur in Auseinandersetzung mit den populären Kulturformen zu gewinnen sind, weil nur hier sich diese Seite des gesellschaftlichen Lebens offenbart, macht auch die theoretische Analyse populärer Musik zu einem unverzichtbaren Bestandteil einer jeden kritischen Kultur- und Gesellschaftstheorie, die sich auf der Höhe ihrer Zeit befinden will« (Wicke 2002: 62). Um die oben angeschnittene Frage nun zu beantworten: Musiksoziologie darf, ja sie soll sich der Prozesse annehmen, die zum Entstehen von Monat 1
Das in diesem Zusammenhang oft benutzte Wort Hype kommt vom englischen hyperbole und meint eine »maßlos übertriebene Form der Promotion« im Musikgeschäft (Wicke/Ziegenrücker/Ziegenrücker 2007: 332). Hypes sind eine Folge der Konzentrationsprozesse der Musikindustrie und somit erst in der kapitalintensiven Form, die hier beobachtet wurde, möglich. Was in dieser Darstellung des Hypes fehlt, sind die Ebenen der Medien, der hier tätigen Akteure sowie die des Publikums, welche alle gemeinsam erst zu einem gelingenden Hype wie bei Maxïmo Park 2005 beitrugen.
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MUSIKKOMMUNIKATOREN für Monat publizierten Kontextualisierungen populärer Musik führen, da sich derart Einblicke in die gesellschaftliche Kommunikation über populäre Musik gewinnen lassen. Besonders die Redaktionen der Musikzeitschriften scheinen als der ideale Ort für diese Unternehmung, da hier Mechanismen der musikindustriellen Produktion ebenso sichtbar werden wie die Organisations-, Produktions- und Besitzverhältnisse dieser Zeitschriften. Unter diesen Umständen bringen sich die Redakteure mit ihren Wünschen, Ideen und Wertvorstellungen sowie einem immensen persönlichen Einsatz in die Bedeutungskonstruktion von Popmusik ein, wie sie uns im Ergebnis in den Zeitschriften gegenübertreten. Dass diese Forschung notwendig ist, liegt nicht unbedingt am Glauben an die Gerichtetheit und Macht medialer Kommunikation eine Vorstellung, die hier mit Verweisen auf Kommunikationsvorstellungen der Cultural Studies korrigiert wird, gleichwohl sich Verfestigungen der medial erzeugten Bedeutungen belegen lassen (vgl. Appen/Doehring/Rösing 2008).2 Sondern sie wird einerseits in der fachlichen Notwendigkeit gesehen, das hier erzeugte Wissen im Sinne einer kaum je vorzufindenden Quellenkritik sekundärer Quellen über populäre Musik einzusetzen. Andererseits müssen die Ergebnisse einer kritischen Untersuchung der Prozesse der Musikzeitschriften ihren Lesern zugänglich gemacht werden, denn es ist »überhaupt nicht durchschaubar [...] für das Publikum, dass viele Medienangebote heute Inszenierungscharakter besitzen; sie sind Konstruktionen, die mehr mit den Gesetzen der eigenen Produktion korrespondieren als mit den dargestellten Ereignissen« (Weischenberg/Malik/Scholl 2006: 25). Wenn es also vor allem diese beiden Publika sind, denen sich diese Arbeit zuwendet und die beide nicht mit den existenten und sinnvollerweise zu verwendenden Fachtermini der Kommunikationswissenschaft vertraut sind, muss zuerst (Kapitel 1) Grundlegendes zu den hier verwendeten Begriffen und zur Forschungslage geklärt werden. Außerdem erscheint es mir wichtig, angesichts einer hier nachgewiesenen Heroengeschichtsschreibung über Musikjournalisten und dem nach wie vor existenten Berufswunsch vieler Studienanfänger (auch der eigenen Disziplin), »irgendwas mit Medien« zu machen, nach den kulturellen Ursachen des hohen Ansehens des Berufs des Musikjournalisten zu suchen. Im zweiten Kapitel wird die theoretische Grundlage dieser Arbeit ausgeführt, die sich vor allem auf Pierre Bourdieus kultursoziologische Perspektive und Begrifflichkeit stützt. Mithilfe der Systemtheorie, deren Anwendung 2
Auch in Internetseiten wie die der populären Wikipedia sind zuhauf Belege dafür zu finden, dass von Musikzeitschriften herausgegebene Listen der ›besten‹ Alben aller Zeiten als Nachweis ihrer ›Qualität‹ dienen.
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VORWORT auf Popmusikjournalismus hier ebenfalls diskutiert wird, kann eine gesellschaftliche Funktion der Medien erkannt werden. Aber nur Bourdieus integrativem Ansatz, der die Medienakteure fokussiert und zugleich deren Verbundensein in Strukturen, die in einem für das Feld typischen Zusammenhang stehen, stets hervorhebt, gelingt die erkenntnistheoretische Vermittlung von System und Akteur. Eine Untersuchung des Feldes ohne die hier Handelnden ist demnach genauso wenig sinnvoll wie die Fokussierung auf die Redakteure ohne das Wissen um den Kontext ihrer Handlungen. 3 Deshalb wird im dritten Kapitel zunächst das Feld der für diese Arbeit ausgewählten Musikmagazine Rolling Stone, Spex und Intro untersucht, um im vierten Kapitel die Musikredakteure zu Wort kommen zu lassen. Der Exkurs in die Journalistik dient im dritten Kapitel zur Erarbeitung eines begrifflichen Instrumentariums und einer Sicht auf die komplexen Zusammenhänge, innerhalb der Popmusikjournalismus stattfindet. Diese ausführliche Diskussion erscheint notwendig, um etablierte Theorien und Definitionen einzuführen und in der Anwendung auf den neuen auch in der Journalistik wurde bisher nicht über Musikmagazine gearbeitet Gegenstand der Arbeit zu überprüfen. Mithilfe eines Modells von Siegfried Weischenberg werden die Bereiche der Auseinandersetzung gegliedert, die von der allgemeinen Ebene des Normenkontextes immer spezieller bis zur Ebene des Rollenkontextes des Medienakteurs führen. Das vierte Kapitel enthält die Ergebnisse der qualitativ ausgewerteten Experteninterviews mit den Musikredakteuren der drei Musikmagazine. Da die Redakteure im Zentrum dieser Arbeit stehen, ist es ihre Sicht, ihre Konstruktion des Feldes, die im Mittelpunkt steht. Deshalb dreht sich der im dritten Kapitel enger werdende Trichter nun um und die Präsentation verläuft vom Besonderen zum Allgemeinen. Zunächst wird der Akteur, seine Rollenauffassung, sein Habitus, sein Musikverständnis und sein professioneller Umgang mit Musik dargestellt, um anschließend seine Sicht der redaktionellen Arbeit, der strukturellen Zwänge und schließlich der ethischen Grundlage seiner Arbeit zu untersuchen. Das Kapitel schließt mit einem Verweis auf dieses Vorwort, wenn es nämlich in der Zusammenfassung ver-
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Es ist Folge des gewählten theoretischen Ansatzes, dass die Ebene der Medieninhalte vernachlässigt wird. Angesichts der wenigen Arbeiten über Popmusikmagazine jedoch, die zudem in der Regel inhaltsanalytisch vorgingen, soll der Fokus dieser Arbeit bewusst auf die Bedingungen gelegt werden, unter denen Menschen in Organisationen und Strukturen diese Inhalte herstellen, denn hier befinden sich eindeutige Forschungslücken. Auf die nichtsdestotrotz notwendige holistische Vorgehensweise zur Erfassung der gesellschaftlichen Kommunikation über populäre Musik wird im fünften Kapitel Bezug genommen.
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MUSIKKOMMUNIKATOREN sucht zu erklären, wieso gerade Maxïmo Park resp. Franz Ferdinand 2005 der Sprung auf die Cover der Musikmagazine gelang. Im letzten Kapitel wird, neben einer zusammenfassenden Diskussion und dem Versuch einer Prognose über das Verhältnis von Printmusikmagazinen und dem Publizieren über Musik im Internet, abschließend erklärt, warum die hier vorgefundenen Berufsauffassungen einer typischen und notwendigen Ideologie der Arbeit im kulturellen Sektor der kapitalistischen Gesellschaft entsprechen und somit die Akteure wider besseres Wissen gegen ihre eigenen Interessen handeln (müssen). Denn Arbeit im Popmusikjournalismus ist gekennzeichnet durch ein großes Maß an Engagement, das gerade nicht durch eine finanzielle, sondern eine ideelle Entschädigung den prekären Gang der Dinge am Laufen hält. Mit der im Theorie-Kapitel ebenfalls vorgestellten Aufforderung der Cultural Studies, wissenschaftliche Arbeit als engagierte aufklärende Arbeit zu verstehen, sollte auch das Ziel dieser Untersuchung benannt sein: Nicht mehr länger können und dürfen wir der eingangs vorgestellten Illusion nachhängen, dass kreative Lebens-Künstlertypen Popjournalisten werden und uns als ›Autoren‹ eine privilegierte Sicht auf Musik durch die Nähe zum ›Künstler‹ vermitteln. Nein, die hier Tätigen handeln inmitten einer sich verändernden Musik- und Konsumartikelindustrie, die ihnen vielerlei Zwänge zumutet, indem sie deren Begeisterung für Musik für andere Zwecke benutzt. Und doch lassen sich immer wieder Akte des eigenmächtigen Handelns erkennen, die der Logik des Feldes kurz entweichen, um im nächsten Moment wieder vereinnahmt zu werden. Derart hergestellte Musikmagazine sind demzufolge Nachweis des Status und des Umgangs mit populärer Musik, wie ihn die kapitalistische Warenproduktion im frühen 21. Jahrhundert hervorbringt. Denjenigen, die das Entstehen dieses Buchs begleiteten, sei herzlich gedankt: Prof. Dr. Thomas Phleps für das Vertrauen und die Unterstützung bei diesem Projekt wie auch in der kollegialen und angenehmen Zusammenarbeit, Prof. Dr. Winfried Pape und Prof. Dr. Mechthild von Schoenebeck für ihre Arbeit als Reihenherausgeber, Elena Serturini-Wallbott und Indra Häußler für die Hilfe bei Korrektur und Satz, Dr. Ralf von Appen für die konstruktive Begleitung beim Bezwingen meiner Seite »unseres Bergs« sowie den Musikredakteuren für die freundlichen und offenen Gespräche. Ohne die Unterstützung und den Rückhalt meiner Familie wäre aber dieses Buch nicht geschrieben worden: Maryam und Lila, ich danke Euch!
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1. G R U N D L E G E N D E S
In diesem Kapitel werden in drei Etappen die beiden Gegenstände dieser Arbeit, d.h. Popmusikmagazine und die dort tätigen Redakteure untersucht. Zunächst erfolgt eine Diskussion etablierter Konzepte aus der Journalismusforschung. Der Status der Popmusikzeitschrift im Rahmen heterogener Kategoriensysteme der Zeitschriftenforschung wird näher beleuchtet, was gerade in Bezug auf ökonomische Aspekte ihrer Produktion wichtige Hinweise für spätere Überlegungen gibt. Die Frage, ob die in Musikmagazinen vorzufindende Arbeit mit dem Begriff des Popmusikjournalismus zu benennen ist, wird zum Abschluss des ersten Teils unter kurzer Darlegung wesentlicher historischer, personaler und ästhetischer Argumente beantwortet, bevor im zweiten Teil ein Überblick über den Literatur- und Forschungsstand zu Popmusikmagazinen und Musikredakteuren gegeben wird, aus dem deutliche Forschungslücken auf ebendiesen Gebieten hervorgehen. Abschließend wird über die gesellschaftliche Deutung und Bedeutung von Musikjournalisten anhand der ihnen in Literatur und Film zugeschriebenen Rollen, Aufgaben und Eigenschaften nachgedacht, indem ein Überblick über nichtwissenschaftliche Literatur von, mit und über Musikjournalisten präsentiert wird.
1.1 Arbeitsdefinitionen Eigentlich ist jeder und jedem klar, um was es in dieser Arbeit gehen soll: Hier werden Musikzeitschriften behandelt, in denen hauptberufliche Journalisten als Redakteure Darsteller und Produzenten von Musikjournalismus sind. Doch wenn man sich etablierte Definitionen von Journalismus und dessen Aufgaben ansieht, wenn man nach Definitionen und Systematisierungen der Pressegattung Zeitschrift sucht, wenn man zudem nach Musikzeitschriften fahndet und nach Popmusikzeitschriften im Speziellen, wird man feststellen, dass man nicht umhin kommt, sich einen Weg durch uneinheitliche,
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1. GRUNDLEGENDES mitunter widersprüchliche oder gar nicht existente Definitionen zu bahnen, um daraus Begriffe für die hiesige Arbeit zu gewinnen. Fangen wir oben an. Journalismus wird von der Journalistik als zuständiger wissenschaftlicher Disziplin vor allem als Funktionssystem (vgl. Kapitel 2.1) beschrieben, das die Aufgabe der Herstellung von Öffentlichkeit über andere Funktionssysteme hinweg hat. Das Politiksystem wird durch das System Journalismus über bspw. das Wirtschaftssystem informiert und anders herum, das Wissenschaftssystem erfährt etwas über das Kunstsystem usw. Journalismus recherchiert, selektiert und präsentiert den Systemen der Gesellschaft Themen, die neu, faktisch und relevant sind. Da er auf Fakten basierend berichtet (mitunter auch durch Berichterstattung Informationen zu Fakten erhebt) und durch diese Berichterstattung gesellschaftliche Relevanz erzeugt wird, erhält sich Journalismus einen »Glaubwürdigkeitsbonus« (Weischenberg/Malik/Scholl 2006: 29f.). Er ermöglicht somit die Konstruktion einer gemeinsamen Wirklichkeit, die den Systemen in ihrem Handeln Orientierung bietet. Auf der normativen Ebene einer Definition von Journalismus stellen sich verschiedene Imperative dar: Zur Kompetenz des Journalisten gehört die Informationsfähigkeit, d.h. das sachliche und so vollständig wie mögliche Inkenntnissetzen über ein Ereignis. Journalisten ermöglichen damit ein umfassendes Wissen über diverse Sachverhalte in der Gesellschaft und bieten somit eine Grundlage eines gesellschaftsweiten Diskurses. Gleichzeitig übernehmen sie aber auch die Aufgabe von Kritik und Kontrolle der Regierenden im Sinne einer sogenannten Vierten Macht, die Missstände, Korruption und Willkür aufdeckt. Derart wirkt Journalismus an der Meinungsbildung mit, die als wesentliches Element einer demokratischen Ordnung verstanden wird. Als Merkmal journalistischer Professionalität gilt weiterhin das gesetzlich verankerte Gebot der redaktionellen Unabhängigkeit, d.h. die Trennung von Berichterstattung und Werbung. Verleger und Redakteure müssen damit jegliche Versuche abwehren, welche die Redaktion in ihrer inhaltlichen Arbeit beeinflussen könnten (vgl. Meier 2007: 13ff.). Da Journalist ein nicht zugangsbeschränkter Beruf ist, kann sich jedermann so nennen. Deshalb werden als Journalisten diejenigen begriffen, die »hauptberuflich und hauptsächlich damit beschäftigt sind, aktuelle, auf Tatsachen bezogene und (für ihr Publikum) relevante Informationen zu sammeln, zu beschreiben und in journalistischen Medien zu veröffentlichen« (Weischenberg/Malik/Scholl 2006: 31). Als journalistische Medien gelten den Autoren zufolge diejenigen, die ihre gesellschaftliche Funktion voranstellen — also nicht etwa eine Unternehmenspublikation, wo unternehmerische Interessen die Publikation dominieren, oder bspw. Rätselhefte, die nicht der
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1.1 ARBEITSDEFINITIONEN Information, sondern der Unterhaltung dienen. Journalistische Medien besitzen eine redaktionell eigenständige Einheit mit Chefredaktion, ihre Herausgeber oder Auftraggeber sind weder Parteien, Vereine, Verbände, Behörden oder Unternehmen (Verlage sind natürlich hiervon ausgenommen; gemeint sind hier Publikationen wie die PR-Broschüre der Deutschen Bahn, das sogenannte Kundenmagazin DB-mobil). Des Weiteren gelten als Kriterien, dass journalistische Medien nicht ausschließlich von ehrenamtlichen Mitarbeitern erstellt werden, sie müssen regelmäßig oder aber mindestens sechsmal jährlich erscheinen sowie neben anderen Teilen (wie Werbung, Fiktion, Spiele, Rätsel usw.) auch einen eigenen redaktionellen Teil aufweisen (vgl. ebd.: 31 u. 33f.). Als journalistische Tätigkeit gilt das Verbundensein mit der redaktionellen Herstellung des Produkts, nicht jedoch die wirtschaftliche, verwaltende oder technische Tätigkeit in einem journalistischen Medium, welche eher Rahmenbedingungen denn Elemente journalistischer Kommunikation darstellen. Ein Redakteur ist Mitglied einer Redaktion und dort für die Planung, Organisation und Erstellung einer Publikation zuständig. Bevor man sich den Musikzeitschriften zuwendet, muss geklärt werden, was man unter einer Zeitschrift zu verstehen hat. Eine angesichts des vielgestaltigen und großen Angebots allgemein gültige Definition habe aber die Zeitschriftenforschung bis heute nicht geliefert (vgl. Heinrich 2001: 301; Menhard/Treede 2004: 15ff.). Dennoch lassen sich bestimmte Merkmale — Aktualität, Universalität, Publizität, Periodizität, Kontinuität — benennen, die Zeitschriften gemein sind und hier wenigstens für eine Arbeitsdefinition genügen sollen. Dementsprechend sind Zeitschriften periodisch erscheinende Druckwerke, die mit der Absicht eines zeitlich unbegrenzten Erscheinens einen thematisch eingeschränkten Aufgabenbereich journalistisch übermitteln. Ihre Kontinuität ist zudem meist gekennzeichnet durch fortlaufende Nummerierung und einheitliche visuelle Gestaltung, aber auch durch einen erkennbaren inhaltlichen wie geistigen Zusammenhang. Im Vergleich mit Zeitungen treten diese Gemeinsamkeiten als Unterschiede deutlich erkennbar hervor: Zeitschriften haben einen anderen tagesaktuellen Bezug als Zeitungen, außerdem richten sie sich an einen kleineren Leserkreis, der nicht an einen Standort — wie bei den meisten Zeitungen, die regional erscheinen — gebunden ist, sondern der sich als disperses Publikum eher thematisch gruppiert. Auch sind das Format, die Darstellungsform und die Druck- wie Papierqualität anders als bei Tageszeitungen, wenngleich sie bei Zeitschriften in hohem Ausmaß variieren können. Als Zeitschriften werden schließlich
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1. GRUNDLEGENDES diejenigen Publikationsreihen gezählt, die mindestens viermal jährlich erscheinen.4 Eine Übersicht über den deutschen Zeitschriftenmarkt zu erhalten, ist nicht einfach. Die Schätzungen der Titel im Gesamtangebot variieren zwischen »über 10.000« (Menhard/Treede 2004: 39), »rund 20.000« (Meyn 2004: 109) und »über 20.000« (Raabe 2005b: 359). Jedoch sind nicht alle dieser Titel überall erhältlich: Im Pressegroßhandel wurden nach Angaben des Verbandes Deutscher Buch-, Zeitungs- und Zeitschriften-Grossisten 2008 insgesamt 6.000 Titel im Ordersortiment geführt, das durchschnittliche Präsenzsortiment lag bei 1.850 Titeln. Mag diese Varianz in der Anzahl der Titel zunächst erstaunen, so dürften folgende Argumente die Hintergründe ein wenig erhellen, ohne jedoch die einzelnen Angaben in ihrem Zustandekommen erklären zu können. Denn erstens liegt keine gültige und trennscharfe Kategorisierung des Zeitschriftenmarkts vor,5 zweitens verändert sich der Markt in einem raschen Tempo.6 Drittens gibt es keine Tradition der Ausein4
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Die hier erscheinende Differenz zur oben aufgestellten Definition der journalistischen Medien ist eher Ausweis des Zustands der Zeitschriftenforschung, als dass sie den Gegenstand der Musikzeitschriften in irgendeiner Form definitorisch behindern würde. Eine kurze Darstellung verschiedener Kategoriensysteme, mithilfe derer man versucht, einen Überblick über die in Deutschland erscheinenden Zeitschriften zu erlangen, dürfte diese Einschätzung bestätigen. Heinrich (2001: 304) verwendet beispielsweise die zehnteilige Systematik der Pressestatistik. Sie unterteilt in Politische Wochenblätter, Konfessionelle Zeitschriften, Publikumszeitschriften, wissenschaftliche Fachzeitschriften, andere Fachzeitschriften, Kundenzeitschriften, Amtliche Blätter, Anzeigenblätter, Kommunale Amtsblätter und Sonstige Zeitschriften. Dieser Systematik schließen sich Menhard und Treede (2004: 21ff.) weitgehend an — sie fassen lediglich die Fachzeitschriften und die Amtsblätter zusammen, führen aber zusätzlich die Mitarbeiterzeitschriften, Verbands-, Gewerkschafts- und Vereinszeitschriften sowie die Supplements auf. Bei Kopper (2006a: 293) findet sich darüber hinaus die Kategorie Metropolenzeitschrift. Wenig systematisch präsentiert Meyn (2004: 109ff.) den Überblick, indem er zwar Publikumszeitschriften nennt, dann aber unterhalb dieser Kategorie »die Illustrierten« neben die Wirtschaftspresse, die Special-Interest-Zeitschriften, die Jugendpresse, die Fachzeitschriften, die Verbands- und Gewerkschaftspresse, die Konfessionelle Presse, die Kundenmagazine und schließlich gar die Schülerzeitungen stellt. Der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) dagegen ordnet das Angebot in vier Kategorien (Fachzeitschriften, Konfessionelle Zeitschriften, Publikumszeitschriften, Digitale Medien), die in diverse Unterkategorien aufgefächert werden. Die Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V. (IVW) unterteilt die Zeitschriften in Publikumszeitschriften, Kundenzeitschriften, Fachzeitschriften, Supplements und Offertenblätter. Der deutsche Markt gilt für Zeitschriften als führender in Europa, da er Auflagen erlaubt, die in anderen europäischen Ländern nicht möglich wären (vgl. Kopper 2006a: 11). Außerdem ist er, bezogen auf das Verhältnis der Anzahl
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1.1 ARBEITSDEFINITIONEN andersetzung mit Zeitschriften in der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (vgl. Vogel 1998). Und viertens müssen die Datenlage und die Struktur der Daten als kritisch bezeichnet werden, da sie unmittelbar von der Pressewirtschaft, wie etwa der IVW (Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V.), herausgegeben werden. Wissenschaftliche Publikationen sind gezwungen, sich auf diese Daten zu stützen, weil es seit dem vom Kohl’schen Kabinett 1996 beschlossenen Einstellen der seit 1975 geführten Pressestatistik keine anderen gibt (vgl. Pürer/Raabe 2007: 136). Musikzeitschriften werden innerhalb der in allen Systematisierungen vorzufindenden Kategorie der Publikumszeitschriften geführt. Allerdings ist diese ebenfalls nicht einheitlich gegliedert, wie beispielsweise der Blick auf die sechsundzwanzigteilige Binnendifferenzierung der IVW zeigt: Frauenzeitschriften werden nach wöchentlicher, 14-tägiger und monatlicher Erscheinungsweise unterteilt; neben dieser Gliederung gibt es eine nach Adressaten systematisierte, bspw. sowohl die Eltern- als auch die Jugendzeitschriften; zudem wird jeder Teil des Hauses und somit der Hobbywelt in der Publikumszeitschriften — welcher genau ist nicht zu eruieren; wahrscheinlich meint Kopper (ebd.: 339) die Anzahl der als Werbeträger erfassten Publikumszeitschriften — und der Anzahl der Haushalte der wettbewerbsintensivste. Das bedeutet, dass hier viele Zeitschriftenformate entwickelt, auf dem Markt getestet und bei Erfolg in andere Länder exportiert resp. wieder eingestellt werden (vgl. ebd.: 23f.). Der Zeitschriftenmarkt entwickelt somit eine enorme Dynamik. Zum einen verändert sich der Markt kontinuierlich, stetig steigende Titelanzahlen der Zeitschriften (vor allem durch Line Extensions verursacht) zeigen eine erhebliche Diversifizierung des Angebots auf. Trotzdem steigen die Leserzahlen nicht in dem Ausmaß, wie es der Zuwachs bei den als Werbeträger erfassten Titeln zunächst vermuten lässt. Waren 1990 insgesamt 538 Publikumszeitschriften mit einer durchschnittlich verkauften Auflage von 196.500 auf dem Markt, so waren es zehn Jahre später nach einem rasanten Wachstum bei den Titeln bereits 834, die durchschnittliche Auflage je verkaufter Zeitschrift sank auf 152.200 Exemplare. Bis 2008 verlangsamte sich das Wachstum und es kamen nur wenige Titel hinzu (in der Summe 885), die Auflage fiel auf 131.300 durchschnittlich verkaufte Ausgaben (vgl. AWA 2009). Dennoch lasen 2008 in absoluten Zahlen mehr Menschen eine Publikumszeitschrift als 1990, der Markt ist also größer geworden sowohl in Bezug auf seine Anbieter wie auch Abnehmer. Allerdings begegnet uns auch hier das Problem der mangelnden Definitionen erneut: das Wissenschaftliche Institut für Presseforschung und Medienberatung (2010) übermittelt eine etwas andere Sicht. Es präsentiert eine »gattungsbereinigte«, d.h. eine nur redaktionell erstellte Titel einbeziehende Statistik der IVW-gemeldeten Publikumszeitschriften, anhand der die Gesamtauflage im ersten Quartal 2009 fast identisch mit 1990 ist. Das würde bedeuten, dass im wiedervereinigten Deutschland neunzehn Jahre nach der vollzogenen Einheit genauso viele Zeitschriften erscheinen wie in Westdeutschland vor der Einheit.
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1. GRUNDLEGENDES einer Kategorie erfasst: Neben Esszeitschriften finden sich ebenso Reiseund Motorzeitschriften oder Lifestylemagazine — und was nicht mehr passen mag, wird in die Kategorie Sonstiges ausgelagert. Hier wird allmählich offenbar, dass dieses scheinbare Chaos jedoch einen tieferen Sinn verfolgt, denn schließlich entstammen diese Kategorisierungen der IVW, einer Organisation, welche die Verbreitung von Werbeträgern — hier: Zeitschriften — überprüft, um damit potentiellen Werbekunden einen Hinweis auf die Zielgenauigkeit ihrer Werbung zu ermöglichen. »Der Zeitschriftenmarkt ist unmittelbarer Ausdruck der steten Entwicklung der Interessen im Publikum und breitangelegter Entwicklungen der Konsumnachfrage in sämtlichen gesellschaftlichen Gruppen«, stellt Kopper (2006a: 25) klar und bemerkt süffisant, dass es in modernen ausdifferenzierten Gesellschaften deshalb mindestens ein Zeitschriftenangebot für noch das schrulligste Hobby gebe. Das Angebot auf dem Zeitschriftenmarkt wie auch die Systematik der Gattungen richten sich also variantenreich in Themen und publizistischen Konzepten an Zielgruppen aus, die idealerweise identisch sind mit Konsumentengruppen der Werbewirtschaft. Heinrich (2001) weist darauf hin, dass Zeitschriften immer zwei Güter produzieren: Information und Unterhaltung für den Lesermarkt einerseits, eine Verbreitungswahrscheinlichkeit für den Werbekundenmarkt andererseits. Es liegt eine »Verbundproduktion mit variierbarer Kopplung« (ebd.: 312) vor. Und diese Verbreitungswahrscheinlichkeit wird aufgrund demografischer Daten sowie den Lebensstilen, Freizeit- und Konsumgewohnheiten der Leser erfasst, um daraus in einem thematisch geschlossenen Rahmen, wie ihn eine Zeitschrift bereitstellt, eine präzise Produktkommunikation aufbauen zu können. »Die Zeitschrift ist und bleibt Basismedium für zielgruppenbezogene Werbung, weil nur sie die Streuverluste der anderen aktuellen Medien vermeiden kann«, fasst Heinrich (ebd.) zusammen. Das bedeutet, dass diese vielen uneinheitlichen, aber doch mittlerweile eingebürgerten und zugleich wenig trennscharfen Kategorien einzig und allein der besseren Vermarktbarkeit von Anzeigen in Zeitschriften dienen. Wissenschaftliche Systematisierungsversuche, die an mehr als der Zielgruppenorientierung von Zeitschriften interessiert sind bzw. sein sollten, müssen dies zur Kenntnis nehmen, wenn sie nicht zunehmend, wie Vogel (1998: 29) beschreibt, vor den Typologien der Praxis kapitulieren (wollen).7 7
Menhard und Treede (2004: 23) führen eine andere Kategorisierung ein, die sich nach Inhalt und Zielgruppe definiert. Sogenannte General-Interest-Zeitschriften bieten ihnen zufolge universelle Themen für ein »allgemeines« Publikum, Zielgruppenzeitschriften universelle Themen für eine spezielle Zielgruppe, Special-Interest-Zeitschriften spezielle Themen für ein allgemeines Publikum und schließlich die Very-Special-Interest-Zeitschriften für eine spe-
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1.1 ARBEITSDEFINITIONEN Zeitschriften zu erforschen bedeutet, etwas über die Gesellschaft zu erfahren, in der diese Zeitschriften entworfen, produziert, gekauft und (bestenfalls) gelesen werden. Musikzeitschriften zu erforschen bedeutet demzufolge, etwas über den gesellschaftlichen Umgang mit Musik zu erfahren. Umso interessanter ist es zu sehen, wo die hier behandelten Musikzeitschriften in diesen Systematiken verortet werden, denn Musikzeitschriften erhalten eigentümlicher- wie bedeutenderweise fast nirgendwo eine eigene Rubrik. Im Zimpel (2009), eine sich als Kontaktbörse der Kommunikationsbranche verstehende Lose-Blatt-Sammlung von Journalisten und Medien, werden Musikzeitschriften unter die Publikumszeitschriften in die Rubrik »Kultur/Kunst« einsortiert. Bei der IVW hingegen landen sie unter den Publikumszeitschriften in der Kategorie Lifestylemagazine — der Zusammenhang von Musik und Lebensstil scheint also nicht nur ein Thema der Musiksoziologie, sondern auch der Werbewirtschaft zu sein. Nimmt man sich dagegen die aktuelle Allensbacher Markt- und Werbeträger-Analyse (AWA) 2009 vor, sieht man, dass auch diese Einteilung nicht durchgängig eingehalten wird. Hier erscheinen — übrigens als einziger der gängigen Markt-Medienstudien 8 — Musikzeitschriften als eigene Rubrik. Dies lässt sich auf den Stellenwert, den Musikzeitschriften für den Printund Werbemarkt haben, zurückführen: Zwar werden sie mitunter als handelnde Institutionen auf dem kulturellen Sektor anerkannt, jedoch scheinen sie vor allem dazu zu taugen, Produkten des sogenannten Lifestyles — sich vor allem durch ihre Ästhetik, weniger durch ihre Funktionalität unterscheidende Dinge des modernen Alltags wie Kleidung, Mobiltelefone, Uhren usf., aber auch Alben, Konzerte, Downloads u.Ä. — ein Umfeld zu bieten. Erst wenn, wie in der AWA untersucht, der spezielle Bezug zwischen Markenprodukten und der Leserschaft bestimmter Magazine genau interessiert, werden sie in ihrer Funktion als Werbeträger einzeln aufgeführt. Andreas Vogel (1998) geht in seiner selbst erstellten Datenbank der populären Presse (ein von ihm vorgeschlagener Begriff für die Publikumspresse) in Deutschland von insgesamt siebzehn Objektgruppen aus, die er nach
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zielle Zielgruppe. Es bleibt zu fragen, was genau denn ein spezielles Thema und was ein allgemeines Publikum sei und vor allem, wie dann Musik in diesen Zusammenhang einzuordnen wäre — und somit festzustellen, dass auch in dieser wenig überzeugenden Systematik Musikzeitschriften keinen eindeutigen Platz finden. Verglichen wurden die auf pz-online.de (vgl. VDZ 2009) einsehbaren Analysen ma 2009 Pressemedien II, AWA 2009, AWA 2008 »first class«, ACTA 2008, TdW 2009, VA 2008/1 Klassik, VA 2008/1 Jugend, Communication Networks 12.0, MarkenProfile 12, Brigitte KA 2008, Wohnen und Leben 6, Soll + Haben 6, Outfit 6, TopLevel 2008, Imagery 6, LAE 2009, LAC Business 2008 und KidsVA 2009.
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1. GRUNDLEGENDES eher genereller bzw. spezieller Orientierung der Inhalte unterteilt.9 In den Objektgruppen mit spezieller Orientierung finden wir zehn Sub-Gruppen (Haus und Leben; Motor; Computer und Technik; Sport; Kultur und Wissenschaft; Wirtschaft; Audio und Film und Fotografie; Mode; Sex und Erotik; Diverses). Die Objektgruppe Kultur und Wissenschaft, in der schließlich auch die Musikzeitschriften zu entdecken sind, umfasst 119 Titel (Stand Dezember 1995), von denen 37 auflagenkontrolliert werden. Die Anzahl verkaufter Exemplare dieser Gattung beläuft sich auf 3 Millionen — zum Vergleich: die General-Interest-Objektgruppe der Programmzeitschriften enthält 22 Titel und 21,8 Millionen verkaufte Exemplare. Innerhalb der Objektgruppe Kultur und Wissenschaft gibt es insgesamt sieben Subkategorien, die hier eingeordnete Musikkategorie ist mit 44 Titeln10 mehr als doppelt so groß wie die folgende Kategorie Reisen (20 Titel), erzielt aber um ein Drittel geringere Auflagen.11 Zu Recht beanstandet Vogel (ebd.: 140f.) die in der Pressepraxis 9
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Die Unterteilung der Zeitschriften nach General Interest und Special Interest wurde von der Werbewirtschaft in den 1970er Jahren eingeführt. Man beabsichtigte, General-Interest-Titel als Basiswerbeträger für Waren des allgemeinen Bedarfs, wie etwa Lebensmittel, zu benutzen. Special-Interest-Titel sollten dementsprechend Waren des speziellen Bedarfs bewerben. Allerdings misstraut Vogel (1998) dieser Dichotomie: Spätestens mit der Einführung der privaten Rundfunksender sei die Presse als Werbeträger für diese Produktgruppen verdrängt worden. Außerdem zweifelt er an der Relevanz des Konzepts für die Leser (vgl. ebd.: 97). Dass er dennoch diese Unterteilung als »Sammelbezeichnungen für Titel mit ähnlich scheinenden redaktionellen Konzepten [...], nicht aber als wissenschaftlich exakte Kategorien« (ebd.) für seine gefilterten Objektgruppen benutzt, liege an ihrer mittlerweile vor allem im Feld der Presse vorherrschenden Etablierung. Leider gibt Vogel die Einzeltitel der gesamten Objektgruppe nur nach chronologisch aufsteigendem Gründungsjahr geordnet an. Welche Titel genau zur Musiksubkategorie gehören, ist nicht eindeutig zu rekonstruieren; gutwillige Nachvollzüge meinerseits kamen auf höchstens 41 Titel. Die Intro oder das WOM-Magazin, die damals auflagenstärksten deutschen Musikmagazine, wurden übrigens nicht berücksichtigt, was den Definitionen Vogels geschuldet ist. Mit der Dissertation von Nina Rolf (1995) liegt ein weiterer Systematisierungsversuch vor, der aufgrund seiner Krudität nicht vorenthalten werden soll. Die von ihr gebildete Kategorie Audio (vgl. ebd.: 196ff.) enthält sechzehn Zeitschriften, die in sechs Subkategorien gemäß den von der Autorin als Themenschwerpunkte befundenen Gesichtspunkten zusammengefasst wurden: zwei Zeitschriften behandeln den Bereich »Hifi im Auto«, zwei den Bereich »Hardrock« (übrigens ungeachtet der Tatsache, dass die hierin enthaltenen Magazine Metal Hammer und Metal Star heißen), fünf Zeitschriften beschäftigen sich mit »High Fidelity« (was demzufolge nichts mit »Hifi«, ob im Auto oder sonst wo, zu tun hat). In zwei Zeitschriften geht es um den Bereich »Keyboard«, der anscheinend nichts mit der folgenden Subkategorie »Pop/Rock« gemein zu haben scheint. Letztere enthält ihr zufolge Break Out, Fachblatt Musikmagazin und Musikexpress/Sounds. Genau eine Zeitschrift
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1.1 ARBEITSDEFINITIONEN herrschende Unterteilung — etwa in der EHASTRA (Einzelhandelsstrukturanalyse), einer jährlich durchgeführten Vollerhebung der presseführenden Einzelhändler in Deutschland12 — dieser großen Gruppe der Musikzeitschriften in einerseits Jugendpresse und andererseits Wissenschaft und Kultur. Denn viele Leser der Musikzeitschriften, zumal der hier untersuchten, befinden sich im Erwachsenenalter. Währenddessen erscheint die von Vogel vorgenommene Einordnung von Kultur und Musik als sinnvoll angesichts eines in dieser Arbeit vertretenen Begriffs des musikalischen Handelns, der auf Kurt Blaukopfs (vgl. 1984: 18) umfassender Definition beruht. Musikzeitschriften sind somit bereits theoretisch einer künstlichen Trennung von Kultur und Musik enthoben. Diese erwiese sich spätestens als vollends obsolet, wenn man sich im Feld der Musikzeitschriften, in der Praxis ihrer Produktion selber bewegt: Musik wird hier verstanden als ein Teil von Kultur, speziell der Popkultur (verdeutlicht etwa im Untertitel der Spex, dem selbsternannten »Magazin für Popkultur«), die außerdem Literatur, Filme, Mode, bildende Kunst, Konsumartikel und politische wie philosophische Themen mit ein– schließt. Doch wie viele Musikzeitschriften existieren denn nun tatsächlich? »An die sechzig Magazine berichten ausschließlich über Rock und Pop«, weiß Gunter Reus (2008: 85) zu berichten, ohne sie allerdings zu nennen. Die deutsche Wikipedia (div. A. 2009) etwa, eine trotz ihrer Fehlerbehaftetheit stets fleißige Sammlerin trivialer »Infos«, listet 75 Musikzeitschriften, die auf dem deutschsprachigen Markt angeboten werden. Von diesen befassen sich allerdings lediglich 43 überwiegend mit populärer Musik, von denen
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macht ihre letzte Kategorie »Rundfunk« aus, die sechzehnte Zeitschrift Audio sei »themenbereichsumfassend« und deswegen nicht einer Subkategorie zuzuordnen. Vielleicht hätte ein Blick in die Zeitschrift hier weiterhelfen können, denn angesichts von Lautsprecher- und Verstärkertests sowie die Klangqualität beurteilender CD-Kritiken erscheint ihre Subkategorie »High Fidelity« wohl einigermaßen adäquat. Es erstaunt ziemlich, wo die übrigen Musikzeitschriften, Musikerfachzeitschriften, Branchenzeitschriften oder wissenschaftlichen Zeitschriften in dieser von der Autorin erfassten Aufstellung geblieben sind. Vogel (1998: 97), der die Gliederung hinsichtlich ihrer Systematik, Umfang und Vollständigkeit infrage stellt, ist vielleicht nicht in seiner Wortwahl (»Anmutung«), wohl aber in seiner grundsätzlichen Kritik der Arbeit zuzustimmen. Laut Einzelhandelsstrukturanalyse 2006 gibt es insgesamt 119.767 Angebotsstellen, davon 96.704 Einzelhändler, die Zeitungen und Zeitschriften verkaufen, 21.970 Einzelhändler, die nur Zeitungen verkaufen, und 1.093 Spezialverkaufsstellen. Im Presse-Einzelhandel wurden 2006 insgesamt 3,267 Mrd. Exemplare verkauft. Dabei wurden Gesamtumsätze zu Endpreisen in Höhe von rund 3,746 Mrd. erzielt (vgl. Deutscher Pressevertrieb 2009).
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1. GRUNDLEGENDES wiederum etliche bei stichprobenartiger Überprüfung eingestellt waren.13 Das Deutsche Musikinformationszentrum (MIZ) des Deutschen Musikrates listet unter der Rubrik »Zeitschriften und Jahrbücher« zwar 217 »Datensätze«, die Eingrenzung auf »Jazz«, »Rock«, »Pop«, »Schlager«, »World« und »Folklore« bringt immerhin noch 56 Titel, von denen bereinigt lediglich 31 übrig bleiben. Im Zimpel (2009) werden in der Rubrik »Kultur/Kunst« in den Titeln der Publikumszeitschriften insgesamt 79 Titel genannt, bereinigte 26 Titel davon thematisieren überwiegend populäre Musik. Auch hier schlägt sich also die oben für die Zeitschriften allgemein beschriebene Problematik nieder, dass fehlende Definitionen zu heterogenen Kategorisierungen führen, die aufgrund der staatlichen Eliminierung einer zentralen Erfassungsstelle zu verschiedenen Aussagen über die Menge gelangen. Definiert man als Popmusikzeitschrift die Printausgabe einer Zeitschrift nach oben genannten Kriterien, die sich im weitesten Sinne thematisch um populäre Musik kümmert, so dürfte die Anzahl der in Deutschland erhältlichen Zeitschriften nach eigenen Beobachtungen ungefähr bei 35 liegen, da im MIZ nicht alle kostenlosen Musikmagazine aufgeführt sind.14 Die in Popmusikzeitschriften ausgeführte Arbeit soll als spezielle Form des Musikjournalismus, als Popmusikjournalismus, verstanden werden. Normativen Forderungen zufolge müsse Musikjournalismus in seinen Arbeiten zeigen, »dass Musik eine Bereicherung, ein Quell für schöne Erlebnisse, Entdeckungen und, gerade in einer schnelllebigen Zeit, auch für Muße und Kontemplation sein kann« (Overbeck 2005b: 9). Aufgabe des Musikjournalismus sei, Information und Meinung bzw. Hilfe bei der Einordnung zu bieten. Demnach ist der Aspekt der Anwendungsbezogenheit musikjournalistischer Erzeugnisse zentral für seine Übermittlung. Musikjournalismus ist ein Feld des Kulturjournalismus, der als Teilbereich des Journalismus in allen vier Mediensparten (Print, Radio, TV, Online) zuständig ist für die Information über Kultur. Zugleich ist er aber auch eine Instanz, die uns öffentlich legitime Bereiche von Kultur (neben der Musik- die Literatur-, Theater, Film-, Kunst- und Medienkritik), legitime Formen des Berichtens (etwa Bericht, Kommentar, Interview, Rezension, Porträts [Features], Essays) und 13
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Nicht gezählt wurden Klassik- und Musicalmagazine, Verbandszeitschriften, Branchenmagazine wie die Musikwoche, Fachzeitschriften für Instrumentalisten wie Gitarre & Bass oder das Blockflötisten-Magazin Der Windkanal, Fachzeitschriften für Audiogerätschaften und PR-Magazine wie Top of the Pops. Diese Systematik der Erfassung gilt auch für die im Text folgenden Auflistungen. Selbstverständlich fehlen in dieser Aufzählung die für ganze Szenen oder individuelle Rezipienten wichtigen Fanzines, die Onlinemusikzeitschriften wie etwa residentadvisor.net oder die ungezählten Blogs. Doch sie fallen alle aus der oben genannten Definition heraus.
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1.1 ARBEITSDEFINITIONEN somit legitime Arten des Denkens und Sprechens darüber aufzeigt. Stephan Porombka (2007) definiert die sich vom klassischen Journalismus unterscheidenden Techniken (Gegenstandsorientierung, Kontextualisierung, Symptomatisierung, Polemisierung und Literarisierung) als »kulturjournalistische Methode«, der zufolge »der Gegenstand von innen her verstanden, aber kulturell kontextualisiert und symptomatisiert wird und formal in einer Mischung von journalistischen und literarischen Erzählweisen vorgeführt und in streitbarer Absicht mit dem Index des exemplarischen Zugriffs durch den Autor in die literarische Öffentlichkeit eingebracht wird« (ebd.: 277). Was wir also über Kultur wissen, wissen wir über den Kulturjournalismus. Was wir über Musik, über Popmusik im Speziellen wissen, wissen wir über den Popmusikjournalismus. Zum Schluss dieser Überlegungen soll erläutert werden, ob es gerechtfertigt ist, im Folgenden von Popmusikjournalismus zu sprechen. Mehrere Gründe befürworten diesen Entschluss: Popmusikjournalismus ist zum einen abgetrennt durch das spezielle Thema, mit dem er sich von anderen musikjournalistischen Gebieten unterscheidet. Zum anderen ist er unterscheidbar durch seine spezielle Geschichte und Entwicklung seit dem Beginn in den 1960er Jahren, als es zu vielen Neugründungen von Magazinen als Reaktionen auf das angewachsene Publikum und den Musikmarkt kam.15 Popmusikjournalismus ist weiter differenzierbar durch eine ideologische Grundhaltung, welche die kulturelle Legitimierung von Rock- und Popmusik — oft als Kunst — anstrebte. In den Magazinen kämpfen Fans wie auch professionelle Kritiker für ihr Anliegen mit der Übertragung von Kriterien aus dem Kunstund Jazzdiskurs (vgl. Regev 1994; Appen/Doehring 2006). In der von Lindberg et al. (2005) »formative period« genannten Phase von 1964-1969 begründete sich in den Musikzeitschriften ein Diskurs über populäre Musik, der sich von Verkaufszahlen entfernte und stattdessen Authentizität als Kriterium populärer Musik bzw. ihrer Berichterstattung durchsetzte: die »to be with the boys-Formel« als Berichterstattungsmuster und Authentifizierungsinstrument von Popmusikjournalismus entspringt genau hier. Des Weiteren existieren im Popmusikjournalismus Rollenbilder und Kommunikationsideale, wie der New Journalism oder Gonzo-Journalismus (vgl. Jones/Featherly 2002), die auf historisierten Heroen des Feldes (Nik Cohn, Lester Bangs, Greil Marcus, Hunter S. Thompson usw.) beruhen und die in anderen Journa15
Es ist nicht der angezeigte Ort, eine Geschichte des Popmusikjournalismus zu liefern; für einen Überblick über die Entwicklung in den USA und Großbritannien vgl. Lindberg et al. (2005). Eine sozialgeschichtlich orientierte Erfassung der Popmusikrezeption in deutschen Popmusikmagazinen steht noch aus. Eine Wiedergabe von Dokumenten bietet Rumpf (2004), Hinz (1998) behandelt nebenbei die Anfänge in Sounds und Spex.
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1. GRUNDLEGENDES lismusfeldern nicht bzw. kaum zur Anwendung kommen. Zu guter Letzt ist es sinnvoll, Popmusikjournalismus als eigenständigen Begriff zu etablieren, da — wie zu zeigen sein wird — die hier vorliegenden Organisations-, Arbeits- und Beschäftigungsformen das Feld, seine Akteure und die daraus resultierenden Produkte spezifisch prägen.
1.2 Popmusikmagazine und Popmusikredakteure — der Forschungsstand Der Forschungsstand zu Popmusikzeitschriften und Popmusikredakteuren ist als wenig entwickelt zu bezeichnen. Weder die Musikwissenschaft noch die Journalistik bzw. die angrenzenden Disziplinen der Kommunikationswissenschaft haben es bisher vermocht, einen historisch gewachsenen Katalog von Schriften zu erstellen, der den Blick des Forschenden für eine diskursive und klare Perspektive auf diese Gegenstände schärft. Dies wird umso deutlicher, wenn man sich der Literatur zunächst in quantitativer Hinsicht nähert: Gunter Reus’ (2008) Auswertung der deutschsprachigen Literaturlage zum Musikjournalismus ist zu entnehmen, dass vierzehn Prozent der 270 bibliografierten Titel sich mit Popmusik beschäftigen, zwölf Prozent mit dem übermittelnden Medium und gerade noch drei Prozent mit einer journalistischen Berufsgruppe — wohingegen fast ein Drittel sich mit den Medieninhalten auseinandersetzen. Eine »sozialwissenschaftliche Relevanz« der Unter– suchungsgegenstände sei kaum erkennbar, moniert Reus (ebd.: 89). In einer quantitativen Vergleichsanalyse von Fachzeitschriften der Kommunikations- und Musikwissenschaft über einen Zeitraum von fünfzig Jahren stellt Reus des Weiteren dar, dass sich Musikjournalismus als Haupt- oder Nebenthema fast gar nicht in der für Journalismus zuständig erklärten Disziplin finden lässt. Zwei Beispiele mögen dies verdeutlichen: In Publizistik erschien im Untersuchungsraum kein einziger Artikel über Musikjournalismus als Hauptthema, dreimal war er Nebenthema — von insgesamt 1.200 in diesem Zeitraum publizierten Aufsätzen. Die etwas jüngere Zeitschrift Media Perspektiven veröffentlichte in den 36 Jahren ihres Bestehens ebenfalls nicht einen einzigen Hauptartikel, aber immerhin neunzehn, in denen Musikjournalismus als Nebenthema auftauchte.16
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In den letzten fünfzig Jahren erschien genau ein Artikel, der Musikjournalismus nach Reus’ Definition zum »Hauptthema« hatte: ein Essay in Rundfunk und Fernsehen von Heinrich Breloer über den Moderationsstil Dieter Thomas Hecks (vgl. Reus 2008: 92).
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1.2 POPMUSIKMAGAZINE UND POPMUSIKREDAKTEURE – DER FORSCHUNGSSTAND Dagegen waren in den musikwissenschaftlichen Fachzeitschriften Archiv für Musikwissenschaft und Musikforschung drei Aufsätze zu Musikjournalismus als Haupt-, einer als Nebenthema zu finden, was angesichts des Erhebungszeitraums von fünfzig Jahren nicht sonderlich erquicklich, angesichts der Publikationsorte allerdings auch nicht weiter erstaunlich ist. Die Neue Zeitschrift für Musik dagegen widmete sich immerhin 22-mal dem Musikjournalismus als Haupt-, achtmal als Nebenthema; allerdings ist dies Reus zufolge vor allem »journalistisch-essayistisch« geschehen. Der Essay gilt denn auch als beliebteste »Methode«, sich mit Musikjournalismus auseinanderzusetzen: Fast die Hälfte (46 Prozent) der hauptthematischen Schriften wählte die Form des Essays, historisch-deskriptiv wird Musikjournalismus als Hauptthema von 23 Prozent bearbeitet. Insgesamt kommt Reus zu dem Ergebnis, dass die spärlich vorhandene Literatur nur eine Teil- wie auch eine Momentaufnahme darstellt: eine Teilaufnahme, da Musikjournalismus in Popmusikzeitschriften ausgeblendet wird. Auch fehlt eine umfassende Kommunikatorforschung über Musikjournalisten, die nicht nur dort, sondern auch bspw. als Musikmoderatoren bei Radio- und Fernsehanstalten, als (Laien- wie professionelle) Kritiker im Internet oder Fanzines musikjournalistisch tätig sind. Eine Momentaufnahme stelle der Literaturstand dar, weil sich andeute, dass sich derzeit ein Generationswechsel in den vorwiegend inhaltsanalytisch untersuchten Feuilletons vollziehe (vgl. ebd.: 96). Hinzuzufügen ist, dass auch sozial-strukturelle und technologische Aspekte, wie etwa Beschäftigungsverhältnisse oder die Digitalisierung und Flexibilisierung der Arbeit, das Berufsfeld erheblich verändern, was sich ebenfalls nicht in der Literatur widerspiegelt. Die Gründe für diese Forschungslücke liegen in den Disziplinen selbst. Für die Journalistik scheint eine weitgehende Abstinenz gegenüber der Erforschung von Zeitschriften vorzuliegen, wie Andreas Vogel (1998: 9) beklagt und ein Sammelband zur Zeitschriftenforschung (Vogel/Holtz-Bacha 2002a) erläutert. Auch gebe es eine in der Fachtradition der Orientierung an der Informationsfunktion der Medien begründete Herablassung gegenüber dem Themenkomplex Musik, der vor allem als unterhaltend wahrgenommen werde (Weinacht/Scherer 2008b: 8). Rudi Renger (2006) weist in seinem Plädoyer für eine Hinwendung der Journalistik zum Populären Journalismus darauf hin, dass hier zudem eine implizite Werthierarchie vorliege. In der Journalistik untersuche man vor allem »Qualitätsjournalismus« und nicht »jene journalistischen Spielarten, die in den Boulevardzeitungen, den bunten Illustrierten, den Lifestyle- und Special Interest-Magazinen oder im sogenannten Tabloid-TV bzw. (privatrechtlichen) Boulevardfernsehen den
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1. GRUNDLEGENDES Großteil der Bevölkerung mit Orientierungswissen, Serviceinformationen und vergnüglichen Geschichten versorgen« (Renger 2006: 271). Musikwissenschaftliche Arbeiten stehen traditionell nicht im Verdacht, sich popularmusikalischen Angelegenheiten offensiv zu nähern. Wenn sich Arbeiten mit Musikkritik auseinandersetzen, werden vor allem die Bereiche Radio und Fernsehen (vgl. Kleinen 1983;17 Burow 1998), Feuilleton (vgl. Döpfner 1991; Tadday 1993, 1997) oder Fachzeitschriften (Lovisa 1993; Fellinger 1998)18 behandelt — und dies in aller Regel durch eine weitgehende Auslassung popmusikalischer Gebiete. Deshalb wird der Blick in der weiteren Darstellung der Literaturlage die Fachgrenzen der Musikwissenschaft verlassen, die ohnehin für die Popularmusikforschung nie galten, geschweige denn dem Gegenstand alleine angemessen sind. Arbeiten zu Musikjournalismus finden sich auch bspw. in der Publizistik und Kommunikationswissenschaft (Leyendecker 2003)19, Germanistik (Böheim 1987; Hinz 1998), Anglistik (Lilienkamp 2001), Cultural Studies (Théberge 1992) und Soziologie (Diaz-Bone 2010). Wenn in der Literatur Popmusikmagazine thematisiert werden, dann zu– meist als kritik- und kommentarlos abgedruckter Quellentext für die Beantwortung anders ausgerichteter Fragestellungen. Monografien zum Thema sind selten (Lindberg et al. 2005), meist werden Sammelbände produziert (Jones 2002; Bonz/Büscher/Springer 2005), da die gängige wissenschaftliche Form des Sprechens bzw. Schreibens über Popmusikmagazine der Aufsatz oder Essay ist. Hinzu kommt die Tatsache, dass die wenigen Arbeiten über Musikjournalisten und Musikmagazine, die in den ebenfalls raren Überblicks17
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Günter Kleinens (1983) Studie über die Redakteure von Radio- und Fernsehanstalten muss insofern vor zu harter Kritik geschützt werden, als sie eine der wenigen des Faches ist, die sich mit Strukturen, Zwängen, Einstellungen und Arbeitsfeldern der Musikjournalisten auseinandersetzt. Wenngleich sie nicht gerade übermäßig die Ergebnisse und Überlegungen anderer Disziplinen wahrnimmt, ist hier eine Gründungsschrift musikwissenschaftlicher Kommunikatorforschung zu erkennen. Eine hier nur am Rande anzumerkende Tendenz der Forschung: Fellinger (1998) widmet in ihrem Artikel im (neuen!) MGG ganze vier Zeilen eines dreiundzwanzigspaltigen Artikels der Rolle der musikwissenschaftlichen Fachzeitschriften in der Zeit der NS-Diktatur, ohne auf die Arbeit von Lovisa (1993) hinzuweisen. Oder: Döpfners (1991) Schrift wird von Tadday (1997: 1375) zu Recht als verharmlosend dafür kritisiert, dass dieser von einem »Neuanfang« (Döpfner 1991: 15) der Musikkritikschreibung nach 1945 spreche. Dass die Arbeit von Claudia Leyendecker über die Musikkritik in Frankfurter Allgemeine Zeitung und Süddeutsche Zeitung nicht der Musikwissenschaft entstammt, lässt sich an den seitenlangen (und doch zu kurzen) Definitionen von Epochen, Gattungen, Genres und Stilistiken der letzten ca. 400 Jahre Musikgeschichte belegen, in der sie etwa den »Protesthabitus« zum wichtigsten Bestandteil der Rockmusik erhebt (vgl. Leyendecker 2003: 61).
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1.2 POPMUSIKMAGAZINE UND POPMUSIKREDAKTEURE – DER FORSCHUNGSSTAND artikeln (Reus 2008; Krause/Weinacht 2009) genannt werden, oft den Status wissenschaftlicher Qualifikationsarbeiten besitzen (etwa Hailer 2007). Dies wirft, sowohl in Bezug auf deren Aussagekraft sowie Zugänglichkeit, ein bezeichnendes Licht auf den Forschungsstand — und legt außerdem den Schluss nahe, dass einmal etablierte Wissenschaftler sich kaum mehr für die Thematik zu interessieren scheinen.20 Selten werden ökonomische Zusammenhänge der Produktion von Musikzeitschriften thematisiert. Falls doch, stehen Musikzeitschriften einerseits im Verdacht, willfährige Erfüllungsgehilfen bei der musikindustriellen Vermarktung von populärer Musik zu sein (Fenster 2002; Neidhart 2009), was jedoch bei einer Überprüfung des Zusammenhangs von Anzeigen eines Labels und positivem Tonfall der Kritik bei Jones (1994) nicht nachweisbar ist. Dennoch wird vermutet, dass es einen Einfluss struktureller Art auf die Arbeit der Musikkritiker gibt, »wenn auch nicht in quantifizierbarer Form« (ebd.: 58). Keith Negus’ (1992) umfassende Arbeit über die Strukturen der Musikindustrie, die leider nur einen kleinen Teil (ebd.: 118ff.) den Printmagazinen und den hier tätigen Journalisten widmet, sieht die Zusammenhänge differenzierter und lehnt deshalb Vorstellungen von top-down-Prozessen ab. Stattdessen erkennt er die Notwendigkeit, in allen Bereichen der kulturindustriellen Produktion auf die Akteure zu schauen, »because [...] it is here where tensions between artists, consumers and corporations are mediated and find expression in a range of working practices, ideological divisions and conflicts. And, it is these which decisively shape the sounds and visions of contemporary pop music« (ebd.: 154). Werden andererseits Schriften aus den Wirtschaftswissenschaften zum Thema herangezogen (Schulze 1995; Mahlmann 2008), erkennt man hier zwar die terminologisch korrekte Benennung ökonomischer Zusammenhänge, Printmagazine spielen allerdings im Vergleich zu anderen Medienplattformen eine untergeordnete, meist unhinterfragte und nicht sonderlich elaborierten Kommunikationsmodellen folgende Rolle. Sarah Thornton (1996) und Simon Frith (1981; 1996; 2002; Frith/Savage 1997) sehen die Funktion von Musikzeitschriften in der Verbreitung von (sub)kulturellem Kapital und in der Bildung von Begriffen und Publika, die sich um die Zeitschriften bilden. Thornton unterteilt die bereits prominent im Titel positionierten Medien nicht sehr schlüssig in mass media, micromedia (Flyer, Stadt- bzw. Veranstaltungsmagazine, Fanzines, Piratensen– 20
Die bei Reus (2008) angeführten Arbeiten sind Diplom-, Bachelor- und Magisterarbeiten und somit der Öffentlichkeit kaum zugänglich. Dissertationen sind die Arbeiten von Lesle (1984), Döpfner (1991), Hinz (1998), Leyendecker (2003) und Rumpf (2004).
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1. GRUNDLEGENDES der) und niche media. In letzterer findet man die consumer magazines — also Publikumszeitschriften, die an anderen Orten (etwa bei Menhardt/Treede 2004; Meyn 2004) durchaus zu den Massenmedien gerechnet werden —, die den underground des Acid House adressieren, doch leider unterbleibt eine tiefer greifende Untersuchung dieser Magazine, ihrer Journalisten und der sie prägenden Strukturen. Frith, der selber als Rockmusikkritiker tätig war, kennt und benennt die verschiedenen Zwänge und Möglichkeiten, innerhalb der Musikjournalisten arbeiten und weiß diese auch in einem kulturtheoretischen Rahmen zu positionieren. Leider liegt von ihm keine Monografie zum Popmusikjournalismus vor, sodass man aus Kapiteln (Frith 1981: 164ff.), Gedanken (Frith 1996: 64ff.) oder launisch geschriebenen Essays (Frith 1997, 2002) ein Bild rekonstruieren muss. Demzufolge sind Popmusikjournalisten anders ausgebildet und urteilen und arbeiten nach anderen Regeln als etwa Kritiker sogenannter klassischer Musik. Popmusikjournalisten, niemals von Frith empirisch erhoben oder belegt, seien von den Idealen moderner Literatur und ihrer Suche nach künstlerischer Innovation jenseits ökonomischer Zwecke beeinflusst — wie auch ihr Publikum, das sie bedienen und formen. Anstatt akademisch ausgebildeter Experten seien hier Fans tätig, »with a mission to preserve a perceived quality of sound, to save musicians from themselves, to define the ideal musical experience for listeners to measure themselves against« (Frith 1996: 67). Die Aufgaben von Musikjournalisten liegen der Literatur zufolge vor allem in der Musikkritik, andere Tätigkeitsbereiche bleiben ausgeblendet. Taddays (1997: 1365) Unterscheidung von ästhetischer Referenz und soziologischer Relevanz von Musikkritik durchzieht die Literatur, ohne dass sie so explizit benannt würde. Zuweilen wird festgestellt und bemängelt, dass Musikkritiken sich »zu wenig« (Döpfner 1991: 269) mit Musik beschäftigen würden, was in »erschreckender Weise« demonstriere, dass Musikkritik ihr »eigentliches Sujet« verlöre (ebd.: 298). Wie Taddays (1993; 1997) Arbeiten zeigen, beruht dieser Tatbestand vor allem auf der sozialen Referenzfunktion von Musikkritik seit Anbeginn des 19. Jahrhunderts, als sie sich in den Feuilletons institutionalisierte. Insofern ist der oft zu findende Vorwurf, dass die Plattenkritiken in Musikmagazinen als consumer guides21 funktio-
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Der Ausdruck geht auf den Titel einer Kolumne des Kritikers Robert Christgau zurück, den auf seiner Homepage (http://www.robertchristgau.com) selbst ernannten »Dean of American Rock Critics«. »Christgau’s Consumer Guide« erschien erstmals in der Village Voice vom 10. Juli 1969 und ist bis heute, wo sie bei MSN.Music.com (http://music.msn.com/music/consumerguide/) veröffentlicht wird, eine monatliche Schau und Kommentierung der ›besten‹, nach Schulnoten geordneten Alben.
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1.2 POPMUSIKMAGAZINE UND POPMUSIKREDAKTEURE – DER FORSCHUNGSSTAND nierten, eher als ein der Sache innewohnendes Prinzip zu begreifen denn als eine begründete Kritik mangelnder ästhetischer Referenz. Frith (1996: 68) begründet diese Funktion von Musikkritik damit, dass Kritiken eine schriftliche Fassung der Musik für die Leser und Hörer seien. Die problematische Verbalisierung von Musik erkläre die die Kritiken kennzeichnenden Adjektivhäufungen und Verweise auf Möglichkeiten, diese Musik im musikalischen Kosmos und im sozialen Leben der Leser zu verorten. Popmusikkritiken seien deshalb ein Hinweis, wie Musik als soziale Tatsache (social event) konstruiert und benutzt wird. Wicke (1997: 1381) erläutert die kulturindustriellen Hintergründe: Musikjournalisten schreiben nicht als ästhetisch-normative Instanz, sondern vor allem als idealtypische Hörer, weil Musikkritik im Bereich der Popmusikindustrie zwei Funktionen erfülle: einerseits die des Indikators von zu erwartendem Verständnis — und der anhängigen Nachfrage — der Musik im Publikum, andererseits als Informant für das Publikum über die gehörte Musik und Möglichkeiten des kulturellen Umgangs damit. Für Musikmagazine arbeiten ihm zufolge deshalb vor allem aktive Fans, da sie eine nahtlose Rezeption von Musik in die von der Musikindustrie avisierten Szenen gewährleisten — ohne allerdings auf die tatsächliche Aneignung der Musik einwirken zu können. »Der Kritiker hat damit zwar eine Funktion im Prozeß der Tonträgervermarktung, wirklichen Einfluss darauf hat er als lediglich einer unter vielen Faktoren entgegen einer weitverbreiteten Ansicht jedoch nicht« (ebd.). Wer diese Kritiker wirklich sind, ist der Literatur kaum zu entnehmen. Eine Ausnahme stellt die Arbeit von Wyatt und Hull (1989) dar, der die Ergebnisse einer fragebogengestützen Untersuchung über 160 US-amerikanische Musikkritiker in Tageszeitungen und Zeitschriften zu entnehmen sind. 98 Prozent von ihnen konnten mindestens einen College-Besuch vorzuweisen, 85 Prozent immerhin einen akademischen Abschluss, den allerdings nur fünf Prozent in Musik erworben hatten. Dennoch verfügte ein gutes Drittel (34%) über eigene Erfahrungen als Musiker; von ihnen war zum Zeitpunkt der Befragung allerdings nur noch ein Drittel aktiv. Das Durchschnittsalter lag bei fünfunddreißigeinhalb Jahren, 77 Prozent der Befragten waren männlichen Geschlechts. Mitunter finden sich in der Literatur auch anderswo bedenkenswerte, allerdings selten belegte Hinweise (Negus 1992; Frith 1996; Plesch 2000; Lilienkamp 2001), dass eine Ungleichverteilung der Geschlechter im Popmusikjournalismus vorliegt, die zu Sexismen in Berufsalltag und Berichterstattung führe.22 Das Dilemma, von Jürgen Prott (1976: 9) vor über 22
Dies gilt selbst für die als alternativ beschriebene Spex, wie Tine Plesch (2000: 94) in ihrer Untersuchung zusammenfasst: »Vielseitige, ambitionierte und durchdachte Anregungen stehen vor allem in bezug [sic!] auf feministi-
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1. GRUNDLEGENDES dreißig Jahren mit dem Bonmot »Wir wissen vieles durch die Journalisten, aber wenig über sie« auf den Punkt gebracht, besteht für das Gebiet der Popmusikjournalisten noch immer. Mit aller Wahrscheinlichkeit ist diese Informationslücke ein Effekt der die Literatur durchziehenden Methodik der — mehr oder weniger methodisch durchgeführten — Inhaltsanalyse, bspw. in Jugendzeitschriften (Ortmann 1982), in Musikkritiken (Böheim 1987; Döpfner 1991; Leyendecker 2003; Völker 2008) oder quer über verschiedene Medienformen und Darstellungsmuster hinweg (Rumpf 2004). Marc Lilienkamp (2001) weist in seiner vergleichenden Dissertation über die Sprache von deutschen, spanischen, französischen und englischen Musikmagazinen die Zunahme von Anglizismen und Neologismen nach.23 Die Konzentration auf die Ebene der Medieninhalte hat eine Bevorzugung der sprachlichen Ebene zur Folge, der soziale oder (geschlechter-)politische Aspekte anscheinend weichen müssen.24 Die selten explizit, d.h. sprachanalytisch untersuchte »Schreibweise« wird auch zur Kennzeichnung bestimmter Magazine oder Journalisten bemüht, wie es bspw. bei Hinz’ (2003, 2009) Bestreben sichtbar wird, den »avancierten Musikjournalismus« in der Sounds und Spex zu positionieren. »Upgedatete Fanzine-Schreibe«, »akademisch unterfütterter Journalismus«, »elaboriert ausstaffierter Sprachcode ohne Inhalt«, »Sprache der Reklame«, »popkultureller Ansatz« — diese einem Artikel von Dierck Wittenberg (2005) entnommenen Versuche, die Sprache von Intro und Spex zu beschreiben, demonstrieren den Zustand einer methodisch — im weitesten Sinne — in– haltsanalytisch vorgehenden, zu wenig sprachanalytisch beschlagenen und
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sche Themen verschenkten Möglichkeiten, Verlogenheiten, nicht geführten Diskussionen gegenüber. Trotz zahlreicher Berichte über Musikerinnen und Autorinnen sind Frauen weder gleichberechtigt vertreten noch werden sie in letzter Konsequenz gleichberechtigt ernst genommen.« Diese Arbeit ist in mancherlei Hinsicht bemerkenswert: Sie stellt eine eigenständige Typologie der Musikzeitschriften auf, befragt die Redakteure (per Fragebogen), schreibt nebenbei eine kurze Geschichte des Popjournalismus und identifiziert Kritik und Interview als primäre Textsorten der Musikmagazine. Sie überdenkt die Kommunikationssituation der Journalisten zwischen PR- und Publikumseinflüssen und macht schließlich den Versuch, eine Ideologie und Ästhetik des Popmusikjournalismus zu identifizieren — und dies alles bloß als Vorarbeit zur eigentlich sprachwissenschaftlich interessierten Analyse der Musikzeitschriften. Dass sie überdimensionierte Ansprüche vertritt und somit in einigen Aspekten zwangsläufig scheitert, mindert nicht die Richtigkeit ihres multiperspektivischen Vorgehens. Ausnahmen, die sich der theoretischen Dimensionierung der Arbeit verdanken, finden sich etwa bei Hinz (1998), in der Diskursanalyse zweier Musikzeitschriften bei Diaz-Bone (2010) oder in einer Arbeit von Appen und Doehring (2006), in der soziologisch und ästhetisch argumentierend eine Untersuchung von Kanonisierungstendenzen in Popmusikmagazinen vorgenommen wird.
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1.2 POPMUSIKMAGAZINE UND POPMUSIKREDAKTEURE – DER FORSCHUNGSSTAND doch an anderem — hier: die in den Magazinen repräsentierte Ideologie — interessierten Literaturlage. Bezeichnenderweise beendet der Musikjournalist Felix Klopotek seinen Versuch, vier Stile des Schreibens über Musik zu unterscheiden, mit der Feststellung: »Schreiben über Musik-Schreiben ist noch komischer, als über Musik schreiben« (Klopotek 2005: 73). Des Weiteren ist ein Kennzeichen der Literaturlage, dass nur selten eine theoriebasierte Grundlage die Beschäftigung mit Popmusikmagazinen leitet. Ausnahmen bilden die Arbeiten von Lindberg et al. (2005), die als interdisziplinär antretendes Autorenteam die kultursoziologischen Schriften von Pierre Bourdieu rezipieren, sowie die umfassende Abhandlung von Rainer Diaz-Bone (2010), in der Kulturproduktion am Beispiel von Musikzeitschriften mit Bourdieus Distinktionstheorie und der auf Foucault beruhenden Diskurstheorie analytisch beschrieben wird. Allerdings schießt Diaz-Bone etwas am Ziel vorbei: Er erkennt etwa die redaktionelle Tätigkeit, die von »Redakteursfraktionen« und ihren Kämpfen gekennzeichnet sei, als wichtig für die sozial, sachlich und zeitlich kohärente Repräsentation der Zeitschrift als Akteur an — was er auch muss, schließlich ist für ihn hier der ideale Ort gegeben, um Wissensformationen zu analysieren. Doch über die tatsächlichen Vorgänge der Produktion der Texte, die er sich zur Inhaltsanalyse vornimmt, findet man keine Aussagen: Wer gibt den Anstoß für einen Text? Wer bestimmt die Länge und den Autor des Textes? Wer redigiert, wer macht die Termine aus usw.?25 Bei Lindberg et al. (2005) finden sich derartige Überlegungen ebenfalls nur am Rande, denn sie sind eigentlich, nach einer Darstellung ihres theoretischen Rahmens, den historischen Entwicklungen des Musikjournalismus in Musikzeitschriften in den USA und Großbritannien auf der Spur. Leider verflüchtigt sich ihre in Bourdieus Theorien basierende Orientierung zusehends zuungunsten einer Heldengeschichtsschreibung, die den immergleichen »founding fathers« (ebd.: 131) und Epigonen huldigt (hier: Nik Cohn, Jon Landau, Robert Christgau, Greil Marcus, Dave Marsh, Lester Bangs). Wenn wir in der Literatur doch einmal etwas über redaktionsinterne Vorgänge, Rollen und Rollenerwartungen finden, sind es in erster Linie Bü-
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Im folgenden Kapitel wird ausführlicher die Diskursanalyse am Beispiel von Diaz-Bones Arbeit vorgestellt. Dessen Arbeit ist auch Grundlage einer diskursanalytisch motivierten Inhaltsanalyse der »Platten des Monats«-Kritiken im Rolling Stone von Thomas Völker (2008), der somit zugute gehalten werden kann, dass sie an mehr als bloß quantitativen, formalen oder sprachlichen Kriterien interessiert ist. Wie Diaz-Bone gerät allerdings auch ihr aus dem Blick, dass dieses Darstellungsmuster redaktionell produziert wird — und eben nicht die ›beste‹ Platte des Monats hervorbringen muss (vgl. dazu die Ausführungen der Musikredakteure in Kap. 4).
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1. GRUNDLEGENDES cher, die von Praktikern für Praktiker geschrieben wurden (Menhard/Treede 2004; Overbeck 2005a). Diese Betriebsanleitungen für praktischen Journalismus sind Folge einer zunehmenden Institutionalisierung der Ausbildung; sie tragen für das hiesige Erkenntnisinteresse allerdings wenig bei, da auch hier Popmusikzeitschriften keine Rolle spielen. Insgesamt lässt sich folgern, dass das Thema Popmusikjournalismus unter der besonderen soziologischen Berücksichtigung der Popmusikjournalisten lange brach lag. Dies dürfte sicherlich den oben genannten Aspekten geschuldet sein. Neuere Bemühungen aus der Kommunikationswissenschaft deuten an, dass auch andernorts der Forschungsbedarf für den Zusammenhang Musik (Weinacht/Scherer 2008a; Schramm 2009) bzw. Populäre Musik und Medien (Jacke 2009) erkannt wurde. Eine Forschungslücke offenbart sich auf der Basis dieser Literaturlage gerade dort, wo eine erstens theoretisch fundierte Arbeit sich zweitens mit Popmusikmagazinen auseinandersetzt, die drittens an den dort tätigen Akteuren und viertens den Vorgängen der Organisation ebenso interessiert ist wie sie fünftens diese in einen größeren Zusammenhang der umgebenden Strukturen einordnet.
1.3 Exkurs: Popmusikmagazine und Popmusikredakteure im kulturellen Diskurs Wenn man über die kulturelle Rolle und Gestalt des Musikjournalisten in Musikmagazinen etwas mehr erfahren möchte, lohnt der Blick hinaus aus der akademischen Fachwelt in die Populärkultur. Hier finden sich zuhauf Belege dafür, dass Musikjournalismus nach wie vor als ein erstrebenswertes Berufsfeld gesehen wird,26 weil hier ein Leben mit »der Musik«, d.h. vor allen Dingen mit den Musikern zusammen, und frei von Konventionen geführt werden kann. In den folgend beispielhaft aufgeführten Dokumenten erhalten Popmusikjournalisten am laufenden Band die neueste Musik, über die sie ausnahmslos im Darstellungsmuster der Rezension kommunizieren,27 sie 26
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Bei Herbort (1996) erfährt man, dass in Untersuchungen zur Studienmotivation bei Musikwissenschaftlern über die Hälfte der Befragten nach ihrem Studium als Redakteur, Journalist oder Kritiker arbeiten wollten; eigene Erhebungen in Seminaren mit Studienanfängern aktualisieren und stützen diesen Befund. Auch außerhalb der Fachliteratur konzentriert sich die Beschäftigung mit Popmusikjournalismus auf das Format der Plattenkritik als angebliche Haupttätigkeit des Musikjournalisten. Sie findet sich in Diskografien der vorgeblich besten Platten aller Zeiten (vgl. dazu die Ausführungen in Appen/Doehring/Rösing 2008), in Anthologien einzelner Zeitschriften (Legath 1982) oder im Diskurs von Hobbykritikern im Internet (Appen 2007). Diese Konzentration
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1.3 POPMUSIKMAGAZINE UND POPMUSIKREDAKTEURE IM KULTURELLEN DISKURS begegnen berühmten Musikern, gehen auf deren Konzerte, und leben das verklärte Leben der Musiker, selbstverständlich inklusive unverbindlichem Drogenkonsum und Geschlechtsverkehr — und dies alles kostenlos, weil sie als wichtige Schaltstelle zwischen der Musikindustrie und dem Publikum gelten.28 Popmusikjournalisten sind nicht mehr bloße Beobachter, sondern auch Teil des Geschehens. Folge dieser Distanzlosigkeit ist die Gleichsetzung des eigenen Berufs mit dem des Musikers als kreative Tätigkeit: Musikjournalisten erscheinen als Künstler, die in künstlerischen Texten über kunstvolle Musik von Musikern schreiben, die als Künstler dargestellt werden.29 Dementsprechend veröffentlichen sie eigene Bücher, schreiben für
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auf das Darstellungsmuster hat Antworten von höchst surrealem Ausmaß hervorgerufen: Dietmar Dath und Daniela Burger (Dath/Burger 2007) haben bspw. ein Buch mit erfundenen Kritiken zu erfundenen Platten mit erfundenen Covern veröffentlicht, andere (Müller/Nuscheler 2008) legen mit Kritiken zwar existenter, aber ungehörter Platten nach. Wollen Dath und Burger in einem »Großversuch der modernen Menschenforschung« herausfinden, »ob die Leute vor lauter Spiegel Online, Erfahrungsliteratur und Realityschwachsinn überhaupt noch begreifen, wann etwas mit Absicht komplett erfunden ist« (Dath/Burger 2007: 1; Hervorhebung i. Orig.), sind die Kritiken der ungehörten Platten eine Anspielung auf die so geglaubten »medialen Abarbeitungen« (Müller/Nuscheler 2008: 7) des zeitgenössischen Musikjournalismus. Prototyp des ekstatisch auf Kosten anderer lebenden (hier zwar: Sport-) Journalisten ist wohl Raoul Duke (der übrigens mit seinem Anwalt reist, einem gewissen Dr. Gonzo) in Hunter S. Thompsons 1971 erschienener Novelle Fear And Loathing in Las Vegas (Thompson 1998). Diese Figur findet sich immer wieder in Literatur über, von oder mit Journalisten, bspw. auch im freien Journalisten »J.« Sutter in Colson Whiteheads John Henry Days (2001). Dessen erklärtes Ziel ist das Aufstellen eines neuen Rekords des Spesenrittertums: er will sich über mehrere Monate hinweg ausschließlich von Presseterminen aushalten lassen. Gerade für den deutschsprachigen Raum ist die Genealogie dieser Perspektive deutlich nachzuweisen: Sie beginnt bei den kanonisierten Helden des Popmusikjournalismus in den USA und Großbritannien, die dann über die Spex ins heutige kulturelle Gedächtnis vordrangen. Thomas Venker, Chefredakteur der Intro, macht dies klar: »AutorInnen wie Lester Bangs, Richard Melzer, Diedrich Diederichsen oder Clara Drechsler speisten meinen Glauben daran, dass man es mit den eigenen Worten wagen kann, dem Künstler gleichzutun, eine gedankliche Parallelwelt zu konstruieren, die sich an der seinen orientiert, diese aber nicht imitiert, sondern ausgehend von ihr etwas Neues schafft« (Venker 2003: 9). Auch im Spex-Roman Spucke des ehemaligen SpexRedakteurs Wolfgang Frömberg (heute bei der Intro) wird diese Abstammungslinie aufrechterhalten: Spex wird als ein Magazin von »Künstlertypen« und »Individualisten aus der Szene der bildenden Kunst« dargestellt, die durch den New Journalism und Gonzo-Journalismus Hunter S. Thompsons inspiriert waren und zu »Helden eines Mikrokosmos« wurden (Frömberg 2009: 54).
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1. GRUNDLEGENDES diverse Medien, drehen Filme, halten Vorträge — sie gelten als eine wichtige Instanz des Sprechens und Schreibens über populäre Musik.30 Der Film Almost Famous (2000) von Regisseur und Drehbuchautor Cameron Crowe versinnbildlicht dies in der autobiografischen Geschichte des Teenagers William Miller, der im Setting der 1970er Jahre für den US-amerikanischen Rolling Stone als freier Autor Artikel über berühmte Rockbands publiziert. Für diese reist er mit ihnen auf Tournee durch Nordamerika und ist Teil wie Kommunikator des mythischen ungezügelten Lebens, das mit Rockmusik seither und nicht zuletzt durch diese Art der journalistischen Übertragung verbunden wird. In diesem Film wiederum taucht die Figur des Lester Bangs (1948-1982) auf, der als eine angesehene und einflussreiche Kritikerpersönlichkeit geschildert wird. An ihm bzw. an der kulturellen Verhandlung seiner journalistischen Tätigkeiten kann gesehen werden, wie Musikkritiker zu Idolen erhoben werden. Mittlerweile existieren zwei Sammelbände mit Artikeln von Bangs (Bangs 1988 [2008 dts.]; Bangs 2003) sowie eine Biografie (DeRogatis 2000), die bereits im Untertitel klarstellt, dass es hier um America’s Greatest Rock Critic gehe — und nicht mehr bloß um einen legendary critic, wie es noch 1988 in der übrigens von Greil Marcus 31 bestellten Anthologie hieß. Hilfreich für die Kanonisierung ist darüber hinaus, wenn die Kritiker selber noch tätig sind, bspw. als Autoren für Musikzeitschriften, Zeitungen oder eigene Bücher veröffentlichen. So ist etwa der ehemalige Mitarbeiter des New Musical Express, Tony Parsons, immer noch als freier Musikjournalist für verschiedene englische Medien tätig, veröffentlicht aber als Autor Bücher wie Als wir unsterblich waren (Parsons 2008), in dem er seine Zeit als junger Autor beim NME, die Bekanntschaft und Beziehung mit dem dort tätigen musikjournalistischen Wunderkind jener Tage, Julie Burchill, in einen drogenverhangenen und mit Musikstars gespickten 30
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Die Monografie über die Adventures in the Music Press von Paul Gorman (2001) wird denn auch konsequent im — falsch verstandenen — Oral HistoryFormat, d.h. in der Zitatform bzw. in der Textübernahme dargeboten. Kommentierungen schenkt sich der Autor, da die »principal players« (ebd.: 368), die kanonisierten Musikjournalisten, ihren Legendenstatus selbst bezeugen dürfen: »So this is the collective story of many of those who loomed large in the pop and rock press. [...] But be warned: [...] Among these tales lurk death, drugs, drink, divorce, infidelity, jail, sex, celebrity, fame, obsession, jealousy, nervous breakdowns, industrial action, one or two fistfights, some typewriters flying through windows and a hell of a lot of back-biting, bitching and score-settling. Oh, and Nick Kent’s pink underpants. All of human life, in other words. Well, the best bits, at least« (ebd.: 16f.). Greil Marcus selber ist wiederum ein Popmusikjournalist, der mit Mystery Train (1999) das laut seinem zeitweiligen Arbeitgeber Rolling Stone »wahrscheinlich beste Buch über Rockmusik« geschrieben habe, wie es auf dem Buchumschlag heißt.
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1.3 POPMUSIKMAGAZINE UND POPMUSIKREDAKTEURE IM KULTURELLEN DISKURS Plot packt, der in einem (selbstverständlich) harmonischen Gespräch auf Augenhöhe mit John Lennon und Yoko Ono endet. Auch in Deutschland finden sich Prozesse der literarischen Verarbeitung der musikjournalistischen Rolle: Es gibt Anthologien von als wichtig bewerteten Musikjournalisten, die manchmal selbst (Bruckmaier 1993; Dax 2008b) oder von anderen herausgegeben werden, wie bspw. jüngst Textsammlungen von Helmut Salzinger (2010) oder Harald Fricke (2010). Die etablierte Stellung Diedrich Diederichsens unter deutschen Kritikern ist bereits aus der Anzahl seiner Publikationen abzuleiten: er veröffentlicht viele seiner Kolumnen oder Rezensionen in Buchform, schreibt Monografien oder gibt Bücher heraus; die Deutsche Nationalbibliothek listet 36 selbständige Publikationen mit seiner Beteiligung auf. Doch auch die Tendenz, dass Musikjournalisten ihre Zeit und Arbeit bei Musikzeitschriften in Romanform präsentieren, ist erkennbar. Wolfgang Welt (2006) verarbeitet seine Erfahrungen als freier Mitarbeiter bei der Sounds, die allerdings kaum verherrlichend gelesen werden können: auch hier gibt es Sex, Drogen und Stars — doch der Protagonist landet nach alldem in der Psychiatrie. Von den Intro-Mitarbeitern Linus Volkmann (2006, 2010) und Boris Fust (2008) gibt es Romane, die zwar Autorentätigkeit und Musikindustrie positiv thematisieren, die Sorgen um Bummelstudium und Praktikantendasein allerdings nicht aussparen. Über ihre Zeit bei der Spex erzählen literarisch unter dem Titel und Spex-Alias Spucke der ehemalige Mitarbeiter Wolfgang Frömberg (2009), der eine kritischen Blick auf die Jahre bis zum erzwungenen Umzug durch den Piranha Media Verlag wirft, sowie Dietmar Dath (2004a) in Phonon, das im Roman eine Musikzeitschrift ist und natürlich ebenfalls die Spex repräsentiert. Dath war freier Mitarbeiter, Redakteur und schließlich Chefredakteur der Musikzeitschrift in den Jahren 1998 und 1999.32 Danach meldete der Spex-Verlag Insolvenz an und Piranha Media übernahm die Zeitschrift. Dath tritt im Roman unter dem Pseudonym Martin Mahr auf — ein Name, der später in Romanen von ihm wieder auftaucht. Alle anderen Spex-Redakteure und die Herausgeber sind ebenfalls mit Pseudonymen belegt, wie auch die Schriftsteller oder Musiker, die er handelnd in seiner Erzählung auftauchen lässt. Niemand ist jedoch so verdeckt, dass man als popweltkundiger Leser nicht wüsste, dass etwa mit dem Sänger Joachim Klettenmüller der Band »Wiesengrund« außerhalb des Romans Blumfelds Jochen Distelmeyer gemeint ist.
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Erstes Heft unter seiner Verantwortung ist Spex 12/1998 (eine Ausgabe mit einer Titelgeschichte über Black Metal, die Dath natürlich selber schrieb), letztes Heft war die Milleniums-Doppelnummer Dezember 1999/Januar 2000.
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1. GRUNDLEGENDES Von Anfang an weht ein Hauch von Verfall durch die Seiten, der sich zum Schluss im Zusammenfallen von Mahrs Scheitern als Chefredakteur, dem Ende des Jahrtausends, dem allgemeinen Verfall der Sitten und dem Auftauchen von Geistern und Vampiren apokalyptisch entlädt. Spex wird hier als Ort des Niedergangs gezeichnet, in der ein Chefredakteur in seinem Büro Büchertürme theoretischer und literarischer Werke auf seinem Tisch zur Abwehr gegen das Treiben in der Redaktion stapelt. Der unschwer als Uwe Viehmann, der Dath als Chefredakteur der Spex beim Piranha Media Verlag nachfolgte, zu deutende Timo Greiner wird als lebloser, aber aktiver Roboter geschildert, der die Aufträge und Anfragen der Plattenindustrie mechanisch zum Daseinszweck erklärt. Der Buchhalter der Redaktion dringt mit seinen Sorgen nicht zum Chefredakteur vor, Teile der Herausgeber sind nicht vor Ort oder am Heft interessiert, andere mischen sich in die Arbeit der Redaktion ein. Für Mahr, der zunehmend im Laufe der Handlung depressivere Züge erkennen lässt, ist die hier unternommene Arbeit nur zu ertragen, wenn er sich in Panikkäufen mit Büchern von Flaubert eindeckt: die holde Kunst hilft ihm, seine Mitwirkung bei der journalistischen Verwaltung der Musik zu ertragen. Auch wenn man sich immer schwer tut, in Literatur Bezüge zur vor– geschalteten Welt auffinden zu wollen, ist die Interpretation nicht völlig falsch, dass Daths Buch eine schonungslose Demystifizierung der Welt des Popmusikjournalismus anbietet. Es erzählt von den Bedingungen, »unter denen sich die privilegiertesten Gammler, die es je gegeben hat, so ihre Gedanken machen müssen«, wie Dath (2004a: 271) in seinem drei Jahre nach Erstveröffentlichung geschriebenen Nachwort zur Neuausgabe klarstellt. Die Mechanismen der Plattenindustrie, an die ein Popmusikmagazin gebunden ist, werden identifiziert und bestimmen die Funktionsweise und Inhalte so weitgehend, dass andere Inhalte keinen Platz mehr finden — erst recht nicht, wenn damit wie beim klar artikulierten Linken Dath Politik gemacht wird.33 Der hier vorherrschende Kulturbetrieb sei »die institutionalisierte Arbeitsverweigerung des Geistes, und als eine Art Bummelstreik also durchaus ehrenwert, solange einem nichts Besseres einfällt« (ebd.: 273). Der Anschein, dass in der deutschsprachigen außerfachlichen Literatur kritischer mit Popmusikjournalismus und seinen Protagonisten verfahren wird, kann durchaus zutreffen; er mag indes auch auf die Perspektive des in Deutschland aufgewachsenen und diesem Diskurs somit näher stehenden Verfassers zurückzuführen sein. Wenn man sich allerdings die Größen33
Tatsächlich ist Dath nach der Zeit bei Spex als Redakteur zum Feuilleton der FAZ gewechselt, was angesichts zu kollidieren drohender politischer Überzeugungen erstaunen mochte.
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1.3 POPMUSIKMAGAZINE UND POPMUSIKREDAKTEURE IM KULTURELLEN DISKURS unterschiede der Verlage und die damit einhergehenden Verkaufserwartung anschaut, ist auch dies wiederum zu relativieren. Phonon erschien in Kleinstauflage, wurde dann ohne größere mediale Resonanz nachgedruckt, während die Kanonisierung von Autoren wie Bangs oder Christgau durch Übersetzungen und neue Publikationen (auch im Internet) ungebrochen anzuhalten scheint. Auch wenn es also verstreut und vereinzelt Kritik an der Praxis des Popmusikjournalismus außerhalb des wissenschaftlichen Diskurses gibt, so ist festzuhalten, dass nach wie vor die Rolle des Popmusikjournalisten ein hohes Ansehen genießt — und in der Folge auch der sie ausführende Rollenakteur.
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2. S O Z I O L O G I S C H E P E R S P E K T I V E N POPMUSIKJOURNALISMUS
AUF
Es ist ein Kennzeichen deutschen Nachdenkens über Journalismus, dass man im Vergleich mit anderen Ländern einen deutlich wahrnehmbaren Hang zum Theoretisieren spürt. Während etwa in den Vereinigten Staaten vor allem ein praxisorientierter Ansatz vorherrsche (vgl. Meier 2007), bemerkt Martin Löffelholz (2004b: 19), dass die »multi-perspektivische und, im besten Sinne, theorie-orientierte Diskussion über die Leistungen und Strukturen des Journalismus in der Gesellschaft derzeit vor allem im deutschen Sprachraum geführt wird«. Der in Deutschland am breitesten rezipierte theoretische Ansatz ist die Systemtheorie, wenngleich nach der Lektüre des vorherigen Kapitels offensichtlich geworden sein dürfte, dass nicht alle deutschen Wissenschaftler über Journalismus theoretisch reflektieren. Die hier präsentierten Theorien über Journalismus sind allesamt sozialwissenschaftlicher Provenienz und wurden in erster Linie in der Journalismusforschung adaptiert. Die Musiksoziologie hat bisher wenig Versuche erkennen lassen, diese Theorien und die Gegenstände dieser Arbeit zum Thema zu machen.34 Davon auszunehmen ist etwa der in der Blaukopf’schen Tradition der österreichischen Musiksoziologie stehende Andreas Gebesmair (2001; 2008), der klassische und zeitgenössische kultursoziologische Theorien in seine Arbeiten integriert. Insgesamt lässt sich die theoretische Beschäftigung mit Journalismus in drei Bereiche gliedern: erstens den oben erwähnten systemtheoretisch orientierten Zweig der Forschung, zweitens eine konträre, auf die Akteure fixierte Richtung, die sich an handlungstheoretischen Theorien anlehnt sowie drittens integrative Ansätze, die den Dualismus zwischen System einerseits und Akteur andererseits zu überwinden versuchen (vgl. Löffelholz 2004a; 34
So werden bspw. im Musiksoziologie-Band des Handbuch der Systematischen Musikwissenschaft (Motte-Haber/Neuhoff 2007) Musikjournalismus am Rande (Borgstedt 2007; Martin 2007) und Popmusikjournalismus überhaupt nicht erwähnt. Eine Untersuchung der Strukturen des Musikjournalismus oder der Medienakteure findet nicht statt.
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2. SOZIOLOGISCHE PERSPEKTIVEN AUF POPMUSIKJOURNALISMUS Hanitzsch 2007). Die im folgenden Kapitel diskutierten Theorien konzentrieren sich auf die erste und dritte Perspektive, da den handlungstheoretischen Arbeiten die Beschreibung von journalistischem Handeln aus der Akteursperspektive zwar gut gelingt, ihnen aber die Umstände, die dieses Handeln ermöglichen und begrenzen, aus dem Blick geraten. Die Vorteile wie Nachteile einer systemtheoretischen Perspektive auf Journalismus — und im Übertrag auf Popmusikjournalismus — werden dargelegt, um anschließend für den integrativen Ansatz Pierre Bourdieus und die Verwendung seiner Begrifflichkeiten zu votieren. Zum Schluss wird versucht, eine — zumindest für den deutschsprachigen Raum — jüngere Perspektive wie die Cultural Studies für die Anwendung auch auf die Produktionsanalyse von Journalismus fruchtbar zu machen. Theorien können, darauf hat bereits Thomas Kuhn (1976) hingewiesen, niemals die Wahrheit abbilden, sondern stellen immer eine relative Wahrheit dar, da sie interessegeleitet benutzt werden und somit die Wahrnehmung — und in letzter Konsequenz auch den Gegenstand selbst — prägen. In einer radikalisierten Erkenntnistheorie wie dem Konstruktivismus35 bedeutet dies, dass Sinn und Wissen im Erkennenden, d.h. sowohl im untersuchten wie im forschenden Subjekt, produziert werden. Objektivität existiert damit nur intersubjektiv im Rahmen einer wissenschaftlichen Kommunikation und Akzeptanz der anschaulich vorgeführten Bezüge auf kollektives Wissen und legitimes Handeln. Nicht mehr der Grad an Wahrheit bestimmt die Güte einer Theorie, sondern der Grad an Akzeptanz innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft. Deshalb bleiben sie im Sinne Kuhns so lange gültig, bis sie durch andere Sichtweisen oder neue Daten abgelöst werden (vgl. Löffelholz 2004b: 21ff.). Die Beschäftigung mit so verstandenen Theorien über Journalismus dient erstens der Ordnung, Darstellung und Beschreibung eines Sachverhalts der sozialen Wirklichkeit. Zweitens können Theorien zur Abstraktion und Erklärung benutzt werden und drittens möglicherweise Prognosen erlauben. Viertens können Theorien nach Meier (2007: 24) auch normative Aussagen generieren und somit festlegen, was unter Journalismus verstanden werden soll — doch ist davon nach dem Gesagten eher Abstand zu nehmen. Auf den Untersuchungsgegenstand der Musikzeitschriften bezogen bedeutet dies den hier unternommenen Versuch, aus der Vielzahl existierender Theorien über Journalismus36 diejenigen auszuwählen, die innerhalb einer kritischen Theo35 36
Für eine konstruktivistisch informierte Beschäftigung mit Kommunikationsmedien plädieren bspw. auch Kleinen und Kreutz (2000). Vgl. den achtteiligen Versuch einer Synopse theoretischer Konzepte — Normativer Individualismus, Materialistische Medientheorie, Analytischer Empi-
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2.1 POPMUSIKJOURNALISMUS ALS SYSTEM rie der Medien37 sowohl Funktionen, Strukturen und Leistungen auf einer Makroperspektive erkennbar machen wie auch auf einer Meso- und Mikroperspektive Macht und Machtlosigkeit der Medienakteure andeuten.
2.1 Popmusikjournalismus als System Im deutschen Sprachraum ist Journalismustheorie vor allem systemtheoretisch bestimmt, sodass vielfach von der Systemtheorie als Mainstream der Journalismusforschung gesprochen wird (Löffelholz/Quandt/Thomas 2004: 181; Meier 2007: 27). Die Systemtheorie wurde mit Bezug auf die Medien von Niklas Luhmann (1996) entfaltet, obwohl er schon früher (bspw. Luhmann 1981) Überlegungen darüber veröffentlicht hatte. Eine Monografie über Journalismus ist allerdings niemals von ihm erschienen. In die Journalismusforschung zogen an Systemen orientierte Fragestellungen ein, die zuerst in den Arbeiten von Manfred Rühl (1969) zu finden sind. Sie können als Reaktion auf eine Konzentration auf das journalistische (oft heroisierte) Individuum gelesen werden, da Rühl hier das organisierte soziale System der Zeitungsredaktion als entscheidend für journalistisches Handeln ansah und nicht mehr die publizistische Persönlichkeit. Systemtheoretisch im engeren Sinne wurde dann erst ab Ende der 1980er Jahre argumentiert, vor allem in den Arbeiten Siegfried Weischenbergs. Die Systemtheorie ist in Bezug auf den Journalismus dazu geeignet, seine Leistungen bzw. Funktionen für die Gesellschaft sowie seine Strukturen zu beschreiben und zu erklären. Als wesentliche Funktion des Journalismus innerhalb einer funktional differenzierten Gesellschaft, wie sie die Systemtheorie erkennt, wird in der Literatur (Scholl/Weischenberg 1998; Blöbaum 2004; Kohring 2004; Meier 2007) vor allem die Möglichkeit zur Selbstbeobachtung und zur Synchronisation der Gesellschaft beschrieben. Obgleich man sich nicht einig ist, ob Journalismus als eigenes System, als Teilsystem der Öffentlichkeit oder als Teil des Systems der Massenmedien
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rismus, Legitimistischer Empirismus, (Kritische) Handlungstheorien, Funktionalistische Systemtheorien, Integrative Sozialtheorien, Cultural Studies — von Löffelholz (2004b: 62) sowie prototypisch den gesamten von ihm besorgten Sammelband (Löffelholz 2004a). Auf eine ausführliche Darlegung der Kritischen Theorie (Horkheimer 1988) bzw. genauer der Medientheorie der Frankfurter Schule (Horkheimer/Adorno 1988; Adorno 1990, 2003a) wurde verzichtet, da sie an anderen Orten eingesehen werden können (vgl. bspw. Dubiel 2001; Honneth 1994; Kausch 1988; Paetzel 2001; Prokop 2009; Steinert 2003, 2008).
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2. SOZIOLOGISCHE PERSPEKTIVEN AUF POPMUSIKJOURNALISMUS funktioniert,38 kann derart erklärt werden, wie die Gesellschaft mithilfe des von Journalismus her- und bereitgestellten Themenrepertoires öffentlich kommuniziert. Diese Kommunikation informiert über andere Systeme und dient derart der sachlichen und zeitlichen Herstellung eines gemeinsamen Wissens, das als soziales Gedächtnis der Gesellschaft funktioniert. Nur über das, was über die Medien in andere Systeme hineingetragen wird, kann gemeinsam geredet werden und nur so erzeugt man kommunikativ gemeinsame Vergangenheit. In der sachlichen Kopplung der Gesellschaft stellt Journalismus Öffentlichkeit her, auf die andere Funktionssysteme wie etwa die Wirtschaft angewiesen sind. Konsumenten können sich über Waren »informieren«, um daraus Kaufentscheidungen abzuleiten; Unternehmen können sich über das Umfeld ihrer Mitbewerber in Kenntnis setzen und daraus folgernd unternehmerische Entscheidungen treffen. Wesentlich ist die Annahme, dass Journalismus immer über Ereignisse berichtet, die über den Bereich hinaus, in dem sie passiert sind, Bedeutung erlangen könnten. Denn grundlegend ist der in der Systemtheorie gültige dreiteilige Kommunikationsbegriff, der die Anschlussmöglichkeit als letzte Phase der Kommunikation einbegreift, die Rezeption journalistischer Themen also einplant — was nicht heißen muss, dass die Reaktionen vorhersehbar werden, sondern nur, dass sie potentiell möglich und erwünscht sind. Letztlich bedeutet dies, dass das Publikum Teil des systemtheoretischen Blicks auf Journalismus ist. Interessant ist, dass Journalismus durch die Herstellung von Öffentlichkeit bestimmte Systeme bevorzugt, andere dagegen auf seine Leistungen nicht angewiesen sind. Alle Teilsysteme der Gesellschaft müssen Zugang zu ihren Funktionen und Leistungen gewähren und entwickeln dafür Inklusionstypen, die in Publikums- und Leistungsrollen unterschieden werden (etwa Patienten und Ärzte, Wähler und Politiker, Zuschauer und Sportler, Leser und Journalist usf.). Die Teilsysteme der Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport sowie die Medien selbst stellen standardisierte Leistungen für ein gro38
Luhmann (1996: 51ff.) geht von einem System der Massenmedien aus, in dem Journalismus neben Werbung und Unterhaltung ein Programmbereich ist, zuständig für Nachrichten, Berichte und sogenannte Sachkommentare. Wesentliches Differenzierungskriterium ist für ihn die technologische Verbreitung der Kommunikation. Kohring (2004) kritisiert dies und stellt andere Zuschnitte vor. Bei ihm nimmt Journalismus die Leistungsrolle im System Öffentlichkeit ein, indem er spezielle Selektionskriterien, eine organisierte Nachrichtenproduktion usf. professionell ausbildet. Blöbaum (2004) etwa definiert ein System Journalismus, das er hinsichtlich seiner Funktion, Leitdifferenz, Leistungs- und Publikumsrolle sowie seinen Organisationen und Programmen bestimmt. Die Journalistik nimmt die Aufgabe der systemimmanenten Reflexionseinrichtung wahr.
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2.1 POPMUSIKJOURNALISMUS ALS SYSTEM ßes Publikum her und benötigen zur Inklusion, d.h. zur Vermittlung ihrer Anliegen Journalismus, der Transparenz und Öffentlichkeit herstellt. Sobald kleinere Publika eines Systems angesprochen werden, kann die Inklusion im kleineren Kreis, etwa zwischen Arzt und Patient oder Lehrer und Schüler, erfolgen; die Öffentlichkeit wird hier nicht benötigt. Dementsprechend sind die Ressorts der Zeitungen ausdifferenziert. Zeitliche Kopplung der Gesellschaft bedeutet, dass gleichzeitig in verschiedenen Systemen über vom Journalismus bereitgestellte Themen kommuniziert werden kann. Für Meier (2007: 29) ist Aktualität die Leitdifferenz des Systems Journalismus.39 Erstens kann über diese Leitdifferenz Gegenwart hergestellt werden, bspw. indem man über Themen mitunter in »real time« berichtet, also lediglich eine technikbedingte minimale Verzögerung eine wirkliche Gleichzeitigkeit zwischen Publikum, Journalist und Ereignis verhindert.40 Außerdem können unter dem Aspekt der Aktualität auch Themen kommuniziert werden, die nicht direkt geschehen, aber dennoch einen Gegenwartsbezug herstellen. Beispielsweise benötigen das Wirtschaftssystem oder die Politik ein gesellschaftliches Wissen, um ihre Zahlungen bzw. Entscheidungen zu kommunizieren und zu rechtfertigen. Dieses muss allerdings nicht unbedingt vorhanden sein — die »Unterstellung universaler Informiertheit« durch die Medien ermöglicht bereits als »operative Fiktion« (Luhmann 1981: 314) das Handeln dieser Systeme. Zweitens verheißt Aktualität auch Faktizität, was für Journalismus insofern wichtig ist, da er auf seinen Quellenbezug angewiesen ist und keine Fiktionen übermitteln darf. Drittens ist die Dimension der Relevanz zu nennen, die aktuelle Themen an ihre jeweilige Zielgruppe angepasst übermittelt. Journalismus ist in dieser Dimension gekennzeichnet durch seinen Gesellschafts- und Publikumsbezug. Für das Publikum ist Relevanz der journalistischen Medien wichtig, weil es ein Orientierungswissen bereitstellt, dass als Frühwarnsystem im Alltag benutzt wird — und sich hier bewähren muss. So sind wiederum Publikum und Journalismus aufeinander angewiesen: Journalisten kommunizieren das, was ihr Publikum im Alltag aktuell benötigen könnte.
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Auch bzgl. des binären Codes ist sich die Literatur nicht einig: Luhmann (1996) nannte als Leitdifferenz Information/Nicht-Information. Andere Unterscheidungen sind öffentlich/nicht-öffentlich, aktuell/nicht-aktuell oder nachrichtlich/nicht-nachrichtlich (vgl. Meier 2007: 29). Der Vertrauensvorschuss, der den Medien entgegengebracht wird, legitimiert anscheinend sogar die um fünf Minuten verzögerte Ausstrahlung von »Live«Sendungen, um die notorious swear words auszupiepen oder politische Statements herauszuschneiden — zumindest sind keine größeren Beschwerden des Publikums über derartige Praktiken bekannt geworden.
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2. SOZIOLOGISCHE PERSPEKTIVEN AUF POPMUSIKJOURNALISMUS Aktualität bestimmt demnach die journalistische Verarbeitung von Nachrichten, die aufgrund der systeminternen Dynamik der Konkurrenzsituation zu einer Verdichtung von Nachrichten führt. Will ein anderes System vom Journalismus wahrgenommen werden, muss es sich auf die Leitdifferenz aktuell/nicht-aktuell einlassen. Das bedeutet einerseits, man schafft Ereignisse, die Anknüpfungspunkte für Aktualität bieten: Beispielsweise veranstaltet das Politiksystem eine Pressekonferenz, die Fußballbundesliga schafft wöchentlich mittlerweile an drei Spieltagen Aktualität etc. Andererseits heißt dies aber auch, dass dasjenige Anliegen, welches keine Aktualität verspricht oder zu schaffen vermag, aus der Wahrnehmung der Medien heraus fällt.41 Auf der Strukturebene von Journalismus sind es vor allem die Organisationen der Medien und die Redaktionen, die das System Journalismus kennzeichnen und stabilisieren. Journalismus hat außerdem bestimmte Programme ausgebildet, die als Verfahrensweisen bspw. das Vorgehen bei der Informationssammlung, -prüfung und -selektion bestimmen. Zudem findet sich auf der Rollenebene eine funktionale Differenzierung, die als Effekt von Wachstum und Binnendifferenzierung des journalistischen Systems begriffen wird (vgl. Blöbaum 2004). Für den Übertrag auf Popmusikjournalismus wäre im Folgenden zu bestimmen, inwieweit die Annahmen dieser Theorie auch auf das Feld der Popmusikzeitschriften anzuwenden sind.42 Der große Nutzen der systemtheoretischen Perspektive liegt sicherlich in der Klärung der gesellschaftlichen Funktion von Journalismus. Im Übertrag wäre zu folgern, dass Popmusikjournalismus eine popmusikalische Öffentlichkeit herstellt, indem er über das eigentliche musikalische oder industrielle Feld hinaus ein Reden und Ur– teilen über Popmusik ermöglicht durch die Bereitstellung relevanter Informationen, Bilder, Themen und Wertungen. So wie Tadday (1993) die Herausbildung eines Musikfeuilletons als Reaktion auf sich verändernde gesellschaftliche und technische Strukturen beschreibt, kann auch die spezielle Funktion des Popmusikjournalismus an seiner Ausdifferenzierung in den 1960er Jahren erkannt werden, als gesellschaftliche, ästhetische und ökonomische Faktoren die Ausdifferenzierung von Popmusikmagazinen begleiteten (s. Kap. 1; vgl. auch Lindberg et al. 2005; Wicke 1997). 41
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Im übertragenen Sinne wird deshalb die Klimaerwärmung erst dann ein mediales Thema, wenn aktuell das Wetter besonders heiß oder kalt ist oder eine weitere Konferenz zu deren Verhinderung aktuell (in aller Regel) scheitert. Davor oder danach ist dieses an sich ziemlich bedeutsame Thema für die Medien nicht relevant, da es aus der durch ihre Leitdifferenz gelenkten Wahrnehmung fällt. Für einen umfassenden Transfer von Systemtheorie auf Gebiete der Popularmusikforschung vgl. Helms (2003, 2004, 2005).
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2.1 POPMUSIKJOURNALISMUS ALS SYSTEM Die Leitdifferenz der Aktualität dürfte auch hier vorliegen, wenngleich der Aspekt der Wertung in Form der Rezension auf eine Kopplung mit dem Kunstsystem verweist. Der dort geltende binäre Code schön/hässlich bzw. stimmig/unstimmig unterliegt immer wieder Plattenkritiken und Artikeln und kann auch im Selektionshandeln der Redakteure aufgefunden werden. Doch tatsächlich ist die vorrangige, weil vorgängige Unterscheidung die von aktuell und nicht-aktuell. Nur neu veröffentlichte Platten und Musiker erscheinen in den Medien des Popmusikjournalismus, keine ist älter, als es ein Publikationsrhythmus des Magazins erlaubt. Ist diese Leitdifferenz erfüllt, kann anschließend nach relevant (also Information/Nicht-Information) oder stimmig/unstimmig unterschieden werden. Man könnte nun jedoch einwenden, dass natürlich auch ältere Alben, die wiederveröffentlicht werden, in den Seiten der Popmusikmagazine ihren Platz finden, was an sich ein Einwand gegen die Leitdifferenz der Aktualität wäre. Es verhält sich jedoch so, dass Aktualität hier regelmäßig durch die Musikindustrie inszeniert wird: man lädt Musikjournalisten zur Wiederveröffentlichung dreißig Jahre und mehr alter Alben ein, man schaltet Anzeigen oder bucht gar im Rolling Stone den sechzehnseitigen Mittelteil, in dem über diese Aufnahme und die Musiker in der aktuellen Ausgabe berichtet wird. Hier liegt natürlich eindeutig eine Spreizung der Leitdifferenz vor, die allerdings nichtsdestotrotz Gültigkeit beansprucht, da sie immer einen Gegenwartsbezug herstellt. Das heißt, die vermeintlich alte Scheibe wird über systemimmanente Mechanismen wahrgenommen, ins Jetzt transportiert und aktualisiert. Doch nicht alleine der Zeitpunkt ist entscheidend, denn sonst würde jedes wiederveröffentlichte Album im Popmusikjournalismus auftauchen. Zusätzlich — m.E. nach der grundsätzlichen Entscheidung anhand der Leitdifferenz aktuell/nicht-aktuell — greift nämlich der Wertungscode des Kunstsystems, der aber nur das aktualisiert, was sich der Aktualisierung lohnt, sprich: den Alben wird im Prozess der Reaktualisierung ein Wert zugeschrieben, der ihnen ewig währende Qualität zuspricht. Dieser Aspekt der Überzeitlichkeit ist deshalb so wichtig, weil er in der Gegenwart — und um die geht es dem journalistischen System — Orientierung verspricht. Die Frage, ob der Code des Kunst- oder des Journalismussystems Priorität besitzt, kann durch eine einfache Prüfung beantwortet werden: Hätte der binäre Code des Kunstsystems die Leitdifferenz inne, könnte jederzeit ein Artikel in einem Musikmagazin über Revolver der Beatles oder Blonde On Blonde von Bob Dylan erscheinen — was nicht der Fall ist. Sie erscheinen nämlich erst dann, wenn das Ereignis der Wiederveröffentlichung, durch strukturelle Kopplung des Wirtschaftssystems inszeniert, vom Journalismus als aktuell berichtenswert eingeschätzt wird. Die enge Verknüpfung des
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2. SOZIOLOGISCHE PERSPEKTIVEN AUF POPMUSIKJOURNALISMUS Popmusikjournalismus mit den Veröffentlichungszyklen der Plattenindustrie lässt den Code des Journalismus als vorrangig erscheinen — wie auch im Übrigen von den Redakteuren bestätigt wird (vgl. bspw. IN 1: 3).43 Der Prozess der Kanonisierung, wie er im Popmusikjournalismus gang und gäbe ist, liegt somit in den Strukturen des Systems begründet (vgl. Appen/Doehring 2006; Appen/Doehring/Rösing 2008). Sowohl für die Hörer, die Musiker, Journalisten wie auch die Mitarbeiter der Plattenfirmen und der weiteren angeschlossenen Kulturindustrie sind die derart bereitgestellten Wertungen notwendig. Denn Popmusikmagazine ermöglichen ein gesellschaftliches Wissen über die hier präsentierte Musik, indem Formen und Themen geliefert werden, welche die legitime Art und den richtigen Zeitpunkt des Sprechens über Popmusik klarstellen. Erst diese Leistung des Popmusikjournalismus macht das gesellschaftliche Reden und Handeln über bzw. mit Popmusik möglich. Kohring (2004) definiert als Gütekennzeichen einer systemtheoretischen Perspektive, dass sie die System-Umwelt-Grenze durch ein systemimmanentes Sinn-Kriterium unterscheiden kann, was mit der beschriebenen Veröffentlichung popmusikalischer Themen unter den genannten Codes belegt wurde. Blöbaum (2004) erkennt allerdings, dass Journalismus unter Vorgaben des Redaktionsmarketings oder Verlagsmanagements zunehmend extern nach den Codes des Wirtschaftssystems gesteuert werde. Nicht mehr die Öffentlichkeit als Ganzes, sondern eine Teilöffentlichkeit wichtiger Zielgruppen werde bedient, Journalismus gebe zudem die Herstellung von Öffentlichkeit zugunsten von Unterhaltung aus der Hand. Außerdem befürchtet er eine »Ent-Beruflichung« (ebd.: 213) der journalistischen Rolle, da immer weniger Menschen fest angestellt im Journalismus arbeiteten. In den folgenden Kapiteln wird zu zeigen sein, dass Popmusikjournalismus sich diesen für den Journalismus festgestellten Trends natürlich nicht entziehen kann; es soll jedoch bereits hier kurz darauf geantwortet werden. Mit großer Wahrscheinlichkeit handelt Popmusikjournalismus nicht nach der Leitdifferenz des Wirtschaftssystems, die alleine die Bezahlung eines Artikels als Kriterium der Veröffentlichung gelten lassen würde. Die Organisation der Redaktionen, die Aussagen der Redakteure sowie die von ihnen vertretenen Ethiken lassen ein dominierendes inhaltliches Interesse aufgrund von Abwägungsüberlegungen erkennen, das sich zudem durch die zeitliche 43
Die anhängliche Frage, ob dann nicht vielmehr der Code des Wirtschaftssystems (Zahlung/Nicht-Zahlung) ausschlaggebend für die Entscheidung über die Publikation einer Wiederveröffentlichung ist, soll hier zunächst nicht vertieft werden. Sie spielt, davon ist nach den Interviewaussagen auszugehen, zwar eine Rolle, aber in überwiegendem Maße entscheidend scheinen noch immer journalistische Erwägungen zu sein, nicht wirtschaftliche.
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2.1 POPMUSIKJOURNALISMUS ALS SYSTEM Gebundenheit der Produktion eher am binären Code des Journalismussystems orientiert. Außerdem, darauf weist Guido Zurstiege (2006) hin, ist die Gegenüberstellung von Wirtschaft oder Journalismus ein falscher Dualismus, da schon immer wirtschaftliche Überlegungen die Publikation von Nachrichten bestimmten. Kommerzielle Anzeigen haben seit dem Beginn der periodischen Presse Journalismus als konstitutives Element geprägt. Zu zeigen sein wird daher, wie genau Musikjournalisten mit bzw. unter diesen Bedingungen arbeiten — und nicht, wie sie vollends durch sie bestimmt werden. Dergleichen kann auch auf den Vorwurf der Teilöffentlichkeit geantwortet werden: auch dies ist ein der Geschichte der Medien immanentes Faktum. Jede periodische Publikation richtet sich per se an ein Teilpublikum, nämlich diejenigen, die es erreichen will und kann. Dies kann also insofern nur dann zu kritisieren sein, wenn ausdrücklich andere Teilöffentlichkeiten ausgeschlossen und unterdrückt werden. Für die Musikmagazine ist klar, dass hier eine Teilöffentlichkeit, diejenige der an populärer Musik Interessierten, angesprochen wird — dies geschieht allerdings nicht durch Ausschluss. Sie bieten somit ein Forum, das der Herstellung von Öffentlichkeit über populäre Musik dient. Um zum nächsten Punkt von Blöbaum zu gelangen: Populäre Musik, als Gegenstand der Musikpresse wie auch der Populärkultur, steht nicht gerade der Unterhaltung fern. Anstatt jedoch daraus einen Vorwurf zu konstruieren, müsste sich die Journalistik viel eher fragen lassen, warum sie den wichtigen Aspekt der Unterhaltung — auch durch journalistische Erzeugnisse — bisher so vehement ablehnte wahrzunehmen (s. dazu im Folgenden die Ausführungen zu den Cultural Studies). Die Herstellung einer Öffentlichkeit über populäre Musik, die auch der Unterhaltung (und vielem mehr, so die in den Cultural Studies vertretene These über den Aneignungsprozess populärer Kultur) dient, ist prinzipiell zu begrüßen — wenn man die Regeln kennt, nach denen sie gemacht wird. Blöbaums letzter Kritikpunkt, die Feststellung einer Ent-Beruflichung aufgrund sich verändernder Beschäftigungsverhältnisse im Journalismus, wird dagegen ernst genommen und im weiteren Verlauf der Arbeit verfolgt. Es spricht demnach vieles für eine systemtheoretische Perspektive in der Anwendung auf Popmusikjournalismus. Für eine abschließende Bewertung ist es allerdings noch zu früh, denn an einigen Punkten muss grundlegende Kritik angebracht werden. So ist erstens die immer wieder der Systemtheorie entgegengebrachte Forderung der Konkretisierung ihrer Formel der strukturellen Kopplung zu erneuern. Was genau bedeutet dies für das System Wirtschaft bzw. Journalismus? Verliert man nicht aus dem Blick, welche Instanzen genau dort wirksam werden? Wo ist beispielsweise der Promoter zu finden oder der freie Journalist, der auch PR-Texte verfasst?
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2. SOZIOLOGISCHE PERSPEKTIVEN AUF POPMUSIKJOURNALISMUS Wo ist der Musiker zu verorten, der einen Plattenvertrag hat? Und wo derjenige, der keinen hat? Ist die Systemtheorie geeignet, die Produktion populärer Musik von der musikalischen Ebene bis zur medialen abzubilden? Hier erscheinen andere Ansätze ratsamer, das Zusammenspiel wie auch die Abhängigkeiten auf verschiedensten Ebenen der Herstellung kultureller Gegenstände zu beleuchten.44 Zweitens ist als Kritik an einer systemtheoretischen Perspektive festzuhalten, dass keinerlei Machteinflüsse erkennbar aus dem Handeln des Systems hervorgehen, da drittens in der Systemtheorie keine Akteure mit Einstellungen, Wünschen und Strategien vorgesehen sind. Wenn Rollen thematisiert werden, dann im Rahmen von Systemprogrammen, die 44
Hier ist beispielsweise erstens die Art Worlds-Perspektive von Howard S. Becker (1982, 1997) zu nennen, zweitens der Production of Culture-Ansatz von Richard A. Peterson (Peterson/Berger 1975; Peterson 1990). Beckers Art Worlds-Schrift stemmt sich vehement gegen eine ästhetizistische Perspektive der Kunstbetrachtung, indem sie auf die jeweilige Herstellung von Kunst durch Rollenträger im Prozess der Kunstwerdung verweist, d.h. der Legitimierung eines künstlerischen Artefakts durch der Legitimierung würdig befundene Instanzen. Kunst — oder hier kunstvolle populäre Musik — wird als das Ergebnis eines sozialen Prozesses offenbar, indem nicht mehr immanente Eigenschaften vorrangig für die Beurteilung ihrer Qualität sind. Die Prodction of Culture-Perspektive von Richard S. Peterson, im musiksoziologischen Feld durch Andreas Gebesmaier (2001; 2008) prominent gemacht, bietet ein mehrstufiges Analysemodell zur Herstellung von kulturellen Gegenständen. Untersucht werden hier das geltende Recht, die verfügbaren Technologien, der Markt, die an der Herstellung beteiligten Organisationen und Rollen. Eine Ähnlichkeit zum Zwiebel-Modell von Weischenberg (vgl. Weischenberg 1998a: 71; s. Kap. 3.2) ist zu erkennen. Zu bedauern ist, dass keine der beiden Perspektiven bisher auf Journalismus angewandt wurde und somit kein theoretischer Apparat bereitsteht, aus dem Folgerungen gezogen werden könnten. Umso dringlicher sieht sich der Aufruf formuliert, diese viel versprechenden Perspektiven in theoretischen Arbeiten zur Anwendung zu bringen. Die Art Worlds, so wichtig sie als Standpunkt für eine sich entfaltende Kunstsoziologie waren, haben wenig weitere systematische Anwendung und Differenzierung erfahren. Beispielsweise führt Sarah Thornton (2010) eine ethnografische Studie über mehrere Kunstwelten (Auktion, Universität, Messe, Markt, Zeitschrift, Atelier) durch. Besonders die Welt der Kunst-Zeitschrift hielte eine lohnenswerte Möglichkeit des Übertrags auf Musikzeitschriften bereit — wäre ihre Arbeit insgesamt theoretisch ein wenig reflektierter geschrieben. So verbleibt es leider bei der Erzählung eines Redaktionsbesuches der Autorin. Bei Simon Frith (1996: 36ff.) etwa findet man in Anlehnung an Becker — mit einer Prise Bourdieu abgeschmeckt — die Rede von der bourgeois world (und der dominant culture Bourdieus, der herrschenden Kultur), der folk music world (äußerst »roughly speaking«, wie Frith [ebd.: 39] schreibt, Bourdieus popular culture — die dieser aber den populären Geschmack nennt) und der commercial music world (Bourdieus majority culture bzw. der legitime Geschmack). Frith räumt ein, dass damit eher eine »discoursive practice« (ebd.: 36) benannt sei, als dass klare Prozesse der Herstellung erkennbar würden.
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2.1 POPMUSIKJOURNALISMUS ALS SYSTEM ausgeführt werden. »Die systemtheoretische Journalismusforschung«, kritisiert Thomas Hanitzsch (2007: 239), »reduziert Akteure zu Merkmalsträgern und konkretes journalistisches Handeln zu strukturdominierten Wahrscheinlichkeiten.« Wie im Folgenden anhand von Bourdieus Theorien des Kapitals, des Feldes sowie des Habitus gezeigt werden wird, handeln Menschen innerhalb von systematischen Zusammenhängen und Erwartungen sowohl anhand individueller wie kollektiver Sinnvorgaben. Dies gilt es auch für die theoretische Rahmung journalistischen Handelns zu berücksichtigen.
2.2 Popmusikjournalismus als Feld In den Arbeiten Pierre Bourdieus liegt eine für die Beschäftigung mit Popmusikjournalismus attraktive Theorie vor, welche die Akteure des Journalismus in den Mittelpunkt stellt, ohne die auch immer vorhandenen Aspekte von Macht und Interessen aus dem Blick zu verlieren.45 Jedoch schien man in der Journalistik nur allmählich auf den Nutzen seines Ansatzes aufmerksam zu werden (vgl. Raabe 2003; Schäfer 2004; Hanitzsch 2007: 240ff.), sodass in einer Journalismustheorie: Next Generation (Altmeppen/Hanitzsch/ Schlüter 2007) Soziologen wie Herbert Willems (2007) aufgerufen waren, die zentralen Begriffe für einen Übertrag auf die Journalistik darzulegen. Bourdieus wesentliche Arbeit über Journalismus stellt das kleine Bändchen Über das Fernsehen (Bourdieu 1998) dar, wenngleich die hier zur Anwendung gelangten Begriffe früher (Bourdieu 1983, 1987) und wesentlich ausführlicher (Bourdieu 1993c, 1999) dargelegt wurden. Ihm geht es in der von der soziologischen Gemeinde mit einiger Enttäuschung rezipierten Fernseh-Schrift (vgl. Hanitzsch 2007: 240) nicht vorrangig darum, die Gesamtheit aller Journalisten zu untersuchen, sondern er thematisiert ihre Verschiedenheit, anhand derer sich in Machtkämpfen die Prinzipien und Strukturen des journalistischen Felds im Frankreich der 1990er Jahre beobachten lassen. Der Begriff des Feldes, mit dem Bourdieu operiert,46 ist ein Begriff, in den die Vorstellung eingegangen ist, dass eine soziale Struktur Einfluss auf das Handeln und Denken der Akteure nimmt. Das Feld ist für Bourdieu ein dynamisches Netz von objektiven Relationen zwischen Positionen. Diese Po45
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Das haben auch Lindberg et al. (2005) erkannt. Leider stellen sie m.E. den Akteur zu sehr in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung und vernachlässigen folglich andere Aspekte des Feldes. Herbert Willems (1997, 2007) macht darauf aufmerksam, dass die zentralen Begriffe des Feldes, des Kapitals und des Habitus bereits bei Norbert Elias, Arnold Gehlen sowie bei Peter Berger und Thomas Luckmann gefunden werden können — ein Hinweis, den Bourdieu selber stets elegant unterschlug.
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2. SOZIOLOGISCHE PERSPEKTIVEN AUF POPMUSIKJOURNALISMUS sitionen sind wiederum objektiv definiert durch ihre »aktuelle und potentielle Situation (situs) in der Struktur der Distribution der verschiedenen Arten von Macht (oder Kapital), deren Besitz über den Zugang zu den in diesem Feld auf dem Spiel stehenden spezifischen Profiten entscheidet, und damit auch durch ihre objektiven Relationen zu anderen Positionen (herrschend, abhängig, homolog usw.)« (Bourdieu/Wacquant 1996: 127; Hervorhebung i. Orig.). Das Wort objektiv signalisiert, dass diese Dinge historisch gegeben sind sowie tatsächlich beobachtet und im Feld wahrgenommen werden können. Die Formulierung »potentielle Situation« gibt zu bedenken, dass ständig beobachtbares strategisches Handeln47 im Kampf um Kapital zu zukünftig anderen Positionen im Feld führen kann. Der Begriff des dynamischen Netzes verweist auf die Annahme, dass ein soziales Feld nicht aus der Sicht des Akteurs alleine zu sehen ist, sondern dass er inmitten beobachtbarer existenter Abhängigkeiten und (Macht-)Verhältnissen eine relationale Position bezieht. Daraus ergibt sich die einem Feld innewohnende Spezifität der Verteilung von Kapital, die in Positionskämpfen beobachtbar ist und eine spezifische Machtstruktur hervorbringt.48 »Ein Feld ist ein strukturierter gesellschaftlicher Raum, ein Kräftefeld — es gibt Herrscher und Beherrschte, es gibt konstante, ständige Ungleichheitsbeziehungen in diesem Raum —, und es ist auch eine Arena, in der um Veränderungen oder Erhaltung dieses Kräftefeldes gekämpft wird. In diesem Universum bringt jeder die (relative) Kraft, über die er verfügt und die seine Position im Feld und folglich seine Strategien bestimmt, in die Konkurrenz mit den anderen ein« (Bourdieu 1998: 57).
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Es wäre falsch, Bourdieu zu unterstellen, dass die Akteure im Feld als rational kalkulierende Individuen dargestellt werden. Vielmehr werden diese Strategien erzeugt durch den Habitus und die Logik des Feldes. Anstatt von Individuen muss daher von Akteuren des Feldes gesprochen werden (vgl. Bourdieu/Wacquant 1996: 138f.). Ein Beispiel: Das Feld der Tageszeitungen ist unterteilt in lokale, regionale und überregionale Tageszeitungen, was zunächst nur die örtliche Verbreitung meint. Doch werden die geografischen Unterschieden auch auf anderen Ebenen bemerkbar: die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat eine andere journalistische und publizistische Bedeutung als etwa der Gießener Anzeiger, weil sie Meinungsführerschaft beansprucht, als Qualitätszeitung gilt, einen höheren Verkaufspreis verlangt, mehr bzw. andere Anzeigenkunden hat und andere oder anders aufbereitete Inhalte publizieren kann. Die FAZ erhält bspw. ein Interview mit einem wichtigen Politiker, verfügt über finanzielle Möglichkeiten, Redakteure zu Ereignissen entsenden — der GA in aller Regel nicht. Dieses Verhältnis der Medien überträgt sich auf ihre Mitarbeiter. Es wäre demnach höchst widersinnig, einen Lokalreporter und einen FAZ-Korrespondenten vergleichend zu untersuchen, ohne diese Dynamik des Feldes wahrzunehmen.
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2.2 POPMUSIKJOURNALISMUS ALS FELD Die Journalisten in einem Feld verfügen über bestimmte Eigenschaften, mit Bourdieu gesprochen: über eine bestimmte Kapitalausstattung, die es ihnen ermöglichen, dieses Feld zu betreten und in ihm Wirkungen zu erzielen (vgl. Bourdieu/Wacquant 1996: 139). Bourdieus Kapitalbegriff ist bekanntermaßen vom Marx’schen Begriff ausgehend zu einer Dreiteiligkeit von ökonomischem, kulturellem und sozialem Kapital entwickelt worden, die durch ihre systematische Ungleichverteilung gekennzeichnet ist. Kulturelles Kapital kann inkorporiert (eine in der Sozialisation und Ausbildung erworbene Disposition), objektiviert (in Kunstwerken, Büchern, Instrumenten usf.) oder institutionalisiert in Form von Titeln vorliegen. Soziales Kapital wird definiert als »die Gesamtheit der aktuellen und potentiellen Ressourcen, die mit dem Besitz eines dauerhaften Netzes von mehr oder weniger institutionalisierten Beziehungen gegenseitigen Kennens oder Anerkennens verbunden sind; [...] es handelt sich dabei um Ressourcen, die auf der Zugehörigkeit zu einer Gruppe beruhen« (Bourdieu 1983: 190f.; Hervorhebungen i. Orig.). Diese Ressourcen können sowohl als Fähigkeiten im Sinne sozialer Kompetenz verstanden werden, d.h. das Herstellen und Aufrechterhalten sozialer Beziehungen, als auch als ein manifestes Netzwerk von Kontakten. Das heißt übertragen: Journalisten haben und sind (für andere) soziales Kapital (vgl. Willems 2007: 224). Die drei Kapitalsorten nennt Bourdieu das symbolische Kapital, eine wahrgenommene und als legitim erkannte Form des Statussymbols oder der Reputation. Die jeweilige Kapitalausstattung, d.h. das Volumen wie die Zusammensetzung des Kapitals, kennzeichnet ein Feld, wobei Bourdieu dem ökonomischen Kapital eine Dominanz zuerkennt. Journalismus ist für Bourdieu (1999: 203) im Feld der kulturellen Produktion beheimatet, wo er als ein Genre im Feld der Massenproduktion wirkt.49 Der Zusammenhang von symbolischen Kapital und Feld ist je zu bestimmen, da jedes Feld eine andere Kapitalausstattung verlangt. Keine biologischen, sondern eindeutig soziale Eigenschaften, wie berufliche Erfahrung, Ausbildung, soziale Herkunft, 49
Hanitzsch (2007: 250f.) bildet das deutsche Mediensystem als ein journalistisches Feld ab, das durch die Koordinaten Kapitalstruktur (Verhältnis des ökonomischen und kulturellen Kapitals) sowie Kapitalvolumen gekennzeichnet ist. Um den »intellektuellen Pol« (hohes kulturelles, aber niedriges ökonomisches Kapital) herum tummeln sich das Feuilleton und Kultur- und Kunstzeitschriften, um den »kommerziellen Pol« (hohes ökonomisches, aber geringes kulturelles Kapital) herum finden sich dagegen der Boulevardjournalismus, die Hochglanz-Männermagazine und — die Jugend- und Musikzeitschriften! So sinnvoll die Adaption von Bourdieus Theorien auf den Journalismus ist, muss man aufpassen, dass nicht (wieder einmal) Kategorien wie auch werthaltige Journalismuskonzepte — hier: Journalismus vs. Unterhaltung — die Sicht auf den Gegenstand trüben.
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2. SOZIOLOGISCHE PERSPEKTIVEN AUF POPMUSIKJOURNALISMUS Geschlecht, Status, die Bewegung im sozialen Raum des Feldes usf. erlauben Einsichten in Struktur und Machtverhältnisse des Feldes. Denn erst wenn man weiß, welcher Stellenwert etwa einem Hochschulstudium als Berufsvoraussetzung im Feld zugebilligt wird, kann man im Verhältnis eine Aussage über den einzelnen Akteur treffen. Mit dem Konzept des Habitus tritt ein weiteres analytisches Werkzeug Bourdieus hinzu, das ebenfalls im Verhältnis zum Feld gesehen werden muss. Unter Habitus versteht Bourdieu (1993c: 98) »Systeme dauerhafter und übertragbarer Dispositionen, als strukturierte Strukturen, die wie geschaffen sind, als strukturierende Strukturen zu fungieren, d.h. als Erzeugungs- und Ordnungsgrundlagen für Praktiken und Vorstellungen, die objektiv an ihr Ziel angepasst werden können.« Ein Habitus, erworben in der Primärsozialisation, kann als »Verhaltensgenerator« beschrieben werden, der jedoch nicht Verhaltensweisen determiniert, sondern einen Rahmen schafft, innerhalb dessen Verhaltenswahrscheinlichkeiten und Spielräume eröffnet werden (vgl. Willems 2007: 221). Bourdieu (1993c: 190f.) beschreibt ihn als einen praktischen Sinn, einen sozialen Instinkt, der unbewusst Gedanken, Wahrnehmungen und Handlungen hervorruft, die in der Praxis Unsicherheiten reduzieren und schnelles, routiniertes Handeln ermöglichen. In ihnen ist die Typik der sozialen Lage wie auch des Feldes, in denen sie erzeugt und adaptiert wurden, erkennbar: »Über den Habitus regiert die Struktur, die ihn erzeugt hat, die Praxis« (ebd.: 102). Felder erzeugen und verlangen je spezielle Habitus, die für Journalisten etwa als berufsspezifischer Habitus die Wahrnehmung von Ereignissen als Nachricht bedeuten; Bourdieu (1998: 25) spricht von einer »speziellen ›Brille‹«, die Journalisten als Produkt der Erziehung und Ausbildung tragen. Im Konzept des Habitus, vielmals als starres Deutungsmuster missverstanden, begegnen sich sowohl individuelle als auch gesellschaftliche, mikro- wie makrosoziologische Perspektiven. Einerseits sedimentiert sich die individuelle Laufbahn, die Sozialisation und Ausbildung einer Person im Habitus, andererseits wird er in sozialen Lagen und auf Feldern erworben bzw. angepasst. Der Habitus ist die »Schnittstelle von journalistischer Berufswelt und Lebenswelt« (Hanitzsch 2007: 255), an der früher erworbene Denk-, Wahrnehmungs- und Handlungsweisen Einfluss auf berufliches Handeln nehmen können. Weder ist ein journalistischer Text somit von der Person des Journalisten sinnvollerweise zu trennen, noch ist alleine ein »Autor« für diesen verantwortlich zu machen — denn immer entsteht die Textproduktion vor spezifischen Regeln und Zwängen, d.h. der Logik eines Feldes. Bourdieu öffnet somit den theoretischen Blick auf die wesentlichen Kämpfe, die auf dem Feld des Journalismus stattfinden. Das Feld bzw. das
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2.2 POPMUSIKJOURNALISMUS ALS FELD Feldsegment des Popmusikjournalismus ist als Spielfeld zu beschreiben, auf dem die Journalisten als Akteure ein unter spezifischen Markt- und Produktionsbedingungen stattfindendes Spiel um die Aufmerksamkeit, die Anerkennung und das Handeln (z.B. der Kaufakt) verschiedener Publika spielen.50 Sowohl die Leserschaft, die Kollegen und Konkurrenten, die Vorgesetzten, der Verlag oder die Anzeigenkunden eines Musikmagazins sind demnach konstitutiv für das Feld wie auch das professionelle Handeln der Journalisten. Bourdieu identifiziert zwei Mechanismen, die zu Kämpfen führen: die »zirkuläre Zirkulation der Nachricht« (Bourdieu 1998: 30) und die »Diktatur der Einschaltquote« (Schäfer 2004: 331). Damit beschreibt er erstens die Tatsache, dass alle Medien auf dieselben Quellen zurückgreifen und zweitens alle einander im Konkurrenzkampf beobachten, weil sie drittens um Einschaltquoten und damit zusammenhängende Folgen (steigende Einnahmen, höheres Prestige, Verbesserung der Position auf dem Feld) ringen. Bourdieu wehrt sich als Soziologe natürlich gegen die Zuspitzung auf den idealtypischen Einzelfall des Journalisten; diesen gebe es nicht, sondern nur den Plural der Journalisten, die sich durch Geschlecht, Alter, Bildung sowie durch das Medium, für das sie arbeiten, unterscheiden. Denn derart entsteht eine Konkurrenzsituation, die, so seine Hauptthese, sich homogenisierend auf die Produkte der Journalisten auswirke. Ganz entgegen neoliberaler Logik, die bekanntermaßen die Wettbewerbslogik als Katalysator von Differenz und Angebotsvielfalt interpretiert, wirken die internen Mechanismen des journalistischen Felds auf die Angleichung der journalistischen Produkte hin. Dies liege im kollektiven Charakter der Produktion begründet, der nicht bloß das Redaktionskollektiv umfasst, sondern die Gesamtheit aller Journalisten. »Um zu wissen, was man sagen wird, muß man wissen, was die anderen gesagt haben« (Bourdieu 1998: 31). Dadurch verringert sich natürlich der Horizont dessen, was eigentlich gesagt werden könnte; Bourdieu spricht von »geistiger Einzäunung«, einer »Geschlossenheit des Milieus«, die im Effekt eine »Zensur« produziere (ebd.: 32ff.). Dennoch ist nicht nur eine Konkurrenz zwischen den Medien und Medienakteuren zu beobachten, sondern auch »heimliches Einverständnis und objektive Komplizenschaft, die auf gemeinsamen Interessen beruhen, welche ihrerseits mit ihrer Position im Feld der symbolischen Produktion und damit zusammenhängen, daß sie gemeinsame geistige Strukturen, Wahrneh-
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»Spiel« mag ein wenig verharmlosend klingen, aber Bourdieu selber hat diese Metapher »ins Spiel gebracht« — es geht sowohl um das Spielen mit anderen als auch gegen andere und es steht darüber hinaus etwas auf dem Spiel: nämlich Gewinn und Verlust symbolischen Kapitals und somit die Position auf dem Spiel-Feld.
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2. SOZIOLOGISCHE PERSPEKTIVEN AUF POPMUSIKJOURNALISMUS mungs- und Bewertungskategorien haben, die aus ihrer sozialen Herkunft, ihrer Ausbildung (oder Nichtausbildung) resultieren« (ebd.: 50). Dies alles fließt in journalistisches Handeln ein, allerdings nicht als bewusster oder intendierter Prozess, sondern in der Anwendung verinnerlichter beruflicher Routinen, die im Rahmen des Felds am aussichtsreichsten erscheinen, die eigene Position zu verbessern. Dieser Umstand — Konkurrent und Komplize sein zu müssen — führt im Feld des Journalismus zu Spannungen und Widersprüchen: es gibt einerseits diejenigen, welche unter großen Anstrengungen Werte wie Autonomie und Freiheit der Rede gegenüber ihren Vorgesetzten, Kunden, Lesern usw. verteidigen wollen, andererseits diejenigen, die sich den Zwängen und Mechanismen unterwerfen. Es sind Spannungen zwischen langjährigen Journalisten und Berufsanfängern, zwischen Praktikern und Theoretikern, Realisten und Idealisten beobachtbar, die allesamt kennzeichnend sind für das Feld des Journalismus. Bourdieu erkennt hierin ein Problem, weil die Medien (bei ihm vor allem das Fernsehen) zum Instrument der Aufrechterhaltung der symbolischen Ordnung bzw. Gewalt prädestiniert sind, da hier zwei unsichtbare Zensurinstanzen wirken: die politische und die ökonomische Kontrolle. »Die symbolische Gewalt ist eine Gewalt, die sich der stillschweigenden Komplizität derer bedient, die sie erleiden, und oft auch derjenigen, die sie ausüben, und zwar in dem Maße, in dem beide Seiten sich dessen nicht bewußt sind, daß sie sie ausüben oder erleiden« (ebd.: 21f.). Diese beiden Zensurinstanzen gehen auf die Journalisten über, sie werden internalisiert. Wer also verstehen will, was bei einer Musikzeitschrift vor sich geht, muss die objektiven Kräfteverhältnisse berücksichtigen, aus denen die Struktur des Feldes besteht. Diese könnten bspw. aus »Indikatoren wie Marktanteile, Stellenwert bei den Werbekunden, das von angesehenen Journalisten verkörperte kollektive Kapital usw.« (ebd.: 56) bestehen. Allerdings ist in Bourdieus Sinne eine rein ökonomische Beschreibung der Besitzverhältnisse allein nicht hinreichend, sondern man muss auch die Konkurrenzsituation der Medien untereinander beurteilen, die Position des Mediums »innerhalb ökonomischer und symbolischer Kräfteverhältnisse« (ebd.: 58) sowie das berufliche Ansehen der Beteiligten. Es gilt, die unsichtbaren, aber objektiven Beziehungen zwischen den hier tätigen Menschen wahrzunehmen, die sich vielleicht niemals persönlich begegnen, aber »gezwungen sind, bei dem, was sie tun, bewußt oder unbewußt Zwänge oder Einflüsse zu berücksichtigen, die sich aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu demselben Universum geltend machen. Anders gesagt, wenn ich heute wissen will, was dieser oder jener Journalist denken oder schreiben wird, was er einleuchtend oder undenkbar, selbstverständlich oder seiner unwürdig findet,
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2.2 POPMUSIKJOURNALISMUS ALS FELD muß ich die Position kennen, die er in diesem Raum innehat, das heißt den spezifischen Stellenwert des Mediums, für das er arbeitet und das [sic!] sich unter anderem ökonomisch bemißt, in Marktanteilen, aber auch, und das ist schwerer zu quantifizieren, in seinem symbolischen Stellenwert« (ebd.). In der Theorie Bourdieus liegt somit ein umfassender Auftrag vor uns. Mithilfe von ihm gelieferter Konzepte kann es gelingen, den Medienakteur in den musiksoziologischen Blick zu bekommen, der innerhalb eines von ökonomischen und symbolischen Kämpfen durchzogenen Feldes vor dem Hintergrund eines persönlichen und beruflichen Habitus um Einflussnahme und Positionen ringt. Diese integrative Perspektive vernachlässigt obendrein nicht die ihn umgebenden Strukturen, da es ihr um feldtypische Konstruktionsprinzipien der Akteure geht, die innerhalb eines sozialen Raums von Machtverhältnissen beeinflusst beeinflussen. Das Ziel einer solchen Untersuchung ist jedoch nicht, dem einzelnen Journalisten Verantwortung für Produkte zuzuweisen, die er allein nicht tragen kann. »Die Menschen mögen es im allgemeinen nicht, als Objekte aufgefaßt, objektiviert zu werden, und die Journalisten mögen es weniger als irgendeiner. Sie fühlen sich als Zielscheibe, aufgespießt, wo doch die Untersuchung eines Milieus, je weiter sie fortschreitet, die Beteiligten von ihrer Verantwortlichkeit losspricht — was nicht heißt, daß man alles entschuldigt; und je besser man versteht, wie es funktioniert, um so besser versteht man auch, daß die Beteiligten manipulierbar sind und Manipulatoren zugleich. Sie manipulieren sogar sehr oft um so besser, wenn sie selbst manipulierbar sind, ohne es zu wissen« (ebd.: 20f.). Ziel einer so gearteten Untersuchung muss sein, eine sozialwissenschaftliche (und mithin aufklärende) Perspektive auf ein Feld hin zu entwickeln, in dem die kollektive Praxis der Produktion von Musikzeitschriften und die hier wirkenden symbolischen wie ökonomischen Gewalten am Beispiel des Journalisten offenbar werden. Denn so ist erkennbar, wie die popularmusikalische mediale Öffentlichkeit, d.h. unser Wissen über populäre Musik, hergestellt wird.
2.3 Popmusikjournalismus als Diskurs Der Diskurstheorie geht auf Michel Foucault zurück, die er einführend in seiner Antrittsvorlesung 1970 ausgebreitet hat (Foucault 1991). Ihm zufolge besteht ein Diskurs aus tatsächlich aufgetretenen Aussagen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt in einem bestimmten sozialen Feld ein Aussagensystem bilden. Diese Systeme sind mächtig, sie sind »Wissen hervorbringende
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2. SOZIOLOGISCHE PERSPEKTIVEN AUF POPMUSIKJOURNALISMUS und reproduzierende Praktiken sowie mit Machtwirkungen verkoppelte Sprechpraktiken« (Diaz-Bone 2005: 540). Diskurse stellen ein konstruiertes Wissen dar, das an ein (Bourdieu’sches) Feld gebunden ist, sie bilden somit also keine vordiskursive Realität ab. In den Diskursen lassen sich sowohl Begriffe wie Objekte und Sprecherpositionen identifizieren, die thematische Wahlen und Strategien bestimmen. Die Ordnung dieses Diskurses basiert auf einer angenommenen Tiefenstruktur des Wissens, den sogenannten Epistemen, sowie auf Sprecherpositionen und Prozessen, die den Diskurs regulieren. Die Prozesse der Bedeutungskonstitution sind somit die eigentliche Domäne der Diskursanalyse, da sie Bedeutung immer auf ein Aussagesystem — die Diskursordnung — zurückführt und sichtbar macht. Peter Wicke (1992, 2004a, 2004b) hat den Nutzen des Diskursbegriffes für eine Beschäftigung mit populärer Musik deutlich gemacht: Diskurse regeln, was jeweils unter populärer Musik verstanden und was als populäre Musik produziert, ver- und gekauft werden darf und soll. Zwar fällt der Begriff der Diskursanalyse erst später (Wicke 2004a), aber man kann annehmen, dass mit der bereits zuvor erklärten Aufgabe der Popularmusikforschung — nämlich die »spezifischen Operationsmodi« (Wicke 1992: 39) analytisch aufzuschließen, um Funktion und Wirkung dieser Musik zu verstehen — dasselbe gemeint ist. Im Folgenden soll die Diskursanalyse als eine vor allem vom Soziologen Rainer Diaz-Bone in der Anwendung auf Popmusikmagazine durchgeführte Methode dargestellt werden (Diaz-Bone 2010), in der er Bourdieus Konzepte um die Theorie des Diskurses erweitert. Unter Diskursanalyse ist die Analyse kollektiver Wissensbestände zu verstehen, die zeigen will, wie Diskurse mit Institutionen und Kollektiven in Verbindung stehen und welche Machtwirkungen, Identitätsstiftungen sowie sozialen Prozesse durch sie ermöglicht werden. Massenmedien, hier: Popmusikmagazine, werden von Diaz-Bone als Foren dieser Wissensordnungen begriffen. Die Ausgangsüberlegung von Diaz-Bone ist, dass populäre Musik Genres hervorbringe, die bereits als Sprechordnungen verstanden werden können. Um diese Genres haben sich Spezialdiskurse etabliert, die im massenmedialen Interdiskurs ausgebildet wurden. Im Spezialdiskurs werden nun Popmusikzeitschriften als kulturweltliche Medienforen für die Diskursanalyse herangezogen, da sie »›Zentralorgane‹ der diskursiven Distinktion seien« (Diaz-Bone 2005: 547). Dahinter steht die Annahme, dass einerseits durch diese Musikzeitschriften ein evolutionärer Bedarf gestillt wurde, andererseits durch diese quasi natürliche Ausdifferenzierung des Sprechens und nun Schreibens über populäre Musik sich hier ein authentischer Diskurs über populäre Musik abbilden konnte: »Anhand von Texten war der Diskurs über ›Musik‹ [als vordiskursiver Realität] gezwungen sich niederzuschlagen, waren
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2.3 POPMUSIKJOURNALISMUS ALS DISKURS alle Thematisierungen, Problematisierungen, Strategien der Musikwelten dokumentiert« (ebd.). Deswegen wird den Redaktionen der untersuchten Zeitschriften (für den Heavy Metal-Diskurs Metal Hammer, für den TechnoDiskurs Raveline) auch eine bedeutende Sprecherposition zuerkannt. Die Ergebnisse der Diskursanalysen von Diaz-Bone sind erstaunlich und aufschlussreich. Anhand der Auswertung der Zeitschriften erkennt der Soziologe bspw. im Heavy Metal eine handwerkliche Diskurslogik: Die musikalische »Erarbeitung«, d.h. die im Proberaum wie im Studio ausgebaute musikalische Struktur, und instrumentale Virtuosität tragen erheblich zu einer positiven Bewertung der empfundenen Qualität von Musik bei. Das Konzept der Band als dauerhafte, identitätsstiftende Produktionseinheit symbolisiert im Diskurs des Heavy Metal geltende Werte wie Beständigkeit, Ausgewogenheit und Reifung. In den Magazinen sedimentiert sich dies in einer Heftstruktur, die den Werdegang einer Band durch verschiedene Stadien begleitet: Artikel berichten aus dem Proberaum, aus dem Studio, von der Promotiontour oder von Konzerttourneen. Im Heft schlage sich zudem immer die Sorge um die soziale und künstlerische Integrität der Bands nieder, denn Diaz-Bone identifiziert Arbeit als zentrales kulturelles Wissenskonzept im Heavy Metal: Musik entspringt hier nicht mehr einer genialen Schöpfung, sondern entsteht durch harte, kollektive Arbeit, die dann zu legitimer Anerkennung im Magazin führt, d.h. das Musikmachen wird zum »Werktätig-sein [sic!] von instrumentell-handwerklich qualifizierten Kollektiven« (Diaz-Bone 2010: 398). Der von ihm identifizierte Techno-Diskurs, wie er sich in Musikmagazinen des Techno abzeichne, favorisiert dagegen ein Berufsethos von Selbständigen und Freiberuflern. Der Techno-Musiker wird als Grenzgänger, als »robuster Universalist« dargestellt, der für Neues sensibel und aufnahmebereit ist, um Vorreiter und Trendsetter sein zu können (ebd.: 404). Ihm gelinge scheinbar mühelos eine Integration verschiedenster, auch kommerzieller Bereiche. Techno-Musiker arbeiten nach Diaz-Bones Befunden mit Modeherstellern, Softwarefirmen oder Computerspieleherstellern zusammen, entwerfen eigenhändig ihre Cover usw. Im Gegensatz zum Konzept der Arbeit im Heavy Metal steht hier das Konzept des Spaßes — und der Professionalität. In den Magazinen des Techno begegne man dem multiplen Subjekt des Technodiskurses, das Dienstleister und Künstler, Produzent, DJ, Labelbetreiber und Booker in einem ist. Der Aspekt des Spaßes werde deutlich beim experimentellen Musizieren, in der spielerischen Herangehensweise im Studio, was gleichzeitig in vielen Fällen das eigene Wohnzimmer ist. Hier liege eine entspannte Produktionslogik vor, die in der Zusammenführung verschiedener Lebensbereiche (Arbeit — Freizeit — Konsum) bruchloser als in
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2. SOZIOLOGISCHE PERSPEKTIVEN AUF POPMUSIKJOURNALISMUS der Metalwelt gelingt. Dem Technodiskurs ist das Netzwerk wichtiger als der einzelne Musiker (Bands im Sinne des Metal existieren nicht), das Werk in Form des Albums weicht einzelnen Tracks, die zudem als Remix eher eine Form der wechselseitigen symbolischen Anerkennung darstellen als eine künstlerisch wertvolle Äußerung. In Techno-Zeitschriften werden in DiazBones Ergebnissen keine Erwartungen an eine kontinuierliche Entwicklung und Steigerung auf Basis eines Werkzusammenhangs formuliert, sondern die Arbeitsform ist eher projektgebunden. Erst das durch die Magazine vermittelte diskursive Hintergrundwissen ermögliche den Lesern die Benennung und Bewertung der Kooperationen auf diesem Album, der Vernetzung in Labels, Clubs usw. Diese wichtigen Strukturen und Funktionen von Wissensordnungen erkannt und benannt zu haben, ist ein großes Verdienst der Arbeit. Der Autor ist nahe am Heavy Metal- (was aber interessante Einsichten erbringt), aber leider zu weit weg vom Technodiskurs, was aus musikwissenschaftlicher Sicht zu manchmal merkwürdigen Auslassungen über »elektronische Musik« führt. Da Begriffe immer diskursiv geprägt sind, ist außerdem die Frage, ob Analyse-Kategorien wie »Künstler und Autorkonzept« oder »Werkkonzept« für den Diskurs des Techno dasselbe fassen können wie für den Heavy Metal. Was in der Arbeit von Diaz-Bone vorliegt, ist die Benennung verschiedener Ästhetiken, die diskursiv hervorgebracht wurden — ob allerdings durch die Musikzeitschriften oder trotz der Musikzeitschriften, bleibt im Unklaren. Denn vor allem findet keine grundlegende Auseinandersetzung mit der Organisation der Magazine oder den verantwortlichen Redakteuren statt, die für die Abbildung diskursiver Ordnungen im Magazin verantwortlich sind — und nicht für deren Ausbildung, ob innerhalb oder außerhalb des Magazins. Zudem stellt sich die Frage, ob diese im Magazin abgebildeten Diskurse tatsächlich eine Diskursordnung darstellen, die auch außerhalb Gültigkeit beanspruchen darf. Wie zu zeigen sein wird, ist innerhalb der Redaktionen nur ein begrenztes Wissen über das Publikum vorhanden, sodass eine Diskursanalyse von Musikzeitschriften eben nur den Diskurs der hier Tätigen feststellen kann — solange sie die dazu notwendigen produktionstechnischen, sachlichen oder ökonomischen Aspekte in die Analyse integriert. Und umfassend wird die Diskursanalyse tatsächlich erst dann, wenn sie die Aneignung dieser journalistischen Texte beinhaltet. Somit ist die Diskursanalyse theoretisch ein geeignetes Instrument, Wissensordnungen, Vorstellungen des Schönen und Aspekte der Macht hervorzuheben — nur ist der praktische Aufwand immens, dieses auch in die Tat umzusetzen.
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2.4 POPMUSIKJOURNALISMUS ALS EIGENSINNIGES HANDELN VON MEDIENAKTEUREN
2.4 Popmusikjournalismus als eigensinniges Handeln von Medienakteuren Zum Schluss dieses Theoriekapitels wird mit den Cultural Studies kurz eine Theorietradition vorgestellt, die zwar nun seit über vierzig Jahren institutionalisiert ist, aber erst seit kurzem im Nachdenken über Journalismus wahrgenommen wird. Als eine integrative Perspektive — etwa im circuit of culture von Du Gay et al. (1997: 3)51 — hält sie ein beträchtliches Potenzial bereit. Allerdings war sie bislang, so werden die Ausführungen zeigen, vor allem auf die Rezeption (und nicht die Produktion!) populärer Medien ausgerichtet.52 Diese Orientierung liegt in der speziellen Geschichte und Entwicklung der Cultural Studies seit ihren Anfängen begründet.53 Einerseits wandten sie sich entgegen geltender elitärer Kulturverständnisse ausdrücklich der populären Kultur zu, andererseits ist aufgrund ihrer Verwurzelung im westlichen Marxismus und der Tätigkeit der Gründungsväter in der Erwachsenenbildung eine starke und fast ausschließliche Hinwendung zu den people, wie es später bei John Fiske als Gegensatz zu den Machtallianzen des power bloc heißt, und deren Rezeptionsprozessen von populärer Kultur zu beobachten. Thomas Hanitzsch (2007: 240) sieht hierin auch die fehlende Rezeption in der Journalismusforschung begründet: »Ein Grund [...] mag die weitgehen– de Abstinenz der Cultural Studies gegenüber der Analyse von Prozessen der Produktion von Informationsangeboten sein. Journalismusforschung wird hier oft exklusiv im Gewand von Rezeptions- und Aneignungsforschung betrieben.« Sabine Schäfer (2004: 330) stellt ergänzend fest: »Die Medienproduzenten werden zurzeit von den Cultural Studies (noch) nicht in den Blick genommen.« 51
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Diese umfassende Sicht auf kulturelle Gegenstände wird von den Autoren um Du Gay, zu denen u.a. Stuart Hall oder Keith Negus gehören, am Beispiel des Sony Walkman durchgeführt. Die einzelnen, unter einander »artikulierten«, d.h. im Jargon der Cultural Studies miteinander verbundenen, kulturellen Prozesse des circuit of culture sind representation, identity, production, consumption und regulation. Die wesentliche Idee ist, dass jeder Prozess als Effekt und Auslöser für Effekte mit anderen verbunden ist, es also keine Hierarchie untereinander oder einen Startpunkt für das Doing Cultural Studies, so der Buchtitel, gibt. Ralf Hinz (1998, 2003, 2006, 2009) thematisiert zwar immer wieder die Erwähnung von Cultural Studies in der Spex, ihm geht es jedoch nicht um eine hier beworbene Öffnung der Cultural Studies für den Blick auf die Medienproduzenten. Eine ausführliche Darstellung der Entwicklung der Cultural Studies bietet die Monografie von Rainer Winter (2001).
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2. SOZIOLOGISCHE PERSPEKTIVEN AUF POPMUSIKJOURNALISMUS Ein weiteres Motiv dürfte auch darin liegen, dass mit dem lange Zeit vorherrschenden Paradigma der Semiotik Kulturanalyse als Textanalyse verstanden wurde, die Bedeutungen in den Texten bzw. im Gebrauch dieser Texte suchte. Wie diese Texte produziert wurden, war — falls überhaupt — zweitrangig. Dies liegt natürlich an Vorstellungen über mediale Kommunikation, wie sie Stuart Hall (1980) in seinem Encoding/Decoding-Modell prominent machte, wonach einfache Sender-Empfänger-Modelle der Kommunikation zugunsten einer je nach sozialer Lage spezifischen Aneignung abgelehnt wurden. Viele weitere Studien über das »Vergnügen« der Aneignung populärer Texte, Fernsehserien oder Musik folgten, die Produktion und materielle Basis der Texte geriet indes immer mehr aus dem Blick. Renger (2004: 371) schließt deshalb für eine an den Cultural Studies orientierte Journalismusforschung, dass diese »weniger daran interessiert« sei, »wie journalistische Aussagen unter welchen Bedingungen gemacht werden«. Medien werden in dieser Perspektive lediglich als Vermittler von Bedeutungen für Rezipienten wahrgenommen, die sie als Ressource für die Produktion von Vergnügen benutzen können. Allerdings tragen die Cultural Studies nicht alleine die Schuld für ihre bisherige Marginalisierung im wissenschaftlichen Reden über Journalismus. Renger (2006) macht, wie eingangs des vorigen Kapitels bereits angesprochen, auch die Journalismusforschung dafür verantwortlich, die in ihren Gegenständen eine elitäre Abwendung von populärer Kultur praktiziert habe. Das Primat der Information, die Sicht auf die Presse als Vierte Gewalt der Demokratie und die damit einhergehende Ernsthaftigkeit und Faktizität des Journalismus schlossen eine Hinwendung zu Erzeugnissen des populären Journalismus geradezu reflexhaft aus.54 Erst jüngere Arbeiten wie die von Margreth Lünenborg (2005) vertreten einen auf alle Formen des Journalismus bedachten Ansatz, der sich von der (in ihrer Darstellung vor allem als Kommunikatorforschung ausgewiesenen) traditionellen Journalistik zu lösen und für die Wirkungen der Texte beim Publikum zu öffnen hat. Journalismus wird von ihr als kultureller Prozess entworfen, der letztlich in seiner Bedeutung für die Gesellschaft nur zu begreifen ist, wenn die Ebenen der Medienproduktion, der Medientexte und der Medienrezeption als kontinuierlicher zirkulärer Prozess der Bedeutungsreproduktion und -verschiebung verstanden und aufeinander bezogen wer-
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Vgl. beispielhaft Blöbaums (2004: 212) Kritik an herrschenden Tendenzen, neben der Information auch Unterhaltung und Service als Redaktionsziele zu definieren. Denn somit verliere Journalismus seine Funktion der Herstellung von Öffentlichkeit und spreche statt des »politischen Staatsbürgers« nur noch »Konsumenten« an.
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2.4 POPMUSIKJOURNALISMUS ALS EIGENSINNIGES HANDELN VON MEDIENAKTEUREN den. Sie präsentiert eine Genre-Theorie, die sich mit Hybrid-Genres (DokuDramen, Real-Life-Soaps oder Late-Night-Talk) auseinandersetzt. Hier — wie auch beim Musikjournalismus — stellt sich immer wieder die Frage: handelt es sich eigentlich (noch) um Journalismus? Eine letztgültige Definition ist mit Lünenborg von der Hand zu weisen, denn Genres sind keine statischen Gebilde, sondern werden von Produzenten wie Rezipienten im kulturellen Prozess verhandelt und als Rahmung (Willems 1997) oder Diskurs (Diaz-Bone 2010) von Medientexten kommunikativ etabliert. Ob es sich also um Journalismus handelt, darf nicht von oben herab bzw. von außen entschieden werden, sondern man muss den am Prozess Beteiligten zuhören und den spezifischen Sinn verstehen, den sie den Genres zuschreiben. Obwohl mit den Cultural Studies keine etablierte Sicht auf Journalismus bereit steht, weil in erster Linie die Rezeption untersucht wurde, obwohl somit die hier untersuchte Gattung der Musikzeitschriften und deren Musikredakteure kaum thematisiert werden und obwohl die Cultural Studies als multitheoretisches und multidisziplinäres Projekt sich nicht unter den Begriff ›Disziplin‹ subsumieren lassen (wollen; vgl. Grossberg 1999; Renger 2004: 364ff.), wird im Folgenden für die Integration einer von den Cultural Studies geprägten theoretischen Perspektive auf die Gegenstände der vorliegenden Arbeit plädiert. Zunächst machen Cultural Studies für die Beschäftigung mit populären Gegenständen deutlich, dass Wissenschaft die Machtperspektive nicht aus den Augen verlieren darf. Sie weisen ferner darauf hin, dass jegliche, auch bzw. besonders mediale Kommunikation nie geradlinig verläuft, sondern zu ihr immer ein eigenständiger Rezeptionsprozess gehört. Journalismus ist also ohne Rezipienten — zu denen auch die Redakteure zu zählen sind — nicht vorstellbar; das wird leider oft vergessen. Des Weiteren plädieren die Cultural Studies für eine Öffnung des Journalismusbegriffs, sodass Journalismus als Information und Unterhaltung verstanden werden kann. Eine Trennung dieser beiden Funktionen von Journalismus ist nicht länger zu vertreten, wenn man die Nutzung journalistischer Erzeugnisse als Teil von Journalismus begreift. Denn für die Rezeption spielen eben nicht nur Informationsbedürfnisse, intellektuelle oder staatsbürgerliche »Pflichten« eine Rolle, sondern es sind auch emotionale (Entspannung) und affektive (Vergnügen) Gründe, die für das Lesen einer Tageszeitung oder einer Musikzeitschrift ausschlaggebend sind (vgl. Meier 2007: 36). Journalismus ist eine marktabhängige Ware, die im täglichen Kampf um die Publikumsgunst eben auch diese Bedürfnisse durch Emotionalisierung, Fiktionalisierung und »Entertainisierung« befriedigt — es wäre sozusagen eine Betriebsblindheit der Journalismusforschung, dies zu verdrängen. Ein weiteres Argument für die Integration der
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2. SOZIOLOGISCHE PERSPEKTIVEN AUF POPMUSIKJOURNALISMUS Cultural Studies ist, dass sie sich sehr bis allzu gern der Populärkultur und deren Themen annehmen. Dies ist einerseits positiv, denn Popmusikjournalismus gehört eindeutig der Populärkultur an.55 Andererseits droht bei einer Überbetonung des Populären eine Vernachlässigung anderer Dimensionen; bspw. entginge ihnen etwa der an den Kunstdiskurs angelehnte Bewertungshorizont des Popmusikjournalismus. Außerdem betonen die Cultural Studies die kreative Arbeit der people in der Rezeption. Hier liegt jedoch eine wesentliche Leerstelle in der Theorie vor: Wenn die Menschen tatsächlich derartig kreativ innerhalb von Machtkonstellationen mit Texten umgehen und sie auf unvorhersehbare Weise zu Teilen ihrer kulturellen Praxis machen, bleibt die Frage, warum die Cultural Studies diese Fähigkeit nur denjenigen zuschreiben, die als Rezipienten von Medien Teil des kulturellen Prozesses der Bedeutungsproduktion sind, sie diese Fähigkeit hingegen denjenigen nicht zuerkennen wollen, die als Produzenten ebenso daran teilhaben? Sicherlich liegt die Annahme zugrunde, dass die Kulturindustrie in ihrer Gänze von schädlichem Einfluss ist, die hier Tätigen also vor allem die Wiederherstellung der Arbeitskraft und eben nicht die Aufklärung und Emanzipation der Leser- oder Hörerschaft im Sinne führen. Dabei wird übersehen, dass innerhalb dieses zunächst so undurchdringlich erscheinenden Apparats Akteure wirken, die — zumindest in ihrer Selbstdarstellung (vgl. Kap. 4) — in der Be- und Verarbeitung von Informationen und Unterhaltung genauso kreativ tätig sind und dies innerhalb von Machtgefügen eines Verlags oder einer Redaktion, die der Verwirklichung eigener Interessen (zunächst) entgegen stehen. Das soll nicht bedeuten, dass diese Arbeit immer widerständig wäre. Aber wenn es darum gehen soll, die Kunst des Eigensinns (Winter 2001) Unterdrückter aufzuzeigen, darf man sie nicht nur auf der Rezipientenseite verorten. Wichtig an den Cultural Studies ist ebenfalls, dass sie, ähnlich wie Bourdieu, Praktiken in historisch gewachsenen Prozessen verorten, die Machtund Wertvorstellungen in sich tragen. Das Handeln der Menschen innerhalb dieser Strukturen kann zwar zu anderen, nicht vorhersehbaren und mitunter auch subversiven Ergebnissen führen, verstehbar wird es allerdings nur, wenn diese Strukturen Teil der Analyse sind. Und schließlich ist als wesentliches Kennzeichen der Cultural Studies zu sehen, dass sie zum Eingriff der Wissenschaft auffordern. Die Wissen produzierende Aktivität intellektueller
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Außerdem kann man nie genug Fürsprecher haben, denn immer noch nicht ist davon ausgehen, dass populärkulturelle Gegenstände als ähnlich relevant in der Musikwissenschaft gelten wie die etablierten der abendländischen Kunstmusik.
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2.4 POPMUSIKJOURNALISMUS ALS EIGENSINNIGES HANDELN VON MEDIENAKTEUREN Arbeit mag zwar nicht immer offensichtliche oder unmittelbare Folgen hervorrufen, trotzdem ist sie eine Voraussetzung politischer Aktivität: »Cultural Studies sind ein Versuch, die grundlegende Frage zu beantworten: ›Was geht vor sich?‹ und die Theorie ist ihr Werkzeug, um in dieser Aufgabe etwas weiter zu kommen. [...] Es geht nicht darum, Texte oder Menschen zu interpretieren oder zu beurteilen, sondern zu erfassen, wie das Alltagsleben von Menschen durch und mittels der Kultur artikuliert wird, wie sie durch die besonderen Strukturen und Kräfte, die ihr Leben immer in widerspruchsvoller Weise organisieren, zur Handlung befähigt oder unfähig werden, und wie ihr Alltagsleben selbst mit den und durch die Strukturen der ökonomischen und politischen Macht artikuliert wird. Es geht sowohl um die historischen Möglichkeiten, das Leben von Menschen und die Machtverhältnisse zu verändern, als auch um den absolut entscheidenden Beitrag intellektueller Arbeit für die Vorstellung und Verwirklichung solcher Möglichkeiten« (Grossberg 2006: 24f.). Die Cultural Studies bieten somit eine Forschungshaltung an, die als Ergänzung der Bourdieu’schen Theorie verstanden werden soll. Für die Anwendung auf Musikmagazine und die hier tätigen Musikredakteure ist sie m.E. geeignet, da diese am individuellen Handeln und dessen Motivik orientierte, gleichwohl kontextsensitive Theorie in ihren Grundlagentexten eindeutig dazu aufruft, mediale Bedeutungsproduktion ernst zu nehmen — was bedeutet, irgendwo den ersten Schnitt im ständigen Prozess der Bedeutungsproduktion zu wagen. Warum nicht dort, wo tatsächlich Monat für Monat Medientexte von wenigen für viele unter Zwängen, Möglichkeiten und speziellen Vorstellungen produziert werden, nämlich bei den Redakteuren? Auch sie können und sollen als Subjekte der Cultural Studies erkannt werden, wenngleich man sie traditionellerweise auf die Seite der Machtallianzen stellte. Selbstverständlich verlangt dieser holistische Ansatz auch, die Medientexte sprachwissenschaftlich hinsichtlich ihrer Form und ihrer Semiotik genauestens zu untersuchen. Überdies muss die Medienwirkungsforschung hinzugezogen werden sowie eine kulturwissenschaftliche Deutung der mannigfaltigen Rezeptions- und Aneignungsweisen erfolgen. Doch irgendwo muss man beginnen.
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3. D A S F E L D
DER
POPMUSIKMAGAZINE
3.1 Begründung und Vorstellung der ausgewählten Magazine Bevor in diesem Kapitel eine Sichtung der Ansätze und Ergebnisse der Journalistik vorgenommen wird, müssen zunächst die Popmusikmagazine vorgestellt werden, die als Gegenstand dieser Untersuchung dienen. Wie bereits eingangs erläutert wurde, ist der deutsche Markt der Musikzeitschriften nicht vollständig erfasst. Eine Gesamterhebung aller deutschen Musikzeitschriften erschien daher weder möglich noch im Rahmen dieser Arbeit zu bewältigen. Folglich musste zwangsläufig eine Auswahl getroffen werden, die anhand der grundlegenden Annahme geschah, dass materielle sowie strukturelle Verhältnisse der Magazinproduktion eine Auswirkung auf das Handeln und Denken der Musikkommunikatoren in den Redaktionen haben. Man muss nicht (aber kann) die Marx’schen Erkenntnisse über den Zusammenhang von Sein und Bewusstsein bemühen, dürfte aber auch unter Verweis auf Bourdieus vorgestellten Ansatz nicht umhinkommen, diese basalen Überlegungen zur Erklärung eines medialen Kommunikationsvorgangs zu legitimieren, der stetig innerhalb einer permanent operierenden Musikindustrie Bedeutungen produziert, in der Musik als Thema, Leser als Zielgruppen oder Inserenten als Partner begriffen werden. Wenn schließlich die befragten Redakteure das Gefühl haben, man müsse die Darstellung dem anpassen, was der Markt verlangt (vgl. Kap. 4.2 Strukturkontext; IN 1: 3), kann diese Perspektive zumindest nicht falsch sein. Für die vorliegende Untersuchung wurde davon abgesehen, Musikzeitschriften heranzuziehen, die über unterschiedliche Genres (etwa Jazz vs. Pop vs. Musical) berichten. Auch erschien ein Vergleich von Zeitschriften, die sich einer speziellen Musikrichtung (z.B. Reggae) widmen, als reizlos, da der Zeitschriftenmarkt sehr klein ist (im genannten Fall existiert nur ein Magazin). Zwar gibt es mehrere Zeitschriften im Genre Heavy Metal, diese besitzen aber in der Regel dieselben Geschäftsformen und Produktionsver-
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE hältnisse; zudem stellt sich auch die Frage, ob eine Übertragung von Vorgängen innerhalb einer speziellen Musikkultur auf andere Musik zu leisten ist. Stattdessen wurden Musikzeitschriften ausgewählt, die verschiedene Modelle der Produktions- und Besitzverhältnisse darstellen und über einen gemeinsamen Gegenstand berichten, nämlich Popmusik in einem weiten, mehrere Stilistiken umfassenden Sinn: erstens die deutsche Ausgabe des Rolling Stone, der bei einem international agierenden Medienkonzern in Lizenzierung des US-amerikanischen Mutterblatts erscheint; zweitens die Spex, die bei einem kleineren Spezialverlag für Musikzeitschriften verlegt wird und drittens die Intro, die im Selbstverlag als Umsonstmagazin herausgegeben wird.56 Um dem möglichen Vorwurf zu entgegnen, dass hier nun Äpfel mit Birnen verglichen würden, soll Folgendes hinzugefügt werden. Es sind genau diese drei Magazine ausgewählt worden, weil sie bereits über einen längeren Zeitraum erscheinen und somit Veränderungen herausgearbeitet werden können. Sie haben zudem eine ähnlich organisierte Produktionsweise, die thematische Nähe ist über den gemeinsamen Bezug auf Popmusik (und eben nicht Musicals) gegeben. Dies ermöglicht, Differenzen im Kleinen herauszustellen sowie eine weiter reichende Aussage über die Wege und Verhältnisse der Popmusikkommunikation zu erhalten — und nicht etwa bloß über die eines Substils von Black Metal. Zudem wurde die Auswahl durch das eingangs geschilderte Interesse an dem Zustandekommen der medialen Bedeutungen von Maxïmo Park oder Franz Ferdinand geleitet: in allen drei Magazinen ist über diese Bands ausführlich berichtet worden. Des Weiteren ist ihr Umfang annähernd identisch, die Zielgruppen sind mit »jungen Erwachsenen«, die sich für Popmusik interessieren, zunächst so ähnlich, dass auch hier ein genauerer Blick Unterschiede und Ähnlichkeiten hervorarbeiten kann. Im Folgenden werden die einzelnen Magazine näher dargestellt. Alle Daten beziehen sich, soweit nicht anders angegeben, auf eine Vergleichsstichprobe aller Ausgaben der drei Zeitschriften des Jahres 2008.
Rolling Stone Der Rolling Stone gilt seit seinem ersten Erscheinen in den USA 1967 als ein Magazin, das sich immer für »mehr« als nur die Berichterstattung über Musik
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Aufgrund der allgemeinen Ratlosigkeit (bspw. bei Büsser 1997: 18) über das grammatikalische Geschlecht von Spex und Intro wird in dieser Arbeit durchweg eine weibliche Form benutzt; es geht also um die Spex- und die Intro(Zeitschrift). Für den Rolling Stone hat sich hingegen der männliche Artikel etabliert, dieser wird deshalb auch hier benutzt.
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3.1 BEGRÜNDUNG UND VORSTELLUNG DER AUSGEWÄHLTEN MAGAZINE und Musiker interessiert hat. Jann S. Wenner, der Gründer des US-amerikanischen Rolling Stone, stellt im Vorwort zur ersten Deutschlandausgabe 1994 klar, dass er damals wie heute den Rolling Stone als nicht allein auf Musik fixiert sieht, sondern als ein »Vehikel für alle Gesellschaftsbereiche, in denen sie Relevanz hat« (Wenner 1994: 4). Musik wird von Wenner als sozialer Kitt seiner Generation inmitten einer kranken Gesellschaft beschrieben, die neue Werte im privaten wie gesellschaftlichen Leben geschaffen habe und bis heute schaffe. Der übergeordnete Auftrag des Rolling Stone sei daher, die Suche nach Wahrheit hinter einer Fassade von Doppelmoral (vgl. ebd.). Er solle mit Intelligenz und Respekt über Rockmusik berichten und über das, »was die Musik bewegte, sich zu Eigen machte oder worüber sie informierte: Politik, Filme, Fernsehen, Videospiele, das Internet, Sport, Verbrechen, Comicbücher, Gurus, Groupies, Hippies, Jesus-Freaks, Drogenfahnder, Zuhälter, Drogen und all die anderen Formen des amerikanischen Sozialverhaltens — krankhaft, heldenhaft und egal wie sonst« (Wenner 2006: 5). Nach einem gescheiterten ersten Versuch, den deutschen Markt in den 1980er Jahren zu betreten,57 startete 1994 mit der November-Ausgabe im Hamburger Selbstverlag (Deutscher Rolling Stone-Verlag, DRS) die deutsche Version des Rolling Stone, die als Lizenz des US-amerikanischen Mutterblatts betrieben wird. 2002 wurde DRS die Lizenz entzogen. Der Grund war die Demission des Chefredakteurs Bernd Gockel, woraufhin der von Wenner geführte Lizenzgeber Straight Arrow Publishers Co. die Lizenzierung kündigte, da er sich vertraglich (und anscheinend auch menschlich) an die Person Gockels gebunden sah. Der derart vom Mutterblatt gestärkte Gockel übersiedelte mit der kompletten Redaktion nach München zum Axel Springer Young Mediahouse, wo die Oktober- und Novemberausgaben allerdings zunächst im eigens gegründeten Verlag Rockzeitschriften Schmitz GmbH erschienen. Denn das Kartellamt untersuchte eine drohende Konzentration der Musikzeitschriften bei Springer aufgrund des dort herausgegebenen Musikexpress, außerdem waren noch rechtliche Anfechtungen des vorherigen Herausgebers Werner Kuhls abzuwehren. Erst mit der Dezemberausgabe 2002 wurde der Rolling Stone bei AS Young Mediahouse GmbH in München verlegt (vgl. Gillig-Degrave 2002; Sassenhausen 2002; Schrüfer 2002). Seit August 2009 ist er konzernintern der Welt-Gruppe zugeordnet, die Redaktion wurde nach Ber-
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Die in Köln bei Böhler verlegten Hefte des Rolling Stone starteten mit der Dezember-Ausgabe 1981 und wurden mit Heft 5 im Mai 1982 bereits wieder beendet.
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE lin verlegt. Herausgeber aller drei bei Springer erscheinenden Musikzeitschriften (eine Position, die es bisher nicht gab) ist Ulf Poschardt.58 Der deutsche Rolling Stone erscheint monatlich, was eine Abweichung vom US-amerikanischen Mutterblatt darstellt, das zweiwöchentlich publiziert. Der Grund liegt sehr wahrscheinlich in der Anpassung an die Regeln des deutschen Zeitschriftenmarktes, wo Musikzeitschriften seit dem Markteintritt der Sounds einmal im Monat erscheinen — und nicht etwa wöchentlich wie auf dem britischen Markt. Im Jahr 2008 hatte der Rolling Stone drei verschiedene Verkaufspreise: für fünf Euro war er zu Beginn des Jahres zu erstehen, ab Ausgabe Mai 2008 kostete er dann 5,50 Euro, weil Papier, Herstellung und Verwaltung teurer geworden seien — und nicht etwa die Redaktion, wie im Editorial »Steine aus dem Glashaus« dieser Preisanstieg verteidigt wird.59 Der Preis der Oktober-Ausgabe betrug einmalig 6,90 Euro; ihr lag neben der üblichen Heft-CD (s.u.) eine zweite CD bei, nämlich das auf diesem Weg veröffentlichte komplette Album OH (Ohio) der US-amerikanischen Band Lambchop. Auch im Umfang zeigt sich der Rolling Stone variabel: er erscheint am häufigsten als Ausgabe mit 100 Seiten, dann als Ausgabe mit 116 Seiten, immerhin zweimal als Ausgabe mit 132 Seiten. Die Differenz von 16 Seiten liegt hier in den sogenannten Sechzehnseitern (zu einer Veröffentlichung oder Wiederveröffentlichung redaktionell angefertigte Texte, die durch Inserenten bezahlt werden) sowie im Ausmaß der Übernahme von Texten des US-amerikanischen Rolling Stone. Chefredakteure der ersten Ausgabe 1994 waren Bernd Gockel und Jörg Gülden, die Musikredaktion bestand aus Arne Willander. 2008 war Bernd Gockel noch immer Chefredakteur, die Redaktion umfasste vier Personen und verantwortlicher Leiter war Arne Willander. Die personelle Kontinuität ist mit Willander sowie den freien Mitarbeitern Oliver Hüttmann und Jörg Feyer, die alle bereits in der deutschen Erstausgabe 1994 und noch 2008 genannt sind, beim Rolling Stone enorm hoch. Der Kreis der »Ständigen Mitarbeiter«, also diejenigen freien Journalisten, die immer wieder für den Rolling Stone schreiben, rekrutiert sich aus einem engen, relativ stabilen Kreis von zu Beginn des Jahres 2008 achtzehn, dann neunzehn Personen. 58
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Bei Springer arbeiten übrigens in führenden Position Menschen, die sich mit Musik in ihrer universitären Ausbildung befassten: neben dem im ersten Kapitel erwähnten Musikwissenschaftler und Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner (1991) ist Poschardt, von Klütz (2008: 173) schön böse als »rechtsliberaler 82er-Pop-Karrierist« bezeichnet, mit der ersten deutschsprachigen akademischen Publikation über DJs bekannter geworden, was weniger an der Arbeit selbst als am Zeitpunkt ihres Erscheinens gelegen haben dürfte. Die ebenfalls dort zu findende Wendung, der Verkaufspreis sei für fast 14 Jahre unverändert geblieben, ist nicht korrekt: für 6 DM (ca. 3 Euro) war die erste Ausgabe 1994 zu haben.
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3.1 BEGRÜNDUNG UND VORSTELLUNG DER AUSGEWÄHLTEN MAGAZINE Erster Erscheinungstag ist der Donnerstag des Vormonats. Die Anzeigenpreise werden im Zimpel (2009) mit 7.900 für 1/1 sw und 1/1 4c (eine ganze Seite schwarzweiß bzw. vierfarbig gedruckt) benannt. Im »Factsheet Rolling Stone« (Axel Springer Media-Impact 2010) gibt der Axel Springer Verlag die Preise mit 8.300 an. Der Rolling Stone erscheint von Anfang an vierfarbig. Die Auflage belief sich nach der IVW auf 53.246 Exemplare.60 Auch bei den Darstellungsmustern zeichnet sich das Magazin durch Stabilität aus: Der Heftaufbau ist von Anbeginn in drei ungefähr gleich große Teile gegliedert. Im ersten Teil der Musikfeatures — im Rolling Stone »Rock & Roll« benannt — stehen die knapp einseitig abgedruckten Leserbriefe; eine zweiseitige Präsentation von Fotos mit prominenten Musikern (»Randnotizen«), die in Sprache und Verhältnis von Wort zu Bild an Boulevardjournalismus erinnert, folgt ihr; danach kommen viele kleinere bis mittelgroße (dreiseitige) Berichte über Musiker, eine Glosse sowie Konzertkritiken. Mitunter ist ein mit großformatigen Fotos bebilderter Artikel Teil der Musikfeatures.61 Das mittlere Drittel umfasst die großen, mehrseitigen Artikel, für die auf dem Cover und im Inhaltsverzeichnis geworben wird; die meisten dieser Artikel sind Übernahmen von US-amerikanischen Journalisten, mitunter schreiben die Redakteure selber, fast nie die freien Mitarbeiter. Diese Artikel drehen sich in erster Linie um Musiker, zu denen der Journalist persönlichen Zugang hatte. Manchmal finden sich aber Artikel aus anderen Gebieten, etwa über Klimapolitik, und Reisereportagen. Oder es werden — wie im Darstellungsmuster Nationaltheater — von deutschen, meist freien Autoren politische und gesellschaftliche Themen pointiert kommentiert. Eine lose Serie von Artikeln über »Alter Meister«, so ihr Titel, gibt dem Leser Nachhilfeunterricht in Popmusikgeschichte und deren Heroen. Das letzte Heftdrittel beginnt mit einer »High Tech Toys« benannten Technikrubrik, in der neben Geräten der Unterhaltungselektronik in einer 60
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Die Zahlen der IVW sind irritierend: eine Auflage mit der Überschrift »Verbreitung gesamt« wird mit 55.286, eine mit »Verkauf gesamt« mit 53.246 Exemplaren für das Jahr 2008 angegeben. 23.396 Hefte wurde im Einzelhandel verkauft, 14.234 an Abonnenten vertrieben und 25.699 Exemplare gingen als Remittenden zurück — keine der letzten drei Zahlen ergibt in der Summe eine der beiden erstgenannten. Deshalb wird für alle drei Magazine mit der »Verkauf gesamt«-Zahl gearbeitet. Dieser ist, darauf legen die Rolling Stone-Redakteure Wert, keine »Modestrecke« (ein durch Modehersteller finanzierter Heftteil mit großformatigen Modefotos), sondern er ist an »Events« gekoppelt, die durch die großformatige Präsentation einerseits das Heft in der Gestaltung »großzügiger« erscheinen lassen und andererseits dadurch potentielle Werbekunden anziehen sollen (vgl. RS 1: 9).
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE kleinen Ecke auch Computer-Spiele vorgestellt werden. Ihr folgt ein »Kulturgut« genannter Teil. Hier wird feuilletonistisch über Fernsehen und Literatur (Musikbücher, Popliteratur und Belletristik) berichtet. Das Darstellungsmuster Leinwand behandelt Kinofilme und DVD-Veröffentlichungen; eine auf Musik-DVDs spezialisierte Kolumne findet sich außerdem im Rezensionsteil. Der Rezensionsteil beginnt mit der »Platte des Monats« und ist in zwei Teile geteilt: die Neuveröffentlichungen und die im Umfang geringer behandelten Wiederveröffentlichungen. Insgesamt umfasst der Rezensionsteil im Durchschnitt 34 lange Rezensionen und 53 kurze Besprechungen. Letztere sind in Kolumnen einzelner freier Autoren und Redakteure unterteilt oder nach Reggae (im Wechsel mit Jazz), »Beats«, HipHop, Downloads, Singles und Vinyl-Wiederveröffentlichungen gegliedert. Jeder Rolling Stone schließt mit einem Abdruck von Listen: hier findet man Kritiker- und LeserCharts, thematische Auflistungen à la »die erfolgreichsten X von Y in Z«, eine Liste von Lieblingsalben eines prominenten Musikers, eine von der Redaktion erstellte und kreativ auf einen Heftinhalt bezogene Liste sowie die Alben-Verkaufs-Charts aus Deutschland, den USA und Großbritannien. Insgesamt scheint die vor über vierzig Jahren ausgerufene Maxime Wenners eine Kontinuität des Heftaufbaus und der Themenwahl vorzugeben, die im deutschen Rolling Stone zu wenig Variationen geführt hat, selbst wenn man ältere Hefte des Anfangs heranzieht. Die ideelle Beständigkeit geht einher mit einer personellen Konstanz und führt zu einer routinierten Präsentation von populärer Musik in einer Musikzeitschrift. Wichtig war der vorausschauende und bis heute existente Entschluss der Rolling Stone-Redaktion, dem Magazin eine CD beizulegen. Erstmals in der Ausgabe Juni 1995 erschien die CD-Reihe New Voices, in deren Rahmen fortan jede Ausgabe eine CD umfasste, die im Heft thematisierte Musik enthielt. Sämtliche Kaufmagazine haben diese Praxis übernommen.62 Mithilfe dieser Übermittlung von Musik gelingt es den Printmagazinen, den entscheidenden Nachteil gegenüber Radio, Musikfernsehen oder Internet auszugleichen — die bislang fehlende Bindung vom Wort an den Klang der Musik.63 Nun kann der Leser hörend prüfen, was er gerade gelesen hat. Zudem kann ein Musikmagazin mithilfe dieser CD seine Kompetenz in der Musikauswahl 62
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Intro legt als Gratismagazin keine CD bei, weil einerseits die Kosten der Produktion erhöht würden, andererseits rechtliche Bedenken gegen das Verschenken von Musik bestünden (vgl. IN 2: 28). Nichtsdestotrotz geben sie eine Kompilation neuer Musik für angemeldete User zum Download heraus (»Lieblingslieder«). Die zunehmende Praxis der Verlinkung von Filmen auf den Seiten der Musikzeitschriften zeigt, dass sie auch die visuelle Komponente der Musikübermittlung ernst nehmen.
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3.1 BEGRÜNDUNG UND VORSTELLUNG DER AUSGEWÄHLTEN MAGAZINE präsentieren: was auf dieser CD versammelt ist, gehört zu denjenigen »neuen Stimmen« im Chor der Vielen, die vom Musikmagazin des Vertrauens geprüft wurden und daher gehört werden sollten. Hinter dieser kommerziellen Logik der Leserbindung verbirgt sich eine auf privater Ebene lange schon existierende Praxis des Musikaustausches in Form des Tape-Aufnehmens bzw. CD-Zusammenstellens. Zum einen demonstriert der Aufnehmende eine an situativen Gesichtspunkten orientierte Kennerschaft durch die auf der CD enthaltene Musik, zum anderen wird sie immer als Geschenk überreicht, was sehr wichtig ist: Nicht nur können wir, wie in der Sozialpsychologie untersucht, das Geschenk kaum zurückweisen, erst recht nicht, wenn es extra für uns zusammengestellt wurde, sondern der Überreichende ist uns sympathischer und macht Anschlusskommunikation wahrscheinlicher. Dieses erfolgreiche Konzept wurde vom Rolling Stone weitergeführt mit der Reihe Rare Trax, die abseits vom Neuheitsgebot auch bzw. gerade ältere Popmusik thematisch auf einer CD gruppiert. Jüngster und größter Coup war die oben angesprochene Beilage einer kompletten CD der US-amerikanischen Band Lambchop, die in Deutschland erst später auf dem üblichen Weg veröffentlicht wurde.
Spex Die Musikzeitschrift Spex blickt auf eine fast dreißigjährige Geschichte zurück, die in der deutschsprachigen Literatur am besten von allen drei Magazinen dokumentiert ist (vgl. bspw. Büsser 1997; Hinz 1998; Klütz 2008). Der Spex wird eine wichtige Funktion für die deutsche Rezeption von Popmusik und die Ausbildung einer Schule des Schreibens und Denkens darüber zuerkannt, die sich bis in die Feuilletons der Tageszeitungen niederschlage. Jede der Darstellungen folgt einer sich verfestigenden (man nehme bspw. den betreffenden Wikipedia-Artikel der Spex-schwärmenden Schwarmintelligenz) Geschichtsschreibung des Magazins, die in mehreren Etappen mit einer Blütephase von Mitte der 1980er Jahre bis Anfang der 1990er Jahre erfolgt und regelmäßig als Erzählung eines Niedergangs endet. 1980 wurde die Zeitschrift in Köln als ein auf einen Stil, nämlich New Wave, fokussiertes Musikmagazin mit dem Untertitel »Musik zur Zeit« 64 gegründet. Die konkurrierende Musikzeitschrift der damaligen Zeit war
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Dieser findet sich übrigens in der heutigen Spex wieder in Form einer Rubrik im Rezensionsteil, wo Musiker oder Autoren der Spex eine Art Playlist von zur Zeit gehörter Musik vorlegen, ohne dass ein besonderer Verweis auf den alten Untertitel geschweige denn seinen zeitdiagnostischen Impetus verweisen würde.
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE Sounds, von der die Spex sich unterscheiden sollte — und wollte. Eine Öffnung für andere Musikstile sowie eine als neu dargestellte Art des Schreibens über Musik werden als Mittel der Distinktion gegenüber der Konkurrenz geschildert, die zu schnell erzielten fünfstelligen Leserzahlen führten (vgl. Klütz 2008: 167ff.). Nachdem Sounds durch die Übernahme von dem Schweizer Verlag Jürg Marquard65 und die anschließende Zusammenführung mit dem Musikexpress zum Musikexpress/Sounds vom Markt genommen war, wechselten viele der freien Mitarbeiter und Redakteure von dort zur Spex (etwa Diedrich und Detlef Diederichsen, Michael Ruff — der später auch für den Rolling Stone tätig war, Andreas Banaski (Kid P.), Olaf Dante Marx). Ab demselben Jahr erschien die Zeitschrift mit einem Farbcover. 1985 begann die Plateau-Phase der »Spex-Jahre« (ebd.: 175), Diedrich Diederichsen übernahm für fünf Jahre die Redaktionsleitung und der Selbstverlag wurde aus dem Kreis der Redakteure gegründet, der in wechselnder Besetzung der Gesellschafter bis 2000 bestand. In den 1990er Jahren veränderte sich der Musikzeitschriftenmarkt. Neue Musikstile der elektronischen Tanzmusik hatten in den 1980er Jahren zur Gründung von Fanzines geführt, die nun als gefestigte Konkurrenten auf dem Markt waren: Frontpage (1989-1997), De:Bug (seit 1997, gegründet von ehemaligen Spex- und Frontpage-Mitarbeitern) und Groove (seit 1989). Mit Backspin (seit 1994)66 und Juice (seit 1997) hatte HipHop ein Printforum gefunden, der bisher in der Spex seit Mitte der 1980er Jahre rezipiert wurde. Auch in neuen periodischen Publikationen wie Texte zur Kunst (seit 1990), Testcard (seit 1996) oder Die Beute (1994-1999) erwuchsen der Spex auf ihren bisherigen Themenfeldern mit Alleinstellungsmerkmal — dem Zusammenhang von Popkultur, linker Politik und Kunst — nun Konkurrenten. Außerdem erschien seit 1992 die kostenlose Intro, seit 1994 der Rolling Stone. In der Spex der 1990er Jahre gab es vielerlei Umbesetzungen in der Redaktion. Außerdem fällt in diese Zeit eine besondere Art der Behandlung von Popmusik und Popkultur: sie wurde »akademischer und [sic!] theorielastiger« (ebd.: 181). Besonders zwei Autoren, Redakteure und spätere Herausgeber sind zu erwähnen, Mark Terkessidis und Tom Holert, die für eine Annäherung der deutschen Popmusikzeitschrift an Kulturtheorien wie die 65
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Für den Zeitschriftenmarkt hat dieses expansive Modell Methode: Marquard gab in der Schweiz zunächst eine selbst geführte Jugendzeitschrift heraus (Pop), die durch die Übernahmen anderer deutscher Jugendzeitschriften zur Pop/Rocky, schließlich zur Popcorn wurde — und heute beim Axel Springer Verlag erscheint, durch eine Übernahme von der Marquard Media Group. Backspin wurde im Mai 2009 eingestellt, ein Herausgeberwechsel fand statt. Für das Frühjahr 2010 ist eine neue Printausgabe in Aussicht gestellt, die nur noch viermal jährlich erscheinen soll (vgl. Backspin 2010).
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3.1 BEGRÜNDUNG UND VORSTELLUNG DER AUSGEWÄHLTEN MAGAZINE Cultural Studies stehen. 1997 wurde der Untertitel der Spex in »Das Magazin für Popkultur« geändert. Als letzter Chefredakteur des Spex-Verlags fungierte von 1998 an Dietmar Dath, bevor die Spex zu Beginn des Jahres 2000 vom Piranha Media Verlag übernommen wurde. Der einst erworbene Ruhm der Spex als »wichtigste Musikzeitschrift des Landes«, in der ein »Avantgardeanspruch« vertreten wurde (Groß 2007), schien verblasst, denn allerspätestens seit der Insolvenz des Selbstverlags und der Übernahme durch Piranha Media wird die Spex äußerst kritisch betrachtet (bspw. von Maye 2003; 2004). Die nun tätige Redaktion stand unter der Leitung des 1995 als »le best boy« (so der Titel im Impressum) zur Spex gestoßenen Uwe Viehmann, der von 2000 an für sechs Jahre die Geschicke des Blatts lenkte und somit der am längsten amtierende Chefredakteur der Spex-Geschichte ist. Ihm gelang es, die Vorgaben des Verlegers — wie etwa die Integration einer Modestrecke, um die Abhängigkeit von der Musikindustrie zu reduzieren (vgl. Lacher 2006) — insoweit erfolgreich umzusetzen, dass immerhin brancheninterne Anerkennung in Form von Medien- und Designpreisen gewonnen werden konnte (vgl. Klütz 2008: 187). Seit 2000 liegt der Spex ebenfalls eine CD mit aktueller Musik bei. Dennoch entzweiten sich Redaktion und Verlag, als dieser den Umzug der Redaktion nach Berlin in verlagseigene Gebäude vorsah.67 Die Redaktion trat geschlossen zurück, eine neue wurde vom Verlag gesucht und eingesetzt — womit der bisherige organische Charakter der Nachfolgerwahl aus dem Redaktions- und Mitarbeiterkreis heraus erstmals in der Geschichte der Spex unterbunden wurde. Die derzeitige Redaktion unter der Führung von Max Dax68 nahm die Arbeit zur Ausgabe März/April 2007 auf. Seitdem erscheint die Spex aus Berlin zweimonatlich mit einer Auflage von durchschnittlich 21.121 Exemplaren (IVW) bei einem Verkaufspreis von 4,50 , der in der letzten Ausgabe des Jahres 2008 auf 5 angehoben wurde (der Grund seien, wie beim Rolling Stone, die hohen Produktionskosten, insbesondere der gestiegene Papierpreis gewesen, wie Dax im Editorial rechtfer67
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Max Dax gibt in einem Interview (vgl. Denk 2006) an, dass der Umzug aufgrund zu hoher Overhead-Kosten für die Kölner Redaktion notwendig geworden war, weil das ab 2007 geltende Tabakwerbeverbot absehbar die Einnahmensituation der Zeitschrift beeinträchtigen würde. Nimmt man diese Angaben ernst und sieht gleichzeitig, dass im Jahr 2006 höchstens zwei Seiten (jeweils die Umschlagsinnenseiten) einer Spex-Ausgabe mit Zigarettenwerbung belegt waren, kann man erahnen, unter welchen ökonomischen Zwängen hier gearbeitet wird. Dax war Gründer einer Interviewzeitschrift (Alert), die mittlerweile eingestellt ist, er war für kurze Zeit Chefredakteur des WOM-Magazins, arbeitete in der Musikindustrie und als freier Journalist für die Welt und taz — er kennt das Geschäftsfeld aus jeder Perspektive.
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE tigt). Der Umfang beträgt 164 Seiten, der Preis für eine Anzeige (1/1-Seite, 4c) 3.500 . Die Spex ist personell noch enger besetzt als der Rolling Stone oder die Intro. Die Redaktion umfasst zwei Redakteure, die für die Printausgabe zuständig sind, einen Online-, einen Moderedakteur und einen Ressortleiter für Mode. Die Spex unterscheidet sich auf den ersten Blick von den beiden anderen Magazinen dadurch, dass sie mit einem Hochglanzcover geliefert wird. Im Heftaufbau wird eine Dreiteilung per Inhaltsverzeichnis signalisiert, die aber treffender durch eine Vierteilung zu kennzeichnen ist. Den ersten Teil machen auch hier die »Magazin«, ab der November/Dezember-Ausgabe 2008 »Musik« genannten Musikfeatures aus: kleinere Artikel zu einzelnen Musikern, die mitunter thematisch zu einem größeren zusammengefasst werden (etwa unter dem Thema »Globalisierung« in Spex #317), eine Rubrik namens Vorspiel, in der Musiker zu ihnen vorgespielter Musik Stellung nehmen, sowie ein längeres Interview mit einem Musiker. Der zweite Teil heißt und umfasst »die großen Geschichten«, da die hier versammelten Artikel meistens ca. acht Seiten Umfang haben: hier steht die Titelgeschichte. Manchmal gibt es einen zusätzlichen Musikartikel, der überblickartig über ein Genre aufklärt. Ein nicht immer vorhandenes Element dieses Heftteils ist ein Bericht über eine Stadt oder eine Folge der losen Serien »Kunstsprache« oder »Digitale Evolution«, in denen sich Musiker und andere Akteure der Musikindustrie in Artikeln oder Interviews zu den Oberthemen äußern. Außerdem finden sich hier die Modestrecke sowie das sie umgebende Interview mit einem Akteur des Modefelds. Die Redakteure sind an fast jedem Artikel in diesem wichtigen — da hier das Titelthema steht — Heftteil beteiligt, manchmal schreiben sie selber, manchmal führen sie nur das Interview. Im Vergleich zum Rolling Stone wird in der Spex eher selten ein langer Artikel an freie Autoren vergeben und es finden kaum Übernahmen von fremdsprachigen Texten statt. Der dritte Teil, bis einschließlich der Juli/August-Ausgabe (Spex #315) noch musikmagazingemäß mit »Kritiken, Kolumnen, Live« übertitelt, heißt seit der folgenden Ausgabe »Kunst, Bücher, Film, Kritiken, Live«. Nicht bloß zufällig dürfte das Wörtchen Kunst nach vorne gerutscht sein, da sich in diesem Teil die Spex am deutlichsten von den beiden anderen Musikmagazinen unterscheidet. Die Spex nimmt umfassend in mehrseitigen Artikeln Bezug auf verschiedene Bereiche der bildenden Kunst und Architektur, die hier wie auch anderswo vorhandenen Empfehlungen neuer Bücher, DVDs oder Kinofilme sind in der Regel umfangreicher und eher an anspruchsvollen (und) abseitigen Produkten denn an Bestsellern orientiert. Musik wird in diesem Heftteil selten thematisiert, außer in zwei regelmäßigen, aber kürzeren Ko-
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3.1 BEGRÜNDUNG UND VORSTELLUNG DER AUSGEWÄHLTEN MAGAZINE lumnen: zum einen werden »Wichtige Musikvideos«, so der Titel des Darstellungsmusters, besprochen, zum anderen gibt es eine Rubrik ohne eigenen Titel, die Musik unter funktionalen bzw. lokalen Gesichtspunkten thematisiert (Musik im Wahlkampf, Musik im Restaurant, Musik im Mutterleib). Im letzten Heftteil finden sich die »Platte der Ausgabe« (aufgrund des Erscheinungsintervalls ist der etablierte und prestigeträchtige Begriff der »Platte des Monats« verunmöglicht), die Rezensionen, eine Besprechung der Gestaltung eines Album-Covers in dem Darstellungsmuster »Gelungene Verpackung«, ein Veranstaltungsüberblick der von der Spex präsentierten Musiker sowie eine höchstens zweiseitige Live-Berichterstattung. Beschlossen wird das Heft mit einem Ausblick auf ein in der nächsten Zukunft zu erwartendes Album, der, »Erste Worte« benannt, als Anspielung auf den Schöpfungsmythos wie auch als Tribut an den binären Code des Popmusikjournalismus gesehen werden kann. Der Rezensionsteil umfasst ca. dreißig längere Besprechungen69 von neuen Alben sowie verschiedene Kolumnen, die ebenfalls das Prinzip der Beschränkung beherzigen: regelmäßig erscheinen Kolumnen über Independent Rock, HipHop und R’n’B, elektronische Tanzmusik sowie ab der Mai/Juni-Ausgabe (Spex #314) eine auf zwanzig Titel beschränkte Auswahl von Songs, die als Singles oder auf einem Album veröffentlicht werden und im Internet kursieren. Unregelmäßig erscheinen eine Kolumne über Wiederveröffentlichungen und Kompilationen sowie eine weitgefasste Kolumne über ehemals als avantgardistisch bezeichnete Musik. Außerdem werden auf höchstens fünf Titel beschränkte Tipps von Musikern oder Redaktionsmitgliedern in einer Rubrik namens »Musik zur Zeit« veröffentlicht. Insgesamt merkt man den Heften des Jahres 2008 an, dass die SpexRedaktion in der Heftgestaltung noch probiert und umbaut. Dennoch ist bereits hier zu erkennen, dass man eine weitgreifende Definition des zur und in die Spex gehörenden Inhalts hat — und sich bspw. somit von Rolling Stone und Intro unterscheidet. Die Berliner Spex ist weniger historisch ausgerichtet als der Rolling Stone, sie ist allerdings nicht ähnlich an der Gegenwart wie die Intro interessiert. Damit wendet sie sich von ihrer VorgängerRedaktion in Köln ab, denen eine zu große Anteilnahme am aktuellen Independent Rock-Geschehen vorgeworfen wurde. Ihre Bereiche mit Alleinstellungsmerkmal innerhalb der Mitbewerber sind eindeutig die Einbeziehung von bildender Kunst sowie die sich jenseits von Aktualität entfaltenden lo69
Seit der Ausgabe Januar/Februar 2010 (Spex #324) werden die Rezensionen in Form einer Thesensammlung mehrer Autoren abgedruckt (die nur selten die avisierte Gesprächsform annehmen), was die Altvorderen wie etwa Diederichsen (2010) zu starker Kritik veranlasste.
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE sen Serien, die immer wieder aufgegriffen werden. Wuchert der Rolling Stone mit seinem Markennamen, kehrt die Berliner Spex ihre Geschichte kaum hervor. Man muss langjähriger Spex-Leser sein, um das erste Berliner Editorial von Max Dax (2007a), mit »The Kids are alright« überschrieben, als eine Replik auf einen Aufsatz von Diedrich Diederichsen (1993) zu verstehen. Mit Joachim Ody arbeitet bspw. noch immer ein Autor der ersten Stunden für die Spex, ohne dass dies extra ausgewiesen ist. Erst wenn ihm im Editorial der Platz überlassen wird, einen Nachruf auf den Spex-Mitbegründer Gerald Hündgen zu verfassen (Ody 2007), erfahren auch jüngere Leser etwas über die zwar vorhandene, gleichwohl nicht herrschende Tradition dieses Musikmagazins.
Intro Über das im Selbstverlag erscheinende Gratis-Musikmagazin Intro ist von den drei ausgewählten Zeitschriften am wenigsten aus der Literatur zu erfahren, sodass man sich vor allem auf Selbstdarstellungen des Magazins resp. seiner Medienakteure stützen muss (bspw. Volkmann 2001; Venker 2003). Die Intro wird nicht ähnlich historisiert wie die Spex, auch eilt ihr nicht ein Ruf wie dem Rolling Stone als (gegen-)kulturelles Zentralorgan voraus, gleichwohl sie sich selbst als Independent-Magazin in Szene setzt. Und doch gilt sie seit Jahren als ein einflussreiches Magazin, da hier viele gestandene Musikjournalisten mit ihrer journalistischen Arbeit begannen, die heutzutage für überregionale Tageszeitungen oder andere (Musik-)Medien arbeiten. Die Intro wurde 1991 mit dem Untertitel »Das Musikmagazin« auf einem Bauernhof, der den Eltern des Gründers Matthias Hörstmann gehört (vgl. Venker 2001: 3), in Dratum bei Osnabrück ins Leben gerufen und dort zunächst regional in kleiner Auflage seit der ersten Ausgabe im Januar 1992 kostenlos verteilt. Sie sei als ein »Fanzine mit Magazinvorhaben« und »Indie-Magazin« (Volkmann 2001) gestartet worden, wie die Macher bis heute nicht müde werden zu betonen (vgl. Venker 2003: 9; s. auch die Aussagen der Redakteure im vierten Kapitel). Nicht unterschätzt werden darf der Einfluss der zu diesem Zeitpunkt erschwinglicher werdenden digitalen DesktopPublishing-Technik auf das Entstehen dieses Magazins und natürlich vieler weiterer wie etwa Visions, die 1990 ebenfalls als Fanzine (vgl. Krause/Weinacht 2009: 352) begann und heute als Kaufmagazin am Markt erhältlich ist. Denn in den 1990er Jahren ermöglichte diese Technologie »Idealisten und Überzeugungstätern, die für die Musik lebten und erst einmal nicht so sehr ans Geldverdienen dachten« (Friebe/Lobo 2008: 69), eine ei-
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3.1 BEGRÜNDUNG UND VORSTELLUNG DER AUSGEWÄHLTEN MAGAZINE gene Zeitschrift kostengünstig zu produzieren. Die Intro wurde bspw. in den ersten Jahren nicht durchgängig vierfarbig gedruckt, lediglich die ersten und letzten acht Seiten waren farbig, sodass ein großer Teil der Anzeigen im Schwarzweißdruck produziert wurde. Die Intro dehnte mit zunehmendem Erfolg die zunächst regionale Verbreitung immer weiter aus. Wesentlichen Anteil daran dürfte eine ab Ausgabe Nr. 13 integrierte Heftstrecke gehabt haben, die sich »Inregio« nannte und von der Intro als Nähe zur Basis bzw. zur »Szene« interpretiert wird (vgl. Volkmann 2001). Hier konnten die Regionalredaktionen, die sich stetig herausbildeten (im November 1994 waren es bereits fünf für einen Raum von Norddeutschland bis zum Rhein-, Main- und Neckarraum), gezielt musikbezogene lokale Themen über neue Diskotheken, Konzerte regionaler Bands und natürlich lokale Werbung platzieren, die eine Auslage des Magazins in Kneipen oder Konzertstätten wahrscheinlicher werden ließen. Zusätzlich enthielt die Intro von Anfang an auch Artikel über nationale und internationale Musiker, sodass sie in Plattenläden oder Musikgeschäften ausgelegt wurde. Hierin liegt der wichtige Unterschied in der Produktion eines Umsonstmagazins gegenüber einer Kaufzeitschrift: Das Umsonstmagazin verfügt über keine etablierten Vertriebswege und Verkaufsstellen, sodass es sich selber Orte schaffen muss, an denen man die potentielle Leserschaft vermutet. Außerdem ist es gezwungen, sich eine Vertriebsstruktur zu erarbeiten, die gewährleistet, dass das neue Heft auch an den ausgemachten Orten regelmäßig und in ausreichender Stückzahl vorhanden ist. Mittlerweile ist die Intro bundesweit an diversen Orten erhältlich, die nicht mehr über einen ausdrücklichen Musikbezug zu verfügen brauchen (für einige Beispiele s. Kap. 4.2 Quellen und Bezugsgruppen). Das Modell des Selbstverlags besteht bis heute. 1995 bezog die IntroRedaktion erstmals eigene Redaktionsräume in Osnabrück, 2000 wechselte sie an den heutigen Standort nach Köln. Ab Ausgabe Nr. 17 (September 1994) erscheint die Intro monatlich mit insgesamt zehn Ausgaben jährlich; zwei Doppelnummern werden im Juli/August und Dezember/Januar produziert. Seit 2002 wird nur noch die letzte Ausgabe eines Jahres als Doppelausgabe (Dezember/Januar) veröffentlicht, sodass die Erscheinungsweise elfmal jährlich ist. Als eine Zäsur bezeichnet Linus Volkmann den Relaunch in Heft Nr. 61 zur Jahreswende 1998/99, da nicht nur das Layout, sondern vor allem die Konzeption der Intro verändert wurde: »Denn man hatte erkannt, dass die Idee von Pop, nur auf Musik konzentriert, in letzter Konsequenz nicht mehr dem eigenen Selbstverständnis und, last but not least, eben auch nicht mehr dem von Pop entspricht. Was folgt, sind ein modernes Logo, die Subzeile ›Musik & So‹ und die Kontextualisierung zwi-
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE schen Musik, Mode, Buch, Film und was sonst noch so als Ausdrucksmittel zu der geilen Sprechblase Pop zu rechnen ist« (Volkmann 2001). Außerdem ist mit dieser Ausgabe der Inregio-Teil vereinheitlicht worden, d.h. man produzierte nicht mehr verschiedene Teile passend für jede Region. Ab Nr. 77 entfällt er ganz, stattdessen gibt es nun die Demo-Rezensionsecke »Heimspiel«, ein bis heute existentes Darstellungsmuster (vgl. Volkmann/Ossenkopp 2001). Dennoch ist trotz aller Veränderungen — ähnlich dem Rolling Stone — auch bei der Intro Stabilität auf der personellen Ebene zu entdecken: mit Kristina Engel und Christian Schlage sind zwei Mitstreiter der Gründungsphase noch 2008 für Lektorat und Anzeigenleitung zuständig, der damalige Herausgeber und Chefredakteur, Matthias Hörstmann, ist noch als Herausgeber aktiv, außerdem ist er im Impressum benanntes Mitglieder der Redaktion.70 Friebe und Lobo (2008: 69) zufolge waren die Reaktionen auf die Intro gespalten, denn das Vorurteil, mit dem die Intro von Anfang an zu kämpfen hatte, machte sich an der gewählten Form des Umsonstmagazins fest: was nichts koste, könne nichts wert sein. Dennoch änderte sich die Wahrnehmung der Intro, als namhafte Autoren für sie zu schreiben begannen. Integrität und Bekanntheit der Intro stiegen, für freie Musikjournalisten stellte sie nun einen begehrten Ort der Betätigung dar: wer für dieses Magazin schrieb, galt als guter Autor — und außerdem konnte er hier sein soziales Netzwerk auf- und ausbauen. Die Intro führt in ihrem Impressum mit 107 freien Autoren mehr als dreimal so viele freie Journalisten auf wie der Rolling Stone oder die Spex.71 Für die Struktur der Organisation der Arbeit im 70
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Da kaum Hinweise auf eine größere redaktionelle Tätigkeit Hörstmanns aus den Heften entnommen werden können, dürfte der Titel Redakteur eher als »honoris causa« interpretiert werden und insofern vor allem auf Hörstmanns beratender Funktion beruhen. Allerdings bedeutete das journalistische Tätigwerden für die Intro auch, wie man Friebe und Lobo (2008: 73f.) entnehmen kann, finanzielle Bedingungen hinzunehmen, die kaum über die symbolische Anerkennung des Geleisteten hinausgehen. Für eine Plattenrezension von 1.100 Zeichen bekomme ein freier Journalist gerade einmal zehn Euro zzgl. Mehrwertsteuer und die besprochene CD, ein zweiseitiger Aufmacher mit 7.000 Zeichen werde mit 150 Euro vergütet. Das ist an sich schon wenig Geld für den Aufwand, etwa drei DINA4-Seiten sinnvoll mit Buchstaben zu füllen. Wenn man aber bedenkt, dass außerdem die hier besprochene Musik auch gehört werden sollte, wenn noch der Aufwand für Recherche, möglicherweise eine Reise, das Vorbereiten, Führen und Abtippen eines Interviews hinzugezählt wird, wenn man schließlich die Zeit für die Suche nach Bildmaterialien und die Telefonate mit der Redaktion, der PR-Agentur usw. mitberechnet, fragt man sich, welchen Status die popjournalistische Arbeit in der medialen Übermittlung populärer Musik für den Einzelnen wie die Unternehmung hat. Diese Frage wird im vierten und fünften Kapitel wieder aufgegriffen.
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3.1 BEGRÜNDUNG UND VORSTELLUNG DER AUSGEWÄHLTEN MAGAZINE Popmusikjournalismus zwischen wenigen angestellten oder fest frei beschäftigten Redakteuren in den Redaktionen — in der Intro-Redaktion sind es vier, die für das Heft insgesamt zuständig sind — und vielen freien Journalisten ist in der Verfahrensweise der Intro ein wesentliches Beispiel zu entdecken. Wie finanziert sich dann aber ein Gratis-Magazin? Da diese Frage ausführlicher im Kapitel über die ökonomischen Aspekte der Zeitschriftenproduktion beantwortet wird, soll hier nur kurz darauf eingegangen werden. Die Intro verfügt über keine Erlöse aus Verkäufen und nur über wenige aus Abonnements (tatsächlich kann man das Umsonstmagazin zum Preis von 25 Euro regelmäßig beziehen), sodass sie ihre Einnahmen vor allem aus Anzeigen erzielen muss. Außerdem veranstaltet die Intro Konzerte (Introducing, Intro Intim-Reihe, Melt!-Festival und Melt!-Ableger).72 Zusätzlich werden im Verlag andere Magazine produziert, die gratis (u.a. ab 1997 der Festivalguide) oder käuflich (11 Freunde, ab 2000) erhältlich sind. Die Intro ist — insofern der Vertrieb es gewährleistet — ab dem letzten Montag eines Monats erhältlich, die verbreitete Auflage lag 2008 lt. IVW bei 127.832 Exemplaren. Eine Anzeige (1/1-Seite, 4c) kostet 2009 6.600 Euro (vgl. Intro 2009). Die Intro erscheint in variablem Umfang, wobei die 132-seitige Ausgabe das präferierte Format ist; im August sind es 116 Seiten, in der Dezember 2007/Januar 2008-Ausgabe 164 Seiten — die Doppelausgabe zum folgenden Jahr (Dezember 2008/Januar 2009) hatte dagegen nur 116 Seiten Umfang. Es ist nicht ersichtlich, worin sich der schwankende Umfang begründet. Das Inhaltsverzeichnis unterteilt — wie auch bei den anderen Magazinen — in die typische Abfolge: zuerst der Teil der Musikfeatures (»Monitor«), dem längere, überwiegend musikbezogene Artikel (»Groß«) folgen. Es schließt ein »Weiter« benannter Teil an, in dem sich Artikel über Mode, Filme, Literatur, Computerspiele, Musiktechnik und sonstige Unterhaltungselektronik lesen lassen. Die Rezensionen befinden sich im »Probefahrt« benannten Teil, ein »Das geht« betitelter letzter Abschnitt umfasst die Konzerte: hier stehen Eigenveranstaltungen, Konzertpräsentationen, ein Konzertkalender und ein letzter Teil, in dem lokale Konzertveranstalter inserieren. Gegenüber den beiden anderen Magazinen ist kennzeichnend, dass die Intro im Umfang dieser Heftteile, in der thematischen Setzung wie auch in den gewählten Darstellungsmustern höchst variabel und bisweilen im Layout und Tonfall gar verspielt vorgeht. Die Intro kehrt bspw. die eigene Geschichte in den Heften kaum heraus, lediglich in einer kleinen Rubrik wird 72
Der Intro-Gründer Matthias Hörstmann verfügte bereits vor dem Start des Magazins über Erfahrungen als DJ, Konzert- und Partyveranstalter (vgl. Volkmann 2001).
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE auf die jeweilige Ausgabe vor elf (!) Jahren hingewiesen, womit vermutlich eine Distanzierung von prätentiösen Jubiläen angedeutet werden soll. Der Umfang des Teils mit den längeren Musikartikeln — die übrigens einzeln betrachtet die kürzesten der längeren Artikel aller drei Magazine sind — variiert zwischen zwölf bis vierzig Seiten und enthält vier, manchmal auch bis zu zehn Artikel. Nicht immer muss es in diesen Artikeln um Musik bzw. Musiker gehen: wenn sich am rechten oberen Rand die Bezeichnung von »Musik« in »Musik und so« — eine Anspielung auf den geänderten Untertitel des Magazins — ändert, kann es auch um Spukhäuser, musizierende bildende Künstler, elektronische Musik in Indien oder politische Themen wie prekäre Arbeitsverhältnisse gehen.73 Ein regelmäßiges, selbst geschaffenes Darstellungsmuster ist die zweiseitige Artikelserie »Kochen mit«, zu der meistens Musiker, aber auch RTLFernsehmoderator Peter Kloeppel oder Vertreter des März-Verlags eingeladen werden. Vom Setting der zwanglosen Zubereitung und anschließenden Verköstigung von Gerichten, das von Fotografen festgehalten wird, versprechen sich die Redakteure die Möglichkeit, einen besseren Kontakt als im üblichen zwanzigminütigen Rhythmus der Interviews zu den Befragte herzustellen. Außerdem bietet das Darstellungsmuster im Heft — selbstverständlich vom Abdruck der Rezepte begleitet — eine größere Freiheit, über das Erlebte zu schreiben. Dieses spielerische Moment des Umgangs mit den Inhalten durchzieht das gesamte Heft, ist aber vor allem bei den Musikfeatures zu erkennen. Die hier gewählten Darstellungsformen sind meist sehr kurz und variieren zwischen Interview, Kommentar, Fotoreportage oder der oft gewählten Form der Liste. Im Layout lehnt sich die Intro an eine aus Punk-Fanzines stammende Gestaltung an, die entfernt an die dort benutzte Klebetechnik (und heutzutage zugleich auch an Verlinkungen) erinnert. Der Rezensionsteil der Intro ist der von allen drei Magazinen umfangreichste und umfasst durchschnittlich 116 Platten. Etwa 70 werden in längeren Rezensionen besprochen, durchschnittlich zwölf ausführlicher rezensierte Demos semiprofessioneller Bands sind es in der Rubrik »Heimspiel«, der Rest verteilt sich auf Kolumnen, von denen regelmäßig »Tanzen mit« (elektronische Tanzmusik) und »Unten« (Independent Rock) erscheinen. Die beim Rolling Stone oder bei der Spex vorzufindende Abteilung der Wiederveröffentlichungen fehlt in der Intro. Wenn hier wieder aufgelegte Alben besprochen werden, dann unter der Rubrik »Die Platten Deiner Eltern«. Es existiert kein offizielles Darstellungsmuster der »Platte des Monats«. Stattdessen wird erstens ein Album durch zwei sich widersprechende Kritiken 73
Die mehrseitige Städtereportage über Wien wurde als einzige Ausnahme 2008 in einen separat aufgeführten Heftteil ausgegliedert.
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3.1 BEGRÜNDUNG UND VORSTELLUNG DER AUSGEWÄHLTEN MAGAZINE vorgestellt; zweitens gibt es das Darstellungsmuster »Platten vor Gericht«, wo zehn Musiker, Prominente, Mitarbeiter und Leser in allerkürzesten Kommentaren zehn Alben mithilfe einer zehnstufigen Skala bewerten; des Weiteren werden zwei Listen präsentiert: »Intros liebste Platten« und »Lesers liebste Platten« — nie kommt es vor, dass sich die in den vier Darstellungsmustern (am höchsten) präsentierten Alben gleichen.
3.2 Der Blick über den disziplinären Tellerrand: Journalistik Wie im ersten Kapitel bereits aufgezeigt, hat die Musikwissenschaft ebenso wenig kritisch auf die Berichterstattung über populäre Musik in Magazinen geschaut wie es selbst in den Popular Music Studies des anglophonen Auslands der Fall war. Zwar verweist man auf Berichte in Musikmagazinen, indes dominiert eine inhaltsanalytische Auseinandersetzung, die weder nach den handelnden Personen noch den Organisationen hinter den Texten fragt, um diese in eine Analyse der Wege der Popmusikkommunikation zu integrieren, die über eine Helden- bzw. Institutionengeschichte hinausgelangt. Freilich könnte man beide Disziplinen entlasten mit dem Hinweis, es gebe doch eine Fachwissenschaft, die sich mit journalistischen Erzeugnissen und den Menschen und Organisationen, die diese herstellen, befasst sowie nach ihrer Funktion und Bedeutung für die Gesellschaft fragt — die Journalistik bzw. die Medien- bzw. die Kommunikationswissenschaft.74 Und für das 74
Es erscheint kaum als gegebener Ort, hier eine Disziplinengeschichte und – systematik zu erörtern, die ohne klar abgegrenzte Zuständigkeiten, mit je eigenen Erkenntnisinteressen und deshalb höchst divergent mit Journalismus umgeht. Festzuhalten bleibt die Hyperdisziplinisierung der Journalistik, wie sie sich anhand der Aufzählung derjenigen Studiengänge, in denen man Journalismus als Schwerpunkt belegen kann, ablesen lässt. Ohne Zweifel hat die in den letzten Jahren erzwungene Umstellung bundesdeutscher Studiengänge auf das Bachelor-/Mastersystem ihre Spuren hinterlassen — die generelle Uneinigkeit über den Gegenstand existierte aber zuvor schon und wird weiterhin und mehr denn je Bestand haben. Journalistik lässt sich nicht bloß im Studiengang »Journalistik« studieren, sondern in vierundzwanzig weiteren Studiengängen (unter Auslassung von Fachjournalistikstudiengängen wie Kultur-, Technik-, Onlinejournalismus usw. und Studiengängen mit in erster Linie produktionstechnischen Ausrichtungen): »Angewandte Kommunikations- und Medienwissenschaft«, »Angewandte Medienwissenschaft«, »Europäische Medienwissenschaft«, »Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation«, »Journalismus und Public Relations«, »Journalistik und Kommunikationswissenschaft«, »Journalistik und Medienmanagement«, »Kommunikation«, »Kommunikationswissenschaft«, »Kommunikations- und Medienwissenschaft«, »Medienkommunikation«, »Medienkultur«, »Medienmanagement«, »Medienplanung/Medien-
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE hiesige Erkenntnisinteresse erschiene es opportun, sich deren Forschungsergebnissen über Musikmagazine zu bedienen. Jedoch sollte nach dem bereits im ersten Kapitel geschilderten Blick über den dortigen Forschungsstand klar sein, dass auch in diesem Bereich Musikjournalismus eine vergleichsweise geringe Rolle spielte bzw. populäre Musik in Musikmagazinen fast gänzlich ignoriert wurde. Dass wir dennoch in diesen Disziplinen einen systematischen begrifflichen und theoretischen Apparat vorfinden, mit dessen Hilfe wir uns den Bereich der Musikmagazine erschließen können, wird im folgenden Kapitel dargelegt. Zunächst soll die Journalistik als historisch gewachsene Disziplin vorgestellt werden, daran schließt eine Darstellung ihrer Themenfelder samt einiger wichtiger Ansätze an. Dies alles dient jedoch weniger der bloßen Rekapitulation — gleichwohl diese notwendig erscheint angesichts des geringen Wissens um die Ansätze der Journalistik außerhalb der Disziplin — als vielmehr der Überprüfung, wo ein Transfer aus der Journalistik in die eigene Untersuchung sinnvoll erscheint und wo Fehler zu vermeiden bzw. Erweiterungen notwendig sind. Denn in der Journalistik präsentiert sich m.E. ein großer, bisher ignorierter Werkzeugkasten zur musikwissenschaftlichen Beobachtung und Beschreibung journalistischer Erzeugnisse (nicht nur der Popmusikzeitschriften!), wenngleich — im übertragenen Sinne — manche Werkzeuge eines neuen Schliffes bedürfen.
Zum Begriff der Journalistik Wenn Siegfried Weischenberg in seinem 1992 erstmals erschienenen Standardwerk (1998a: 9) davon spricht, dass Journalistik eine Wissenschaft sei, »die es gar nicht gibt« und nur relativ konturenlos an Hochschulen als Institution existiere, hat er zugleich Recht und Unrecht. Der Begriff der Journalistik lässt sich zwar historisch über zweihundert Jahre zurückverfolgen (vgl. ebd.: 13), er setzte sich aber, nachdem damit lange Zeit einfach Journalismus gemeint war, erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in seiner heutigen Bedeutung durch. Journalistik ist die »Wissenschaft vom Journalismus« (Meier 2007: 17), die sich wissenschaftlich-analytisch und reflektierend mit dem Berufs- und Arbeitsfeld Journalismus auseinandersetzt. Weischenberg (1998a: 37) führt erklärend aus: »Die Journalistik beschäftigt
entwicklung/ Medienberatung«, »Medien- und Kommunikationswissenschaft«, »Medien- und Theaterwissenschaften«, »Medienwirtschaft«, »Medienwirtschaft und Journalismus«, »Medienwissenschaft«, »Medienwissenschaften«, »Öffentlichkeitsarbeit«, »Public Relations«, »Publizistik«, »Publizistik- und Kommunikationswissenschaft« (vgl. Freie Journalistenschule 2009).
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3.2 DER BLICK ÜBER DEN DISZIPLINÄREN TELLERRAND: JOURNALISTIK sich theoretisch-empirisch und praktisch-normativ mit dem Journalismus. Das Fach analysiert Bedingungen und Folgen der Aussagenentstehung in den Massenmedien und stellt Wissen darüber im Rahmen von Journalistenausbildung bereit.« Journalistik wird mitunter als eine Teildisziplin der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, aber auch als Bereich der Medienwissenschaft und der Kommunikationswissenschaft gesehen (vgl. ebd.: 20ff.; Schmidt/Zurstiege 2007: 136ff.). Zu unterscheiden sind dabei im Anschluss an Meier (2007: 17) zwei Dimensionen der Journalistik: zum einen das Studiengangsmodell, zum anderen der Forschungszweig. Die Institutionalisierung der Journalistik als Studiengangsmodell ist im Angebot der Hochschulen erkennbar. Die wilden Verzweigungen der Ausbildung zeigen einerseits die von Weischenberg attestierte Konturenlosigkeit, andererseits bilden sie aber eine ungebrochen zunehmende und vielfältige Nachfrage ab, die sich nicht unbedingt kausal durch die Lage auf dem Arbeitsmarkt erklären lässt. Altmeppen (2005: 146) überlegt daher, ob sich diese hier widerspiegelnde Attraktivität nicht vielmehr auf den »Mythos des Journalismus stützt als auf nachvollziehbare berufliche Chancen«. Dieser Zuwachs an theoretischer Auseinandersetzung mit Journalismus scheint sich aber eher — so merkwürdig das zunächst klingen mag — aus der Praxis heraus erklären zu lassen: er ist Ergebnis und Ursache eines Trends im Berufsfeld der Journalisten, nach dem der Großteil der hier Tätigen ein Studium wenn nicht absolviert, so doch zumindest begonnen hat (s. ausführlicher dazu Kap. 3.3 Rollenkontext). Natürlich existieren nach wie vor die eher praktisch ausgerichteten Wege in den Journalismus, vor allem die außeruniversitären kommerziellen Journalistenschulen sowie das klassische Volontariat bei einem journalistischen Medium. In beiden spielt die Journalistik als Ausbildungsgegenstand allerdings eine geringe bis gar keine Rolle. Sorge bereitet Altmeppen (ebd.: 145) der durch einen steigenden Anteil der Fachhochschulausbildung für Journalisten betriebene »Praktizismus«, der zwar berufsnah ausbilde und auch zu einer Vermehrung der — natürlich in erster Linie die Praxis zum Teil mehrfach abdeckenden — Titel auf dem Buchmarkt führte, aber eine Reflexion und Analyse von Journalismus unterbinde. Dieses strittige Verhältnis von Theorie und Praxis in der Ausbildung lässt sich fast 100 Jahre zurückverfolgen, als die ersten Institutionalisierungen der damals sogenannten Zeitungskunde begannen. In der NS-Zeit war durch die Gleichschaltung auch der Ausbildung der Journalisten in Form der durch die Reichspresseschule normierten Ausbildungsgänge diese Frage zugunsten einer höchst anrüchigen und schändlichen Praxis außer Kraft gesetzt. Gleichwohl wurde nach 1945 wiederum zunächst eher ›on the job‹ ausgebildet. Die Ausbildung zum Journalisten war von individualistischen Motiven
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE durchzogen, auch zur Abwehr gegen das Vorherige. Ende der 1960er Jahre griffen dann Journalistengewerkschaften und der Deutsche Presserat durch massive Kritik in Ausbildungsfragen ein, was schließlich in den 1970er Jahren zur Installierung der ersten Journalismus-Studiengänge in Dortmund und München führte. Seitdem hat sich die Journalistik an deutschen Hochschulen auch als Forschungszweig etablieren können. Die genannten Standardwerke von Weischenberg (1995, 1998a, 1998b) sind ein Ergebnis dieses Prozesses. Erste Bemühungen um eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Journalismus lassen sich für Weischenberg (2005: 137) bereits in den Schriften von Robert Eduard Prutz erkennen, der 1845 eine Geschichte des Journalismus publizierte, wenngleich schriftstellerische Versuche der Verhandlung und Publikation von öffentlichen Themen bereits im 17. Jahrhundert erkennbar seien — bezeichnenderweise war Prutz selber Schriftsteller und Literaturhistoriker (vgl. Löffelholz 2004b: 36). Es ist jedoch bemerkenswert, dass er erstmals Journalismus als vermittelndes Netz zwischen Herstellenden und Rezipierenden verstand und in den Mittelpunkt seiner Betrachtung stellte, anstatt die übliche Zuschreibung journalistischer Leistungen an einzelnen Journalisten vorzunehmen. 1902 erschien, als ein Indikator der Etablierung einer neuen Disziplin, das erste Handbuch der Journalistik. Herausgegeben wurde es von Richard Wrede, der seit 1899 eine selbst gegründete Journalistenhochschule führte. Und obwohl Journalistik als »System der Zeitungskunde« im Untertitel des vierbändigen Werks Die Zeitung (1928-1930) von Otto Groth auftauchte, war sie keine eigenständige Disziplin, sondern in die publizistische Wissenschaft der 1920er Jahre als Gegenstandsbereich integriert (vgl. Weischenberg 1998a: 14f.). Über die Methodik und Ziele einer Beschäftigung mit Journalismus hatte Max Weber bereits 1910 öffentlich nachgedacht, als er ein Forschungsvorhaben der systematischen Erhebung der Zusammenhänge von Kultur und Presse auf dem Deutschen Soziologentag vorstellte, das neben der Analyse der Inhalte, der Struktur und Wirkung der Presse sogar die Situation der Redakteure in die Untersuchung integrieren wollte (vgl. vgl. Weber 2001; Jäckel/Grund 2005: 21ff.). Dieses Programm fand jedoch in der sich nach Ende des Ersten Weltkriegs universitär etablierenden Zeitungswissenschaft (1926 wurde in Leipzig der erste Lehrstuhl an einer deutschen Universität eingerichtet) keinen Niederschlag, denn nun wurden in dem historisch ausgerichteten Fach vor allem bekannte (männliche und weiße) Journalisten heroisiert, deren Individualität und professionelle Einstellung das hervorbringe, was ›guten‹ Journalismus ausmache. Tatsächlich sperrten sich manche Vertreter der Zeitungswissenschaft explizit gegen eine drohende »Soziologisierung« des Faches und propagierten eine subjektivistisch geprägte
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3.2 DER BLICK ÜBER DEN DISZIPLINÄREN TELLERRAND: JOURNALISTIK Disziplin, in der das journalistische Individuum qua Begabung normativ zur geistigen Führung befähigt war (vgl. Löffelholz 2004: 38ff.). Subjektivität, Normativität und eine implizit elitäre Führungsideologie trugen dazu dabei, dass in der Zeit des Nationalsozialismus eine weiterhin expandierende Disziplin der faschistischen Politisierung wenig bis gar nichts entgegenzusetzen hatte, sondern stattdessen im 1933 gegründeten Deutschen Zeitungswissenschaftlichen Verband (DZV) die bisher lose verbundenen Einzelinstitute gleichschaltete. Die Themen einer zunehmend an der Praxis orientierten Ausbildung waren die Entwicklung der charakterlichen Qualitäten der Journalisten sowie die Möglichkeit der publizistischen wie propagandistischen Führung des Volkskörpers durch Journalismus (vgl. Bussemer 2005: 154ff.). Nicht nur hatten empirische und soziologische Fragestellungen während des Nationalsozialismus keinen Platz in der Zeitungswissenschaft, auch nach der sogenannten Stunde Null und der halbherzig durchgeführten Entnazifizierung waren die vorher führenden Vertreter wie etwa Emil Dovifat aktiv, der zu den Gründungsvätern der bundesrepublikanischen Publizistik zählt.75 »Sein Einfluss sowohl auf die journalistische Berufspraxis (Begabungsideologie) als auch auf die wissenschaftliche Theoriebildung (subjektbezogener Journalismusbegriff) ist gleichwohl bis in der [sic!] heutige Zeit nachweisbar« (Löffelholz 2004: 43). Weischenberg (2005: 137) spricht von dieser Zeit als der ersten Phase der Entwicklung einer deutschsprachigen Journalistik nach dem Zweiten Weltkrieg, die bis Ende der 1960er Jahre reiche. Sie sei vor allem dadurch gekennzeichnet, dass sie einem von ehemaligen Berufspraktikern zusammengestellten »normativen Katalog« (ebd.) für journalistisches Handeln gleiche, welcher durch wenige systematische Einzelbeobachtungen und Anekdoten angereichert sei. Daran schließt Weischenberg die empirisch-analytische Phase nach USamerikanischem Vorbild an, wo ein aufziehender Empirismus und Neopositivismus das Entstehen der ersten Studien über Journalisten in Redaktionen begünstigten. Zu den berühmtesten dürfte wohl die empirische Studie aus dem Jahr 1950 von David Manning White über den Gatekeeper »Mr. Gates« zählen (s. ausführlicher dazu Kap. 3.3 Funktionskontext). Freilich lag hier 75
Beispielsweise promovierte bei Dovifat 1940 Elisabeth Noelle-Neumann, die spätere Professorin für Kommunikationswissenschaft und Gründerin des Instituts für Demoskopie in Allensbach, mit einer Arbeit über Meinungs- und Massenforschung in USA (vgl. Schmidt/Zurstiege 2007: 138). Ihre Theorie der öffentlichen Meinung, 1980 unter dem bekannten Titel Die Schweigespirale publiziert (Noelle-Neumann 1980), weist für Horst Pöttker (2004: 46) »tiefgründige Parallelen« zur NS-Ideologie auf. Da er bei Noelle-Neumann eine ideologische Konformität während der NS-Zeit »nicht völlig auszuschließen« (ebd.) vermag, bescheinigt er ihr eine zumindest opportunistische Grundeinstellung.
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE die Betonung noch immer auf dem journalistischen Individuum. Die erste Studie, die in Deutschland das Umfeld des Journalisten — nämlich Die Zeitungsredaktion als organisiertes soziales System — fokussierte, war diejenige von Manfred Rühl (1969). In den 1970er Jahren schließlich, angestoßen durch die massive Ausschüttung öffentlicher Fördergelder, verbreiterte sich die Basis empirischer Forschung. Allerdings dürfe man nicht den Fehler begehen, nun von der Journalismusforschung bzw. Journalistik zu reden, warnt Martin Löffelholz (2004: 46). Denn zu groß seien die Unterschiede in der methodischen wie theoretischen Ausrichtung, zu breit das Themenfeld und oft fehle der für die Disziplin normative Praxisbezug. Zwei prägende Ansätze seien dennoch zu erkennen: einerseits der »Legitimismus der Mainzer Schule« (ebd: 47), andererseits ein als funktionalistisch zu beschreibender Ansatz um Manfred Rühl und Siegfried Weischenberg. Überblickend nehme der Mainzer Ansatz Journalisten (immer noch) als privilegierte Individuen wahr, die sich — in ihrer Mehrzahl »angepasste, linksorientierte Außenseiter« (ebd.) — als Elite und Vierte Gewalt sehen, da sie eine gesellschaftliche wie politische Machtposition innehätten. Die Arbeiten von Rühl und daran anschließend Weischenberg kritisieren diese Konzentration auf individuelle Einstellungen der Journalisten sowie vor allem die Vernachlässigung der strukturellen Bedingungen der Medienproduktion. Außerdem bemängeln beide Autoren theoretische und methodische Schwächen der bisherigen Arbeiten, zudem missfallen ihnen die eher geringen Größen der diesen zugrunde liegenden Stichproben. Weischenberg unternahm schließlich 1993 gemeinsam mit Armin Scholl eine repräsentative Studie über Journalisten in Deutschland (Scholl/Weischenberg 1998), die sich der Systemtheorie als theoretischer Grundlage zuwendete. Spätestens jetzt war die dritte, noch immer andauernde Phase der Journalistik in Deutschland eingeläutet. Während in den USA eine »pragmatische Tradition« (Weischenberg 2005: 138) vorherrsche, die vor allem zu kleinteiligen Fallstudien führe, arbeitet man sich in Deutschland nun eher an systemtheoretischen Lösungsansätzen ab. Daneben existieren noch andere Ansätze, die sich als Alternative zur Systemtheorie verstehen und präsentieren. Deren Kritik, so Weischenberg (2005: 138f.), sei zwar durchaus bedenkenswert, ihre »empirische Unterversorgung« (ebd.: 139) allerdings lasse einen Paradigmenwechsel hin zu kulturwissenschaftlichen Ansätzen eher unwahrscheinlich erscheinen. Freilich wird auch Weischenberg anerkennen, dass die Systemtheorie, wie im letzten Kapitel beschrieben, nicht Fragen der Macht und Herrschaftsverhältnisse, der Kämpfe und des Handelns der im System des Journalismus beteiligten Akteure beantwortet — weil sie diese Fragen eben nicht stellen kann resp. will.
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3.2 DER BLICK ÜBER DEN DISZIPLINÄREN TELLERRAND: JOURNALISTIK Zusammenfassend liegt nichtsdestotrotz in der gegenwärtigen deutschen Ausprägung der Journalistik eine Disziplin vor uns, die sich nach etlichen Häutungen in einem Zustand befindet (einerseits ihre theoretische und empirische Fundierung, andererseits das Bewusstsein der wissenschaftlichen Verantwortung, ihre Erkenntnisse in die Praxis zurückfließen zu lassen), der einen Übertrag ihrer Themen, Theorien und Methoden interessant und lohnenswert erscheinen lässt. Dies umso mehr, als die (musik-)wissenschaftliche Beschäftigung mit Musikmagazinen, obwohl — wie bereits oben angemahnt — nirgendwo ein Bezug zur Journalistik in ihren Schriften erkennbar wäre, fast dieselben Irrwege der frühen Forschung über Journalismus beschreitet: erstens die Zurechnung journalistischer Leistungen auf einzelne Journalisten männlichen Geschlechts (diese Begabungsideologie ist übrigens auch heute noch unter den Journalisten selber präsent, vgl. Kap. 4.2 Rollenkontext), zweitens ihre — falls überhaupt vorhandene — nur selten explizit ausgeführte theoretische Basis sowie drittens ihre Überbetonung des Textes bei gleichzeitigem Ausblenden struktureller und hegemonialer Prozesse, die diesem vorausgingen und ihn von der Produktion bis zum Feedback begleiteten und formten. So merk- wie denkwürdig dies auch ist und so viel uns dies über den nach wie vor männlich dominierten wissenschaftlichen Blick auf den Gegenstand verraten mag, es bringt die Popularmusikforschung für die als notwendig beschriebene Einbeziehung der Musikmagazine in ihre Aufgabenfelder nur voran, wenn sie mit einem folgend dargestellten etablierten begrifflichen Instrumentarium an die Arbeit gehen kann.
Themen und Bereiche der Journalistik Die hier vorgeschlagene Ordnung des Feldes der Musikmagazine basiert auf dem 1992 erstmals vorgestellten sogenannten Zwiebelmodell von Siegfried Weischenberg, das seinem Standardwerk zur Journalistik (Weischenberg 1995, 1998a, 1998b) entnommen wurde, wo es den Aufbau der ersten zwei Bände strukturiert.76 Weischenberg versucht in seinem Modell, das Feld des Journalismus systematisch nach Gesichtspunkten zu ordnen, welche die verschiedenen Ebenen der Interaktion und Einflussnahme in der Analyse von 76
Frank Esser (1998: 21) sieht die Zwiebelmetapher dagegen, wenngleich ebenfalls 1992 veröffentlicht, zuerst von Maxwell E. McCombs vorgestellt; ohne dies im Einzelnen bewerten zu wollen, ist zumindest für den deutschsprachigen Raum von Weischenbergs Auslegung als wenn nicht der ersten, so aber immerhin der wirkmächtigsten Modellbildung des Handlungssystems Journalismus auszugehen. Weitere Systematisierungsversuche existieren bspw. von Donsbach (1987), der den Begriff der Sphären vorzieht, oder von Esser (1998), der eine Mischung aus Schalen und Sphären vorschlägt.
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE Journalismus deutlich machen. »Normen, Strukturen, Funktionen und Rollen bestimmen in einem Mediensystem, was Journalismus ist, der dann nach diesen Bedingungen und Regeln Wirklichkeitsentwürfe liefert. […] Die Kontexte lassen sich modellhaft als Kreisformation um die Journalisten als Akteure der aktuellen Medienkommunikation darstellen" (Weischenberg 1998a: 69). Dementsprechend befinden sich im Inneren der Zwiebel, dem Rollenkontext der Medienakteure, die journalistischen Akteure, die sich von verschiedenen Schalen umgeben sehen. Direkt um sie herum ist die Schale des Funktionskontextes modelliert, die wiederum von der Schale des Strukturkontextes und diese schließlich von der äußersten Schale des Normenkontext umschlossen wird. Neben der systematischen Erfassung von Rollen, Funktionen, Strukturen und Normen des Journalismus bietet dieses Modell aber zugleich die Möglichkeit, auch soziologische Reichweiten abzubilden: Im Normenkontext finden wir den Bereich des Mediensystems. Hier werden allgemeine gesellschaftliche Rahmenbedingungen von Journalismus erfasst, seine historischen und rechtlichen Grundlagen, die Kommunikationspolitik von Verlagen sowie professionelle ethische Standards behandelt. Im Strukturkontext, der die Medieninstitutionen betrifft, werden strukturelle Zwänge thematisiert, unter denen Journalismus seine Produkte herstellt: ökonomische, organisatorische wie auch technologische Imperative. Der Funktionskontext dagegen umfasst ein weites Feld von Institutionen und Personen. Weischenberg nennt hier den Begriff der Medienaussagen — also sowohl Inhalte wie auch Wirkungskontext —, um die Informationsquellen, die Referenzgruppen, die Berichterstattungsmuster und Darstellungsformen, die medienspezifischen Konstruktionen von Wirklichkeiten und die Wirkungen und Rückwirkungen von Journalismus zu erfassen. Im Funktionskontext findet sich indirekt die Ebene des Publikums, das einerseits Medienaussagen als Referenzgruppe in der Entstehung beeinflusst, andererseits als Indikator für Wirkungen und Rückwirkungen benutzt wird.77 Doch ist diese Sicht auf das Publikum, wie Meier (2007: 67) zu Recht anmerkt, sehr einseitig. Das Publikum ist sehr wohl auch für Strukturen der Medienorganisationen oder für den Journalisten als Akteur wichtig. Bei Hans Heinz Fabris (2004: 395) etwa erhält es deshalb im »erweiterten Zwiebelmodell« eine eigene ›Schale‹, die von innen gesehen als vierte Schicht über der Mediensystemebene liegt. Weischenberg nimmt dazu gute zehn Jahre später noch einmal Stellung und erklärt die Ausklammerung des Publikums aus seinem Modell mit der konstruktivistisch-systemtheoretischen Perspektive, in der das Publikum zur 77
Bei Wolfgang Donsbach (1987: 111ff.) findet sich das Publikum ebenfalls nur indirekt, nämlich als Imagination der Journalistensubjekte wieder.
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3.2 DER BLICK ÜBER DEN DISZIPLINÄREN TELLERRAND: JOURNALISTIK Umwelt des Journalismussystems (und damit eben nicht dazu-) gehört, mit welcher der Journalismus »über ›strukturelle Kopplung‹ bzw. ›Interpenetration‹ (wechselseitige Durchdringung) verbunden ist« (Weischenberg 2005: 133). Weischenberg räumt zwar ein, dass die Frage der In- oder Exkludierung des Publikums wie auch der journalistischen Akteure letztlich eine Frage der theoretischen Modellierung sei, er übersieht jedoch die damit einhergehende Eindimensionalität in der Beobachtung des Handelns journalistischer Akteure und schreibt gleichzeitig eine von den Cultural Studies kritisierte Sicht auf das Publikum fort. Denn wenngleich es als »zentrale Referenz« des Journalismus gilt, konzipiert Weischenberg das Publikum lediglich als Empfänger journalistischer Botschaften, da sie »bei der Aussagenentstehung schon aufgrund der Rollentrennung zwischen Produzenten und Rezipienten nur über Erwartungserwartungen ›mitwirken‹« (ebd.: 134). Die Produzenten finden sich in der vierten Schale, sozusagen im Zwiebelkern, als Medienakteure wieder. Jedoch ist auch hier die theoriegeleitete Entscheidung spürbar: zwar deutet sich in diesem Fall eine für die Systemtheorie höchst interessante Sicht auf den einzelnen Akteur an, nur wird vor allem seine Funktion als Rollenträger beleuchtet. Untersuchungsgegenstände sind für Weischenberg die demographischen Merkmale, die sozialen und politischen Einstellungen, das Rollenselbstverständnis, die Vorstellungen vom Publikum sowie Aspekte der individuellen als auch professionellen Sozialisation. Ziel der Beschäftigung mit den Akteuren ist die Erfassung der Dimensionen des professionellen normengeleiteten Handelns. Insgesamt geht es bei Weischenbergs Modell um die Leistungen und Wirkungen des Journalismus, seine rechtlichen Grundlagen, seine Quellen- und Umweltabhängigkeiten, die systematische Erfassung der Auswahl von Darstellungsformen in der Berichterstattung, um die Nachrichtenselektion sowie um den journalistischen Medienakteur. Zu kritisieren daran ist die mit der Schichtung implizierte Hierarchie der einzelnen Ebenen, die in dieser Weise nicht gegeben ist. Zur Verteidigung lässt sich jedoch anführen, dass dies nur eine idealtypische Darstellung ist, die der Veranschaulichung komplexer Zusammenhänge sehr wohl dienen kann. Andere Darstellungen bevorzugen deshalb einzelne Kreise, die miteinander agieren können, jedoch muss bezweifelt werden, ob das der angestrebten Anschaulichkeit nutzt. Daher wird hier das Modell von Weischenberg bevorzugt. Eine weitere Schwäche des Modells ergibt sich allerdings erst in einem weiteren Schritt. Durch die Modellierung auf der Basis der Systemtheorie ist es für Weischenberg möglich geworden, das komplexe Geflecht von Entscheidungsprozessen, Arbeitsabläufen und Einflussfaktoren abzubilden und es als umfassenden Begriff von Journalismus zu identifizieren. Die Einbet-
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE tung in ein Gesellschaftsmodell der Funktionssysteme erlaubt zudem, Leistungen des Journalismus aufgrund erkennbarer Interdependenzen und blinder Flecke aufzuzeigen bzw. infrage zu stellen. Dass jedoch viele Handlungen innerhalb dieses Systems informellen Charakter besitzen, selbständig, mitunter auch eigensinnig von journalistischen Akteuren vorgenommen werden, die zudem in verschiedenen Situationen und an verschiedenen Produktebenen eigenmotiviert und/oder nach verschiedensten Gesichtspunkten und Zielsetzungen handeln, kann eine strukturelle Modellierung wie die von Weischenberg nicht hinreichend erklären. Dies kann nur eine Untersuchung der handelnden Akteure leisten, die sich der Kontexte der Handlungen und der Logik des Feldes bewusst ist (s. nächstes Kapitel). Deshalb hat Weischenbergs Modell zunächst deskriptiven Charakter und dient der allgemeinen Darstellung des Untersuchungsfeldes. Die folgenden Ausführungen beziehen sich damit auf eine beispielhafte Befüllung der Ebenen mit Inhalten des musikjournalistischen Feldes, die Etablierung und Gewichtung einiger bedeutsamer Instanzen und Prinzipien der Produktion von Musikmagazinen sowie das Aufzeigen von feldspezifischen Zusammenhängen und Widersprüchen. Sobald dieser Rahmen etabliert ist, kann im anschließenden Kapitel die Konstruktion des Feldes durch die Akteure selbst, ihre Sicht und ihr Reim auf die Strukturen, in denen sie stecken (wollen), planen, handeln und fühlen, dargestellt werden.
3.3 Die Ordnung des Feldes der Musikmagazine mit den Begriffen der Journalistik Normenkontext: Rechtliche und (standes-)ethische Aspekte Journalismus stellt sich im oben beschriebenen Modell als ein Zusammenhang von verschiedenen Ebenen dar: Medienakteure agieren in Medieninstitutionen, die in einem systematischen Strukturzusammenhang stehen, der wiederum von gesetzlichen, professionellen und ethischen Normen gerahmt wird. Die spezielle Zusammensetzung dieser Ebenen, ihre Entwicklung und die aus ihr hervorgehenden Presseerzeugnisse kennzeichnen ein journalistisches System und erlauben bspw. die internationale Vergleichbarkeit verschiedener Systeme (vgl. für eine Analyse der deutsch-englischen Verhältnisse etwa Esser 1998). Um also die spezielle Situation deutscher Musikzeitschriften darzustellen, ist es wichtig, zunächst die äußerste Schale von Weischenbergs Zwiebel in allgemeiner, dann in besonderer, sprich: musikjournalistischer Hinsicht zu beleuchten.
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3.3 DIE ORDNUNG DES FELDES: NORMENKONTEXT Mit Beginn der immer noch andauernden Periode des redaktionellen Journalismus ab Mitte des 19. Jahrhunderts sind sowohl eine zunehmende Professionalisierung im Journalismus, eine Differenzierung der Medien sowie insgesamt eine Leistungssteigerung des gesamten journalistischen Feldes erkennbar. Diese sind Begleitung wie auch Ergebnis von umfassenden sozialen, politischen, ökonomischen, kulturellen wie technologischen Entwicklungen, die im 19. Jahrhundert stattfanden und Rahmenbedingungen des heutigen Pressesystems schufen. Die Auflösung der Ständegesellschaft und die Herausbildung einer bürgerlichen Öffentlichkeit hat Habermas (1990) prominent aufgezeigt. Eine steigende Alphabetisierungsquote führte zu einem rapide anwachsenden Interesse an Informationen durch die Presse, die nach der Aufhebung der Pressezensur 1848, des staatlichen Anzeigenmonopols 1850 sowie schließlich der Verabschiedung des Reichspressegesetzes 1874 auf rechtlich festerem Boden agieren konnte — wenngleich es im Zuge des Sozialistengesetzes möglich war, die Pressefreiheit immer noch mit einfacher Mehrheit einzuschränken. Die Industrialisierung führte zu expandierenden Arbeitsmärkten und somit zu einer Steigerung der Kaufkraft einer wachsenden Bevölkerung, die ihr Interesse an zunehmend aufgrund der höheren Auflagen und Anzeigeneinnahmen preiswerteren Presseprodukten entwickelte. Auf dem technologischen Sektor waren es einerseits der Fortschritt in der industrialisierten Drucktechnik (z.B. die Erfindung der Schnellpresse 1811, des Prinzips der Stereotypie 1829, schließlich die für die Massenpresse entscheidende Einführung der dampfmaschinenbetriebenen Rotationspressen 1872), andererseits die Beschleunigung und Verdichtung der technologieindizierten Kommunikation, die Auswirkungen auf den Journalismus hatten: Mit der ab 1835 verkehrenden Eisenbahn konnten Zeitungen schneller und weiter verkauft werden, die Entdeckung der Telegrafie ab 1849 und des Telefons ab 1876 führten im Folgenden zu einer schnelleren und örtlich nicht mehr gebunden Nachrichtenübermittlung, die wiederum die Gründung der ersten Nachrichtenagenturen anregte. Außerdem entstanden neue Publikations- und Distributionsformen (bspw. die Generalanzeigerpresse und die Straßenverkaufszeitungen), innerhalb der Medienorganisationen wurde mit erhöhter Binnendiversifizierung, der Bildung neuer Ressorts und Aufgabenfelder auf den wachsenden Informationsbedarf reagiert. Dies alles führte prozessual zur Ablösung der bis dahin vorherrschenden Autoren- durch eine industrielle Massenpresse, die sich bis zur Aus- bzw. Gleichschaltung durch die Nationalsozialisten unter zunehmenden Konzentrationsprozessen vollzog (vgl. Pürer/Raabe 2007: 64ff.; Raabe 2005b; Weischenberg 2005). Ein dreimonatiger »Black-Out«, das vom Tag der Kapitulation an geltende Verbot der Erzeugung wie auch des Vertriebs aller Druckwerke und ande-
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE rer Medien waren 1945 von den Alliierten erlassene Versuche, das bisherige Mediensystem stillzulegen und nach den neuen Prinzipien der Entnazifizierung und Demokratisierung wieder aufzubauen. Die Presse sollte Teil der sogenannten re-education sein, was auch die Vorgabe inhaltlicher Normen, wie etwa die Trennung von Nachricht und Meinung oder die parteipolitische Unabhängigkeit, an die bereits im selben Jahr neu lizenzierten Zeitungen einschloss (vgl. Pürer/Raabe 2007: 103ff.). Ohne auf die weitere Entwicklung hier näher eingehen zu wollen (vgl. weiterführend dazu Pürer/Raabe 2007; Wilke 1999 u. 2008), steht außer Frage, dass bereits wesentliche Grundlagen der Entwicklung eines Pressewesens erkennbar sind, wie es für die Bundesrepublik kennzeichnend ist: ein liberales, sich verfestigtes Pressesystem in einem (später) von einer parlamentarischen Demokratie und einer marktwirtschaftlichen Ökonomie bereitgestellten Rahmen, dessen Funktionen in der gesellschaftlichen Integration, dem Herstellen von Öffentlichkeit und somit auch der Kontrolle des Staates liegen. Schon in den Anfängen nach dem Black-Out war somit demokratietheoretisch die Presse konstitutiv und wurde deshalb mit der Verankerung der Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit im Artikel 5 des Grundgesetzes 1949 besonders geschützt. In der nichtjuristischen wissenschaftlichen Sprache hat sich der Begriff der »Kommunikationsfreiheit« (Langenbucher/Wippersberg 2005: 160) eingebürgert, der als ein Grundrecht betrachtet wird und über die im Grundgesetz genannten Freiheitsrechte hinausgeht. Mit Kommunikationsfreiheit ist die Meinungsäußerungsfreiheit und die Informationsfreiheit auch auf der Ebene der neuen Kommunikationsmedien gemeint. Als ein Teil der Kommunikationsfreiheit und zugleich als deren Voraussetzung wird der Begriff der Medienfreiheit benutzt: Medienfreiheit bedeutet zunächst die für die Kommunikation in funktionierenden Demokratien essentielle Freiheit öffentlicher Kommunikation via Medien, sei es die allgemeine Verfügbarkeit von Massenmedien oder der Telekommunikationsmedien. Dahinter steht die Annahme, dass der freie Medienzugang die Bildung einer öffentlichen Meinung gewährleistet. Da diese Medien allerdings in komplexe Strukturen eingebunden sind, wird mit dem Begriff der äußeren Medienfreiheit darüber hinaus ein Bündel von Rechten zur Abwehr staatlicher Interventionen verstanden. Journalismus in Deutschland genießt demzufolge die rechtlich garantierten Privilegien des Informantenschutzes, des Zeugnisverweigerungsrechts sowie des umfassenden Beschlagnahme- und Durchsuchungsverbotes für journalistische Materialien und Arbeitsräume. Zum anderen versucht man mit dem Begriff der inneren Medienfreiheit die jeweilige Freiheit der Redakteure und Journalisten in Medienunternehmen zu erfassen, sich der Blattlinie (die geistig-ideelle Zielsetzung einer Publikation), Redaktionsstatuten, ökonomi-
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3.3 DIE ORDNUNG DES FELDES: NORMENKONTEXT schen, produktions- oder organisationsbedingten Zwängen widersetzen zu können (vgl. ebd.: 161). Nicht verwechselt werden darf dieser Begriff mit der inneren Pressefreiheit und dem Tendenzschutz: Hier erlaubt das Gesetz dem Verleger als besonderem Träger des Grundrechts auf Presse- und Meinungsfreiheit, die Blattlinie festzulegen. Außerdem schränkt die Gesetzeslage die im Betriebsverfassungsgesetz geregelten innerbetrieblichen Mitsprache- und Mitwirkungsrechte der im Verlag angestellten Personen ein, um so einen Einfluss der nicht inhaltlich tätigen, sprich: verwaltenden Mitarbeiter (in der Regel die Mehrzahl in einem Verlag) auf die Blattlinie zu verhindern. Dieser Tendenzschutz wird Pressebetrieben zugestanden, weil sie zu den sogenannten Tendenzbetrieben zählen, die der politischen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Berichterstattung oder Meinungsäußerung dienen (vgl. Pürer/Raabe 2007: 353). Somit entsteht hier ein Spannungsfeld, in dem zwischen Eigentums- und Unternehmungsfreiheit sowie innerer Pressefreiheit der Verleger einerseits und zwischen den Mitspracherechten und -ansprüchen der Mitarbeiter andererseits verhandelt werden muss. Hinzu kommt, dass die »richtungsgebundene Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit der Mitarbeiter« (ebd.) auch auf die Redakteure und sonstigen journalistischen Mitarbeitern ausgedehnt werden darf, d.h. ihre geistige Freiheit kann zumindest in Bezug auf die Publikation von Meinungen jenseits der Blattlinie temporär begrenzt werden. Es ist erstaunlich und sagt viel über die Praxis in deutschen Medienhäusern, dass trotz dieses systematisch bedingten Konfliktpotentials so wenig Streit entsteht bzw. publik wird. Das dürfte vor allem daran liegen, dass die Blattlinie sich nicht nur auf Inhalte der journalistischen Erzeugnisse bezieht, sondern viel früher im journalistischen Prozess der Aussagenentstehung eine Rolle spielt (vgl. etwa die Aussagen der Redakteure zur Selbstzensur in Kap. 4.2 Rollenkontext). Es ist zu vermuten, dass sie sogar bereits bei der Anwerbung der Journalisten unbewusst zur Anwendung kommt: Passt der- oder diejenige mit der jeweiligen Haltung zu uns? Wie flexibel erscheint der Bewerber? Kann eine mitunter gewünschte, weil als erfrischend und für den Betrieb notwendig wahrgenommene Nonkonformität in Momenten des Streites zur Disziplin gerufen werden? Wer sich bereits hier die »richtigen« Mitarbeiter wählt, hat einen möglichen Punkt des Konflikts — den es in Redaktionen immer gibt (vgl. Kap. 4.2 Strukturkontext) — erheblich reduziert. Natürlich hat sich Journalismus allgemein rechtlichen Normen zu unterwerfen,78 dennoch gilt nach wie vor die konstitutive Idee aus der Grün78
Heinz Pürer und Johannes Raabe (2007: 333) nennen als Rechtsmaterialien, die für die nationale Presse relevant sind: das Grundgesetz, die Urteile des
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE dungsphase der Bundesrepublik, dass die Presse nicht durch den Staat kontrolliert wird, von der Exekutive nicht weisungsabhängig ist, sich ihre Informationen frei beschaffen kann und der Zugang zum journalistischen Beruf grundsätzlich für jedermann und -frau offen ist. Aus der jüngeren Rechtsgeschichte muss hier noch die Richtlinie 2003/33/EG des Europäischen Parlaments vom 26. Mai 2003 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen erwähnt werden. Sie sieht in Artikel 3 Abs. 1 vor, dass Werbung in der Presse und anderen gedruckten Publikationen auf Veröffentlichungen zu beschränken ist, die ausschließlich für im Tabakhandel tätige Personen bestimmt sind — sonstige Werbung für Tabakerzeugnisse in der Presse und anderen gedruckten Veröffentlichungen ist somit verboten. Diese Richtlinie wurde vom Verband Deutscher Zeitungs- und Zeitschriftenverleger, die um einen Großteil ihrer Einnahmen aus ebendiesen Quellen fürchteten, sowie der Werbe- und Tabakindustrie abgelehnt und unter Einschaltung ihrer Lobbyisten in der Politik für einige Jahre bekämpft. Schließlich klagte sogar die Bundesregierung vor dem Europäischen Gerichtshof gegen diese Richtlinie, wo sie allerdings am 12. Dezember 2006 verlor. Ab dem 1. Januar 2007 gilt seitdem auch in Deutschland ein Tabakwerbeverbot in Printerzeugnissen. Somit sind die wesentlichen Bereiche der Normen des bundesdeutschen Mediensystems genannt, die das Ausmaß der Kommunikations- und Medienfreiheit, der ökonomischen Prozesse, der Entwicklung des politischen Systems und der journalistischen Ethik betreffen. In diesem Feld bewegen sich auch die Musikmagazine, seine Bestimmungen, Anforderungen und Rechte betreffen sie ebenfalls, gleichwohl sie erst relativ spät in dem hier aufgespannten zeitlichen Rahmen auftreten. Die ersten bundesdeutschen Musikzeitschriften, die sich nicht bloß als Jugendzeitschrift verstehen, erscheinen Ende der 1960er Jahre (Sounds 1966, Musikexpress 1969); hier sind wesentliche presserechtliche Kämpfe wie die Spiegel-Affäre von 1962 bereits ausgefochten und die neuen Magazine konnten sich vor einem gesicherten rechtlichen Hintergrund entfalten.
Bundesverfassungsgerichts, die Verfassungen der einzelnen Länder, die Landespressegesetze, medienrelevante zivil- und strafrechtliche Bestimmungen (vor allem den Schutz des Persönlichkeitsrechts), das Kartellgesetz, das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, das Fernmelderecht, das Urheberrecht, das Betriebsverfassungsgesetz, die Tarifverträge, die Betriebsvereinbarungen sowie das Standesrecht in Form der Grundsätze und Richtlinien des Deutschen Presserats. Darüber hinaus ist sie europäischem Recht und internationalen Vereinbarungen, wie etwa der Menschenrechtserklärung, verpflichtet.
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3.3 DIE ORDNUNG DES FELDES: NORMENKONTEXT In den jeweiligen, für die hier untersuchten Musikmagazine relevanten Landespressegesetzen von Bayern (BayPrG), Berlin (Berliner Pressegesetz) und Nordrhein-Westfalen (Landespressegesetz NRW) als den für Pressearbeit und Pressemedien zuständigen Rechtsmaterialien werden die Ausführungsbestimmungen zum Artikel 5 des Grundgesetzes, die Bestimmungen zum Presseordnungsrecht, zum Pressestraf- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie das Recht auf Gegendarstellung und das Verhältnis von Strafrecht und Presserecht (etwa bei Beschlagnahmungen) geregelt. Hier wird u.a. dargelegt, dass Musikmagazine als periodische Druckwerke zur Nennung von verantwortlichen Redakteuren im Impressum verpflichtet sind und welche Ansprüche diese Personen erfüllen müssen. Inhaber- und Beteiligungsverhältnisse müssen in der ersten Ausgabe eines Kalenderjahres ausgewiesen werden, entgeltliche Veröffentlichungen (sprich: Anzeigen) klar gekennzeichnet sein. Ferner werden generelle Rechte und Pflichten, Definitionen, Straftaten und Ordnungswidrigkeiten sowie deren Bestrafung dokumentiert und geregelt. In der Presse lassen sich immer wieder Verstöße nicht nur gegen rechtliche, sondern auch standesethische Normen beobachten. Deshalb hat sich die deutsche Presse dem Prinzip der Selbstkontrolle unterworfen. Es wird an eine Berufsethik appelliert, die in den journalistischen Ausbildungswegen (vgl. bspw. Institut zur Förderung publizistischen Nachwuchses 2005), in der journalistischen Selbstbeobachtung durch andere Medien sowie im Deutschen Presserat und seinem Pressekodex installiert und beobachtbar ist. Wenn die spezifischen Anforderungen des Deutschen Presserats an die publizistischen Grundsätze so etwas wie ein »moralisches Gewissen« (Meyn 2004: 58) darstellen, müssen Musikmagazine seit 1973, dem Jahr der Erstellung und Überreichung des Pressekodex an den damaligen Bundespräsidenten Heinemann, mit einem permanent schlechten Gewissen leben, wie die weiteren Ausführungen zeigen werden. In der Präambel des Pressekodex formuliert der Deutsche Presserat (2006: 3) die Aufforderung an Verleger, Herausgeber und Journalisten, »sich ihrer Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit und ihrer Verpflichtung für das Ansehen der Presse bewusst zu sein« und erinnert daran, diese »publizistische Aufgabe fair, nach bestem Wissen und Gewissen, unbeeinflusst von persönlichen Interessen und sachfremden Beweggründen« wahrzunehmen. Aus den sich daran anschließenden insgesamt sechzehn Ziffern und erläuternden Richtlinien werden hier die für die weitere Untersuchung relevanten Gebote der Trennung von Tätigkeiten (Ziffer 6), der Trennung von Werbung und Redaktion (Ziffer 7) sowie der Umgang mit Vergünstigungen (Ziffer 15) dargestellt. Ziffer 6 des Pressekodex verlangt, dass Journalisten und Verleger keine Tätigkeiten ausüben sollen, welche die Glaubwürdigkeit der Presse in Frage
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE stellen könnten. Richtlinie 6.1 erläutert, dass es sich insbesondere um Doppelfunktionen handele, in denen neben der publizistischen eine andere Tätigkeit, bspw. in Regierungen, Behörden oder Unternehmen, ausgeübt werde. Hier gilt das strikte Gebot der Trennung der Funktionen. Ziffer 7 erklärt weiter: »Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden. Verleger und Redakteure wehren derartige Versuche ab und achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken. Bei Veröffentlichungen, die ein Eigeninteresse des Verlages betreffen, muss dieses erkennbar sein« (Deutscher Presserat 2006: 17). Richtlinie 7.1 fordert, dass bezahlte Veröffentlichungen so gestaltet sein müssen, etwa »durch Kennzeichnung und/oder Gestaltung«, dass sie für den Leser als Werbung erkennbar seien. Richtlinie 7.2 führt unter der Überschrift »Schleichwerbung«79 weiter aus: »Redaktionelle Veröffentlichungen, die auf Unternehmen, ihre Erzeugnisse, Leistungen und Veranstaltungen hinweisen, dürfen nicht die Grenze zur Schleichwerbung überschreiten. Eine Überschreitung liegt insbesondere nahe, wenn die Veröffentlichung über ein begründetes öffentliches Interesse oder das Informationsinteresse der Leser hinausgeht oder von dritter Seite bezahlt bzw. durch geldwerte Vorteile belohnt wird. Die Glaubwürdigkeit der Presse als Informationsquelle gebietet besondere Sorgfalt beim Umgang mit PRMaterial« (ebd.). Dies gilt im Übrigen auch für redaktionelle Sonderveröffentlichungen, wie Richtlinie 7.3 anweist. Unter Ziffer 15 finden sich schließlich prinzipielle Auslassungen zum Umgang mit Vergünstigungen: »Die Annahme von Vorteilen jeder Art, die geeignet sein könnten, die Entscheidungsfreiheit von Verlag und Redaktion zu beeinträchtigen, ist mit dem Ansehen, der Unabhängigkeit und der Aufgabe der Presse unvereinbar. Wer sich für die Verbreitung oder Unterdrückung von Nachrichten bestechen lässt, handelt unehren79
Der Rundfunkstaatsvertrag definiert Schleichwerbung als »die Erwähnung oder Darstellung von Waren, Dienstleistungen, Namen, Marken oder Tätigkeiten eines Herstellers von Waren oder eines Erbringers von Dienstleistungen in Programmen, wenn sie vom Veranstalter absichtlich zu Werbezwecken vorgesehen ist und die Allgemeinheit hinsichtlich des eigentlichen Zwecks dieser Erwähnung oder Darstellung irreführen kann. Eine Erwähnung oder Darstellung gilt insbesondere dann als zu Werbezwecken beabsichtigt, wenn sie gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung erfolgt« (RStV § 2, Abs. 2, Nr. 8).
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3.3 DIE ORDNUNG DES FELDES: NORMENKONTEXT haft und berufswidrig« (ebd.: 29). Demzufolge, regelt Richtlinie 15.1, ist bereits der Anschein zu vermeiden, die journalistische Entscheidungsfreiheit könnte gefährdet sein. Zwar könne ein Journalist kleinere Werbeartikel annehmen, Recherche und Berichterstattung dürfen jedoch durch kleinere Geschenke, Einladungen oder Rabatte für Journalisten nicht beeinflusst, behindert oder gar verhindert werden. Falls doch einmal eine Reiseeinladung ausgesprochen wird, muss deren Finanzierung im Bericht kenntlich gemacht werden. Dies wirft einige Fragen auf, die sich vorweg greifend aus der Praxis des Musikjournalismus, der Art, wie er systematisch seine Informationen erhält, und der großen Zahl der Freiberufler und ihrer prekären finanziellen Situation ergeben: Wie ist angesichts solcher Ethikkataloge wie dem Pressekodex beispielsweise der Umstand zu bewerten, dass viele Freiberufler im Musikjournalismus in mehreren Funktionen, etwa als PR-Texter und als Journalist, agieren müssen? Sind diese Menschen also zu »rügen«, was die oberste Sanktionsstufe des Presserates wäre? Kann ein freiberuflich arbeitender Musikjournalist, der für ein langes Wochenende zum Interview mit dem Superstar nach New York geflogen wird, in einem sonst nicht zu bezahlenden Hotel wohnt und abends umsonst zum Konzert, Getränke- und Shuttle-Service inbegriffen, eingeladen wird, tatsächlich in seiner »journalistischen Entscheidungsfreiheit« unbeeinflusst berichten? Wenn ein Musikmagazin eine Konzertreihe zur Querfinanzierung der Kosten ins Leben ruft und darüber berichtet, ist dies dann Werbung? Ist also zusammenfassend dieser Kodex einfach als weltfremd anzusehen? Oder hat der Deutsche Presserat schlicht keine Ahnung, wie im Musikjournalismus gearbeitet wird? Darauf würde zunächst einmal die veröffentlichte Chronik der ausgeteilten Rügen hindeuten, in der zwischen 1986 und 2009 nicht ein einziges Musikmagazin erwähnt wird (vgl. Deutscher Presserat 2009). Freilich kann nur gerügt werden, was als Beschwerde an den Presserat herangetragen wird oder von ihm selbst als Beschwerdeverfahren eingeleitet wird. Das Ausbleiben von Rügen relativ deutlicher Verstöße gegen den Verhaltenskatalog, wie ihn der Pressekodex darstellt, lässt mehrere Schlüsse zu: Möglicherweise mag Musikjournalismus, wie er in Musikmagazinen repräsentiert wird, nicht unter die Zuständigkeit dieses Gremiums fallen; dagegen sprächen aber Rügen, die für andere Publikumszeitschriften erteilt wurden. Wahrscheinlicher scheint jedoch die Annahme, dass sich hier entweder schlicht eine Ignoranz oder aber eine stillschweigende Akzeptanz, wenn nicht sogar ein Einverständnis mit gängigen Praktiken des Musikjournalismus abzubilden scheint, wie es in der bundesdeutschen Leserschaft und im Deutschen Presserat vorherrscht. Zugegeben: Belegt werden kann dies nicht und vielleicht enthält
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE diese Annahme nicht nur ein Körnchen Wahrheit, sondern vor allem viel Realität. Jedoch bleibt Ziel aller Hypothesenbildung ihre Falsifizierung und damit gilt die Annahme solange als wahr, bis wir eines Besseren belehrt werden. Fest steht jedenfalls, dass Moral und Ethik im Journalismus stets eine Verhandlungssache sind und bleiben, die der genauen Anschauung der Umstände und beteiligten Institutionen wie Akteure bedarf, um zu einem Urteil zu gelangen.
Strukturkontext: Ökonomische und organisatorische Aspekte Wenn sich Journalistinnen und Journalisten an die Arbeit machen, schreibt Siegfried Weischenberg (1998a: 249), seien wichtige ökonomische, organisatorische und technologische Entscheidungen bereits gefallen. Dieser institutionelle Zusammenhang, in dem sich Medienakteure bewegen, lässt sich nur schwer analytisch von den übrigen Kontexten trennen. Dennoch sollen im Folgenden die wesentlichen Bedingungen und Zwänge, in denen Journalismus allgemein und Musikjournalismus speziell handeln, thematisiert werden. Auf eine detaillierte Darstellung makro- und mikroökonomischer Prozesse (wie etwa bei Heinrich 2001; 2002) wird verzichtet, da zum einen der Fokus der Arbeit auf dem Feld der Redakteure liegt und nicht auf dem der Medienkonzerne, Verleger, Herausgeber oder Geschäftsführer. Zum anderen aber (ver)mag der Wissens- wie Interessenshorizont von Verfasser wie auch — davon ist erfahrungsgemäß in der musikologischen Disziplin auszugehen — Leser das Feld der volks- und betriebswirtschaftlichen Theorien und Begriffe kaum (zu) überblicken. Dennoch: dass die Kenntnis ökonomischer Strukturen und deren Auswirkungen wichtig sind, ist nicht nur der Beginn ihrer möglichen Veränderung und Teil der alltäglichen Lebenserfahrung, sondern gebietet für die hier angestrebte Auseinandersetzung mit Musikmagazinen eine Benennung der wichtigsten Prozesse, Prinzipien und Besitzverteilungen popmusikjournalistischer Produktionsverhältnisse. Zukünftige Arbeiten zum Thema, besonders diejenigen aus den Disziplinen der ökonomischen Wissenschaften, müssen mit den ihnen zur Verfügung stehenden Instrumentarien für eine profunde Basis zur weiteren Forschung auf diesem Gebiet sorgen. Die zuständige Fachdisziplin der Medienökonomie befindet sich allerdings noch im »Stadium der Etablierung« (Kopper 2006b: 42). Ihrer Programmatik zufolge untersucht sie, »wie die Güter Information, Unterhaltung und Verbreitung von Werbebotschaften in aktuell berichtenden Massenmedien produziert, verteilt und konsumiert werden« (Heinrich 2001: 20). Jedoch
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3.3 DIE ORDNUNG DES FELDES: STRUKTURKONTEXT bedauert Weischenberg (vgl. 1998a: 250f.) als wesentliches Defizit der wissenschaftlich betriebenen Medienökonomie die ausbleibende Einlösung der eigenen theoretischen Ansprüche. Offene Bearbeitungsfelder seien übergreifende supranationale Wirtschafts- und Strukturfragen der Massenmedien, ökonomische Aspekte der Nutzung und Reichweite in Bezug auf den Werbemarkt, die Herausarbeitung von Strukturmerkmalen des Mediensystems (Konzentrationsprozesse, aktuelle Veränderungen und neue Phänomene wie bspw. die Gratiszeitungen) sowie betriebswirtschaftliche Aspekte, also Kosten- und Erlösstrukturen, die Einführung neuer Produktionstechnologien oder neuer Organisationsstrukturen und deren Folgen für die journalistische Arbeit. Diese noch 2004, dem Jahr der dritten Auflage seines ersten Journalistik-Bandes, unverändert geäußerte Kritik scheint zwar die zu diesem Zeitpunkt bereits erschienenen (Heinrich 2001) oder im Erscheinen begriffenen Werke zur Medienökonomie (Altmeppen/Karmasin 2003a; 2003b; 2004; 2006) wahrgenommen zu haben, dennoch hegt sie ein generelles Misstrauen gegenüber den Leistungen der hochschulgebundenen Medienökonomie. Gerd G. Kopper (2006b: 41f.) spricht von einer »markanten Praxisferne« und »bemerkenswerte[n] Erkenntnisapathie der Medienökonomie in Deutschland« angesichts der außerhalb der Universitäten in »Kommissionen, Verbänden, Institutionen und nichtwissenschaftlichen Einrichtungen« produzierten und wirkungsmächtigen Datenberge zur ökonomischen Organisation von Medienunternehmen, die einer wissenschaftlichen Erfassung und Analyse bedürften. Demzufolge — und mittlerweile erwartungsgemäß — findet sich keine Literatur, die über die ökonomischen Rahmenbedingungen musikjournalistischer Produktion hilfreiche Aussagen trifft. Stattdessen muss also wieder der Weg über die wenigen allgemeinen und zeitschriftenspezifischen Erkenntnisse der Medienökonomie genommen werden, um daraus einen Rahmen für die Darstellung der ökonomischen Situation der Musikzeitschriften zu gewinnen.
Ökonomische Aspekte der Zeitschriftenproduktion Jürgen Heinrich (2001: 303-364; 2002) unterscheidet zwischen einer makround einer mikroökonomischen Analyse der Zeitschrift, d.h. dem Zeitschriftenmarkt einerseits und der Zeitschriftenunternehmung andererseits. Eine makroökonomische Analyse untersucht die Wettbewerbssituation auf dem Zeitschriftenmarkt, indem sie eine Beschreibung der allgemeinen Wettbewerbsparameter wie auch der Angebotsflexibilität leistet. Allgemeine Wettbewerbsparameter sind die Gestaltung der Preise, die Produktgestaltung, die Absatz- und Eigenwerbung sowie die Ausgestaltung des Vertriebs (vgl. Heinrich 2002). Auf den Zeitschriftenmarkt bezogen bedeutet dies erstens
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE die Erfassung und den Vergleich der Zeitschriften- und Anzeigenpreise; zweitens eine Analyse des Umfangs und der Struktur der am Wettbewerb teilnehmenden Zeitschriften, also ihrer »Inputs in die Qualität der Berichterstattung wie Aktualität, Qualität oder Farbigkeit des Drucks« (ebd.: 72); drittens die Untersuchung von Absatzwerbung, Imagewerbung und Öffentlichkeitsarbeit; viertens die Analyse der Wahl der Vertriebswege und Vertriebskonditionen. Kennzeichnend für den Markt der Zeitschriften ist seine hohe Angebotsflexibilität. Er ist neuen Produktionstechniken gegenüber aufgeschlossen, das Angebot reagiert außerdem rasch auf Änderungen der Nachfrage, da die Verlage ständig neue Nachfragesegmente aufspüren und das Angebot sofort an neu auftauchende Publikumspräferenzen anpassen. Für den Musikzeitschriftenmarkt ist hieraus zunächst kein eindeutiger Schluss zu gewinnen, denn weder zeichnet er sich durch eine hohe Titelfluktuation noch durch eine große Angebotsflexibilität aus. Viel wichtiger für die Frage nach einer Wettbewerbssituation scheinen daher die Besitz- und Produktionsverhältnisse der Musikzeitschriften als Voraussetzung ihrer Wettbewerbsfähigkeit zu sein, gerade angesichts von Konzentrationsprozessen, wie sie als typisch für den Markt der Publikumszeitschriften beschrieben werden (vgl. Heinrich 2001; Seidenfaden/Kaspar/Hagenhoff 2005; Vogel 2006). Obwohl vier Verlage (Bauer, Springer, Burda, Gruner + Jahr) den Markt der Zeitschriften dominieren, bezeichnet Heinrich (2001: 322) den durchschnittlichen deutschen Zeitschriftenverlag als Betrieb mit »geringer Fertigungsbreite«. Er beschäftigt durchschnittlich zwanzig Personen, knapp 65 Prozent der Verlage haben jedoch nicht mehr als sechs Angestellte. Nur selten produzieren Verlage bloß eine Zeitschrift, im Durchschnitt stellt jeder Verlag 3,2 Zeitschriften her. Anhand der Fertigungstiefe, dem zwar abnehmenden, aber noch mit fünfzig Prozent hohen Anteil der Eigen- vor der Fremdproduktion, lässt sich erkennen, dass der redaktionelle Fremdbezug von Texten praktisch keine Rolle spiele. Heinrich folgert daraus, dass die redaktionelle Eigenständigkeit hoch und die inhaltliche Übereinstimmung der vielen Zeitschriftentitel somit gering seien. Das verlangt nach einer Überprüfung für die zur Debatte stehenden Musikzeitschriften. In der Fertigungsbreite haben wir drei unterschiedliche Modelle vorliegen: Zum einen den zum internationalen Medienkonzern gehörenden Rolling Stone, der bei der Axel Springer AG verlegt wird, dem laut eigenen Angaben (Axel Springer Verlag 2010) über 10.500 Mitarbeiter Beschäftigung bietenden drittgrößten deutschen Zeitschriftenverlag. Die Axel Springer AG gibt insgesamt über 170 Zeitungs- und Zeitschriftentitel heraus, veröffentlicht 80 Onlineangebote und ist in 36 Ländern an TV- und Radiosendern beteiligt.
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3.3 DIE ORDNUNG DES FELDES: STRUKTURKONTEXT Der Rolling Stone wird in der Rubrik Lifestyle-Zeitschriften zusammen mit dem Metal Hammer, dem Musikexpress sowie der vierteljährlich erscheinenden Sounds by Rolling Stone geführt. Das zweite Modell stellt die bei Piranha Medien GmbH verlegte Spex dar. Der Verlag wurde 1995 gegründet und beschäftigt über fünfzig fest angestellte Mitarbeiter (vgl. Piranha Media GmbH 2010). Das selbst ernannte »Medienhaus für Popkultur« gibt außerdem die nach Musikstilen differenzierten Musikzeitschriften Riddim (Reggae), Juice (HipHop) und Groove (elektronische Tanzmusik) heraus, des Weiteren die Point-of-Sale- bzw. sogenannten Instore-Entertainment-Magazine King und Piranha, die in den Filialen von Burger King resp. Saturn unentgeltlich erhältlich sind. Zum Verlag gehört außerdem die Schwesterfirma Piranha Digital GmbH, die zur »plurimedialen Ansprache« (ebd.) für 450 Burger King-Filialen KING Channel produziert, ein Fernsehformat, das in den Schnellrestaurants ausgestrahlt wird. Als drittes Modell erscheint die Intro im Verlag Intro GmbH & Co. KG, bei dem noch das musikbezogene, jährlich erscheinende Gratis-Magazin Festival-Guide (der Festival-Guide Timer ist die frei verteilte und anderen Magazinen beigeheftete Miniaturausgabe) verlegt wird. Außerdem erscheinen in diesem Verlag die Fußballmagazine 11 Freunde und Bolzen (vgl. Zimpel: 2008: 12); lediglich 11 Freunde wird als Kaufmagazin vertrieben. Es liegen hier drei unterschiedliche Modelle vor: Zunächst das Modell des Selbstverlags, wie es bei der Intro der Fall ist. Mittlerweile ist zwar die Fertigungsbreite ausgeweitet worden, da Festivalmagazine, Konzertguides usw. hinzukamen, jedoch liegt im Grunde das von Heinrich als seltenster Fall erwähnte Modell vor. Außer der Intro erscheinen auch andere Musikmagazine wie etwa Visions oder De:Bug im Selbstverlag — für das Feld der Musikzeitschriften scheint es sich demnach um keine extravagante Geschäftsform zu handeln. Auch die Spex wurde bis zu ihrer Übernahme 2000 durch den Piranha Media Verlag im Selbstverlag herausgegeben. Heute repräsentiert Piranha Media GmbH mit der Spex das zweite Modell des Spezialverlags, der nur Zeitschriften mit Musikbezug in vergleichsweise kleiner Auflage verlegt und seine Einnahmen vermutlich vorrangig mit den Umsonstmagazinen erzielt. Der Rolling Stone indes ist ein Musikmagazin, das bei einem international operierenden Medienkonzern erscheint, wo es gemeinsam mit anderen Musikzeitschriften produziert und vertrieben wird. Außer bei dem Selbstverlagsmodell ist es so, dass die Musikzeitschriften bereits im eigenen Verlag potentielle Konkurrenten vorfinden. Doch ist bei den Verlagen eine klare Vorgehensweise der internen Differenzierung erkennbar. Bei Piranha ist die Abgrenzung der Magazine über Musikstile organisiert. Lediglich die Spex wird nicht über eine spezifische Zuständigkeit,
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE sondern als ein Magazin für ›Popkultur‹ definiert, das demnach aller Stilund Lifestylegrenzen enthoben ist. Die Springer AG lässt in ihrem Portfolio der Musikzeitschriften (vgl. Axel Springer Mediahouse Berlin 2010) ebenfalls eine Strategie erkennen: Miteinander konkurrierende Musikmagazine existieren innerhalb des Konzerns nicht, die verlegten Musikzeitschriften seien nämlich exakt auf bestimmte Zielgruppen bzw. »Lifestyles« zugeschnitten. Fällt bei Piranha die Spex aus dem nach Stilistiken gegliederten Zuständigkeitsraster, ist es bei Springer dagegen der Metal Hammer, der als »Organ der Subkultur« den Hörer (und nicht die Hörerin — 84% der Leser sind männlich) von »Rock und Metal« (ebd.) anspricht und sich somit einem zwar erweiterten, aber über musikalische Stile abgegrenzten Bereich zuwendet. Musikexpress und Rolling Stone werden dagegen als stilübergreifend dargestellt: Der Musikexpress richtet sich an junge Erwachsene (74% Männer), die »trendige, musikaffin inszenierte Fashion-Strecken« und »optisch attraktive Lifestyle-Akzente« in einem dem »modernen urbanen und digitalen Lifestyle« (ebd.) verbundenen Musikmagazin schätzen. Der Rolling Stone wird dagegen durch längere Texte mit einem deutlicheren Kulturbezug zu Literatur, Film und auch Politik gekennzeichnet; die Tochter Sounds by Rolling Stone soll seit ihrem ersten Erscheinen 2008 als ein monothematisches »Wissensmagazin« des Musikzeitschriftenmarktes zum Kauf überreden (vgl. Axel Springer AG 2010b). Betrachtet man die veröffentlichten Mediadaten von bspw. Musikexpress und Rolling Stone jedoch genauer, sieht man, dass fast identische Publika diese Musikzeitschriften nutzen (vgl. Abb. 1). Die Leserschaft des Rolling Stone hat einen um drei Prozent höheren Frauenanteil und verfügt über einen höheren Anteil von Menschen, die das Abitur bestanden haben. Dennoch: das fast identische Durchschnittsalter (die verschiedene Altersklassenbildung erlaubt nur diesen Wert zur Verwendung) sowie eine ähnliche ökonomische Lage lassen den Schluss zu, dass hier weniger der Lesermarkt die Zeitschriften- und Zeitschrifteninhalte und somit die Abgrenzung voneinander bestimmt als die Zeitschriften selbst. Wenn man außerdem in Betracht zieht, wie und wo diese Zeitschriften entstehen — nämlich in den Redaktionen, die im Falle von Musikexpress und Rolling Stone zum Zeitpunkt der Interviews auf dem gleichen Flur des Axel Springer Mediahouse in München sitzen, im Falle von Spex und Groove sich eine Altbau-Etage teilen —, dürfte klar sein, dass der verlagsinterne Wettbewerb nicht nur nicht erwünscht ist, 80 sondern auch durch informelle Absprachen regelmäßig außer Kraft gesetzt wird. 80
Einer der Rolling Stone-Redakteure erzählte von Vorgaben des Verlags: »Es wird hier im Verlag immer gesagt, wir sind diejenigen, die eher feuilletonis-
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3.3 DIE ORDNUNG DES FELDES: STRUKTURKONTEXT
Musikexpress
Rolling Stone
Anteil Männer
74
71
14 – 19 Jahre
14
14 – 24 Jahre
22
20 – 39 Jahre
39
40 – 49 Jahre
29
24 – 49 Jahre
59
Älter als 50 Jahre
18
19
Durchschnittsalter
36,6 Jahre
36,9 Jahre
Volks-, Hauptschule
24
21
Höhere Schule ohne Abitur
37
32
Abitur
39
46
HHNE bis 1.000
10
13
1.000 – 2.000
31
31
Mehr als 2.000
59
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Abb. 1: Leserschaft bzw. Zielgruppen von Musikexpress und Rolling Stone im Vergleich. Alle Angaben bis auf das Alter in Prozent (Quelle: Axel Springer Mediahouse Berlin 2010; die fehlenden Prozente bei Schulbildung und Haushaltsnettoeinkommen (HHNE) der Rolling Stone-Leser wurden von dort übernommen und dürften auf Rundungsfehlern beruhen).
Weitere Forschung auf dem Gebiet der externen Wettbewerbsanalyse ist für den Musikzeitschriftenmarkt durchzuführen; das Ziel dieser Arbeit ist jedoch ein anderes. Zwei Dinge sollen dennoch kurz benannt werden: Zum einen liegt die Umsatzrendite im Zeitschriftensektor von fünf bis fast neun Prozent deutlich über dem Durchschnitt aller Industrieunternehmen, zum anderen hat die Größe der Zeitschriftenverlage keine nennenswerte Auswirkung auf die Profitabilität, was bedeutet, dass auch kleinere Verlage ähnlich profitabel arbeiten können wie größere (vgl. Heinrich 2001). Auf die Musikzeitschriften übertragen hat dies zur Folgerung, dass — wenngleich die Umsätze natürlich andere Dimensionen haben dürften — Piranha Media und Axel Springer Media ähnliche Rendite einbringen.
tisch an die Sache herangehen sollen, was immer das heißen soll. Keine Ahnung, ob das stimmt. Wenn ich vorne den Heftteil sehe, die ersten dreißig Seiten, [da] funktionieren wir wie jede andere Musikzeitschrift auch. [...] Dahinter gibt es halt Geschichten, die etwas länger sind, wo es Reportagen gibt, musikhistorische Sachen, die es in dieser Form im, sagen wir mal, Musikexpress nicht gibt« (RS 1: 7).
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE Die tatsächliche, das heißt auf die Zeitschrift bezogene Anzahl der Mitarbeiter, ist bei allen drei Magazinen ähnlich: sie haben kleine Redaktionen und viele freie Mitarbeiter. Dies gilt als typisches Merkmal des Publikumszeitschriftenmarktes. Heinrich (2001: 334) spricht von der dominierenden »kleinbetrieblichen« Produktionsweise bei Zeitschriften. Seine Daten stammen zwar von 1994, sie weisen aber auf eine Entwicklung hin, die sich bis heute auswirkt. Im Mittel arbeiteten pro Verlag vier Beschäftigte, die geistige Inhalte produzieren, was bei der erwähnten durchschnittlichen Produktionsleistung eines Verlags von 3,2 Zeitschriften eine intensive Arbeitsleistung der Angestellten und eine hohe externe Inhalteerstellung (neudeutsch: Content-Produktion) vermuten lässt. Und obgleich die Mitarbeiterzahlen im Vergleich von 1980 und 1994 einen Anstieg von 47.000 auf 110.000 (inklusive Zustellern) ausweisen (plus 134 Prozent), ist die Zahl der Vollbeschäftigten in diesem Sektor im selben Zeitraum nur moderat von 32.768 auf 39.005 angewachsen (plus 19 Prozent). Die Zahl der freien Mitarbeiter schnellte allerdings um 40 Prozent von 7.164 auf 10.054 nach oben. Gleichzeitig sind bei der Marktproduktivität eine Titelzunahme von 45,7 Prozent und eine Auflagensteigerung von 60 Prozent zu beobachten. Im Ergebnis bedeutet dies eine Produktivitätssteigerung, die wesentlich von Umstrukturierungen in der Mitarbeiterstruktur begleitet wurde. Das, was Millionen von Menschen in Publikumszeitschriften lesen, wird von immer weniger fest angestellten Mitarbeitern hergestellt, weil betriebswirtschaftliche Überlegungen eine Fixkostensenkung in den Verlagen durchsetzten. Der Blick auf die Mitarbeiterstruktur der drei untersuchten Zeitschriften zeigt, dass diese Entwicklungen auch auf dem Markt der Musikzeitschriften Bedingungen musikjournalistischer Produktion sind. Die mikroökonomische Analyse bezieht sich auf die Zeitschrift als Institution: sie analysiert die Produktionsbedingungen und deren Wirtschaftlichkeit, ferner nimmt sie betriebswirtschaftliche Funktionsbereiche, speziell Marketing- und Managementbereiche ins Visier (vgl. Heinrich 2002: 74). Doch dafür ist es zunächst wichtig, die Produkteigenschaften einer Zeitschrift genau zu bestimmen. Ihre räumliche, sachliche und zeitliche Mobilität sowie die zeitliche Intensität der Nutzung erlauben den Lesern einen selbst bestimmten Umgang mit diesem Medium. Verglichen mit der Tageszeitung erlaubt die Zeitschrift einerseits bei geringerem Aktualitätsdruck eine relativ offene inhaltliche Gestaltung durch die Redaktion, verzeichnet allerdings andererseits keine ähnlich hohe Haushaltsabdeckung. Das erschwert der Zeitschrift als Werbeträger zwar eine regionale Zielsetzung, erlaubt ihr aber einen stärkeren Zielgruppenbezug nach Inhalten bzw. Interessen und demografischen Daten. Im Jargon gesprochen: die Zeitschrift
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3.3 DIE ORDNUNG DES FELDES: STRUKTURKONTEXT vermeidet aufgrund ihrer Produkteigenschaften Streuverluste anderer Massenmedien bei zielgruppenbezogener Werbung (vgl. Heinrich 2001: 310ff.). Ein weiteres wichtiges Kennzeichen von Zeitschriften ist ihre Verbundproduktion: das bedeutet die gleichzeitige Produktion von zwei Gütern für zwei Märkte. Einerseits werden Informationen und Unterhaltung für den Lesermarkt produziert, andererseits bietet die Zeitschrift eine Verbreitungswahrscheinlichkeit von Werbebotschaften auf dem Werbemarkt an. Der Nationalökonom und Mitbegründer der Zeitungswissenschaft Karl Wilhelm Bücher (vgl. 1926: 377) beschrieb das Verhältnis 1915 folgendermaßen: Die Zeitung — oder hier: die Zeitschrift — ist ein Erwerbsunternehmen, das Annoncenraum als Ware erzeugt, die nur durch einen redaktionellen Teil verkäuflich wird. Bücher auf den Kopf gestellt, bedeutet dies aber auch, dass die Zeitschrift einen redaktionell erzeugten Inhalt produziert, der ohne den eingeräumten Raum für Werbung nicht verkauft werden kann. Das eine funktioniert nicht ohne das andere — und, wenn wir Guido Zurstiege (2006: 90) folgen, noch nie anders funktioniert hat: Kommerzielle Anzeigen gehören seit den Anfängen der periodischen Presse zur Geschichte der journalistischen Erzeugnisse hinzu, sie sind konstitutiv für die spezielle Entwicklung der Medien. Die beiden Güter Information resp. Unterhaltung und Verbreitungswahrscheinlichkeit von Werbebotschaften werden in variierbarer Kopplung produziert, das Verbundverhältnis ist ablesbar an der Relation von Text- zu Anzeigenanteil und an der (kaum je einsehbaren) Umsatzstruktur der jeweiligen Zeitschrift. Heinrich (2001: 313f.) ermittelt einen Anzeigenanteil am Blattumfang von ca. einem Drittel für die Publikumszeitschriften der Jahre 1980 bis 1994 bei abnehmender Tendenz; gleichfalls sinkend ist der Anzeigenumsatzanteil von etwa 40 Prozent des Gesamtumsatzes. Die Gründe für dieses Zurückgehen sind vielfältig. Auf die beiden Märkte bezogen bieten Pürer und Raabe (2007: 286f.) einige Erklärungen an. Zum einen wird der Lesermarkt beständig kleiner, da die Zahl der bundesdeutschen Bevölkerung schrumpft. Zudem haben besonders Jugendliche und junge Erwachsene im Zuge der Entwicklung neuer Medien ein anderes Medienverhalten entwickelt als die ältere Bevölkerung. Sie lesen nicht unbedingt weniger, sondern sie wechseln den Ort ihrer Lektüre, indem sie sich weg von den Printmedien der Zeitung und Zeitschrift hin zu den elektronischen Medien bewegen. Für den Markt der Regional- und Lokalzeitungen schwerwiegender als für die Publikumszeitschriften kommt eine zunehmende, beruflich wie gesellschaftspolitisch erwartete Mobilität hinzu, die eine lokale Bindung erschwert und die Zeit für den häuslichen Medienkonsum verringert. Das Wachstum von Haushalten allein lebender Personen wird außerdem als Ur-
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE sache für das Sinken der Abonnementzahlen gesehen. Von der werbetreibenden Industrie werden diese Haushalte einerseits gerne angesprochen, da sie über ein höheres frei verfügbares Einkommen als Familienhaushalte verfügen, andererseits aber ist hier die Verbreitungswahrscheinlichkeit geringer, da ein Presseerzeugnis nur von einer und nicht von mehreren Personen gelesen wird. Zudem sind diese sogenannten Single-Haushalte meist bei jüngeren Menschen vorzufinden, die vielleicht bereits im Beruf stehen und über ein Einkommen verfügen, dieses jedoch nicht mehr für Printerzeugnisse ausgeben. Auf dem Anzeigenmarkt ist nach einem kontinuierlichen Wachstum in den 1980er und 1990er Jahren mit einer Spitze im Jahr 2000 der Umsatz in den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts eingebrochen. Als Grund wird die Abhängigkeit des Anzeigenmarktes von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung genannt (vgl. Weischenberg/Malik/Scholl 2006: 14), die nach dem Platzen der sogenannten Dotcom-Blase 2000 und den Anschlägen vom 11. September 2001 eine deutliche Delle aufwies. Nach dem Entdecken der USamerikanischen Immobilienblase, der sich anschließenden Bankenkrise sowie der daraus folgenden größten weltweiten Wirtschaftskrise der jüngeren Wirtschaftsgeschichte ist die Lage für die Zeitschriften zum Zeitpunkt dieser Untersuchung als schlecht zu bezeichnen. Denn viele Unternehmen sparen — neben den Personalkosten — auch an der Werbung, was sich in einem zweiten Schritt negativ auf den Anzeigenmarkt der Zeitschriften auswirkt und in einem dritten auf deren Gestaltung und Produktion, da hierfür nun weniger finanzielle Mittel vorhanden sind. Die von der IVW (2009) veröffentlichten Zahlen der Quartalsauflagen belegen zudem deutlich eine sinkende Nachfrage; lediglich die Wochenzeitungen können ihre Auflagen halten, alle anderen verlieren zum Teil drastisch (Tageszeitungen etwa um 19 Prozent). Daraus nun vorschnell einen Schluss auf den Musikzeitschriftenmarkt zu ziehen, erscheint nicht sinnvoll, denn lediglich im Falle des Rolling Stone kann diese allgemeine Tendenz bestätigt werden (alle Zahlen lt. IVW): 1998 hatte er eine Auflage von fast 100.000 Exemplaren, die knapp gehalten werden konnte, ab 2000 dann aber deutlich und stetig bis zur Auflage von etwa 53.000 im Jahr 2008 zurückging.81 Hin81
Im Falle des länger am Markt bestehenden Musikexpress wird deutlich, dass während der 1990er der enger werdende Markt der Musikzeitschriften schon früher zur dramatischen Abnahme von Leserzahlen geführt hat; die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung mag darüber hinaus für die Nuller Jahre eine weitere Rolle gespielt haben. Im wiedervereinigten Deutschland hatte der Musikexpress 1990 eine Auflage von 145.000 Exemplaren, sie nahm seitdem jedes Jahr ab, bis sie 2008 bei gut einem Drittel des Wertes (ca. 53.000) landete.
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3.3 DIE ORDNUNG DES FELDES: STRUKTURKONTEXT gegen erzielte die Intro in dieser Zeit von Jahr zu Jahr eine höhere Auflage — im Zeitraum von 1997 bis 2008 ist fast eine Verdoppelung der Auflage auf 127.000 Exemplare zu verzeichnen. Die Spex wiederum hatte zu Beginn der 1990er eine Auflage von 20.000 Stück, die sich bis zum internen Krisenjahr 1999 und der folgenden Übernahme durch Piranha Media auf 12.000 reduzierte. Die Viehmann-Redaktion erreichte 2001 kurz die alte Auflagenhöhe, die dann bis 2006 (dem Jahr der Demission der alten Redaktion) auf gut 15.000 zurückging. Die Berliner Redaktion pendelte die Auflage wieder an der Marke von 20.000 ein. Insgesamt ist für die Produktion auf den zwei Märkten festzuhalten, dass die Zielsetzung wirtschaftlichen Erfolgs verlangt, dass Musikzeitschriften auf dem Lesermarkt und Anzeigenmarkt konkurrenzfähig produzieren müssen. Dies bedeutet, dass sie möglichst hohe Auflagen erzielen sollen, um im intramediären Wettbewerb der Musikzeitschriften um Leser und Inserenten und im intermediären Wettbewerb (vor allem mit dem Internet) bestehen zu können. Da die Wirtschaftlichkeit der Zeitschriftenunternehmung indes bei der abnehmenden Auflagentendenz nicht gewahrt werden kann, müssen andere Mechanismen wie die Abonnementwerbung, die Expansion der Geschäftsfelder oder die Modellierung des Zielgruppenbezugs zur Wirkung gelangen. Zur genaueren Bestimmung der Wirtschaftlichkeit ist die Benennung aller Kosten- und Erlösstrukturen der Zeitschriftenproduktion notwendig. Zunächst ist auf der einen Seite zu unterscheiden zwischen den fixen Kosten für Personal (Gehälter, Löhne, Sozialleistungen), Fremdproduktion (Honorare für freie Mitarbeiter, Gebühren für Pressedienste, Kosten für übernommene redaktionelle Teile), Miete, Steuern sowie Abschreibungen, Zinsen und Werbung. Auf der anderen Seite gilt es, die variablen Kosten für Material, Vertriebskosten und Fremdleistungen der technischen Herstellung zu erfassen. Die von Heinrich (2001) angeführten Daten sind nicht ohne Warnung zu verwenden, da sie der 1994 letztmals veröffentlichten Pressestatistik entnommen sind und für Zeitschriftenverlage — also nicht die einzelne Zeitschriftenunternehmung — gelten. Dennoch lassen sich gewisse Tendenzen erkennen: Der Fixkostenanteil der Zeitschriften von durchschnittlich 38 Prozent ist im Vergleich zur Zeitungsproduktion deutlich geringer, was sich vor allem aufgrund der fast halb so hohen Personalkosten erklärt. Dies veranlasst zur Vermutung, dass sie entweder weniger Menschen in Festanstellung beschäftigen oder ihr Personal nicht so gut bezahlen — die von Weischenberg, Scholl und Malik (2006) erhobenen Daten sowie ein erster Blick auf die Mitarbeiterstruktur der Musikzeitschriften deuten auf ein Zutreffen beider
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE Argumente für die Musikzeitschriften hin; die Aussagen der Redakteure bestätigen dies. Der Anteil der variablen Kosten steigt dementsprechend an, was sich aus den Kosten für die Produktion der Zeitschriften außer Haus erklärt. Zudem produzieren Musikzeitschriften nicht nur Druckerzeugnisse, sondern fast allen Zeitschriften liegt eine extern erstellte CD bei, die während der technischen Fertigung in das Heft integriert werden muss. Als Erlöse bezeichnete Mittel, die dem Medieninhaber bzw. dem Verlag zufließen, werden im Pressewesen im Wesentlichen aus Vertrieb, Anzeigen und Beilagen einer Publikation erwirtschaftet. Für abonnierte Tageszeitungen liegen die Relationen dieser Erlösarten im Jahr 2000 bei 35,5% aus Vertriebs- und 64,5% aus Werbeerlösen, die sich im Verhältnis von etwa achtzig zu zwanzig Prozent auf Anzeigen- bzw. Beilagenerlöse aufteilen. Dieses Verhältnis innerhalb der Werbeerlöse bleibt 2005 in etwa gewahrt, allerdings haben sich die Anteile gegenüber den Vertriebserlösen fast egalisiert, die nun 45 Prozent verzeichnen (vgl. ausführlich Pürer/Raabe 2007: 292f.). Aus dem Rückgang der Werbeeinnahmen ist zu erklären, dass viele Zeitungen — wie auch Zeitschriften — die Verkaufspreise erhöht haben, um die Ausfälle auszugleichen. Dass dieses Ziel bei den hohen Anteilen der Werbeeinnahmen nicht ausschließlich über den Preis zu erreichen ist, beweist die im selben Zeitraum einsetzende und stetig zunehmende Aktivität von Verlagen und Publikationen auf anderen Geschäftsfeldern. Als Beispiel sei auf das wegweisende Modell des Süddeutsche Verlags verwiesen, der 2004 damit begonnen hatte, eine fünfzigbändige Sammlung von Romanen unter dem Namen Süddeutsche Bibliothek zu einem ermäßigten Preis herauszugeben, wöchentlich je einen Titel und begleitet von einer einführenden Besprechung im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung. Aufgrund des Preises von 4,90 Euro je Band, der ungemein guten Verfügbarkeit der Bücher im Buchhandel, bei Presseeinzelhändlern und im Bahnhofsbuchhandel, der großformatigen, umfassenden (die Abonnenten bekamen den ersten Band geschenkt) sowie redaktionell begleiteten Bewerbung der Bücher im eigenen Medium verkaufte sich die Reihe sehr gut und wurde um weitere fünfzig Exemplare erweitert. Andere Verlagshäuser erkannten das Geschäftsmodell als lohnenswert und veröffentlichten ebenfalls Reihen (Spiegel, FAZ, Brigitte u.a.). Heute umfasst das Angebot alleine der Süddeutschen Zeitung diverse Buchreihen (etwa die Bibliothek der Küche, die WM-Bibliothek und mehrere Kinderbuchreihen) und Buch-Einzeltitel sowie CD- (Hörbücher, sogenannte klassische wie auch populäre Musik — allerdings bzw. leider erwartungsgemäß ohne Jazz) als auch DVD-Editionen. Dabei ist das Bestreben erkennbar, die dargebotene Form der Kanonisierung mit der Deutungsmacht der SZ zu begründen, indem durch Kompetenzübertrag der behaupteten
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3.3 DIE ORDNUNG DES FELDES: STRUKTURKONTEXT Selbst-Expertise nicht nur die Qualität der herausgegebenen Bücher, sondern auch die der Zeitung bestätigt wird. Letztlich wird somit die Marke der SZ auf anderen Feldern als dem journalistischen etabliert und insgesamt gestärkt. Aus diesen Aktivitäten auf dem Markt der Tageszeitungen lassen sich nun mögliche Schlüsse auf die Situation bei den Musikzeitschriften ziehen, da Zahlen über die Einnahmen von Musikmagazinen, zumal die der drei hier betroffenen, nicht erhältlich sind. Allgemeine Kalkulationsregeln (vgl. Meyn 2004: 109ff.) besagen, dass die Kosten eines Printerzeugnisses mit 20 Prozent für die redaktionelle Leistung und 80 Prozent für Papier, Druck und Vertrieb berechnet werden müssen. Des Weiteren gilt, dass die Einnahmen in der Regel zu zwei Dritteln aus traditioneller Werbung stammen, während Verkauf und das Abonnement nur ein Drittel der Einnahmen aufbringen. Tim Renner (2004: 237f.), der ehemalige Chef von Universal Deutschland, bestätigt diese Erlösstruktur für den Musikzeitschriftenmarkt. Es dürfte außer Frage stehen, dass die Entwicklungen auf dem Werbemarkt sich auch auf die Einnahmenstruktur der Musikmagazine auswirkten. Zudem sind auch sie betroffen von der Krise der Musikindustrie, die etwa mit Beginn des 21. Jahrhunderts durch die zunehmende Digitalisierung von Musik ihre beherrschende Marktstellung aufgrund sinkender Plattenverkäufe verlor. In vorab geführten Gesprächen mit Musikredakteuren wie auch in den Experteninterviews ist diese Tendenzen ausdrücklich bestätigt worden. Bei der Intro stellte sich die Situation angeblich so dar, dass besonders die Anzeigen aus der Musikindustrie rückläufig waren, sodass man dort von einem früheren Werbeeinnahmenverhältnis von 80 Prozent musikbezogener Inserenten zu 20 Prozent Konsumartikelherstellern heute zu einem genau entgegen gesetzten Verhältnis gelangen musste und gelangte. In einer eigenen Untersuchung (vgl. Abb. 2) des Anteils und der Struktur der geschalteten Anzeigen in den drei Magazinen wurden diese Abhängigkeiten überprüft. Im November 1994 waren erstmals alle drei Magazine auf dem Markt, sodass ein Zustand vor Beginn der Anzeigenkrise und der Digitalisierung erhoben werden kann, der dann mit der Situation zum Zeitpunkt der Interviews verglichen wird; dafür wurden alle November-Ausgaben des Jahres 2008 ausgewertet.82 In der Ausgabe vom November 1994 der Spex sind von insgesamt 90 Seiten Umfang 33,29 Seiten Werbung, was 37 Prozent des Heftumfangs aus82
Einige Anmerkungen zum Vorgehen: Die Anzeigen wurden anhand des jeweiligen Satzspiegels anteilsmäßig erfasst (eine Seite, eine Drittelseite usw.) und in musikbezogene, nicht-musikbezogene sowie selbstbezügliche Werbung (Selbstpromotion) eingeteilt.
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE macht; die Selbstpromotion mit Mailorder, Backissues und Abowerbung im Umfang von fünf Seiten (15% des Werbeanteils) ist hier eingerechnet. Die nicht-musikbezogene (Cassetten-Copy-Service und Konzertankündigungen wurden als musikbezogen gewertet) Werbung umfasst 1,6 Seiten (4,8 Prozent des Werbeanteils) und besteht aus einer Drittel Seite Werbung für einen Videofilm, einer Drittel Seite für eine virtuelle Telefonwelt namens Die Villa und einer ganzen Seite Zigarettenwerbung auf dem hinteren Heftumschlag. Dies bedeutet, dass 1994 95,2 Prozent aller Anzeigen in der Spex für Musik bzw. damit zusammenhängende Produkte (die Musikzeitschrift selbst oder Musikbücher) warben; bereinigt um die Selbstpromotion beträgt der Anteil musikbezogener Werbung 80,2 Prozent.
Magazin
Spex
Rolling Stone
Intro
Jahr
Anteil am Heftumfang
Musikbezogen
Nicht-musikbezogen
Eigenwerbung
1994
37,0%
80,2%
4,8%
15,0%
2008
22,7%
24,7%
63,8%
11,5%
Veränderung
- 14,3
- 55,5
+ 59,0
- 3,5
1994
35,4%
83,6%
12,1%
4,3%
2008
39,8%
29,7%
50,8%
19,5%
Veränderung
+ 4,4
- 53,9
+ 38,7
+ 15,2
1994
31,3%
94,7%
0,9%
4,4%
2008
44,2%
29,6%
53,3%
17,1%
Veränderung
+ 12,9
- 65,1
+ 52,4
+ 12,7
Abb. 2: Werbung in den drei Musikzeitschriften im Vergleich der Novemberausgaben 1994 und 2008.
In der Novemberausgabe des Rolling Stone desselben Jahres sind von 116 Seiten Heftumfang insgesamt 41,07 Seiten Werbung (35,4%). 1,75 Seiten (4,3% der Werbung) sind der Selbstpromotion gewidmet, fünf Seiten (12,1%) für nicht-musikbezogene Werbung gebucht. 83 Somit sind im Rolling Stone 83,6 Prozent der Werbung musikbezogen.
83
Berücksichtigt werden muss, dass diese Ausgabe die erste des Blattes in Deutschland war, sodass hier vermehrt (und sehr wahrscheinlich verbilligt) auch von musikfremden Herstellern geworben wurde.
110
3.3 DIE ORDNUNG DES FELDES: STRUKTURKONTEXT In der November-Ausgabe der Intro waren 1994 von 72 Seiten insgesamt 22,51 Seiten (31,3 Prozent des Heftumfangs) Werbung. Die Selbstpromotion im Umfang von etwa einer Seite ist über das gesamte Heft verteilt und scheint als Platzhalter zu fungieren. Nicht-musikbezogene Werbung ist auf ca. 0,2 Seiten (0,9 Prozent des Werbeanteils) zu finden. Sie besteht aus zwei Anzeigen für ein Modegeschäft bzw. einen Fahrradladen im InregioTeil. Die in der Intro geschaltete Werbung ist also fast vollständig, d.h. zu 94,7% musikbezogen. Im Jahr 1994 sind somit in allen drei Musikmagazinen überwiegend musikbezogene Anzeigen zu finden, die meistens von Plattenfirmen, Konzertveranstaltern oder Plattenläden geschaltet werden und etwa ein Drittel des Heftumfangs ausmachen. Die Selbstpromotion im Rolling Stone und in der Intro ist marginal, in der Spex, die damals im Selbstverlag erschien, ist ihr Anteil dreimal höher. Sehr wahrscheinlich erwirtschaftete die Redaktion zu diesem Zeitpunkt mit dem Mailorder-Vertrieb einen Teil der Erlöse. In der Spex-Ausgabe November/Dezember 2008 (#317) sind auf 164 Seiten insgesamt 27,3 Seiten geschaltete Anzeigen plus zehn Seiten Modestrecke (gesamt 37,3 Seiten = 22,7% des Heftumfangs) zu finden; letztere wird ebenfalls — jedoch wahrscheinlich in anderer Höhe — bezahlt und deshalb hier eingerechnet. 9,2 Seiten (24,7% der Gesamtwerbung) sind musikbezogen (hier wurde auch Werbung für Musik-DVDs mitgezählt) und 4,3 Seiten (11,5% der Gesamtwerbung) Selbstpromotion.84 Es fällt auf, dass die Werbung fast gar nicht im dritten Teil »Kunst/Bücher/Film« geschaltet wird, sondern nur davor (hier ist hauptsächlich nicht-musikbezogene Werbung zu finden) und im Rezensionsteil danach, wo vor allem musikbezogen geworben wird. Innerhalb von vierzehn Jahren hat sich der Anteil musikbezogener Werbung in der Spex demnach von 80,2% auf 24,7% reduziert, die Selbstpromotion ist weniger stark gesunken (1994: 15%; 2008: 11,5%). Um vorwegzugreifen: die Spex ist damit die einzige der drei Musikzeitschriften, die sich dem Trend zur Expansion in diesem Sektor entgegensetzt. Der Rolling Stone vom November 2008 enthält 46,21 Seiten (39,8% des Heftumfangs von 116 Seiten) Werbung; eingerechnet wurde der sechzehnseitige Sonderteil über den Filmregisseur Wim Wenders, der mit Zahlungen an den Rolling Stone verbunden ist. 13,71 Seiten (29,7%) der Gesamtwerbung werben für musikbezogene Produkte, neun Seiten (19,5% des Werbe84
Nicht mitberechnet wurde eine Seite für die CD-Beilage, mitberechnet dagegen Werbung für die im selben Verlag erscheinende Groove, die SpexKonzertpräsentation, der Leser-Poll mit ausgelobten Preisen und das »Subkulturelle Feld in der Spex«, wo Galerien u.Ä. werben (sollen). Die Spex bewirbt diesen Werberaum mit »Sie geben der Subkultur einen Marktplatz« (Spex #317: 109).
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE anteils) sind der Selbstpromotion (Konzertpräsentationen, AbonnementWerbung, Plattenläden »empfohlen vom Rolling Stone«) und der Bewerbung verlagseigener Produkte (etwa für Internet-Portale der Axel Springer-AG oder für das Schwesterblatt Sounds by Rolling Stone) vorbehalten. Die nicht-musikbezogene Werbung umfasst übrigens dezidiert Konsumartikel, mit denen ein eher männliches Publikum angesprochen werden kann: neben den auch anderswo üblichen Anzeigen von Mobilfunkanbietern wird hier für Whiskey, Autos, Unterhaltungselektronik oder den als Männersender geltenden TV-Kanal DMax geworben. Im Vergleich zu 1994 hat sich der Anteil musikbezogener Werbung um fast zwei Drittel von 83,6 auf 29,7 Prozent reduziert, der Anteil der Selbstpromotion ist mehr als vervierfacht worden. In der Intro im Jahr 2008 ist Werbung von redaktionellen Inhalten manchmal kaum mehr zu trennen, wenn etwa im graphischen Stil der Intro auf sechs Seiten über Max Payne und die Kriminalität in New York berichtet wird und nur klein auf der rechten oberen Ecke »Promotion« (nämlich für einen Film) zu lesen ist. Die Selbstpromotion für Intro Intim (die Konzertreihe der Intro) wird von der »Beck’s on Stage-Experience«-Rezension auf derselben Seite begleitet — was ist hier Werbung, was redaktioneller Inhalt? Zudem konstruieren viele Inserenten aus musikfernen Geschäftsfeldern in den Anzeigen einen Musikbezug: die von dem Automobilkonzern Volkswagen gegründete Stiftung Volkswagen-Sound-Foundation wirbt mit neuen Bands, das Mobilfunk-Unternehmen T-Mobile mit gesponserten Festivals (bei denen die Intro wiederum als Ko-Präsentator ihren Namen und Ruf auf beiden Märkten verteidigt und festigt) — beides wurde übrigens als nicht-musikbezogen gewertet. Oder das laut Intro (Volkmann/Ossenkopp 2001) Szenenähe implizierende Darstellungsmuster »Heimspiel« wird nun von Coca ColaSoundwave über drei Seiten hinweg gesponsert (ebenfalls nicht mitberechnet). Die geschaltete Werbung ist strategisch geschickt im Heft platziert: Der Konzertkarten-Verkäufer Ticketmaster etwa wirbt auf 1,5 Seiten vor und hinter der Intro-Selbst-Promotion »Intro empfiehlt«, wo die Zeitschrift ihren Namen für die Präsentation von Konzerten benutzt. Oder ein weiteres Beispiel: Nach der fünfseitigen Modestrecke folgen drei Seiten mit redaktionell erstellten Hinweisen auf Themen, Fabrikanten und Fabrikationen aus der Modewelt, etwa ein Artikel über das Making-of eines Werbeclips eines Jeans-Herstellers. Die Zahlen: Insgesamt sind in der Intro im November 2008 von 132 Seiten Gesamtumfang 58,35 Seiten (44,2%) Werbung (eingerechnet der Modestrecke und der sechsseitigen Promotion für den Film), davon sind 17,3 Seiten (29,6% der Gesamtwerbung) musikbezogen nach den (veraltet erscheinenden) Kriterien von 1994 und 10 Seiten (17,1% der Gesamtwerbung) für
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3.3 DIE ORDNUNG DES FELDES: STRUKTURKONTEXT Selbstpromotion (11 Freunde; Melt!, Intro Intim und weitere Konzertpräsentationen, Abonnement, Verlosungen usw.). Der vor vierzehn Jahren fast vollständige Musikbezug der Werbung in der Intro hat sich auf ein knappes Drittel reduziert, die Selbstpromotion ist in ihrem Anteil immens aufgewertet worden: etwa jede sechste Seite Werbung in der Intro, die zu nun knapp der Hälfte aus (offensichtlicher) Werbung besteht, wirbt für eine mit der Intro in Bezug stehende Unternehmung. In allen Magazinen kann somit der Umbruch des Anzeigenmarktes bestätigt werden. Musikzeitschriften sprechen heute, um die notwendige Teilfinanzierung durch das Anzeigengeschäft zu gewährleisten, Inserenten aus Geschäftsbereichen jenseits des Musikgeschäfts an. Falls also eine Abhängigkeit der Inhalte von der bezahlten Werbung bestehen sollte, ist sie für den musikalischen Teil der Hefte innerhalb der letzten Jahre auf jeden Fall geringer geworden. Des Weiteren fällt auf, dass Rolling Stone und Intro den Anteil an Werbung am Heft vergrößert und die Selbstpromotion ausgeweitet haben, während die Spex in beiden Feldern Verluste aufweist. Denn die Spex verfügt über keinen vergleichbaren Rückhalt eines großen Konzerns wie der Rolling Stone, wo sich erkennen lässt, wie Anzeigen für verlagseigene Produkte (sehr wahrscheinlicher günstiger) eingesetzt werden, um so die Einnahmeausfälle zu senken. Auch hat sie keine ähnlich umtriebige Konzertpräsentationsstrategie entwickelt wie die Intro, die über einen verlagseigenen Rückhalt in dem Sinne gebieten kann, dass sie die eigenen Konzertaktivitäten bewirbt und dadurch musikbezogene oder einen Musikbezug behauptende Inserenten anzieht. Ausbleibende Einnahmen aus den Werbeerlösen sind demnach die Bedingungen der Produktion von Musikzeitschriften. Sie führten — neben den von den Redaktionen offiziell als Grund benannten allgemeinen »Preissteigerungen« — beim Rolling Stone wie auch bei der Spex zu einer Erhöhung des Verkaufspreises. Kostete der Rolling Stone 1994 bei erstem Erscheinen 6 DM (ca. 3,07 Euro), sind im Jahr 2008 für eine Ausgabe 5,50 Euro zu entrichten. Auch die monatlich erscheinende Spex verlangte im November 1994 einen Preis von 6 DM, Ende 2008 sind es alle zwei Monate 5 Euro. Da die unterschiedliche Periodik des Erscheinens der Spex keinen aussagekräftigen Vergleich zulässt, zeigen nur die Zahlen des Rolling Stone die Erhöhung des Verkaufspreises um ca. 80 Prozent im Zeitraum von fünfzehn Jahren (ohne Inflationsausgleich gerechnet). Natürlich lag beiden Magazinen damals noch keine CD bei, dies dürfte aber nicht ursächlich für dieses Ausmaß der Preissteigerung sein. Einer der befragten Redakteure vermutete, dass die CDBeilage heutzutage, im Zeitalter allgemeiner Verfügbarkeit von Musik im In-
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE ternet und gesunkener Produktionskosten für den Beileger, nur noch als Rechtfertigung für den hohen Verkaufspreis diene, mit dem man sonstige Einnahmenausfälle auffangen könne (vgl. RS 1: 35). 85 Die Erhöhung des Verkaufspreises war aber nur eine der Möglichkeiten, welche die Magazine zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Situation wählten. Wie die Tageszeitungen begannen auch sie eine Expansion ihrer Geschäftsfelder, indem sie einen Kompetenzübertrag aus der journalistischen Arbeit auf andere Bereiche anstrebten. Bestes Beispiel sind hier die Aktivitäten der Intro, die als Gratismagazin notgedrungen neue Wege der Einnahmengenerierung ersinnen musste. Als eine im Leserkreis Glaubwürdigkeit etablierende Option wählten sie den Weg der Konzertveranstaltung. In der Intro Intim genannten Reihe von Konzerten in kleinen Veranstaltungsräumen präsentiert die Intro Musiker und Bands, die dem Publikum (noch) wenig bekannt sind. Diese Bands werden durch kleinere Artikel und Konzertbewerbung in der eigenen Publikation bzw. auf der eigenen Homepage dem Lesepublikum vorgestellt, d.h. musikjournalistisch bearbeitet und redaktionell in Abstimmung mit der Anzeigenabteilung begleitet. Intro profitiert von dieser Praxis in dreifacher Weise: Erstens verdient sie über die Konzerte Geld, das nicht mehr in der klassischen Erlösstruktur der Gratis-Zeitschrift auf dem Werbemarkt zu verdienen ist. Zweitens baut sie ihre Marke aus, denn mit diesen Konzerten beweist die Intro immer wieder auf ein Neues, dass sie — die sich ja als ein Magazin versteht, das aus Fanzine-Geist erwachsen ist und somit der Musik besonders eng verbunden (vgl. Venker 2003) — die Kompetenz hat, »gute« neue Musik zu entdecken. Dies ist eine in der Popkultur ganz wesentliche Eigenschaft, die besonders Popmusikmagazine immer wieder unter Beweis stellen müssen, indem sie stellvertretend für die popmusikalisch interessierte Öffentlichkeit der Leserschaft die Fähigkeit besitzen, nicht nur die Spreu vom Weizen zu trennen, also musikalische »Qualität« zu bestimmen, sondern dazu auch frühzeitig, das heißt früher als andere Magazine und früher als die Leser, in der Lage sind. Dieser zeitliche Aspekt ist mindestens so wichtig wie der qualitative, denn der Markt des popkulturellen Kapitals ist ein Markt, der mit schnell verderblichen Gütern handelt. Derjenige Leser, der eine Band vor der Veröffentlichung der ersten Platte entdeckt (d.h. darüber in einem Musikmagazin liest) und bei einem Konzert erlebt hat, hat zumindest so lange ein wertvolles, weil knappes kulturelles Kapital auf dem Popkulturmarkt, wie diese Band unbekannt bleibt. Der Nachweis der speziellen Kennerschaft von Popmusik wird in dem Moment 85
Gerade der Rolling Stone variiert in der preislichen Gestaltung nach Art der zusätzlich beigelegten Ware, wie das vorne angesprochene Beispiel der zweiten beigelegten CD belegt.
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3.3 DIE ORDNUNG DES FELDES: STRUKTURKONTEXT uninteressant, wenn alle (und natürlich erst später) darüber reden können, das Kapital also inflationär entwertet wird. Und hier ist der dritte, nicht zu unterschätzende Vorteil, den die Intro mit der eigenen Konzertveranstaltungsreihe schafft: Sie bietet den Lesern eine von »Experten« empfohlene und rechtzeitig bereitgestellte Möglichkeit, die im Magazin nur lesbare Musik mit allen Sinnen zu erleben und somit tatsächlich in das Leben zu integrieren. Hier ist eine Verkettung musikalischen Handelns im Sinne Kurt Blaukopfs zu erkennen, die eine viel tiefer gehende Aneignung von Musik ermöglicht, als dies nur das Lesen über und Hören von Musik bietet. Der nach wie vor boomende Markt der Konzertveranstaltungen stützt diese Annahme der Einzigartigkeit des Konzerts beim Musikerleben, was zu seiner speziellen Bedeutung beim Musikverkaufen und -bewerben führt. Denn Konzerte hinterlassen in der Regel zufriedene Beteiligte: Die auftretenden Musiker, die über Plattenverkäufe kaum noch Einnahmen erzielen, verdienen damit Geld, denn sie erhalten ein Forum, auf dem sie vor Publikum musizieren und dem sie anschließend Merchandising-Artikel feilbieten können; die Veranstalter, die mit wenig Aufwand viele Menschen ansprechen und derart Geld verdienen können; das Publikum, was — trotz der Verfügbarkeit der Musik im Internet — nur hier die Band direkt hören und sehen kann.86 Dass dieses Konzert nur durch die Aktivitäten der Intro ermöglicht wird, die alle Beteiligten zusammengeführt hat, und dass diese Aktivitäten wiederum durch ökonomische Überlegungen bzw. Notwendigkeiten ausgelöst wurden, ist eine wichtige Erkenntnis für die Betrachtung gegenwärtiger Entwicklungen des Popmusikjournalismus. Auch bei der Spex und dem Rolling Stone sind Prozesse der Expansion zu beobachten. So gibt der Rolling Stone mittlerweile eine DVD-Edition mit Musikfilmen und eine Hörbücher-Reihe heraus. 2009 veranstaltete das Magazin erstmals, neben der branchenüblichen Präsentation von Konzerten, selber ein zweitägiges Konzert, den Rolling Stone-Weekender. Auch die Spex be86
Außerdem bietet das Konzert die Möglichkeit, die anderen Hörer dieser Musik zu taxieren: wie alt sind diese Geschmacksgenossen, welche Kleidung tragen sie, worüber unterhalten sie sich usw. Kurz gesagt bietet es die Möglichkeit zu überprüfen, ob man sich weiterhin zu dieser »ästhetischen Gemeinschaft« (Lash 1996) zählen kann und will. Schließlich sind hier potentielle Verbündete wie auch Kontrahenten auf dem popkulturellen Kapitalmarkt versammelt, die auch zum eigenen Urteil über die Musik wie über deren weitere Rezeption beitragen können. Distanzierung und Kollektivierung sind zwei Seiten desselben Prozesses, der auf diesem Markt schnell zu unvorhersehbaren Allianzen führen kann (vgl. die Ausführungen zu der Entwicklung der Adam GreenRezeption bei RS 1: 27). Auch die Redakteure nutzen das Konzert, um Aufschluss über ihr Lesepublikum zu erhalten (vgl. die Aussagen zum Publikumskontakt in Kap. 4.2 Funktionskontext ).
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE ginnt im selben Zeitraum mit Eigenveranstaltungen im Berliner Berghain, sie ist allerdings dasjenige Magazin, das seine extrajournalistischen Aktivitäten noch am weitesten begrenzt. Die beiden klassischen Erlösarten der Zeitschrift sind die Einnahmen über den Verkaufspreis bzw. das Abonnement und über die Preise für die Anzeigen, die in der Zeitschrift gebucht werden. Es muss allerdings berücksichtigt werden, dass aufgrund der Heterogenität der Zeitschriften nach Inhalt, Umfang, Auflage und Erscheinungsweise eine generelle Vergleichbarkeit der Preise eigentlich nicht möglich ist. Bei den hier untersuchten Musikmagazinen ist zwar die inhaltliche Nähe und der Umfang in etwa identisch, die anderen Kenndaten variieren allerdings beträchtlich — wie eingangs angemerkt, ist genau diese Unterschiedlichkeit Grundlage der Auswahl der Magazine gewesen: Die Auflagen liegen zwischen etwa 20.000 (Spex) und knapp 130.000 (Intro); die Erscheinungsweisen sind sechs(Spex), elf- (Intro) und zwölfmal jährlich (Rolling Stone); die Preisspanne fängt bei der unentgeltlichen Abgabe der Intro an, die lediglich für das Jahresabonnement einen Preis von 25 Euro verlangt, geht über die Spex mit Ende 2008 je fünf Euro pro Ausgabe (Jahresabonnement für 28 Euro) und endet beim Rolling Stone, der 60,48 Euro im Jahresabonnement und 5,50 Euro monatlich kostet. Abonnenten spielen für die Erlösstrukturen einer Zeitschrift eine wichtige Rolle, da sie zu einem wesentlichen Teil neben den über einen längeren Zeitraum gebuchten Anzeigenräumen die fest kalkulierbaren Einnahmen ausmachen. Zudem werden Abonnements immer im Voraus beglichen, sodass der Verlag über flüssige finanzielle Mittel verfügen kann. Pürer und Raabe (2007: 290) nennen eine Abonnentenfluktuation von zehn Prozent als Durchschnittswert bei Tageszeitungen. Des Weiteren bietet ein hoher Abonnentenanteil in der Nachfragerstruktur die Möglichkeit, die Kosten für zurückgehende Hefte niedrig zu halten. Beispielsweise sind durchschnittlich 92 Prozent der Leser von Regional- und Lokalzeitungen Abonnenten, nur 2 Prozent der Auflage gehen als Remittenden zurück. Beim Einzelverkauf dagegen sind es in der Regel zwischen 20 und 30 Prozent der Auflage, die zurückgehen (Pürer/Raabe 2007: 290f.). Auch hinsichtlich des Vertriebs bietet das Abonnement Vorteile für die Verlage. Der Vertrieb der abonnierten Magazine geschieht auf dem Postweg, der einen speziellen, d.h. ermäßigten Tarif für die Übermittlung von Druckerzeugnissen anbietet. Immerhin 45 Prozent der Publikumszeitschriften und ganze 90 Prozent der Fachzeitschriften werden auf diese Art vertrieben (ebd.). Schließlich subventioniert
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3.3 DIE ORDNUNG DES FELDES: STRUKTURKONTEXT indirekt auch der Staat den Vertrieb von Zeitschriften, da er nur den ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf diese Erlöse erhebt. 87 Die Bestandspflege und Erweiterung des Abonnentenkreises — der Rolling Stone hat laut IVW im Jahr 2008 14.234, die Spex 4.909, die Intro 1.109 regelmäßige Bezieher — ist deshalb von großer Bedeutung für das wirtschaftliche Operieren eines Verlags. Alle Magazine benutzen den ihnen zur Verfügung stehenden Platz im Heft, um dort um Abonnenten zu werben. Die Abonnentenwerbung hat eine über alle Magazine hinweg ähnliche Argumentationsstruktur: Man versucht, Leser zum Abschluss eines Abonnements zu bewegen, indem man die Vorteile schildert, die der regelmäßige Bezug der Zeitschrift mit sich bringt. Erstens müsse der Leser keinen Weg mehr zum Kiosk resp. zur Auslagestelle der Intro auf sich nehmen, zweitens werde man vor der Enttäuschung ob vergriffener Ausgaben bewahrt. Drittens fehlt nie das anscheinend als wesentlich begriffene Argument, dass man als Abonnent viel früher als andere das neue Heft in der Hand halte, da die Abonnentenausgaben zuerst ausgeliefert werden. Und viertens wird der ökonomische Vorteil des Abonnements beworben: wer die Zeitschrift nicht einzeln am Kiosk kauft, sondern regelmäßig bezieht, der spart Geld — im Falle des Rolling Stone 8,3 Prozent, im Falle der Spex 6,6 Prozent, im Falle der Intro entspricht der Jahresbezugspreis in etwa der ausgerufenen Prämie. Denn zusätzliche Anreize werden für das Abonnement geschaffen, indem man die künftigen Abonnenten mit für sie als interessant erachteten, meist in derselben Ausgabe besprochenen CDs oder DVDs beschenkt oder sie mit speziell für ihre (imaginierten) Interessen zusammengestellten Angeboten zum Abonnement verlocken will. So wirbt der Rolling Stone etwa mit einer mit dem Jahresbezug einhergehenden Rabattierung von acht Prozent bei einem Onlinebuch-, -film- und -plattenhändler. Außerdem ist die Beigabe von als exklusiv deklarierten Artikeln ein beliebtes Instrument, einerseits die Verbindung des Lesers zur Zeitschrift zu stärken (die Macht des Geschenks ist in der Werbepsychologie oft beschrieben worden, etwa von Cialdini 1993), andererseits die Zeitschrift als Marke in die Öffentlichkeit zu tragen bzw. tragen zu lassen. So sind bspw. im Jahr 2009 als Prämien erhältlich: T-Shirts, die mit dem Logo des Magazins bedruckt sind (Intro); eine 87
Eine weitere Vertriebsart, die ebenfalls die Erlöse über einen längeren Zeitraum kalkulierbar erscheinen lässt, stellen die Lesezirkel dar. Sie sind für den Anzeigenmarkt wichtig, da hier mehrere Leser ein einzelnes Heft nutzen, der Tausender-Kontakt-Preis (zur Erklärung s. die folgende Seite im Text) also sinkt. Bei der Recherche ergab sich allerdings, dass von den drei hier untersuchten Magazinen lediglich der Rolling Stone in Lesezirkeln wie etwa dem Leserkreis vertrieben wird; wenn überhaupt, ist die einzige weitere Musikzeitschrift im Angebot der Lesezirkel meistens der Musikexpress.
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE Kochschürze eines hochpreisigen Nudelherstellers88 oder Bekleidungsstücke eines Herrenausstatters (der regelmäßig doppelseitige Werbung schaltet) — beide natürlich ebenfalls mit Logo versehen (Spex). Nicht zuletzt sind diese Abonnentenprämien aufschlussreich für die weiteren Überlegungen, weil sie viel über das Bild des Publikums verraten, wie es sich die Redaktion bzw. die Vertriebsabteilung von der Leserschaft zu machen scheint: Man(n!) liest, hört und sieht gerne musikbezogene Medien, hat einen Sinn für exklusive Hobbies und einen ausgewählten Geschmack sowohl bezüglich der Mode wie auch des Essens. Dieses Bild des Publikums ist ein wesentlicher Faktor, wenn es um die andere Erlösart — die Anzeigeneinnahmen der Magazine — geht. Und zwar differieren die Anzeigenpreise am Markt vor allem aufgrund der Auflage und Zielgruppe einer Zeitschrift. Der Branchen-Index des Tausender-KontaktPreises gibt an, wie viel Geld ein Werbetreibender in einem Medium bezahlen muss, um eintausend Leser zu erreichen. Je höher die Auflage einer Zeitschrift, desto niedriger ist der Tausender-Kontakt-Preis. Dies hat mehrere Gründe: Zum einen reagieren die fixen Kosten der Produktion nicht auf die Auflagensteigerung; der notwendige Finanzierungsbeitrag aus dem Anzeigengeschäft kann dementsprechend niedriger ausfallen, da mehr Einnahmen über den Verkauf erzielt werden. Insgesamt betrachtet besteht also eine größere Preiselastizität. Zum anderen führt eine steigende Auflage zwar zu einer höheren Verbreitungswahrscheinlichkeit der Werbebotschaft und somit zu einem höheren Anzeigengrundpreis. Allerdings muss berücksichtig werden, dass gleichzeitig der von Werbetreibenden erwünschte Zielgruppenbezug abnimmt und die eigene Position der Zeitschrift im Wettbewerb mit anderen Magazinen aufgrund dieses durch den Bezug hergestellten ehemaligen Alleinstellungsmerkmals an Wert verliert. Die Zielgruppe und somit das — imaginierte — Leserpublikum ist demnach ebenfalls beteiligt an der Ausgestaltung des Tausender-Kontakt-Preises. Je klarer die Zielgruppe einer Zeitschrift abgegrenzt und dem Werbetreibenden glaubhafte Informationen über deren Kaufkraft vermittelt werden kann, desto höher fällt der Preis für die Anzeigen aus.89 Die Größe der 88
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Ab Ausgabe #322 (September/Oktober 2009) führte die Spex in ihrem Impressum für ein Jahr das Logo genau dieses italienischen Nudelproduzenten, der dafür eine Tonne Nudeln »bezahlte«. Die angelieferten sechs Paletten Nudeln wolle man gut sichtbar als Product-Placement in den Räumen der Redaktion aufstellen, gab der Chefredakteur bekannt (vgl. Denk 2009). Diese Aktion sorgte für mediale Resonanz, sicherlich ein nicht unbeabsichtigter Nebeneffekt (vgl. Hoffmann 2009; Seliger 2010). Beleg für die immer noch nicht vollzogene Gleichstellung der Frau ist übrigens, dass der Typus der Männerzeitschrift einen höheren Tausender-KontaktPreis erzielt als der Typus der Frauenzeitschrift, wenngleich beide aufgrund
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3.3 DIE ORDNUNG DES FELDES: STRUKTURKONTEXT Leserschaft einer Zeitschrift wird durch die Höhe der Verkäufe bestimmt, in manchen Marktstudien wie der AWA wird die Reichweite der Publikation in der Gesellschaft angegeben. In allen Mediadaten sind deshalb Angabe über die verkaufte und von der IVW geprüfte Auflage enthalten sowie Informationen über Alter, Geschlecht und Interessen des Lesepublikums, die meist durch Marktstudien belegt werden. Nur die Intro gibt Orientierungen über ihre Leser aus einer Leserbefragung zum Besten. Wie repräsentativ diese aus freiwilligen resp. mit Prämien belohnten Zuschriften der Leser gewonnenen Daten sind, kann durchaus bezweifelt werden — für die Werbeindustrie hat die Intro aber eine Zielgruppe materialisiert, die sie als konsumstark und markenaffin darstellen kann. Für die endgültige Bestimmung des Anzeigenpreises sind die Gestaltung und Größe wie auch die Platzierung im Heft entscheidend. Die zum Vergleich angegebene Standardgröße ist die vollflächig vierfarbig bedruckte Seite (im Jargon: 1/1-Seite, 4c). Die Preise für das Schalten einer Anzeige in dieser Größe betragen 2009 laut der jeweiligen Mediadaten für den Rolling Stone 8.300 , für die Spex 3.500 , für die Intro 6.600 . Rabattierungen werden über die gebuchte Menge gewährt. Einzig der Springer-Verlag verspricht weitere Rabatte bei Mehrfachbelegungen in seinem Musikzeitschriftenportfolio.90 Aufgrund der unterschiedlichen Vertriebs- und Erscheinungsweisen sind auch diese Daten kaum sinnvoll miteinander zu vergleichen. Erst durch eine Einordnung in die Marktlage, d.h. durch ein Hinzuziehen weiterer Preise aus den Mediadaten von konkurrierenden Musikzeitschriften ergibt sich ein aussagekräftigeres Bild des Marktes: Groove (ebenfalls zweimonatliche Erscheinungsweise, Piranha Media-Verlag) verlangt 4.000 , der Musikexpress bei Springer 8.800 , die Visions 6.790 , die kostenlos erscheinende Vice91 berechnet 6.350 . Der sich selbst als führendes Musikmagazin sehende Rolling Stone verlangt demnach die zweithöchsten Anzei-
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derselben Differenzbildung ihre Zielgruppe genau abzugrenzen verstehen (vgl. dazu die Daten bei Heinrich 2001: 319). Der Springer-Verlag bietet den Inserenten an, sogenannte Lifestylekombinationen zu buchen. Das heißt etwa für die »Musikkombination 2« genannte Variante, dass eine Anzeige im Rolling Stone und im Musikexpress geschaltet wird, woraufhin die Kosten um 2.560 gegenüber zwei Einzeltitelbelegungen sinken. Oder man wählt die »Musik-Powerkombination«, sodass in allen Musikzeitschriften des Springer-Verlags eine Seite belegt wird; der Preis hierfür beträgt zwar 18.800 , er ist aber 4.700 niedriger als drei Einzelbuchungen. Vice ist ein kostenloses Lifestylemagazin mit einem ähnlich hohen Musikanteil wie die Intro, das in mehreren Ländern erscheint. In Deutschland wird die Auflage nicht durch die IVW geprüft, sodass die vom Verlag angegeben 100.000 Exemplare kritisch zu sehen sind. Auf dem deutschen Markt wird Vice seit 2005 vertrieben.
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE genpreise aller Musikzeitschriften, da er im Vergleich zum Musikexpress immerhin über eine etwas größere Leserschaft verfügt (verkaufte Auflage des Rolling Stone lt. IVW II/2009 53.737 Exemplare gegenüber 51.535 beim Musikexpress), jener aber eine für den Werbemarkt relevantere Zielgruppe zu besitzen scheint, was die höheren Preise erklärt. Zum Vergleich: Der Metal Hammer hat zwar eine fast gleichgroße Leserschaft (51.989), seine Zielgruppe wird aber durch den Marktpreis als vergleichsweise uninteressant bewertet (6.400 ). Visions und Spex haben eine fast vergleichbare Anzahl an Lesern (26.910 zu 20.707), die Preise sind aber grundverschieden, bedingt durch die verschiedenen Erscheinungsrhythmen. Intro stellt sich als etabliertes Gratismagazin durch einen höheren Anzeigenpreis über den neuen Konkurrenten Vice, beide sind aber hinsichtlich ihrer Leserschaft, Vertriebsweise und Thematik vergleichbar. Die Preiskalkulation von Zeitschriften — nicht nur, aber auch für Anzeigen — birgt jedoch erhebliche Risiken. Laut Heinrich (2001: 320) werden in der Branche auf die Normalkosten bei durchschnittlicher Kapazitätsauslastung etwa fünf bis acht Prozent Gewinnaufschlag erhoben. Was hier zunächst sehr einfach klingt, wird indes von wesentlichen Risiken der Kostenschätzung begleitet. Zum einen ist die Produktion einer Zeitschrift von vielen Variablen abhängig. So variiert etwa die spezielle Ausstattung des Heftes (Bild- und Farbanteil, CD-Beilage), die redaktionellen Produktionskosten sind abhängig von der jeweiligen Anzahl beteiligter freier Mitarbeiter, der Exklusivität, dem Rechercheanteil oder dem Anteil übernommener (= eingekaufter) Texte. Davon abhängend variiert der Umfang (wenngleich eher gering), zudem ist die Fluktuation der Abonnenten Auslöser von Schwankungen der Auflagenhöhe. Für eine Einschätzung der Normalkosten müssten darüber hinaus folgende Determinanten der Nachfrage bestimmbar sein: wer und wie groß ist die Zielgruppe, wie kaufkräftig ist sie, wie beurteilt sie die inhaltliche »Qualität« der Ausgabe, welche Rolle spielt der Preis, der Erscheinungstag92 und die Erscheinungsweise für das Lesepublikum? Die Marktlage und die Preise der Konkurrenz verhelfen immerhin zu einer Einordnung der eigenen Anzeigen- wie auch Verkaufspreise, aber für 92
Heinrich (2001: 320) gibt an, dass der Montag einen leicht positiven Einfluss auf die Nachfrage habe. Davon würde vor allem die Intro profitieren, die am letzten Montag eines Monats erscheint — was nicht immer bedeutet, dass sie auch an allen Auslagestellen ab diesem Termin erhältlich ist. Der Rolling Stone erscheint am letzten Donnerstag eines Monats, die Spex hat ihren Erstverkaufstag auf den vorletzten Freitag eines Monats gelegt, vermutlich, weil die Leser dann am Wochenende Muße zur Lektüre haben. Ganz wichtig scheint zu sein, dass die Ausgabe immer vor dem eigentlichen Monat erscheint, der auf dem Titel bezeichnet wird. Hier wird schon per Erscheinungsdatum signalisiert, dass Neuheit ein erstrebenswertes Gut und eine verderbliche Ware ist.
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3.3 DIE ORDNUNG DES FELDES: STRUKTURKONTEXT eine Normalkalkulation sind viel zu viele Dinge voneinander abhängig bzw. — wie etwa die Nachfrage — (vorerst jedenfalls) nicht eindeutig vorauszusagen, sodass eine Kalkulation in erster Linie auf Erfahrung beruhen dürfte. Nicht ohne Grund sind deshalb in aller Regel Leitende Redakteure und/oder Geschäftsführer diejenigen Angestellten, die über eine längere Berufserfahrung als ihre Mitarbeiter verfügen; bspw. ist der Leitende Redakteur des deutschen Rolling Stone seit der ersten Ausgabe 1994 bei dem Magazin, der Geschäftsführer der Intro ist auch ihr Gründer. Alle hier dargestellten ökonomischen Rahmenbedingungen des Musikjournalismus sind als ein sich stetig wandelnder Prozess zu verstehen, der im Moment des analytischen Schnitts zu dokumentieren und deuten ist. Für die drei Magazine gilt, dass sie mit verschiedenen Geschäftsformen der Verlage, einer ähnlichen Mitarbeiterstruktur auf zwei Märkten um Kunden werben: die Leser einerseits, andererseits die Inserenten. Die Musikzeitschrift agiert als ein Mittler und ist insofern von den Konsequenzen des Handelns beider betroffen. Deshalb ist sie gezwungen, vorausschauend zu handeln, um beide an das Magazin zu binden: einerseits muss »dem« Leser ein ansprechendes Produkt präsentiert werden, andererseits werden den »Medienpartnern« zusätzliche Angebote unterbreitet, die sie zur »Zusammenarbeit« einladen sollen. Beispielsweise bietet der Axel Springer Verlag (Axel Springer Media-Impact 2009: 9) an, Anzeigen im »Look & Feel« des Rolling Stone zu gestalten, um die beworbenen Produkte »emotional und glaubwürdig« sowie »zielgruppengerecht« für den »gebildeten und kulturinteressierten ROLLING STONE-Leser« in das Magazin einzubinden. Der Intro-Verlag (vgl. Intro 2009: 10) offeriert Werbekunden den Service, Texte redaktionell erstellen zu lassen, wie dies bereits für Coca Cola, T-Mobile, Red Bull oder Jägermeister geschehen sei.93 Und unter dem Verweis auf die »Beratungsagentur für operatives und strategisches Event-Marketing und Sponsoring« mit dem schönen Namen Gemeinsame Sache GmbH & Co. KG findet sich die Aussage: 93
Ohne auf alle Beispiele näher eingehen zu wollen, bahnt sich hier eine neue Form der Zusammenarbeit an, die eingehender untersucht gehört. So hat etwa der Limonade-Hersteller Red Bull eine sogenannte Red Bull Music Academy ins Leben gerufen, die sich mit im weitesten Sinne elektronischer Tanzmusik beschäftigt. Einmal jährlich werden Musiker (u.a. Steve Reich, Jeff Mills oder Moritz von Oswaldt) in eine jeweils andere Metropole der Welt eingeladen, um über ihre Musik zu sprechen oder Workshops zu veranstalten. Jeder Interessierte kann daran teilnehmen, solange er sich bei Red Bull auf die Anzeigen in Musikmagazinen hin für diese Veranstaltung bewirbt. Lediglich ein kleiner Kreis von ca. dreißig Personen wird zur Teilnahme ausgewählt, allerdings werden Musikjournalisten ebenfalls eingeladen und schreiben hinterher einen Artikel über die Veranstaltung.
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE »Innerhalb des Intro-Netzwerkes bildet der Kompetenztransfer ein wichtiges und nachhaltiges Fundament für eine konsumenten- und gleichermaßen marktorientierte 360 Grad-Beratung. Gemeinsame Sache [GmbH & Co KG] fungiert als Schnittstelle und steuert alle Prozesse mit dem Anspruch einer für den Kunden effektiven und effizienten Zielerreichung« (Intro 2009: 10). Ist demnach also alles ethisch-moralisch bestellte Land im Musikjournalismus verloren? Wird die Trennung von Redaktion und Verlag, von Inhalt und Werbung für Musikzeitschriften nun endgültig obsolet und jetzt nur noch PR für die Inserenten betrieben? Vorschnell geurteilt müsste nach diesen Sätzen nun eine eindeutige Zustimmung erfolgen. Doch im Sinne der Argumentation dieser Arbeit, die den Redakteur in der Redaktion in den Mittelpunkt stellt, soll erst an ihrem Ende eine Beantwortung dieser Fragen erfolgen. Hier gilt es zunächst festzuhalten, dass Musikjournalismus in den drei Magazinen individuelle Entwürfe und Angebote als Reaktion auf herrschende ökonomische Zwänge bereithält.
Organisatorische Aspekte der Zeitschriftenproduktion Journalismus kam Jahrhunderte lang ohne die Organisationsform der Redaktion aus. Erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts lässt sich die Entstehung einer Redaktion im heutigen Sinne beobachten, denn zuvor waren auch andere Ebenen der Produktionshandlung, etwa das Verlegen oder Drucken, immer mit den heutigen redaktionellen Aufgaben der Organisation, der Selektion oder dem Redigieren verbunden (vgl. Meier 2005: 394f.). Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts sieht dann eine rasante Entwicklung des redaktionellen Journalismus, was zu einer Ausdifferenzierung der Tätigkeitsbereiche führte. Musikkritik war seit Ende des 18. Jahrhunderts in der Fachpresse institutionalisiert, mit Beginn des 19. Jahrhunderts bildete sich das Feuilleton der Tagespresse heraus (Tadday 1997: 1370). Es entstanden zur selben Zeit das Wirtschafts- und Lokalressort, um die Wende zum 20. Jahrhundert etablierte sich dann das Sportressort, womit die bis heute gültige Einteilung der redaktionellen Welt entstanden war. Der Begriff der Redaktion ist aufgrund seiner mehrfachen Bedeutungen missverständlich. Mit ihm wird sowohl die organisatorische Abteilung eines Medienunternehmens bezeichnet, die die journalistischen Leistungen erbringt (die Redaktion etwa im Vergleich zur Verwaltung), als auch die Mitarbeiter dieser Abteilung (mehrere Redakteure bilden die Redaktion), die in den ebenfalls so benannten Räumen einer derartig bezeichneten Tätigkeit (man erledigt die Redaktion eines publizistischen Werkes) nachgehen. Hier soll die Redaktion als sozialer Ort der beruflichen Auseinandersetzung mit Musik verstanden werden, der durch bestimmte Rollen-, Entscheidungs- und
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3.3 DIE ORDNUNG DES FELDES: STRUKTURKONTEXT Produktionsmuster gekennzeichnet ist, die kontinuierlich im Gruppenprozess Routinen wie Überraschungen beim Ablauf der Erstellung des musikjournalistischen Produkts erzeugen. Bei den Aufgaben, die eine Redaktion zu erledigen hat, sind Unterschiede feststellbar. In den USA etwa herrscht eine funktionale Trennung zwischen den editors und den reporters vor. Editors sind verantwortlich für die Produktion, also das Redigieren und Layouten eines Beitrags sowie die Überwachung seiner Herstellung. Ein reporter dagegen hat diesen Beitrag vorher recherchiert und geschrieben. In deutschsprachigen Zeitungen erledigt der Redakteur dagegen meist alle Aufgaben selbst, deswegen ist hier nicht eine funktionale Unterscheidung, sondern eine Trennung anhand der Objektspezialisierung sinnvoll. Meier (2007: 161f.) fügt an, dass in Deutschland zunehmend eine Spezialisierung in Schreiber oder Blattmacher auftrete, die nicht selten, wie etwa bei den Fernsehanstalten, mit den Anstellungsverhältnissen zusammenhängen: Fest angestellte Redakteure gelten als die Blattmacher bzw. sind für das Programm verantwortlich. Sie sitzen in Konferenzen, planen und koordinieren, während die freien Redakteure die Inhalte erstellen. Von einer Festanstellung verspricht man sich, dass diese Form der Arbeitsbeziehung Zuständigkeiten und Verantwortung bei den Redakteuren erzeugt, die einen möglichst routinierten und rationalen Herstellungsprozess eines regelmäßig erscheinenden Mediums garantieren sollen. Für die hier untersuchten Musikmagazine kann bereits festgehalten werden, dass die Redaktion der Intro von fest angestellten Redakteuren gestellt wird, die Spex mit fest freien Redakteuren arbeitet und beim Rolling Stone ein Mischverhältnis vorliegt. Organisation, Struktur und Arbeitsweise der Redaktion richten sich nach der publizistischen Strategie, den journalistischen Konzeptionen, Zielen sowie Zielgruppen (Meier 2005: 395) — somit wird dem Gegenstand, über den berichtet wird, kein besonderer Einfluss auf die Form und Arbeit der Redaktion eingeräumt. Die Journalistik untersucht die Struktur einer Redaktion, ihren Aufbau, sowohl in horizontaler (Aufgabenverteilung) wie vertikaler (Machtgefüge) Dimension (einen Überblick geben Meckel 1999; Menhard/ Treede 2006; Meier 2007). In der Aufgabenverteilung unterscheidet man zwischen der Sparten- und der Funktionalorganisation, d.h. entweder sind die Redakteure für bestimmte Themengebiete zuständig oder sie übernehmen spezielle Aufgaben, wie etwa die Schlussredaktion. Gesichtspunkte der vertikalen Strukturbetrachtung sind die Machtverteilung und Entscheidungsbefugnisse, die innerhalb der Redaktion herrschen. Die geläufigste Struktur der Redaktionsorganisation ist die Einlinienorganisation, in der in einem pyramidenartig gestaffelten Aufbau Aufträge von
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE oben (dem Chefredakteur) über die Ressortleiter den Redakteuren erteilt werden. Ihr Vorteil ist, dass hier klare Zuständigkeiten und Verantwortung herrschen. Allerdings droht bei allzu strikter Befolgung, dass den Redakteuren der Blick für das Ganze verloren geht, da sie nur auf ihre Bereiche und Aufgaben beschränkt wahrnehmen und produzieren. Die Folge kann sein, dass Themen durch das redaktionelle Raster rutschen oder man mitunter Dubletten in zwei Sparten produziert. Ein anderes Modell der vertikalen Redaktionsorganisation ist die Stab-Linien-Organisation, wo ein Chef vom Dienst oder Redaktionsmanager als koordinierende Instanz zwischen Chefredakteur und Redakteuren eingreift. Die Mehr-Linien-Organisation sieht die ressortübergreifende Arbeit von thematisch spezialisierten Redakteuren vor, die von Ressortleitern je nach Anforderungen zusammengestellt werden. In der Matrix-Organisation werden tätigkeitsorientierte und objektorientierte Anforderungen kombiniert, d.h. ressortunabhängig bestehen Gruppen von Redakteuren, Fotografen und Layoutern, die für mehrere Ressorts in wechselnden Teams gebucht werden können (vgl. Meier 2007: 161ff.). Wie verhält es sich nun mit der Form der redaktionellen Organisation im Musikmagazinjournalismus? In allen Redaktionen gibt es die im Pressegesetz geforderte verantwortliche Person, die meist die Rolle des Chefredakteurs einnimmt. Hierarchisch unter ihr stehen dann die Redakteure, die im Impressum als Teile der Redaktion ausgewiesen sind. Keine der genannten Organisationsformen lässt sich in einer der drei Zeitschriften in Reinform finden, vielmehr existieren Mischformen, wie in den Aussagen der Redakteure deutlich wird. Am ehesten dürfte zur Kennzeichnung der Arbeitspraxis das Modell der Stab-Linien-Organisation angelegt werden, allerdings mit der Hinzufügung, dass die Redakteure sowohl als Autoren wie auch als »RessortLeiter« für die jeweils betreuten Heftteile fungieren. Die Organisation nach Ressorts ist nach Menhard und Treede (2004: 66) die gängigste in Zeitschriften. Ein Ressort entspricht dabei einer Heftrubrik. Gleichwohl ist der Begriff des Ressorts nur in einem der Interviews gefallen, die Redakteure sprechen durchweg von »Heftstrecken« — womit die inhaltlich und formal differierenden Darstellungsmuster der Musikmagazine gemeint sind — oder sie heben ihre Zuständigkeiten für »Themen« hervor, was dem Ressortbegriff am nächsten kommt. Auch die klassische Rollendifferenzierung scheint nicht eindeutig auf die Musikmagazine anwendbar: Die Redakteure beauftragen freie Mitarbeiter und nehmen insofern als sogenannte leitende Redakteure (vgl. Menhard/Treede 2004: 61) die Verantwortung des Ressortleiters (d.h. die Planung und Überwachung der Umsetzung) wahr, agieren aber gleichzeitig als Autoren, die Informationen sammeln, auswerten, prüfen und sie zu Nachrichten unterhaltend, analysierend und/oder kommentierend aufberei-
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3.3 DIE ORDNUNG DES FELDES: STRUKTURKONTEXT ten. In der Funktion des Redakteurs stellen sie diese dann in einem Medium der Öffentlichkeit bereit (vgl. Meyn 2004: 206f.). Außerdem handeln sie mitunter als Schlussredakteure und übernehmen Aufgaben des Lektorats. Redakteure in Musikmagazinen schlüpfen demnach variabel in diverse Berufsrollen — was wiederum kennzeichnend für die Berufsrolle Popmusikredakteur ist. Die damit einhergehende Aufgabenballung der Musikredakteure ergibt sich aus der Größe der Redaktionen der Musikzeitschriften. In der Redaktion des Rolling Stone arbeiten drei Redakteure, ein Leitender und ein Chefredakteur, in der Spex-Redaktion sind es zwei Redakteure und ein Chefredakteur, bei Intro stellen vier Redakteure (einer von ihnen ist der Herausgeber!) und ein Chefredakteur die Redaktion. Dabei wäre theoretisch zumindest eine Aufgabenverteilung auf 22 verschiedene Rollen möglich (vgl. die Darstellung bei Menhard/Treede 2004: 58ff.), die sich allerdings wohl nur in Redaktionen größerer Medien voll ausdifferenzieren dürfte. Von den dort genannten — die bzgl. der geforderten Autonomie der Redaktion problematische Einbeziehung von Verlagsleitung und Herausgeber in redaktionellen Aufgaben wird unten diskutiert — Rollen sind immerhin drei in den Redaktionen sowie eine weitere in Form einer Vielzahl freier Mitarbeiter bzw. Autoren — zusammen verzeichnen die drei Magazine 170 — außerhalb der Redaktionen anzutreffen. Der Chefredakteur ist als Teil der Redaktion für den Inhalt verantwortlich — und zwar sowohl im Sinne des Presserechts wie auch vor dem Verleger bzw. Herausgeber oder nach außen hin vor Werbekunden und Lesern. Der Chefredakteur führt und schützt die Redaktion, er koordiniert und kontrolliert ihre Arbeit. Er entscheidet über Themen, die Gestaltung und Besetzung von Artikeln. Dies tut er gleichwohl nicht alleine, da es die Redaktionskonferenz als beratendes Gremium gibt, aber qua seiner Position hat er die Entscheidungsbefugnis. Er verwaltet das Budget der Redaktion und er ist für die Personalentwicklung und -rekrutierung zuständig. Der Hauptschwerpunkt der Tätigkeit ist der Managementbereich, deshalb plädieren Menhard und Treede (ebd.: 59) für den Begriff des »Redaktionsmanagers« (vgl. ausführlicher Meckel 1999). Die folgenden drei Rollen des stellvertretenden Chefredakteurs, des geschäftsführenden Redakteurs sowie des Chefs vom Dienst (CvD) kümmern sich um die Umsetzung der Vorstellungen des Chefredakteurs im redaktionellen Alltag und sind in Mischformen in den Musikredaktionen anzutreffen. Ist der stellvertretende Chefredakteur eher an der tatsächlichen redaktionellen Arbeit beteiligt, unterstützt der geschäfts-führende Redakteur den Chefredakteur, indem er ihm die Verwaltungs- oder kaufmännische Aufga-
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE ben abnimmt. Mitunter übernimmt dies auch der Chef vom Dienst (CvD). Er ist aber normalerweise für die organisatorischen Aufgaben zuständig, d.h. er erstellt den Produktionsplan (Termine für Abgaben, Anzeigenschluss, Layout, Textchef, Schlussredaktion, Andruck usw.) und den Seitenplan, die für die Produktion einer Zeitschrift maßgeblich sind. Der CvD ist Ansprechpartner für die Redakteure, die Anzeigenverkäufer im Haus wie auch für diejenigen, die die Produktion des Heftes ausführen (»Produktioner«), denn er ist für die gesamte technische Produktion und deren termingerechten Ablauf verantwortlich. Mitunter übernimmt er auch das Einholen von Kostenvoranschlägen, etwa bei beigelegten CDs. Der CvD ist eine sogenannte Stabsstelle, das bedeutet, er hat fachliche Weisungsbefugnis, ist aber kein disziplinarischer Vorgesetzter. Die einzelnen Aufgaben der Musikredakteure der Musikzeitschriften sind, bis auf den Verantwortlichen im Sinne des Pressegesetzes (V.i.S.d.P.), in den Impressen nicht benannt. Intern existieren natürlich Absprachen über eine Aufgabenverteilung, die aber dem Anschein nach als uninteressant für die Öffentlichkeit gewertet werden und somit nicht im Impressum auftauchen. Aufgeführt werden in allen drei Zeitschriften Redakteure mit speziellen Tätigkeitsbereichen inner- oder außerhalb der Printausgabe (Online, Mode, Fotografie) sowie die Verantwortlichen für die visuelle Gestaltung, die Anzeigen, die Musikbemusterung und die Heft-CD.94 94
Die Intro ist aufgrund ihrer Produktionsstruktur sehr darauf bedacht, Kontaktmöglichkeiten herzustellen und gibt im ausführlichsten der drei Impressen neben der geforderten Nennung von Verlag, Herausgeber und verantwortlichen Redakteuren außerdem namentlich an: • die zusätzlich für den Inhalt Verantwortlichen: alle sechs (!) Praktikanten und 107 (!) »AutorInnen«; • die für die visuelle Gestaltung Verantwortlichen: die Artdirection, das Layout, die Illustratoren, 36 freie Fotografen sowie den Fotograf des Covers; • die für die Produktion und den Vertrieb zuständigen Stellen: Vertrieb, Abo/Administration, Druckerei, Personal, Programmierung und Datenbanken; • die für geschäftliche Verbindungen zuständigen Personen und Abteilungen: den Geschäftsführer »Marketing & Online«; den »Head of Marketing & Sales«; die Abteilungen Projektmanagement und Events; eine E-MailAdresse für »News«; die »Public & Media-Relation«; die Zuständigen für die Anzeigenleitung, die Tonträger, die Konzertagenturen und für regionale Kunden; • außerdem werden genannt: die Termine für die nächste Ausgabe, die gültige Anzeigenpreisliste, die Bankverbindung sowie die durch die IVW geprüfte Verbreitung. Insgesamt werden 186 Personen benannt, die allerdings mitunter mehrfach in verschiedenen Funktionen aufgeführt sind: beispielsweise bekleiden die für die Tonträgerbemusterung genannten zwei Personen zum einen die Position
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3.3 DIE ORDNUNG DES FELDES: STRUKTURKONTEXT Die letzte Gruppe der in den Musikredaktionen vorzufindenden Rollen sind die freien Mitarbeiter. Bei ihnen handelt es sich um Selbständige, die von mehreren Arbeitgebern gebucht werden und sich um Aufträge wie Sozialabgaben selbst kümmern müssen. Zu ihnen zählen sowohl Freie, die nicht allein vom Schreiben leben können, als auch hauptberufliche freie Journalisten.95 Freie Redakteure sind wiederum in Redaktionen fest integrierte freie Mitarbeiter, die hier als Festfreie bezeichnet werden. Als Freie werden außerdem Grafiker gebucht, die an der Heftproduktion beteiligt sind. Freie Mitarbeiter sind die bei weitem größte Gruppe der an der Musikmagazinproduktion Beteiligten, umso bedauerlicher ist folgende Feststellung: »Noch wartet der freie Journalismus auf seine Entdeckung durch die Wissenschaft. Die zuständige Kommunikator- und Medienforschung hat trotz der existenziellen Bedeutung des freien Journalismus für das Funktionieren des Mediensystems bislang einen großen Bogen um dieses Feld geschlagen« (Weichler 2005: 70). Freier Journalismus hat in allen Medien an Bedeutung gewonnen, da freie Mitarbeiter nicht nur billiger sind, sondern auch als kreativer gelten (ebd.: 71). Sie maximieren bei persönlicher Übernahme von Risiken die Gewinne der Medienunternehmen. Außerdem gibt es ein Überangebot von freien Kräften: Gründe sind erstens der freie Berufszugang zum Journalismus, zweitens die immer noch geltende Attraktivität des Berufs, drittens die hohe Anzahl von Nebenberuflern bzw. Liebhabern (die nicht auf angemessene Bezahlung angewiesen sind bzw. sie nicht als primäre Motivation ihrer journalistischen Tätigkeit verstehen), viertens die steigende Anzahl von Hochschulabgängern, die diese Form der Arbeit als Chance zum Berufseinstieg sehen, die sie bei geringst möglicher Bezahlung, zur Not auch in Form eines Praktikum gratis »nutzen« wollen, sowie schließlich die ungezählten, weil unzählbaren, entlassenen ehemals fest angestellten Redakteure, die — anstatt sich arbeitslos zu melden — nun als Freie arbeiten. Warum sollte ein Medienunternehmen nicht auf dieses Heer zurückgreifen? Diese enge Marktsituation erfordert von den freien Journalisten einen immensen Leistungswillen und umfassende Kompetenzen, um sich von dem
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des »Geschäftsführer Marketing & Online«, die andere ist außerdem Herausgeber und Redakteur. Im Feld der Musikredakteure wird — nicht immer einheitlich — für die Bezeichnung der freien Mitarbeiter statt von Journalisten eher von Autoren gesprochen, da der Begriff des Autors auch im Sinne einer künstlerischen Aufwertung der (eigenen) schreibenden Tätigkeit gebraucht wird. Bis die im letzten Kapitel geforderte Untersuchung der freien Mitarbeiter im Musikjournalismus Ergebnisse liefert, soll hier wertfrei von Autor als auch Journalist gesprochen und darauf hingewiesen werden, dass manche der freien Musikjournalisten ihre Tätigkeit eher als Hobby, andere als Beruf verstehen.
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE Mitbewerbern abzusetzen: Recherchekompetenzen und guter Schreibstil alleine reichen nicht mehr aus, zusätzlich benötigt man als Basisausstattung thematisches Spezialwissen und muss über technische Kompetenzen verfügen. Außerdem muss man in die richtigen Netzwerke eingebunden sein und diese pflegen, Wissen über Selbst-Marketing und eine gewisses Maß an Unverfrorenheit besitzen. Marktpositionierung des Selbst, Akquisition und Mehrfachverwertung seien Begriffe, die nun einmal zum Berufsalltag des Freien gehörten, wie Weichler (ebd.: 72) launisch anmerkt. Eine zunehmende Technisierung der journalistischen Arbeit in Form der Zusammenführung verschiedener Tätigkeiten am Computer hat außerdem zum Wandel der freien Arbeit beigetragen. Statt teure Büroräume anzumieten, können freie Mitarbeiter nun vom eigenen Heim (um dessen Miete und die zugehörigen Arbeitsmittel sich die Freien auch noch selber zu kümmern haben) aus arbeiten, was für die Auftraggeber bedeutet, dass sie mit weniger Angestellten vor Ort kleinere, also günstigere Büroräume beziehen können.96 Außerdem entfallen durch die Technisierung frühere Aufgabenbereiche ganzer Berufsgruppen, wenn bspw. die Redakteure auch noch Aufgaben der Grafiker übernehmen oder der als freier Mitarbeiter geführte professionelle Grafiker erst kurz vor der Hefterstellung für wenige Tage die Reinzeichnung übernimmt. Die Möglichkeiten sind demnach gegeben und werden genutzt, Musikzeitschriften organisatorisch mit einem Minimum personalen und somit ökonomischen Aufwands zu produzieren. Die geringe Größe der Redaktionen sowie die Produktion durch Beauftragung vieler freier Mitarbeiter bringen einige weitere Vorteile mit sich: Dezentralisierte Strukturen helfen beim schnelleren und fehlerfreieren Lösen komplexer Probleme, was sich beispielsweise in Form der Projekt- oder Teamorganisation in vielen Bereichen der Wirtschaft (von der Werbung bis zum Autobau) niedergeschlagen hat. Außerdem herrscht in diesen Strukturen eine größere Gruppenzufriedenheit, was mit der höheren Kommunikationstätigkeit begründet wird, die man aufgrund der Gruppenstruktur aufnehmen muss. Die geringe Größe macht außerdem informelle Kommunikation wahrscheinlicher; größere Gruppen erfordern dagegen eine formalisierte Kommunikation, was sich wiederum vertikal in einer stärkeren RollenDifferenzierung niederschlägt. Kleinere Redaktionen werden deshalb auch kollegialer geführt als größere (vgl. Weischenberg 1998a: 288 u. 292). Die in den Musikredaktionen beobachtbaren flachen Hierarchien sind ein Ergebnis davon. 96
Zur Erinnerung und als Beispiel: Die Spex-Redaktion teilt (!) sich eine Etage (!) eines Altbaus mit der Groove-Redaktion, wo die oben beschriebenen Verhältnisse ähnlich sind.
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3.3 DIE ORDNUNG DES FELDES: STRUKTURKONTEXT
Zur Autonomie der redaktionellen Arbeit Das Verhältnis der Redaktion zur Vertriebs- oder Anzeigenabteilung ist ein besonders heikles, denn eigentlich gehört es zu den Geboten des Journalismus, eine Trennung zwischen redaktionell erstellten Inhalten und Werbung sowie zwischen Redaktion und Eigentümer aufgrund der angestrebten journalistischen Unabhängigkeit einzuhalten (vgl. Deutscher Presserat 2006). Dagegen nennen bspw. Edigna Menhard und Tilo Treede (2004) in ihrem Kapitel über die Aufgaben, Zuständigkeiten und Rollen innerhalb der Redaktion wie selbstverständlich an allererster Stelle die Rolle des Verlegers, an zweiter die des Herausgebers. Dergestalt natürlich erscheint den beiden die Aufgabe des Trennungsgebots von Redaktion und Verlag, dass nun das ihrem Buch voran gestellte und Editorial benannte Vorwort nicht mehr verwundern mag: »Es wird immer wichtiger, dass die Akteure in den Verlagsunternehmen sich in allen Bereichen des Heftmachens auskennen. Die Journalisten und Chefredakteure brauchen zunehmend Kenntnisse in der Vermarktung. Schließlich müssen sie jede Ausgabe so gestalten, dass möglichst viele Leser sie kaufen. [...] Ebenso sollten die Verantwortlichen in den Vermarktungsabteilungen die Regeln des Heftmachens kennen. Denn sie sind den Lesern ebenso nah wie die Redaktion und können wertvolle Beiträge zur verkaufsfördernden Gestaltung einer Zeitschrift beisteuern. Die Anzeigenabteilung liefert genau genommen sogar einen Teil der Heftinhalte, indem sie die Anzeigen akquiriert« (Menhard/Treede 2004:13). Viele Anzeichen, wie die bereits dargestellte, an Heftinhalten ausgerichtete Abonnentenwerbung oder die Überschneidung von Themen und Inserenten in einem Heft, deuten darauf hin, dass bei der Zeitschriftenproduktion etwas betrieben wird, was die Journalistik mit dem Begriff des redaktionellen Marketings beschreibt. Marketing bedeutet in der Betriebswirtschaftslehre, ein Produkt oder eine Dienstleistung entsprechend den Kundenwünschen zu produzieren und zu bewerben (vgl. ausführlich Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2008). Redaktionelles Marketing impliziert demnach eine kaufmännische Aufgabe der Redaktion. Die neuere Literatur zum Thema sieht als Grundvoraussetzung die Einsicht, »dass Redaktionen als betriebswirtschaftliche Gebilde verstanden werden müssen« (Funk 2006: 23). Deshalb betreiben Redaktionen in den Augen der Medienökonomie »Produktpolitik« (Heinrich 2001: 257), die als »Kernfunktion« (ebd.) der Redaktion gedeutet wird. Zu ihr gehören die Einflussnahme auf Gestaltung der Qualität der Berichterstattung, des Produktsortiments (Zahl und Umfang der Ressorts, Tiefe der
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE Berichterstattung usf.), der Produktionsmenge, der Verpackung (Layout, Farbgebung), außerdem die Preis-, Distributions- wie Kommunikationspolitik (vgl. ebd.; Funk 2006: 29). Redaktionelles Marketing greife bereits in der Konzeptionsphase einer Zeitschrift entscheidend in die Struktur redaktionellen Arbeitens ein, wie Menhard und Treede (2004: 79f.) am Beispiel des »Heftkonzepts« erklären, das am Anfang jeder Zeitschriftenunternehmung stehe. Denn neben den Planungen des redaktionellen Inhalts und Layouts stünden die Analysen des potentiellen Lesermarktes, des Werbemarktes, des Wettbewerbsumfelds und der eigenen Positionierung sowie die sich daraus ergebende Prognose möglicher Vermarktbarkeit. Jedoch, warnt Funk (ebd.: 31), ist redaktionelles Marketing kein Service für die Werbewirtschaft, sondern »profiliert die Grundidee eines Medienproduktes in der Zielgruppe[,] um das größtmögliche Publikum für die publizistische Umsetzung dieser Idee zu erreichen und zu erhalten. Dies kann jedoch nur gewährleistet werden, wenn Journalisten sehr genau über die Wünsche und Bedürfnisse ihrer Leserschaft ins Bild gesetzt werden.« Übertragen auf das Herstellen eines journalistischen Erzeugnisses fordert der Begriff des redaktionellen Marketings demnach die Journalisten dazu auf, ihre Arbeit systematisch an der Marktsituation und den (bestenfalls empirisch gestützten) Erkenntnisse über die Wünsche ihrer (mehr oder weniger klar definierten) Zielgruppe auszurichten. Positiv gedeutet mag diese Entwicklung eine Hinwendung zum Leser/Hörer/Zuschauer bedeuten, der nun Themen präsentiert bekommt, die ihn ›wirklich‹ interessieren. Das Problem ist jedoch, dass es den Leser/Hörer/Zuschauer eben nicht gibt, sondern nur den Mittelwert mit erheblichen Streuungen. Dies führt schnell zum kleinsten gemeinsamen Nenner, im privaten Rundfunk mit allerkleinsten Playlists der »besten Hits« jederzeit nachzuvollziehen. Journalismus als Wunschkonzert und Massagesalon — das Bonmot des Journalisten Dagobert Lindlau (zit. n. Meckel 1999: 166) charakterisiert diese vorgebliche Hinwendung zu dem Leser, wo doch vielmehr eigentlich eine Missachtung der Leser vorliegt, die auch an Informationen oder Musik interessiert sein könnten, die sie gerade nicht erwarten. Zudem ist ein weiteres Problem des Konzepts des redaktionellen Marketings, wie in den Interviewauswertungen im vierten Kapitel zu zeigen sein wird, dass den Redakteuren keinesfalls deutlich ist, wer ihr Publikum tatsächlich ist und wie es sich zusammensetzt. Schließlich ist als Entwicklung der geforderten Leserorientierung auch zu sehen, dass die Redakteure unter erheblichen Legitimationsdruck geraten, wenn die Rezipienten die produzierten Inhalte nicht mehr nachfragen — warum sollte etwas produziert werden, was nur wenige wünschen und nutzen? Meckel (ebd.: 168) spricht von der Doppelrolle, die Redakteure ein-
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3.3 DIE ORDNUNG DES FELDES: STRUKTURKONTEXT zunehmen haben. Einerseits müssen sie die Interessen des Publikums kennen und bedienen, wie dies durch den Markt der Zeitschriften als Notwendigkeit installiert ist, andererseits sollen sie aber redaktionellen Anspruch mit dem Setzen von Themen und Anregungen erfüllen. Kommen sie letzterem nicht nach, sei ihr Tun kein Journalismus mehr, sondern lediglich »ein professionelles Realisieren dominierender Zielgruppenwünsche. Der Journalist würde damit vom aktiven Informationslieferanten und Inspirator der Rezipienten in einer Informationsgesellschaft zum reinen Werbekontakter zwischen Ereignis und Publikum« (ebd.). Richtig verstandenes und strategisch differenziertes redaktionelles Marketing integriere in einem langfristigen Prozess beide Ansprüche und könne somit dem Medium eine USP (unique selling proposition) und ein neues Image geben, es gar zur Marke aufbauen (vgl. ebd.: 176ff.). Insofern ist redaktionelles Marketing als ein von Verlagen wie Redaktionen probat begriffenes Instrument zu verstehen, dass in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Erlöse bescheren soll — und muss. Die Logik des Marketings jedoch, die eine Berücksichtigung und eine Ausrichtung an Kundenwünschen fordert, ist durch mangelndes Wissen und daher nur ungefähre Vorstellungen der Leserschaft zumindest auf der Ebene der Redakteure erheblich gebrochen. Demzufolge sind mindestens zwei der bei Funk (2006: 32ff.) vorgestellten Konzepte redaktionellen Marketings kritisch zu sehen. Denn wer nicht genau weiß, wer sein Publikum ist, kann die dort erhobenen Forderungen nach einer Ausrichtung redaktionellen Handelns an den »Servicewünschen« und dem »Unterhaltungsbedürfnis« des Publikums kaum erfüllen. Allein dem Anspruch einer Ausweitung der Interaktivität, um die Leser-Blatt-Bindung zu stärken, kommen die Redaktionen der Musikzeitschriften einigermaßen nach. Denn hier wird, meist im Internet, ein Forum von den Musikmagazinen bereitgestellt, das den Redakteuren einen Blick auf Wirkungen ihrer Arbeit ermöglicht und mitunter hilft, Sachverhalte einzuschätzen. Allerdings ist auch hier den Befragten klar, dass die interaktive Leser-Community eben nicht das gesamte Lesepublikum des Magazins darstellt. Dies alles soll jedoch nicht bedeuten, dass redaktionelles Marketing keinen Niederschlag in den Musikmagazinen findet. Denn dies geschieht sehr wohl, nur besitzen die Redakteure bei allem wirtschaftlichen Zwang, der die Autonomie der Redaktion bedrohen könnte, eben Freiräume im Handeln. Dieses muss zwar jeweils mit dem Verweis auf »den Leser« begründet werden, im Großen und Ganzen lässt ihnen die Ungewissheit über ihr Publikum bei zugleich bestehendem Zwang zur Ausrichtung der Inhalte an dessen Interessen aber viele Auslegungsmöglichkeiten. »Der Leser will das«, lautet
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE deshalb eine durchweg zu vernehmende Begründung der Redakteure, die allein auf Annahmen beruht und zur Legitimation eigener Themenvorschläge dient — und somit bei der inhaltlichen Ausgestaltung der redaktionellen Arbeit erheblichen Gestaltungsraum bietet. Wenn die Spex-Redaktion meint, mit dem Angebot einer Kochschürze Abonnenten werben zu können, wenn die Rolling Stone-Redaktion zum »Weekender« einlädt oder die Intro modische T-Shirts als Abonnementanreiz bereithält, ohne dass empirische Untersuchungen über die Zielgruppe dies belegen müssen, ist dem Gebot des redaktionellen Marketings insofern kreativ genüge getan und die inhaltliche redaktionelle Arbeit nicht weiter behindert worden.
Funktionskontext: Aspekte journalistischer Wahrnehmungsroutinen Die Funktionen des Journalismus können als Leistungen verstanden werden, die durch die Institutionen der Massenkommunikation und deren Akteure für die Gesellschaft erbracht werden. In den Berichterstattungsmustern, in der Selektion von Nachrichten sowie im Einfluss journalistischer Bezugsgruppen liegen Faktoren für die Funktion von Journalismus; sie sind Teil der Untersuchungsgebiete der Journalistik und sollen deshalb vorgestellt werden (vgl. Weischenberg 1995: 97f.). Routinen der Wahrnehmung, Erstellung, Veröffentlichung sowie auch der Rezeption von Nachrichten stellen Schemata dar, die Ordnung und Orientierung bieten. Auf der Seite der Journalisten vereinfachen und beschleunigen diese Schemata den Arbeitsablauf, auf der Seite des Publikums bieten sie Hilfe bei der Wahrnehmung und Verarbeitung publizierter Inhalte. So sind wir imstande, eine Glosse von einem Technikreport zu unterschieden, differenzieren leichthändig intermediale Gemeinsamkeiten wie Abweichungen und erkennen interne »Fehler«, etwa wenn als sogenannte Breaking News die allmonatliche Veröffentlichung der genauen Zahl der Millionen Arbeitslosen wieder einmal als Tatsache verfestigt wird. Mediale Schemata sind Deutungsmuster, die in der Sozialisation erlernt werden; Weischenberg (ebd.: 111ff.) spricht von einer intersubjektiven Vereinbarung, die sich im Laufe der Journalismusgeschichte entwickelte. In der Ausbildung der Journalisten werden sie professionell verfestigt und finden im redaktionellen Sozialisationskontext Anwendung. Und dies nicht ohne Grund, wie der Journalist Walter Lippmann bereits 1920 pointiert darstellte: »Without standardization, without stereotypes, without routine judgments, without a fairly ruthless disregard of subtlety, the editor would soon die of excitement« (Walter Lippmann, zit. nach Meier 2007: 180). Die Rezipienten
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3.3 DIE ORDNUNG DES FELDES: FUNKTIONSKONTEXT erlernen diese Schemata im Laufe ihrer Sozialisation, wobei sie immer wieder Deutungsprobleme zu lösen und diese Schemata zu aktualisieren haben. In der Soziologie untersuchen die Begriffe Deutungsmuster, Rahmen, Diskurs oder Habitus (vgl. überblickend Willems 1997, 2000) ähnliche sinnhafte Schemata. Eine m.E. ertragreiche Zusammenführung der Erkenntnisse der Journalistik und der Soziologie steht nicht nur für den Bereich der Musikmagazine noch aus. Meier (2007: 188 ff.) stellt vier Bereiche der journalistischen Sphäre vor, die den Entstehungsprozess des veröffentlichten Medienprodukts beeinflussen. Er nennt als Dimensionen journalistischer Wahrnehmungsroutinen die Darstellungsform, das Berichterstattungsmuster, die Selbstwahrnehmung bzw. das Ressort der Redaktion sowie die Medienplattform im Sinne ihres technischen Potentials resp. ihrer darauf beruhenden Beschränkungen. Es fehlt die individuelle Ebene der Akteursposition, die alle diese Dimensionen vor dem Hintergrund eines individuellen und kollektiven professionellen Habitus verbindet. Unter Darstellungsformen sind Genres, Gattungen oder Formate zu verstehen, die Weischenberg (2001) in drei Gruppen sortiert: Nachrichtendarstellungsformen (Meldung und Bericht), Meinungsdarstellungsformen (Kommentar und Glosse) sowie die Unterhaltungsdarstellungsformen (Reportage und Feature); ausgenommen ist das Interview, das als zusätzlicher Typ bezeichnet wird, wenngleich es allen drei Funktionen (Informationsübermittlung, Meinungs(ab)bildung, Unterhaltung) dienen kann. Alle Formen gelangen in Musikzeitschriften zur Anwendung, jedoch sind sie mit feldtypischen Änderungen versehen: Nachrichten, wie die bloße Darstellung einer Meldung (»Oasis arbeiten am neuen Album im Studio«), dienen vor allem der Vorbereitung von Folgeberichten, sie sichern sich eine Haltung von Aufmerksamkeit in der Leserschaft; Berichte im Sinne des wertungsfreien Darstellens von Tatsachen finden sich in den vorliegenden Magazinen nicht. Meinungsdarstellungsformen sind vor allem in den einleitenden Worten der Redaktionen zu finden, im Rolling Stone beispielsweise mit »Steine aus dem Glashaus« poetisch umschrieben. Hier geht es um die Positionierung des Magazins wie etwa in der »My Typewriter«-Glosse des Rolling Stone oder im Vorwort der Spex, aber ebenso um das gezielte »Aus-dem-NähkästchenPlaudern«: Anhand von Anekdoten und Missgeschicken aus dem »Produktionsalltag« wird eine Offenheit des Magazins inszeniert und somit die Herstellung von Nähe zum Leser versucht. Die weitaus geläufigste journalistische Darstellungsform ist die Unterhaltungsdarstellungsform. In Reportagen und Features wird eine Band vorgestellt, der Besuch des Journalisten auf dem Pressetermin beschrieben oder in mit (Authentizität simulierenden)
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE Interviewausschnitten versehenen Portraits ein Sänger »gefeatured«, wie es im Jargon heißt. Berichterstattungsmuster sind dagegen Strategien, Berufsbilder und Berufsauffassungen, »die zu einem Teil der persönlichen Einstellung der Journalisten, der redaktionellen Routinen und der allgemeinen Berufskultur geworden sind« (Meier 2007: 183).97 Meier (ebd.: 185) stellt verschiedene Journalismus-Konzeptionen mit entsprechenden Rollenbildern, Intentionen, Formen der Präsentation und Recherchemethoden dar. Beispielsweise tritt der Objektive Journalismus, der klar zwischen Nachricht und Meinung trennt (bzw. zu trennen meint), mit dem journalistischen Rollenbild des Vermittlers an, der die Abbildung der »Realität« durch die Wiedergabe »neutraler« Fakten intendiert. Dass derart Objektivität ideologisiert wird, was dann zur Bevorzugung offizieller Verlautbarungen mächtiger Institutionen — und damit zur Beeinflussbarkeit durch Public Relations — führen kann, wurde seit den 1960er Jahren ebenso zunehmend kritisiert wie die damit einhergehende Vernachlässigung von langfristigen Prozessen und Hintergründen. Das Rollenmodell des passiv übermittelnden Journalisten wurde somit allmählich obsolet, vielmehr entwickelte man die Idealvorstellung des aktiven, selbsttätig recherchierenden Journalisten, der seine vorgebliche Objektivität bereits durch die Themenwahl bereitwillig infrage stellte. Die in unserem Zusammenhang wichtigsten Berichterstattungsmuster sind diejenigen, die nicht mehr explizit zwischen Nachricht und Meinung trennen: der Interpretative Journalismus, der als Erklärer von Zusammenhängen und Hintergründen der Fakten und Ereignissen Orientierung stiften will; der Investigative Journalismus, der sich als »Wachhund der Demokratie« (ebd.) versteht und Kontroll- wie Kritikfunktion ausübt; der Meinungsjournalismus, in dem Parteigänger offensiv Meinungsformung betreiben — auch durch die absichtliche Vernachlässigung anderer Ansichten; der Literarische (»Neue«) Journalismus, in dem Journalisten als Stilisten und Unterhalter auftreten, die wortgewandt eher subjektive Sensibilitäten schildern denn zwingende Fakten; der Anwaltschaftliche Journalismus, der für Minderheiten und vernachlässigte Mehrheiten (etwa Ältere oder Kinder) eine Gegenöffentlichkeit anspricht und Verständnis und Solidarität erwirken will; der Ratgeberjournalismus, der Lebenshilfe bei verschiedensten (Alltags)Problemen bereitstellt; schließlich der Public Journalism, der als Organisa-
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Die Unterscheidung voneinander erscheint besonders schwer; daher wurden im folgenden Kapitel für die analytische Beschäftigung mit den Aussagen der Redakteure die Selbstbeschreibungen des Berufsbildes der Journalisten getrennt von ihren Darstellungen der Routinen der Auswahl und Präsentation.
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3.3 DIE ORDNUNG DES FELDES: FUNKTIONSKONTEXT tor eines Dialogs vor allem für lokale Probleme — etwa durch Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit im »Bürgerreporter« — ein Forum schafft. Für den Popmusikjournalismus als Berichterstattungsmuster ist vor allem der Literarische Journalismus, auch new journalism oder Gonzo-Journalismus genannt, prägend, wie er in den Texten von Lester Bangs oder dem Gonzo-Journalisten Hunter S. Thompson zuerst in Popmusikzeitschriften erschien. Aber auch das gegenkulturelle Image früher US-amerikanischer Rolling Stone- oder Creem-Hefte ist anzuführen, die Berichterstattungsmuster des Anwaltschaftlichen, Interpretativen und Meinungsjournalismus übernahmen. Das Bemühen um eine Art des Public Journalism — wenngleich klassische journalistische Darstellungsmuster hier keine Verwendung finden — ist heutzutage in den Foren erkennbar, welche die Magazine im Internet betreiben. Denn hier findet tatsächlich eine Organisation von Dialog statt, die allerdings nicht mehr unter der thematischen Leitung des Musikredakteurs steht. Relativ neu in den Magazinen ist der sogenannte Nutzwertjournalismus, der sich als Ratgeber versteht und bei Lösungen von Problemen hilft, wenngleich diese in erster Linie konsuminduzierte Probleme sind: Welche Computerspiele sollen angeschafft werden? Welche Boxen eignen sich am besten für das Abspielen von MP3-Dateien? Welche Jeansmarke hat man in diesem Frühling zu tragen usw.? Hier zeigt sich ein Dienstleistungsgedanke, der schließlich bis in den Rezensionsteil der Magazine seinen Niederschlag findet (vgl. dazu die Selbstbilder der Musikredakteure in Kap. 4.2 Rollenkontext). Als dritter Punkt journalistischer Wahrnehmungsroutinen spielt das Ressort der Redaktion eine entscheidende Rolle. »Nur Themen, die strukturell in der Redaktion verankert sind, werden wahrgenommen« (Meier 2007: 161). Für eine Tageszeitung lässt sich das anschaulich erläutern. Die für den Politikteil zuständige Redaktion nimmt die Ereignisse eines Tages anders wahr als die Lokalredaktion oder die Sportredaktion. Für ein Musikmagazin, das bereits thematisch vergleichsweise eng agiert, ist diese Routine weniger kennzeichnend. Die Tatsache jedoch, dass allein für Popmusik bereits mehrere Magazine zuständig sind, ist ein Kennzeichen der Ausdifferenzierung des Journalismussystems, der kulturindustriellen Verfeinerung des Erreichens einer größeren Öffentlichkeit für ihre Produkte und mithin der Gesellschaft. Was durch dieses Raster der journalistischen Wahrnehmung fällt, ist popmusikalisch für die Öffentlichkeit nicht präsent — und damit als gruppenübergreifendes und demnach gesellschaftliches Thema nicht existent. Die interne Struktur der Zusammensetzung der Redaktion sowie ihrer ständigen Mitarbeiter und Kontaktpersonen ist dennoch wichtig für die konkrete Ausgestaltung des journalistischen Schreibens über Popmusik und die
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE hier präsentierten Inhalte und zwar in zweierlei Hinsicht: Es gibt zum einen die funktionale Trennung nach Zuständigkeiten für verschiedene Heftbereiche, die gefüllt werden müssen, zum anderen die thematische Spezialisierung einzelner Redakteure. Gerade für die Rezensionsseiten werden ganze Genres an fest freie Mitarbeiter ausgelagert, die den dortigen »Markt« der neuen Veröffentlichungen im Blick behalten sollen (bspw. Gerd Janson in der Spex für elektronische Tanzmusik oder Klaus von Seckendorff im Rolling Stone für den Jazz). Und in den Redaktionen gibt es interne Absprachen, dass einzelne Redakteure für Genres und Heftstrecken zuständig sind; IN 1 ist etwa für deutschsprachige Popmusik und die Rezensionen in der Intro verantwortlich. Als vierte Dimension der journalistischen Wahrnehmung gelten die spezifischen Möglichkeiten und Restriktionen, die sich aus dem Medium selbst ergeben. Das Themensuchen, die Themenentwicklung und -präsentation ist wesentlich auch durch das Medium geprägt, für das man journalistisch tätig ist. Wer für das Radio arbeitet, untergliedert beispielsweise seine Texte durch Pausen für Musikbeispiele, die exemplarisch und möglichst eindeutig das Gesagte belegen; wer für das Fernsehen arbeitet, kann kaum komplizierte Satzkonstruktionen wie in einem geschriebenen Fachtext verwenden; zudem bestimmt die Schnittfolge der Beiträge wesentlich die journalistische Sprache. Wer demzufolge für ein Musikmagazin arbeitet, nimmt anders wahr als ein Musikredakteur, der für den Hörfunk arbeitet. Das veröffentlichte Substrat beinhaltet dementsprechend eine Varianz, die durch das Medium, für das geschrieben wird, beeinflusst ist. Alle diese vier Dimension prägen die journalistische Wahrnehmungsroutine, wenngleich Meier (ebd.: 189) einräumt, dass die komplexen Zusammenhänge bei der Konstruktion von Medienrealität noch kaum erforscht seien. Die persönliche Ebene des Journalisten, sein Habitus, sein Geschmack — all dies findet in der journalistischen Literatur bisher keine Aufmerksamkeit. Weil die Soziologie schon lange erkannt hat, wie wichtig habituelles Handeln für die Ausgestaltung von Routinen ist, soll dem Habitus in der professionellen Arbeitsgestaltung der Redakteure im vierten Kapitel ein wichtiger Platz eingeräumt werden.
Zur Selektion und Gewichtung des Nachrichtenstoffes Unter dem Stichwort Nachrichtenselektion wird in der Journalistik der Verlauf der Rezeption, Auswahl und Präsentation von Ereignissen begriffen, die erst durch den von Journalisten unter bestimmten Maßgaben gestalteten Prozess zur Nachricht werden (vgl. Ruhrmann 2005). Dabei unterscheiden sich die existierenden Konzepte durch den Fokus ihrer Betrachtung: Die
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3.3 DIE ORDNUNG DES FELDES: FUNKTIONSKONTEXT Nachrichtenwert-Theorie charakterisiert Merkmale, die ein Ereignis haben muss, um zur Verarbeitung als Nachricht ausgewählt zu werden; die NewsBias-Forschung untersucht die Wirkung der Einstellung der Journalisten auf die ausgewählten Nachrichten; der Framing-Ansatz nimmt Interpretationsmuster von Journalisten wie Publikum in den Blick. Der älteste Ansatz, die Gatekeeper-Forschung, untersuchte zunächst vor allem den personalen Aspekt des Redakteurs, erst später öffnete sie sich für redaktionelle und organisatorische Kontexte. Gatekeeping — die Ebene der Kommunikatoren Die Gatekeeper-Theorie, die vom Journalisten in der Rolle des Türstehers ausgeht, der nur die wichtigen Nachrichten in den Club der Nachrichtenagenturen und Zeitungen lässt, ist in den USA in den 1940er Jahren entwickelt worden. Kurt Lewin, ein Sozialpsychologe, führte den Begriff ein (vgl. überblickend Joch-Robinson 1973; Staab 1990), da er im Nachrichtenfluss bestimmte Pforten als Kontrollinstanzen entdeckte.98 David Manning White führte 1949 eine Untersuchung durch (Manning White 1950), in der er den Begriff des Gatekeepers in die empirische Kommunikatorforschung überführte. Er befragte den Fernschreiberredakteur (wire editor) einer US-amerikanischen Tageszeitung, den anonymisierten »Mr. Gates«, nach den Beweggründen für seine täglichen Auswahlprozesse. Zwei Aspekte spielten dafür eine wesentliche Rolle: seine persönliche Einstellung — wozu auch die Vorstellung zu zählen ist, die Mr. Gates von seinem Publikum hat, das er mit Neuigkeiten glaubt versorgen zu müssen — und die organisatorischen Rahmenbedingungen. Im Wesentlichen, so das Ergebnis der Untersuchung, sei seine Auswahl vage begründet und äußerst subjektiv, außerdem ändere Mr. Gates weniger an einem Artikel in Layout 98
Lewin untersuchte 1942 die Gewohnheiten US-amerikanischer Hausfrauen beim Lebensmitteleinkauf. Er versuchte herauszufinden, nach welchen Gesetzmäßigkeiten welche Lebensmittel auf den Tisch kommen und daran anschließend, wie dieses Verhalten geändert werden könnte. Hintergrund seiner Psychologischen Ökologie war die Annahme, dass in jeder sozialen Institution verschiedene soziale und ökonomische Kanäle existieren, bei denen aufgrund von Entscheidungen Pforten geschlossen oder geöffnet werden. Als Gatekeeper wurden also Personen bezeichnet, die Auswahlentscheidungen treffen. Weiß man, welche Pforte welche Funktion hat, weiß man ebenfalls, welche Ursachen die Person an dieser Stelle zur Betätigung der Pforte angeregt hat, so die Hypothese. Wichtig für Lewin, der den Begriff des Feldes in die Psychologie einführte, war der Aspekt der Gruppenbezogenheit und der materiellen Situation — dies wurde in den ersten Studien zum Gatekeeping übersehen. Gatekeeper in diesem Sinne sind auch Lehrer, Dozenten, Netzwerke usw.; Lewin selber wies auf die Möglichkeit der Anwendung im journalistischen Selektionsprozess hin (vgl. Staab 1990: 12; Weischenberg 1998a: 318).
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE und Inhalt, je näher der Redaktionsschluss rücke (vgl. Frerichs 2005: 74). Siebzehn Jahre später wurde diese Studie mit dem gleichen Redakteur wiederholt (vgl. Snider 1967), die ähnliche Ergebnisse zutage förderte. So bleibt festzuhalten, dass — anders als Manning White dies damals voraussagte — das Auswahl- und Bearbeitungsverhalten von Redakteuren sehr konstant ist. Veränderungen im Selektionsverhalten sind deshalb eher auf Veränderungen in den Produktionsbedingungen des Mediums zurückzuführen (vgl. Weischenberg 1998a: 322). Neben diesem individualistischen Ansatz entwickelten sich bald darauf weitere, welche die institutionellen Aspekte stärker in Betracht zogen oder im zeitgemäßen Theoriegewand kybernetische Überlegungen bezüglich des Nachrichtenflusses anstellten. Für Weischenberg (ebd.: 320ff.) sind es vor allem die aus den 1950er Jahren stammenden Arbeiten von Warren Breed und Walter Gieber, welche die Aspekte Macht, Bürokratie und berufliche Sozialisation in die Kommunikatorforschung integrierten. Breeds (1973) Arbeit von 1955 stellte durch eine Befragung von 120 Journalisten mittelgroßer US-amerikanischer Tageszeitungen fest, dass sie in einem dreistufigen Modell (Kükenstufe, Einarbeitungsphase, Veteranenstufe) die ›Hausregeln‹ der Redaktion automatisch erlernen. Gerade die Veteranen haben die Regeln derart verinnerlicht, dass eine weitgehende Identifizierung mit dem Betrieb eintritt. Neulinge passen sich deshalb schnell an, weil sie Sanktionen fürchten, die ihren beruflichen Aufstieg gefährden könnten. Gieber (1956) entdeckte in einer anderen, kleineren Untersuchung ähnliche Prozesse der Anpassung. Im Übertrag auf das Gatekeeping bestimmen demnach eher die Regeln des Feldes die professionelle Arbeit als individuelle Motive. Gatekeeper sind diesen Arbeiten zufolge also keine individualistisch handelnden Subjekte, sondern handeln immer im Rahmen von Organisationen, deren Regeln und sozialen Rahmenbedingungen (vgl. auch Gieber 1972). Zunehmend wurden in der Gatekeeperforschung Institutionen und Organisationen untersucht, das journalistische Subjekt rückte immer mehr in den Hintergrund. Die Deutsch-Kanadiererin Gertrude Joch-Robinson (1976) untersuchte Ende der 1960er Jahre die Auslandsredaktion einer jugoslawischen Zeitung und erklärte dortige Prozesse im Sinne der Kybernetik. Sie entdeckte dreistufige Hierarchien innerhalb der Gatekeeper und fand formelle und informelle Gruppen, die durch Rückkopplung den Redaktionsablauf steuerten. Pamela J. Shoemaker (1991) stellte eine Systematisierung des Ansatzes auf fünf Ebenen vor, der relativ eng mit Meiers (2007: 65ff.) fünf Ebenen bzw. Weischenbergs Zwiebelmodell übereinstimmt. Auf der individuellen Ebene hebt sie die Bedeutung von Rollenbild und professioneller Erfahrung hervor, auf der Ebene der Routinen verortet sie die professionel-
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3.3 DIE ORDNUNG DES FELDES: FUNKTIONSKONTEXT len Verfahrensweisen etwa beim Aufbau einer Nachricht, Bebilderung usf. Die organisatorische Ebene umfasst den redaktionellen und ökonomischen Einfluss auf das Gatekeeping, die »Extramedia«-Ebene beschreibt den Einfluss von Institutionen und Individuen von außerhalb der Redaktion auf das Gatekeeping. Hier werden die Einflüsse der Public Relations verortet, der Werbewirtschaft, aber auch das Publikumsverhalten, das durch Kauf (oder Einschalten bzw. heutzutage: Klicken) einen Einfluss auf die Nachrichtenauswahl hat. Schließlich ist die letzte Ebene die der Kultur und Ideologie. Die Theorie des Gatekeepers, der institutionellen vermenschlichten Nachrichtenschleuse, ist in dreierlei Hinsicht zu diskutieren: erstens bezüglich ihrer Bestimmung der »Nachricht«, zweitens bezüglich ihrer Vorstellung des unidirektionalen Kommunikationsprozesses im »Nachrichtenfluss« und drittens bezüglich der Veränderung der Kommunikationsstrukturen durch das Internet. Was eine Nachricht ist oder was eben gerade keine Nachricht ist, steht nicht von vorneherein als objektive Ereignisqualität fest, sondern wird Realität erst durch das journalistische Handeln. Gatekeeper kontrollieren deshalb auch nicht einen Informationsfluss, in welchem fortwährend »Nachrichten« vorbeiströmen, sondern erst durch ihre Themenwahl, deren Bearbeitung, Präsentation und Veröffentlichung sowie die Rezeption und Aneignung durch die Leser werden Nachrichten kulturell hergestellt. Wie der Türsteher aufgrund von bestimmten Regeln und Auffassungen einige Besuchswillige der Tür verweist und andere eben erst durch das Gewähren des Einlasses zu Besuchern und damit Akteuren des eigentlichen Clubs bzw. Clubgeschehens macht, agiert auch der Journalist: Erst durch sein Handeln erschafft er die Nachricht als soziale Tatsache, vorher ist es ein Ereignis (im Sinne eines einfachen Es-ist-geschehen, nicht im Sinne des Events) neben anderen. Durch die Auswahl des Journalisten wird es zur Information für eine Suböffentlichkeit, die Leser der jeweiligen Zeitschrift, die ihr Handeln und Denken anhand dieser Nachricht orientieren oder eben nicht — inwieweit dies geschieht, versucht die Medienrezeptionsforschung zu eruieren. In der heutigen Welt ist es in den meisten Fällen jedoch so, dass die Leser bereits über Wissen über ein Ereignis aus anderen Quellen verfügen, wie etwa dem Internet — nicht immer handelt es sich dabei um ein journalistisch hergestelltes Nachrichtenwissen, mitunter wird im Sinne des Klatsches auch ein Ereignis fernmündlich von User zu User kolportiert. Ohne hier weiter auf sich daraus ergebende Fragen bezüglich der Informiertheit bzw. der nötigen Medienkompetenz eingehen zu können, muss für das Gatekeeking die Vorstellung vom Journalisten als einziger Kontrolleur der Informationen, als diejenige Schleuse, an der alle Nachrichten vorbeiströmen müssen, ak-
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE tualisiert werden. Der Journalist ist nicht mehr der alleinige Insider, der den Outsidern sein Wissen mitteilt, sondern er agiert vor einem Pool von Ereignissen, die allen bzw. allen Computerbesitzern mit Internetanschluss zugänglich sind. Daraus wählt er bestimmte Ereignisse zur Veröffentlichung vor einer Suböffentlichkeit aus (vgl. Singer 1997). Außerdem wird im Gatekeeper-Ansatz der Zufluss, die Quelle der Informationen nicht betrachtet. Wie Nachrichten-Agenturen oder PR-Agenten arbeiten, die diese Quellen mit dem Ziel der Einflussnahme erzeugen, wird nicht berücksichtigt. Dies mag zurückgehen auf die Untersuchung von Manning White, der zwar die verschiedenen »Schleusenwärter« (Korrespondent, Redakteur bei Nachrichtenagenturen, Chefredakteur usf.) benennt, sich aber in der Studie auf Mr. Gates konzentriert, denjenigen Redakteur, der für die Auswahl, Aufmachung und Platzierung der Nachrichten zuständig ist. Es sei nicht einzusehen, moniert Weischenberg (1998a: 320), warum dem Nachrichtenredakteur am Ende der Kette der Nachrichtenentstehung eine derart wichtige Rolle zugemessen werde. Mit Verweis auf Bourdieu wird noch einmal klar, dass das Handeln von Journalisten auf dem Feld des Journalismus nur verstanden werden kann, wenn die Logik des Feldes, seine Beschaffenheit und die Akteure in den Blick genommen werden. Das bedeutet, man muss für den Blick auf denjenigen Kommunikator, der in der Redaktion Nachrichten selektiert, seine jeweilige Motivation und das soziale, ökonomische und politische Setting der Entscheidung ebenso berücksichtigen wie das vorgängige Entstehen von Ereignissen auf einem Feld, in dem um Einfluss und Positionen sowohl von Institutionen wie auch Akteuren gerungen wird. Was ist dann jedoch noch der Nutzen des Kommunikators, was ist — systemtheoretisch argumentiert — seine gesellschaftliche Funktion, wenn ohnehin die meisten Menschen Zugang zu diesen Informationen haben? Der Redakteur wie auch das System Journalismus als Ganzes ist heute eher zu beschreiben als Garant für die gute Auswahl sowie für die auf journalistischem Handwerk beruhende Aufbereitung und Präsentation von Nachrichten in einem Medium, das einem Publikum ein Forum der Information und Unterhaltung bietet. Was hier vorliegt, ist also die positive Wendung des schlechthin als negativ beschriebenen Einflusses der Gatekeeper auf die öffentliche Meinung. Wir sind demzufolge geradezu darauf angewiesen, dass professionelle Instanzen für uns die Welt und ihre Ereignisse vorsortieren, da wir nicht mehr — bereits aufgrund des zeitlichen Aspekts — in der Lage sind, sie alleine zu überblicken, gleichwohl die technischen Kapazitäten gegeben sind. Der Gatekeeper gilt in dieser Sicht nicht mehr länger als Wachhund und Türsteher, sondern entwickelt sich zu einem Dienstleister des Informationsmarktes. Und in der segmentierten Welt der Zeitschriften mit
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3.3 DIE ORDNUNG DES FELDES: FUNKTIONSKONTEXT ihrem relativ engen Zielgruppenbezug ist diese Einstellung sogar bei den Redakteuren wieder zu finden. Nachrichtenwerttheorie — die Ebene der Ereignisse Nachrichtenfaktoren sind diejenigen Merkmale von Ereignissen, welche die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass über sie berichtet wird. Je mehr Nachrichtenfaktoren zutreffen, desto höher ist der Nachrichtenwert. Diese Nachrichtenwerte werden vom Nachrichtenmarkt (Agenturen, PR-Stellen, Labels, Leser) attributiert oder/und durch journalistische Routinen bei Selektion und Publikation eingeübt und verwendet. Für die Nachrichtenwerttheorie ist also nicht der Akteur die entscheidende Einheit des Auswahlprozesses, sondern das auszuwählende Ereignis. Deshalb wird in diesem Ansatz in der Regel retrospektiv mit der Methode der Inhaltsanalyse gearbeitet. Die ersten Studien (Galtung/Ruge 1965; Östgaard 1965) entstanden im Rahmen der Konflikt- und Friedensforschung, in Deutschland wurde die Nachrichtenwerttheorie durch die Arbeiten von Winfried Schulz in den 1970er Jahren bekannt (vgl. Ruhrmann 2005).99 Er führte mehrere Dimensionen auf, die ein Ereignis besitzen kann, um als Nachricht in politischer medialer Kommunikation ausgewählt zu werden. Jede der Dimensionen — Schulz (2008: 90) nennt Status, Valenz, Relevanz, Identifikation, Konsonanz und Dynamik — ist unterteilt in Nachrichtenfaktoren, die als Merkmale von Ereignissen ihren Nachrichtenwert bestimmen. Kurz: je mehr Faktoren aktiviert werden, desto wahrscheinlicher ist es, dass aus dem Ereignis eine Nachricht wird. Für die Dimension Status werden die Faktoren Elite-Nation, -Institution und -Person genannt; hier geht es um die Macht und den Einfluss der jeweils beteiligten Faktoren. Valenz ist durch die Faktoren Aggression, Kontroverse, Werte und Erfolg gekennzeichnet, Relevanz durch Tragweite und Betroffenheit. Identifikation umfasst Nähe, Ethnozentrismus und Emotionalisierung, die Faktoren Thematisierung (je stärker ein Ereignis zu Themen der Zeit in Bezug gesetzt werden kann), Stereotypie und Vorhersehbarkeit definieren die Dimension Konsonanz. Beispielsweise bedeutet dies in der Dimension Dynamik, die durch die Faktoren Frequenz, Ungewissheit und Überraschung gekennzeichnet ist, dass je mehr der Ereignisablauf der Erscheinungsperiodik des Mediums entspricht, desto höher sein Nachrichtenwert für den Faktor Frequenz ist. Manche Ereignisse haben je-
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Der Ansatz ist sogar bis in die 1920er Jahre zu Walter Lippmanns Überlegungen über die »news values« und eine daran anschließende nordamerikanische Forschungstradition zurückzuverfolgen (vgl. Staab 1990: 40ff.; Ruhrmann 2005: 317).
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE doch einen höheren Wert: je ungewisser und je überraschender der Ereignisverlauf ist, desto eher wird über ihn berichtet. Wichtig zu wissen ist, dass dieser Kriterienkatalog retrospektiv erstellt wurde, also keine Checkliste aus der praktischen Anwendung darstellt. So erklärt sich, dass manche der Faktoren redundant erscheinen (Stereotypie und Vorhersehbarkeit). Hans Mathias Kepplinger (2006) weist darauf hin, dass nicht alle Faktoren immer gleich gewichtet sein müssen, es gebe durchaus medienspezifische Unterschiede. Zudem mögen einige zusätzliche Faktoren, wie Meier (2007: 195) betont, nicht aus den Nachrichten selbst hervorgehen, die ja die Grundlage der Inhaltsanalyse darstellen. Er nennt als Beispiel den Aspekt der die Veröffentlichung durchaus mitbestimmenden Materiallage in den Redaktionen. Praktisch bedeutet dies: Hat man kein Videomaterial zur Verfügung, kann die Nachricht mit an sich hohem Nachrichtenwert nicht als erste Meldung in der Tagesschau gebracht werden. Hat eine Musikzeitschrift keine aktuellen Fotos eines Musikers, kann kein Feature gedruckt werden.100 Was sich in dieser Kritik an der Nachrichtenwert-Theorie andeutet, sind die den Selektionsprozess mit bestimmenden Aspekte der Produktion, die folgend im Framing-Ansatz als für die Auswahl aktiviertes professionelles Denkmuster erklärt werden — und die eben keine Eigenschaften des Ereignisses an sich darstellen. In einem integrierten Modell versucht Ruhrmann (2005: 319) deshalb, Nachrichtenfaktoren als von Nachrichtenframes aktivierte, routinierte und veränderbare Muster der Nachrichtenauswahl darzustellen. Staab dagegen kommt nach einer umfangreichen empirischen Überprüfung der Nachrichtenwert-Theorie zu dem Schluss: »[Es] muß die Frage offen bleiben, ob ›objektive‹ Nachrichtenfaktoren, institutionelle Prozesse (z.B. Einflußnahmen des Verlegers oder des Chefredakteurs), strukturelle Vorgaben (z.B. Raum- bzw. Zeitmangel) oder subjektive Kriterien (z.B. Wertsystem oder Einstellungen) die Entscheidungen von Journalisten, über ein Ereignis oder einen Sachverhalt überhaupt zu berichten, steuern und in welchem Verhältnis die verschiedenen potentiellen Einflußgrößen zueinander stehen. Diese Frage kann nicht allein anhand von quantitativen Inhaltsanalysen beantwortet werden; ihre Beantwortung setzt vielmehr — sieht man von experimentellen Studien ab — einen breiten methodischen Zugriff voraus, bei dem Inhaltsanalysen mit detaillierten Befra-
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Die Spex etwa fordert von den Musikern das Recht, eigene Fotos machen zu können, da sie keine Promotionbilder abdrucken will. Der eigene Blick sei essenziell für das Selbstverständnis des Magazins (vgl. Dax 2008a: 13) — und stellt so sicherlich ein Instrument dar, sich auch visuell von den konkurrierenden Zeitschriften zu unterscheiden.
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3.3 DIE ORDNUNG DES FELDES: FUNKTIONSKONTEXT gungen von Journalisten und Beobachtungen in der Redaktion kombiniert werden« (Staab 1990: 214f.). Zudem ist der Kritik an der Nachrichtenwert-Theorie anzufügen, dass der Schwerpunkt der Forschung bisher auf dem politischen Bereich lag. Andere Ressorts und Medienformen sind nicht betrachtet worden. Dennoch erscheint die Nachrichtenwert-Theorie als ein Erklärungsmodell der Konstruktion popmusikalischer medialer Wirklichkeiten angeraten, wenn wir uns im nächsten Kapitel den Wirklichkeiten der Redakteure zuwenden. News Bias-Forschung und Framing-Konzept — die Ebene der Deutungsmuster In der News Bias-Forschung wird der Zusammenhang der politischen Einstellung von Journalisten und der jeweils vorgenommenen Nachrichtenselektion und -präsentation untersucht. Man geht davon aus, dass die Weltsicht der Journalisten sich in einer Bevorzugung derjenigen Themen niederschlägt, die ihnen am nächsten sind. Empirische Belege für den Zusammenhang zeigen, dass sich politische Überzeugungen tatsächlich auf die Nachrichtenproduktion auswirken können; besondere Verzerrungen werden dabei in der Synchronisation von Kommentar und Nachricht in Tageszeitungen entdeckt, die eine redaktionelle Linie des Verlags stützen, oder in der Bevorzugung der Zitate von opportunen Zeugen (vgl. überblickend Ruhrmann 2005: 318; Schulz 2008: 102ff.; Staab 1990: 27ff.). Methodisch wird zumeist mit den Instrumenten des Experiments oder der Inhaltsanalyse, kombiniert mit Befragungen der Journalisten, gearbeitet. Staab (1990: 27) kritisiert, dass weder der Einfluss der Einstellung der Journalisten zur gesellschaftlichen Funktion ihres Mediums noch die Auswirkung ihres Rollenselbstverständnisses auf die Nachrichtenselektion untersucht wurde. Dennoch lässt sich festhalten, dass Verzerrungen der »Realität« — die es in der konstruktivistischen Perspektive nicht gibt — in den Medien aufgrund von journalistischen Einstellungen sowie Blattlinien auftreten. Bereits 1922 stellte der Journalist Walter Lippmann in seiner Monografie über die Öffentliche Meinung fest, »daß Nachrichten und Wahrheit nicht dasselbe sind und klar voneinander unterschieden werden müssen« (Lippmann 1990: 243). Im Prozess der Nachrichtenproduktion kommt es immer wieder zu Divergenzen zwischen der persönlichen politischen Haltung und der des Mediums, für das die Journalisten arbeiten. Die deutschen Journalisten schätzen sich in der Selbstwahrnehmung im Durchschnitt politisch eher links orientiert ein (verglichen mit dem Durchschnitt der Bevölkerung), während der politischen Grundlinie des eigenen publizistischen Organs eine konservativere Position als die eigene zugeschrieben wird (vgl. Weischenberg/Malik/Scholl 2006:
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE 70ff.). Man müsse daraus schließen, folgert Schulz (2008: 104), dass ein Großteil der deutschen Journalisten in einer Art ideologischer Diaspora arbeitet, vielleicht sogar gegen die eigenen Überzeugungen professionell schreibt und redet. Für den Übertrag auf die Musikmagazine erscheint weniger die politische Einstellung der Redakteure interessant, die m.E. der durchschnittlichen Selbsteinschätzung der deutschen Journalisten folgen dürfte, sondern die musikbezogene Einstellung der Redakteure, die der News Bias-Forschung zufolge sich auch in der Nachrichtenselektion und -präsentation äußern wird. Wie schlägt sich der Musikgeschmack der Redakteure in ihrer Arbeit nieder, wie schätzen sie das Medium ein, für das sie arbeiten? Es wird zu zeigen sein, dass besondere Vorkehrungen getroffen werden, die einem zu großen Bias der eigenen Musikberichterstattung Vorschub leisten sollen. Deutungsmuster bzw. Frames stellen als kognitive Strukturen Deutungsmöglichkeiten bereit, die durch Erfahrungen erworben und kategorisiert wurden. Mithilfe dieser Frames ist die Einordnung bzw. — um im Bild zu bleiben — die Rahmung eines neuen Ereignisses durch Zurückführung auf bekannte Muster schneller zu leisten. Man kann es somit besser erfassen und einsortieren in erlernte Zusammenhänge, vor deren Hintergrund eine leichtere Interpretation gelingt; diese Rahmen können aber auch helfen, Ereignisse leichter dem Vergessen zuführen zu können. Das Framing-Konzept erlaubt, alle am medialen Kommunikationsprozess Beteiligten — die Journalisten, die Rezipienten und auch die Akteure der Medieninhalte, hier: die Musiker — auf zugrunde liegende gemeinsame Muster des Umgangs mit Medien zu untersuchen. Die Grundannahme ist dabei, dass die medialen Selektionen, Verarbeitungen und Akzentuierungen der Journalisten Rahmen der Verarbeitung beim Publikum vorwegnehmen, da sie über ein gemeinsames Rahmenwissen verfügen. Das Publikum erkennt die professionellen Rahmen und wendet sie an, die Musiker wissen, welche Rahmen sie aktivieren müssen, um journalistisch gerahmt zu werden (vgl. Schulz 2008: 149). 101 Der hier interessierende journalistenzentrierte Framing-Ansatz (vgl. Scheufele 2003: 49) untersucht diejenigen Frames, die bestimmen, welche Ereignisse nachrichtenrelevant sind, welche Aspekte dieser Ereignisse betont werden, welche Arbeitsroutinen berührt werden und in welchen thematischen Kontext man die Nachricht einbettet. Einerseits entscheiden
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In der Soziologie existiert ein großer Literaturkörper zum Rahmenansatz. Hier bieten sich ausgearbeitete Konzepte von Erving Goffman (1980) zur Rahmenanalyse an, aber auch andere strukturierende Sinngebilde wie Bourdieus Habitus oder das Deutungsmusterkonzept von Oevermann werden in Zusammenhang mit dem Rahmenansatz diskutiert (vgl. überblickend Willems 1997).
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3.3 DIE ORDNUNG DES FELDES: FUNKTIONSKONTEXT Frames, welche Teile von Ereignissen selektiert werden, andererseits bestimmen sie die Strukturierung der Texte über diese Selektion. Sie definieren und erklären, bewerten und leiten journalistisches Handeln an (vgl. Dahinden 2006: 14). Für die Auseinandersetzung mit den Musikkommunikatoren weist das Framingmodell darauf hin, dass kognitive Prozesse bei der Sinngebung und Bewertung von Musikereignissen existieren, die auf allen Ebenen des massenmedialen musikbezogenen Kommunikationsprozesses von Bedeutung sind (etwa PR, Medieninhalte, Publikum), auch wenn die daraus zu schließende Dimensionierung der Untersuchung nicht ohne Weiteres einzulösen ist. Für die Hinwendung auf die Redakteure im folgenden Kapitel ist dennoch im Hinterkopf zu behalten, dass Muster der Auswahl und Strukturierung durch eine kognitive Instanz entstehen sowie in individueller und beruflicher Sozialisation erworben und adaptiert wurden.
Bezugsgruppen, Publikumsvorstellungen und Deutungsmacht von Journalismus Die Frage nach den Einflüssen auf die Arbeit der Journalisten hat sich 1910 bereits Max Weber (2001) in seinem Referat über die Soziologie des Zeitungswesens auf dem 1. Deutschen Soziologentag gestellt. Die »Art der Stoffbeschaffung« war angesichts der neuen Bedeutung der Nachrichtenagenturen schon damals von Interesse, sie ist es heute nach wie vor und vielleicht mehr denn je, wenn eine aktuelle Journalismusstudie die Zunahme von PR und eine geringere Zeit für Recherche bei den Journalisten feststellt (vgl. Weischenberg/Malik/Scholl 2006; s. auch Kap. 3.3 Rollenkontext). Weischenberg (1995: 190) attestiert Journalismus ohnehin eine »Strukturschwäche«, da er sich zu wenig auf eigene Recherche und stattdessen auf die Fremdlieferung von Inhalten stütze. Deshalb ist die Untersuchung der Art und der Orte von Recherche und Quellenmaterial für die Journalistik ein wichtiger Bestandteil ihrer Aufgaben. Recherche ist ein professionelles Verfahren der Informationsbeschaffung, -prüfung und -beurteilung. Sie versucht, Ereignisse zu rekonstruieren, neue Sinnzusammenhänge aufzuzeigen und öffentlich zu machen, die ohne diese journalistische Routine im Verborgenen geblieben wären. Zu unterscheiden ist sie von der redaktionellen Übernahme bzw. Bearbeitung von PR-Texten, die keine Informationsüberprüfung vornimmt. Recherchieren bedeutet, dass Journalisten eine aktive Rolle im professionellen Umgang mit Informationen einnehmen (vgl. Redelfs 2005: 390). PR (Public Relations) ist der strategische Versuch der Organisation von persuasiver Kommunikation zwischen einer Organisation und ihren Publika mit dem Ziel, kommunikative
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE Beziehungen zu Personen und Gruppen langfristig aufzubauen und zu stabilisieren, um derart für die Interessen der Organisationen Akzeptanz und schließlich Legimitation zu erwerben (vgl. Röttger 2005: 369f.). Zu den relevanten Bezugsgruppen des Journalisten gehören die Institutionen der Medien, mit denen er zusammenarbeitet, also Nachrichtenagenturen, Mediendienste und PR-Agenturen (zur Funktion und Geschichte der Public Relations vgl. Röttger 2005). Für das Feld der Musikredakteure ist es so, dass keine Nachrichtenagenturen existieren, die sich ausschließlich auf populäre Musik spezialisiert haben, sodass die Redakteure sich stattdessen fast ausschließlich auf Public Relations-Material von Band, Plattenfirma oder der beauftragten PR-Agentur stützen müssen, das mit einer gezielten Informationspolitik und Ansprache (vgl. Weinacht 2003) den Versuch der Beeinflussung unternimmt. Mitunter begeben sich die Journalisten und Redakteure von selbst in diese Abhängigkeiten, indem sie sich unaufgefordert in Newsletter von Plattenfirmen eintragen, um ihren Aussagen zufolge nichts »Wichtiges« zu verpassen. Die Struktur des Informationsflusses ist demnach hoch anfällig für die Weitergabe von erwünschten Inhalten. Gleichwohl sind bundesdeutsche Journalisten sich ihrer Abhängigkeit von externen Ereignissen bewusst, geben aber an, dass diese kaum einen Einfluss auf sie hätten (vgl. Weischenberg/Malik/Scholl 2006: 124ff.). Wie gezeigt werden wird, bilden die Musikjournalisten gewisse Regeln und Praxen des Umgangs damit aus, um einen zu großen, oft als störend empfundenen Einfluss von diesen Seiten zu unterbinden (vgl. die Aussagen zu den Bezugsgruppen in Kap. 4.2 Funktionskontext). Unter dem Begriff der Bezugsgruppen werden in der Journalistik diejenigen Menschen gefasst, mit denen Journalisten beruflich wie privat zu tun haben. Einen großen Einfluss haben hier die Kollegen und die Vorgesetzten auf ihre Arbeit, einen weniger großen dagegen der Freundeskreis oder die Familie. Dies mag mit der zunehmend häufiger durchgeführten Technik des gegenseitigen Korrekturlesens zusammenhängen, mit der die Journalisten untereinander einen gewissen Einfluss auf die Arbeit des anderen ausüben. Eine wichtiger werdende Bezugsgruppe ist das Publikum der Medien, da wie oben geschildert die Ausrichtung der Zeitschriften an den Wünschen der ›Kunden‹ vermehrt eingefordert wird. Jedoch befinden sich die Medien in der Beziehung zu ihren Adressaten prinzipiell in einem Modus der Unsicherheit, wie Weischenberg (1995: 253) süffig und treffend formuliert. Denn die Publika sind umso heterogener, je größer ein Medium und je allgemeiner sein Zuschnitt (bspw. wie im Fall der Tageszeitung) ist, was lediglich Ahnungen der Journalisten über die möglichen Kommunikationserwartungen ihres Publikums zulässt. An die Stelle des Publikums treten sogenannte Er-
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3.3 DIE ORDNUNG DES FELDES: FUNKTIONSKONTEXT satzreferenzen (ebd.), die das Publikum stellvertretend für die Journalisten abbilden: private Bezugspersonen, Einzelfälle des Kontakts zu Lesern, selbst Kollegen werden als Leser gesehen oder deren Erzählungen von einzelnen Leserkontakten für die eigene Vorstellung vom Publikum übernommen. In der Journalistik machte eine Pionierstudie (Pool/Shulman 1959) mit dem Titel der »newsmen’s fantasies« auf dieses Dilemma aufmerksam. Journalisten stellen sich ihr zufolge beim Verfassen von Nachrichten entweder freundliche und hilfsbereite Gesprächspartner vor oder kritische und aggressive. Journalisten mit einem positiven Bild wollen ihrem Publikum Freude bereiten und dafür von ihm bewundert werden, diejenigen mit einem negativen Bild betrachteten das Schreiben als Waffe, mit der sie den vorgestellten Leser besiegen wollen; ihnen geht es dabei um die Beseitigung von Unkenntnis oder Vorurteilen, Eigenschaften also, die sie innerhalb der Leserschaft vermuten. Journalisten bringen folglich ihr Bild vom Publikum mit ihren Kommunikationsabsichten in Übereinstimmung und arbeiten dementsprechend auch genauer an positiven resp. negativen Nachrichten. In einer Wiederholung der Studie erwiesen sich diese Bilder als stabil, es zeigte sich außerdem, dass die Bilder vom Publikum mit zunehmender Berufserfahrung an Bedeutung für die Journalisten verlieren (vgl. Weischenberg 1995: 255f.). Einer jüngeren Studie (Weischenberg/von Bassewitz/Scholl 1989), in der sowohl Journalisten als auch das Publikum befragt wurden, ist zu entnehmen, dass die Journalisten das politische, wirtschaftliche und kulturelle Orientierungsbedürfnis ihres Publikums unter-, dafür aber dessen Unterhaltungserwartungen überschätzen. Journalismus schwankt zwischen den Polen der Publikumsmissachtung einerseits, fasst Meier (2007: 103) zusammen, und andererseits einer starken Orientierung am Unterhaltungs- und Servicebedürfnis des Publikums, die durch Formen des redaktionellen Marketings verstärkt wird. Wie zu zeigen sein wird, wissen auch die Musikjournalisten kaum, mit wem bzw. für wen sie es zu tun haben. Diffuse Vorstellungen über die Zusammensetzung und die Kommunikationserwartungen des Publikums existieren auch hier. Von einer Publikumsmissachtung kann allerdings genauso wenig die Rede sein wie von einer Ausrichtung des redaktionellen Handelns allein an den — vorgestellten! — Wünschen des Publikums. Da die vorrangige öffentliche Aufgabe des Journalisten in der Selbstbeobachtung der Gesellschaft liegt, sind Themenwahl und die Art der Präsentation prägend für unser Bild der »Mediengesellschaft«. Im Agenda SettingAnsatz (vgl. überblickend Rössler 2005) wird davon ausgegangen, dass die Relevanz dieser Themen und der ihnen zugrunde liegenden Sachverhalte für das Publikum durch die Gewichtung in den Medien — ablesbar am Ausmaß
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE ihrer Präsentation und Persistenz — bestimmt wird. Maxwell McCombs gilt als Mitbegründer und Hauptvertreter dieses Ansatzes, der zeigt, um welche Themen sich Menschen Gedanken machen — und übrigens nicht, wie oft geglaubt wird, welche Meinung sie dazu vertreten. In der Theorie können die Reaktionen der Medienrezipienten auf die Themen der Medien unterschiedlich ausfallen: Einerseits vertritt die Theorie der Schweigespirale (Noelle-Neumann 1980) die Ansicht, dass Menschen ihre von der Öffentlichen Meinung abweichenden Einstellungen zu bspw. politischen Themen umso eher zurückhalten, je mehr diese Themen in den Medien angesprochen werden. Da Noelle-Neumann von einer angeblich nach links verzerrten politischen Berichterstattung ausgeht, schweigen immer mehr Andersdenkende und die ehemalige Minderheitenmeinung der Medien verfestige sich zusehends zur Öffentlichen Meinung. Ein anderes Medienwirkungsmodell geht davon aus, dass Menschen aus derselben Furcht vor sozialer Isolation dem Bandwagon-Effekt verfallen, d.h. anstatt sich weiter zu isolieren, laufen sie nun der Musikkapelle, sprich: derselben Meinung wie alle anderen hinterher (vgl. Meier 2007: 115f.). Dieser Mitläufereffekt ist weniger untersucht als die Theorie der Schweigespirale,102 aber nicht weniger umstritten. Denn hinter diesen Annahmen zur Medienwirkung steht in aller Regel ein sehr einfaches Kommunikationsmodell, das sich nur wenig über StimulusResponse-Vorstellungen hinauswagt. Elisabeth Noelle-Neumann (1987) hat mit dem mehr oder weniger guten Bonmot der getarnten Elefanten versucht, die Agenda-Setter metaphorisch zu umschreiben, die angeblich wirkungsmächtig Manipulationen der Öffentlichkeit vorbereiteten und durchführten — was Weischenberg (1989) in einer Replik dazu veranlasste, von den enttarnten Elefanten zu sprechen. Er wies in der Folge darauf hin, dass ein Ende derartiger kausaler Wirkungsaussagen aufgrund eines komplexen Gefüges von Medienaussagen, Kommunikatoren, Medien und Rezipienten erreicht sei (vgl. Weischenberg 1995: 327ff.). Denn mittlerweile ist das Bild der Kommunikation zwischen Autor und Lesendem, Sender und Hörendem und bzw. oder Sehendem ein wenig detailreicher geworden, sodass man sich die angebliche Macht der Medien als durch vielerlei Einflüsse gebrochen vorstellen muss. Neuere Ansätze wie die 102
Rössler (2005) spricht von über 300 Arbeiten, die sich mit der Schweigespirale und dem Agenda Setting befassen. Meist werden Themenanalysen durch inhaltsanalytische Methoden zu einer Medienagenda zusammengestellt, die dann einer durch Demoskopie gewonnenen Publikumsagenda gegenübergestellt werden. Mit qualitativen Methoden wird fast nie gearbeitet, sodass auf der individuellen Ebene kaum Aussagen über Wirkungen der Medien getroffen werden können.
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3.3 DIE ORDNUNG DES FELDES: FUNKTIONSKONTEXT Cultural Studies oder Handlungs- und strukturanalytische Ansätze platzieren in qualitativen Untersuchungen die Rezipienten im Fokus ihrer Studien (vgl. Prommer/Mikos 2005). Grundlegend sind für sie die von Stuart Hall (1980) vorgestellten Überlegungen, wonach sich Menschen eigenständig einen Sinn aus Medienangeboten im Prozess der Aneignung vor einem jeweils zu bestimmenden spezifischen sozialen Hintergrund und Sinngefüge machen. Eindimensionale Vorstellungen über Medienwirkungen sind damit aus dem Weg geräumt. Anzufügen ist diesen Ansätzen, dass für eine umfassende Perspektive auf Medienwirkungen zudem Blicke auf institutionelle Aspekte der Erstellung der Medienaussagen geworfen werden sowie die Kommunikationsabsichten der Kommunikatoren erfasst werden müssen — die eben nicht einfach »den Medien« per Inhaltsanalyse entnommen werden können. Eine interessante Überlegung für die Erklärung medialer Wirkung bietet Pierre Bourdieu (1987: 375ff.). Die Wirkung der Medien beruhe auf Wahlverwandtschaften, die sowohl Leser als auch Journalisten bzw. Redakteure und zudem die Chefredakteure resp. Verlagsleiter, welche die Redakteure beschäftigen, nach dem Prinzip möglichst großer Ähnlichkeiten eingehen. Übertragen auf beispielsweise den Rolling Stone wäre ein guter Redakteur einer, der diesen Beruf gewählt hat nach den Regeln, die ihn dazu gemacht haben, und der — ohne dass es ihm tatsächlich bewusst wäre — die Sprache der Zeitschrift spricht und typischerweise einer ihrer Leser sein könnte:103 »Ganz im Sinne des Gesetzes, wonach nur Gläubige zu überzeugen sind, hat ein Kritiker ›Einfluß‹ auf seine Leser einzig in dem Maße, in dem sie ihm diesen Einfluß einräumen, weil sie in ihrem Gesellschaftsbild, ihrem Geschmack und ihrem Habitus strukturell mit ihm übereinstimmen« (Bourdieu 1987: 372). Der Habitus steht demnach am Ursprung dieser Wahlverwandtschaften. Er ist ein sozialer Instinkt, der seine Anhaltspunkte für Übereinstimmungen in den verschiedensten Zeichen sucht, wie sie auch und vor allem in der Sprache übermittelt werden. Eine Untersuchung der Medienwirkungen hat deshalb unbedingt die Rekonstruktion individueller Perspektiven zu leisten und auf ihre interindividuelle Ähnlichkeit zu überprüfen. Und dies sowohl auf der Rezipienten- wie auch auf der Produzentenseite, um dem immer noch im Dunkeln liegenden Weg der medialen Wirkung auf die Spur zu kommen. Denn, um dieses Kapitel über Funktionskontexte zu schließen, ein Voranschreiten auf diesem Forschungsgebiet ist angesichts der Zunahme medialer Kommunikation dringend geboten: »Am Ende ist die Frage unent103
Ohne dem nächsten Kapitel vorweggreifen zu wollen: Tatsächlich waren die befragten Redakteure des Rolling Stone begeisterte Leser des Blattes gewesen, bevor sie sich um eine Beschäftigung dort bewarben.
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE scheidbar, wer den wichtigsten Hebel umlegt und wann die Medien wie wirken. Aber: Es ist keine Frage, das die Menschen noch nie so stark ihre Weltbilder mit Hilfe der Medien zeichneten und dass ihnen mehr denn je die Journalisten dabei die Hand führten« (Weischenberg/Malik/Scholl 2006: 13).
Rollenkontext: Zur Situation deutscher Journalisten In der Journalistik wird auf der Ebene der Rolle versucht zu erfassen, wer im Journalismus tätig ist, wie die Arbeitspraxis der Journalisten aussieht, wie sie sich auf ihr Handeln und Denken auswirkt sowie welchen professionellen Rollenerwartungen sie gerecht werden wollen und müssen. Hinter dem Begriff der Rollenerwartung verbirgt sich in der soziologischen Rollentheorie die Annahme, dass Erwartungen der jeder sozialen Beziehung zugrunde liegende Tatbestand sind, sodass aus den sozialen Rollen bzw. aus den mit ihnen verbundenen Ansprüchen und Einstellungen bestimmte Aktions-Reaktions-Formen abgeleitet werden können. Wenn sich Erwartungen von individuellen Sozialbeziehungen ablösen und verfestigen, spricht man von Prozessen der Institutionalisierung (vgl. Hillmann 2007: 195f.), die in der journalistischen Rolle vorliegen und untersucht werden können. Journalisten müssen bestimmte Fähigkeiten und Kompetenzen besitzen. Meier (2007: 219ff.) gibt einen Überblick, der leicht verändert wie folgt unterteilt werden kann: Erstens die Sachkompetenz, die das Allgemein- und Spezial- bzw. Ressort-Wissen betrifft; das Zugangswissen, d.h. wie man an Informationen gelangt, wird aufgrund des schnellen Alterns von Wissen als wichtiger bewertet als das Detailwissen. Zweitens ist die Fachkompetenz zu nennen, das »Handwerkszeug« des Journalisten: Recherche, Selektion, Redigieren. Darunter fällt auch das Medienwissen, d.h. das Wissen darum, wie innerhalb des Betriebs oder des Medienfeldes effektiv gearbeitet werden kann. Drittens gilt die Vermittlungskompetenz als Schnittmenge der beiden; angesprochen werden hier die Artikulationsfähigkeit sowie die Beherrschung medien-, themen- und zielgruppenspezifischer Präsentations- und Darstellungsformen — Meier weist zusätzlich die Technik- und Gestaltungskompetenz aus, die aber m.E. als Vermittlungskompetenz gedeutet werden kann. Schließlich ist die soziale Kompetenz zu nennen, die zum Networking, in der Organisation der Arbeit, in der Interviewsituation oder auch in der Redaktionskonferenz benötigt wird. Meier erweitert sie zur Organisations- und Konzeptionskompetenz; ist jene die Fähigkeit, technische Aspekte des Organisierens zu bewältigen, ist diese als Teil der Sachkompetenz zu begreifen: wer über kein Sachwissen verfügt, kann niemals konzeptuell arbeiten. Der für die Musikredakteure wichtige Aspekt sozialer Kompetenz umschließt
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3.3 DIE ORDNUNG DES FELDES: ROLLENKONTEXT nach meinem Dafürhalten diese Bereiche und thematisiert zusätzlich die strategische Interaktion der Medienakteure in ihren täglichen Positionskämpfen auf dem journalistischen Feld. Mit der journalistischen Rolle und dem Rollenhandeln von Journalisten beschäftigt sich in der Journalistik die Kommunikatorforschung. Ihre Untersuchungsobjekte sind äußerst beschränkt auf klassischen Journalismus und Journalisten in Tageszeitungen (vgl. Kübler 2005: 182). »Über Musikjournalisten heute wissen wir aus der Perspektive der Kommunikatorforschung im Grunde sehr wenig« (Reus 2008: 96). Gerade Musikjournalisten in Popmusikzeitschriften würden aus dem Untersuchungsgebiet einfach ausgeblendet. Dabei sind Erhebungen über Journalisten ein wesentlicher Bestandteil der Journalistik. Bei Frank Böckelmann (1993) findet sich eine Bilanz der deutschsprachigen Kommunikatorforschung. Zwischen 1945 und 1990 hat er 716 Arbeiten zu Journalismus als Beruf erfasst — und Meier (2007: 203) ergänzt, dass die Forschung in den letzten fünfzehn bis zwanzig Jahren »so richtig explodiert« sei, als zu Beginn der 1990er Jahre die ersten groß angelegten repräsentativen Studien (vgl. Schneider/Schönbach/Stürzebecher 1993; Scholl/Weischenberg 1998) in Deutschland unternommen wurden. Um eine Einordnung der Ergebnisse des nächsten Kapitels vorzubereiten, soll im Folgenden eine Studie von Siegfried Weischenberg, Maja Malik und Armin Scholl (Weischenberg/Malik/Scholl 2006) vorgestellt werden. Sie stellt die neueste umfassende Erhebung über deutsche hauptberuflich104 tätige Journalisten dar, zu der im Frühjahr 2005 1.536 Personen befragt wurden. Die vorliegende Studie ist eine Folgestudie; die erste wurde 1993 erhoben und 1998 veröffentlicht (Scholl/Weischenberg 1998). Aus diesem Grund bietet sich hier eine gute Möglichkeit, Veränderungen im Journalismus zu beschreiben.105 104 105
Kriterium der Hauptberuflichkeit ist, dass mindestens 51 Prozent des Einkommens aus journalistischer Tätigkeit stammen müssen. Ursprünglich war die Folgestudie für das Jahr 2003 geplant, doch die so bezeichnete »Medienkrise« (Weischenberg/Malik/Scholl 2006: 14) ab dem Jahr 2002, 2003 auf dem Höhepunkt angelangt, veranlasste zu einer Verschiebung um zwei Jahre. Diese Krise war bedingt durch eine allgemeine Konjunkturdelle, die bei den Firmen dazu führte, dass Gelder nicht mehr in gleichem Maße wie zuvor für das Schalten von Werbung ausgeben wurden. In Folge der allgemeinen konjunkturellen kam es zu einer strukturellen Krise im Journalismus. Viele Journalisten wurden entlassen. Genaue Zahlen existieren nicht, Journalistenverbände wie der DJV schätzen die Zahl jedoch auf 6.000 bis 10.000. Es ist davon auszugehen, dass die Zahlen durchaus höher sein könnten, da viele der Betroffenen sich nicht arbeitslos meldeten, sondern als freie Journalisten selbständig weiterarbeiteten; parallele Entwicklungen sind in der Werbewirtschaft, die ebenfalls von dieser Konjunkturdelle betroffen war, zu beobachten.
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE Laut Studie sind in Deutschland 48.000 Menschen als Journalisten tätig, Journalistenverbände wie der DJV — der alleine 39.000 Mitglieder hat — gehen von 70.000 bis 80.000 Menschen aus, von denen 30.000 als freie Journalisten tätig sind.106 Zwischen beiden Untersuchungen hat sich die Gesamtzahl der erfassten Redaktionen um mehr als 500 gesteigert; Gründe dafür sind zum einen die Etablierung von Onlineredaktionen sowie zum zweiten die Ausdifferenzierung im Zeitschriftensegment durch sogenannte Line Extensions (Geo spezial, Geo Saison, Geo Saison für Genießer usf.). Hier nahm die Zahl der Redaktionen von 753 auf 1.109 im Jahr 2005 zu. Mit den neuen Redaktionen wurde allerdings nicht immer auch neues Personal eingestellt (vgl. ebd.: 35f.). Frappierend ist angesichts dieser Zunahme die Tatsache, dass die Gesamtzahl der hauptberuflich tätigen Journalisten in dieser Zeit abgenommen hat — immer weniger Hauptberufliche betreuen und erstellen immer mehr Inhalte. 1993 zählte man noch insgesamt 54.000 hauptberufliche Journalisten, von denen ein Drittel als Freie tätig war. 2005 ist die Zahl der fest angestellten Redakteure um 12,5% gesunken, gerade 12.000, also ein Viertel aller Journalisten, können als hauptberuflich tätige freie Journalisten gezählt werden. Dabei dürfte die Gesamtzahl aller Journalisten, d. h. der auch nebenberuflich tätigen, wahrscheinlich in diesem Zeitraum eher gestiegen sein, wenn man als Indikator die deutlich gestiegenen Mitgliederzahlen journalistischer Berufsverbände betrachtet. Daher bilanzieren die Autoren: »Im Jahr 2005 können in Deutschland wesentlich weniger Menschen vom Journalismus leben als noch 1993. […] Es gibt heute weniger Journalis-
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Die Reduzierung des Personals und der vergebenen Aufträge sowie die sinkenden Honorare führten zu einer »Krise des Journalismus« (ebd.), die zudem durch einen rasanten Verfall der gesellschaftlichen Wertschätzung des Berufsstands gekennzeichnet ist: im Vergleich zu 1993 halbierte sie sich! Für gerade einmal zehn Prozent der Bevölkerung gehört der Journalist zu den Berufen, die sie am meisten schätzen. Er teilt sich den Platz mit dem Offizier, noch tiefer rangieren Buchhändler (7%), Politiker und Fernsehmoderator (je 6%) sowie der Gewerkschaftsführer (5%); die mit 71% höchste Wertschätzung genießt übrigens der Arzt. In der BRD arbeiten bei einer Gesamtbevölkerung von 82 Millionen 48.000 Menschen im Bereich des Journalismus. Daraus ergibt sich ein Index von 1.708 — die »Betreuungsquote«, die ein deutscher Journalist statistisch erreicht. Zum Vergleich die Daten aus Italien: dort sind bei einer Bevölkerung von 58 Millionen 19.000 Journalisten tätig. Die Berechnung des Index ergibt hier 3053. Für die Musikzeitschriften fiele die Quote erheblich höher aus, insofern wir sie berechnen könnten. Denn derzeit wissen wir nicht, wie viele Musikzeitschriften überhaupt existieren geschweige denn, wie viele Menschen tatsächlich für sie arbeiten. Eine weitere Aufgabe künftiger Forschung wäre der Vergleich mit Ländern wie England oder den USA.
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3.3 DIE ORDNUNG DES FELDES: ROLLENKONTEXT ten als vor zwölf Jahren, die ohne eine ›Mischtätigkeit‹ über die Runden kommen« (ebd.: 37). Jeder hauptberufliche Freie arbeitet heute im Durchschnitt für 3,4 Medien (2,7 im Jahr 1993), mehr als zwei Drittel arbeiten für bis zu drei Medien (1993: mehr als die Hälfte für ein bis zwei Medien). Jeweils ein Viertel aller hauptberuflich freien Journalisten arbeitet für Radio, Fernsehen und Zeitungen, das restliche Viertel verteilt sich auf die anderen Medien, u.a. die Zeitschriften. Ein Drittel aller hauptberuflich tätigen Journalisten arbeitet bei Zeitungen, wenngleich dort nur noch 70 Prozent des damaligen Personalstands beschäftigt sind; bei Nachrichtenagenturen und Anzeigenblättern arbeiten weniger als Hälfte im Vergleich zu 1993. Bei den Zeitschriften hingegen arbeiten zehn Prozent mehr als vor 12 Jahren, allerdings ist dieser Anstieg nur im Bereich der Special Interest-Zeitschriften zu beobachten. Auch die durchschnittliche Anzahl von hauptberuflich tätigen Journalisten in einer Redaktion ist gesunken, bei Zeitungen um acht, bei Publikums- und Fachzeitschriften um etwa 20 Prozent. Bei den Nachrichtenagenturen, Anzeigenblättern und Stadtmagazinen hat sich die Zahl sogar in den letzten zwölf Jahren halbiert. Viele Journalisten sind in die neuen Onlineredaktionen gewechselt oder zum Rundfunk (und dort vor allem zum Fernsehen). Allerdings sind auch hier Verkleinerungsprozesse zu beobachten: Obwohl die Zahl der privaten Rundfunkredaktionen um mehr als die Hälfte zugenommen hat, ist der Anstieg der Beschäftigten in diesem Segment nur unterproportional gewachsen (plus 37%). Im Durchschnitt schreiben Journalisten heute für 1,5 Ressorts, 33 Prozent arbeiten für mehr als eines. In den Ressorts Kultur/Feuilleton oder Lokales/Regionales greift besonders das Prinzip der schulischen Fremdfachvertretung um sich; hier wie dort sind Deprofessionalisierungstendenzen (mit ihren Folgen) zu vermuten. Thematische Spezialisten finden sich immerhin bei Zeitschriften und Onlinemedien. Wer ist nun aber der typische deutsche Journalist? Der sich aus der Studie ergebene »Holzschnittjournalist des statistischen Mittels« ist ein knapp 41 Jahre alter Mann mit Hochschulabschluss, der aus der Mittelschicht kommt, in einer festen Beziehung lebt und ca. 2.300 Euro netto im Monat verdient. Im Vergleich zur ersten Untersuchung stellen die Autoren fest, dass der Altersdurchschnitt um vier Jahre, das Gehalt um 15 Prozent gestiegen ist. Der Anteil weiblicher Journalisten liegt 2005 bei 37 Prozent. In allen Medienformen sind mehr Frauen als 1993 vertreten, nur bei den Zeitschriften stagniert ihr Anteil bei 39 Prozent. Ebenso hat sich der Anteil von Frauen auf leitenden Positionen kaum verändert, vier von fünf Chefredakteuren
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE sind nach wie vor Männer. Beim privaten Rundfunk und bei Anzeigenblättern arbeitet ca. ein Viertel Frauen auf Leitungsebene, bei Nachrichtenagenturen (5%) und Zeitungen (9%) deutlich weniger — und dies, obwohl mehr als die Hälfte der Berufsanfänger im Volontariat weiblich ist, Frauen häufiger ein abgeschlossenes Studium aufweisen und sich in ihrem professionellen Selbstverständnis nicht von ihren Kollegen unterscheiden! Es scheint der Fall zu sein, dass erstens Frauen immer noch eher die Haushalts- und Kindererziehungsaufgaben übernehmen, zweitens kulturell geformte Genderperspektiven Frauen weniger Entscheidungsqualitäten zuschreiben und schließlich die dem Feld inhärenten langen Arbeitszeiten und immensen Anforderungen an Flexibilität als unvereinbar mit dem Aufbau einer Familie gesehen werden. Darauf weist auch eine geringe Kinderquote unter deutschen Journalisten hin: 57 Prozent der deutschen hauptberuflichen Journalisten haben keine Kinder, Journalistinnen (67%) leben häufiger ohne Kinder als die männlichen Kollegen (52%). Im Blick auf die Alters- und Geschlechterverteilung zeigt sich, dass bei den unter 30-jährigen noch mehr als die Hälfte der Journalisten weiblich ist, ihr Anteil aber mit zunehmendem Alter absinkt. Wenn eine Frau sich also für Kinder entscheidet, steigt sie aus diesem Beruf aus. Außerdem sind Frauen weniger häufig fest angestellt und ihr Anteil steigt bei den hauptberuflichen Freien, wo sie anscheinend die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eher gegeben sehen. Die Ressortverteilung spiegelt alte Geschlechterstereotypen wider: Das Ressort Lifestyle, Mode, Beauty und Trends ist zu 76 Prozent mit Frauen besetzt, Soziales, Kirche, Jugend und Familie mit 62 Prozent. Dagegen sind beim Ressort Sport nur 17, bei Technik, Motor und Computer nur 22 Prozent Frauen. Etwas über dem Durchschnitt liegt immerhin der Kultur/FeuilletonBereich (45%). Zusammenfassend muss man den Autoren beipflichten, wenn sie von einer deutlichen vertikalen Segregation von Journalistinnen und Journalisten sprechen. Die horizontale Segregation bei den Themen, Ressorts und Medien hat zwar abgenommen, ist aber noch weit davon entfernt, paritätisch genannt zu werden. Bei der Altersverteilung der deutschen Journalisten fällt eine Verschiebung der größten Alterskohorte auf. War es 1993 noch die Klasse der 26- bis 35-jährigen, ist es jetzt die der 35- bis 45-jährigen. Eine eigene Interpretation der Zahlen lässt vermuten, dass immer weniger junge Leute hauptberuflich als Journalist erfasst werden können, die älteren dagegen mit den Verträgen aus alten Zeiten durch die Erhebungen wandern. Das Einkommen sei mit durchschnittlich 15 Prozent »moderat« (ebd.: 61) gestiegen. Nur zwei Prozent der Journalisten verdienen 5.000 Euro und
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3.3 DIE ORDNUNG DES FELDES: ROLLENKONTEXT mehr,107 57 Prozent zwischen 1.000 und 2.500 Euro; fast ein Viertel der Befragten (24%) verdient weniger als 1.500 Euro — hier finden sich »erwartungsgemäß« die Volontäre, die freien Journalisten und Berufseinsteiger. Nach Medien getrennt lässt sich sagen, dass die Fernsehjournalisten (und dort die öffentlich-rechtlich Beschäftigten) mehr verdienen als ihre Kollegen bei privaten Anstalten, Zeitungen oder Onlineredaktionen. Festangestellte verdienen durchschnittlich »nur« 300 Euro mehr als freie Redakteure. »Freiberuflichkeit ist damit wesentlich weniger prägend für das journalistische Einkommen als Medienzugehörigkeit« (ebd.: 63). Weitere Faktoren für die Höhe des Einkommens sind die Anzahl der Berufsjahre, die hierarchische Position — und das Geschlecht: Frauen verdienen auch im Journalismus weniger als Männer, im Durchschnitt sind es 500 Euro. In der Ausbildung der Journalisten gibt es keinen Königsweg. Vielmehr sind zwei Tendenzen erkennbar: einmal ein meist geisteswissenschaftliches Studium (mit oder ohne Abschluss), einmal die überbetriebliche journalistische Ausbildung inner- oder außerhalb der Hochschule.108 Das Studium ist die Regel: 69 Prozent, mit Studienabbrechern gerechnet sogar 84 Prozent der Journalisten haben eine Hochschule besucht, nur noch zwei Prozent sind ohne Abitur im Journalismus angekommen. Alle Journalisten haben ihre Ausbildung durch Volontariate (fast zwei Drittel), Praktika oder Hospitanzen ergänzt. Der Anteil derjenigen, die (oft unbezahlt) ein Praktikum oder eine Hospitanz durchlaufen, hat sich in den letzten zwölf Jahren verdoppelt, bei den unter 36-jährigen liegt er bei »über 90 Prozent« (ebd.: 67)! Daraus lassen sich zwei Schlüsse ziehen: Erstens scheint der Einstieg in den Journalismus ohne Studium immer weniger möglich zu sein, was Schlimmes für die Zukunft befürchten lässt: Studierte Journalisten liefern Informationen an eine Gesellschaft, die zu einem Großteil genau dieses Bildungsprivileg nicht genossen hat und aufgrund der attestierten Undurchlässigkeit des deutschen Bildungssystems auch voraussichtlich nicht genießen können wird — Missverständnisse, gar eine Abkehr von den Medien könnten 107
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Die Autoren vermuten in diesem Einkommensbereich einen großen Teil derjenigen, die eine Auskunft verweigert haben — von denen immerhin 26 Prozent Chefredakteur und Ressortleiter sind. Und bemerken randläufig, dass die Volontäre übrigens alle Auskunft über ihre finanzielle Situation gaben (vgl. ebd.: 61). Reinhold Beckmann bspw. verdiene 83.000 Euro monatlich, ein Tagessschau-Sprecher von 33 Jahren, immerhin ausgebildeter Redakteur, etwa 10.000 Euro (vgl. ebd.: 60). Interessant ist die Beobachtung, dass die Ausbildung an privaten Journalistenschulen zugenommen, die an staatlichen Hochschulen in Journalistikbzw. Publizistikstudiengänge dagegen abgenommen hat. Auch hier ist der allgemeine Trend der Zunahme der Privatisierung der Bildung zu erkennen, vor allem bei den gesellschaftlichen Gruppen, die es sich leisten können.
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE die Folge sein. Und zweitens erfolgt der Berufseinstieg unter höchst prekären Umständen, wenngleich man dem Berufsfeld zugute halten darf: »Bislang hat der Ausbildungsweg der Journalisten keinerlei Einfluss auf ihre spätere berufliche Position und nur wenig Einfluss auf ihr Gehalt« (ebd.: 68). Dennoch scheint es bezeichnend, dass in den ersten zehn Berufsjahren nach dem Ende des Studiums auch weiterhin — und mehr denn je — in finanzieller Not gearbeitet wird. Zum einen muss man sich daher fragen, wer sich das überhaupt leisten kann, wenn nicht die ohnehin Privilegierten der Mittelschicht, aus der sich die Journalisten rekrutieren? Und weiter: Wie kann man sich das überhaupt über diese lange Dauer leisten, wenn nicht mitunter Vergünstigungen die höchst abhängige Lage verschönern, sprich: wenn nicht hier und da eine finanzielle oder sonstige Annehmlichkeit das karge Dasein der Jungjournalisten verbessert? Was bedeutet das für den Journalismus, wenn er Anfänger in derartige Abhängigkeitsverhältnisse bringt, die in einem Meer von Interessen auch Möglichkeiten sehen, ihre eigene Situation zu verbessern? Wenn sie sich also korrumpieren lassen, gerade weil das System so funktioniert — wer kann und will sie da verurteilen? Journalisten stellen somit gerade keinen Spiegel der Bevölkerung dar, für die sie eigentlich tätig sind (bei den meisten Wissenschaftlern verhält es sich übrigens ähnlich). Ihre politischen Überzeugungen sind eher links orientiert (auf einer Skala von 1 = links bis 100 = rechts liegen sie bei 38), die Kollegen werden weniger links vermutet (41), das eigene Blatt aber stets in der Mitte oder rechts davon.109 Die Wochenarbeitszeit beträgt 2005 etwa 45 Stunden. Im Vergleich zur ersten Untersuchung ist die Internetnutzung hinzugekommen (Recherche, E-Mail, Publikumsreaktionen), der Zeitaufwand für Recherche hat im Vergleich zu früher verloren. Die Autoren vermuten dafür eine fehlende Formalisierung des Recherchevorgangs, sodass dieser immer dann in den Hintergrund tritt, wenn Zeit fehlt. Weniger Zeit wird auch verwendet für das Auswählen von eingehendem Informationsmaterial. Die Zeit für das Verfassen von Beiträgen ist gleich geblieben, wesentlich mehr Zeit wird für organisatorische und technische Aufgaben (Redigieren von Kollegentexten, organisatorische Tätigkeiten, Layout und Umbruch, Webinhalte pflegen usf.) benötigt. Die Autoren sprechen von einer Arbeitsverdichtung von Aufgaben, die nicht zum journalistischen Kernbereich gehören. Alles in allem haben
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Diese Einschätzung der eigenen Progressivität des Musikgeschmacks bei den Musikredakteuren zeigt, dass sie in der Freizeit andere Musik (Free Jazz, elektronische Tanzmusik, Independent Rock) als die beruflich zu bearbeitende hören, obgleich es natürlich Überschneidungen gibt — die sie unter erheblichem Einsatz teilweise selbst herbeizuführen versuchen.
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3.3 DIE ORDNUNG DES FELDES: ROLLENKONTEXT sich hier die Verhältnisse verschoben, von Recherche, Moderation und Auswahl eingehender Informationen hin zu redigierenden, verwaltenden, organisatorischen und technischen Tätigkeiten sowie einem Bemühen um verstärkten Kontakt zum Publikum: »Das Redaktionsmanagement hat Einzug in den Journalismus gehalten. Die Journalisten sind zwar immer noch kreativ tätig, werden aber zunehmend auch zu (Content)Managern — und zwar das eine auf Kosten des anderen« (ebd.: 84). Dennoch ist die ermittelte Arbeitszufriedenheit von Journalisten traditionell ziemlich hoch — was angesichts der Lage erstaunlich bleibt (vgl. ausführlich für die Musikredakteure Kap. 4.2 Rollenkontext). Bei den Rollenbildern, denen Journalisten folgen, zeigt sich eine höhere Zustimmung als 1993 bei den Aufgaben der Information und Vermittlung (89% bei »neutral, präzise informieren«; 79% bei »erklären und vermitteln«). Allerdings liegen Zeitschriften-Redakteure hier durchschnittlich zehn Prozent unter den Werten der anderen Mediensparten. Bei den Rollenbildern Kritik, Kontrolle und Engagement (im Vergleich zur passiven Informations- und Vermittlungsrolle als aktives Rollenselbstverständnis bezeichnet) sinken die Dimensionen Kritik (lediglich 58% Zustimmung), Anwaltschaft (nur 34 Prozent wollen »normalen« Leuten eine Chance geben, gehört zu werden, bloße 29 Prozent wollen sich für Benachteiligte in der Gesellschaft einsetzen) und Kontrolle (24 Prozent sehen sich als watch dog von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft) erheblich im Vergleich zur letzten Umfrage. Journalisten wollen demnach nicht nur weniger gerne eine aktive gesellschaftlich relevante Position einnehmen — diejenigen, die dies wenigstens intendieren, geben zu, dass ihnen die Umsetzung dieser Rollenbilder immer weniger gelingt. Beispielsweise geht die Zustimmung zu der Aussage, wie gut es gelänge, Kritik an Missständen zu üben, um über zwanzig Prozent zurück. Die Umsetzbarkeit der Vorstellungen ist von dem Ressort, der Position und der Medienplattform abhängig. Lokaljournalisten etwa sehen sich zu 77 Prozent als Kritiker von Missständen und glauben zu 43 Prozent, dass ihnen die Umsetzung im Arbeitsalltag auch gelingt; Kulturredakteure wollen nur zu 43 Prozent kritisieren, immerhin 34 Prozent glauben auch, dass ihnen das gelänge. Freie Journalisten und Volontäre sehen sich selten in der Lage, Themen auf die Agenda zu setzen. Beim Blick auf die Medienplattform fällt auf, dass Zeitschriftenredakteure besonders unpolitisch sind: Wollen bspw. 74 Prozent der Zeitungsredakteure Missstände kritisieren, sind es bei den Zeitschriftenredakteuren gerade einmal 36 Prozent; den Journalismus der Artikulation streben unter den Zeitungsredakteuren immerhin 47 Prozent an, bei den Zeitschriften 16 Prozent.
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE Als Erklärung bieten die Autoren die kleine Zielgruppe an, die mit Zeitschriften bedient werde. In so einer »öffentlichen Expertenkommunikation« (ebd.: 108) sei es schwierig, Laienpositionen zu integrieren. Das erscheint als Erklärungsmodell unzureichend, denn wenn sich Journalisten einer ganzen Mediensparte aus diesen Rollenbildern herausziehen, müssen andere Gründe dafür sprechen. Der hier vertretenen Annahme zufolge liegen sie in der besonderen Struktur der Zeitschriftenproduktion. Die Zielgruppenorientierung sowie die damit einhergehende Marketingideologie der Zeitschriften lässt journalistische Rollenbilder des Aufklärers oder des Anwalts als unzulässige Belehrung des Lesers — dem man ja mit seinen Wünschen und Einstellungen Dienst zu leisten hat — erscheinen. Zudem sprechen zeitliche Aspekte (»Das Heft muss fertig werden«), die Besitzverhältnisse (»Das kann ich hier nicht bringen«) oder Fragen der Finanzierung (»Der schaltet doch bei uns Anzeigen, da kann ich ja schlecht...«) im Prozess der Zeitschriftenproduktion dafür, hier Gründe für die Selbstausgrenzung aus den insgesamt in der Bedeutung abnehmenden Rollenbildern zu sehen. Dass jedoch Zeitschriftenjournalisten trotzdem Rollenbildern folgen, zeigt sich beim Selbstverständnis als Servicedienstleister und Unterhalter. Zwar nahm auch hier die Zustimmung ab, interessant ist jedoch, dass die Zeitschriftenjournalisten allen beruflichen Zielen (außer der Vermittlung positiver Ideale) in diesem Bereich zwischen zehn und zwanzig Prozentpunkten höher zustimmen als der Durchschnitt aller Befragten. 71 Prozent etwa wollen neue Trends aufzeigen und ganze 74 Prozent (Durchschnittswert: 58%) sind auch der Ansicht, dies umsetzen zu können. Fünfzig Prozent der Zeitschriftenredakteure wollen Unterhaltung und Entspannung bieten, womit sie wesentlich höher liegen als der Rest. Wenn man nach Publikumszeitschriften (über 500.000er-Auflage) und Special-Interest-Zeitschrift (mittlere und kleine Auflage) trennt, sieht man, dass vor allem die Journalisten der kleinen Blätter zu den »positiven Idealen« beitragen wollen. Ebenso wollen hier zwei Drittel als Ratgeber fungieren, drei Viertel sehen sich zum Trendsetter berufen. Im Vergleich zur letzten Untersuchung ist die festgestellte Zunahme von PR ein wichtiges Ergebnis. Für alle Journalisten ist ihr Einfluss stärker spürbar, die Folge ist ein höherer Selektionsdruck — und dies bei abnehmendem Personalstand. Zwei Drittel der Befragten glauben, dass es zu viel PR gibt — die höchste Zustimmung gibt es bei Zeitschriftenjournalisten, die eine Zunahme im Vergleich zur alten Untersuchung um 50 Prozent verzeichnen. Hier hat sich der Anteil derjenigen, die in der vergangenen Woche Reaktionen oder Kommentare von PR-Stellen erhalten haben, von 25 auf 64 Prozent erhöht. Insgesamt zeige sich jedoch ein »pragmatischer Umgang« (ebd.:
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3.3 DIE ORDNUNG DES FELDES: ROLLENKONTEXT 126) mit den PR-Erzeugnissen. Journalisten erkennen deren Notwendigkeit an, finden aber den Informationsgehalt sowie die Aufbereitung eher schlecht gemacht. Und besonders Zeitschriftenjournalisten nehmen durch PR-Angebote wesentlich weniger Anregungen für neue Themen auf als andere Medienplattformen. Auch bestätigen sie die Belastungen durch PRAngebote und finden überdurchschnittlich, dass PR zu unkritischer Berichterstattung verführe. Gerade diejenigen, die besonders häufig mit PR in Kontakt kommen, entwickeln also einen kritischen Umgang damit, folgern die Autoren. Auch hier gilt, dass der Einfluss der PR nach Medium, Ressort und Rolle differenziert werden muss. Freie Journalisten etwa empfinden PR-Erzeugnisse als positiver und nützlicher als ihre fest angestellten Kollegen. Sie finden hier häufiger Anregungen und Informationen, sparen dadurch eher Zeit bei der Recherche und halten sie dementsprechend auch für weniger überflüssig oder nicht so häufig als zu zahlreich. Lediglich die Sorge, dass mithilfe der PR journalistische Beiträge ersetzt werden, treibt sie etwas häufiger um. Überdurchschnittlich viele Journalisten aus dem Kulturressort stimmen Aussagen zu, die Nützlichkeit und Qualität der PR betreffen, »sie scheinen PR-Angebote als hilfreiche Bestandteile ihrer Arbeit zu nutzen« (ebd.: 128). Für die Einschätzung des Einflusses von PR auf Journalismus müsse zudem auf die finanzielle Situation der Journalisten geschaut werden, denn »gerade in den unteren Verdienstgruppen des Journalismus gibt es zudem wohl immer wieder die Notwendigkeit, sich durch nicht-journalistische Nebentätigkeiten ein Zubrot zu verdienen. Vor allem für viele freie Journalisten gehört die Übernahme von PR-Aufträgen heute zum Geschäft« (ebd.: 132). Im Abnehmen begriffen ist zudem der Einfluss von Leitmedien. Zwar lesen durchschnittlich am meisten Journalisten die Süddeutsche Zeitung, man könne jedoch aufgrund der segmentierten Mediennutzung der Journalisten nicht mehr von einem Leitmedium sprechen. Dementsprechend folgern die Autoren, dass es sehr unwahrscheinlich sei, dass ein einzelnes Medium Definitionsmacht über gesellschaftliche Themen erlangen könne. Vielmehr zeige sich, dass »Leitmedieneffekte und Meinungsmacht dann entstehen, wenn persönliche Bindungen zwischen journalistischen Entscheidern oder wirtschaftliche Verbindungen zwischen Medienbetrieben eine Pluralität der Themen und Meinungen in den einflussreichen Medien einschränken« (ebd.: 138). Wenn nun die PR zwar zunimmt, von den Zeitschriftenjournalisten aber eher abgelehnt wird, und Leitmedien kaum mehr eine Macht zugetraut wird, muss man auf der Suche nach Einflüssen auf die Journalisten in andere Bereiche schauen. Weischenberg, Malik und Scholl zeigen, dass der medieninterne Einfluss durch Kollegen und Vorgesetzte für Journalisten am wich-
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3. DAS FELD DER POPMUSIKMAGAZINE tigsten ist, am wenigsten der von Freunden110 und Familie. Lediglich ein gutes Fünftel der Journalisten — und damit weniger als vor zwölf Jahren — gibt an, dass das vorgestellte Publikum sie in ihrem Handeln beeinflusse. Denn die Informationen über ihr Publikum beziehen sie durch E-Mail- oder Leserbriefreaktionen, privaten Kontakt oder durch Erzählungen von Kollegen über deren Kontakte. Die empirische Publikumsforschung als Informant liegt auf dem letzten Platz der Antworten. Die Autonomie journalistischer Arbeit scheint demnach gegenüber 1993 größer geworden zu sein. Das berufliche Umfeld ist wichtiger als das private, nicht-journalistische Organisationen und das vorgestellte Publikum spielen eine geringere Rolle. Daraus lässt sich folgern, dass alles, was man dem Journalismus an negativen Entwicklungen, wie etwa eine zunehmende Kommerzialisierung oder Sensationslüsternheit, zuschreiben möchte, nicht auf äußere Einflüsse zurückzuführen, sondern hausgemacht ist. Der Betrieb Journalismus bringt diese Dinge fast unweigerlich mit sich, einfach durch die Art und Weise, wie er funktioniert! Die Ursachen dafür mögen zwar ökonomisch begründet sein, die Verfahrensweise mit diesen neuen Bedingungen liegt jedoch im System begründet: »It’s the structure, stupid!«, um zur Verdeutlichung den berühmten Satz aus Bill Clintons Wahlkampf 1992 zu übertragen. Was lässt sich daraus für die Beschäftigung mit Musikjournalisten bei Popmusikzeitschriften folgern? Zuerst kann eine Bestimmung der hier tätigen Redakteure und der Mitarbeiterstrukturen in Anlehnung an diese Daten erfolgen. Es wird zu zeigen sein, dass die hier beschäftigten Männer — Frauen sind noch marginalisierter als ohnehin im Journalismus — jünger sind als der Durchschnitt und weniger verdienen bei etwa gleicher Arbeitsbelastung. Die sich im Zahlenverhältnis von Redakteur zu Mitarbeitern widerspiegelnde Asymmetrie sowie die Befunde zur »Mischtätigkeit«, der abnehmenden Zeit für Recherche und zunehmenden Zeit für Verwaltungsaufwand müssen Deprofessionalisierungstendenzen auch im Popmusikjournalismus befürchten lassen. Zudem sind angesichts der erhobenen Rollenbilder keine besonderen politischen Absichten bei den Musikredakteuren zu erwarten, die außerdem dem allgemeinen Trend zufolge verstärkt unter finanziellen und zeitlichen Zwängen eine Zeitschrift unter Vertretung mehrerer Produktionsrollen pro110
Ein Hinweis zur Referenzgruppe von Journalisten: Auf die Frage nach den Berufen der drei engsten Freunde zeigt sich, dass jeder zweite einen Journalisten als Freund hat, dann folgen akademische und künstlerische Berufe. Medien- und Kommunikationsberufe werden nicht häufiger genannt als andere nicht-journalistische Berufe. Fast gar nicht genannt werden Arbeiter oder Rentner, was die oben angemahnte Entfremdung der Journalisten von der Gesellschaft stützt.
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3.3 DIE ORDNUNG DES FELDES: ROLLENKONTEXT duzieren müssen. Wie die Popmusikredakteure innerhalb dieses Rahmens tatsächlich agieren und wie sie ihn für ihr eigenes Handeln interpretieren, wird im nächsten Kapitel dargestellt.
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4. D I E W I R K L I C H K E I T
DER
MUSIKKOMMUNIKATOREN
4.1 Zur empirischen Rekonstruktion der Wirklichkeitskonstruktionen Qualitative Medienforschung hat den Anspruch, Lebenswelten aus der Sicht der handelnden Menschen zu beschreiben, indem sie Abläufe, Strukturmerkmale und Deutungsmuster erfasst und somit zu einem besseren Verständnis der sozialen Wirklichkeiten beiträgt (vgl. Mikos/Wegener 2005: 10). Dieser wichtige Grundsatz ist bisher, unterstützt durch die Ansätze und Arbeiten der Cultural Studies, vor allem bei der Rezeptionsforschung zur Anwendung gekommen, weniger bei der Erforschung der Kommunikatoren — ein Begriff, der im Deutschen von Gerhard Maletzke (1963) eingeführt wurde und heute Menschen beschreibt, die fest angestellt oder in freiem Arbeitsverhältnis innerhalb von publizistischen Organisationen tätig sind (vgl. Kübler 2005: 181). Das mag zum einen daran liegen, dass in den zurückliegenden Jahren politisch motiviert (endlich) eher die people außerhalb des power bloc in den Fokus der Wissenschaft genommen wurden, zum andern daran, dass lange bereits, wie dargestellt, der mitunter idolisierende Blick auf die Arbeit der Journalisten vorherrschte. Zudem hat die systemtheoretische Orientierung der Journalismusforschung den Blick von den Individuen auf strukturelle Zusammenhänge gelenkt und somit aus dem Blick verloren, dass auch auf der Ebene der Kommunikatoren neben strukturell-funktional vorgegebenen durchaus auch informelle und selbständig vorgenommene Handlungsweisen existieren. Die von Kübler (2005) beschriebene Qualitative Kommunikatorforschung ist daher eine junge Sicht auf die Medienproduktion, die sich die Grundsätze der Qualitativen Medienforschung im Blick auf die Produzenten von Medien zu eigen macht: Sie korreliert erstens subjektive und objektive Wirklichkeiten fern jeglichen positivistischen Gedankenguts und ist deshalb nicht an großen, sondern an der intensiven Auswertung kleiner Fallzahlen interessiert. Sie reflektiert zweitens ihre Fragestellung und ihre dem Gegenstand
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN angepassten Methoden. Sie thematisiert drittens die Subjektivität des Forschers, des Forschungsprozesses sowie die daraus folgende Darstellung der Ergebnisse. Wesentlich ist die Idee, dass die Wirklichkeit der Kommunikatoren als subjektiv konstruiert erlebt wird. Qualitative Medienforschung stellt insofern eine Rekonstruktion dieser Wirklichkeiten dar. Die Annahme, dass »in jeder subjektiven Wirklichkeit als Reflex und Moment kollektiver Wirklichkeit sich Spuren gesellschaftlicher Realität«« (ebd.: 186) finden, erlaubt ein Summieren und Analysieren dieser Wirklichkeitskonstruktionen der Kommunikatoren sowie den soziologischen Schluss daraus. Es ist daher nicht erstaunlich, dass die Wissenschaft bisher enorm viel Wissen über Journalismus, relativ viel über Zeitschriften, sehr wenig über Musikzeitschriften und fast nichts über die Menschen, die dort arbeiten, angehäuft hat (das kritisiert auch Kübler 2005: 182). Dabei kann genau hier, in den Redaktionen der Zeitschriften, der Nukleus popmusikalischen Journalismus identifiziert werden, da sich in diesem Schnittpunkt diverser Interessen und dem Aufeinandertreffen von Akteuren, die um Einfluss und Aufmerksamkeit ringen, die tatsächliche Produktion der Musikzeitschrift aus diesem Gemisch von Vorgaben, Vorstellungen und Vereinbarungen realisiert. Um dieses in den theoretischen Blick zu bekommen, sind die oben dargestellten soziologischen Theorien und die vorangegangene Unterscheidung von Ebenen der Untersuchung wichtig und vorzuschalten. Denn erst dann können die Aussagen der Redakteure der drei Zeitschriften sinnvoll erfasst, dokumentiert und analysiert werden. Der zentrale Status, der den Redakteuren in dieser Arbeit zugeschrieben wird, bedeutet nicht, dass sie als allmächtige Herrscher eines musikjournalistischen Diskurses angesehen werden — als die sie sich übrigens auch selber nicht sehen, wie im weiteren Verlauf des Kapitels gezeigt wird. Zentral sind sie vielmehr in dem Sinne, dass wir anhand ihrer Sicht etwas über die Umstände der musikjournalistischen Produktion erfahren. Mithilfe ihres Wissens über Vorgänge in den Redaktionen und deren Umwelt soll ein Bild entwickelt werden, das den bisher kaum explorierten Sachverhalt des Entstehens von Musikzeitschriften unter der Perspektive beteiligter Medienakteure in zentralen Positionen zeigt. Die Redakteure werden somit als Experten befragt, wie es die Methodik des Experteninterviews (vgl. Bogner/Littig/Menz 2002; Meuser/Nagel 2002; Hoffmann 2005; Lamnek 2005) angesichts des explorativen Charakters dieser Arbeit und der selektiven Stichprobenwahl anrät. Ihr Ziel ist die Generierung bereichsspezifischer und objekttheoretischer Aussagen, ihr Gegenstand sind Wissensbestände im Sinne von Erfahrungsregeln, die das Funktionieren von sozialen Systemen bestimmen (vgl. Meuser/Nagel 2002: 91).
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4.1 ZUR EMPIRISCHEN REKONSTRUKTION DER WIRKLICHKEITSKONSTRUKTIONEN Die Auswahl der Experten verlief in Abhängigkeit von der Selektion der untersuchten Magazine. Jeweils zwei Experten pro Printredaktion wurden ausgewählt; mehr zu wählen erschien nicht möglich, da bei einer der ausgewählten Zeitschrift die Befragung von zwei Redakteuren bereits den Status der Vollerhebung darstellte und somit keine Vergleichbarkeit gegeben schien. Alle sollten über eine Berufserfahrung als Redakteur verfügen und über einen längeren Zeitraum als Redakteure für die jeweilige Zeitschrift tätig sein.111 Außerdem war Voraussetzung, dass sie in den Impressen als zuständig für die Printausgabe und für die Musikberichterstattung erkennbar waren — und nicht etwa als Online- oder Moderedakteur firmierten. Die Chefredakteure bzw. Leitenden Redakteure wurden nicht gewählt, da sie, wie bei den vorausgehenden Recherchen festgestellt wurde, kaum als Autoren an der inhaltlichen Produktion beteiligt sind, woraus abzuleiten ist, dass wesentliche Aufgabenbereiche von Chefredakteuren und Musikredakteuren nicht übereinstimmen. Zudem wäre so die Auswahl der Interviewpartner noch beschränkter gewesen. Alle Interviews fanden im Zeitraum von Ende 2007 bis Mitte 2008 entweder in den Räumen der Redaktionen oder in einer umliegenden Gaststätte statt. Die Interviews wurden mit einem vorab entwickelten und an mehreren journalistischen Akteuren des Feldes getesteten offenen Leitfaden geführt und auf einem Minidisc-Recorder aufgezeichnet.112 Sie dauerten zwischen 60 und 90 Minuten, mitunter nahmen die »Postszenarien« (Hoffmann 2005: 275), die in anschließenden Notizen sofort festgehalten wurden, einen ähnlich langen Raum ein. Interviewer und Interviewte glichen sich in den Dimensionen Alter, Geschlecht sowie Bildungsgrad weitestgehend, was die in der Literatur (ebd.: 273) angeratene Annäherung in bspw. Kleidungscode sowie »Etikette« an die Befragten als ohnehin gegeben erschienen ließ. Alle 111
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Kurz nach der Festlegung der Magazine trat die Kölner Redaktion der Spex unter Chefredakteur Uwe Viehmann zurück, die bereits kontaktiert worden waren. Dies war zunächst ein Rückschlag für die Arbeit, erwies sich jedoch aufgrund der Entwicklungen, die folgten, als höchst positiv für einen Einblick in die Strukturen des Musikzeitschriftenmarktes. Die Berliner SpexRedakteure wurden deshalb als letzte befragt, und dies erst, nachdem sie sich ca. ein Jahr eingearbeitet hatten. Überhaupt erwies sich die Terminierung mit den Redakteuren mitunter als schwierig; einer konnte erst befragt werden, als er nach mehreren Jahren Redaktionszugehörigkeit zu einer anderen Zeitschrift gewechselt war. Da das Interview aber kurz nach dem Wechsel (ca. zwei Wochen) stattfand, wurden seine Erfahrungen als aktuell genug eingeschätzt und verwendet. In einem Fall versagte das Aufnahmegerät, sodass vom Verfasser sofort nach Ende des Interviews ein Gedächtnisprotokoll des Gesprächsverlaufs in Aussagenform angefertigt wurde, das der befragte Redakteur ergänzte, korrigierte und autorisierte.
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN Redakteure benutzten bspw. ohne Umstände die (branchenübliche) Duzform. Zu Beginn des Gesprächs wurde jeweils in einer Einleitung das persönliche wie musikwissenschaftliche Interesse an ihrem Beruf sowie am beruflichen Gegenstand dargelegt. Trotz der in der Literatur vorfindlichen Warnung vor der für Experteninterviews typischen asymmetrischen Kommunikationssituation wurde die Gesprächsatmosphäre angesichts kooperativer und sympathischer Gesprächspartner als durchweg angenehm empfunden. Sämtliche Interviews wurden vollständig transkribiert.113 Längere Gesprächspausen, Gesten, Mimiken, Lachen oder besondere Betonungen wurden in die Schriftfassung aufgenommen. Aus Gründen der besseren Lektüre wurden Fehler der Syntax korrigiert, Auslassungen durch Hinzufügungen in eckigen Klammern kenntlich gemacht. Der Arbeitsprozess der Auswertung gliederte sich dabei wie folgt: Nach der Verschriftlichung eines Interviews erfolgte zunächst ein Prozess des offenen Kodierens, um die Themen des Leitfadens in den Interviews lokalisieren zu können; anschließend wurden erste Kategorien gebildet. Da jedoch im fortschreitenden Verfahren des ständigen Vergleichens mit den Auswertungen neuer Interviews festgestellt wurde, dass nicht sämtliche der zuvor erschlossenen Kategorien sinnvoll und erschöpfend zur Analyse herangezogen werden konnten, wurden sukzessiv in weiteren Kodierdurchgängen neue Konzepte aus den Daten entwickelt, die vom gleichzeitigen Voranschreiten der Erschließung der Themen der Journalistik ebenso profitierten, wie sie diese Lektüre befruchteten. Dieser zirkuläre Forschungsprozess vermied deshalb Verfahren wie die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring (Mayring 2000; Mayring/Hurst 2005), da dort ein präexistentes Kategoriensystem zur Analyse der Daten benutzt wird und der Grundsatz der Regelgeleitetheit eine Veränderung während der Textanalyse nicht erlaubt. Die Grounded Theory (vgl. überblickend Strübing 2004) als forschungsleitendes Paradigma leistete hier wertvolle theoretische Unterstützung; beispielsweise erwies sich bei der Auswertung das dort vorgeschlagene Schreiben theoretischer Memos als ein guter Weg, die im Prozess der Auswertung ständig zu treffenden Auswahlentscheidungen zu dokumentieren und zu überdenken. Während des Wechselspiels von Datenerhebung, Transkription, Datenanalyse und Theorieentwicklung wurden durch Testleser der Interviews und der anschließenden Diskussion die Reliabilität und Validität der Kategorien überprüft. Als Hauptkategorien der Analyse wurden letztlich Ausbildung, Musikverständnis, Selbstbilder, Redaktionshandeln und Umfeld der Redaktion gewählt, die im Folgenden in den einzelnen Kapiteln näher dargestellt 113
Die Interviews liegen dem Verfasser vor und können auf Wunsch eingesehen werden.
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4.1 ZUR EMPIRISCHEN REKONSTRUKTION DER WIRKLICHKEITSKONSTRUKTIONEN werden. Am Ende der Auswertung wurde als Kernkategorie der individuelle Entscheidungsspielraum der Redakteure benannt. Alle Kategorien bündeln sich darin, alle Zwänge, Konventionen und Abweichungen des Handelns in den Redaktionen sind hier erkennbar. In der folgenden Darstellung der Ergebnisse wurden die Interviewpartner auf Wunsch anonymisiert. Für diese Untersuchung ist es dennoch wichtig, dass ihre Zugehörigkeit zu einem der Musikmagazine erkennbar bleibt, deshalb werden als Codes die Kürzel IN (Intro), RS (Rolling Stone) und SP (Spex) mit einer nachgestellten Ziffer verwendet. Bei der Präsentation von Belegen wurde im Zweifel immer für die Darstellung längerer Zitate entschieden. Dies hat mehrere Gründe: zum einen soll die Verankerung der Ergebnisse in den empirischen Daten gezeigt werden, zum anderen soll derart für Interessierte Material bereit gestellt werden, mit dessen Hilfe sie weiter am Gegenstand forschen können. Wir besitzen schlicht zu wenig Informationen über die Musikredakteure, ihre Sicht auf den Beruf, ihr musikbezogenes Wissen und Handeln — hiermit ist ein Anfang gemacht, dies zu verändern.
4.2 Ergebnisse Im Folgenden werden die Ergebnisse der Interviewauswertung präsentiert und diskutiert. Nicht ohne Grund beginnt die Darstellung in der »Zwiebel Kern«, d.h. bei den Medienakteuren selbst. Ihre Perspektive auf die eigene Rolle, den beruflichen Werdegang, die musikspezifischen Kompetenzen und Kompetenzbehauptungen sowie ihre Berufszufriedenheit bestimmen wesentlich ihre Perspektiven auf die anderen Bereiche bzw. Schalen: auf das Medium, für das sie tätig sind, auf den strukturell zu bestimmenden Kontext, in dem dieses hergestellt wird, sowie schließlich eine daraus hervorgehende berufsständische Ethik, die den letzten Punkt der Ergebnispräsentation bildet. Abschließend wird in einer Zusammenfassung dargelegt, wie die gewonnenen Erkenntnisse zur Erklärung des Handelns von und in Musikzeitschriften genutzt werden können: Im Rückgriff auf die in der Einleitung aufgeworfene Frage nach dem Entstehen medialer Bedeutungen und Zuschreibungsphänomene bei Maxïmo Park oder Franz Ferdinand ist es retrospektiv nun möglich aufzuklären, was Redakteure innerhalb von Musikzeitschriften dazu beitragen, um derartige Hypephänomene medial entstehen zu lassen. Vorweg kurz die Dokumentation der soziodemografischen Daten: die befragten Redakteure sind im Durchschnitt 33,5 Jahre alt (Standardabweichung 2,8 Jahre), womit sie in der Nähe des Altersdurchschnitts der US-
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN amerikanischen Musikkritiker (35,5, Jahre) aus der Untersuchung von Wyatt und Hull (1989), aber um ca. acht Jahre unter dem aller deutschen Journalisten liegen. Die Befragten sind allesamt männlichen Geschlechts, was die Verteilungsschiefe der Geschlechter im Feld der Musikredakteure widerspiegelt — in den drei Magazinen arbeiteten zu Beginn des Jahres 2008 eine Redakteurin und acht Redakteure (nach oben genannten Kriterien gesichtet). Unter den Autoren bzw. freien Mitarbeitern sieht es folgendermaßen aus: bei der Intro sind neunzehn von 107 (17,7%), beim Rolling Stone drei von 28 (10,7%) und in der Spex drei von 35 (8,6%) per Vornamen als weiblich zu identifizieren. Der Vergleich zur aktuellsten Journalistenstudie (vgl. Weischenberg/Malik/Scholl 2006) zeigt es: sind dort — man traut sich kaum, ›immerhin‹ zu schreiben — ein gutes Drittel Frauen als Journalisten tätig, ist der Musikjournalismus in Musikmagazinen von männlichen Redakteuren und Journalisten dominiert. Zur Erinnerung: Auch die Leserschaft der Magazine ist zum übergroßen Teil männlich (vgl. die Angaben in Abb. 1). Wir können hier bereits festhalten: Musikmagazine werden von Männern für Männer gemacht. Bis auf einen Verheirateten sind alle Redakteure ledig, keiner von ihnen hat Kinder. Alle bis auf einen haben ein Studium zumindest begonnen. Zwei Redakteure sind als Journalisten erst knapp zwei Jahre hauptberuflich tätig, die anderen seit sechs und mehr Jahren. Alle Redakteure gaben an, neben der Arbeit für das Musikmagazin für andere Medientypen und andere Printmedien tätig gewesen zu sein; im Durchschnitt waren sie neben ihrer Haupttätigkeit für fast sechs weitere Medien tätig. Die Redakteure von Intro und einer des Rolling Stone waren zum Zeitpunkt der Befragung fest angestellt, der andere sowie beide Spex-Redakteure arbeiteten als feste Freie. Die Wochenarbeitszeit beträgt im Durchschnitt mehr als 48 Stunden, das monatliche Netto-Einkommen 1.691 .114 114
Nach dem Interview wurden alle Redakteure gebeten, einen Fragebogen auszufüllen, der demografische Angaben, Fragen zum Arbeitsverhältnis, der Arbeitszeit, der Berufserfahrung und anderen Medien enthielt, für die gearbeitet wurde. Die Frage zum Einkommen wurde aus der Untersuchung von Weischenberg, Malik und Scholl (2006) übernommen und lautete: »Bitte geben Sie in einer Skala mit 500-Euro-Schritten Ihr monatliches NettoEinkommen an (bspw. ›bis 500 Euro‹, ›bis 1.000 Euro‹ usw.). Wo würden Sie sich einstufen?« Zur Berechnung des Durchschnitts wurde immer der genau angegebene Wert (bspw. 1.650 ), bei Benutzung der vorgegebenen Skala der untere Wert gewählt (»über 1.500« also als 1.500 ). Die Angaben von Rolling Stone- und Intro-Redakteuren liegen ziemlich genau bei 1.500 , die SpexRedakteure schätzten sich höher ein. Dies mag mit ihrem fest freien Status zusammenhängen, der eine auf Tatsachen beruhende Einschätzung des NettoEinkommens erst lange nach der eigentlichen Tätigkeit ermöglicht. Viele Freie »verdienen« zunächst sehr gut, übersehen aber häufig, dass alle Rech-
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4.2 ERGEBNISSE: ROLLENKONTEXT
Rollenkontext Musikalische und berufliche Sozialisation Wie entwickelten die befragten Musikredakteure ihre berufswahlentscheidende Begeisterung für Musik, wie wuchsen sie mit »ihrer« Musik auf und welche Bedeutungen schreiben sie ihr zu?115 Wie verändert sich dieser Musikbezug, wenn sie in ein Berufsverhältnis eintreten, wo sie professionell mit Musik umgehen — dürfen bzw. müssen. Welche Einflüsse üben die eingeschlagenen Ausbildungs- und Berufswege auf das Musikverständnis der Redakteure aus? All dies soll im folgenden Abschnitt dargestellt und diskutiert werden. Denn hier liegt ein wesentliches Kennzeichen der professionellen Popmusikberichterstattung begründet, das sehr wahrscheinlich bei beispielsweise Nachrichten- oder Wirtschaftsredakteuren in dieser Form nicht beobachtet werden könnte: nämlich die Auswirkung der Verberuflichung der einstmals sogar identitätsstiftenden Begeisterung für den heutigen Inhalt der täglichen Erwerbsarbeit und daraus resultierende Berufs- und Musikverständnisse. Ein oft gehörtes Vorurteil, Musikjournalisten seien in Bausch und Bogen verhinderte Popstars, enthält ein nicht von der Hand zu weisendes Körnchen Wahrheit über die musikpraktische Tätigkeit der Redakteure: Sie verfügen alle über Erfahrungen an Instrumenten, die sich allerdings in Ausmaß und Art der Betätigung erheblich voneinander unterscheiden. Keiner von ihnen ist allerdings verdächtig, jemals mit seiner musikalischen Tätigkeit den Rang eines Popstars avisiert und nicht erreicht zu haben. Bis auf einen Redakteur, der über keine musikalische Ausbildung an einem Instrument verfügt, jedoch einige Songs seiner Lieblingsband auf der vor kurzem zu Weihnachten erhaltenen Gitarre spielen kann, spielten und spielen alle Redakteure in Bands oder traten solistisch auf. Langjährigen Instrumentalunterricht während Kindheit und Adoleszenz erhielten vier Redakteure, immerhin drei von ihnen wurden an Instrumenten der abendländischen Kunstmusik (Cello, Klavier, Geige) ausgebildet, einer nahm Gitarrenunterricht. Beide Spex-Redakteure — einer von ihnen stammt aus einem Elternhaus mit einem professionell in einem Orchester musizierenden
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nungen, (freiwillig zu leistende) Sozialversicherungen und nach langer Zeit die Steuer ihr Gehalt erheblich schmälern (vgl. Hofert 2004: 294ff.). Für einen Blick über Ergebnisse und Diskussionen der Bedeutung von Musik im Kindes- und Jugendalter vgl. bspw. die Arbeiten von Rösing (2000), Müller et al. (2002), Kleinen (2003), Neuhoff und Motte-Haber (2007) sowie Pape (2007).
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN Elternteil, der andere erhielt bis zum Alter von 23 Jahren Klavierunterricht — geben ein daraus resultierendes detailreiches Unterscheidungswissen für die abendländische Kunstmusik bis hin zur Avantgarde des 20. Jahrhunderts an. Nach Beendigung des »klassischen« Instrumentalunterrichts, teilweise parallel dazu, spielten die Redakteure in Bands. Bezeichnend für die Popmusikredakteure ist, dass sich bis auf den an der Gitarre ausgebildeten alle an anderen, autodidaktisch erlernten Instrumenten (Bass, Gitarre) bzw. als DJ betätigten. Zum Zeitpunkt der Interviews ist nur noch einer der Redakteure musikalisch-praktisch in einer Band aktiv, die eine CD aufgenommen und produziert hat. Ohne Ausnahme bestätigen alle Redakteure eine frühe, mit oder kurz vor der Pubertät einsetzende Begeisterung für populäre Musik, die immer einhergeht mit der Erzählung des Erwerbs der »ersten« Platte; einer berichtet von Plattenkäufen im ausgesprochen frühen Alter von sieben Jahren. Dieses Initiationsritual in die Bedeutungen der Popmusik anhand des ökonomischen Erwerbs von Musik im Albumformat gebiert einen sich selbstverständlich gebenden Modus der Musikaneignung, der für die heutige berufliche Tätigkeit, wo das Album immer noch als zentrale Form der popmusikalischen Äußerung präsentiert wird, durchaus hilfreich sein dürfte. Diese derartig begonnene Leidenschaft für populäre Musik hat sich bei allen über die Jahre vertieft und auf andere stilistische Bereiche erstreckt, bis sie schließlich zur beruflichen Beschäftigung mit Musik führte. Sämtliche Redakteure können sehr detailliert über ihre musikalische Biografie reden, was sicherlich Rückschlüsse über die Bedeutung der Musik für ihre Entwicklung zulässt. Denn nur oft, weil gern erzählte Geschichten des eigenen Lebens erzählen sich flüssig und mit Betonung der Details. Und was oft erzählt wird, ist des Erzählens wert. Zudem verselbständigen sich diese Geschichten zu einer gleichermaßen wirklichen wie Wirklichkeit transzendierenden Erzählung. Sie bilden einen im Nachhinein errichteten identitätsstabilisierenden Rahmen um das eigene Leben. Erving Goffman spricht von der Biografisierung als einer strategischen Diversifikation von Selbsten, die den Erzählenden als »Informationspolitiker« erscheinen lassen (vgl. Willems 1997: 165f.). Manche Redakteure nannten in diesen Erzählungen vor allem Bands aus dem »Independent«-Bereich, die sie in der frühen wie späten Jugendphase zur Distinktion und Identitätskonstruktion nutzten: man hatte sie »für sich alleine« (IN 2: 7) oder man »dachte: das sind jetzt meine« (RS 1: 13). Beide Rolling Stone-Redakteure stellten ihr Aufwachsen in ländlicher bzw. kleinstädtischer Umgebung als wichtig für das Herausbilden des eigenen Musikgeschmacks dar: Die Musikzeitschriften, für die sie heute arbeiten, bildeten
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4.2 ERGEBNISSE: ROLLENKONTEXT für sie in dieser Phase des Entdeckens und Vertiefens eine Verbindung zu einer außen liegenden Welt. Ihnen konnten sie Informationen über »ihre« Musik entnehmen, die sie anderswo nicht erhielten — was in der heutigen Zeit der allverfügbaren Musik wie auch den kritisch zu betrachtenden Informationen darüber kaum mehr vorstellbar erscheint. In seiner musikalischen Autobiografisierung schildert RS 2 am Beispiel der Band Pavlov’s Dog die Wichtigkeit des Musikmagazins für die Ausbildung seines musikalischen Geschmacks wie auch Musikverständnisses. Wäre damals nicht ein Artikel im Musikexpress über die Band erschienen, hätte er keinerlei Informationen über diese für ihn sehr wichtige Musik erhalten können; er hätte — in der Pubertät nicht gänzlich unwichtig — nicht einmal gewusst, wie die Musiker aussehen. Mit diesem Artikel habe er sich dann Bedeutungen über die Musik dieser Band konstruiert, mit denen er Jahre später als Musikredakteur einen der Musiker auf einer Re-Union-Tour konfrontierte — dieser sei ob der Interpretationen des deutschen Journalisten einigermaßen verstört gewesen. RS 1 erzählt von seiner popmusikalischen Sozialisation als einer selbstbestimmten Erweckungsgeschichte: Bis er sechzehn war, habe er vor allem Musik der Beatles gehört, das von ihm intensiv genutzte Angebot der lokalen Bücherei machte ihn beispielsweise mit den Alben von Velvet Underground bekannt. Aktuelle Musik sei für ihn deshalb nicht interessant gewesen. Außerdem sei ihm klar gewesen, dass er aktuelle Bands ohnehin nie zu Gesicht bekommen hätte, da sie nun einmal — falls überhaupt — in Metropolen aufgetreten seien. Diese räumliche und ästhetische Distanzierung vom Aktuellen machte für ihn erstmals die Band Pavement116 wett, woraufhin dann aktuelle Independent-Musik sowie eine sich parallel entwickelnde Spezialisierung auf Singer-Songwriter-Musik den musikalischen Kosmos erweiterten. Durch sein geisteswissenschaftliches Studium der Politik-, Kommunikationsund Kulturwissenschaft angeregt begann er dann, sich auch für soziologische und politische Aspekte der Popmusik »über den Künstler hinaus« (RS 1: 12) zu interessieren. Bei anderen Redakteuren ist als zentrales Motiv ihrer musikalischen Biografisierung eine Distanzierung vom Elternhaus zu erkennen. Gerade die klassisch ausgebildeten Redakteure wenden sich in ihrer musikalischen wie beruflichen Tätigkeit ganz entschieden von der Welt der europäischen Kunstmusik ab. Zwar mag SP 1 in seiner Ausbildung bei einer großen Plattenfirma sowie später als Mitarbeiter im Klassikmarketing einer anderen davon profitiert haben, seine musikalische Tätigkeit jedoch bestand, wie auch bei IN 2, aus dem Mitwirken in einer Popband. SP 2 wandte sich praktisch 116
Pavements erstes Album Slanted and Enchanted erschien 1991. Ihre Platten wurden regelmäßig im deutschen Rolling Stone besprochen.
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN wie beruflich der elektronischen Tanzmusik zu, die in sozialer, ästhetischer wie auch musikalischer Praxis der abendländischen Kunstmusik kaum der Ähnlichkeit verdächtig ist. Die Beschäftigung mit Popmusik nimmt in diesen Erzählungen für die Redakteure den Status eines emanzipatorischen Elements der eigenen Lebensgestaltung ein und erhält somit eine besondere Bedeutung. In den Redakteuren begegnen uns somit praktisch erfahrene, leidenschaftliche, langjährige Musikliebhaber, die ihr über die Praxis angeeignetes Wissen über geschichtliche wie auch theoretische Aspekte von Popmusik beim (beruflichen) Umgang mit Musik zum Einsatz bringen. RS 2 will sich, so gerüstet, vor der Überrumpelung von als einfach bezeichneten musikalischen Vorgängen schützen; er schätzt diese Fähigkeit im Vergleich zu anderen Kollegen eindeutig als Vorteil ein, um »gute« von »schlechter« Popmusik unterscheiden zu können. IN 2 setzt sein Wissen dagegen vor allem beim Redigieren fremder Texte ein, um den falschen Gebrauch musikalischer Termini im Heft zu unterbinden. Aus den Erzählungen der musikalischen Biografien der Redakteure kann eine Kette von Wertigkeiten im Umgang mit Musik gelesen werden, deren Abfolge RS 2 als logische Schritte bezeichnet: zunächst nähert man sich der Musik in der Frühphase der Auseinandersetzung mit Popmusik hörend, dann setzt durch das praktische Musizieren in Form des Nachspielen dieser Musik in Bands ein analytischer Verstehensprozess ein, sodass als daraus folgernder Schritt das Produzieren (Komponieren, Spielen, Aufführen, Aufnehmen) eigener Musik beginnt. Das Schreiben über Musik sei schließlich die Vollendung und Zusammenführung der theoretischen und praktischen Kenntnisse: »Ich wusste immer gar nicht, was ich über Musik eigentlich schreiben soll, weil ich … Ich dachte, okay — man kann das jetzt nacherzählen, aber das bringt ja niemandem was. Und dieser Schritt, Musik zu analysieren oder da irgendwie auf eine andere Ebene zu kommen, das hat bei mir lange gedauert, bis ich verstanden habe, wie man das machen kann« (RS 2: 4). Das Schreiben über Musik begann bei den Redakteuren durchweg im Alter von Zwanzig bis etwa Mitte Zwanzig. Keiner von ihnen absolvierte eine private Journalistenschule oder studierte Journalistik, sondern alle nahmen mit dem musikbezogenen Publizieren bei Stadtmagazinen, Lokalzeitungen oder bei einem selbst herausgegebenen Fanzine ersten Kontakt zum Musikjournalismus auf. Daraus entwickelten sich meist weiterführende Kontakte zu anderen Journalisten und Medien, die sie über weitere Stationen schließlich zu dem heutigen Redakteursposten führten. Alle Redakteure bis auf einen (der eine kaufmännische Berufsausbildung absolviert hat) haben ein
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4.2 ERGEBNISSE: ROLLENKONTEXT Studium begonnen, nur einer hat es aufgrund der großen Arbeitsbelastung bei dem Musikmagazin nicht beendet. Die belegten Fächerkombinationen weisen in Form eines Musikwissenschaftlers mit Magisterabschluss und eines Bachelors, der sich mit Systematischer Musikwissenschaft im Nebenfach beschäftigt hat, fachbezogene Kompetenzen aus. Das hier erworbene Wissen stellt sich für die beiden im Berufsleben jedoch so gut wie gar nicht als Vorteil heraus.117 Der ausgebildete Betriebswirt und Industriekaufmann hat bei einer Hamburger Plattenfirma gelernt und ist dann bei einer anderen Plattenfirma für das Marketing in der »Klassik«-Abteilung zuständig gewesen. Er ist heute für die Spex tätig, was zumindest bemerkenswert ist, wenn man zunächst an den vorne dargestellten durchschnittlichen Ausbildungsweg deutscher Journalisten denkt (vgl. Weischenberg/Malik/Scholl 2006). Darüber hinaus fügt ein ausgebildeter Kaufmann, der durch seine berufliche Biografie bestens über das Veräußern von Musik informiert ist und dies auch einzusetzen weiß, dem Ruf der Spex als »moralästhetische Anstalt [...] linksintellektueller Kulturkritik« (Maye 2003: 161) einen neuen Klang hinzu. Dass in dieser Zusammensetzung der Redaktion die Spex eine positive Auflagentendenz entwickeln würde, war vielleicht nicht unbedingt vorauszusagen — dass sie sich aber besser als bisher verkaufen wird, war aber sicherlich auf der Verlagsseite von der Beschäftigung dieses Musikredakteurs mit einem für das Feld höchst ungewöhnlichen Profil erwartet worden. Zwei Redakteure absolvierten im Anschluss an ihr Studium ein Volontariat; einer bei dem Magazin, wo er heute arbeitet, einer bei einer Lokalzeitung. Alle anderen erlernten das Schreiben wie auch das Arbeitsfeld des Redakteurs selbsttätig und informell im Arbeitsalltag. Learning by doing ist somit Ergebnis wie auch Motto der »Selbst-Ausbildung« zum Musikredakteur und Autor, der über Musik schreibt. Besonders das Schreiben über Musik
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Der Zusammenhang von Musikwissenschaft und Berufspraxis wird nicht zuletzt durch die BA-Studiengänge eingefordert, zumindest für den Bereich des Popmusikjournalismus ist er nun als hinfällig zu bezeichnen: Beispielsweise werden analytisches Wissen und ein ausgebildetes Gehör für harmonische Vorgänge zwar als gute Voraussetzung für die Beurteilung von Musik gesehen und auch teilweise beherrscht, sie finden aber im Schreiben darüber keinen Niederschlag. Dem Leser mag man demzufolge in einer Musikzeitschrift keine detaillierten Beschreibungen von Musik mit existierendem Fachvokabular zumuten. Simon Frith (2002: 239) bestätigt dies aus seiner eigenen Erfahrung als rock critic: »I was not employed as a musicologist: Detailed analysis of what a rock musician actually did would have been cut by the subeditors as pretentious.« Das im Studium erworbene Wissen dient den Redakteuren allenfalls zur Aufdeckung von Fehlern während des gegenseitigen Korrekturlesens — wie etwa dem einer »Moll-Bassdrum« (IN 2: 17).
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN wird von den Redakteuren dem individuellen Talent und Durchsetzungsvermögen der Autoren zugerechnet, nicht den beschrittenen fach- wie berufsbezogenen Ausbildungswegen: »Für uns, würde ich sagen, gilt es wirklich einen Scheißdreck. Wir kriegen ja immer Bewerbungen, da guckt man nicht: oh, was für interessante Fächer haben die Leute an der Uni gemacht, die so ähnlich klingen wie das, was wir hier machen, sondern: Hat der schon mal was geschrieben, kann der schreiben? Man sucht natürlich an so einem Plateau wie Intro schon Leute, die irgendwo schon einmal aufgetaucht sind. Weil, wenn jemand schreiben will, dann schreibt er natürlich auch und daraus ergibt sich dann ein eigenes Profil. Wenn jemand sagt: ich möchte anfangen, zeig es mir mal [...] — ist nicht so reizvoll« (IN 1: 22).
Selbstbild, Aufgaben und Kompetenzen: Konstruktionen des Musikredakteurs und des Musikmagazins Die bei den Redakteuren herrschende Vorstellung des idealen Musikjournalisten ist demnach eng mit den in der Journalistik lange vorherrschenden Auffassungen des journalistischen Talents verknüpft: ein begabtes wie mit strategisch operierender sozialer Kompetenz ausgestattetes Individuum, das sich ein Netzwerk aus Kontakten zu knüpfen vermag, in dem es seine quasi natürlich gewachsenen und stilistisch eigenständigen Texte publiziert. Erst dies gilt als Nachweis von musikjournalistischer Erfahrung und öffnet die Türen zu den Musikmagazinen. Daraus ergibt sich die paradoxe Situation, dass ein musikjournalistischer Berufsanfänger erst dann für ein Musikmagazin schreiben kann, wenn er bereits für ein Musikmagazin geschrieben hat. Gewiss, die Hürden des Einstiegs sind für die Musikjournalisten in der Realität geringer und irgendwo fängt ein jeder nun einmal an — wie gesehen, gelingt dieser Einstieg in der Regel dort, wo die musikjournalistische Messlatte deutlich niedriger liegt, nämlich bei besagten Stadtmagazinen oder Lokalzeitungen. Erst wenn diese Nachweise früher(er) journalistischer Tätigkeit vorliegen, kann — die entsprechenden Kontakte und Zufälle vorausgesetzt — das Publizieren bei einem der großen Musikmagazine ins Auge gefasst werden: üblicherweise, so bestätigen die Redakteure, beginnt man zunächst mit kleineren Texten (meist Rezensionen), denen später größere Features folgen, bis durch mancherlei Zufälle der bis hierhin freie Autor schließlich an einen Redakteursposten gelangt. Jeder der Redakteure hat eine spezielle Geschichte zu erzählen, beispielhaft sei der Werdegang von SP 2 illustriert. Ausschlaggebend für seine Berufswahl war ein schon immer gehegtes starkes Interesse für Musik, das sich aus seiner großen Musikbegeisterung speiste. Daraus entstand der Ge-
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4.2 ERGEBNISSE: ROLLENKONTEXT danke, etwas über Musik schreiben zu wollen. Damit begonnen hat er mit zweiundzwanzig Jahren, während des Studiums, mit ersten Rezensionen bei Stadtmagazinen und beim Groove-Magazin, einem Musikmagazin für elektronische Musik, wo er später auch größere Features veröffentlichte. Zusätzlich erwarb er als Berufsanfänger bei einem Internet-Musiksender, der als Start-Up-Unternehmen begann und insofern keine professionellen Redakteure beschäftigen konnte, als zuständiger Redakteur für den »ElectroChannel« erste berufliche Meriten, viel wichtiger war aber der damit einhergehende, nun offizielle Status eines Redakteurs. Dieser hier erworbene Standestitel und das derart signalisierte Erfahrungswissen sowie die positiven Rückmeldungen auf seine Arbeiten bei dem Musikmagazin stellten die notwendigen Voraussetzungen dar, den ersten, gerade frei werdenden Redakteursposten bei der Groove angeboten zu bekommen, wo er mit einer halben Stelle als Schlussredakteur und Redakteur begann. Nebenher hat er nach Abschluss des Studiums für Tageszeitungen geschrieben, hauptsächlich für die taz, aber auch für andere Magazine.118 Zur Spex gelangte er durch einen persönlichen Anruf von Max Dax, dem Chefredakteur. Dieser hatte den Tipp von der Verlagsleiterin in München bekommen — die wiederum auf ihn gar nicht mal durch seine in der verlagseigenen Groove erschienen Artikel, sondern durch von ihm geführte, in Hochglanzmagazinen wie Zoo abgedruckte Interviews aufmerksam geworden war. Dax und SP 2 trafen sich daraufhin und verstanden sich so gut, dass er einen Posten als Redakteur angeboten bekam. Zunächst sollte er eine halbe Stelle bei der Spex und eine halbe bei der Groove ausfüllen, dies habe sich aber relativ schnell als nicht praktikabel erwiesen. Denn beide Magazine haben aufgrund derselben Erscheinungsweise gleich lautende Terminpläne einzuhalten, was zu einer Überlastung geführt habe. In räumlicher Hinsicht wäre dies wohl zu leisten gewesen, da sich, wie erwähnt, die Spex- und Groove-Redaktionen eine Etage des verlagseigenen Altbaus in Berlin-Kreuzberg teilen. Doch die zeitliche Belastung war immens, da zwei halbe Stelle gegen Ende der Produktion nie eine ganze, sondern immer mehr ergeben. Schließlich hat er die Stelle bei der Groove aufgegeben und die volle Stelle bei der Spex angetreten. Was sich insgesamt in den Erzählungen der Redakteure freilich abzeichnet, sind Tendenzen einer Mystifizierung des Berufseinstiegs wie auch des Berufs. Sie dienen sicherlich einerseits als Barriere gegenüber den vielen, die in diesen Beruf hineinstreben — wer die anderen im Unklaren lässt über reale Wege und Verhältnisse der Arbeit, gibt wenig preis über Angriffs- wie 118
Ein erheblicher Teil der freien Mitarbeiter der Spex rekrutiert sich aus tazMitarbeitern; das notwendige Netzwerk der freien Musikjournalisten hat somit einen weiteren Knotenpunkt im Redakteur der Spex gefunden.
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN Einstiegsmöglichkeiten. Andererseits können sie im Lévi-Strauss’schen Sinne der Mythenbildung (vgl. Lévi-Strauss 1977: 235ff.) als funktionaler Versuch interpretiert werden, »jene die Gesellschaft bedrängenden Widersprüche [...] theoretisch zu bewältigen« (Horstmann 1984: 304). Erst diese Mythenbildung erlaubt, die eigene Biografie in der Rückschau als Erfolgsgeschichte zu erzählen, mit deren Hilfe die vielen Unsicherheiten auf dem Weg dorthin wie die vielen Kollegen, die scheiterten, vergessen werden dürfen. Mit dem Glauben an das schriftstellerische Genie als eine Kernkompetenz des Musikjournalisten einher geht ein schier unerschütterliches Wissen um die eigene, als wesentlich für den Beruf begriffene musikalische Urteilskraft (s. dazu ausführlich folgenden Abschnitt). Ein Musikjournalist soll nicht nur dem journalistischen Medium gemäß »gut« schreiben können, er muss auch über ein durch eine langjährige intensive Hörerfahrung geschultes Repertoirewissen und die daraus gewachsene Unterscheidungs- und Beurteilungsfähigkeit verfügen. Dieses fällt nicht, wie das Talent zum Schreiben, einfach vom Himmel, sondern muss privat und individuell vor dem Berufseinstieg angeeignet werden. Deshalb ist in den Interviews immer wieder eine Skepsis gegenüber einer Institutionalisierung der Ausbildung zum Musikjournalisten und -redakteur zu spüren, die einem als kreativ dargestellten Beruf nicht angemessen sei. Bei der Intro etwa versuche man zwar, selber Praktikanten und Volontäre derart auszubilden, dass sie für das Heft etwas schreiben können und auch sollen; viele der heutigen Autoren hätten hier einmal als Praktikant begonnen. Letztlich habe sich die Redaktion allerdings eingestehen müssen, dass ein Musikredakteur niemandem das Schreiben beibringen könne. Allenfalls könne man die Begabten entdecken und durch neue Aufgaben fördern. Aber in einem künstlerisch-kreativen Job wie dem Musikjournalismus könne man kein dafür notwendiges Talent lehren. Jegliche derzeitigen Bemühungen an den Universitäten, neue BA-Studiengänge für diese Bereiche einzurichten, seien deshalb zum Scheitern verurteilt (vgl. IN 1: 20f.). Diese Sicht auf den Beruf als Ort kreativer, von urwüchsig entwickelten Gaben bzw. selbsttätig erarbeiteten Fertigkeiten begleiteter Entfaltung ist umso interessanter, wenn man ihn mit der Realität der Aufgaben eines Musikredakteurs abgleicht: Auf die in allen Interviews geäußerte Bitte hin, ihr Aufgabengebiet zu beschreiben, kommen die für die Berufsrolle des Musikjournalisten wichtigen Fähigkeiten der effizienten Organisation der Redaktion und Heftplanung zur Sprache — die in praxisnahen Studiengängen sehr wohl gelehrt, im Musikjournalismus aber im Berufsalltag selbstverständlich selbsttätig angeeignet werden. Beispielsweise ist einer der befragten Redakteure als Chef vom Dienst in der Redaktion tätig. Seine Aufgaben liegen
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4.2 ERGEBNISSE: ROLLENKONTEXT in erster Linie in der Organisation der Redaktion: er stellt die Kontakte zwischen den verschiedenen Instanzen der Heftproduktion her und »betreut« sie, was bedeutet, dass er Ansprechpartner für den Verlag, die Druckerei, die Plattenfirmen usw. ist. Er stellt Terminpläne für die Heftproduktion auf und überwacht deren Einhaltung, darüber hinaus beruft er die Redaktionskonferenzen ein. Kreativität im obigen Sinne ist in dieser Funktionsrolle kaum erforderlich. Das Aufgabenfeld des Redakteurs stellt sich im Einzelnen wie folgt dar: ein Redakteur soll auf verschiedenste Weisen aufmerksam werden auf das, was von den Plattenfirmen im für das nächste Heft relevanten Zeitraum veröffentlicht wird. Das bedeutet zunächst vor allem viel Büroarbeit: es muss die Post mit neuer, d.h. von den Plattenfirmen zur Veröffentlichung vorgesehener Musik ausgepackt werden sowie mit PR-Firmen, Plattenlabels und Autoren telefoniert und gemailt werden. Alles derart Wahrgenommene muss dann nach rationalen Mustern effizient sortiert und hinsichtlich seiner Potentialität für eine Publikation im Heft sowie — falls gegeben — seines Darstellungsmusters wie Umfangs im Heft reflektiert, dann im Kollegenkreis vorgestellt und diskutiert werden. In der entscheidenden Redaktionskonferenz gilt es, strategisch Entscheidungen herbeizuführen, die anschließend einer gut organisierten Umsetzung bedürfen. Falls der Redakteur die hier abgesprochenen Texte nicht selber schreibt, bedeutet dies erstens, in Absprache mit der Redaktion Autoren zu finden und sie in Kenntnis von der erwarteten Aufgabe und ihrem Umfang sowie den Terminen zu setzen, anschließend zweitens Kontakt mit der Plattenfirma zwecks diverser Abstimmungen aufzunehmen; mitunter müssen auch Fotografen gebucht und über die anstehende Arbeit informiert werden. Die beauftragten Texte werden dann drittens von den Redakteuren (so weit wie möglich) »terminnah« eingefordert, sie werden dann gelesen und redigiert. Wenn sie von den Grafikern gesetzt sind, werden sie schließlich vom Chefredakteur als letzter Instanz gegengelesen und für die Veröffentlichung freigegeben. Einer der Interviewten umschrieb die Aufgabenverteilung folgendermaßen: »Dreiviertel der Arbeit [als Musikredakteur] haben ja nicht unbedingt etwas mit dem Nachdenken und mit dem Hören von Musik zu tun« (RS 2: 17). Der Beruf des Musikredakteurs in einem Popmusikmagazin bedeutet demnach nicht, »über Musik zu schreiben«, wie es die Interviewten als Ausgangsmotivation für ihre Berufswahl angaben, sondern vor allem, den Berg der neuen Veröffentlichungen jeden Monat aufs Neue zu bewältigen, die damit einhergehenden diversen Aufgaben zu organisieren, die verschiedenen Märkte (Anzeigenkunden- wie auch den Lesermarkt) zu beobachten und entsprechende Handlungsstrategien zu entwerfen. In der Soziologie wird für
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN eine Institutionalisierung derartigen Handelns die Definition der Verwaltung benutzt, die es im übertragenden Sinne treffend zusammenfasst: Musikredakteure sind danach diejenigen verwaltenden Teile einer Organisation, hier: der Musikzeitschrift, »die durch rationale Planung, Vorbereitung, Koordination und Kontrolle die verschiedenen Leistungsbeiträge der Mitglieder einer Organisation auf die Verwirklichung eines übergeordneten Organisationszieles (Gewinnmaximierung, Produktivitätssteigerung, Umsatzerhöhung, politische Einflusssteigerung u.a.) ausrichten« (Hillmann 2007: 941). Musikjournalismus, wie er in Form der Musikmagazine ausgeprägt ist, wäre demzufolge zuständig für die Verwaltung von Popmusik — was die Kritische Theorie mit der Formel der kulturindustriellen Verwaltung zwar schon immer vermutet, nur nicht unter Beweis gestellt hatte. 119 Mit Verberuflichungsprozess bezeichnet Weischenberg (1995: 527ff.) die berufliche Sozialisation der Redakteure, das »Erlernen der Hausordnung« und die Übernahme von Handlungs- und Bewertungsmustern. Dieses Rollenlernen ist motiviert entweder durch das Verpflichtungsgefühl gegenüber Personen und Institutionen, die Androhung von Sanktionen, aus Eigenantrieb heraus, durch den Eigenwert des journalistischen Produkts (die Nachricht, die Musik) oder durch in Aussicht gestellte Gratifikationen (Integration in Gruppe der Redakteure; Kontakt mit berühmten Musikern; Steigerung des Ansehens usf.). Die Ausführungen in den Interviews belegen diese Prozesse. Besondere Betonung als Motivation findet dabei der Aspekt der »Übernahme von Verantwortung« für einen zu schreibenden oder zu betreuenden Artikel und der daraus hervorgehenden Verpflichtung gegenüber der Redaktion, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Die derart erbrachte Leistung wird honoriert mit der Vergabe des nächsten, etwas größeren Artikels, der wiederum im Erfolgsfall zu einem größeren Vertrauensvorschuss sprich: Artikel führt. Diese Meriten muss der Berufsanfänger auf dem Weg zum Mitglied der Redaktion erwerben und sich dabei immer wieder aufs Neue beweisen. »Als ich angefangen habe in der Redaktion, bin ich haufenweise zu kleinen Mini-Interviews gegangen, zu Rich Hopkins, Starsailor, habe meine Texte abgeliefert. Und natürlich wurde da auch immer kontrolliert: kann der das und kann man den auch mal etwas Größeres machen lassen? Der Respekt, den man sich in der Redaktion erarbeitet, auch wenn der nicht so ausgesprochen 119
Die Institutionalisierung einer popmusikalischen medialen Öffentlichkeit, die nach rationalen Gesichtspunkten einer nicht-öffentlichen, nämlich privaten Organisation routiniert hergestellt wird, ist als journalismustypisches Phänomen unter dem Begriff der Paradoxien des Journalismus in der Journalistik bekannt (vgl. Loosen/Pörksen/Scholl 2008).
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4.2 ERGEBNISSE: ROLLENKONTEXT wird, der ist dann schon mitentscheidend, ob die Leute [in der Redaktion] einem auch ein Thema abnehmen, von dem sie auch selber nicht hundertprozentig wissen, ob es funktioniert. Ein einfacher Fall: wenn es z.B. ein David Bowie-Interview gibt in New York und die Plattenfirma zahlt eben den Flug und man weiß, man macht ein Sechzehnseiten-Special — da ist natürlich erst mal klar, dass man das nur machen darf, wenn wir halbwegs sicher sind, dass man dann auch irgendwas zurückbringt« (vgl. RS 2: 7). Diese ständige Unterbeweisstellen bzw. das stete Herausfordern der eigenen Leistungsfähigkeit führt mitunter zu absurden Situationen der Überforderung: »Wenn ich sage, ich schreibe über das und das, ist es nicht so, dass ich schon vorher weiß, was ich darüber schreibe. Das weiß ich erst in dem Moment, wo ich schon nicht mehr zurück kann. Ich verpflichte mich, irgendwas zu machen und gehe davon aus, dass ich es irgendwie schaffe. Und das ist natürlich schon einfacher, wenn man das schon oft erlebt hat und gemerkt hat: ich kann das« (ebd.: 6f.). Nur die permanente Wiederholung der Herausforderung, die im Handeln des Redaktionsalltags institutionalisiert ist und dort professionell habitualisiert wird, erlaubt die Kompensation der ursprünglichen Überforderung. Dies erfordert jedoch die Herausbildung einer speziellen Herangehensweise, die als professionelles Infragestellen der eigenen Kompetenzen bezeichnet werden kann. Heftthemen werden von den Redakteuren als Herausforderungen begriffen, bei denen man sich niemals völlig sicher ist (und sein darf), ob man ihnen auch gewachsen ist. Erst die im Verberuflichungsprozess internalisierte Verpflichtung gegenüber der Redaktion und die Anerkennung institutionalisierter Schemata, etwa die Einhaltung der Frist zur Abgabe des Textes, zwingen zur Auseinandersetzung mit diesen Themen. Selbstverständlich wäre eine andere, für den Redakteur wesentlich effizientere Herangehensweise denkbar, indem man etwa nur Themen wählt, mit denen man vertraut ist und die in kürzester Zeit bearbeitet werden können. Jedoch verbietet ein aus der Praxis erwachsener professioneller Ehrgeiz diesen einfachen Weg. Bemerkenswert ist, wie sich auf diese Weise im journalistischen Individuum eine arbeitsethische Instanz ausbildet, die innerhalb routinierter Produktionsabläufe die Hervorbringung von stets Gleichem verhindert, indem sie ständig zu neuen Leistungen herausfordert. Diese subjektinterne Optimierungsinstanz betrieblicher Routinen ist ein Merkmal der Arbeit im 21. Jahrhundert. Routine ist demnach das vom Journalisten wie von der publizistischen Organisation erwünschte Ergebnis der Aneignung derartiger professioneller Handlungsmuster. Diese Übernahme beruflicher Normen dient gleichzeitig der Etablierung innerbetrieblicher Or-
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN ganisationsstrukturen wie der Verfestigung von Hierarchien, die somit nicht mehr bedroht sind, infragegestellt zu werden. Des Weiteren ist die Verinnerlichung von Wert- wie Handlungsmustern im redaktionellen Anpassungsprozess — der Berufshabitus bzw. die journalistische Brille nach Bourdieu — eine wichtige Voraussetzung, im beruflichen Alltag rational und effizient agieren zu können. Diese Habitualisierung wird als ein mehrstufiger Konformitätsprozess im journalistischen Bewusstsein beschrieben (vgl. Prott 1976), der bis zur Selbstzensur führen kann. In den Interviews bejahen die Redakteure diese Tendenz. Wenn man längere Zeit für ein Magazin arbeite, wisse man genau, ob eine Band ein »Thema« für das eigene Blatt sei oder nicht (vgl. RS 1: 13). Man wisse auch genau, ob ein Album zur Rezension vorgeschlagen werden kann, mitunter sogar, wie die Bewertung ausfallen wird (vgl. RS 2: 13). Und man ist sich durch die Einsicht in ökonomische und strukturelle Verbindungen des Blattes sogar über den Tonfall des Artikels bzw. der Kritik im Klaren (vgl. IN 1: 15f.). In der Tat liege hier, darüber herrscht Gewissheit, ein »perfides« (ebd.) System der vorauseilenden Selbstzensur vor, wie sie erst im Prozess der vorangeschrittenen Verberuflichung der Journalisten eintreten kann.120 Weischenberg (1995: 531) deduziert nicht zufriedenstellend, dass in kommerziellen journalistischen Organisationen der individuelle Spielraum für Redakteure zwar sehr eng sei, dies aber nicht bedeute, dass sie individuellen Entscheidungen enthoben seien. Den eigenen Beobachtungen und Interviews zufolge verhält es sich eher so, dass die Redakteure ständig Entscheidungen zu treffen haben, die ihr individuelles Urteilsvermögen betreffen. Denn die Hierarchien in den Redaktionen sind flach und die Aufgabenbereiche der Redakteure umfassend. Der sich daraus ergebende ständige Entscheidungsdruck kann nicht mehr alleine durch Entscheidungen auf Basis gemeinsamer Voten gelöst werden, wenngleich die Redaktionskonferenz das maßgebliche Entscheidungsgremium ist und bleibt. Dennoch handeln die Redakteure in den allermeisten Fällen selbstbestimmt — freilich nach Maßgabe internalisierter Normen. Es geht also nicht darum zu zeigen, dass sie individuell entscheiden — denn das tun sie unentwegt —, sondern zu schauen, an welchen Stellen des ständigen Entscheidungszwangs professionelle und individuelle Aspekte bei der Entstehung des Urteils miteinander konfligieren. 120
Sicherlich ist dieses »vorausschauende Mitdenken« der Mitarbeiter erwünscht, da es den routinierten Betrieb erleichtert. Andererseits darf Routine nie für Voraussagbarkeit sorgen; vgl. bspw. in Kap. 4.2 Strukturkontext die Aussagen zur Urteilsfähigkeit als Kompetenz von Musikredakteuren.
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4.2 ERGEBNISSE: ROLLENKONTEXT Eine wichtige Disposition, die den Redakteuren bei der Bewältigung der Aufgaben und dem gut organisierten Einsatz ihrer Kompetenz hilft, ist das zugrunde liegende Selbstbild der eigenen Rolle wie auch des Ortes, an dem sie arbeiten. Denn hier wird in fundamentaler Weise gedeutet, warum sie agieren sowie wie und für wen sie es tun. Dieses Selbstbild ermöglicht, motiviert, strukturiert und begrenzt das Handeln der Redakteure. Zunächst ist es erstaunlich, wie die Redakteure mit dem Begriff des Musikjournalisten umgehen. Er wird gedehnt, abgelehnt oder gewendet. SP 2 bezeichnet sich als »Musik- und Kulturredakteur«, obwohl er einräumt, hauptsächlich über Musik zu schreiben. Gleichwohl wird mit der KulturBeifügung nicht nur der Aufgabenbereich als größer erklärt, er erfährt auch eine Aufwertung: denn Musikredakteure kümmern sich nur um einzelne Details, Kulturredakteure behalten das kulturelle Ganze im Blick, wie es sich für einen Redakteur einer »Zeitschrift für Popkultur« — so der Untertitel der Spex und in den Interviews belegtes Selbstbild — auch geziemt. 121 RS 2 etwa weist den Begriff Musikjournalist indirekt von sich, da er vor seiner Tätigkeit beim Rolling Stone über andere Themen geschrieben habe und dies nach dem Wechsel zu einer anderen Zeitschrift auch wieder tue. »Dass ich über Musik schreibe, sehe ich nicht unbedingt als Definitionskriterium« (RS 2: 31). Demnach ist die Form der journalistischen Arbeit als Redakteur die eigentliche Basis seines Berufsbilds und nicht ihr Inhalt, das Schreiben über Musik. Denn auch hier sieht er seine Kompetenz als begrenzt an, da eben der Großteil der Arbeit nicht der Auseinandersetzung mit Musik diene. Jeder, der sich mit Musik als Hobby auseinandersetze, habe mehr Zeit und verfüge deshalb über einen Wissensvorsprung gegenüber dem Musikredakteur. Hier bricht sich eine Sicht Bahn, in der die Professionalisierung der Leidenschaft für Musik eben diese zu unterbinden scheint. Der Redakteur ist sich zwar bewusst, dass er in seiner Rolle über die Produktionsmittel verfügt bzw. in einem gewissen und geregelten Rahmen verfügen darf, seine Meinung einer größeren Öffentlichkeit zuteil werden zu lassen. Auch gesteht er sich zu, über professionell erworbene und gefestigte 121
In den Editorials der Spex beschreibt Chef-Redakteur Max Dax (2007a: 3) das Selbstbild folgendermaßen: »Die neue Spex erscheint seit der letzten Ausgabe zweimonatlich auf 164 Seiten. Das bedeutet mehr Raum zur Gestaltung, den wir nutzen, um umfassend auf Musik und Pop-Phänomene hinzuweisen, die zusammengenommen so etwas wie eine Kartographie unserer Gegenwart darstellten.« Spex vertrete einen »zeitgemäßen Musikjournalismus in Deutschland« als eine »autorengeprägte Zeitschrift, in der die essenziellen künstlerischen Produktionsbedingungen unserer heutigen Zeit reflektiert werden — Vernetzung, Globalisierung, digitale Revolution, aber auch deren Schattenseiten: zunehmende Entpolitisierung, der Niedergang der Musikindustrie, eine neue Unübersichtlichkeit« (Dax 2007b: 3).
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN sprachliche Ausdrucksmittel zu gebieten, die nicht jedem Musikliebhaber zueigen sind. Für das Selbstbild des Musikredakteurs bedeutet dies zusammengenommen jedoch, eine realistische Selbsteinschätzung der musikbezogenen Kompetenzen vorzunehmen und somit die journalistischen Kompetenzen zur Vermittlung einer pointierten und argumentativ dargelegten Meinung über Musik einzusetzen. Aufgrund der vielfältigen Abhängigkeiten innerhalb der Struktur des Musikmarktes nehmen die Redakteure bei der Definition ihrer Rolle als Musikjournalist außerdem Abstand von einem klassischen Journalismusbegriff, der aufklärerisch investigativ als Vierte Macht interpretiert wird: »Es ist natürlich schon so, dass vieles, was wir tun, nicht unbedingt Journalismus ist. Sondern [lacht, Antwort kommt langsam] ... so eine Art ... Promotion ... mit [längere Pause] Geschmacksurteil. Oder so, keine Ahnung. Das, was auf St. Pauli die Leute sind, die auf den Straßen stehen und die Leute in die Clubs holen, das machen wir natürlich teilweise auch. Oder sehr viel sogar. [...] Dementsprechend läuft viel über Produkte, die halt da sind. Und die von Agenturen und Plattenfirmen promoted werden müssen und wo wir dann halt die Chance haben, mit den Leuten zu sprechen. Da darf man sich nichts vormachen, dass das dann nicht unbedingt die großen Enthüllungsgeschichten sind und es dann auch nicht wirklich darum geht, knallhart die Wirklichkeit abzubilden. Sondern eher darum, so etwas wie Bedeutungen zu suchen oder zu erzeugen, was dem Produkt zugute kommt oder auch nicht« (RS 1: 4). Infolgedessen sei der Rolling Stone eher als Unterhaltungsmedium zu begreifen und somit kein Medium der Aufklärung der Leser über die »Maschine«, die im Hintergrund arbeitete (ebd.: 32). Auch die Redakteure der Intro zeigen ein gewisses Maß an Pragmatismus hinsichtlich ihrer Kritik an den Mechanismen der Musikindustrie: »leider« sei die Berichterstattung aktualitätsinduziert, jedoch wird dies mit den Strukturen gerechtfertigt, die nun einmal so seien. Deshalb verfolgte beispielsweise IN 2 kein spezielles Ideal bei seiner Arbeit, wie etwa die getreue Darstellung eines Sachverhalts, den Wunsch, der Musik gerecht zu werden, oder ein sprachliches oder aufklärerisches Interesse. »Es gibt eine Palette an Sachen und je nach Umstand wird das eine oder das andere ein bisschen mehr gefeatured« (IN 2: 15). Die Musik spielt insofern eine untergeordnete Rolle, als sie eine von vielen Möglichkeiten der Ausgestaltung eines Artikels darstellt, jedoch nicht die primäre Instanz eines Musikjournalisten ist. Zwar gilt als Ideal die Expertenschaft auf dem Gebiet der beschriebenen Musik, doch es gehe schließlich nicht um die Musik an sich, sondern die journalistische Aufgabe liege in der prägnan-
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4.2 ERGEBNISSE: ROLLENKONTEXT ten, informativen und emotionalisierten Übermittlung, »wie diese Musik klingt und was sie womöglich auslösen könnte bei jemandem« (ebd.: 17). Dieses Selbstbild des Redakteurs als Dienstleister am Leser ist in den Interviews immer wieder präsent.122 Allerdings wollen die Redakteure nicht bloß umfassend Informationen anbieten, sondern sie definieren sich als selbstbewusste Gatekeeper, die als professionelle Vorkoster das Musikbüffet des Monats für ihre Leser anrichten bzw. vor dem Genuss von Verdorbenem warnen: »Es geht nicht darum, aufzuführen, wer wann welche Platten rausbringt, sondern relevante Platten und Musik den Leuten nahezulegen auf eine hochqualitative Art und Weise. Logisch filtern wir auf dreißig CDs herunter, aber ich sehe das als unsere Leistung an, den Lesern Wesentliches nahezubringen« (SP 1: 9). Denn es gebe nun einmal Leser, »die interessieren sich für Musik, gehen dann aber anderen Jobs nach, müssen sich dann in gewisser Weise darauf verlassen, dass jemand ihnen — das ist ja auch Arbeit — [die] Arbeit abnimmt, sich durch alles durchzuhören und dann eben vorzusortieren. Das, was wirklich interessant oder relevant ist, auszufiltern« (SP 2: 33). Und gerade für diejenigen, deren Beruf ihnen keine Zeit für eigene Musikrecherchen im Internet lasse oder die darauf keine Lust hätten, sei das Heft gemacht (vgl. RS 1: 30). Das hier beschriebene Selbstbild der Redakteure der Spex korrespondiert mit dem Bild, das die Redakteure von ihrem Medium — und dementsprechend auch von den Konkurrenzmedien — besitzen. Die Spex gilt ihnen als Ort eines qualitativ hochwertigen Journalismus, was sich vor allem auf der Ebene der weitgehend fehlerfreien, da mehrfach redigierten Texte niederschlage. Sie stelle Musik, »die sonst kaum behandelt wird« (SP 1: 3), in einer guten und informativen Sprache dar und distanziere sich derart von der Musik des Mainstream: »Wir sind nicht diejenigen, die über Bryan Adams schreiben« (ebd.: 7). Man gibt sich äußerst selbstbewusst: die Spex sei neben Wire Europas beste Musikzeitschrift, in Deutschland sei sie dies »sowieso« (ebd.: 4). Denn die deutsche Konkurrenz sei in ihrem Stil wie Ansatz veraltet und spreche ihre Leser nicht bzw. falsch an. Als Beispiel werden der Rolling Stone und der Musikexpress genannt, sie seien von Floskeln durchzogen, die man seit Jahrzehnten in der Musikpresse lese. Bei der Intro 122
Weischenberg, Malik und Scholl (2006: 110ff.) bezeichnen dies mit dem journalistischen Rollenselbstverständnis des Ratgebers und Vermittlers von Orientierung. Es wird von Zeitschriftenjournalisten weit häufiger als Kommunikationsabsicht angegeben — übrigens wie auch das Selbstverständnis des Anbieters von Unterhaltung und Entspannung —, als Kollegen aus anderen Mediensparten dies tun: »Zeitschriften sind somit auch im Selbstverständnis der dort tätigen Journalisten die ›Musikdampfer‹ des Journalismus« (ebd.: 113).
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN dagegen bestehe aufgrund ihrer Vertriebsweise der Verdacht, dass sie vor allem gelesen werde, weil den Leuten langweilig sei, und nicht, weil sie sich für die spezielle journalistische Übermittlung musikbezogener Inhalte interessierten. Das Bild der Intro-Redakteure von ihrem Magazin unterscheidet sich von dieser Fremdwahrnehmung natürlich: man differenziert sich in der eigenen Einschätzung vor allem auf inhaltlicher Ebene von anderen klassischen Musik-Printtiteln auf dem Markt, da die Intro einen über Genres und Stile hinwegsehenden Begriff von Musik abbilde, der allein musikalische Qualität gelten lasse: »Wenn die Musik geil ist, ist sie bei uns im Heft« (IN 2: 24). Außerdem sei der journalistische Ansatz, sich der Musik und den Bands zu nähern, verspielter und weniger ernsthaft als bei anderen Magazinen. Ein weiterer Punkt, der die Intro gegenüber der Konkurrenz auszeichne, sei der vergleichsweise größere Umfang des sogenannten Und-so-Bereichs im Magazin, »also Literatur, Film, DVD und so« (ebd.: 29). Einerseits stärke dies ihre finanzielle Situation, da in diesen Bereichen Anzeigen geschaltet würden, auf die man als Umsonstmagazin »extrem« angewiesen sei. Andererseits festige dies ihr Profil als ein Magazin, das den Anspruch traditionell vertrete, »Popkultur in ihrer Gänze« (ebd.) zu präsentieren: »Ich glaube, das macht auch Intro zu einem bisschen mehr als einem Musikmagazin. Ich glaube, man kann Intro mittlerweile auch ganz gut lesen, wenn man sich für aktuelle britische Rockbands nicht interessiert. Da gibt es immer noch Sachen, die einen interessieren könnten, und ich glaube, das kann man im Zuge dessen auch noch ein bisschen steigern und versuchen, da auch Vernetzungen herzustellen zwischen den einzelnen Sachen« (ebd.). Und wie bei der Spex wird freilich auch bei der Intro Musikjournalismus verstanden als ein Auftrag, mehr über Musik zu berichten als nur die bloßen Daten der Albumveröffentlichung: »Und zwar ist das die Tatsache, dass wir natürlich schon versuchen, immer das ›Dahinter‹ rauszukitzeln, sei es eine politische Position, überhaupt irgendwas Greifbares, was eine Differenz erzeugt zu jeder x-beliebigen anderen Band, nicht nur musikalisch, sondern auch in den Wesen, die da Musik machen« (ebd.: 5). Diese Auffassung von musikjournalistischem Auftrag sehe man als Intro-Redakteur bei der Spex, beim Rolling Stone oder Musikexpress dagegen eher nicht. Eine ganz andere Selbstauffassung des Magazins lässt sich bei den Redakteuren des Rolling Stone erkennen. Der Markt der Musikzeitschriften sei aufgrund der Themen und der dazu eingenommenen Perspektiven gegliedert: Während andere Medien aktuelle Themen bearbeiteten, nehme der Rolling Stone dagegen eine eher historische (bzw. historistische) Perspekti-
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4.2 ERGEBNISSE: ROLLENKONTEXT ve auf Musik ein, die ihm als Aufgabe zustehe und die er auch wahrnimmt: »Es ist eine Aufgabenverteilung: es gibt andere Medien, bei denen ist Dubstep nur in dem Moment interessant, wo er neu ist und später nicht mehr. Dieses Nach-dem-Beständigen-Suchen — wenn ich den Rolling Stone auf eine Kurz-Formel bringen müsste, dann wäre es vielleicht das« (RS 2: 17). Der Rolling Stone verfüge über einen etablierten Markennamen, der Kompetenz und ebendiese Tradition der musikjournalistischen Auseinandersetzung vermittele. Dementsprechend würden hier Berichte über etablierte und als historisch wichtig eingestufte, mitunter dem Vergessen anheim zu fallen drohende Genres, Musiker oder Alben einen Ort finden (prototypisch in der Reihe »Alte Helden« exemplifiziert), den sie in anderen Magazinen nicht hätten. Keines der untersuchten Musikmagazine verfügt über eine vom Verlag dezidiert veranlasste Heftlinie — und muss es auch nicht, denn die Selbstbilder der Redakteure sowie ihre Auffassungen des Magazins, für das sie tätig sind, strukturieren das musikjournalistische Handeln als in der Praxis relevante Konventionen, die regeln, welche Aufgaben und Themen das Magazin und somit der Redakteur darzustellen hat. Es ist davon auszugehen, dass, während die Selbstbilder der Redakteure sich erst im beruflichen Alltag entwickeln, die imaginierte ideelle Gestalt der Magazine bereits vorher existierte. Beispielsweise berichteten beide Rolling Stone-Redakteure über ähnliche Vorstellungen vom Magazin, die sie bereits als Leser weit vor dem Beginn ihrer hiesigen Tätigkeit entwickelt hatten. Sie mochten den musikjournalistischen Zugang des Rolling Stone, bei ihren ersten eigenen Artikeln verspürten sie Ehrfurcht vor der Geschichte der Zeitschrift. Im beruflichen Alltag finden sie dieses Bild des Magazins immer wieder bestätigt: RS 1 berichtet beispielsweise vom Anruf eines Fernsehmagazins, das einen Kommentar zu Amy Winehouse explizit von einem Musikredakteur des Rolling Stone und nicht vom Musikexpress wünschte, da der Name allein bereits Kompetenz für populäre Musik bedeute. Diese externen Belege der eigenen Vorstellungen bestätigen und verfestigen sie und wirken sich schließlich auf die Arbeit des Musikredakteurs aus.
Musikverständnis und Werturteil: Der professionelle Umgang mit Musik Als eine der Kernkompetenzen des Musikredakteurs stellt sich in den Interviews das Unterscheidungs- und Beurteilungsvermögen populärer Musik dar. Dieses ist nicht nur wesentlich an dem Zustandekommen der veröffentlichten Musikkritiken beteiligt, sondern beeinflusst auch im beruflichen Alltag, der der Hefterstellung vorausgeht, den Umgang der Redakteure mit Musik.
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN Alle Redakteure geben an, dass sie aufgrund ihrer Musikbegeisterung seit Jugendzeit diesen Beruf wählten. Ihr dort grundlegend geprägter Musikgeschmack und ihre (behauptete) Kennerschaft wird als Zugangsvoraussetzung zu diesem Beruf verstanden. Gleichzeitig dient ihnen ihr jetziger Status als Musikredakteur nun als legitimer Nachweis der popmusikalischen Expertenschaft, was sie durch das monatliche Publizieren von Rezensionen oder Artikeln immer wieder unter Beweis stellen. Angesichts dieses Selbstbildes ist es umso interessanter zu erfahren, wie die Redakteure tatsächlich mit Popmusik in ihrem Arbeitsumfeld umgehen, welche Rolle ihr individueller Musikgeschmack sowie die daraus hervorgehende Unterscheidungs- und Beurteilungskompetenz spielt und welche Strategien der Bewältigung der enormen Musikberge (tatsächlich war in jeder der besuchten Redaktionen der Schreibtisch der Redakteure mit Türmen aufgestapelter CDs gesäumt) sie verfolgen. Die in den Interviews geäußerten Schätzungen der zu beurteilenden Musik liegen zwischen rund 500 CDs pro Monat und 30 pro Tag, was sich bei durchschnittlich zwanzig Arbeitstagen auf ca. 600 CDs im Monat summiert. Jedoch bekommt nicht jeder Redakteur diese Menge an Musik zugestellt. In den Redaktionen gibt es je eine zuständige Person, die an der sogenannten Vollbemusterung teilhat, d.h. die von den Plattenfirmen (in der Regel) unaufgefordert alle neuen Veröffentlichungen erhält. Die Redakteure sind aber zusätzlich bemüht, die Menge neuer Musik durch intensive Recherche oder durch eigenständige Kontaktaufnahme mit Labels zu erhöhen — schließlich dürfe man keinesfalls etwas »Wichtiges« (RS 2: 22) verpassen. Nun ergibt sich jedoch aus der Menge der Musik ein zeitliches Problem in der Heftproduktion, wie die folgende Rechnung zeigt: Würde ein Redakteur bei einer durchschnittlichen Spielzeit eines Albums von einer Stunde die gesamte Musik eines Monats einmal vollständig hören wollen, müsste er bei einer 40-Stunden-Woche drei bis vier Monate allein dem Hören widmen. Da die Redakteure nach eigenen Angaben längere Wochenarbeitszeiten haben, könnte man mit einer 60-Stunden-Woche die Zeit für das einmalige Hören aller neu veröffentlichten Musik eines Monats auf »nur« zwei Monate reduzieren — allerdings hätte der Redakteur währenddessen noch keine der oben geschilderten organisatorischen Aufgaben wahrgenommen, die ja den überwiegenden Teil der Arbeitszeit, nämlich bis zu 75 Prozent (s.o.), in Beschlag nehmen. Das bedeutet, dass der professionelle Umgang des Musikredakteurs mit Musik notwendigerweise eine zu erlernende berufliche Kompetenz ist und sich somit erheblich und zwangsläufig vom kontemplativen Akt der privaten Musikaneignung zu unterscheiden hat.
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4.2 ERGEBNISSE: ROLLENKONTEXT Professionell als Musikredakteur mit Musik umzugehen bedeutet, zunächst zu selektieren, daraufhin Aufgaben zu planen und diese zu delegieren. Erst dann kann eine auf Hören basierende längere — oder auch sehr kurze, wie die einzelnen Aussagen belegen — Auseinandersetzung mit Musik erfolgen, die einen journalistischen Text zum Ziel hat. Selbstverständlich durchmischen sich diese Stadien. Bei der Selektion kann ein erster kurzer Höreindruck entscheidend sein, das Delegieren von entlegenen Spielarten populärer Musik an freie Autoren mag ebenso Anteil an den zu treffenden Auswahlentscheidungen haben. Für die hier angestrebte Analyse popmusikalischer Wirklichkeitskonstruktionen von Musikredakteuren ist es jedoch wichtig, idealtypisch zu zeigen, welche Prozesse analytisch getrennt in die professionelle Beurteilung populärer Musik eingehen. Aufgrund der exorbitanten Menge von Musik bzw. der im Vergleich geringen Größe des Rezensions- und Musikfeature-Platzes im Heft — der etwa im Falle der Spex zusätzlich durch die zweimonatige Erscheinungsweise und die selbst gewählte Reduktion auf dreißig Rezensionen pro Ausgabe begrenzt ist — sowie des Zwangs zur termingerechten Produktion des Heftes haben sich bestimmte Routinen im selektierenden Umgang mit Musik ausgebildet, die eine erhebliche Reduktion der Menge zum Ziel haben. Man versucht also in diesem ersten Schritt zu bestimmen, welche Alben überhaupt für eine weitere redaktionelle Behandlung in Frage kommen und welche sofort entfallen. Das knappe Anhören von Ausschnitten eines Albums wird von allen Redakteuren als gängiges Selektionskriterium benannt. Der für viele Alben erste und letzte Kontakt mit den Musikredakteuren findet in aller Regel in den Büroräumen am Schreibtisch statt, zudem wird die Musik, unter in dieser Umgebung ohnehin nicht optimalen Hörbedingungen, oft am Computer abgespielt. RS 1 spielt vier oder fünf Lieder an (nicht aus!), IN 1 verschafft sich einen Eindruck durch kurzes Hineinhören in ein Album, das von Tätigkeiten am Computer begleitet wird. SP1 weiß sehr schnell, mitunter gar nach der ersten Strophe, ob eine Musik gut oder schlecht ist: »Das beruht einfach auf der Erfahrung, die man hat, wenn man bereits lange und intensiv Musik hört« (SP 1: 2). Diese professionelle Kompetenz erlaubt ihm, die Auswahl derart zu reduzieren — im Falle der Spex gelangen ca. drei Prozent der in der Redaktion vorhandenen CDs zu einer Rezension im Heft —, dass ihn die Sorge über mögliche Fehlurteile oder zwangsläufig entfallende Alben nicht zu quälen scheint. Ganz im Gegenteil: Er ist in seiner Berufsrolle als Experte und empfehlender Dienstleister am Leser sogar stolz auf diese Leistung. In den Aussagen über die professionelle Auswahl von Musik sind zwei zentrale Grundsätze erkennbar: erstens der Glaube der Redakteure, dass
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN Musik an sich Qualitäten besitzt, die sie als gut oder schlecht auszeichnet, und zweitens das Wissen um sowie das Vertrauen auf das eigene Beurteilungsvermögen, die durch Hörerfahrung erworbene fachliche Kompetenz: »Es ist komischerweise… also mir kam es immer so vor, als ob es doch relativ eindeutig ist, die wirklichen Ereignisse zu unterscheiden von den Sachen, die aus irgendwelchen Gründen nicht so wichtig sind« (RS 2: 20). Für IN 1 ist es bspw. im Falle der Bands Maxïmo Park oder Franz Ferdinand »klar« gewesen, dass diese Bands gut seien. Es gilt im Arbeitsalltag des Redakteurs, diese Bands aus einer Masse ähnlicher, jedoch nicht »so guter« Bands auszuwählen, wobei ihm die jahrelange Erfahrung als über Popmusik schreibender Autor hilft (vgl. IN 1: 14). Darüber hinaus stellen die Redakteure durchweg als entscheidungsleitende Frage die Überlegung an, ob eine CD »etwas für das Heft« ist, d.h. es spielt die Konstruktion des eigenen Magazins als Ort der musikalischen Auseinandersetzung unter spezifischen Regeln und Gesichtspunkten eine Rolle in den Selektionsprozessen. Manche Musik, die als eindeutig irrelevant für das Heft erkannt wird, wird deshalb nicht einmal mehr kurz angehört, mitunter gar allein aufgrund des Covers einfach entsorgt (vgl. SP 1: 2). Andere zur Veröffentlichung anstehende CDs werden dagegen ausgewählt, weil sie »klassische Heftthemen« (IN 2: 2) darstellen. Ein neues Album von Radiohead wird auf jeden Fall in der Intro thematisiert, da die Band über eine lange Geschichte der journalistischen Dokumentation und Auseinandersetzung mit ihrer Musik im Magazin zurückblicken kann. Im Jargon der Redakteure hat man sie lange Jahre »begleitet«, sie gelten als eine »klassische Intro-Band. Da hat man zu jedem Album sehr viel gemacht, obwohl die Band da meistens nicht richtig zur Verfügung stand. Aber man hat es gerne gemacht« (IN 2: 3).123 Hier entscheidet nicht mehr bzw. gar nicht erst die klingende Musik, sondern das ideelle resp. ästhetisierte Format des Magazins, eine bei allen drei Magazinen in keinem Fall explizit existierende Heftlinie über Aus- bzw. Abwahl einer Musik zur weiteren journalistischen Auseinandersetzung. Weniger ist es die individuelle Vorliebe der Redakteure für diese Band als das zutage tretende diffuse Gefühl, dass die Zuständigkeit des Magazins von einer musikalischen Veröffentlichung einer Band berührt wird oder eben nicht. Ein weiteres Selektionskriterium zur Bewältigung der Berge neuer CDs sind die jeweiligen Darstellungsmuster des Magazins. Die Redakteure wählen und ordnen die Musik anhand der Eignung für die Thematisierung in den von 123
Radiohead waren übrigens auch im Rolling Stone oder in der Spex vertreten; die Konstruktion der Intro als Magazin für »Independent«-Musik verlangt jedoch, diese Band für sich zu reklamieren.
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4.2 ERGEBNISSE: ROLLENKONTEXT ihnen betreuten Heftstrecken, etwa Stil-Rubriken in den Rezensionsteilen. Ein gutes Beispiel bietet das Zusammenstellen der dem Rolling Stone beigelegten CD-Reihe New Voices, die als Darstellungsmuster neuer Musik vom zuständigen Redakteur jeden Monat fordert, aus dem Berg neuer Musik zehn bis vierzehn Lieder auszuwählen (s. ausführlich die Auswahldimensionen in Kap. 4.2 Funktionskontext). Schließlich ist als ein — hier nur kurz erwähntes, weiter unten (s. die Vermutungen zum Publikum in Kap. 4.2 Funktionskontext) ausführlich diskutiertes — Kriterium der Selektion die diffuse Vermutung der Redakteure beteiligt, die zu fassen versucht, ob »draußen« diese Musik »interessant« sein könnte (vgl. bspw. die Ausführungen zur Auswahl der »Platte des Monats«). Ein Zwischenfazit: Es gilt also zunächst diejenige Musik zu selektieren, die nach als objektiv empfundenen Gesichtspunkten als »gut« bewertet wird, die zur Ausrichtung des Heftes passt, die der formalen Heftstruktur eingepasst werden kann und die beim vermuteten Lesepublikum Interesse und somit Kaufbereitschaft (des Heftes, nicht der Musik!) erzeugt. »Gut« bedeutet in diesem Zusammenhang zunächst nur eine Auswahl durchzuführen, die lediglich zwei Abstufungen kennt: drinnen oder draußen. Erst in dem weiteren Prozess der redaktionellen Behandlung der Musik werden diejenigen Alben, die ausgewählt wurden, einer abgestuften Bewertung unterzogen. Der Rolling Stone präsentiert dem Leser diese Binnendifferenzierung der als relevant für die Veröffentlichung erkannten Musik in Form der Vergabe von Sternen, die auf einer neunstufigen Skala in halben Schritten von einem Stern (»miserabel«) bis zu fünf Sternen (»inkommensurabel«; zu verstehen als höchstes auszusprechendes — und höchst selten ausgesprochenes — Lob) reicht. Er ist das einzige der hier untersuchten Magazine, das eine Wertung symbolisch verdeutlicht.124 Was in dieser Wertung (auch dem Leser) manifest wird, ist der bei den Redakteuren vorfindliche Glaube, dass Musik objektiv gut oder schlecht sei und deshalb in einem System bewertet werden könne. Zwar findet sich bei Intro oder Spex im Heft keine symbolisch verdeutlichte Abstufung, der redaktionsinterne Auswahlprozess verläuft jedoch auch hier über Abstufungswertungen. Beispielsweise sortiert 124
In einem Vorabgespräch zu dieser Arbeit bezeichnete ein Musikredakteur diese Form der Bewertungsveranschaulichung als »Deppen-Indikator«. Wenngleich nicht gerade dezent, beschreibt dieser Ausdruck jedoch treffend eine darin zum Vorschein kommende Vorstellung vom Lesepublikum (auch etwa des Musikexpress, des Metal Hammer, des WOM-Magazin u.a.), dem man schnelle Orientierung bieten müsse, weil man als Dienstleister dieses Verlangen zu befriedigen habe — und auch könne, da die Qualität ja vorgeblich messbar sei. Andere Magazine schlagen dagegen den Weg einer argumentativ dargelegten Wertung ein und vertrauen auf die (bloß vorgestellten und insofern erhofften) Lesekompetenzen und die Zeit ihrer Leser.
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN die Spex-Redaktion diejenigen Alben, die im ersten Selektionsschritt als möglicherweise relevant für das Heft erkannt wurden, nach dem Grad ihrer Eignung für eine weitere Behandlung im Heft in Schulnoten von eins bis fünf. Die »Notenkonferenzen«, also die Absprachen über die Bewertung, finden im Team der Redakteure statt. Der Grund für dieses Verfahren dürfte in der rationellen Organisation der Musikmenge vermutet werden, die derart leichter zu bewältigen ist, und weniger im Glauben an das System selbst — wäre dies nämlich der Fall, würde die Spex einen ähnlichen Indikator auch im Heft präsentieren. Hat ein Album diese erste Hürde der Selektion überstanden, heißt es jedoch noch lange nicht, dass es im Heft einen Platz findet. Es ist in der engeren Auswahl, die aber durch im nun folgenden Ablauf der Heftproduktion bedingte Entscheidungen immer wieder beeinflusst werden kann. Zunächst geht es um strukturelle und organisatorische Fragen der Zugänglichkeit zu den musikjournalistischen Ressourcen: Besteht die Möglichkeit, mit den Musikern ein Interview zu führen? Und falls ja: persönlich oder nur am Telefon? Welche PR-Fotos existieren, kann man eigene Fotografen beauftragen? Kann man das Album rechtzeitig und ohne Einschränkungen (etwa durch als Kopierschutz gedachte Störgeräusche, online am Computer oder nur in »Hörzellen« bei den Plattenfirmen) in vollem Umfang und in dem dann tatsächlich veröffentlichtem Zustand (und nicht etwa einem Rough Mix aus dem Studio) hören? Außerdem bestimmen redaktionsinterne personelle, zeitliche und räumliche Fragen die Entscheidung: Wer übernimmt diese Aufgabe? Haben wir genug Zeit? Wo soll das Interview stattfinden? Schließlich geht es im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung mit dieser Musik auch um das strategische Handeln in der Redaktion. Man muss sich rechtzeitig in die Heftplanung eintragen, um einen Platz im Heft für einen Text oder eine Kritik zu reservieren. In Vorbereitung der Redaktionskonferenz werden Befindlichkeiten der Teilnehmer über die Musik bzw. die Musiker, die ins Auge gefasste Länge des Textes sowie den zu beauftragenden Autoren abgetastet. Dies alles kann die musikjournalistische Thematisierung neu veröffentlichter Musik beeinträchtigen. Im redaktionellen Umgang mit zur Veröffentlichung anstehender Popmusik kann, systemtheoretisch argumentierend, die besondere Form der Autopoiesis des Musikjournalismus erkannt werden. Nach selbstreferentiellen Gesichtspunkten und bei (ungenügender, weil auf Vermutungen basierender) struktureller Koppelung zur Umwelt wird der Prozess immer wieder durchgeführt, um das systemische Bestehen zu sichern. Dies hat Auswirkungen auf die im System vorhandenen Rollen, die Redakteure und Journalisten. Denn ihre spezifische musikalische Biografie, ihr hier entwickelter
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4.2 ERGEBNISSE: ROLLENKONTEXT musikalischer Habitus, legt ihnen persönliche Nähe und Differenz zur jeweils zu beurteilenden Musik nah und stellt so zunächst eine potentielle Gefährdung der Systemstabilität dar, wenn sie etwa nur ihre Lieblingsmusik, ihr bevorzugtes Genre oder Label im Heft abbilden würden. Wie gehen sie also mit individuellem Geschmack in der Beurteilung von Musik um? Eine Lösung liegt in einem Konstrukt, das hier als professionelle Distanz beschrieben werden kann. In den Interviews zeichneten sich bei den Redakteuren eine ähnliche Einstellung und ein analoges Verhalten im Umgang mit Musik (und den Musikern selber) ab, die auf verschiedenen Ebenen mindestens eine Reflexion individueller Vorlieben, oft aber ein Zurücktreten hinter professionelle Normen darstellen. Professionelle Distanz zu entwickeln bedeutet für einen Musikredakteur, nicht mehr den persönlichen Musikgeschmack als entscheidend für die tatsächliche Auswahl von Musik anzusehen, sondern ihn im Sinne eines Erfahrungswissens als Grundlage der eigenen Kompetenz im Hintergrund zu halten und zu wahren. Keiner der Redakteure verleugnet seinen Musikgeschmack und seine speziellen Vorlieben, es werden jedoch Konventionen der »Qualitätssicherung« befolgt, die ihn an der unreflektierten Konzentration und Verbreitung eben dieser Musik hindern — was mitunter gar als »gefährlich« (RS 2: 26) angesehen wird. Beim Rolling Stone beispielsweise ist es so, dass man zu vermeiden sucht, dass derselbe Redakteur (oder Autor) zugleich den Artikel über eine Band und die Rezension zu deren Album schreibt. Sehr wohl kann der Redakteur Fan der zu interviewenden Musiker sein, im Prozess der Arbeit und Korrektur des Artikels bzw. der Rezension wird jedoch eine professionelle Distanz zum Gegenstand verlangt und geleistet. Man darf eben nicht der Vorstellung nachhängen, dass »gerade Musikjournalisten, also sogenannte Musikjournalisten, [...] sich quasi eins zu eins widerspiegeln in ihren Medien; dass sie als Fans oder als Getriebene, als Selbstverwirklicher arbeiten; dass sie diesen Job gewählt haben, weil sie die Musik so sehr lieben, dass sie gar nicht anders können — das mag vielleicht bei vielen so sein. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich in den Momenten, wo ich selber am weitesten davon entfernt war, eigentlich am glücklichsten war, weil ich das für eine sehr unglückliche Kombination halte. [...] So, wie es auch immer heißt, Popmusiker, wenn sie traurig sind, singen sie ein trauriges Lied, wenn sie fröhlich sind, singen sie ein fröhliches Lied — das stimmt nicht. Sie müssen es hinschreiben, sie müssen eine Aufnahme machen, es muss produziert werden. Diese Illusion ist einfach Quatsch« (RS 2: 26). Gerade auf der (im Beispiel zwar musikalischen, aber auch hier der sprachlichen) Ebene des Produktionsprozesses besteht also die Möglichkeit, eine
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN professionelle Perspektive, die in der antiillusionistischen Bewusstmachung der Prozessstationen gründet, auf den Gegenstand einzunehmen. Sie ist gekennzeichnet durch die Einhaltung von Distanz, die durch sprachlichen Stil, Selbstreflexion und ein Wissen um musikalische Qualität bzw. ein Festhalten daran gewahrt wird. Ein stilisierter Text bietet den Redakteuren die Möglichkeit, sich auf der sprachlichen Ebene von den Inhalten zu distanzieren. Dies allerdings nur, wenn man sich beim Schreiben ständig über seine Position als Autor hinterfragt. Zudem soll es einem Musikredakteur auch möglich sein, aufgrund des Wissens um (bzw. des Glaubens an) objektiv feststellbare Qualitäten von Musik eine schlechte Kritik über einen Musiker zu schreiben, den man verehrt — im hier geschilderten Beispiel bereits seit Kindestagen: »Es ging mir zum Beispiel immer so mit einer meiner absoluten Lieblingsbands, Kiss. Ich habe schon als Teenager… Eine der ersten Bands, die ich als Zehnjähriger geliebt habe, war Kiss. Und das hat sich bis heute erhalten. Ich habe die ganzen Platten, ich habe sogar dieses komische Boxed-Set, was in Deutschland wegen der SS-Runen nicht verkauft werden darf; das habe ich mir in Barcelona gekauft. Bis heute ist das für mich eine der tollsten, schönsten, kreativsten, wunderbarsten Rockbands, die ich kenne. Trotzdem: alle Kiss-Platten, die ich beim Rolling Stone rezensieren durfte, waren so schlecht. Ich habe Kiss nie mehr als eineinhalb Sterne gegeben, weil ich einfach zugeben musste — obwohl mich das interessiert, obwohl ich die liebe: ich kann das anderen Leuten irgendwie nicht empfehlen und dann muss ich ihnen eine schlechte Wertung geben« (RS 2: 15). Natürlich bietet der Beruf die Möglichkeit, mit Musikern zusammenzutreffen, deren Musik man schon lange kennt und mag, doch ist es eine Aufgabe des Redakteurs, privates und berufliches Interesse nicht zu verwechseln. Eine Strategie besteht zum Beispiel darin, dass man sich selber für Interviews mit den musikalischen Helden in die Heftplanung einträgt, das Album dann von einem anderen Redakteur oder freien Autoren rezensieren lässt und bei der Erstellung des Artikels immer wieder die eigene Begeisterung mit dem beruflichen (nüchternen) Interesse kollidieren lässt: »Man ist nicht immer Fan — das wäre ja auch schlimm, dann könnte man über viele Sachen einfach nicht mehr [schreiben], wenn das immer alles gut fände. Ich weiß noch, das war mein größter Fehler überhaupt, dass ich damals eine Go Betweens-Platte besprochen habe. Das sollen andere machen. Ich mache gerne das Interview, aber die Platte besprechen als doller Fan ist irgendwie schwierig« (RS 1: 11). »Ich finde, dass es nicht schaden kann, sich als Musikjournalist nicht als Teil des Ganzen zu begreifen, sondern immer eine Distanz zum Künstler klarzumachen, also zu der Person des Künstlers. Klar sind die Leute freundlich,
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4.2 ERGEBNISSE: ROLLENKONTEXT wenn Du eine halbe Stunde Interview mit ihnen machst, aber das sind halt nicht deine Freunde. Und die erzählen dir auch nicht Sachen, die sie nicht anderen Leuten auch erzählen« (ebd.: 31). Diese für den Musikredakteur basale Fähigkeit zur professionellen Distanzierung wird auch als Grund angegeben, warum man gerne — und, wie ein Blick auf die freien Mitarbeiter der Zeitschriften zeigt, auch häufig und lange — mit hauptberuflichen Journalisten zusammenarbeitet. Ihnen gelingt es, den nötigen professionellen Abstand zum Thema einzunehmen und mit einer gewissen Routine und sprachlichen Sicherheit zu schreiben. Musikbegeisterten Hobbyjournalisten fehle diese Fähigkeit, da sie in ihrer subjektiven Begeisterung nicht bedenken, dass es ein Problem der Vermittlung dieser Leidenschaft beim »durchschnittlich Musikinteressierten« (SP 2: 8) geben kann. Dagegen wüssten professionelle Journalisten, die oft auch für überregionale Tageszeitungen und somit für ein noch größeres, disperses und in Bezug auf die musikalische Vorbildung inhomogeneres Publikum schreiben, dass man einen Artikel stets für einen möglichst voraussetzungslosen Einstieg des Lesers schreiben muss. Deshalb führen sie in das Thema ein, erklären Zusammenhänge und können es auch sprachlich interessant darstellen — abseits persönlicher Begeisterung oder Abneigung. Für die Redakteure gilt deshalb auch im tatsächlichen Hör- und Bewertungsprozess der Musik die Maßgabe, eine klare Trennung zwischen individueller und professioneller Sicht auf Musik vorzunehmen. Deswegen wird in der Spex-Redaktion die Musik auch gemeinsam angehört und danach beurteilt, ob sie »interessant« ist, ob etwas »Neues« passiert (»bringt das Dinge zusammen, die es so zusammen noch nicht gab«), ob man dazu etwas erzählen kann: »Es geht gar nicht oder selten um so ein persönliches ›Das gefällt mir total gut‹ oder ›Das ist genau das, was ich mir selber auch kaufen würde‹« (SP 2: 19). Im Prozess der routinierten Auseinandersetzung mit neuer Musik treten mitunter geschmackliche Verschleißerscheinungen auf, die zwar ein an sich bedauernswertes Phänomen sind, für die berufliche Perspektive jedoch eine klarere Differenzierung zwischen privat und professionell gehörter Musik begünstigen. Beispielsweise ist ein Redakteur des Rolling Stone, der schon immer gerne Singer-/Songwriter-Musik gehört hat, auch in der Redaktion zuständig für dieses Genre. »Aber, sagen wir mal so, man wird halt relativ schnell müde, wenn man sich für Songwriter interessiert und jeden Tag mit dreißig CDs bemustert wird. Ich glaube, mein Musikgeschmack, mein Interesse an Musik hat sich schon sehr verändert dadurch, dass ich Redakteur geworden bin. [...] Früher war ich zum Beispiel nicht so an diesen Gender-Diskussionen im Pop interessiert; ich
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN hatte zwar Roxy Music-Platten, aber nicht aus diesem Grund. Oder auch elektronische Musik hat mich damals noch nicht besonders fasziniert. Das ist mittlerweile [anders]. In der Freizeit höre ich mittlerweile häufiger Jazz oder elektronische Sachen als das, was ich hier höre« (RS 1: 13). Wie die Ausführungen belegen, diversifiziert sich das private Interesse an Musik über den professionell zu betreuenden Bereich hinaus. Denn weder hat die Gender-Thematik einen festen Ort im Rolling Stone, noch finden Stile wie Jazz oder elektronische Tanzmusik mehr Erwähnung als die eine Drittelseite umfassende Kolumne im Rezensionsteil. Im routinierten Redaktionsalltag scheint also nicht, wie vermutet werden könnte, die Freude am Entdecken neuer Themen oder Musik zu erlöschen, sondern diese findet hier nur keinen Ort, sich zu verwirklichen. In privaten »Weiterbildungsmaßnahmen« geht der Musikredakteur also seiner nach wie vor existenten Musikbegeisterung nach. Für die berufliche Praxis kann dies durchaus unterschiedliche Folgen haben: Hört der eine Redakteur neben dem Ausführen anderer Tätigkeiten routiniert in die Alben kurz hinein, ist für andere in ihrem professionellen Selbstverständnis eine ausführliche Auseinandersetzung mit der zu rezensierenden Musik angeraten. SP 2 hört ein Album vier bis fünf Mal komplett, bei persönlichem Gefallen auch häufiger. Dennoch verlangt seine professionelle Ethik, dass er auch Platten, die ihm persönlich nicht gefallen, genauso oft hört. RS 1 etwa nimmt die zu rezensierenden Alben auch mit nach Hause, wo er sie etwa während des Abwasches oder gemeinsam mit Freunden hört. »Es ist wirklich so: eine Platte muss nebenbei gehört werden, die muss konzentriert gehört werden, die muss mit Kopfhörer gehört werden, die muss ohne Kopfhörer gehört werden« (RS 1: 26). Doch die Ausdehnung der Arbeit auf private Räume und Zeiten bedeutet nicht, dass professionelle durch individuelle Maßstäbe ersetzt werden. Mit andern Worten: Obgleich die Arbeit hier in das Private vordringt, bleibt das Individuelle dem Professionellen untergeordnet. Der individuelle Geschmack steht der beruflichen Aufgabe somit nicht im Weg, er kann durchaus etwas Anderes bevorzugen, solange der professionelle Habitus entsprechend ausgebildet ist. Mehrere Redakteure gaben als weitere Strategie der Distanzierung an, dass sie keinerlei Informationen zur Platte, etwa in Form der sogenannten Waschzettel der Plattenfirma, vor dem ersten Hören lesen, da ihnen damit eine bestimmte Hörweise nahegelegt wird. Ohne diese Informationen kann man »einfach mal hören« und überlegen, »was die Musik einem sagt, ob man das einsortieren kann und ob das interessant ist« (SP 2: 32f.). Abgesehen von einem grundlegenden Zweifel an der Möglichkeit kontextfreier Rezeption von Musik, zumal unter professionellen Bedingungen, wie sie hier
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4.2 ERGEBNISSE: ROLLENKONTEXT geschildert werden, lässt sich wiederum der Glaube an die eigenen Kompetenzen als wesentlich für die (zumindest »erste«) Beurteilung von populärer Musik erkennen. Wenn man nun überblickend zu dem Schluss gelangt, dass die professionelle Errichtung und Wahrung von Distanz im Musikjournalismus als gängige Form der Unterdrückung individueller Spezifika zu sehen ist, verliert man aus den Augen, dass es auch eine Tradition des Subjektivismus im Musikjournalismus gibt, die genau diese personalen Besonderheiten in den Mittelpunkt der musikjournalistischen Auseinandersetzung stellt. Von den drei hier untersuchten Magazinen pflegt die Intro eine ausdrückliche (vgl. Venker 2003), wenngleich nicht durchgängig beobachtbare Form der Betonung subjektiver Erlebnisse und Emotionen bei der journalistischen Darstellung populärer Musik, die im Rolling Stone oder der Spex nicht gegeben ist. So scheinen in der Intro-Redaktion keine Bedenken bzgl. der Wahrung einer professionellen Distanz bei der Besetzung von Autoren vorzuliegen, wenn etwa ein Autor ausdrücklich mit der Erstellung eines Artikel über Rufus Wainwright beauftragt wird, weil er ein »großer Fan« (IN 2: 16) ist, oder eine Autorin als »Riesenfan« (ebd.: 18) über die Foo Fighters einen Artikel publizierte — der schlussendlich negativ ausfiel, weil sie von der Musik wie auch den Musikern enttäuscht wurde. Denn als Maßgabe gilt es, in der Intro die Realität der Musikrezeption und somit auch Emotionen, ob Begeisterung oder Enttäuschung, musikjournalistisch abzubilden (ebd.). Für den Redakteur der Intro, der seine Erfahrungen bei einem Fanzine und den daraus entwickelten Ansatz des Subjektivismus als wesentliche Voraussetzung für die Arbeit bei der Intro hervorhebt, ist das offensive Vertreten individueller Differenzen die einzige verbliebene Möglichkeit, eine Position zu einer Musik einzunehmen, da es keine »richtigen« (IN 1: 13), also objektiven Kriterien für die Beurteilung von Musik gebe. Seine individuelle Form der stilisierten Äußerung über Musik fungiert dann als Repräsentation einer ironischen Distanz von der geäußerten Meinung und kann als Kommentar zu anderen Vorstellungen von Musikjournalismus gelesen werden. Demgemäß gestaltet sich auch sein professioneller Umgang mit Musik: »Ich mache ja die Reviews beim Intro und durch mich sind ja seit sieben Jahren alle CDs gegangen, die zum Intro gekommen sind, und habe dann halt so ein Netz, wo klar ist: was war bei der letzten Platte, wer hat wie darüber geschrieben, das kann ich mir komischerweise immer recht gut merken [...] Jedes kleine Detail, den ganzen Scheiß von Plattenkritiken habe ich immer noch im Kopf. Und daraus ergibt sich ein Bild von einer generellen Einschätzung, mit dem [Eindruck], wie steht die Band jetzt in der [allgemeinen] Wahrnehmung und in meiner natürlich; abgeglichen noch so ein bisschen mit diesem
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN überkandidelten hedonistischen Schreibstil, den ich pflege — dieses Muster lege ich dann auf die Informationen, die sich zu dieser Platte mir ergeben, und versuche, daraus ein bisschen was zu machen« (IN 1: 11). Musikkritik entsteht hier also nicht, wie oben geschildert, aus der intensiven Beschäftigung mit der neuen Musik heraus, sondern bildet sich im Kontext einer magazininternen Rezeptionsgeschichte, der subjektiven Einschätzung des Status einer Band sowie des in einem spezifischen Kontext habitualisierten Schreibens über Musik. Dennoch benötigt der Musikjournalist auch in der Intro ein untrügliches Gespür für »gute« Bands, sprich: das Wissen um und Erkennen von objektiven musikalischen Qualitäten, da er ansonsten über keinerlei Handhabe gegenüber den Ansprüchen der Labels verfügt — die am liebsten jede ihrer Bands im Ausmaß von Maxïmo Park oder Franz Ferdinand im Heft behandelt sehen möchten. Seine Legitimation innerhalb der Strukturen des Musikgeschäfts beruht auf diesen Kompetenzen. Als schlecht beurteilte Bands kann er aufgrund seines beruflich und privat erworbenen musikalischen Differenzierungsvermögens ablehnen, bei den anderen »mediokren« entscheidet dann die »Hefträson« (ebd.: 15). Wie sicher sich IN 1 beispielsweise seiner musikkritischen Kompetenz ist, beweist zum einen die relativ geringe Zeit der Beschäftigung mit neuer Musik, zum anderen nachfolgendes Beispiel des Beurteilungsprozesses zweier Bands aus seinem Ressort: »Die neue Platte von dem Typen von [BAND 1]: da denke ich, das ist wirklich großartig! Der hat zusammen mit Der Tante Renate ein elektronisches Album aufgenommen, mit sehr angeberischen Beats und halt seiner Art zu singen — Du siehst, mir fehlen da auch schon die Worte. Aber da denke ich: das hat es wirklich drauf. Und dann kommen [BAND 2] aus Hamburg, die halt so einen Befindlichkeitsrock auf Deutsch machen, der sich an Die Sterne anlehnt. Und ich weiß genau: das ist absolut öde. So blöd es einem auch vorkommt, aber: ich habe das Gefühl, trotz meiner eigenen [Selbst-]Wahrnehmung, als einziger Maßstab [zu gelten], der natürlich nicht so viel bringen kann, objektiv. [Jedenfalls] weiß ich genau: aber so ist es auch! Es ist nicht falsch, genau so ist es: [BAND 2] sind total blöd und die anderen sind total gut! Und man sieht ja auch, wie das Feedback dann ist, also nicht auf meine Einschätzung, sondern auf die Bands. Klar haben alle ihre Fans, aber du weißt: die einen sind irgendwie uncoole Deppen und haben auch noch Leichen im Keller. Und bei den anderen ist klar: so funktioniert es. Oh, das klingt jetzt arrogant. So soll es natürlich nicht sein. Ich will das nur mal ein bisschen aushebeln. Das Subjektive kann natürlich keine Verbindlichkeit darstellen, aber irgendwie… irgendwie ist es doch so. Doch verbindlich« (ebd.: 14).
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4.2 ERGEBNISSE: ROLLENKONTEXT Gleichwohl er sich seiner Subjektivität im Urteil über Musik bewusst ist, bestärkt ihn seine Erfahrung des beruflichen Umgangs mit Musik — der Verweis auf externe Bewertungsvorgänge der Rezeption dient vor allem dazu, seine Sicht zu legitimieren, weniger zum Nachweis seiner musikkritischen Machtposition — in seinem Urteil, was zu einer dementsprechenden Behandlung der Bands in der Intro führte. Über die Platte von BAND 2 hat er nach eigenem Bekunden etwas »Schlechtes« geschrieben, bei der anderen Band stellte er die Platte als reizvoll vor.125 An dieser Stelle kann zusammenfassend festgehalten werden, dass der professionelle Umgang des Musikredakteurs mit Musik vielerlei Zwängen und Konventionen unterliegt und sich somit erheblich vom privaten Musikkonsum unterscheidet. Auch wenn Musikjournalisten immer wieder als prototypische Testhörer beschrieben werden (etwa von Wicke 1997: 1381), ist zu betonen, dass in den Musikredaktionen der Musikmagazine gerade nicht kontemplativ der »besten« Musik gelauscht wird, sondern diese in einem systematischen Prozess Monat für Monat hergestellt wird und werden muss. Individuelle musikalische Vorlieben werden dabei zugunsten professioneller Einstellungen unterdrückt — allerdings nicht vollständig, denn sie werden als strategische Argumente im beruflichen Handeln benötigt, um Expertenschaft oder besondere Emotionen zu belegen, die je nach Rollenselbstverständnis und imaginierter Heftlinie verlangt werden kann.
Berufszufriedenheit Für die Sicht auf das Berufsfeld des Musikredakteurs ist es wichtig zu erfahren, wie objektive Merkmale subjektiv wahrgenommen und gedeutet werden. Im Konstrukt der Berufszufriedenheit versuchen Journalismus-Studien (u.a. Scholl/Weischenberg 1998; Weischenberg/Malik/Scholl 2006) deshalb, die Faktoren zu erfassen, welche die Zufriedenheit einer Person mit ihrer Erwerbstätigkeit bestimmen. Neben der Beachtung objektiver Beschäftigungsbedingungen erfahren dabei die jeweiligen Ansprüche und Erwartungen an den Beruf und das Arbeitsklima im Kollegenkreis eine besondere Berücksichtigung. In diesen Studien zeigte sich, dass Journalisten eine durchweg große Zufriedenheit mit ihrem Job besitzen, die sich scheinbar kaum aus den objektiven Bedingungen (lange Arbeitszeiten, unsicherer Berufszugang usw.) erklären lässt. Weischenberg, Malik und Scholl (2006: 89f.) warnen jedoch davor, daraus vorschnell zu schließen, dass sich hier eine gesamte Berufsgruppe ihre
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Aus Gründen der Wahrung der Anonymität verzichte ich auf die Belege; beide sind vorhanden und können eingesehen werden.
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN Lage verklärt. Deshalb entwickelten sie ein mehrdimensionales Konstrukt von Berufszufriedenheit, um diesem Phänomen auf die Spur zu kommen. In der ersten Dimension erfassen sie die materielle Zufriedenheit, die sich an der Höhe der Bezahlung, dem Ausmaß an beruflicher Sicherheit sowie den Aufstiegschancen im Beruf bemisst. In der zweiten Dimension werden die Zufriedenheit mit der beruflichen Qualifikation und die Möglichkeit der Weiterbildung, in der dritten die Arbeitsbedingungen (Arbeitsbelastung, Selbstbestimmtheit der Arbeitseinteilung) betrachtet. Die letzte Dimension umfasst das Verhältnis zu den Kollegen und Vorgesetzten. Bereits in der 1993 erhobenen Studie (Scholl/Weischenberg 1998) zeigte sich, dass hohe Zufriedenheit vor allem in der vierten Dimension herrscht, große Zufriedenheit immerhin noch bei dem Faktor Selbstbestimmung. Aber nicht einmal mehr die Hälfte der Befragten war zufrieden mit der Höhe der Bezahlung, den Aufstiegsmöglichkeiten, der Arbeitsbelastung oder den Möglichkeiten zur Weiterbildung und der Zeit für eigene Recherche. Die 2005 erfolgte Replikation der Studie (Weischenberg/Malik/Scholl 2006) belegte dieses Muster in weiten Teilen. Die Journalisten waren sogar noch ein wenig zufriedener als zuvor, der Grad an Zufriedenheit stieg in fast allen Punkten leicht. Lediglich bei der Zufriedenheit mit der Möglichkeit der Weiterbildung, des Aufstiegs sowie mit der beruflichen Sicherheit nahm er ab. Auch die Musikredakteure wurden nach dem Maß ihrer Berufszufriedenheit befragt und gaben durchweg an, dass sie sehr zufrieden seien. Überblickend finden in der Begründung auch hier der Aspekt der freien Arbeitseinteilung, die Möglichkeit der freien (Neben-)Tätigkeit sowie der für einige damit zusammenhängende Status des fest freien Redakteurs besondere Betonung. Des Weiteren nennen vor allem die Redakteure der Spex das Klima in der Redaktion als Grund für ihre Zufriedenheit, was mit der langjährigen Freundschaft zum Chefredakteur und einem ähnlichen Musikgeschmack im Kreis der Redakteure begründet wird. Die Arbeitszufriedenheit variiert zudem in Abhängigkeit von dem Ausmaß der Autorentätigkeit: Wer viele Texte zu schreiben hat, ist zufriedener als derjenige, dessen Artikel in den Redaktionskonferenzen nicht befürwortet werden. Die Überhandnahme von »Verwaltungskram« (RS 1: 3) wird im Vergleich zum als kreative Arbeit geltenden Schreiben von Texten als lästig empfunden und bedeutet zudem eine Zurückweisung der eigenen Interessen (auf denen zu einem guten Teil die Autorentätigkeit beruht). Wer schreibt, der bleibt — zufrieden und damit im Beruf. Ein wesentlicher Faktor der Arbeitszufriedenheit der Musikredakteure, der bei Weischenberg, Malik und Scholl (2006) keine Erwähnung findet, ist das Ausmaß der Selbstverwirklichung des Redakteurs im beruflichen Um-
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4.2 ERGEBNISSE: ROLLENKONTEXT feld. Dieser immaterielle Aspekt vermag als motivationaler Stimulus immer wieder das berufliche Handeln der Redakteure zu beeinflussen und zu leiten. Es ist beispielsweise für die Redakteure von Interesse, ob ihr Musikgeschmack mit dem im Heft repräsentierten weitgehend kongruent verläuft, ob also ihre private wie berufliche Auseinandersetzung mit Musik kompatibel ist und bleibt (Fragen also, die sich übertragen vermutlich eine Finanzbeamtin oder ein Metzgergeselle so nicht stellen): »Was ich hier mache — oder was ich hier machen kann, deckt sich schon ziemlich mit dem, was ich auch mag und von dem ich dann auch denke, dass es in den Rolling Stone passt — was ja auch immer ein Argument ist. Man kann z. B. keine sechsseitige Geschichte über die Band Xiu Xiu machen, auch wenn sie toll ist. Das weiß man, das geht nicht, auch wenn die mir besser gefallen als Billy Bragg oder solche Leute. Aber Billy Bragg wäre jemand für eine Sechs-Seiten-Geschichte, das weiß ich. Aber im Endeffekt sind die Sachen, die ich schreibe, größtenteils Sachen, die ich selbst auch toll finde — oder nicht toll finde, aber die mich interessieren. Es kann einen ja auch etwas interessieren, was nicht gut ist. Sonst kann ich es ja auch immer an jemanden anderen geben, wenn es notwendig ist, dass es gemacht wird. Aber das heißt nicht, dass das Heft [als Ganzes] meinen Geschmack repräsentiert, denn da sind ja auch noch andere Leute beteiligt« (RS 1: 13f.). Die Verhandlung von privatem und beruflichem Interesse ist ein eminent wichtiger Faktor beruflicher Zufriedenheit. Deshalb ist die oben getroffene Unterscheidung von »guter« und »interessanter«, d.h. für das Magazin relevanter Musik sowie die spürbare Distanzierung von Teilen des erstellten Heftes ein Indiz individueller Vorlieben und deren Verknüpfung mit den Magazininhalten. Der Redakteur identifiziert sich mit seiner Arbeit und den Ergebnissen seiner Arbeit bzw. glaubt, damit identifiziert zu werden, weil er eben Anteile individueller Interessen im Heft vorhanden weiß. Umso wichtiger ist es darum, auf lange Sicht mindestens einen Gleichstand beider Interessen zu erzielen und zu erhalten. Mitunter erlaubt sich der Redakteur aber auch das Obsiegen der individuellen Vorlieben: »Wenn ich zum Beispiel die Pet Shop Boys, eine meiner Lieblingsbands, ins Blatt bringen will: nächstes Jahr bringen die eine neue Platte raus, dann kann ich zwölf Seiten machen. Oder [Chefredakteur der Spex] ist Fan von den Einstürzenden Neubauten, klar kommt dann ein größerer Bericht rein. Wir versuchen aber schon, das entsprechend zu gewichten und zu korrigieren, damit es keine Überhand nimmt« (SP 1: 3).126
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In der November/Dezember-Ausgabe 2007 der Spex (#311) war ein achtseitiger Bericht über die Einstürzenden Neubauten, in der März/April-Ausgabe
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN Wohlgemerkt hat dieser Aspekt der Selbstverwirklichung keinerlei materielle Komponente, es geht tatsächlich nur resp. um nicht weniger als die ideologische127 Grundlegung einer Arbeit, mit der sich der Redakteur identifizieren will und soll. »In gewisser Weise ist das natürlich ein Luxus, dass ich mich, ohne am Hungertuch zu knabbern, tagein, tagaus mit toller Musik beschäftigen darf« (SP 2: 33). Denn die objektiven Beschäftigungsbedingungen führen in materieller Hinsicht eben nicht zu ähnlich großer Zufriedenheit wie die immaterielle, nicht aufzuwiegende Form der Selbstverwirklichung (ebd.: 35). Bestenfalls wurde die Bezahlung als »einigermaßen gut« (SP 1: 4) bezeichnet, sodass man davon leben könne; andere sprachen von einem kleinen Gehalt, das immer mit den hohen Wochen- und Wochenendarbeitszeiten von fünfzig bis sechzig Stunden und den Lebenshaltungskosten in der Großstadt in Bezug gesetzt wurde: »Wenn man das mit Arbeitszeiten vergleicht, ist das auch wirklich ein sehr geringes Gehalt. Das ist wirklich so eine Liebhaber-Geschichte, dass man das macht« (RS 1: 16). Gerade deshalb ist die Setzung eines immateriellen Ziels so wichtig für die (Selbst-)Motivation der Redakteure. »So, wie ich mir andere Brotjobs vorstelle, habe ich es verdammt gut, keine Frage. Was ich vor allem toll finde und was wahrscheinlich sehr dazu beiträgt, dass ich von einer hohen Zufriedenheit sprechen kann, das hat wenig mit Geld zu tun und das könnte man jetzt auch monetär nicht aufwiegen: dieses ständig mit neuen Sachen vertraut werden oder einfach viel erfahren, was gerade im kulturellen Sektor passiert. Wenn man sich für Kultur interessiert, ist das einfach total interessant. Weil man sich selber immer weiterbildet, weil man selber..., ja, immer mehr erfährt, aber auch immer mehr versteht. Darüber, wie Menschen kommunizieren, wie sie versuchen, aus ihrem Leben einen Sinn zu drehen. Ich meine, das steckt ja auch hinter Kulturproduktion. Das finde ich ein wahnsinnig interessantes Feld, um sich da umzutun« (SP 2: 35). Darüber hinaus werden weitere Faktoren genannt, die für die Zufriedenheit der Redakteure ausschlaggebend sind. Zum einen bietet der Beruf Zugangsmöglichkeiten zu Orten und Personen, die normalerweise nicht erreichbar
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2009 (#319) ein zehnseitiger Bericht mit Doppelcover-Ausgabe; zudem hat jedes Mitglied der Pet Shop Boys hat ein eigenes Titelbild bekommen. Ohne auf die historische Entwicklung des Ideologiebegriffs näher eingehen zu wollen, soll Ideologie verstanden werden als eine überindividuelle Instanz der internen Legitimierung eines gegebenen gesellschaftlichen Zustands, die gleichzeitig nach außen Kritik und mögliche Alternativen abwehrt sowie die Selektivität dieses Zustands leugnet (vgl. Hillmann 2007: 358). Nicht vergessen werden darf dabei die aus dem Marx’schen Ideologiebegriff entnommene Dimension der Verdeckung des Gegensatzes allgemeiner und besonderer Interessen, sprich: der Aspekt der Herrschaft.
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4.2 ERGEBNISSE: ROLLENKONTEXT sind: Man bewohnt schöne Hotels, die man sonst nicht buchen würde resp. könnte, geht (kostenlos) auf Konzerte, die ausverkauft sind, trifft Musiker, zu denen der normale Musikliebhaber niemals Zulass gewährt bekommt. Allerdings wird vor dem Aufkommen von Langeweile gewarnt. Wer viel reist, droht des Reisens überdrüssig zu werden und kann nicht mehr die Schönheit der Orte wahrnehmen, an denen er sich aufhält; wer ständig mit bekannten Musikern redet, kann auch dies als Stress oder schließlich als Wiederholung des Immergleichen wahrnehmen, wenngleich andere Menschen dies als äußerst positiv und außeralltäglich einordnen würden. Dieses Phänomen ist selbstverständlich jedem Beruf zu eigen: Wie kann man die Routine, selbst die der Außeralltäglichkeit besiegen? Wie kann es gelingen, sich selbst nicht zur Arbeit zwingen zu müssen, sondern eigene Motivationsgrundlagen zu schaffen, die über die Jahre Herausforderungen bieten und erhalten — und damit dem Arbeitgeber auch noch die lästige Aufgabe des Antriebs der Beschäftigten abzunehmen? Bei den Redakteuren ist dies gut zu verdeutlichen, denn die dem Redakteursberuf eigene Arbeitsbelastung in der tatsächlichen Produktionsphase wird eben nicht als Belastung empfunden, sondern als Zeichen, dass man »richtig« — im Sinne der journalistischen Ethik und des einhergehenden Selbstanspruchs — arbeitet: »Wenn man die Ansprüche an sich stellt, die man selber hat beim Lesen von Artikeln, und wenn man selber auch merkt, wie viel Sachen geschrieben werden, die jetzt nicht so gut sind, und wenn man versucht, besser zu sein und besser zu werden — so etwas wie Fortbildung gibt es in dem Sinne ja auch nicht oder so etwas wie eine technische Entwicklung in dem Sinne, wie ein Arzt immer wieder mal zu einer Fortbildung muss, weil da irgendwelche Maschinen oder technische Dinge sich verändern; das gibt es ja da [im Musikjournalismus] nicht — ich glaube, deswegen ist es schon ganz gut, wenn man einfach sich selber… ich glaube, vieles von der Arbeitsbelastung ist… einfach der Versuch, gründlicher zu werden, der Versuch, gewisse Herausforderungen zu erfüllen, die man sich selber stellt… ich glaube, ohne diese ständigen, wie soll man sagen, ohne dieses Korrektiv im Kopf könnte man vieles schneller machen. Ich glaube, lange [zu] brauchen ist eher ein Indiz, dass man auf dem richtigen Weg ist, alleine deshalb« (RS 2: 31). Diesem Anspruch der permanenten Optimierung gemäß wird das Fehlen von Fortbildungsmaßnahmen, in anderen Berufsfeldern vom Arbeitgeber oder von der technologischen Entwicklung verlangt, als negativ beurteilt. Und da eben diese externen Antriebe im musikjournalistischen Berufsfeld nicht existieren, bleibt nur die immanente Motivation zur Selbstoptimierung, was die geringe Gewichtung von hoher Arbeitsbelastung gegenüber der damit einhergehenden empfundenen Selbstverwirklichung zur Folge hat. Als Opti-
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN mierung des eigenen Handelns wird deshalb auch ein weitgehend fehlerfreies — d.h. durch die Redakteure genauestens und mehrfach redigiertes — Heft verstanden, in das entsprechend viel Zeit gesteckt wurde: »Ja, man könnte also sagen, wir machen uns damit mehr Arbeit als es sein müsste. Man könnte auch verstehen, wenn manche Autoren damit ein Problem bekommen, weil sie eben manchmal dann noch mehr Arbeit in einen Text stecken müssen. Aber bis jetzt hat sich eigentlich gezeigt, dass dann unterm Strich etwas Besseres bei rumkommt« (SP 2: 5). Eine andere Möglichkeit, den Grad an Zufriedenheit, der durch lange Jahre des Schreibens über Musik ein wenig bedroht scheint, wieder herzustellen, ist die redaktionsinterne Diversifizierung der Aufgabenbereiche des Redakteurs, die selbstverständlich mit dem Anspruch, es »gut« zu machen, ausgeführt werden: »Zum Beispiel Games, eine Sache, zu der ich vorher nicht so einen großen Bezug hatte, und da lebe ich mich gerade so ein bisschen aus, weil da Möglichkeiten herrschen, die ich im Musikjournalismus… schon noch sehe, aber die ich schon so oft erlebt habe. [...] Aber generell ist es heutzutage so, dass wenn ich nicht hinter einer Sache hundertprozentig stehe, dann muss ich es auch nicht unbedingt machen. Meistens hat man als Redakteur eh weniger Zeit, es richtig gut zu machen, und das will man dann auch nicht [machen]. Und dann gibt man auch mal eher was raus« (IN 2: 22). Wenn dann am Ende des Prozesses der internen Produktion — des Redigierens, des Umgestaltens, des Insistierens auf das Einhalten von Terminen und der damit einhergehenden Möglichkeit des Ausfalls eines Artikels — schließlich ein Heft entstanden ist, tritt für RS 2 in der Logik des Handwerks eine Art Stolz auf die eigene Arbeit ein: Er hat am Ende des Produktionszyklus etwas geschaffen, was er in die Hand nehmen kann, was bleibt und sich — nach dem latent chaotischen Prozess der Erstellung — nicht mehr verändern lässt. »Mir ging es immer so, und ich glaube, das ist bis heute eine entscheidende Sache [für die Berufszufriedenheit], dass man im Endeffekt, also am Schluss nach der Arbeit etwas Greifbares, Fertiges vor sich hat, was man angucken kann. Also dieser Moment, wo das Heft dann von der Druckerei kommt und man es aufschlägt und man diesen Artikel sieht, den man geschrieben hat, obwohl man ja weiß, was da drin steht — der ist wirklich absolut entscheidend. Also das ist etwas, was ein Onlinejournalist in dem Sinne nicht haben kann oder was ich, als jemand, der mit Online nicht aufgewachsen ist, niemals haben werde, wenn er sich selber auf einer Internetseite sieht. Dass am
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4.2 ERGEBNISSE: ROLLENKONTEXT Schluss etwas Fassbares, was man auch nicht mehr kaputtmachen kann, da ist, das ist sehr entscheidend« (RS 2: 32). Alle Redakteure sehen die dem Feld eigene Form der eigenständigen Einteilung der Arbeit — bis auf die Extremfälle der letzten Produktionstage, wo oft Tag und Nacht gearbeitet wird — als äußerst positiv an. Durch diese als Freiheit empfundene Möglichkeit erhalten sie nämlich Gelegenheiten, eigene Interessen und Recherchen zu vertiefen oder journalistische Nebentätigkeiten auszuführen. Das bedeutet, dass sie kleinere Artikel für andere Medien neu schreiben, eigene und im Magazin nicht verwendete Artikel oder Interviews mitunter sogar ins Ausland verkaufen. Der fest angestellte Redakteur des Rolling Stone muss zuvor eine Genehmigung eingeholt haben, die fest freien Redakteure sehen es als typisches Handeln dieser Form der Erwerbsarbeit an, die sie durch zeitliche, finanzielle, ideologische und strategische Aspekte kennzeichnen und rechtfertigen. »Ich bin fest frei [beschäftigt], kann also kommen und gehen, wann ich will. Manchmal sitzt man aber hier auch am Wochenende, weil ich will, dass es gut wird« (SP 1: 8). »Als fest Freier hast du die Möglichkeit, dich freier zu bewegen. Zum Beispiel heute, da kann ich schon nachmittags gehen, am Montag komme ich gar nicht,. Die Sachen müssen gemacht und fertig werden, aber du kannst Dir aussuchen, wann du es tust. Ich arbeite nebenher noch als Filmmusikberater in Berlin, das wäre mir sonst gar nicht möglich mit einer Festanstellung« (ebd.: 10). Wo beispielsweise der Staat durch die lebenslange Verbeamtung versucht, die für ihn tätigen Menschen an die Arbeit, Institution und die sie stützenden Grundsätze zu binden, benötigt der fest freie Redakteur kaum mehr als die interne Motivation zur Verpflichtung, seine Arbeit vollständig und gut zu erledigen. Das Ergebnis ist oft die Selbstausbeutung, die sich in Wochenendschichten und längeren Arbeitszeiten niederschlägt, die aber mit dem empfundenen Zuwachs an Freiheit gerechtfertigt wird. Auf der ökonomischen Ebene der Argumentation wird vor allem auf die Marktlage verwiesen: Selbst wenn ein Redakteur eine Festanstellung anstrebe, könne er derzeit keine erhalten, da viele Verlage nun einmal keine Festbeschäftigten mehr einstellen. Schließlich müsse man sehen, dass beispielsweise die Spex lange Zeit defizitär gearbeitet hat und zum Zeitpunkt des Umzugs der Redaktion nach Berlin die Unternehmung Spex auf der Kippe gestanden hat, deshalb könne man die Entscheidung des Verlags verstehen. Keiner der Redakteure führte im Gespräch ausdrücklich das für die persönliche Entscheidung zur freien Arbeit möglicherweise ausschlaggebende hö-
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN here Einkommen an, das Freie in der Regel aufgrund der Übernahme von Risiken erzielen.128 Stattdessen präsentieren sie Gründe, die auf ideologischer Ebene bedeutsam für die Sicht auf den Beruf werden: »Ich komme aus einem Beamtenhaushalt, wo halt Festanstellungen oder Anstellungen auf Lebenszeit die Regel sind. Und ich bin mir nicht so sicher, ob dass das Wahre ist. In gewisser Weise finde ich, Festanstellung und Pop schließt sich in gewisser Weise ja aus. Ich würde mich nicht zum Künstler hochstilisieren wollen, aber als Journalist hat man ein Anrecht, zumindest im Moment noch, in die Künstlersozialkasse aufgenommen zu werden. Es ist ein in gewisser Weise auch schon sehr kreativer Beruf. Ich fände das auch paradox zu wissen: hier, ich habe jetzt meinen Fünf-Jahre-Kündigungsschutz und muss mir um nichts mehr Sorgen machen. So eine Beamtenmentalität, die ich halt von zuhause mitbekommen habe, fände ich gerade in so einem Bereich gar nicht so angebracht. [...] Es bekommt dann auch so etwas Verwaltungsmäßiges« (SP 2: 14f.). Ähnliche Argumentationen finden sich häufig in den Berufen, die der Kreativbranche zugerechnet werden (vgl. Gottschall/Betzelt 2001; Betzelt 2006; Koppetsch 2006; Friebe/Lobo 2008; s. auch Kap. 5.3). Die hier vorgeführte Figur ist besonders perfide, weil sie Journalismus als einen ausufernden, pausenlosen Akt der kreativen Entäußerung darstellt, der jeglicher Einengung widerstrebt. Das bereits oben angesprochene Selbstverständnis des Musikredakteurs, als »Kreativarbeiter« zu gelten, verweist auf den Anspruch seiner Zugehörigkeit zur von ihm behandelten kulturellen Sphäre: der Popmusik, in der es im Jargon der Redakteure immer um »Künstler« sowie deren neue »Werke« geht und nie bloß um Musiker und neue Alben. Bourdieu erklärt die zugrunde liegenden, dem Feld immanenten Zusammenhänge: »Die professionelle Ideologie derer, die sich gerne ›Schöpfer‹ nennen, findet ohne Zweifel ihren gleichsam ›natürlichen‹ Ausdruck in der Theorie der Schönheit als absoluter Schöpfung des artifex deux, die einem jeden (dieses Namen würdigen) Menschen erlaubt, den göttlichen Schöpfungsakt nachzuahmen« (Bourdieu 1987: 768; Hervorhebungen i. Orig.). In der Ablehnung von festen Strukturen bestätigt und äußert sich also eine für den Beruf als wichtig erachtete Kreativität, die strategisch erhalten 128
In Deutschland spricht man zwar generell nicht gerne über Geld. Es ist jedoch wahrscheinlicher, dass der (zunächst, d.h. vor der Begleichung von Steuern, Rechnungen und sonstigen Ausgaben) höhere Betrag, den ein freier Journalist gegenüber einem angestellten Journalisten erzielt, als Argument für die Vorzüge freier Tätigkeit genannt worden wäre (auch als abstraktes Verhältnis, wenn man die kulturellen Gepflogenheiten wahren will), wenn ihm eine hohe Bedeutung zugemessen würde. Insofern wiegen materielle Aspekte der Arbeit nicht ähnlich hoch wie immaterielle.
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4.2 ERGEBNISSE: ROLLENKONTEXT und gefördert werden muss. Die mit der Festanstellung einhergehende »Beamtenmentalität« führe zu einer »Träg- und Faulheit« (SP 2: 15), die als gefährlich eingestuft wird, da man derart sein Netzwerk zu den Redaktionen anderer Magazine oder Zeitungen und zu anderen Redakteuren und Freien vernachlässige. Dies wird zum einen als Verschwendung einstmals als Freier erarbeiteten sozialen Kapitals verurteilt. Denn von diesem ließe es sich jetzt gut leben, da es die redaktionelle Arbeit durch vielerlei Kontakte erleichtert, aber in der »Zeit danach« — denn mit einer fest freien Beschäftigung bleibt man nicht lange an einem Ort und will oder kann (die Scheinselbständigkeitsfalle droht) es auch nicht — wird das gut gepflegte Kapital für die weitere Beschäftigung besonders wichtig. Zum anderen stellt die Netzwerkpflege aber auch einen Ansporn dar, Anregungen zu erhalten, daraus eigene Texte zu erstellen und bei einem anderen Medium unterzubringen. Denn wer nur für einen Arbeitgeber arbeite, ist nicht mehr mobil bzw. flexibel genug und mit ausreichend Eigenantrieb versehen, dies noch weiterhin und für die Zukunft vorsorgend zu tun. Mit einer vollen Stelle bei der Spex, die »sehr arbeitsintensiv« (SP 2: 13) im Vergleich zur vorherigen halben bei der Groove sei, habe SP 2 etwa die Fremdarbeiten erheblich reduzieren müssen. Die fest freie Beschäftigung wird somit überwiegend positiv dargestellt, aus ihr hervorgehende Nachteile, wie beispielsweise permanentes Selbstunternehmertum, Selbstausbeutung, sich verzögernde oder ausbleibende Honorarzahlungen, Risiken von Krankheit oder Auftragsflauten werden nicht genannt. Wenn von negativen Aspekten des Berufs gesprochen wird, sind dies meist Ärgernisse über Routinen oder fehlerhafte Organisation, die aber angesichts der allgemein empfundenen Zufriedenheit verblassen. »Ja, ne, natürlich gibt es im Alltag, im Tagestrott immer auch wieder Sachen, über die man sich aufregt oder die dann nicht laufen oder Interviews, die man dann nicht führen darf, oder [lacht] schlechte Texte, die man von Autoren geschickt bekommt. Aber letztlich, wenn man sich davon freimacht, ist es schon toll, dass man in dem Bereich arbeiten darf. Oder dass einem andere Leute das auch irgendwie erlauben. Ich meine, natürlich gibt es auch Herausgeber und Chefredakteure, die genauso gut sagen könnten: hier, du sitzt da aber auf dem falschen Platz. Und dass das bis jetzt nicht passiert ist, führt bei mir zu einer Zufriedenheit« (SP 2: 35). Zusammenfassend zeigen die obigen Ausführungen, dass die objektiven Arbeitsbedingungen der Journalisten nicht notwendigerweise mit ihren subjektiven Einschätzungen übereinstimmen. Weischenberg, Malik und Scholl (2006: 94) folgern daraus, dass das »(redaktionelle) Sein« nicht das »(klimatische) Bewusstsein« bestimmt. Hinzuzufügen ist allerdings, dass — wenn
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN mit marxistischer Begrifflichkeit hantiert wird — die ideologische Komponente keinesfalls vergessen werden darf. Sie wirkt, wie gesehen, sowohl auf der Ebene der Basis wie des Überbaus und formt zu einem gehörigen Anteil die Wirklichkeit der Musikkommunikatoren.
Funktionskontext Die Wirklichkeit der Musiknachrichten — Dimensionen der Auswahl und Darstellung Bei der Erstellung des Musikmagazins spielen journalistische Routinen eine Rolle, die meist unbewusst und unhinterfragt ablaufen. Sie stellen somit eine erhebliche Arbeitserleichterung im Produktionsprozess dar, der sowieso von genügend Unwägbarkeiten (steht der Interviewtermin, kommen die Texte rechtzeitig, stimmen die Farben im Druck usw.) bestimmt ist. Für die Analyse des Feldes der Musikkommunikatoren in den Redaktionen ist es deshalb eminent wichtig zu erfahren, nach welchen Kriterien sie Musiknachrichten auswählen, welche Rolle Darstellungsmuster dabei spielen und wie sie individuell gefüllt werden. Die Grundannahme der oben dargestellten Nachrichtenwerttheorie und des Framing-Ansatzes liegt darin, dass individuelle und kollektive Wahrnehmung identisch funktionieren. Wir nehmen stets selektiv wahr, bevorzugen das eine, während wir das andere vernachlässigen; wir nehmen Personen und personalisierte Vorgänge eher wahr als abstrakte Sachverhalte; wertbesetzte Objekte und Ereignisse werden vor neutralen verarbeitet; das, was uns nahe ist und für uns Bedeutung besitzt, erregt unsere Aufmerksamkeit (vgl. Weischenberg 1995: 176). »Die Definition von Realität, wie sie uns von den Nachrichtenmedien [hier: Musikmagazinen] dargeboten wird, orientiert sich an einem weitgehend allgemeinverbindlichen Kanon von Selektions- und Interpretationsregeln. Welche Ereignisse zu Nachrichten werden und welche nicht, welchen Ereignissen ein hoher und welchen ein niedriger Nachrichtenwert zukommt, darüber besteht unter Journalisten ein ausgeprägter Konsens« (Schulz 1990: 117). Die Folge aus dieser Sicht wäre die inhaltliche wie gesinnungsmäßige Gleichschaltung aller Musikmagazine. Dies ist aber — zumindest vorläufig — nicht der Fall. Denn wie die Ausführungen belegen, konstruieren Musikjournalisten eine Realität, die natürlich aufgrund ähnlicher gemeinsamer Faktoren — relativ homogene Alters-, Bildungs- und Geschlechtsklassen sowie gemeinsame strukturelle Kontexte und nahezu identische Arbeitsbedingungen — gewisse Kongruenzen aufzeigt. Jedoch kommen für die Wirklichkeitskonstruk-
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4.2 ERGEBNISSE: FUNKTIONSKONTEXT tion andere Dimensionen hinzu, die Weischenberg (1995: 176) als »Effekt einer Verschränkung zwischen sozialen, institutionellen und personalen Faktoren« begreift. Dies wären z.B. die imaginierte Heftlinie, die vorgestellte Zielgruppe, die Umstände der konkreten strukturellen Beziehungen (Ist ein Interview mit dem Musiker möglich oder nicht, wird eine Anzeige geschaltet usw.?), der jeweilige Umgang mit persönlichen Vorlieben, strategische Kompetenzen wie Verhandlungsgeschick in Redaktionskonferenzen, soziale Kompetenz bei der Betreuung der Freien, die eigene politische Haltung usw. Der bereits im dritten Kapitel angesprochene Zweifel am Erklärungswert der Nachrichtenwert-Theorie allein führt im weiteren Verlauf deshalb zu einer verschränkenden Darstellung der einzelnen Ebenen. Zu Beginn soll allerdings vorausgeschickt werden, was als »Ereignis« im Feld der Musikredakteure gelten kann. Zunächst ist ein Ereignis nicht mehr als die Änderung eines Zustands, der nun als neuer Zustand positiv im Sinne von Aktualität gewertet wird. Ein für das Feld relevantes Ereignis ist etwa der eigentlich kaufmännische Vorgang des Marktzutritts eines Produkts, sei es Musik, Literatur, Mode oder Konsumgüter der Spielwaren- bis Technikindustrie. Andere Ereignisse können das Benutzen eines öffentlichen Raums zur Aufführung von Musik bzw. zur Darstellung von Exponaten (Kunstausstellung) oder Meinungen (Tagungen, Lesungen) sein; mitunter ist es lediglich die Veränderung eines Sachverhalts (z.B. strengere juristische Verfolgung des Kopierens von Musikdateien), die als Ereignis begriffen werden kann. All diese Ereignisse geschehen ständig, zur Nachricht werden sie erst durch die Auswahl der Redakteure und deren weitere journalistische Tätigkeit (Textbeauftragung und -erstellung, Lektorat, Satz, Veröffentlichung). Im Jargon wird ein Ereignis dadurch zum »Thema« erklärt, es gilt nunmehr als »wichtig« oder »interessant«. »Dadurch, dass Musikmagazine ja themengebunden arbeiten, hangelt man sich entlang an den Veröffentlichungslisten der Plattenfirmen. Im Endeffekt liegt es natürlich auf der Hand, dass man das den Leuten darstellt, was gerade an Musik herausgekommen ist. Dann guckst du eben, was kommt raus und daraus pickst du dir je nach Ausrichtung des Magazins dann was raus. Bei Intro ist es vielleicht noch ein bisschen breiter angelegt. Bei Visions ist es relativ klar, wen sie drin haben müssen. Dadurch, dass Intro von elektronischer Musik bis hin zu HipHop und Gitarrenmusik eigentlich keine Grenzen hat, haben wir natürlich eine größere Möglichkeit, selber [etwas heraus] zu suchen« (IN 1: 3). Der Nachrichtenwert, den ein Ereignis wie die Veröffentlichung eines Albums bietet, hängt also eng mit dem Status des Musikers/der Musiker, der Einordnung in ein Genre sowie der Selbstwahrnehmung des Magazins zu-
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN sammen. Aktualität ist nur die vorgängige Entscheidungsgrundlage (und dem oben definierten Ereignischarakter ohnehin inhärent), wesentlicher für die Musikredakteure sind Aspekte, die eben nicht unmittelbar mit dem Ereignis, sondern dessen Möglichkeiten der Verwertung im Rahmen des jeweiligen Magazins zusammenhängen. Deshalb sind bei der Abwägung, ob ein Ereignis zur Nachricht werden kann, eine Vielzahl von Überlegungen beteiligt, wie die Ausführungen der Redakteure über die Bestimmung der »Platte des Monats« — ein Darstellungsmuster im Rolling Stone — belegen. Eine Rolle bei der Selektion spielt der Nachrichtenfaktor Relevanz, der als erwarteter Nachrichtenwert bzw. im Jargon »Ereigniswert« (RS 2: 14) einem Album den Rang zuschreibt, den es für den Rolling Stone bzw. das Lesepublikum des Rolling Stone einnehmen wird. »[Die Auswahl der jeweiligen Platte des Monats] hat, glaube ich, kein richtiges Konzept. Es ist tatsächlich so, dass wir denken: das ist die Platte, die in diesem Monat am meisten erwartet wird« (RS 1: 24). Ob dieser dann letztlich mit der »musikalischen Qualität« korreliert (für die Redaktion des Rolling Stone ein überprüfbarer Wert, darstellbar in einer Anzahl von Sternen), ist zunächst egal. Zum Zeitpunkt der Unterteilung in bloße Ereignisse und Nachrichten (im Jargon: Themen) für das nächste zu produzierende Heft während der Redaktionskonferenz, wo die »Platte des Monats« weit vor dem infrage kommenden Monat bestimmt wird, regiert der Nachrichtenwert das Urteil über eine Musik, die mitunter noch nicht einmal gehört wurde (vgl. auch die Ausführungen zur Wahl von Prince’ Planet Earth zur »Platte des Monats« in Kap. 4.2 Strukturkontext). Jedoch ist der Nachrichtenwert einer Platte kein absoluter Wert. Er differiert nach dem Markt, auf dem er benutzt werden soll. »Der Ereigniswert einer Britney Spears-Platte ist natürlich auch sehr hoch, aber vom Rolling Stone-Universum aus gesehen, ist der nicht ganz so hoch. Die wird besprochen und wird auch schlecht…, oder je nachdem …, aber sie wird nicht Platte des Monats sein« (RS 2: 14).129 Dieser intra-magazinäre Status eines Musikers ist als eigener Faktor zu sehen, der die Chance auf Berichterstattung erhöht. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass dieser Status eine andere und wichtigere Rolle spielt als ein allgemein eingeschätzter »Ruf« oder seine »historische Bedeutung«. Hier geht es immer um die Kontexte, welche 129
RS 2 hat übrigens selber eine der imaginierten Heftlinie gemäß nicht lobende, aber doch gemäßigt wohlwollende Britney Spears-Rezension verfasst, was dem Gesagten zunächst zu widersprechen scheint. Doch wenn man den Kampf der Redakteure innerhalb der Redaktion um Positionen und Profile berücksichtigt (vgl. Kap. 4.2 Strukturkontext), weiß man, dass die Besprechung nicht nur der Leserschaft oder dem Rolling Stone dient, sondern auch und vor allem dem Status des Medienakteurs RS 2.
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4.2 ERGEBNISSE: FUNKTIONSKONTEXT die Zeitschrift im Laufe der Jahre konstruiert hat: Wie sind die Platten besprochen worden, wie lang und von wem wurde bisher über diesen Musiker berichtet? Kann man bereits wieder über ihn berichten? Dies erfordert feinste Abwägungen und Justierungen der kommenden Berichte seitens der Redakteure. Wann droht etwa das Pendel von einer typischen »Intro-Band« umzuschlagen auf drohende Langeweile des Lesers? Oder kann man die bei der letzten Veröffentlichung himmelhoch gefeierte Band bereits bei der nächsten wieder herunterschreiben? »Muss« man über diesen oder jenen Musiker nicht sogar einen Bericht bringen? So wird die von RS 1 erwähnte mediale »Begleitung« von Bonnie Prince Billy bei jeder neuen Platte fortgesetzt, da das Magazin sich »treu« bleiben will. Selbst auf das Titelbild einer Ausgabe wurde der Musiker gehievt, weil es »für die Glaubwürdigkeit ganz gut [war], so etwas mal zu machen. Zu sagen: den begleiten wir seit fünfzehn Jahren, der war schon in der ersten Ausgabe drin, jetzt nehmen wir den mal auf den Titel, auch wenn er sich nicht so gut verkauft« (RS 1: 6). Zudem wird der Nachrichtenwert eines Albums bestimmt durch die vorgestellte relationale Wichtigkeit eines Themas, die sich aus strukturellen Zusammenhängen erklärt: wenn man über ein Ereignis vorhersagt, dass alle Musikzeitschriften über dieses Thema berichten werden, gilt es als wichtig — was allerdings noch nicht bedeuten muss, dass man auch darüber publizieren wird. Denn einerseits kann man nun als Magazin seine spezielle Kompetenz für diese Musik durch umfangreiche und/oder sehr frühe Berichterstattung unter Beweis stellen (bspw. der Umfang der Berichte über Franz Ferdinand in der Intro; der Artikel über Santogold in der Spex Monate vor der Veröffentlichung, vgl. Kap. 4.2 Funktionskontext). Oder man zieht sich strategisch aus dem medialen Diskurs um dieses Album zurück, weil man die Selbstwahrnehmung des Magazins nicht beschädigen möchte. So erklärt RS 2 die im Vergleich geringe Berichterstattung des Rolling Stone über Franz Ferdinand mit der Überlegung, dass schnelllebige Gitarrenbands in der Intro besser aufgehoben sind als im Rolling Stone, weil letzterer seiner Einschätzung zufolge in der Musik das »Beständige« zu suchen hat. Des Weiteren ist bei der Selektion der Ereignisse der angenommene Nachrichtenwert einer Platte bzw. eines Musikers abhängig von den sonstigen Ereignissen auf dem Musikmarkt zu bestimmen: Wer veröffentlicht im entsprechenden Zeitraum sonst noch ein Album, wer hat ein Jubiläum zu feiern, wer geht auf Tour usw.? Auch ein gewisser Grad an Innovation (dieses Thema haben wir noch nie behandelt) oder Überraschung (das haben wir lange nicht mehr behandelt) ist dem Nachrichtenwert eines Ereignisses zuträglich. In den musikjournalistischen Wahrnehmungsroutinen spielt die oben angesprochene Medienplattform bei der Nachrichtenproduktion eine eher ge-
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN ringe Rolle. Eher unterbewusst fließt sie in die Konstruktion der Musiknachrichten ein und wird vor allem dort thematisiert, wo die Redakteure im Vergleich etwa zur Tageszeitung oder zum Onlinemagazin einen Vorteil erkennen. Als Redakteur einer Printzeitschrift habe man wesentlich mehr Zeit, Themen zu planen und genauer zu arbeiten. Onlinezeitschriften wie spiegel.de müssten dagegen innerhalb von drei Stunden einen Text erstellen, redigieren und online veröffentlichen, da sei »viel Schrott bei rumgekommen« (SP 2: 31). Außerdem biete die lange Dauer der Zeitschriften-Produktion, der »Rhythmus, der auch mehr Zeit für Reflexion lässt« (ebd.), die Möglichkeit, eine Presseschau zu veranstalten, Abstand und Nüchternheit herzustellen und Medienkritik zu üben, was die Spex beispielsweise in ihrem Darstellungsmuster »Wichtige Musikvideos« institutionalisiert hat. Interessant ist der Ansatz der Intro-Redaktion, Rahmungen der Wahrnehmungs- und Darstellungsroutinen des Musikjournalismus zu verändern. Dabei werden nicht unbedingt Formate der Berichterstattung verändert (auch ein Bericht über Maxïmo Park an der Playstation bleibt ein Bericht), sondern man versucht, die Settings des für den guten Bericht notwendig erachteten Aufeinandertreffens von Musikjournalist und Band zu beeinflussen mit dem Ziel, den Musiker außerhalb der für ihn und den Leser gewohnten Welt zu präsentieren. Nicht mehr die Musikerrolle, sondern der »Mensch« soll für den Leser erlebbar werden. Der Bericht stellt das Erlebnis der Begegnung mit einem musizierenden Menschen in den Vordergrund und versucht durch Emotionalisierung, dieses dem Leser zu vermitteln. Ganz klar ist hier die Verankerung des journalistischen Ansatzes der Intro im FanzineDiskurs zu erkennen, wo Fans stellvertretend für andere Fans den Musiker treffen und darüber berichten. Die mediale Plattform des Printmusikmagazins hat die strukturelle Möglichkeit, dieses Treffen zu gewährleisten. Und Intro hat nach Auskunft der Redakteure den musikindustriell wichtigen Status, die Regeln und Orte dieses Treffens gestalten zu können. Sie bieten somit einem jüngeren Publikum als Spex und Rolling Stone »Erlebnisse«, die es in anderen Medien nicht erhält. Denn Onlinemagazine bekommen (derzeit noch) selten ähnliche Möglichkeiten der Setting-Wahl, wenn sie die Musiker überhaupt zu Gesicht bekommen, da ihr Status als gerichteter Musikkommunikator noch nicht als ähnlich relevant von der Musikindustrie begriffen wird. Und das Fernsehen fällt als Ort, den Musiker zu sehen, sein Verhalten in einer face-to-face-Situation beobachten zu können, zunehmend aus. Die oft ironisch distanzierende, mitunter verspielte Präsentation von Bands in Blogs sei für den künftigen Printmusikjournalismus als Vorbild zu nehmen; es müsse dann graphisch gut aufbereitet werden, sodass man das Magazin gerne durchblättere und gerne lese (vgl. IN 2: 27).
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4.2 ERGEBNISSE: FUNKTIONSKONTEXT Die Strukturierung und Darbietung der selektierten Nachrichten ist ein wesentlicher Aspekt journalistischer Wahrnehmungsroutinen. Wie oben anklingt, wird die graphische Gestaltung der Musiknachricht als derart elementar begriffen, dass alle Magazine professionelle, wenngleich fest frei arbeitende Graphiker an der Produktion des Hefts beteiligen. Allerdings bestimmen die Redakteure die inhaltliche Gestaltung insofern, als sie Fotografen oder Grafiker mit detaillierten Wünschen und Darstellungsabsichten beauftragen. Schließlich weiß man um die Macht des Bildes in einem Artikel; zumeist übersteigt in der graphischen Gestaltung der Bildanteil den Text bei einseitigen Features bzw. auf den ersten beiden Seiten mehrseitiger Artikel bei weitem. Bilder laden ein, sich mit dem Artikel auseinanderzusetzen. Über die erste Erwähnung der Kings of Leon im Rolling Stone sagte der zuständige Redakteur, dass nicht nur die Musik »sehr gut« gewesen sei, sondern dass sie auch »visuell sehr stark« (RS 2: 21) waren, was sich in der großformatigen Präsentation des Bandfotos im gedruckten Artikel niederschlug. Bilder bewegen die Leser sogar dazu, Geld für ein Magazin auszugeben. Wie die Ausführungen zur Gestaltung der Magazin-Cover zeigen, wissen die Journalisten um die Wirkung der Bilder, haben aber nur ungefähre Vorstellungen über die daran anschließenden Kommunikationsprozesse. Deshalb entbrennen in den Redaktionen regelmäßig Debatten über die konkrete Titelblattgestaltung. Bei der Spex etwa gibt es im Laufe der Heftproduktion immer zwei bis drei Varianten, die Festlegung auf eine davon findet erst wenige Tage vor dem Druck statt. Das »wichtigste« Thema kommt nicht automatisch auf das Cover, sondern Wichtigkeit wird durch den redaktionsinternen Diskurs hergestellt. Da ökonomische Gründe — den Angaben zufolge — keine Rolle für die Covergestaltung bei der Spex spielen, sind es kollektive und individuelle Argumente, die miteinander abgeglichen werden. Ein Beispiel: Bei der Ankündigung der baldigen Veröffentlichung des neuen Hot Chip-Albums beginnt sofort der Prozess des Abwägens beim dafür zuständigen Redakteur: Da das letzte Album gut war, könnte das neue auch gut sein; vielleicht ist es etwas für das Cover — und dann wird sich darüber bereits in der Redaktion verständigt. Das der Magazinproduktion inhärente Problem jedoch ist, dass man dieses Album zu dem Zeitpunkt der Absprache noch nicht gehört hat. Und wenn man es dann endlich zu Gehör bekommt, scheidet mitunter das Darstellungsmuster des Covers aus, weil die »musikalische Qualität« einer Platte nicht gut ist.130 130
Auf dem Cover der Spex ist demnach nur im redaktionellen Diskurs hergestelltes Wichtiges und Gutes, was jedoch nicht zwangsläufig bedeuten muss, dass die Titelgeschichte auch auf das Cover der Ausgabe gehört. Beispielsweise wurde für die November/Dezember-Ausgabe 2007 (Spex #311) nicht das
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN Einen ganz speziellen Punkt in den Ausführungen der Redakteure zu den Routinen der Darstellung selektierter Musiknachrichten macht der Aspekt des Schreibstils aus. Für alle ist Stil ein wesentliches Kriterium der Präsentation von Musik in Musikzeitschriften, dabei differieren zwei Ansichten: einerseits — in der Intro — das Beharren auf einer am Gonzo-Journalismus ausgerichteten Form der Emotionalisierung und Subjektivierung, andererseits — in Rolling Stone und Spex — der qualitativ hochwertige, auf der sprachlichen Ebene korrekte und klassisch journalistische Schreibstil, der dennoch durch klare personale Eigenheiten geprägt sein darf. So sollen bei letzteren natürlich auch Meinungen vertreten werden, allerdings hat ein Rolling Stone-Redakteur ein derartig großes Stilempfinden, dass er Artikel, die in der Form eines »Tagebuchaufsatzes« (RS 2: 11) abgegebenen werden, nicht drucken würde. Schlechter Stil im Musikjournalismus bedeutet: »[Es werden] sehr viele Meinungen nur auf sehr platte affirmative Weise dargelegt [...], auch in den Texten, die tatsächlich erscheinen. Wenn man jemandem anmerkt, dass er nur aus dem Affekt heraus irgendwas hingeschrieben hat, was er sich nicht gut überlegt hat und mit dem er auch einer gewissen reflektierten Meinung widerspricht, dann ist es durchaus möglich, dass man sagt: das können wir so nicht machen. Wenn man eine gewisse Leseerfahrung hat, merkt man das ziemlich schnell« (RS 2: 11). Dies führte in einem Fall dazu, dass ein Artikel einer freien Mitarbeiterin vom Redakteur komplett neu geschrieben wurde, weil er ihn stilistisch nicht akzeptabel fand. Der idealtypische gute Artikel hat demzufolge wohl durchdacht, vorbereitet und diskursiv, das heißt unter der Wahrnehmung und Reflexion existenter Aussagen über die in Frage stehende Musik, sowie unter der Wahrung stilistischer Prämissen des Feldes und der Institution formuliert zu sein. Erst wenn diese Ansprüche erfüllt sind, sei es sogar egal, ob ein Autor den in der Redaktion vertretenen Ansichten widerspricht: »Wenn ein Rolling Stone-Autor sehr plausibel und sehr kreativ und sehr überzeugend in einer Rezension darlegen könnte, warum die neue RammsteinPlatte [die üblicherweise im Rolling Stone schlecht bewertet wird] ganz, ganz super ist, und wenn das auch Witz und Reflexion und Hintersinn verraten
Cover mit den Einstürzenden Neubauten gewählt, das zum größten Artikel im Heft passte und wofür auch bereits ein Bild fotografiert und ein Titelblatt gestaltet worden war. Sondern es war ein Symbol, das einen Kommentar zur zunehmenden Digitalisierung darstellte, eine neues Darstellungsmuster ankündigte (die Digitale Evolution-Serie, die lose über mehrere Ausgaben hinweg immer wieder Berichte, Meinungen und Interviews über die Auswir– kungen der Digitalisierung thematisiert) sowie zwei Artikel dieser Ausgabe miteinander verknüpfte.
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4.2 ERGEBNISSE: FUNKTIONSKONTEXT würde, in der Art und Weise, wie der das schreibt, dann würde das auch so gedruckt. Da bin ich mir ganz sicher« (RS 2: 11). Gute Artikel können demnach durchaus Leidenschaft des Autoren für die Musik übermitteln, sie müssen nur über die Schilderung subjektiver Erlebnisse, biografischer Details der Rezeption und unbelegter Geschmacksäußerungen hinausgehen, denn dies sei ja alles »trivial« (ebd.: 29). Artikel gelten hingegen als stilistisch gut, wenn sie nach den Regeln des Feldes als interessant Eingestuftes mitzuteilen haben und dieses »sinnhaft« und »anschaulich« so übermitteln, dass derjenige, der diese Leidenschaft nicht teilt, es auch als »interessant« (ebd.) wahrnehmen kann. Es muss also eine Übersetzung feldinterner Regeln gefunden werden. Dies wird als sehr schwierig angesehen, deshalb arbeitet die Spex- wie auch die Rolling Stone-Redaktion mit einem etablierten, zum Teil langjährig bestehenden Kreis professioneller Journalisten zusammen, die diese professionelle Distanz und Übermittlungsfähigkeit besitzen. Ein guter Artikel soll beim Lesen »flutschen«, das heißt er ist so formuliert und aufgebaut, dass keine semantischen, logischen oder formalen Irritationen beim Leser auftreten. Er soll »schön« sein — sowohl in der soeben beschriebenen Hinsicht als auch sich durch unterhaltsamen und kreativen Umgang mit Sprache auszeichnen — und das richtige Maß an intellektuellem Anspruch finden, keinesfalls jedoch unterschreiten. Außerdem dürfen keine abgegriffenen Formulierungen verwendet werden. Schließlich gelten als gute Artikel auch diejenigen, die einleuchtend und intelligent erklären können, warum man diese oder jene Musik hören soll und was »da drinsteckt« (ebd.: 13). Für die Redakteure soll über Musik argumentativ und literarisch geschrieben werden mit dem Ziel der empfehlenden Beratung samt Deutung bzw. Anleitung zum (richtigen) Hören. Musikjournalisten haben dementsprechend auch die stilistische Verpflichtung, Musik zu sichten und zu differenzieren nach innewohnender Qualität, um ihre Bedeutung herauszustellen. Sie schaffen so den Kontext der Musik, den diese aufgrund ihrer (der hier herrschenden Annahme zufolge) immanenten Qualitäten eigentlich nicht bedürfen sollte, da ja normalerweise jeder erkennen müsste, wie gut diese ist — eine merkwürdige, paradoxe und doch typische Situation des Feldes. Der Schreibstil wird als wichtiger Faktor der Musiknachrichtenpräsentation angesehen. Guter Stil im Musikjournalismus ist argumentativ, diskursiv, plausibel und kreativ in mehrerlei Hinsicht: auf der sprachlichen Ebene, der formalen, der argumentativen sowie der Ebene der Haltung (witzig oder hintersinnig usf.). Zudem muss der Versuch unternommen werden, über Musik mit einer reflexiven, sich selbst hinterfragenden Haltung zu schreiben.
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN Für die Intro-Redaktion geht der Stil-Begriff noch ein wenig weiter. Stil gilt als kreativer Raum der persönlichen Entfaltung, der besonders in schwierigen Situationen als Instrument der Lösung angesehen wird. Wenn sich beispielsweise eine ergebnislose Interviewsituation mit dem Musiker abzeichne,131 d.h. man keine brauchbaren Aussagen auf Band vorfindet bzw. das Aufnahmegerät nicht funktionierte, oder eine als negativ oder gar fehlend wahrgenommene stilistische Entwicklung der Musik oder auch persönliche Entwicklung des Musikers attestiert werden müsste — was den Regeln des Feldes zufolge bei jungen Bands negativ, bei etablierten älteren Musikern hingegen positiv gewertet wird —, kann Stil als Mittel der Darstellung dienen. Wenn bereits bei der Selektion einer Band zum Thema immer ihre Geschichte der Präsentation im Magazin präsent ist, zwingt das Gebot der Entwicklung beide Seiten, Musikjournalisten wie Musiker, dazu, »Neues« zu präsentieren. Ist dies bei dem Musiker nicht feststellbar, wird Neues dann auf der stilistischen Ebene hergestellt: »Das ist sehr schwer, wenn man das Gefühl hat: man will ja was machen und die Leute wollen es ja auch gerne lesen, aber irgendwie hat man das Gefühl: wahrscheinlich wird gar nicht so viel mehr rauskommen als beim letzten Mal. Das ist eine Autorenfrage dann an dem Punkt, da muss man ganz, ganz vorsichtig besetzen« (IN 2: 4). Stil ist somit für die Intro die Möglichkeit, gegen System- bzw. Feldlogiken zu opponieren. Ein gut geschriebener Verriss sei auch für den Fan der verrissenen Musik gut, weil er ihn zum Nachdenken und zur Auseinandersetzung anregt. Der Personalstil bestimmt somit auf einer als wesentlich erkannten Ebene die journalistische Aussagenproduktion. Zudem manifestieren sich in den Ausführungen der Redakteure vor allem strukturelle Abhängigkeiten, welche für die Selektion zum musikjournalistischen Thema ausschlaggebend sind: Bekommt man ein Interview mit dem Musiker? Erhält man von der Plattenfirma ausreichenden Zugang zur Platte, der eine Besprechung ermöglicht? Kann man einen Bericht darüber in Auftrag geben oder kann man billiger den fertigen Bericht aus den USA übernehmen? Kann man ein besonderes Darstellungsmuster wie den Sech131
»Es ist sehr schwierig, mit Achtzehnjährigen … ich weiß noch, als Conor Oberst damals mit den Bright Eyes bekannt wurde. Ich meine, das ist ein Typ, der hat mit zwölf angefangen, Songs zu schreiben, mit vierzehn ist er das erste Mal aufgetreten, dafür wird er zu Recht als musikalisches Genie bezeichnet. Aber wie man weiß, die Lebenszeit ist begrenzt, und wenn jemand den ganzen Tag nur Musik macht, dann heißt es, dass es in irgendwelchen anderen, sozialen Bereichen irgendwie ein bisschen schwieriger ist — und das merkt man dann auch. Der junge Conor Oberst — Gott, da war jetzt nicht so viel rauszuholen« (IN 2: 5).
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4.2 ERGEBNISSE: FUNKTIONSKONTEXT zehnseiter wählen, d.h. fließen Gelder, die das Engagement für dieses Thema ermöglichen? Dies alles sind Überlegungen, die Einfluss auf die Selektion eines Albums nehmen. Die Redakteure wissen dies natürlich und gehen damit sehr pragmatisch um: »leider« sei der »klassische Artikel« (IN 2: 1) eben auf das Angebot beschränkt, jedoch wird dies mit Verweis auf die Strukturen gerechtfertigt. Man wisse ja, dass der Leser sich auch für seine Lieblingsband interessiert, wenn gerade keine neue Platte herauskommt, jedoch bekomme man die Band eben außerhalb des Produktionszyklus der Musikindustrie kaum zu fassen: »So eine Anbahnung eines Gesprächs ist halt immer darauf gemünzt, dass es immer um den VÖ [Veröffentlichungstermin des Albums] herum ist. Es ist aber nicht so, dass wir es zwangsläufig gerne so wollen« (ebd.). Was man bei der alleinigen Analyse nachrichtenwerter Ereignisse aus dem Blick verlieren würde, ist genau dieses für die musikjournalistische Wirklichkeitskonstruktionen charakteristische Akzeptieren struktureller Prämissen, die mit dem Darstellungsmuster des guten Artikels — nämlich einer, in dem ein »Künstler« zu Wort gelangen darf — gerechtfertigt werden. Das natürlich derart immer wieder identische Muster der Darstellung beobachtet werden können, leuchtet ein. »Wenn ich vorne den Heftteil sehe, die ersten dreißig Seiten, [da] funktionieren wir wie jede andere Musikzeitschrift auch. Da werden Sachen abgearbeitet, die Plattenfirmen anbieten, die man machen muss, um Anzeigen zu bekommen. Dahinter gibt es halt Geschichten, die etwas länger sind, wo es Reportagen gibt, musikhistorische Sachen, die es in dieser Form im, sagen wir mal, Musikexpress nicht gibt« (RS 1: 7). Für die Redakteure bedeutet dies natürlich eine Entlastung von der potentiell unendlichen Suche nach der besten Möglichkeit der Nachrichtenerstellung, die ohne diese Konventionen entstehen würde. Andererseits stellen sie genauso eine Einengung der Selbstverwirklichung dar, was immer wieder zu Konflikten führen kann. Beispielsweise gilt in der Redaktion des Rolling Stone das ungeschriebene Gesetz, dass man keine Porträts von aktuell operierenden Labels als Darstellungsmuster wählen darf, da man auf Weisung des Chefredakteurs geschäftliche Aspekte aus der Berichterstattung heraushalten solle. Zudem befürchtet man, dass alle anderen sofort Forderungen auf Berichterstattung erheben werden, wenn man mit dem ersten Bericht über ein Label beginnt. Denn man will sich den guten Kontakt zu allen Labels für künftige Zusammenarbeiten erhalten (vgl. RS 1: 23).132 132
Dagegen kann ein Bericht über Motown Records sehr wohl seinen Niederschlag im Rolling Stone vom Februar 2009 (Nr. 167) finden: er ist aktualitätsinduziert, da ein Jubiläum anstand; er wurde von Ereignissen begleitet, die
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN Ein gutes Beispiel bietet auch der Prozess der Nachrichtenselektion der dem Rolling Stone beigelegten CD-Reihe New Voices. Für die Auswahl der Musik muss der Redakteur nun vor allem die Qualität der Musik einschätzen — sollte man meinen. Tatsächlich spielen jedoch viele weitere Überlegungen eine Rolle.133 Der Redakteur muss nämlich nicht nur ein erfahrener Musikhörer sein, er muss zusätzlich über ein Erfahrungswissen über strukturelle Gegebenheiten des Musikgeschäfts sowie über vorhandenes, d.h. gepflegtes und vermehrtes soziales Kapital verfügen, das er in der Zusammenarbeit mit den Labels strategisch einsetzt. Denn entscheidend für die Zusammenstellung der Musik ist auch, Exklusivität gegenüber der Konkurrenz zu wahren: man will der erste sein, der den Zuschlag des Labels für die Verwendung eines Songs erhält und will sicherstellen, dass nicht noch weitere Magazine diesen
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als nachrichtenwert erkannt wurden (Selbstverständnis des Magazins; Wiederveröffentlichungen erscheinen); außerdem wurde das Darstellungsmuster des Sechzehnseiters gewählt, was von Anzeigen von Universal begleitet wird, die gleich für drei Wiederveröffentlichungen und drei CD-Boxen werben (eine davon, die 10 Scheiben umfassende Motown-Box, wird übrigens in einem Karton ausgeliefert, der dem alten Motown-Gebäude, das natürlich im Artikel erwähnt und mit Foto präsentiert wurde, nachempfunden ist). Im Heavy Metal-Printjournalismus gilt es als Usus, die Plätze auf den den Magazinen beiliegenden CDs an Label bzw. Bands zu verkaufen, wie mir in Vorabgesprächen zu dieser Arbeit ein Labelmitarbeiter erklärte. Keiner der Redakteure hat dazu in den Interviews eine Aussage gemacht, auf den Anzeigenpreislisten — wo die Sechzehnseiter ebenfalls keine Erwähnung finden, die trotzdem zu Geldflüssen führen, wie durch die Interviews bestätigt wurde — taucht dieser Posten nicht auf. Dass diese Praxis im Popmusik-Printjournalismus keinen Niederschlag finden soll, ist schwer vorstellbar, könnte aber aus der gegenwärtigen Marktlage hergeleitet werden: Da Musik sowieso im Internet verfügbar, d.h. illegal und (für den Hörer) kostenlos herunterzuladen ist, kann die unterstellte Zusammenarbeit von Magazin und Label in Form der kostenlosen Übergabe der Songs als eine Win-Win-Situation funktionieren. Das Label gibt die Musik gratis an ein Magazin ab, das eine Leserschaft hat, die (über den Kauf des Magazins bewiesenermaßen) bereit ist, für Musik Geld zu bezahlen, woraus das Label sich Hoffnungen auf höhere Album- und Ticketverkäufe ableitet. Für das Magazin stellt die CD einerseits den manifesten Nachweis musikalischer Kompetenz dar, andererseits rechtfertigt sie einen höheren Abgabepreis, der bei stagnierendem bis sinkendem Anzeigenmarkt die Produktionskosten des Magazins auffangen muss. Letztlich ist Musikjournalismus immer ein verzweigtes Netz gegenseitiger Abhängigkeiten, bei dem beide Partner miteinander auskommen müssen. Solange die These des käuflichen Erwerbs von CD-Plätzen nicht falsifiziert wird, kann sie weiterhin als zusätzliches — aber nicht einziges und somit dominierendes — Entscheidungskriterium neben vielen anderen bei der Auswahl von Musik anhand eines Darstellungsmusters gelten. Denn die Frage nach der Kooperation, ob bezahlt oder nicht, stellt sich auch im geschilderten Beispiel des Rolling Stone. Außerdem weist der befragte Redakteur jegliche Zwänge bei der Zusammenstellung von sich; sie sei immer Ergebnis seiner Wahl.
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4.2 ERGEBNISSE: FUNKTIONSKONTEXT Song auf deren Beilage-CD verwenden. In der Konzentration auf seine Aufgabe ist die Wahrnehmung des Musikmarktgeschehens auf die Zusammenstellung der CD fokussiert. Das bedeutet, dass viele Songs bereits aus der Auswahl entfallen, weil die Labels keine Musik für derartige Zusammenstellungen herausgeben. Mit den anderen Labels hat man über die Jahre eine gute Zusammenarbeit etablieren können: »Die selektive Wahrnehmung ist aber auf die Labels beschränkt, bei denen man aus Erfahrung weiß, die haben sehr viele gute Sachen. Wenn von denen dann ein Brief kam mit einer neuen CD und man musste gerade eine neue CD zusammenstellen und war gerade auf der Suche, dann war das die erste, die man einlegte und dann sagte: das ist doch ein guter Kandidat, auch wenn man die Band nicht kannte« (RS 2: 23). Das Erscheinen neuer Musik auf einem bestimmten Label, wie im Beispiel des Rolling Stone bei Domino oder Rough Trade, ist aufgrund des professionellen Umgangs miteinander mit positiver Bedeutung besetzt und erhält somit routiniert seinen Nachrichtenwert resp. einen Platz auf der CD. Den verbleibenden Platz auf der CD kann man dann nach strategischen Erwägungen bzgl. künftiger Zusammenarbeiten vergeben oder er dient zur »Verzinsung« sozialen Kapitals: »Manchmal hat man den Leuten auch leichtsinnig Versprechungen gemacht, weil sie einem leidgetan haben, irgendwelche Labels, die immer so nette, aber belanglose Sachen veröffentlicht haben. Ab und zu, um die dann bei der Stange zu halten, hat man denen dann auch mal einen Track gegeben« (ebd.). Eine wichtige Rolle in der musikjournalistischen Wirklichkeitskonstruktion spielen demnach die Vernetzungen des Redakteurs mit anderen Institutionen des Musikgeschäfts sowie die sich daraus ergebenden Abhängigkeiten. Einem Label wird ein Platz auf der CD zugesagt, weil eben auch dort ein potentieller Geschäftspartner vermutet wird, der später einmal Musiker zum Interview schicken oder Anzeigen im Rolling Stone bezahlen könnte. Das Prinzip der Selektion von Musik für dieses Format dürfte demnach treffender mit einem gegenseitigen Geben und Nehmen umschrieben sein, als dass es dem vorgeblichen Anspruch des Verlags gehorcht: »Die CD-Beilage, zentraler und auch auf der Titelseite prominent angekündigter Bestandteil des Heftes, unterstreicht mit der begleitenden redaktionellen Berichterstattung eindrucksvoll das musikalische Know-how der Redaktion« (Axel Springer Mediahouse 2009: 6). Wer erstens verkennt, nach welchen Prinzipien musikjournalistische Nachrichten selektiert und strukturiert werden, und zweitens, wozu diese Wirklichkeiten dann benutzt werden, hat vor der Wirklichkeit der Musik-
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN kommunikation in Musikzeitschriften kapituliert. Denn wahrgenommen wird nur das, was den Darstellungsmustern und Selbstbeschreibungen des Magazins sich unterwerfen lässt. Was den Rahmen der Darstellung und damit die Konventionen des Magazins sprengt, fällt aus der Auswahl heraus. Und die Darstellungsmuster sind eben nicht allein an inhaltlichen oder gar musikalischen Gesichtspunkten orientiert, sondern ergeben sich aus den strukturellen Bedingungen und Verknüpfungen der musikjournalistischen Produktionsweise, immer gewichtet durch den journalistischen Akteur.
Quellen und Bezugsgruppen Ein Aspekt, der die bisherigen Ausführungen immer wieder durchzog, ist die Bedeutung des Lesepublikums der Magazine für deren Produktion. Alles, was diese Magazine in ihren Inhalten präsentieren, muss sich der Frage stellen, ob »der Leser« das lesen will, ob es »interessant« ist. Dabei wissen die Redakteure in der Regel nicht, wer ihr Publikum ist und wie es sich zusammensetzt. Vielmehr haben sie diffuse Vermutungen über die Struktur und Größe ihrer Leserschaft, die ihnen als imaginierte Ansprechpartner der journalistischen Kommunikation im Hinterkopf Stift und Hand führen. Warum ist die Frage nach dem Publikum überhaupt so interessant? Schließlich könnte jedes Musikmagazin im Stile eines Fanzines arbeiten, wenn man davon ausgeht, dass dort die individuellen musikalischen Interessen die Inhalte bestimmen. Es ist jedoch so, dass keine soziale Kommunikation — auch nicht die mediale — ohne einen Ansprechpartner funktioniert. Auch diejenigen, die für ein Fanzine arbeiten, das über einen thematisch wie publizistisch eng begrenzten Bereich berichtet, sind in aller Regel keine monadischen Tagebuchschreiber, sondern unterscheiden zwischen berichtenswerten und unwichtigen Ereignissen anhand des vorgestellten Rezipientenkreises — und sei dies nur die Handvoll treuester Fans. Für das Musikmagazin als wirtschaftliches Unternehmen ist die Vorstellung eines Publikums deshalb wichtig, weil es für eine möglichst klar ausgewiesene Zielgruppe auf dem Werbemarkt höhere Preise für seine Anzeigen erzielen kann. Deshalb unternehmen die Verlage empirische Untersuchungen über ihr Lesepublikum und berichten darüber: Der Axel Springer Verlag weist bspw. den »typischen« Rolling Stone-Leser als ledigen 30-jährigen Grafiker — und damit wie selbstverständlich männlichen Geschlechts — in einer Design-Agentur aus, der sein Geld für Musik oder musikbezogene technische Produkte ausgibt, gerne kulturelle Aktivitäten wie Konzertbesuche, Theater oder Kino unternimmt und schon immer einmal Bob Dylan treffen wollte (vgl. Axel Springer Mediapilot 2010). Die damit avisierten Sponsoring-
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4.2 ERGEBNISSE: FUNKTIONSKONTEXT und Werbepartner, wie es im Jargon heißt, kommen somit aus der Musikindustrie, von Veranstaltern und von Herstellern sogenannter LifestyleProdukte (MP3-Player, Mobiltelefon, Spielkonsole usw.). Der idealtypische Intro-Leser ist nach Angaben des Intro-Verlags dagegen jünger, zu einem höheren, wenngleich unterlegenen Anteil weiblich, »konsumstark und markenbewusst« (Intro 2009) und in überdurchschnittlichem Maße Entertainment-Produkten zugetan. Mithilfe dieser Darstellung öffnet man den Werbeort Intro zusätzlich für Bekleidungs-, Unterhaltungselektronik- und Computerspielehersteller. Intro leitet aus diesem Leserbild des Weiteren Orte der Kontaktaufnahme zu ihren Lesern ab, d.h. die Auslagestellen des Magazins bestimmen die Zielgruppe und werden durch diese bestimmt. Die Spex (2008: 1) stellt ihre Leserschaft als »überdurchschnittlich weltoffene, kaufkräftige und gebildete [...] neue Generation von Entscheidern und Trendsettern« dar, weshalb sie ihr Magazin als unentbehrlich für diese Opinion Leaders bezeichnet. Den Redakteuren ist diese nach ökonomischen Prinzipien dargestellte Leserschaft bewusst, ihre Aufgabe ist es nun jedoch, Inhalte redaktionell herzustellen, die diese Idealtypen Monat für Monat veranlassen sollen, zum jeweiligen Magazin zu greifen. Diese Übersetzungsarbeit vom Allgemeinen zum Besonderen erfordert vom Redakteur ein ungeheures Maß an Vorstellungskraft und Einfühlungsvermögen, das zu einem großen Teil auf Vermutungen, der Interpretation der vom Verlag erhobenen Daten und — seltener — dem gelegentlichem Kontakt mit einzelnen Lesern beruht. Zum Zeitpunkt der Interviews war die letzte Erhebung über die Rolling Stone-Leserschaft nach Angaben der Redakteure acht Jahre alt. Deshalb hat der Verlag ein Treffen der Redaktion mit der Marketingabteilung organisiert, »die Testleser eingeladen haben, die wir uns dann hinter Glasscheiben angucken, wie bei so einer Gegenüberstellung, wie sie über diese Hefte reden« (RS 1: 6). Der spürbaren Skepsis gegenüber derlei Erhebungen setzen die Redakteure eine intuitive Vorstellung der Leserschaft entgegen. Der durchschnittliche Rolling Stone-Leser stellt sich ihnen deshalb ein wenig anders dar, als der Verlag es in seinen Mediadaten präsentiert: »Mitte Vierzig; hat Geld, also kann sich viele Platten kaufen; kennt auch viel; hat eine gewisse Vorliebe für aus Folk, Country und Rock’n’Roll — was sich jetzt widerspricht — und Blues herausgewachsene Musik; ist offen genug, songorientierte elektronische Musik zu hören oder Musik wie Can, Kraftwerk, die allein durch die Historie und die Kanonbildung einfach abgesegnet ist. Es ist jemand, der nicht unbedingt in Clubs geht, und jemand, der gewissen, vielleicht überraschenden oder in der Jugendkultur empor sprießenden Trends nicht ganz unkritisch gegenübersteht. Der vielleicht schon bereit ist,
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN darin auch etwas zu erkennen, aber der erst mal abwartet, ob Dinge so ein bisschen den ›test of time‹ bestehen« (RS 2: 16).134 Für die Spex-Redakteure sind die Leser durch folgende Dinge gekennzeichnet: Der typische Spex-Leser ist zwischen 28 und 50 Jahren alt, hat meistens Abitur und wird als gebildet beschrieben. Er nimmt die Spex mit in sein Leben, ins Büro oder auch auf die Couch, weil er sich für Musik interessiert. Gegenüber Mode bzw. den Modestrecken im Magazin ist der Leser skeptisch, weil er dies mit einer gewissen Oberflächlichkeit gleichsetzt — welche die Spex-Redakteure als Ziel ihrer Bemühungen natürlich nicht anerkennen wollen. Ihnen gilt Mode als selbstverständlicher Teil der Popkultur, der somit in den selbst definierten Aufgabenbereich der Redaktion fällt. Die IntroRedakteure geben keine derartig detaillierten Aussagen über ihre Leserschaft zu Protokoll, was vermutlich mit der Vertriebsweise des Magazins zusammenhängt. Aber auch sie verfügen natürlich über eine ungefähre Vorstellung von ihrer Leserschaft, die sich aus den mannigfaltigen Kontakten mit dem Publikum der Intro ergibt (s. folgendes Kapitel). Diese Interpretationen vom idealtypischen Leser sind ungemein wichtig für die eigene Arbeit. Denn sie dient einerseits der organisatorischen und strukturellen Rechtfertigung des eigenen Tuns, beispielsweise bei der Nachrichtenselektion, »wo man dann sagen muss: Das ist schon interessant, auch wenn das jetzt nicht so reinpasst in das, wie man sich den typischen Rolling Stone-Leser vorstellt. Oder vielleicht eben doch, aber man stellt ihn sich falsch vor« (RS 1: 5). Dieses Abwägen des Nachrichtenwerts für eine Leserschaft, die keiner der Redakteure genau zu bestimmen imstande ist, sorgt gerade in Gremien wie der Redaktionskonferenz für Auseinandersetzungen: »Der Leser ist immer ein sehr brisantes Objekt in der Diskussion, wenn man ein Heft macht. Es gibt ja verschiedene Instanzen im Heft und auch Interessen und da wird immer gesagt: das will der Leser nicht und das will der Leser — und keiner weiß es natürlich genau« (IN 1: 17). Andererseits wirkt sich diese Vorstellung von der Leserschaft auch auf der inhaltlichen Ebene der Textproduktion, der Themenwahl, der Präsentation wie auch der tatsächlichen Texterstellung aus. Ex negativo greift sie in genau den Momenten, wo der Redakteur beim Schreiben vermutet, den imaginierten Leser mit gewissen Formulierungen zu ärgern oder ihn mit bestimmten Argumenten zu überzeugen (vgl. RS 2: 15; IN 1: 15). Auch verwei134
Die sich hier andeutenden Überschneidungen mit dem Selbstbild des Rolling Stone-Redakteurs und den Aufgaben seines Magazins sind nicht kausal aus seinem Leserbild abzuleiten. Vielmehr lassen sie einen Abgleich der vielfachen Ebenen der Wirklichkeitskonstruktionen erkennen, dem es anscheinend bedarf, um ein Musikmagazin in Redakteursverantwortung zu produzieren.
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4.2 ERGEBNISSE: FUNKTIONSKONTEXT sen die Redakteure auf die Wichtigkeit bestimmter Autoren, die eine Leserschaft binden könnten. Die Leser »wollen« Autoren, die wiedererkennbar sind; im Falle des Rolling Stone seien dies bspw. Wolfgang Doebeling oder Joachim Hentschel — was sich selbstverständlich auf die Besetzung und Auswahl von Themen auswirkt. Publikumskontakt und Feedback Die geschilderten Annahmen über das Lesepublikum basieren u.a. auf einzelnen Kontakten der Redakteure zu den Lesern. Im Wesentlichen sind drei Orte zu nennen, die (mehr oder weniger) direkte Kommunikation ermöglichen: erstens der Leserbrief bzw. die E-Mail als direkt adressierte Kommunikationsform an die Redaktion, mitunter auch den einzelnen Redakteur (der telefonische Kontakt mit Lesern wird als sehr selten bezeichnet — anscheinend herrscht eine tradierte Vorstellung über die Form standardisierter Kommunikation mit Medien bei den Lesern vor); zweitens das von allen Magazinen im Internet bereitete Forum als Möglichkeit, Kommunikation über das Magazin zu beobachten und daran teilzunehmen; drittens das (unter Umständen selbst veranstaltete) Konzert, wo Teile der Leserschaft in Augenschein genommen werden können. Indirekte Rückmeldungen erhalten die Redakteure dagegen anhand von Verkaufszahlen der Hefte oder über Feedbacks von Bands oder Labels. Auch hier dienen Verkaufszahlen, in diesem Falle von Tonträgern oder Konzerttickets, als Indikatoren des Publikumsgeschmacks. Außer bei dem Konzert als direkter Möglichkeit, Schlüsse auf Alter, Bildung und Struktur der Leserschaft zu ziehen, absolvieren die Redakteure bei allen anderen Aussagen eine einfache alltägliche Form analytischer Musiksoziologie, indem sie von Geschmacksurteilen und Aussageformen auf soziale Kategorien ihres Publikums schließen. Bei den direkten Kommunikationsformen, dem Leserbrief oder der E-Mail, sind sich alle Redakteure einig, dass diese in erster Linie Kritik äußern: Die seltenen Leserbriefe — kaum mehr als zehn pro Monat bekommt bspw. die Spex-Redaktion (vgl. SP 1: 5) — reklamierten eher diskografische Fehler oder sind »kurz vor dem letzten Psychoschub« (wie sich ein Redakteur in einem Vorabgespräch geäußert hat) geschrieben worden, als dass sie Lob übermitteln und erklären, warum sie etwas gut finden. »Es ist in der Regel ja schon so, dass selten geschrieben wird; früher wurde ein Brief aufgesetzt, mit E-Mail heute wäre es leichter, aber es wird selten gemacht zu schreiben« (IN 2: 10).
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN »Von dieser Seite aus kommt wenig Feedback, würde ich sagen. Oder man würde sich mehr wünschen. Vielleicht ist das jetzt eine total dumme Pauschalisierung, aber ich habe den Eindruck — vielleicht bin ich da selber auch gar nicht anders: man ist mit negativer Kritik immer viel schneller dabei als mit positiver. Wenn es irgendetwas gibt, worüber man sich aufregt oder wo etwas schief gelaufen ist, wo etwas falsch geschrieben wurde — da kommt Feedback. Aber Lobendes in dem Sinne von: hier, toll, ihr Spex-Leute habt mich aufmerksam gemacht auf dieses und jenes und mein Leben wird nie wieder dasselbe sein [lacht selber] — ne, also wirklich nicht« (SP 2: 25). Der E-Mail-Kontakt zur Redaktion kann jedoch durchaus intensiver werden: derjenige Rolling Stone-Redakteur, der durch eben diesen Kommunikationsweg früher selber mit dem Chefredakteur Kontakt aufnahm, was ihm den heutigen Posten verschaffte, pflegt mit manchen Lesern einen regelmäßigen Austausch — als Beispiele gibt er die Kommunikation mit einer sechzehnjährigen (!) Leserin (!) und Abiturienten an; diese eindeutigen Ausnahmen bestätigen jedoch die Regel (vgl. RS 1: 21). Für alle Redakteure gilt, dass sie auf Aktivitäten in den Internet-Foren verweisen, wenn es um inhaltliche Rückmeldungen der Leser geht. Beispielsweise bekomme man durch die als aktiv beschriebene Community auf intro.de relativ gut mit, was im Forum »los ist« (IN 2: 10). In den Foren seien die Einstellungen mancher Leser expliziert, außerdem finden sich dort auch schnell Reaktionen auf von den Redakteuren geschriebene Artikel. Gleichzeitig geben alle Redakteure zu bedenken, dass man die User nicht mit den Lesern gleichsetzen dürfe. Die Pflege dieses Kommunikationswegs ist für die Redakteure dennoch wichtig: RS 1 etwa war bei einem Forumstreffen zugegen, die Intro-Redakteure nehmen selber regelmäßig an der Forums-Kommunikation teil. »Im Rolling Stone-Forum oder auch im Musikexpress-Forum gibt es teilweise Leute, die einen auch persönlich angehen. Ich habe dort eine Zeit lang gar nicht mehr reingeguckt. Es gibt positive Sachen, natürlich, aber es gibt auch sehr viel Kritik, auch an Haltungen, die man hat. Ich bin auch schon übelst beschimpft worden als ›schwule Sau‹ etc., was leider nicht mal stimmt [lacht]. Ich habe auch schon Liebesbriefe von Männern bekommen, einfach weil ich über Patrick Wolf oder Rufus Wainwright geschrieben habe. Da ist also schon [bei den Lesern] eine sehr direkte Identifikation [des Autoren] mit dem Thema häufig gegeben. Seit es im Internet auch noch Fotos von der Redaktion gibt, was ich ja auch nicht mag, ist es noch schlimmer geworden« (RS 1: 20f.). Tatsächlich hat aus Sicht der Redaktionen diese Form der Kommunikation alles verändert (vgl. RS 2: 16). Die Deutungsmacht, die ein Redakteur vor dem Zeitalter des Internet mit der dort herrschenden Schnelligkeit der Kommunikation sowie der Erhältlichkeit von Musik besessen habe, sei hin-
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4.2 ERGEBNISSE: FUNKTIONSKONTEXT weg. Denn Musikjournalismus war bisher an einen strukturell bedingten privilegierten Zugang zu Musik und eine Verbreitungsmächtigkeit des daraus entstandenen Denkens und Wissens über Musik geknüpft; heute kann jeder sich im Internet über Musik äußern, die zwar illegal, aber doch frei verfügbar ist. »Im Prinzip zeigt jetzt Online den Musikjournalisten ja nur, dass das, was sie machen, eigentlich jeder kann. Auch wenn man das vorher schon geahnt hat — jetzt wird das ganz offensichtlich« (ebd.: 33). Zudem sei durch die organisatorische Arbeit des Redakteurs die Zeit für die Auseinandersetzung mit Musik derart beschränkt, dass Fans tatsächlich über mehr (Insider-)Wissen verfügen würden, was sich dann in den Foren niederschlägt. Das Konzert ist eine weitere Möglichkeit, in Kontakt mit den Lesern zu treten. Dies ist tatsächlich der einzige Weg für die Redakteure, in einer face-to-face-Situation vermutete Teile des Lesepublikums in Augenschein zu nehmen, ihr Verhalten zu beobachten und auch in direkte verbale Kommunikation einzutreten. Diese Möglichkeit, vor Ort Geschmacksäußerungen in Form des Konzertbesuchs mit demografischen Aspekten (wie alt sind sie; wie [Duktus, Wortwahl, aber auch Dialekte] unterhalten sich die Zuschauer) sowie lebensstilanalytischen Beobachtungen (welche Kleidung tragen sie; welche Bands bei einem Festival werden aus welchen Gründen bevorzugt; was ist ihnen wichtig, worüber unterhalten sie sich) zu verknüpfen, erlaubt ihnen, Rückschlüsse auf das Publikum des Magazins zu ziehen. Für die Intro, die wesentliche Teile der Magazinproduktion aus dem Erlös von Konzertveranstaltungen bestreitet, ist dies ein ganz wesentlicher Ort des Publikumskontakts (vgl. bspw. Intro 2006; 2010). Außer diesen Möglichkeiten bleiben nur indirekte Formen der Rückmeldung der Leser auf das redaktionelle Handeln — die Verkäufe einer Ausgabe. Diese spielen im Alltag der Redakteure eine wichtige Rolle. Die Höhe der Verkäufe bzw. im Falle der Intro der Abnahme des hergestellten Produkts ist nicht bloß ein Faktum, das einen vollzogenen Kaufakt bzw. die kostenfreie Inbesitznahme darstellt, sondern sie qualifiziert in der Interpretation der Redakteure die inhaltliche Gestaltung der Musikmagazine als für ihr Publikum gelungen oder eben nicht. Beispielsweise wird retrospektiv die Zuoder Abnahme der Verkäufe einer Rolling Stone-Ausgabe mit der Gestaltung des Covers in Beziehung gesetzt — was den Schlusspunkt unter die zuvor geführten redaktionellen Debatten setzt, in denen immer wieder mit der Leserschaft bzw. ihren Vorlieben oder Abneigungen argumentiert wird. Die gestiegenen Verkaufszahlen für eine Ausgabe mit Neil Young auf dem Titel interpretiert man derart, dass die »Eierköpfe« wie auch die »Traditionalisten« innerhalb der Leserschaft sich angesprochen fühlen, wohingegen ein Cover mit Bob Dylan auf weniger Interesse bei dieser Leserschaft stößt; ein
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN Cover mit einer jungen hübschen Sängerin »funktioniert« gut, eines mit einem waldschrätig bebarteten Sänger dagegen nicht (vgl. RS 1: 5f.). Für die Intro gibt es aufgrund ihrer Vertriebsweise nicht die Möglichkeit, durch die Verkaufszahlen auf thematische Vorlieben und somit Struktur ihres Publikums zu schließen: »Es [ist] gar nicht so leicht zu wissen, was wird da draußen gedacht. Zumal Intro — das ist natürlich in anderer Hinsicht ein ziemlicher Luxus, in dieser Hinsicht aber nicht — nicht weiß, wie viel es jeden Monat verkauft, in Anführungszeichen. Wenn ich jetzt wüsste: wir haben die Titelgeschichte XY, da haben wir lange drüber diskutiert, ob wir das bringen können. Jetzt haben wir am Kiosk 10.000 Hefte weniger verkauft, das wäre halt eine Aussage, damit könntest du arbeiten« (IN 2: 10). Stattdessen vermutet man (vgl. ebd.; SP 1: 4), dass die Intro über eine zwar größere, aber viel heterogenere Leserschaft als die Kaufmagazine der Konkurrenz verfügt, da bei letzteren die Leser gezielt Geld für eine Zeitschrift ausgeben. Intro liegt dagegen in Plattenläden, Bekleidungs- und sonstigen Geschäften (z. B. in Frankfurt im Skateboard-Fachhandel, im Musikalienhandel, bei Szenefriseure oder in Independent-Kinos) mit vorwiegend jungem Publikum, in Gaststätten oder öffentlichen Gebäuden mit einem erkennbaren Musikbezug (wie bspw. universitäre Musikinstitute) sowie bei den Eigenveranstaltungen des Intro-Verlags aus. Ob das Heft an diesen Orten nun aufgrund eines allgemeinen Interesses für Musik, eines speziellen Interesses an Themen des Heftes, der gewählten Form und Sprache, der Bevorzugung einzelner Autoren wegen oder aber aus bloßem Zeitvertreib zumindest in die Hand, im Idealfall auch gelesen werde, kann man deshalb nicht beantworten. Aber die Auslageorte haben für die Werbeindustrie und somit potentielle Inserenten oder Sponsoring-Partner die wichtige Funktion, das Interesse des Publikums am Heft wie auch an den Orten zu implizieren. Intro stellt mit seinem Vertriebsmodell somit nicht nur ein Verbindungsglied zwischen Lebens- oder besser: Konsumstilen des Lesepublikums und gleichzeitig der Zielgruppe der Werbeindustrie dar, es bietet in diesem Modell eine Möglichkeit an, dem indirekten Feedback zu entgehen, d.h. der Marktlogik, dass Abnahmezahlen Inhalte des Hefts qualifizieren. Letztlich muss man sehen, dass »das« Publikum den Redakteuren immer nur in Form der Bipolarität entweder als Idealtypus oder als Einzelfall bekannt ist, wobei letzterer ein gehöriges Maß an eigenem Engagement voraussetzt. Die Redakteure müssen sich die Zeit nehmen, Briefe oder E-Mails zu lesen und zu beantworten, sie müssen die Seiten in den Foren scannen und potentielle Versammlungsorte der vermuteten Leserschaft besuchen, um aus diesen einzelnen Beobachtungen ein Bild ihres Publikums zu ima-
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4.2 ERGEBNISSE: FUNKTIONSKONTEXT ginieren, das sie bei der Adressierung ihrer Arbeit (ge)leitet. Dass dabei zwangsläufig Konstruktionen ihres Publikums zur Anwendung kommen, die an der »Wirklichkeit« vorbeigehen, ist ihnen bewusst, besonders wenn sie die Funktion der Internetforen für die Rückmeldung auf ihre Arbeit hervorheben. Dennoch sehen sie hier eine Möglichkeit, in der bisher asymmetrisch aufgebauten Kommunikationsstruktur des tradierten Leser-Medium-Kontakts etwas über ihre Leser und deren Rückmeldungen auf die eigene Arbeit zu erfahren — wichtige Informationen, die sie sonst nicht erhalten. Denn ein Feedback für ihre Arbeit im Sinne einer handwerklichen Kritik des Stils oder der gewählten Formulierungen (in den Artikeln vertretene Positionen werden nicht debattiert), erhalten sie vor allem im Kollegenkreis. Die Redaktionen sind klein, die Kommunikationswege kurz und somit ist die Möglichkeit gegeben, sich von Schreibtisch zu Schreibtisch über den Artikel — der sowieso untereinander gegengelesen wird — auszutauschen (vgl. RS 1: 21; SP 2: 4f.). Auch erhalten sie von Freunden und von der Familie Reaktionen auf die jeweilige neueste Ausgabe, was jedoch — angeblich — in keinem Fall zu einer Beeinflussung des beruflichen Handelns führt. Somit stellt weder der Kollege noch die Familie für sie ein idealtypisches Publikum dar. Es bleibt ihnen demnach nur die Möglichkeit, es sich selbst zu konstruieren. Wirkung Unter Wirkung soll nicht die besondere Form der Rezeption des Musikmagazins beim Publikum verstanden werden, sondern die vom Redakteur wahrgenommenen Folgen seiner journalistischen Tätigkeit. Diese können sich auf mehreren Ebenen niederschlagen: erstens durch die oben dargestellten Reaktionen des Publikums, die durch einzelne Kontakte erfasst werden, zweitens durch ein Feedback aus den Strukturen der Musikindustrie, drittens durch eine intermediale Resonanz auf die eigene Arbeit. Zu zeigen sein wird, dass zwar alle Redakteure über einzelne Anzeichen einer Wirkung ihrer Tätigkeit berichten können, diese Wirkung aber nicht als eine ihnen stets verfügbare Diskursmacht beschrieben wird. Denn der mediale Kommunikationsprozess wird als von zu vielen Ungewissheiten geprägt wahrgenommen, als dass man sich diese Wirkungsmacht zu eigen machen könnte. Die Redakteure berichten in den Interviews immer wieder von Rückmeldungen, die sie aus Kreisen der Musikindustrie, d.h. von Mitarbeitern der Labels oder PR-Firmen, oder von den Musikern selbst über im Heft erschienene Berichte erhalten. So fiel etwa die Resonanz auf eine negative Darstellung der Band Foo Fighters in der Intro (IN 2: 18f.) erwartungsgemäß schlecht aus (»Aber da kriegt man natürlich von der Plattenfirma gesagt: was soll denn der Scheiß!«). Aber auch positive Besprechungen von Alben
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN veranlassen zu einer Rückmeldung an die Redaktion, wie im Falle des schwedischen Singer/Songwriters Nicolai Dunger, dessen Manager sich mit einer Mail persönlich bei dem Redakteur bedankte (vgl. RS 1: 21f.). Jedoch ist für die Redakteure kein konsistenter Zusammenhang zwischen einer positiven Erwähnung im Heft und einer Steigerung der Verkaufszahlen festzustellen. Denn meistens ist das eigene Magazin eben nicht das einzige, das über einen Musiker schreibt. Im Falle von Dunger war es tatsächlich so, dass der Redakteur der einzige deutsche Musikjournalist war, der nicht nur dieses, sondern auch alle zuvor erschienenen besprochen hatte. Deshalb ist bezüglich der Resonanz aus der Musikindustrie kaum davon auszugehen, dass die — zumal retrospektiv — von der Musikindustrie geäußerten Einschätzungen der redaktionellen Tätigkeiten das Handeln der Redakteure beeinflussen könnten. Zudem werden den Plattenfirmen fertig gestellte Berichte vor der Veröffentlichung grundsätzlich nicht vorgelegt, da dies immer für Ärger sorgt (vgl. IN 2: 18). Zu dieser feststellbaren Ungewissheit über die tatsächlichen marktwirtschaftlichen Konsequenzen ihres redaktionellen Handelns trägt außerdem die Tatsache bei, dass die Redaktionen oft versucht haben, Bands oder einzelne Musiker im Heft positiv herauszustellen. Das bedeutet, man platzierte sie besonders prominent, im Heft etwa auf dem Titelblatt oder mit einer Microsite auf der magazineigenen Homepage, und behandelte sie bevorzugt im Ton, Umfang und in der visuellen Gestaltung eines Artikels, um ihnen zu einem größeren kommerziellen Erfolg zu verhelfen. All diese Bemühungen stellten sich aber letztlich fast immer als eine Überschätzung der eigenen Publikationsmacht heraus, da die erwünschte Wirkung für diese Musiker ausblieb (IN 1: 7 u. 17). Am Beispiel der Spex, die sich ja selbst als entscheidendes meinungsbildendes Leitmedium für Popkultur präsentiert (Spex 2008: 1), kann gezeigt werden, dass die Selbsteinschätzung der Redakteure erheblich von der von Verlagsseite geäußerten abweicht. Beide Redakteure kokettieren zwar mit dem Begriff des Meinungsbildners (etwa SP 2: 24), gleichzeitig jedoch wird vor Vereinfachungen gewarnt: Denn die Behauptung der Meinungsführerschaft bedeutet für die Redakteure eine erkennbare Übernahme von Meinungen, die in der Spex veröffentlicht werden. Dies könnte zwar theoretisch in der Leserschaft und bei anderen Presseorganen beobachtet werden, doch dafür besteht praktisch viel zu wenig Kontakt zu den Lesern, um dies überprüfen zu können. Und der wenige Kontakt mit Teilen der Leserschaft ent-
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4.2 ERGEBNISSE: FUNKTIONSKONTEXT hält in aller Regel negative Kritik, von meinungsbildend kann auf der Ebene der Redakteurs-Wahrnehmung also keine Rede sein. 135 Und nur ganz selten kann man intermedial beobachten, dass eine musikbezogene Nachricht als Thema aufgegriffen wurde, welches die Spex zuerst veröffentlicht hatte. Ein Beispiel ist die Band Hot Chip, der in der Spex Januar/Februar 2008 (#312) zwei Monate vor Albumveröffentlichung ein Cover samt zugehörigem mehrseitigen Bericht eingeräumt wurde: hier kann in der späteren journalistischen Behandlung der Band in anderen Medien erkannt werden, dass viele Journalisten sich auf den Spex-Text von Tobias Rapp (2008) bezogen, indem sie dessen Catch-Phrase »die Band total neuen Typs« benutzten. Dennoch warnt der Redakteur der Spex vor dem Herstellen von Kausalitäten. Denn das Lesepublikum der Spex surft auch im Internet, hört Radio oder nimmt sonstige Zeitschriften und Tages- wie Wochenzeitungen wahr und kann demzufolge auch ohne die Spex darauf kommen, dass Hot Chip angesagt seien.136 Die Ungewissheit über die Wirkung der eigenen Arbeit hängt also auch mit dem Ausmaß, der Art und Weise sowie dem Zeitpunkt der medialen Berichterstattung zusammen. Nur wer früher als andere und erkennbar eigenständig über Musik berichtet, hat die ungewisse und dennoch als höher angesehene Chance, Meinungsführerschaft beanspruchen zu können. Die Prognose über die Wirkungsmacht der Spex ist aber allein aufgrund des übrigen medialen Angebots obsolet. Natürlich bekommt die Spex-Redaktion auch Resonanz aus der Musikindustrie, die sich über einen positiven großen Bericht freut — auch hier könne jedoch keine Kausalität hergestellt werden zwischen Verkaufserfolg und Berichterstattung in der Spex. »Dafür kriege ich zuwenig Feedback, muss ich sagen. Ich weiß nicht, ob [meine Abeit] wirklich bei vielen Leuten dazu führt, dass sie sich genau diese Platten, über die sie in Spex gelesen haben, dann auch informieren und dass sie die dann im Plattenladen anhören gehen. Vielleicht, das wäre natürlich toll« (SP 2: 34). Vielmehr freut sich ein 135
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Hier widersprechen sich die beiden Redakteure: ist für SP 1 in den Leserbriefen vor allem das Lob für die neue »Berliner« Spex präsent, sieht SP 2 sie als Nachweise von Tadel durch die Leser. Die Konstruktionen der Wahrnehmung hatten im Interview allerdings auch unterschiedliche Ziele: wollte SP 1 die »Berliner« Spex als Erfolgsgeschichte darstellen, versuchte SP 2 seine Rolle als Meinungsbildner argumentativ zu hinterfragen. Auch in diesem Punkt ist die Wahrnehmung der beiden Redakteure widersprüchlich, da sie aus ihrem Bekanntenkreis auf das vermutete Lesepublikum schließen: verweist SP 1 auf Chirurgen und Architekten als Publikum, das ausschließlich die Spex lese, um sich über Musik zu informieren, glaubt SP 2 mit dem Verweis auf seinen Freundeskreis nicht, dass man nur eine Musikzeitschrift lese, sondern sich auf vielen Kanälen mit Informationen versorge (vgl. SP 2: 34).
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN Label über die durch die Spex hergestellte höhere Aufmerksamkeit, die potentiell zu mehr Verkäufen und besser besuchten Konzerten führen könne — aber nicht muss. Wer also über die Wirkungsmacht von Musikmagazinen eine Aussage treffen will, muss feststellen, dass die hier Wirkenden sich kaum anmaßen, diese zu beanspruchen. Die Gründe sind — zusammengefasst — die fehlende Überprüfbarkeit der Folgen des eigenen Tuns, die sich aus dem geringen Kontakt zu Teilen der Leser und daraus folgenden zwangsläufig mangelhaften Konstruktionen des Publikums ergeben. Zudem sind die Redakteure angesichts der diversen Informationsmöglichkeiten unsicher, wie ihr eigener Beitrag wahrgenommen und gewichtet wird. Und schließlich äußert ein Redakteur (vgl. RS 2: 19) Zweifel an der Wirkungsmacht der Musikmagazine, weil strukturelle Veränderungen im Musikgeschäft (etwa die Verlagerung von Presse- auf Onlinepromotion) diese bereits infrage stellen: Wie könnte sich ein realistisch die Situation wahrnehmender Musikjournalist dann der Illusion hingeben, er sei ein Meinungsmacher? Den Grund für derartige Verblendungen sieht er in einem einseitigen Verhaftetsein in den Strukturen der Musikindustrie und des Popmusikjournalismus. »Ich glaube, es ist ein bisschen so, wie wenn man umringt ist von Leuten, die ein bisschen größer sind als man selber, dann guckt man um sich her und denkt: Das ist ja eine Riesenmenschenmenge. Und man muss eigentlich nur durch die Köpfe durchgucken und dahinter ist eigentlich gar niemand mehr. Ich glaube, wenn man irgendwann mal richtig drinnen ist in diesem Job, führt das dazu, dass man sich große Illusionen macht über die Wichtigkeit dieses Universums, in dem man sich da bewegt. Das ist ungefähr so: Man ist auf einem Pressetag und alle Leute hat man schon mal getroffen; oder die Leser wissen: oh, Rolling Stone [hat über ein Thema geschrieben]; und man redet über diese Sachen und man bildet sich auf einmal ein, dass die ganze Welt sich darum dreht, aber das stimmt, glaube ich, nicht« (RS 2: 19). Die hier befragten Redakteure verfügen alle über eine lange Berufserfahrung, die ihnen eine unverstellte Sicht des musikjournalistischen Alltags mit seinen wenigen Beispielen der Hypes und den ungezählten »Rohrkrepierern« (IN 1: 7) erlaubt. Das bedeutet nicht, dass sie den Versuch, früher, größer und eigenständiger über Musik zu berichten, aufgegeben haben, denn die Dynamik der Organisation der Magazine und des Presse- wie Musikmarktes verlangt diese Arbeit unaufhörlich. Aber sie folgern daraus für ihre professionelle Auseinandersetzung mit Musik, dass sie nüchtern ihrer Arbeit nachgehen, deren Antrieb eben nicht die Vorstellung vom omnipotenten Kritikersubjekt ist.
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4.2 ERGEBNISSE: FUNKTIONSKONTEXT
Recherche, Quellen, Bezugsgruppen Den im dritten Kapitel genannten Definitionen für Recherche und Public Relations folgend, ist in den Aussagen der Redakteure zu überprüfen, wie sie an ihre Themen gelangen, welche Formen und Orte sowie welches Ausmaß sie für Recherche vorsehen. Überspitzt formuliert wäre zu untersuchen, ob sie lediglich die sogenannten Waschzettel — die den CDs beiliegenden PRTexte — übernehmen oder inwiefern sie eigene Wege der Informationserlangung beschreiten. Für alle Redakteure ist, wie oben bereits gesagt, klar, dass in erster Linie neue Veröffentlichungen die Themensuche der Musikjournalisten leiten. In den Redaktionen wird die Recherche aufgrund von Zuständigkeiten für verschiedene Genres an »Experten« delegiert, die sie wahrnehmen und ggf. auch einfordern von den Plattenfirmen. Themen ergeben sich aus dem, was »auf dem Tisch« (IN 1: 3) liegt oder was »eben im Raum« (ebd.: 4) steht. Deshalb ist der »kreative Aspekt des Berichtefindens«, die Recherche und Arbeit an einem selbstgewählten Thema, eher gering, »weil sehr viele Sachen sehr klar sind. Wenn jetzt Radiohead kommt, ist klar, dass wir das groß machen. Und so ist es wahrscheinlich für die anderen auch« (ebd.). An diese potentiellen Themen gelangen die Redakteure über die institutionalisierte Vertriebsform der Bemusterung, die aber zunehmend zurückgeht. Deshalb sind alle Redakteure aktiv auf der Suche nach Themen, d.h. in diesem Fall zunächst nach neuen Veröffentlichungen, da man eben nicht mehr davon ausgehen könne, alle demnächst erscheinenden Alben zur Auswahl zu erhalten. Und aus diesem Grunde setzen sie sich freiwillig der PRKommunikation aus, indem sie sich in die E-Mail-Newsletter von Labels, Bands, PR-Agenturen (wie etwa Verstärker Medienmarketing GmbH), Fernsehsendern, Verlagen usw. eintragen, um dann ggf. Musik aktiv einzufordern. Dieser Selbstantrieb zur Aktivität ist ein ziemlich neues Phänomen für Musikredakteure. Denn bisher haben sie passiv aus dem Angebotenen ausgewählt, heutzutage jedoch haben sich Marktstrukturen, Vertriebs- und Informationswege von und über Musik verändert, sodass der Redakteur wie ein freier Journalist selber für seine Themen recherchieren muss. Der Redakteur hält sich auch in seiner Freizeit dazu an, die Augen und Ohren offen zu halten, etwa wenn er in den Plattenladen137 geht oder — wenn »hoffentlich 137
Für den Bereich der elektronischen Musik ist der Plattenladen nach wie vor ein wichtiger Ort der Recherche. Hier muss der Redakteur in der Wahrnehmung allerdings das routinierte Format wechseln und auf EP- oder 12«Veröffentlichung achten, da Alben, die so gut wie ausschließlich in den hier untersuchten Musikzeitschriften besprochen werden, in diesem Genre eine Ausnahme bilden.
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN genug Zeit ist« (SP 2: 16) — stundenlang in Zeitschriften (nicht nur Musikzeitschriften, auch Lifestyle-Magazine und Zeitungen) liest und durch das Internet surft. Außerdem ist der Kontakt mit dem Netzwerk der freien Autoren sehr wichtig, die als ›Außenantennen‹ für den Redakteur funktionieren. Diese ständige Empfangsbereitschaft für neue, möglicherweise relevante Themen darf man sich nicht als direkte Beeinflussung vorstellen. Es geht den Redakteuren eher darum, dass sie auf neue Labels, Musiker, Kollektive oder Bewegungen aufmerksam werden, um Entwicklungen einschätzen und einsortieren zu können. Es kann mitunter Monate oder Jahre dauern, bis dann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, diese Informationen als Kontext für die tatsächliche Veröffentlichung einzusetzen. SP 2 benutzt den Begriff »alarmiert sein« für den Recherchevorgang, der einerseits das Bild des Weckers impliziert, der vor dem Verschlafen warnt, andererseits auch das des Feueralarmmelders, der vor Versehrtheit schützen soll. In beiden Bildern kommt die Notwendigkeit zum Ausdruck, dass Redakteure ein solches professionelles Sensorium ausbilden müssen, das vor beruflichen Fehlern warnt und schützt. Am Beispiel eines Berichts über Santogold138 (Riesselmann 2008) lässt sich das gut belegen: die Spex hatte »früher als alle anderen« (SP 2: 26) einen zweiseitigen Artikel über Santogold publiziert.139 Die Redakteure wussten aufgrund ihrer Recherchen, dass Santogold bereits EPs veröffentlicht hatte, die aber in der Musikpresse nur in der Form kleinerer Features wahrgenommen worden waren. Als nun das Album vom Label mit einer Veröffentlichung im Mai 2008 angekündigt wurde, beschloss die Redaktion für die März/April-Ausgabe (die Anfang Februar Redaktionsschluss hat, also spätestens im Januar geplant werden muss): »Wir schreiben da jetzt einfach schon mal ein paar Monate vorher drüber, weil ehe klar ist, wenn dieses Album erscheint, werden alle darüber schreiben. Sich halt immer so ganz sklavisch an diese Album-Veröffentlichungstermine zu halten, obwohl gar nicht klar ist: Ist das Album als Medium überhaupt noch wichtig? — das muss nicht sein. Da ging es auch nicht um eine Anzeige oder so, von wegen: ähh, wir müssen jetzt aber noch warten, weil das Album erscheint erst dann und dann und erst dann hat die Plattenfirma oder die Promoagentur das Geld für die Anzeige, deswegen warten wir — al138
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Um Irritationen vorzubeugen: die Sängerin Santogold musste sich im Februar 2009 aufgrund eines verlorenen Rechtsstreites in Santigold umbenennen. Im Artikel sowie auf ihrem ersten Album tritt sie jedoch noch unter Santogold auf. Beispielsweise brachte die Intro Santogold auf dem Titel der Juni-Ausgabe (und somit drei Monate später als die Spex), in der auch ein vierseitiger Artikel über sie erschien.
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4.2 ERGEBNISSE: FUNKTIONSKONTEXT so ne, solche Überlegungen spielen da bei uns gar nicht rein. Höchstens dann, wenn aus München vom Marketing ein Anruf kommt, die halt sagen: ›Hier...‹ [ist ein möglicher Inserent, der eine Platte veröffentlichen wird], aber das passiert halt wirklich selten, weiß ich nicht, in vielleicht acht Prozent oder zehn Prozent der Fälle« (SP 2: 28f.).140 Die Frage ist nun, wie schon im Vorhinein beurteilt werden kann, was wichtig wird oder eben nicht. Wie oben benannt, verlassen sich die Redakteure auf ihre professionelle Kompetenz der Musikbeurteilung. Zusätzlich jedoch wird die eigene Beobachtung der Ereignisse des Musikmarktes auf andere Orte ausgedehnt. So nehmen die Redakteure durchweg und durchgängig die Musikpresse in England und den USA wahr, was auf einen strukturellen Umstand des Musikgeschäfts zurückzuführen ist: in der Regel erscheinen Platten in Deutschland später als in den USA und in Großbritannien, sodass man Rezeptionsprozesse der dortigen Medien beobachten und gewichten kann (vgl. RS 1: 18). Auch blicken die Redakteure in englischsprachige Onlinemusikmagazine wie etwa pitchfork.com oder wired.com, um sich ein Bild von der demnächst möglicherweise zu thematisierenden Musik zu verschaffen. Der entscheidende Punkt für die Sichtung dieser Medien ist für sie die zeitliche Ebene der Vorausnahme einer medialen Rezeption. Dementsprechend kann man das eigene Handeln für den deutschen Musikmagazinmarkt vorausplanen, wie es etwa im Fall von Maxïmo Park oder Franz Ferdinand passierte. »Es gibt ja tatsächlich immer solche Themen, die auf einmal auftauchen und in der Luft hängen. [Einfach] dadurch, dass man eben über viele Sachen einfach so drüberliest, dass man den NME anguckt, dass man englische und amerikanische Hefte anguckt, dass man irgendwie auf MTV mal was sieht. Franz Ferdinand ist ein gutes Beispiel. Als das Album damals verschickt 140
Sollten diese Angaben zutreffen, findet immerhin jedes zehnte bis zwölfte Album aufgrund von Entscheidungen der Marketingabteilung des Verlags Erwähnung in der Spex. Dennoch wird die Häufigkeit des Eingreifens in redaktionelle Belange vom Redakteur als selten beurteilt, was ihn veranlasst, die Prozesse hinter dem Artikel über Santogold als einen Beleg für das überwiegende und also typische Handeln der Redaktion heranzuziehen: Das Thema Santogold wurde durch die institutionalisierten Antennen, die Beobachtung und Einschätzung der Konkurrenz und ohne ökonomische Zusammenhänge als veröffentlichbar bewertet — worauf der Spex-Redakteur stolz ist, immerhin führt er es mehrfach als Beispiel an. Die Frage, ob dieser Anteil an redaktioneller Selbstbestimmung nicht zu niedrig ist, da die Autonomie der Redaktion beschränkt wird, stellt sich demnach im Feld nicht. Die Wirklichkeit der Redakteure sieht diese Abhängigkeiten der Inhalte von ökonomischen Zwängen, misst ihr aber den Aussagen zufolge keine größere — und insofern keine (standes-)ethische — Bedeutung zu, da sie sich bloß »selten« bemerkbar macht.
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN wurde, wusste jeder, der sich ernsthaft in den Monaten davor mit Popmusik beschäftigt hatte, dass das eine wichtige Platte wird. Nehmen wir mal an, man hätte diese ganzen Sachen vorher nicht mitbekommen, dann wäre es eine Platte von vielen gewesen, von einer Band, die auch noch einen komischen Namen hat« (RS 2: 20). Berücksichtigt werden muss dabei, dass die Redakteure über eine umfassende Medienkompetenz verfügen, die ihnen erlaubt, Beiträge in den verschiedenen Medien entsprechend zu deuten und zu gewichten. Für SP 1 (vgl. auch SP 1: 4) ist die englische Musikpresse beispielsweise zu sehr am Boulevardjournalismus orientiert; RS 1 sieht in pitchfork.com ein schnelllebiges Medium, welches »arriviertere Künstler« (RS 1: 18) nicht genug würdigt, dafür aber neue Bands bevorzugt. Dennoch nehmen sie diese Medien wahr, um auf hier präsentierte neue Bands überhaupt aufmerksam zu werden. Der mediale Diskurs über Popmusik in Tages- und Wochenzeitungen dagegen, genannt werden immer wieder die SZ und Die Zeit, wird weitgehend ignoriert aufgrund der zeitlichen Unterschiede in den Produktionsbedingungen der Medien. Denn ein Musikmagazin muss weit im Vorhinein seine Themen planen, wohingegen eine Tages-, aber auch die Wochenzeitung sehr eng an den Veröffentlichungsterminen der Alben publiziert. Zudem ist die thematische Breite in den Feuilletons nicht so hoch, als dass man von dort Inspirationen und Hinweise auf neue Themen bekommt. Und schließlich glaubt man, dass die eigene Kompetenz die Recherche in Tages- und Wochenzeitungen verbiete: »Ich will nicht wissen, was die schreiben, wir haben eine eigenständige Meinung, die wir für relevant halten« (SP 1: 9). Welche Medien natürlich auf jeden Fall wahrgenommen werden, sind die Magazine der Konkurrenz. Während die Spex-Redakteure kaum darauf eingehen (nach obigem Zitat darf man wohl unterstellen, dass sie geflissentlich übersehen werden), thematisieren Intro- wie auch Rolling StoneRedakteure die Hefte vom jeweils anderen, der Spex, dem Musikexpress (meist in negativer Hinsicht) sowie der Visions als konkurrierende Medien. Auch hier ist wie bei den Tages- und Wochenzeitungen der Publikationsrhythmus dieser konkurrierenden Musikmagazine kaum geeignet, sie als Orte der Recherche zu benutzen. Vielmehr werden sie daraufhin wahrgenommen, ob und wie ein Thema bei der Konkurrenz publiziert wurde. Diese permanente Überwachung der anderen ist per Austauschabonnements der Magazine untereinander institutionalisiert und darf mithin als Regel des Feldes betrachtet werden. Insofern kann man bezüglich der Recherche als Zwischenfazit ziehen, dass die Musikredakteure sich durchaus aktiv auf die Suche nach potentiell Veröffentlichwertem begeben. Im Sinne der etablierten Recherche-Defini-
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4.2 ERGEBNISSE: FUNKTIONSKONTEXT tionen (vgl. Redelfs 2005) unternehmen sie Themenrecherchen: sie spüren Entwicklungen auf, die für eine in der Wahrnehmung konstruierte Zielgruppe von Interesse sein können. Für die Veröffentlichung gibt es einen aktuellen Aufhänger, die Themensuche verläuft aber symptomatisch anhand der Frage, was »interessant« ist. Selten bis gar nicht ist die im Journalismus häufigste Überprüfungs- oder Vervollständigungsrecherche genannt worden, ebenso wenig ist die investigative Recherche eine übliche Methode der Informationsgewinnung und -sicherung. Diese beiden finden nur in seltenen Fällen dort Anwendung, wo abseits der durch die Veröffentlichungsdaten der Plattenfirmen vorgegebenen Wege versucht wird, einen eigenständigen, mit persönlichem Einsatz verbundenen Bericht zu publizieren, sei es über allgemeine musikalische Entwicklungen in einem Stilporträt oder eine ›Liebesarbeit‹ wie im Falle des Sechzehnseiters über Robert Wyatt. Die Redakteure stellen sich in ihren Erzählungen also als aktive Informationssichter dar, die sich auch — ganz professionell — der PR-Kommunikation aus- und mit ihr auseinandersetzen. Denn sie verstehen es als ihre Aufgabe, ihre eigenen Interessen, die des Magazins und stellvertretend die der Leser gegenüber denen der PR-Agenturen und selbständigen Promoter eigenständig wahrzunehmen und zu verhandeln. Public Relations sind ein notwendiger, akzeptierter Bestandteil musikjournalistischer Arbeitsroutinen — solange diese Arbeitsbeziehungen vom Redakteur aus begonnen und beendet werden können. Wenn der Druck aber zu sehr von den Promotern ausgeht, erscheint diese Beziehung schnell als gefährdet. Beispielsweise wird in der Spex-Redaktion eine persönliche Ansprache durch Promoter, die eher selten vorkommt, als kontraproduktiv für die eigentliche Absicht des Werbenden verstanden; erst recht, wenn manche Promoter in den Räumen der Redaktion erscheinen, da es die Redakteure in ihrer Arbeit unterbreche (SP 2: 17). Man distanziert sich von dieser als peinlich wahrgenommenen Form der Kumpanei, ein solches Verhalten gilt als »unlauter«. Je mehr Engagement und Penetranz ein Promoter entwickelt, desto »nerviger (SP2: 18) wird es und er. Durch einen derart auftretenden Promoter wird das (so empfundene) berufliche Vorrecht des Redakteurs angegriffen, Musik nach den Regeln des Feldes auszuwählen Weil es diese berufslogische Sicht auf Musik gibt, können Promoter, die mittlerweile oft als Freie arbeiteten, auch mit Argumenten wie »neu« oder »toll« nicht überzeugen. Zudem werden sie von den Redakteuren als befangen wahrgenommen, denn als Selbständiger könne man sich nicht jeden Job aussuchen und selbst die Pressespiegel, die sie als stützende Argumentation für ihre beruflich notwendige Begeisterung für die feilgebotene Musik mitbringen, werden in diesem Moment unwichtig.
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN Hier prallen zwei Logiken aufeinander, die zu einem geradezu paradoxen Verhalten bei den Redakteuren führen: einerseits betonen die Redakteure die Wichtigkeit der Recherche im Internet und in Magazinen, andererseits verweigern sie sich den von Promotern vorgelegten kopierten Artikeln über die Band. Auch die in den Waschzetteln enthaltenen Informationen zu den Plattenveröffentlichungen werden als falsch bezeichnet oder nicht gelesen. Durch die unterstellte systemfremde Motivation der Promoter genießen sie bei den Redakteuren nicht dasselbe Vertrauen wie bspw. die freien Autoren: von ihnen nimmt man sehr wohl Hinweise und Tipps entgegen. Dass auch sie mit dieser Arbeit ihr Geld verdienen (müssen), wird ausgeblendet, weil den freien Musikjournalisten eine weitgehend identische Motivation wie die eigene unterstellt wird. Wenngleich dies unfair erscheinen mag, ist dieses Verhalten eine typische Weise, wie Musikredakteure ihre Schneise durch den dichten Wald aus nahegelegten Informationen und Interessen schlagen. Denn klar ist, dass ein Musikredakteur ebenso wenig ohne diese Ressourcen arbeiten kann, wie er nur alleine mit diesen auskommt. Es gilt also, einen Kompromiss zwischen Abhängigkeiten und Autonomie zu finden, der sich am Ausmaß der vom Redakteur unternommenen Aktivität gut beschreiben lässt. Ein Beispiel: Robert Wyatts neues Album stand bei einem neuen Label, Domino Records, zur Veröffentlichung an. Die für PR zuständigen Stellen des Labels kontaktierten den Chef vom Dienst des Rolling Stone, der dem angebotenen Interview zusagte und einen Bericht im Umfang einer Dreiviertelseite im Heftplan vorsah. So weit die normale Arbeitsbeziehung. Doch jetzt kommt die Eigenmotivation des Redakteurs RS 1 ins Spiel, der gerne einen — sehr viel — größeren Bericht im Darstellungsmuster des Sechzehnseiters machen möchte. Zum einen ist er ein Fan des Sängers Wyatt, zum anderen boten sich ihm in dem Labelwechsel und der Neuauflage des Backkatalogs von Wyatt die strukturellen Möglichkeiten, diese für eine größere Berichterstattung nutzen zu können. Er kontaktierte deshalb sowohl das Label als auch die Anzeigenabteilung des Axel Springer Verlags, um eine an sich anrüchige, wenngleich gängige Praxis — der Sechzehnseiter kann von Anzeigenkunden als redaktionelles Marketing beauftragt werden — ins Rollen zu bringen. Als Mediator zwischen diesen beiden Stellen fungierend, gelang es ihm schließlich, das avisierte Format und die Zahlungen durchzusetzen, was ihm als Fan ermöglichte, den Sänger zu interviewen sowie einen großen Bericht zu erstellen. Blickte man nur auf die journalistische Bezugsgruppe der Public Relations, entginge einem die jeweils neu zu verhandelnde Lösung des Abgleichs von diversen Interessen: die Interessen des Labels, des Magazins und des Verlags — aber auch des Redakteurs, der von sich aus aktiv diese Bezie-
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4.2 ERGEBNISSE: FUNKTIONSKONTEXT hungen herstellt und gestaltet und damit zum Gelingen von Musikjournalismus beiträgt. Wer in Musikjournalisten lediglich die Verwalter der Interessen der Musikindustrie sieht, vergisst, dass hier aktive Individuen am Entstehen von Musikjournalismus beteiligt sind, welche die Strukturen und Informationen nutzen, aber sie nach ihren eigenen Motivationen und Erfahrungen gewichten. Dieser als selbstbestimmt wahrgenommenen Umgang mit Informationen und Interessen ist ein wesentlicher Bestandteil von Musikjournalismus. Seine Funktionen ergeben sich deshalb immer vor diesem individuellen und professionellen Hintergrund, wie abschließendes Beispiel zeigt: Weil einer der Redakteure bereits selber Waschzettel geschrieben bzw. in diesem Fall: übersetzt und umgeschrieben hat, kann er die Wirkung seines Tuns im Falle der Sängerin Joss Stone genauestens benennen — was für seinen eigenen Umgang mit Waschzetteln erhöhte Vorsicht zur Folge hat: »Die wurde als total authentische Sechzehnjährige vermarktet, die aber lustigerweise in Malibu mit irgendwelchen Soulleuten Platten aufnimmt. Da habe ich damals den Beipackzettel aus dem Englischen übersetzt und dabei umgeschrieben. Und alles, was ich geschrieben oder übersetzt hatte, stand so in allen Besprechungen und allen Texten zu dieser Platte drin. [...] Zum Beispiel hatte ich geschrieben: ›.... wird von Soullegenden begleitet‹ — ich kannte keinen der Musiker, die auf dieser Platte mitspielen. Aber sie spielten alle in den Siebzigern auf irgendwelchen obskuren Soul-/Disko-Platten mit. Und nun stand überall — weil sich keiner die Blöße geben wollte, dass er die Leute nicht kannte —, dass sie von alten Soullegenden begleitet wird« (RS 1: 29f.).
Strukturkontext Die Redaktion als Organisations- und Entscheidungszentrum In den Redaktionen der drei Musikzeitschriften laufen viele Dinge ähnlich ab, da sie über einige Gemeinsamkeiten verfügen: alle zeichnen sich durch eine geringe Größe der Redaktion aus, durch eine ähnliche Struktur der Zusammensetzung bzw. Rekrutierung der Mitarbeiter sowie durch sich daraus ergebende ähnliche Organisationsstrukturen. Zudem ist die personelle Zusammensetzung als relativ stabil zu bezeichnen, immerhin sind die befragten Redakteure bereits mehrere Jahre bei den Magazinen beschäftigt.141 Die 141
Für die sich neu konstituierte Spex-Redaktion kann dies natürlich nicht gelten. Den Befund relativer Stabilität des Redaktionspersonals für Rolling Stone und Intro mag ein Blick auf die mehrfachen Redaktionsumbesetzungen der Spex im Jahr 1998 verdeutlichen: In der ersten Ausgabe (Spex Nr. 1/1998) sind drei Redakteure, Ralph Christoph, Christoph Gurk (V.i.S.d.P.) und Uwe
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN Redakteure pflegen einen kollegialen Umgang miteinander, sie verstehen und respektieren sich, wenngleich Differenzen wie auch freundschaftliche Beziehungen zu anderen Redaktionsmitgliedern in den Interviews thematisiert werden (vgl. bspw. RS 1: 21; SP 1: 8). Die Hierarchien in den Redaktionen sind flach, es herrscht selbst mit Vorgesetzten ein kollegialer Duzton, der jedoch keinesfalls deren Entscheidungsbefugnisse beschädigt oder infragestellt. Alle Mitglieder der Redaktionen sind zwischen dreißig und vierzig Jahren alt; lediglich beim Rolling Stone ist Chefredakteur Bernd Gockel als Jahrgang 1950 mit Abstand der Redaktionsälteste. Wie eingangs des Kapitels dargestellt, sind fast ausschließlich Männer in den Redaktionen beschäftigt; die einzige hier tätige Frau ist Ausnahme und Nachweis zugleich der herrschenden Geschlechterverteilung. Die Redakteure haben unter sich Absprachen über ihre Aufgabenverteilung getroffen, die in der Praxis allerdings nicht immer eingehalten werden (s. SP 2: 3f.). Dennoch nennen bspw. Spex und Intro detailliert in ihren Impressen (vor allem im Internet!) Zuständigkeiten für verschiedene Gebiete und Aufgaben. Natürlich wird somit den gesetzlichen Bestimmungen zur Nennung von Verantwortlichen Genüge getan, darüber hinaus präsentiert die organisatorische Kernzelle des Magazins hier Kontaktmöglichkeiten für externe Interessen, die dem Anschein nach vor allem im Internet recherchiert werden: Wem genau soll das Label die Platten schicken? Wer ist für die Bücher- oder Games-Besprechungen zuständig? Wenn ein Modeunter-
Viehmann, als Redaktion verzeichnet. Im April (Spex 4/1998) sind es Gurk (V.i.S.d.P.) und Viehmann sowie der neue Redakteur Olaf Karnik, im Juni (Spex 6/1998) dann eine um Torsten Schmidt erweiterte Redaktion aus vier Personen. Der ausgeschiedene Karnik ist in der nächsten Ausgabe (Spex 7/1998) als verantwortlicher Redakteur im Sinne des Pressegesetzes benannt und bildet die dreiköpfige Redaktion gemeinsam mit Schmidt und Viehmann. Die Septemberausgabe (Spex 9/1998) nennt eine fünfköpfige Redaktion im Impressum, die um Annett Busch und Michael Kerkmann erweitert wurde. Das Jahr schließt mit der sechsten Redaktionsumbesetzung in Spex 12/1998: Dietmar Dath ersetzt als Chefredakteur Olaf Karnik, die übrigen vier Redakteure sind Busch, Kerkmann, Schmidt und Viehmann. Das neu rekrutierte Personal entstammt immer dem Kreis der als Mitarbeiter aufgeführten freien Autoren, in den auch die verabschiedeten Redakteure wieder aufgenommen werden. Wie bereits angemerkt, ist als wesentlicher Faktor des Berufseinstiegs die freie Autorentätigkeit für das Magazin zu nennen. Das sich hier bildende Netzwerk hilft beim Auf- wie Abstieg der Autoren bzw. Redakteure und ist deshalb als eine eminent wichtige Ressource im Musikjournalismus zu werten. Nach dem geschlossenen Rücktritt der Spex-Redaktion unter Viehmann stellt deshalb der Vorgang der vom Verlag eingesetzten neuen Redaktion aus Journalisten, die bisher nicht für die Spex gearbeitet hatten, auch einen strukturellen Bruch mit der bisher vorherrschenden Personalrekrutierung dar.
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4.2 ERGEBNISSE: STRUKTURKONTEXT nehmen Interesse an einem Feature wie der Modestrecke hat, wen kann es kontaktieren? Lediglich der Rolling Stone nennt, bis auf den Koordinator der CD-Reihe New Noises, keine Mitglieder der Redaktion, sondern Angestellte anderer Abteilungen des Axel Springer Medienkonzerns für diese Ansprachen (bei der Rare Trax-Reihe fungiert ein freier Mitarbeiter als Kontaktperson). Für die redaktionsinterne Aufgabenverteilung ist es jedoch im Großen und Ganzen so, dass ein für die Musikfeatures zuständiger Redakteur musikbezogene Themen bearbeitet, während bspw. der für Games- oder Kulturressorts Verantwortliche in erster Linie diese Gebiete betreut. Die Organisation der redaktionellen Arbeit ist an das Gremium der Redaktionskonferenz gebunden, an der die Redakteure, der Chefredakteur und Leitende Redakteur sowie Onlineredakteur und Grafiker teilnehmen. Hier werden Themen vorgestellt, diskutiert und ggf. für das Heft beauftragt, hier wird eine Blattkritik unternommen sowie über redaktionsinterne Angelegenheiten gesprochen. Was hier entschieden wird, ist maßgeblich für die spätere Produktion des Heftes. Deshalb ist es wichtig zu erfahren, was und wie in diesem Gremium besprochen und entschieden wird — und was gerade nicht dort auftaucht, da es in den informellen Gesprächen im Vorhinein ausgesiebt wurde. Generell verhält es sich so, dass im Selektionsprozess der Redakteure mehr Themen übrig bleiben, als in ein Heft integriert werden können. Denn jeder Redakteur wählt nach professionellen und individuellen Gesichtspunkten aus, sodass unterschiedliche Gewichtungen der Themen entstehen. In der Redaktionskonferenz müssen diese dann miteinander abgeglichen werden, wobei jeder mit seinen Themen auch Deutungsansprüche verbindet. Das hier entstehende Gerangel um Themen, deren Umfang und Platzierung im Heft ist ein Machtkampf, der die Ausbildung von strategischen und rhetorischen Fähigkeiten, verbunden mit einer gewissen Hartnäckigkeit, erfordert. »In den Momenten, wo man weiß, man hat keine anderen Fürsprecher in der Redaktion oder man hat zu wenig Fürsprecher, da ist es tatsächlich einfach wichtig, sich so gut zu verkaufen wie ein Promoter. Da ist man dann Promoter der eigenen Sache in der Redaktion. Unter Umständen, wenn man die richtigen Schlüsselwörter bedient und wenn man die Sachen richtig verkauft, kann man Erfolg haben. Es kann auch sein, dass man es nicht schafft — es ist Überredungskunst« (RS 2: 10). Beispielsweise ist die Redaktion des Rolling Stone derart organisiert, dass die CDs und Interviewanfragen in aller Regel beim Leitenden Redakteur landen, der ebenfalls die Heftplanung betreut. Wer ein Interesse an einem Thema hat, muss dieses sofort artikulieren und sich in den Seitenplan mit
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN einer Absichtserklärung für ein Thema eintragen. Die Redakteure arbeiten demzufolge in einer permanenten Wachsamkeit und Beobachtung der internen Vorgänge, die Auswirkungen auf ihre Arbeit haben. »Wenn man sich überlegt: man hat die und die Heftstrecke zu füllen, man hat 100 Seiten oder so zu füllen — und die müssen irgendwie mit interessanten Sachen gefüllt werden. Wir haben hier vier, fünf Leute, die daran arbeiten. Die haben unterschiedliche Vorstellungen davon, was interessant ist und die alle unterschiedliche Autoren bevorzugen. Dann ist es einerseits immer ein Kampf um Platz, andererseits ein Überlegen: Wer könnte was schreiben, was könnte interessant sein« (RS 1: 2). Die Redaktion des Rolling Stone arbeitet relativ nah am Erscheinungstermin des Hefts, d.h. in den letzten zwei Wochen vor Druckschluss wird am »Produkt« (ebd.) gearbeitet, die folgenden zwei Wochen dienen der konzeptionellen Planung und inhaltlichen Vorbereitung (Interviews führen, Autoren beauftragen usw.). Dennoch planen die Redakteure weit im Vorhinein ihre Themen. Mindestens einen Monat, eher zwei — im Falle eines in den USA angelaufenen Films samt Interview mit dem Regisseur sogar fünf — Monate vor Erscheinen des Hefts müssen die ersten Andeutungen beim Chefredakteur bzw. während dessen Abwesenheit beim Leitenden Redakteur gemacht werden; der Chefredakteur des Rolling Stone lebt in den USA und befindet sich zur tatsächlichen Produktion nur für eineinhalb bis zwei Wochen vor Ort in der Redaktion. Dieser spezielle Aspekt sowie die Lizenzierung vom USamerikanischen Mutterblatt dürften mithin den hohen Anteil von Textübernahmen englischer Autoren bei den längeren Artikeln im deutschen Rolling Stone erklären, eine Praxis, die sich weder in Intro noch Spex wiederfindet. Das Anmelden eines Themas schließt bereits immer den geplanten Umfang sowie die Benennung eines geeignet erscheinenden Autoren mit ein, insofern der Redakteur es nicht selber schreiben will bzw. kann. Denn Interviews, die während der zweiwöchigen Produktionsphase »am Heft«, die als stressig und meist mit Wochenendschichten versehen beschrieben wird, stattfinden, werden in der Regel an freie Mitarbeiter vergeben, da der Redakteur keine Zeit hat und bspw. einer Sondergenehmigung bedarf, um zu Terminen mit seinen Lieblingsmusikern zu gehen (vgl. RS 1: 15). Hier gilt es wiederum, strategisch zu handeln: neue Themen werden dem Chefredakteur kurz vor dessen Abreise gemeldet, zu einem Zeitpunkt also, wo man eine höhere Zustimmungsbereitschaft erwartet. Der zu benennende Autor wird so gewählt, dass die Aussicht auf Erfolg nicht geschmälert wird: »Manchmal ist es auch eine taktische Frage. Es gibt Autoren, die mag der Chef nicht so, aber wenn gerade was frei ist im Heft, dann kann man spon-
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4.2 ERGEBNISSE: STRUKTURKONTEXT tan sagen: Ich habe da noch etwas, der kann das bis übermorgen schreiben. Das geht auch manchmal« (ebd.: 3). Auch der andere befragte Rolling Stone-Redakteur weiß sehr genau um das weite Feld der redaktionsinternen Abläufe, Befindlichkeiten und Machtspiele, die alle Einfluss nehmen auf die Ausgestaltung der Themen eines Heftes. Ihm zufolge ist der Status des Redakteurs ein zusätzlicher Faktor im Kampf um Platz und Themen, da man als Neuling in der Redaktion natürlich nicht alles durchbekommt. Das bedeutet, man muss seine Zuverlässigkeit unter Beweis gestellt haben, indem man aufgetragene Arbeiten pünktlich und ordentlich erledigt. Diese preußischen Tugenden erhöhen die Chance der Berücksichtigung in einer Organisation — an sich nichts Ungewöhnliches, nur klingt dieser Umstand in dem landläufig und in den Interviews als kreativ beschriebenen Beruf des Musikjournalisten zunächst ein wenig gewöhnungsbedürftig. Zu einem erfolgreichen Verfechten eigener Themen in den Redaktionskonferenzen gehören Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Stolz auf das bisher Geleistete. Sie erlauben dem Redakteur, Themen aufzuwerfen, von denen die anderen Redaktionsmitglieder nicht überzeugt sind, denn mit dem Verweis auf die eigene Arbeitskraft und -wut kann ein überzeugendes Argument hervorgebracht und zugleich — im Sinne einer diskurslenkenden Maßnahme — Respekt eingefordert werden. Wenngleich dieser Respekt innerhalb der Redaktion des Rolling Stone nie offen zur Sprache kommt, ist er bereits ausschlaggebend für die Vergabe von Artikeln gewesen. Hierin dürfte auch der Grund liegen für die langjährige Zusammenarbeit mit einem festen Stamm freier Journalisten — man kennt sich, weiß um die Stärken wie auch Schwächen der anderen, sie haben sich »bewiesen« und erlauben eine sicherere Kalkulation der Heftproduktionsprozesse, als wenn man einen unbekannten Autoren, gar einen Laien beschäftigen würde. Jeder der Redakteure hat sich über die Jahre der Zusammenarbeit einen Status und somit Vorgriffsrechte auf Themen erarbeitet. RS 2 etwa rezensiert für den Rolling Stone gerne als obskur geltende Platten: Discosampler, Britney Spears-Alben usw. Jedoch, warnt er, müsse man aufpassen, dass man derart nicht zum Klassenkasper der Redaktion wird, schließlich soll der einmal erkämpfte Status verteidigt und ausgebaut, nicht gefährdet werden. Die letztlich entscheidenden Instanzen in der Redaktion sind der Leitende Redakteur und Chefredakteur. Vor allem diese beiden müssen auf den Redaktionskonferenzen, wo die Entscheidungen getroffen werden, überzeugt werden. Dabei ist es immer eine Frage der eigenen rhetorischen Fähigkeiten, wie man seine erwünschten Themen darstellt. Eine empfohlene Strategie ist etwa ein selbstsicheres, sehr bestimmtes Auftreten und Wer-
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN ben um ein Thema, da die anderen Redaktionsmitglieder derart gezwungen seien, überzeugend und argumentativ Widerspruch zu äußern. »Gerade in Redaktionen, wo die Leute sich sehr lange sehr gut kennen — das war beim Rolling Stone so, war es oft auch so, dass man durch eine gewisse Penetranz etwas erreichen konnte. Das ist nicht überall so, aber in kleinen Redaktionen geht das« (RS 2: 9). Der strategische Einsatz von Enthusiasmus ist eine weitere Möglichkeit des Werbens für ein Thema. Es ist jedoch so, »dass der Enthusiasmus auch nicht mehr so glaubwürdig ist, wenn man wegen jedem kleinen Ding auf einmal wieder enthusiastisch wird« (ebd.: 24). Die Folge daraus ist eine professionelle Selbstbeschränkung in der Themenwahl. Er versuchte nun nämlich, seine Begeisterung für Themen zu kanalisieren, indem er etwa nur noch drei- bis viermal jährlich ein Thema vorschlug, was ihn persönlich interessierte und das er dann unbedingt im Heft haben wollte. Und selbst wenn der Leitende Redakteur dieses Thema nicht auf der Heftplanungsagenda hatte, konnte man nun überzeugend auftreten: »Das müssen wir aber machen und ich will das machen und ich glaube, dass das gut ist aus dem und dem Grund — und dann hat er mich das auch meistens machen lassen« (ebd.). Diese rhetorisch überzeugende Figur verbindet das gemeinsame bzw. institutionelle mit dem persönlichen Interesse, was zugleich das Gelingen des Artikels garantiert. Wer könnte da widersprechen? Für die Vergabe von Themen ist aber nicht nur entscheidend, ob die Redaktion dem Autor zutraut, eine professionelle Perspektive einzunehmen und in akzeptierte Formen zu bringen, sondern debattiert wird in den Redaktionskonferenzen auch, ob das Thema einerseits für die Leser geeignet erscheint, andererseits für eine Darstellung im Heft. Kann man eine Struktur des Artikels gewährleisten, die zu einem Abschluss gelangt? Gibt es die Möglichkeit einer erzählerischen Gestaltung, eines roten Fadens? Und können Ergebnisse vorgewiesen werden? Derlei Ansprüchen an Texte begegnet man sonst in der Literatur und der Wissenschaft — Musikjournalismus scheint also deren Postulate der geschlossenen Form oder des Wissensfortschritts ernst zu nehmen. Des Weiteren kann der Themenbereich ausschlaggebend für das Votum der Redaktionskonferenz sein: Ist das Thema noch musikbezogen genug? Entscheidend mag aber auch die Prominenz des Interviewpartners sein. Ein Beispiel: Ein Artikel über Karl Lagerfeld, den RS 2 zu schreiben beabsichtigte, hatte in der Redaktionskonferenz die Hürde zu überspringen, dass Mode eigentlich nicht mehr unter die thematische Kompetenz des Rolling Stone falle und Lagerfeld als nicht interessant für die Leser (bzw. die Redaktion) eingestuft wurde. Die Redaktionskonferenz entschied sich aufgrund des im-
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4.2 ERGEBNISSE: STRUKTURKONTEXT mensen Einsatzes des Redakteurs für seine Beauftragung. Schließlich erschien ein lesenswerter Artikel über Lagerfeld, der zudem intertextuelle Verweise auf einen Artikel des ehemaligen Rolling Stone-Redakteurs Benjamin von Stuckrad-Barre enthielt, der wiederum über einen ähnlich verlaufenen Termin mit Claus Peymann berichtet hatte. Was für den Rolling Stone als charakteristisch angegeben wird — und, wie wir nun wissen, allgemein die Produktion von Musikmagazinen kennzeichnet —, ist die Tatsache, dass die Redaktion ziemlich klein ist und dass die Beteiligten in aller Regel langjährig dort zusammenarbeiten. Diese beiden Faktoren, geringe Größe der Redaktion und hoher Grad der Vertrautheit, bestimmen implizit viele der Entscheidungen in der Redaktionskonferenz. Wie in langjährigen Partnerschaften ist auch hier eine über einen längeren Zeitraum etablierte Kommunikation situativ rationell und höchst effizient. Sie spart Zeit, weil sie diejenigen Themen, die nicht zur Kommunikationssituation gehören, ausgliedert und diejenigen vor dem Hintergrund etablierter Erwartungserwartungen über Schlagworte oder gar nonverbal adressiert, die klar in der bekannten Kommunikationssituation erläutert werden können. »Fifty Cent, wenn man das beim Rolling Stone sagt oder: Britney Spears — das Negativbeispiel, da würden alle sagen: nö, auf gar keinen Fall, wollen wir nicht. Man muss halt diese Konnotationen kennen, diese Namen haben« (RS 2: 9). Allerdings verdecken derartig routinierte Handlungsmuster mitunter Divergenzen, die in einer Redaktion existierten. »Wenn man zum Beispiel ›Guns N’Roses‹ sagt im Rolling Stone, da jubelt [Redakteurin] Birgit Fuß und [Redakteur] Maik Brüggemeyer zum Beispiel verzieht den Mund. Dieses Schlagworthafte, dass man denkt, wenn man ein Wort oder einen Namen nennt, wissen gleich alle, was gemeint ist und wissen, ob es die Guten oder die Bösen sind, das funktioniert… also, an den Punkten, wo es nicht mehr funktioniert, da wird es interessant« (ebd.). RS 2, der selber mit dem Rolling Stone fast neun Jahre verbunden war, kennt diese Übereinstimmungen und Bruchstellen, die er zu seinem Vorteil auf den Redaktionskonferenzen einsetzt, wenn er etwa einen Artikel über das US-amerikanische HipHop-Kollektiv Wu-Tang-Clan lancieren möchte. Hier wählte er die Strategie der Verbündung, indem er einen Fürsprecher von hohem Ansehen und Status für sein Anliegen vorbrachte — unlautererweise, weil dieser nichts davon wusste: »Es ist tatsächlich so, dass Wolfgang Doebeling, der in Berlin operierende Edel-Autor, der auch immer Kontroversen hervorruft und mit dem es manchmal Schwierigkeiten gibt, dass ich eben wusste, dass der auch Wu-Tang-Clan
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN ab und zu hört. Und da habe ich tatsächlich, obwohl mir das eigentlich zuwider wäre normalerweise, gesagt: ja, Doebeling! Und diese Doebeling-Schar unter den Lesern, die hören auch Wu-Tang-Clan! Und lustigerweise war das, glaube ich, mit auch ein ausschlaggebendes Argument« (RS 2: 10). Tatsächlich spielen hier Machtpositionen, Annahmen über die Leserschaft sowie strategische Fähigkeiten und individuelles thematisches Interesse des Redakteurs im Entscheidungsprozess der Redaktion eine so große Rolle, dass selbst für den Rolling Stone ungewöhnliche Themen genehmigt werden. Dies scheint allerdings eher die Ausnahme als die Regel zu sein, denn die Redakteure berichten auch von abschlägigen Entscheidungen, Reduzierungen im avisierten Umfang oder zweifeln an der Kompetenz ihrer Vorgesetzten, Themen zu gewichten. Auch in der Intro-Redaktion ist aufgrund der langen Zusammenarbeit der Redakteure sowie der Absprachen klar, welche Themen die Redakteure beachten — und welche ihnen entgehen, gerade weil der Musikgeschmack der Redakteure differiert. In diesen Fällen wird kollegial auf als wichtig erachtete Musik hingewiesen. Gleichwohl komme es manchmal zu Auseinandersetzungen, man erreicht jedoch nie den Punkt, wo man die Kompetenz des anderen — die ja ein wichtiger Aspekt der Redakteursausstattung ist — in Frage stellt (vgl. IN 2: 2f.). Eine derartige Eskalation würde den organisatorischen Ablauf in einer so kleinen und auf langjähriger Bekanntschaft beruhenden Struktur wie der Redaktion empfindlich stören, vielleicht sogar hemmen. Die als Textmanagement bezeichnete Arbeit macht einen erheblichen Teil der redaktionellen Arbeit aus. Sind in der Redaktionskonferenz Themen, Umfang und Besetzung geklärt, haben die Redakteure die Pflicht, Texte zu schreiben oder zu beauftragen und deren Erstellung zu begleiten (mitunter auch zu überwachen) sowie sie zu den vereinbarten Terminen einzufordern. Die Texte erhält die Redaktion in der Regel zwei bis drei Tage nach der Deadline, nicht alle Autoren kündigen die verspätete Abgabe vorher an (vgl. SP 1: 7). Dies wirft ein bezeichnendes Bild auf die Professionalität im Popmusikjournalismus: die verspätete Produktion erscheint als zwar ärgerliche, aber hingenommene Alltäglichkeit, die letztlich durch den Produktionsplan und somit den letztmöglichen Termin für die Abgabe des Hefts an die Druckerei in Bahnen gelenkt wird. Im Anschluss an die Abgabe beginnt die Korrektur der Texte, die von der Spex-Redaktion (in der Darstellung der Redakteure) intensiv betrieben wird: »Ich glaube, wir bieten die höchste Textqualität aller Musikmagazine. Wir greifen über die Kommasetzung hinaus in die Texte ein. Nicht in die Bewertung der Autoren, aber wir sagen: schreib eine neue Einleitung, schreib einen
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4.2 ERGEBNISSE: STRUKTURKONTEXT neuen Schluss — oft ist das letzte Drittel der Texte nicht gut, dann müssen die [Autoren] das neu machen« (ebd.). Wie auch in den anderen Redaktionen sind bestimmte Verfahren der Qualitätskontrolle etabliert worden: die wichtigste ist das Gegenlesen der Artikel zwischen den Redakteuren untereinander nach der ersten Korrektur. Dann wird der Artikel mitunter an die Autoren zurückgeleitet und sie werden über die zu korrigierenden Teile aufgeklärt, andernfalls übernehmen die Redakteure die Korrekturaufgaben selbst. So ist es etwa bei der Intro schon vorgekommen, dass ein als Dreiseiter geplanter Artikel aufgrund der schlechten Textqualität durch den Redakteur auf eine Seite gekürzt wurde (vgl. IN 2: 19). Zensur findet ihren Grund demnach nicht im Unterdrücken von Meinungen, sondern im Anspruch an nicht eingehaltene Qualität der Texte. Relevant für die Beauftragung eines Autoren ist die Erwartungshaltung des Redakteurs bzw. der Redaktionskonferenz, dass ein druckbarer Text entstehen wird — und diese wird in erster Linie durch Bekanntschaft bzw. eine vorhergehende Zusammenarbeit (so kennen etwa die Spex-Redakteure nicht alle freien Autoren persönlich) hergestellt. Deshalb ist für das Funktionieren des Musikmagazins die Wahrscheinlichkeit des Gelingens der Produktionshandlung umso höher, je mehr man in etablierten Strukturen und Netzwerken routiniert und professionell mit erfahrenen (Semi-)Professionellen arbeiten kann.142 Für die Redaktionen der Intro und des Rolling Stone ist die über die Jahre hinweg relativ homogene Mitarbeiterstruktur eine Ressource, die dieses Gelingen verspricht. Im Falle der Spex haben die Redakteure ihre Netzwerke aus vorhergehenden Beschäftigungen sowie die Schar freier Autoren früherer Spex-Redaktionen übernommen. Mögliche negative Konsequenzen der immensen Auslagerung der Inhaltsproduktion werden durch die Prüfprozesse und etablierten sozialen Beziehungen weitgehend gemildert. Dennoch werden in den Korrektur-Kreisläufen der Texte, die in letzter Instanz der Chefredakteur vor Abgabe des Hefts an die Druckerei zu beenden, sprich: deren Ergebnisse er zu genehmigen hat, nicht immer alle Fehler beseitigt. So finden sich etwa sprachliche Fehler in den Texten oder stehen manchmal falsche Versionen eines Textes im Heft. Die Redakteure machen dafür in erster Linie das Fehlen eines klassischen Textchefs inner142
Wichtiger als die Frage, ob ein Autor auch oder vor allem sein Geld mit Journalismus verdient, ist deshalb die professionelle Schreib-Erfahrung der Autoren, die sich in den abgelieferten Texten niederschlägt. Dass professionelle Journalisten über mehr Erfahrung als semiprofessionell schreibende Journalisten verfügen, ist bereits im Kapitel über den professionellen Umgang mit Musik (vgl. Kap. 4.2 Rollenkontext) als ausschlaggebender Grund für die spezielle Rekrutierung der freien Autoren benannt worden.
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN halb der Redaktionen verantwortlich, andererseits führen sie aber auch die zeitliche Knappheit der Produktion als Grund dafür an.143 Beides ist aufgrund der aktuellen Produktionsweise von Musikmagazinen, d.h. bei geringer personaler Ausstattung, bei als Usus erscheinender Verspätung der Textproduktion sowie bei mitunter sehr kurzfristigen Absprachen mit anderen Institutionen der Musikindustrie in absehbarer Zeit kaum zu verändern. Für die Betrachtung der Redaktionen in den Musikzeitschriften hat sich gezeigt, dass zwar durchaus der betriebswirtschaftliche Begriff von Organisation als System bewusst geplanter und koordinierter Handlungseinheiten auf die Analyse des Geschehens anwendbar ist. Doch scheint jedem Produktionszyklus immer wieder ein Maß an Unvorhersagbarkeit innezuwohnen, der jegliche mechanistischen Vorstellungen hinsichtlich seines Funktionierens in Frage stellt. Denn in den Redaktionen arbeiten strategisch und eigensinnig handelnde Redakteure, die innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit der Produktion in einem Rollengeflecht diverse Aufgaben wahrzunehmen haben, mit externen freien Autoren, Inserenten, Labels, Promotern usf. zusammen, die ebenfalls auf die Wahrung ihrer Interessen bzw. der ihrer Institutionen zu achten haben. Dementsprechend ist der Begriff der Organisation als Verfahrenstechnik der Planung und Koordination nicht falsch, denn diese Bemühungen sind eindeutig zu identifizieren. Er deckt jedoch nicht alle Bereiche des tatsächlichen Geschehens ab. Insofern muss eine soziologische Erweiterung des Organisationsbegriffs (vgl. Hillmann 2007: 651ff.) hinzugezogen werden, die alle geplanten und unvorhergesehen sozialen Prozesse, die innerhalb einer Organisation und auch in Beziehung zu anderen ablaufen, sowie die Rollenträger und ihre (Macht-)Positionen bezüglich ihrer Aufgaben und Ansprüche einbezieht. Nur dann ist sinnvollerweise das komplexe Geschehen innerhalb der Redaktionen der Musikzeitschriften zu beschreiben. 143
Die bei Spex oder Intro eingesetzten Lektorinnen sind für die formale Korrektur der fertigen Texte zuständig, ein Textchef betreut und überwacht darüber hinaus auch auf der inhaltlichen Ebene deren Erstellung. Bezeichnenderweise wird der Wunsch nach einem Textchef auch damit begründet, eine Instanz in der Redaktion zu installieren, die selbst dem Chefredakteur mit dem Verweis auf ihren Auftrag — nämlich die Wahrung von Qualität — argumentativ widersprechen könnte. Gleichzeitig wird eingeräumt, dass die zeitlichen Strukturen der Produktion durch eben diese Stelle endgültig über den Haufen geworfen werden (vgl. IN 2: 20). Ein Textchef würde demnach die Machtbalance der Redaktion genauso verändern wie die etablierten, höchst fragilen Produktionsabläufe des Hefts. Und seien auch noch so viele finanzielle Mittel vorhanden: die existierenden Verhältnisse der Musikzeitschriftenproduktion erlauben allein aus organisatorischer Sicht nur unter erheblichem Korrekturbedarf die Schaffung einer derartigen Stelle, womit bis auf Weiteres auch weiterhin die Redakteure diese Aufgabe zu übernehmen haben.
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4.2 ERGEBNISSE: STRUKTURKONTEXT
Technologische und zeitliche Aspekte der Produktion Obwohl von den Redakteuren kaum explizit benannt, spielt die Technik, der sie sich für die Heftproduktion bedienen, eine wichtige Rolle. Technologie wird als Werkzeug der Ermöglichung benutzt und geschätzt. Nur im Vergleich zu älteren Verfahrensweisen in Musikzeitschriftenredaktionen kann dies klar erkannt und benannt werden. Wolfgang Welt (2006) etwa tippte in den frühen 1980ern seine Artikel für die Sounds noch auf der Schreibmaschine und schickte sie dann per Post; in Dietmar Daths (2004) PhononRedaktion der auslaufenden 1990er Jahre stand ein zentraler Rechner, der E-Mail-Kontakte ermöglichte. Heutzutage ist der Mailkontakt für die Redakteure genauso eine Selbstverständlichkeit des Arbeitsalltags wie der kurzfristig beauftragte, geschriebene und sofort danach eintreffende Artikel von Autoren, die möglicherweise am anderen Ende der Welt gerade noch das Konzert besuchten, über das sie berichten. Durch technologische Entwicklung wird es somit theoretisch möglich, das Ereignis in kürzester Zeit zur Nachricht zu formen und zu veröffentlichen — wenngleich die Magazine aufgrund ihrer Produktionsweise und Erscheinungsweise von dieser Möglichkeit im Printbereich keinen Gebrauch machen können. Denn für die Organisation der redaktionellen Arbeit ist der Erscheinungsrhythmus des Musikmagazins der wesentliche Faktor, der den Workflow innerhalb der Redaktion bestimmt. Andere Plattformen wie Onlinemedien oder Nachrichtenredaktionen haben keinen bzw. permanenten Redaktionsschluss, da eine der Heft- und Produktionsplanung vergleichbare Struktur mit von der Redaktion festgelegten Daten nicht existiert; je nach Medium und Plattform kann sich dort aber eine Struktur ergeben, die sich am Erscheinungsrhythmus (bspw. halbstündliche Nachrichten) oder am Tagesrhythmus (abends werden die News der Onlineausgabe der Spex veröffentlicht) orientiert. Für spontan ins Blatt genommene Album-Rezensionen oder Artikel sieht die Organisationsform musikjournalistischer Arbeit aufgrund des langen Produktionsvorlaufs und der technischen Realisation (Druck, Vertrieb) keinen Platz vor. Die inhaltliche Heftplanung als wesentlicher Aufgabenbereich des Redakteurs ist lange vor Redaktionsschluss144 beendet. Beispielsweise war 144
Dieses von den Zeitschriften nicht veröffentlichte Datum ist an die inhaltliche Produktion gebunden und hat mit den veröffentlichten Daten nur indirekt zu tun, welche die formalen Produktionsetappen des Hefts bestimmen. Der erste Termin ist der Anzeigenschluss, bis zu dem die Inserenten eine werbetreibende Maßnahme mit dem Magazin gebucht haben müssen bzw. der Rücktritt von einem Anzeigenauftrag in Vertragsform nicht mehr möglich ist; der Redaktionsschluss liegt meist an diesem Termin, da man nun weiß, womit man
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN eine Woche vor dem Redaktionsschluss das Heft, das ca. einen Monat nach dem Interview mit den Intro-Redakteuren erscheinen sollte, »mehr oder weniger voll« (IN 2: 11). Sollte eine CD so kurz vor Redaktionsschluss noch plötzlich von einem Redakteur für relevant befunden werden, hätte sie allerdings keine Chance mehr, in Form eines Artikels oder einer Rezension in das Heft zu rutschen. Denn alles ist zu diesem Zeitpunkt bereits geplant; so lagen beim Interviewtermin zwar noch nicht alle Artikel vor, aber man wusste doch, welche noch zu erwarten waren. Je höher der Nachrichtenwert eines Themas von den Redakteuren eingeschätzt wird, desto kurzfristiger muss mitunter gearbeitet werden: »Also je größer das Thema, desto kurzfristiger bekommt man die Platte und desto schneller muss man sie in der Regel auch schreiben, will man es halbwegs zeitnah ins Heft holen. Das kann sich dann zum Superstar hin extrem zuspitzen, bis hin zu: ihr könnt das Interview machen, aber nur, wenn es Titelgeschichte wird und ihr könnt dann vorher im Auto dahin vier Songs im Rough Mix hören. Also das ist der Extremfall« (ebd.: 11f.). Auch die Rolling Stone-Redakteure erklären die Wahl eines Albums von Prince zur »Platte des Monats« auf der Redaktionskonferenz aufgrund seines Nachrichtenwerts — und erhielten die Möglichkeit, es anzuhören, erst »ein bis zwei« (RS 1: 24) Tage vor Redaktionsschluss in den Räumen der Plattenfirma. Bis dahin war die Grafik, die Teil des Darstellungsmusters »Platte des Monats« ist, beauftragt, der zuständige Redakteur musste also schnell einen Eindruck der Musik erhalten und einen Artikel darüber schreiben, um sie als wesentliches Element des Rolling Stone zu integrieren. Dass sie schließlich als »Platte des Monats« nur zweieinhalb von fünf Sternen bekam, habe eben daran gelegen, dass sie objektiv schlechter gewesen sei als erwartet (vgl. RS 2: 14). Im Ergebnis zeigt dies, dass dieses Darstellungsmuster eben nicht, wie oft unterstellt wird, das »beste« veröffentlichte Album eines Monats auszeichnet, sondern dasjenige, auf das sich eine Redaktion unter erheblichem strategischen Einsatz der Redakteure, den hier existierenden Vorstelbei der Produktion des Hefts wortwörtlich zu rechnen hat. Etwa vier Tage später ist der Termin für die Druckunterlagen, der Druckvorlagenschluss; hier müssen die Daten für die Werbung in digitaler Form vorliegen, sodass sie in das Heft eingebunden werden können. Der Zeitraum bis zur Imprimatur dient dann der Schlussredaktion und endet mit den Druckfreigaben. Spätestens hier muss ein Artikel in der Endfassung vorliegen. Das Heft wird dann gedruckt und vertrieben, der letzte veröffentlichte Termin ist der Erstverkaufstag, der ca. zwei (Intro) bis drei Wochen nach Druckvorlagenschluss terminiert werden kann. Die im Zimpel (2009) genannten Redaktionsschlüsse liegen am 30. des Vor-Vormonats (vom Rolling Stone erscheint bspw. die Märzausgabe Ende Februar, sodass Redaktionsschluss im Januar ist) und in der ersten Woche des Vormonats (Spex).
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4.2 ERGEBNISSE: STRUKTURKONTEXT lungen vom Publikum und dem erwarteten Nachrichtenwert kompromisshaft einigen konnte — und das in der zur Verfügung stehenden Zeit gehört und zu dem der Artikel samt Grafik produziert werden konnte. Der zeitliche Zwang der Produktionsgewährleistung treibt die Redakteure mitunter auch zu Höchstleistungen an, wenn sie an Themen arbeiten, die ihnen sehr nahe liegen. Der bereits angesprochene Artikel des Rolling Stone über Robert Wyatt bekam die redaktionelle Genehmigung an einem Montag, Dienstag wurde das Interview geführt und am nächsten Sonntag musste der sechzehnseitige Artikel samt Diskografie fertig geschrieben und gelayoutet sein. In einem anderen Fall war ein für das Heft geplanter Artikel kurz vor Redaktionsschluss ausgefallen. Der zuständige Redakteur sprang mit einem Thema ein, das er zuvor in der Redaktionskonferenz nicht durchbekommen hatte, aber das er aber dennoch unbedingt schreiben wollte. Aufgrund der Zeitknappheit erhielt er nun den Zuschlag, was für ihn zusätzlichen Arbeitsaufwand bedeutete. Denn das Interview war — neben der sonstigen Arbeit in der Redaktion — bereits ausgemacht, geführt und abgetippt worden, auf Zuruf konnte nun in der heißen Phase kurz vor Redaktionsschluss der Artikel geschrieben werden. Sicherlich: Es dürfte den Stress und Produktionsstau kurz vor Redaktionsschluss schon immer gegeben haben, in der Tagespresse ist er ein alltägliches Phänomen der routinierten Bändigung des Chaos. Der Einzug computergestützter Produktion in den Musikjournalismus hat dieses demnach im Journalismus ohnehin institutionalisiertes Problem jedoch weiter verschärft. Denn diese Beispiele konnten selbstverständlich nur mit moderner Technologie ausgeführt werden, die dem Redakteur das Arbeiten auch außerhalb der Redaktionsräume gestattet, sei es das Schreiben, Recherchieren, Musikhören oder Layouten des Artikels. Vergessen werden darf darüber hinaus keinesfalls, dass all dies nur stattfindet, insofern der Redakteur gewillt ist, die Produktionsroutinen aufgrund des angenommenen Nachrichtenwerts (»die Leser wollen darüber lesen«) und der eigenen Motivation (»ich will darüber schreiben«) zu verlassen — was überhaupt nur durch eine bereitwillig geleistete Mehrarbeit des Redakteurs ermöglicht wird. Musikzeitschriften sind demzufolge ganz wesentlich auf die Motivation der Redakteure angewiesen, für »große Themen«, die immer näher an den Redaktionsschluss zu rücken drohen, und das Durchsetzen eigener Themen einen größeren Aufwand zu leisten. Diese Asymmetrie von persönlichem Einsatz und tatsächlichem Lohn ist im Betrieb des Popmusikjournalismus, wie er sich in den Popmusikmagazinen darstellt, institutionalisiert. Die Maßgabe zeitlicher Nähe entsteht durch die Gebundenheit der Heftinhalte an die Veröffentlichungsdaten der Alben. Ihnen kann in dem Pro-
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN duktionsrhythmus der Magazine nur monatlich bzw. zweimonatlich nachgekommen werden. Dennoch ist in den Zeiten des Internet auch für die Magazine zu gewährleisten, dass sie aktuelle Ereignisse abbilden und kommentieren können. Ein Beweis ist der in den Redaktionen installierte Onlineredakteur. In allen drei Redaktionen wird im Impressum als Teil der Redaktion ein Redakteur benannt, der für den Onlineauftritt der Zeitschriften verantwortlich und gleichzeitig Teil der Printredaktion ist (Gerrit Pohl für den Rolling Stone; Walter Wacht für die Spex; Peter Flore für Intro). Der personelle Zusammenhang wird jedoch auf der inhaltlichen Ebene kaum deutlich, wenn man sich die geringe Anzahl der Online-Übernahmen von Texten aus den Printausgaben der Magazine Rolling Stone und Spex betrachtet (lediglich Intro stellt seine Heftinhalte komplett im Internet zur Verfügung). Dahinter steckt die wiederholt in den Interviews geäußerte Ansicht, dass die Printproduktion mit ihren Zeitbudgets für die Texterstellung und -korrektur zu anderen Ergebnissen führt und führen müsse als der unter erheblichem zeitlichen Druck produzierte Onlinetext, wo vieles »mit der heißen Nadel« (SP 2: 23) gestrickt sei. Die Möglichkeit, sich länger auf ein Thema einzulassen und ausführlicher an der Formulierung eines Textes zu arbeiten, sieht man in den Printredaktionen gegeben — wenngleich auch hier, besonders gegen Ende der Produktionszyklen, eine immense Zeitknappheit einsetzt. Auch wenn nun von dem sozialen und physischen Ort der Redaktion aus zwei Medienplattformen bedient werden, führt dies nur im Fall der Intro zum Benutzen der Printartikel in zwei Formaten. Ein sogenanntes OnlineFirst-Prinzip, wo eine Redaktion für beide Formate den Inhalt erstellt und Online zuerst veröffentlicht, existiert derzeit in den Internet-Auftritten der Musikzeitschriften jedoch nicht. Vielmehr lassen sich Print- und Onlineauftritte analog der Einschätzungen der Redakteure auch bzgl. der Inhalte als zwei diskrete Formen musikjournalistischer Produktion erkennen. Rolling Stone und Spex erarbeiten andere, am Onlineformat ausgerichtete Inhalte (vgl. bspw. die Blogs der Spex-Redaktion) oder bringen mitunter gekürzte Inhalte der Printausgaben lange nach deren erstem Erscheinen im Heft, dann allerdings angereichert durch Audio- und Videomaterial. Dieses Verfahren erklärt sich aus dem ökonomischen Zwang, mit den redaktionell erstellten Inhalten zunächst Verkaufserlöse erzielen zu wollen und zu müssen. Erst danach kann der Internetauftritt der Magazine mit — neudeutsch — Content der Hefte angereichert werden. Denn derzeit wirft bspw. die Homepage der Spex noch wenig Erträge ab; die hier erzielten Werbeeinnahmen reichen gerade dafür, dem Onlineredakteur ein Gehalt zu zahlen (SP 1: 10).
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4.2 ERGEBNISSE: STRUKTURKONTEXT Das Internet-Darstellungsmuster par excellence, das der Möglichkeit zeitlicher Nähe von Ereignis und Nachricht in allen drei Magazinen Rechnung trägt, ist der per RSS abonnierbare News-Ticker. Doch auch hier sind Unterschiede zwischen Kauf- und Umsonstmagazin erkennbar: Werden in der Intro mitunter zweidutzendfach täglich neue Veröffentlichungsdaten, Tracklistings oder Konzerttermine als »News« präsentiert, verfahren Rolling Stone und Spex selektiver, indem sie kleinere Meldungen in ähnlicher Höhe im Zeitraum von etwa einer Woche erstellen, die über das Nennen von marktrelevanten Daten hinausgehen.
Ökonomische Aspekte der Produktion Die Redaktion fungiert als eine wichtige Schaltstelle zwischen diversen Ansprüchen an das Musikmagazin: die Besitzer (der Verlag, die Herausgeber) sehen es als eine Institution, mit der sie das investierte Kapital vermehren wollen; Werbetreibende suchen seinen Gebrauch als ein Medium, mit dem eine Zielgruppe definiert und erreicht wird; Musiker und die sie umgebenden Strukturen der Musikindustrie erblicken eine Möglichkeit, eine höhere Aufmerksamkeit für die eigene, verlegte oder vertriebene Musik zu erzielen; Leser benutzen es als ein Medium, das sie über eine bestimmte Musikauswahl in einer spezifischen Weise informiert und unterhält; Redakteure und freie Autoren begreifen es als einen Ort, wo sie Geld und Reputation verdienen können, aber auch als ein Forum, wo (eigene) Themen gesetzt, besetzt und veröffentlicht werden können. In den Redaktionen müssen diese Anliegen gewichtet und Monat für Monat in der Produktion der jeweils nächsten Ausgabe umgesetzt werden. Es greift darum zu kurz, will man den ökonomischen Ansprüchen allein einen Einfluss auf die Arbeit der Redaktion einräumen, der definitorisch alle Aspekte der Inhalteproduktion umfasst. In dieser Logik wäre der in allen Magazinen am meisten präsente Musiker derjenige, dessen Plattenfirma über die höchsten Werbeetats verfügt, die Magazine folglich ein verlängerter Arm der Promotionabteilung der Musikindustrie. Diesen Zusammenhang hat Simon Frith bereits 1978 in seiner Sociology of Rock (dts. 1981) zurückgewiesen: »Die Zusammenarbeit von Musikzeitschriften und Schallplattenfirmen beruht nicht auf der ›Kontrolle‹ der Plattenfirmen über Zeitschriften durch das Instrument der Werbeaufträge, sondern auf der schlichten Tatsache, daß ihre grundsätzlichen Auffassungen, ihre allgemeinen Interpretationen der Rockmusik so weitgehend übereinstimmen« (Frith 1981: 173).
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN Es sind demnach vielmehr ideologische, ästhetische und soziale Gemeinsamkeiten verantwortlich dafür, dass man in Redaktionen und Plattenfirmen, unter Promotern und freien Autoren davon überzeugt ist, dass eine Band gut sei. Die Redakteure bestätigen dies: »alle« hier Tätigen seien heutzutage cool (vgl. IN 1: 23), da in den Plattenfirmen, bei den Werbetreibenden und in den Redaktionen etwa gleich alte Menschen arbeiteten, die einen ähnlichen Blick auf Popmusik entwickelt hätten: »Es gibt da dieses Problem [...], dass auf jedem Titelbild Franz Ferdinand ist und die Tatsache, dass man nicht rausgeht und sucht sich seine Themen und deshalb sieht alles ganz bunt aus. [Ganz im Gegenteil:] Es sieht ja alles gleich aus. Dieser Aspekt, dass die Leute sich die Themen so sehr suchen, kann ja gar nicht so entscheidend sein, weil die Musikindustrie sich natürlich auch so auf diesen Kanon eingestimmt hat: Was kommt an, was funktioniert? Der wurde auch mitbestimmt von der Journaille in den Neunzigern, größtenteils auch von der Spex oder von VIVA2. Diese Coolness ist halt sehr universell geworden. Daraufhin entwickelt sich der Markt und bedient diese Mechanismen — und Musikmagazine greifen die dann halt nur noch auf. Also insofern ist für mich dieser kreative Aspekt des Berichtefindens eher gering, weil sehr viele Sachen klar sind« (IN 1: 4). Der von den Spex-Redakteuren Mark Terkessidis und Tom Holert, dem späteren Mitherausgeber, in den 1990ern mit Mainstream der Minderheiten (Holert/Terkessidis 1996) beschriebene Versuch der Vermarktung von Popmusik mit popkulturellen Strategien gehört für die Redakteure heutzutage zum Arbeitsalltag. Denn schließlich habe es schon immer zum Wesen von Popmusik gehört, dass eine Industrie ihre Produkte vermarkten wolle (vgl. RS 1: 32ff.). Das sich daraus ergebende Handeln der Redakteure ist deshalb in gewisser Weise als pragmatischer Umgang mit diesen Strukturen zu bezeichnen, was nicht unbedingt als deren Akzeptanz ausgelegt werden darf. Denn manchmal weist es eine gewisse Widerspenstigkeit auf, mitunter ist allerdings auch eine Sorglosigkeit zu beobachten, die auf der ihnen nichtbewussten Wirkung ihres Handelns wie auch der Einsicht der Unabänderlichkeit der Strukturen beruhen dürfte. Wirtschaftliche Prozesse spielten in den Interviews mit den Redakteuren eine unterschiedliche Rolle: die beiden Rolling Stone-Redakteure äußerten sich am wenigsten darüber, während Intro- und Spex-Redakteure ausgiebiger darüber sprachen, ohne jedoch Details und Zahlen preiszugeben. Es darf vermutet werden, dass sie über eine ungefähre (der als Betriebswirt und Industriekaufmann ausgebildete Redakteur schien am besten informiert) Kenntnis der Kosten- und Einnahmensituation verfügen, die allerdings der eines Buchhalters unterlegen sein dürfte, dieses Wissen jedoch nicht im In-
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4.2 ERGEBNISSE: STRUKTURKONTEXT terview preisgeben wollten. Deshalb gilt für das Folgende der Hinweis, dass ohne Einblick in die Geschäftsbilanzen der Magazine keine genauen Kennzahlen der wirtschaftlichen Situation der Magazine berichtet werden können — was jedoch für die hier angestrebte Darstellung der Sicht der Redakteure auf ihre Situation keinen Einfluss hat. Ob die wirtschaftliche Lage der Spex tatsächlich als »schwarze Null« (SP 2: 14) bezeichnet werden darf, mag ein Betriebsprüfer beurteilen. Diese Einschätzung des Redakteurs führt jedoch zu einem Handeln und Denken innerhalb der Redaktionsarbeit, was folgenreich für die Produktion des Magazins ist und deshalb als Faktum behandelt und interpretiert wird. Der Tenor der Aussagen ist, dass die wirtschaftliche Lage für Musikzeitschriften sehr schwierig sei. Musikbezogene Anzeigen seien in den letzten Jahren stark zurückgegangen, zudem habe das Tabakwerbeverbot in Zeitschriften zu Einbußen auf dem Inserentenmarkt geführt. Die Redakteure machen sich Gedanken über die Möglichkeit, andere Einnahmenfelder (Verkaufspreis, Modestrecken, Konzerte, Sponsoring) zu erschließen; Wege der Ausgabenminimierung als Möglichkeit des Bilanzausgleichs, etwa in Form der Personaleinsparung, werden nur von den Spex-Redakteuren erwähnt und verteidigt. Aufgrund dieser Gesamteinschätzung werden diverse Aktivitäten der Magazine als Möglichkeit eingeschätzt, den Namen des Magazins oder Partnerschaften mit anderen Organisationen zu etablieren, ohne dass damit direkte Einnahmen verbunden sein müssen. Als ein alltäglicher Teil des Musikzeitschriftengeschäfts wird von den Redakteuren beispielsweise das Übertragen von Namens- und Logorechten an Labels oder Konzertveranstalter dargestellt. Gerade bei kleineren Labels sei es so, dass sie im Vorhinein, d.h. bei der ersten Kontaktaufnahme eine Erwartungshaltung äußern, die den Redakteur unter moralischen Druck setzen soll: wenn dieses für die jeweilige Band wichtige Magazin nicht über diese Platte berichtet, brauche man dieses Album gar nicht erst auf dem deutschen Markt veröffentlichen. Der Grund für ein solches Verhalten liegt in der Struktur des Musikgeschäfts: die Rezension in einem Musikmagazin dient nämlich als Argument für die Aufnahme in einen Vertrieb, der wiederum erst den Weg in den Laden eröffnet. Deshalb produzieren die Label nach Erteilung der Erlaubnis durch die Redaktion Aufkleber für die CDs, die mit kurzen Zitaten aus der Kritik, der (falls ausgewiesen) Wertung, dem Darstellungsmuster des Magazins (»Platte des Monats in XY«) und dessen Namen bzw. Logo werben. Dass die Label an Redaktionen herantreten, ist allerdings weniger der unterstellten Wirkungsmacht des Redakteurs zuzurechnen als einem sich mit dem Erscheinen der Kritik versprochenen Wirkungspotential, das sich auf dem Musikmarkt in hö-
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN heren Verkäufen niederschlagen kann — aber nicht muss. Intro bspw. erlaubt die Verwendung des Stickers »Empfohlen von Intro«, beim Rolling Stone beruht die Zusammenarbeit auf guten persönlichen Kontakten und/oder einer längeren geschäftlichen Beziehung zwischen Label und Magazin.145 Eine solche Zusammenarbeit habe allerdings keinerlei Einfluss auf die Bewertung der Musik (vgl. RS 1: 36). Auch die Spex nutzt ihren Namen, indem sie im Heft Konzerte »präsentiert«, d.h. sie druckt die Daten einer Tournee und einige Sätze zu den Musikern ab. Die Konzertpräsentationen seien nicht als Geschäftsmodell zu verstehen, denn daran »verdienen wir nichts. Das ist ein Geben und Nehmen. Wir schreiben einige Zeilen als Konzertankündigung, dafür sind wir mit Logo auf Karten und Plakaten« (SP 1: 10). Der erkennbare Wunsch der Sichtbarmachung des eigenen Namens als Marke für gute Musik dient dem Aufbau eines Markenimage. Dieses Handeln ist einerseits den Strukturen der Musikindustrie eingeschrieben (die gute Zusammenarbeit soll gepflegt werden), andererseits ist es der Glaube, so nun einmal handeln zu müssen: wer seine Zuständigkeiten und Kompetenzen nicht im Sinne der Markenpflege nach außen trägt, hat in der Markenführung und somit auf dem Markt der Musikzeitschriften versagt. Dennoch zeugen diese Versuche von einer sympathischen Unbeholfenheit — verglichen mit professionell erstellten Marketingkonzepten von großen Werbeagenturen. Die Musikmagazine wissen nicht genau, wie sie ihre Marke herstellen und pflegen wollen, aber glauben doch, dass sie es müssen. Meistens tritt dann entweder das Label, die Promotionfirma bzw. der selbständige Promoter (Labels, zumal die großen, hatten bisher eigene Promotionabteilungen, deren Aufgaben aber zunehmend an freie Promotionfirmen, teilweise Alleindienstleister, ausgegliedert wurden)146 oder das Ma-
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Beispielsweise ist der deutsche Produktmanager, der u.a. für Bob Dylan verantwortlich ist, ein guter Freund des Chefredakteurs, sodass die Besprechung eines Albums von Dylan dem Label vor dem Erscheinen von Heft und Platte zugänglich war (vgl. RS 1: 36). Nicht vergessen werden darf, dass auch die Plattenfirmen ihre Produktion nach ökonomischen Gesichtspunkten rationalisieren, was die Musikzeitschriften zu spüren bekommen. Alle Redakteure klagen, dass es immer schwieriger werde, an Platten zu gelangen, da nicht mehr alle Platten in die Bemusterung gehen oder der Kreis der Bemusterten radikal verkleinert wurde. Mitunter müsse man in die Plattenfirma kommen, wo man in einer Anhörbox sitzt und die Platte dort hören darf (die sogenannte Listening Session). Manchmal gibt es auch nur eine Kopie, die der Promoter hat und behält; er oder sie kommt dann in die Redaktion gefahren, wo er die Musik den Redakteuren vorspielt. Musikjournalismus findet innerhalb dieser absurd anmutenden Strukturen der Musikindustrie statt, in der zwei (auch von einander) abhängige Selbständige miteinander in einer selbstgewählten, aber nicht selbst ge-
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4.2 ERGEBNISSE: STRUKTURKONTEXT nagement von Musikern an die Redaktion heran. Letzteres sei aber fast nie der Fall, es sei denn, es handelt sich um den Manager einer »kleinen«, sprich: unbekannten Band und er ist mit dem Redakteur persönlich bekannt. Mit einigen Promotionfirmen, wie etwa Verstärker, haben die Zeitschriften »sehr, sehr viel« zu tun hat, was bedeutet, dass sie »an einen herantreten, meistens läuft das ganz banal« (IN2: 2). Gerade die kleinen Musikfeatures im vorderen Teil des Hefts stellten Bands dar, »die Plattenfirmen anbieten, die man machen muss, um Anzeigen zu bekommen« (RS 1: 7). Die Struktur der institutionalisierten Musikverbreitung wird Teil des professionellen Handelns des Redakteurs und kaum hinterfragt. Insgesamt erscheint der Zusammenhang von Musikmagazin und Musikindustrie als ein System von flexiblen Abhängigkeiten, das eher einem kooperierenden Netzwerk als einer Top-Down-Beziehung — wie man früher meinte — zu gleichen beginnt. Dementsprechend ist in den Interviews und auch in den Selbstdarstellungen der Magazine oft die Rede von »Zusammenarbeit« (nicht von Kauf, Tausch, Miete usw.) der sogenannten »Medienpartner« (und nicht Auftraggeber, Auftragnehmer). Freilich sind in Netzwerken, in diesem zumal, nie alle Teilnehmer gleich. Das Bild vom gleichmäßig geknüpften Netz verdeckt strukturelle Asymmetrien, Verflechtungen und existente Abhängigkeiten, die je nach Größe und Macht der Netzwerker variieren. Dennoch haben sich für die Redakteure die Beziehungen innerhalb dieser Strukturen spürbar geändert, wie sich anhand der Expansionsstrategie »Konzert« zeigen lässt: Musikmagazine agieren aus ökonomischen Gründen als Konzertveranstalter, für die sie Bands benötigen, die bei Labels unter Vertrag stehen, die wiederum aus ökonomischen Gründen Musikmagazine benötigen, um diese Bands so bekannt zu machen, dass sie für diese Konzerte gebucht, bezahlt und für weitere engagiert werden. Intro, die diese Zusammenhänge früh erkannte und in einer modellhaften Weise perfektionierte, hat sich in diesem Konvolut flexibler Abhängigkeiten somit eine gewisse finanzielle Freiheit und selbstbewusste Haltung erarbeitet, die sie bei möglichen Auseinandersetzungen mit der Musikindustrie, etwa als Folge von Verrissen, einnimmt: »Intro hat mittlerweile eine Position… ich meine: was soll denn passieren [nach einem negativen Artikel über die Foo Fighters]? Da würde Warner sagen, oder wer auch immer, wo die Foo Fighters jetzt gerade rauskommen, Sony, weiß ich gar nicht: ja, passt uns jetzt nicht so. Aber im Prinzip können die sich nicht erlauben zu sagen: das war’s für dieses Jahr, ihr macht jetzt mit unseren Künstlern keine Interviews mehr. Was sie sagen können, ist… aber schaffenen oder gar beeinflussbar erscheinenden Situation versuchen, dem Dasein trotzdem einen Reiz abzugewinnen.
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN das wäre auch nur ein Vorwand, dann zu sagen: wir schalten jetzt keine Anzeige, wenn sie vorhatten, eine zu schalten. Meistens schalten sie ja ehe keine mehr heutzutage, deswegen ist das auch egal« (ebd.: 23). Von den Redakteuren wird der Umbruch des Anzeigenmarktes demnach als eine Befreiung von Zwängen wahrgenommen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie aller Sorgen beraubt wären, denn angesichts der Erlösstrukturen der Musikmagazine muss ein großer Anteil der Kosten durch Anzeigen gedeckt werden. Die Finanzierung jeder Ausgabe sei immer eine »schwierige Sache« (SP 1: 7), da zunehmend mehr Musikanzeigen entfielen. Im Schnitt hat die Spex den Angaben zufolge vier oder fünf Musikanzeigen, außerdem bucht der Cargo-Vertrieb meistens noch eine Seite — dort wird u.a. das Sub PopLabel vertrieben, von denen »immer zwei, drei Platten im Besprechungsteil« (ebd.: 8) vorhanden sind. Die Folgerung, dass somit die letzten verbliebenen Musik-Inserenten einen Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung nehmen, ist sicherlich nicht falsch — sie greift jedoch zu kurz, will man derart auf das Zustandekommen der Magazine schließen. Denn früher hat die Auswahl der Musik in einem fast ausschließlich durch Musikanzeigen abgedeckten Werbemarkt unter einem viel höheren Erwartungsdruck gestanden, als es heute mit dem umfassenden Wandel der Inserentenstruktur der Fall ist. Für die Auswahl der im Magazin präsentierten Musik dürfte die zunehmende Schwächung der Musikindustrie somit ein höheres Maß an Autonomie bedeuten, wenngleich natürlich dadurch auf anderen Feldern wie der Mode oder den Lifestyleprodukten andere — aber eben nicht neue — Abhängigkeiten geschaffen werden. Die zum finanziellen Ausgleich verordnete — zur Erinnerung: dies war eine Bedingung des Herausgebers für die neu eingesetzte Berliner Redaktion — Strategie der Integration von Modestrecken in das Heft ermöglicht der Spex wie auch der Intro zwar keine finanzielle Unbekümmertheit, aber vermittelt doch eine gewisse Beruhigung, die allerdings die Gefahr von Legitimitätsverlusten innerhalb der Leserschaft mit sich bringt. In »großem Maße« trägt die Modestrecke in der Spex zur Finanzierung bei. Die Modefirma Herr von Eden bucht regelmäßig zwei Seiten zu Beginn des Heftes, »von denen nehmen wir immer etwas mit rein in die Modestrecke. [...] Die Sachen von Herr von Eden sind okay, dann haben wir noch Replay, Carhartt, die sind auch okay, damit können wir leben« (ebd.). Der für die Redakteure brisante Zusammenhang von ökonomischen Zwängen, der Wahrung von Autonomie bzw. Glaubwürdigkeit — »Damit können wir leben« kann sowohl das Einverstandensein aufgrund des persönlichen Geschmacks bedeuten wie auch die Affirmation der strukturellen Umstände, was an anderer Stelle dann Handlungsräume eröffnet — und dem
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4.2 ERGEBNISSE: STRUKTURKONTEXT wunden Punkt der inhaltlichen Bezugnahme im Heft auf externe Finanzierungsquellen wird offensichtlich beim Hervorheben eines neuen Inserenten, einem Autohersteller: »In der neuen Ausgabe haben wir von Nissan zwei Seiten — was super ist, da wir die inhaltlich nicht thematisieren müssen« (ebd.). Zwar kauft sich kein Inserent eine Betreuung, aber dass die beworbenen Produkte sich neben der inserierten auch in einer redaktionell verfassten Form wieder finden, scheint als normal zu gelten — sonst würde die Ausnahme nicht ausdrücklich Erwähnung finden. Auch wenn die im dritten Kapitel beschriebenen Umstände der Zeitungs- wie auch Zeitschriftenproduktion zeigen, dass der Zusammenhang von Werbung und Journalismus schon lange existiert, belegen Äußerungen der Redakteure von Rolling Stone und Spex ein gewisses Unbehagen angesichts möglicher Käuflichkeitsvorwürfe. So sieht etwa SP 2 die Notwendigkeit der Modestrecke zur Finanzierung des Blattes, gleichzeitig aber fühlt er sich zur ihrer Verteidigung herausgefordert: Natürlich könnte man auf der einen Seite zur Rechtfertigung der Modestrecke inhaltlich argumentieren und behaupten, dass man den Lesern tatsächlich etwas über Mode mitteilen möchte. Auf der anderen Seite sei allen, auch dem Leser — hier wird wieder einmal mit dem unbekannten Wesen argumentiert —, klar, dass in diesen »mageren Zeiten« auch Musikmagazine sehen müssten, wo es Vermarktungsmöglichkeiten gibt.147 So entsteht eine zunächst widersprüchliche Situation, die er mit dem selbst gestellten Auftrag der Spex, über Popkultur zu berichten, auflöst. Denn die von ihm und somit der Spex vertretene Definition von Popkultur umfasst selbstverständlich auch »Styles, äußeres Erscheinungsbild oder Mode« (SP 2: 20), sodass etwaige ideologische Vorbehalte aus dem Weg geräumt sind.148 Dennoch ist für ihn eindeutig, dass hinter der Modestrecke ein Marketingkalkül steckt, da man hier Firmen bevorzugt, die einen Etat für Anzeigen besitzen und diesen auch in einem Umfeld wie der Spex auszugeben bereit sind. Die Anzeigenabteilung des Verlags in München stellt diese Verbindungen her. Die redaktionell beschlossenen Interviews mit Mode- oder Duftdesignern, die diese Modestrecke umgeben, seien aber nicht von diesem 147
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Dass ausgerechnet die Spex dann die erwähnte provokative Sponsoring-Kooperation mit einem italienischen Edel-Nudelhersteller eingeht, ist einerseits logische Folge dieser Haltung, diese Aktion weist aber vor allem auf ironische Weise auf die finanzielle Bedürftigkeit der Musikmagazine hin. Die Modestrecke, eine mehrseitige Abbildung von Modeinszenierungen, deren Setting meistens von den Redakteuren konzipiert ist, wird durch einen Artikel davor oder danach im Heft verankert. In diesem interviewt ein Redakteur der Spex regelmäßig Akteure aus der Modewelt oder Musiker, die über Mode sprechen, und leistet so den Zusammenhang und die Legitimation von Popkultur und Mode im Aufbau des Hefts.
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN Kalkül betroffen. Niemand käme auf ihn zu mit der Ansage, dass etwa der Mode-Hersteller Diesel eine Anzeige schalten wolle, wenn er deren ChefDesigner interviewe (vgl. ebd.: 20f.). Dies lehnt er aus mehreren Gründen ab: zum einen stellt diese Art der Beauftragung keine freie Themenwahl dar, woraus zweitens die Motivation bei der Texterstellung nicht hoch genug ist, um einen guten Text zu produzieren, woran sich schließlich eine Durchschaubarkeit der Zusammenhänge einstelle, womit die Integrität des Textes allemal, eventuell der Zeitschrift insgesamt verloren ginge.149 Der Zusammenhang von Modeberichterstattung und Musikmagazinen wird in der kommenden Zeit noch weiter zunehmen (vgl. IN 2: 25), weil derartig Anzeigenräume besser vermarktet werden können. Nicht nur haben sich die Musikmagazine ein neues Inserentensegment geschaffen, wo nun diverse Modehersteller als potentielle Kunden angesprochen werden können, zum anderen ziehen auch Hersteller anderer Lifestyle-Produkte nach: wenn sogar die Jeansfabrikanten dort inserieren, dürfen die Turnschuh-, Spielkonsolen- und Telefonhersteller nicht fehlen. Ökonomische Aspekte dringen somit in die Arbeit und Überlegungen der Redakteure ein. Beim Rolling Stone steht man den von Modefirmen gesponserten Modestrecken insgesamt skeptischer gegenüber, jedoch hat auch hier eine mehrseitige Fotodokumentation mit Bands Einzug in das Blatt gehalten: »Wir haben häufiger mal eine Fotostrecke, die aber nicht an Firmen gekoppelt ist, sondern an Events. Das ist tatsächlich, um es großzügiger zu machen und auch das Umfeld [zu schaffen]. Also früher war es so, dass Werbekunden sich das Umfeld gesucht haben, in dem sie sich platzieren möchten. Und heute ist es so, dass wir das Umfeld schaffen müssen, damit Werbekunden überhaupt erst kommen. Das hat sich also so ein bisschen gewandelt« (RS 1: 9).
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In der Spex wurde übrigens über ein »Diesel-Festival« berichtet. Dies sei allerdings keine gekaufte Berichterstattung gewesen, sondern beruhe auf einem redaktionellen Beschluss. Außerdem solle man dem Ökonomischen »auch nicht immer so negativ gegenüberstehen« (ebd.: 21), schließlich stelle dieses Festival eine Gelegenheit für die dort auftretenden Musiker dar, eine bezahlte Auftrittsmöglichkeit und eine Chance auf einen größeren Bekanntheitsgrad geboten zu bekommen. Diese rhetorische Volte über die Arbeitsbedingungen der Musiker, die sich ja den herrschenden Strukturen ebenfalls anpassten, dient natürlich der Rechtfertigung des eigenen Handelns. Doch ist die Beobachtung zunehmender Beteiligung von Musikern an diesen oder anderen Werbemaßnahmen (etwa treten Musiker als Modelle in Modestrecken auf oder sie musizieren bei der »Jägermeister-Rockliga-Tour«, vgl. dazu Gaier 2007) ein hier leider nur nebensächlicher Aspekt der gegenwärtigen ökonomischen Organisation popmusikalischen Lebens und verdient weitere und tiefere Recherche und Analyse.
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4.2 ERGEBNISSE: STRUKTURKONTEXT Für die Intro ist die finanzielle Lage ein Grund gewesen, das Heft zu verändern. Da man erstens nicht genau wisse, wer der Leser ist und was er lesen will, sich zweitens im Unklaren darüber sei, ob die Haltung der Intro und ihre Sicht auf Musik bei den Lesern auf Gegenliebe stoße, müsse man »Berichte und das Schreiben über Musik dem anpassen, wie Musik nicht nur von einem selber erlebt wird, sondern vom Markt« (IN 1: 3). Dieser lapidar formulierte Abschied von der alten Fanzine-Tradition der Intro hat weitreichende Folgen, die über das bloße Schaffen von Flächen im Heft und die graphische Gestaltung hinausgehen. Am Beispiel der Plattenrezension lässt sich dies darlegen. Oben wurde von der Urteilskraft als wesentlicher Kompetenz des Musikredakteurs gesprochen, die ihm den professionellen Umgang mit Musik erleichtert. Er erkennt schnell »gute«, allerdings auch »schlechte« Musik — die er dann angemessen formuliert im Heft zu besprechen hat: »Dann würde ich gerne auch andere Worte finden als so ein… da muss man so ein bisschen Staatsräson [walten lassen], weil wenn es dann zu vernichtend wäre, dann würde es doch zu sehr auf mich als Autoren zurückfallen. Und ich spreche in letzter Konsequenz ja nicht nur für mich, sondern auch für Intro. Und da kann man Bands [nicht herunterputzen], die zudem noch in dem eigenen Segment tätig sind, das wir bedienen — es gibt auch Intro-Leser, die [BAND 2] gut finden. Denen kann ich sagen, das ist schlecht, aber denen kann ich es dann nicht vor die Füße kotzen« (ebd.: 15). Die professionelle, auf Erfahrung beruhende Urteilskraft muss also in einem zweiten Schritt unterschieden werden von der strukturell bedingten Urteilsfähigkeit, die als Grad der Durchsetzung primärer Werturteile gegenüber organisatorischen, institutionellen und strukturellen Ansprüchen zu sehen ist. Weischenberg, Malik und Scholl (2006: 100) sprechen von der Handlungsrelevanz, die sie als vermittelnde Instanz zwischen geäußerten Kommunikationsabsichten und tatsächlich realisierten Rollenvorstellungen sehen. Nicht alles, was Journalisten als Ziele und Absichten ihres beruflichen Handelns angeben, hat die gleiche Bedeutung für die Umsetzung, da organisatorische, technische, politische oder ökonomische Bedingungen die Chancen einschränken, diese zu verwirklichen. Der idealtypische Musikjournalist ist demnach in der Lage, eine Musik kraft seiner individuell wie professionell erworbenen und gefestigten Kompetenzen zu beurteilen und dieses Urteil dann den im beruflichen Sozialisierungsprozess erworbenen journalistischen, redaktionellen und geschäftlichen (Spiel-)Regeln gemäß sowie für die Leser als auch die »kooperierenden« Unternehmen angemessen in Worte fassen. In der Praxis verhält es sich so, dass die Urteilsfähigkeit der Journalisten nur selten von redaktio-
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN nellen Eingriffen eingeschränkt werde. Viel mehr trete sie als eine »vorauseilende Selbstzensur« (ebd.: 16) auf. So gebe es bei der Intro keine Instanz, die einem das Schreiben einer negativen Kritik verbiete, jedoch wisse man im Vorhinein, wie viel Schwierigkeiten Verrisse einbringen. Das hier aktivierte relevante Wissen wurde in der Berufspraxis erworben. Dies bedeutet, dass langjährige Redakteure nicht etwa deshalb bessere Mitarbeiter sind, weil sie genauer ihren Gegenstand — die Musik — kennen, sondern weil sie aufgrund ihrer Erfahrung die akuten beobachtbaren Folgen ihres Handelns besser einschätzen können. Urteilsfähigkeit bedeutet, persönliche und berufliche Wertvorstellungen derart abzuwägen, dass die Produktion der Zeitschrift nicht gestört wird. Es muss außerdem bedacht werden, dass auch einige negative Besprechungen ihren Platz im Heft finden müssen, da sonst das Magazin nicht mehr »funktioniert [...], wenn alles nur geil ist« (ebd.). »Ja, Verrisse — immer ein schwieriges Thema. Man müsste eigentlich viel mehr bringen. Die wenigen, die ich bringe, [da] merke ich immer, sind diskutiert, aber dadurch, dass so ein Magazin auch funktionieren möchte mit den Labels, sind die da auch immer sehr negativ diskutiert. Und dann ist es natürlich [bei uns] schon so: ach Gott, was haben wir denen wieder angetan und wir wollen doch, dass die demnächst auch wieder ihre Künstler zu Intro Intim schicken. Das ist ja verständlich. Die sagen ja auch: Wir schicken unsere Künstler zu euch zu Intro Intim und wir schalten auch Anzeigen und wir wollen doch, dass unsere Platte durchstartet — und ihr schreibt jetzt, das ist der letzte Mist. Na ja, das [diese Beziehung von Intro zu den Labels] ist halt in den letzten Jahren zusammengewachsen, das ist auch mitunter hilfreich gewesen. Ich denke, Intro hat auch dadurch profitiert, dass es Veranstaltungen macht. Aber diese Verschränkungen heben natürlich auch so ein bisschen diese Position von Kritik und dem zu kritisierenden Objekt auf, wenn sich das eben so angenähert hat. Daraus ergeben sich Synergien, aber auch Verschränkungen, die natürlich die Distanz haben fallenlassen« (ebd.). Musikkritik als professioneller Umgang mit Musik in der Redaktion einer Musikzeitschrift entsteht im Spannungsfeld von potentieller individueller Urteilskraft und strukturell bedingter Urteilfähigkeit, dem Wissen um die Regeln des Feldes, in dem sich der Redakteur bewegt. Bei der Intro, einem Umsonstmagazin, das sich aufgrund versiegender Anzeigenerlöse neuen Einnahmefeldern wie dem Veranstaltungsbereich geöffnet hat, ist die gute Zusammenarbeit mit anderen Institutionen im Musikgeschäft noch wichtiger als bei konkurrierenden Kaufmagazinen. Diesen bricht im Falle einer negativen Kritik — die im Feld einem Eklat, also dem Bruch mit konventionalisierten Regeln des gemeinsamen Umgangs gleichgesetzt zu werden scheint — nur ein Anzeigenkunde weg, für Intro entfällt darüber hinaus der Hauptbe-
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4.2 ERGEBNISSE: STRUKTURKONTEXT standteil ihrer primären Einnahmequelle und zugleich größten Selbstpromotioninstruments, nämlich Intro Intim bzw. Melt!-Festival. Beide Redakteure der Intro verweisen am häufigsten von den befragten Redakteuren auf finanzielle Aspekte der Heftproduktion, die es zu beachten gilt. Gleichzeitig ist beiden ein journalistischer Personalstil wichtig, der im Kleinen Abweichungen erlaubt, die im Großen nicht mehr erreichbar zu sein scheinen. Stil fungiert hier als persönlicher Rettungsanker aus einem Meer struktureller Beziehungen und Erwartungen, die erfüllt werden müssen. Der Rückzug auf Aspekte der »Schreibe« und politischen oder ästhetischen Einstellung erlaubt in der Intro subjektiven Eigensinn wie das Veröffentlichen gut formulierter feministischer, antikapitalistischer oder rein geschmäcklerischer Texte, dies alles jedoch nicht nur in einer Welt, sondern bereits einer Zeitschrift, in welcher nach ganz anderen Regeln gespielt und produziert wird. Gleichzeitig ist dieser Widerstand im Kleinen eine Legitimationsstrategie der Intro. Zwar wird das Magazin als Werbefläche ausschließlich durch Anzeigen bezahlt, aber Texte von freien Autoren wie bspw. Martin Büsser oder Kerstin Grether dienen als Ausweis der Kritik an dieser Praxis und Verweis auf den ideellen Ort und Ursprungsmythos der Intro als ehemaliges Fanzine. Positiv gewertet kann man hier eine Strategie der subversiven Unterwanderung erkennen: Wir akzeptieren das Geld der Anzeigenkunden, um damit Texte zu finanzieren, die zum einen kaum noch einen Ort für ihre Publikation finden, zum anderen unsere Kritik journalistisch formulieren und übermitteln. Anders gewendet kann man allerdings auch erkennen, dass in der hier praktizierten Weise ein Umfeld geschaffen wird, »in dem Marken und Produkte für junge Zielgruppen ideal platziert sind«, wie es in den Mediadaten der Intro (2009) heißt. Diese umworbene Gruppe bestehe nämlich aus konsumstarken und markenaffinen, aber auch »kritischen« Konsumenten, die — wie die Intro selbst — als »Teil der Szene« gesehen werden möchten. Diese Funktionalisierung von richtigen Einstellungen zu falschen Zwecken ist natürlich schnell zu kritisieren, erst recht, wenn man die Zwänge nicht kennt, in denen Musikjournalismus entsteht. Insgesamt zeigt sich im Handeln der Intro ein prototypisches Bild des Musikmagazins innerhalb einer nicht mehr durch die Musikwirtschaft dominierten finanziellen Lage, die dem Musikjournalismus neue Allianzen und Verbindlichkeiten, aber auch ein gewisses Maß an Selbstbestimmung erlaubt. Dass diese ›Autonomie im Kleinen‹ gleichzeitig letztmöglicher Rest der musikjournalistischen Übermittlung von kritischer Haltung und Bereitung eines popkulturell legitimierten Ortes für das Bewerben von Produkten darstellt, wie es der Mainstream der Minderheiten favorisiert und die Werbung nun auch begriffen hat, ist weni-
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN ger als ein Manko der Intro zu sehen denn als ein Nachweis der ökonomischen Organisation popmusikalischer Medienkommunikation unserer Tage.
Normenkontext Ethik und Aufgabe des Musikjournalismus Wenngleich die Redakteure in ihrem beruflichen Alltag mit musikjournalistischen und redaktionellen Routineaufgaben beschäftigt sind, machen sie sich in den Interviews immer wieder Gedanken, welche — auch gesellschaftliche — Aufgabe Musikjournalismus einnehmen kann und soll oder wie »guter« Musikjournalismus auszusehen hat, welche berufsständische Ethik und welche Normen für das eigene Handeln gelten können und sollen. Die folgende Darstellung zeigt, dass sie guten Musikjournalismus auf einer handwerklichen Ebene identifizieren können, der in der Art und Weise der textlichen Behandlung von Musik erkennbar wird. Des Weiteren ist die Reflexionsfähigkeit des Redakteurs ein Indiz für guten Musikjournalismus, die sich an der bereits beschriebenen Fähigkeit zur professionellen Distanzierung sowie der argumentativen Darlegung von Wertungskriterien bemisst. Außerdem wird dargelegt, dass guter Musikjournalismus nur innerhalb von Strukturen entstehen kann, die finanzielle, zeitliche und personelle Ressourcen zum ausgiebigen Nachdenken über Musik bereithalten. Diese Wertmaßstäbe orientieren das Handeln der Redakteure in der Praxis. Inwiefern sie es determinieren oder bloß vage einen Möglichkeitsraum öffnen, der im Alltag kompromisshaft ausgehandelt wird, muss am Einzelfall überprüft werden. Wichtig ist, dass diese Grundsätze über alle Magazine hinweg existieren und sich als Ethik der Popmusikredakteure beschreiben lassen. Wenn er sich aussuchen dürfe, sagt einer der Spex-Redakteure (vgl. SP 2: 29), ob man über einen Musiker lieber den frühesten oder den qualitativ besten Text in der Spex lesen soll, würde er immer letztere Variante wählen. Was genau damit gemeint ist, wurde oben bereits eingehend erläutert: eine gute Arbeit ist eine, die frei von sprachlichen, technischen oder organisatorischen Fehlern ist und die klar und intelligent auch für Leser ohne Vorwissen erklärt, warum man eine bestimmte Musik hören sollte. Dieser empfehlende Musikjournalismus hat zwei Vermittlungsideale: einerseits das bei den Rolling Stone-Redakteuren exemplifizierte Bild des neutralen, argumentativ überzeugenden Kritikers, andererseits die in der Intro vorherrschende Haltung des Subjektivismus, der stilisiert und emotional Reaktionen auf Musik für die Leser übermittelt.
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4.2 ERGEBNISSE: NORMENKONTEXT Für die erste Variante ist es entscheidend, dass der professionelle Umgang mit Musik zu einem Text führen soll, der die Kriterien des musikalischen Werturteils benennt: »Das, was ich mache, soll ja auch nachprüfbar sein bis zu einem gewissen… ich weiß, dass das bei einer Sache wie Musik oder einer Kunstbetrachtung ja eigentlich nicht geht. Aber ich will, dass das, was ich mache, immer ein bisschen nach...vollziehbar ist von außen, dass ich meine Kriterien offenlege. Ich meine, wenn eines meiner Kriterien tatsächlich ist: ich liebe diesen Musiker — dann muss ich das auch reinschreiben. Und das gibt einen Artikel, den ich so nicht drucken würde. Ich würde eine Artikel nicht drucken wollen, wo jemand sagt (das gibt es ja manchmal): Übrigens mal als kleine Vorrede — ich liebe diese Band und deswegen würde ich, egal was sie machen, sowieso schreiben: das ist geil. Und jetzt rezensiere ich die neue Platte — sie ist übrigens geil« (RS 2: 26f.). Natürlich sind auch bzw. gerade die Redakteure des Rolling Stone Fans von Musikern, deshalb gilt die Maßgabe, dass ein guter Musikjournalist eine professionelle Distanz zum Objekt der eigenen Begeisterung einnehmen muss. Allerdings hat diese beruflich eingeübte Übernahme einer fremden Perspektive auch dort ein Ende, wo man den verehrten Musikern als Musikjournalist und Fan gegenübersteht: »Es gibt ja Künstler, selbst wenn man sich von denen entfernt oder wenn man versucht, einfach den Kopf zu schütteln und dann [neu] hinzuschauen, dann ist es immer noch super. So wie die Smiths oder Morrissey vielleicht« (ebd.: 27). Dennoch verlange die berufliche Ethik, dass man einen derartigen Auftrag annimmt. Auch wenn RS 2 den Prozess des Schreibens und die damit einhergehende Distanzierung nicht erklären kann, findet er folgende Umschreibung der musikjournalistischen Aufgabe und Ethik: »Es ist einfach ein Arbeiten am Gegenstand. Es ist ein Versuch, andere Worte zu finden für das, was man mit banalen Worten sagen kann. Musikjournalismus ist ja nicht ein Übersetzen von Musik in Worte, sondern Musikjournalismus ist ein Übersetzen von dem, was man landläufig über Musik sagt in etwas, was interessant ist, über die Musik zu sagen« (RS 2: 28). Musikjournalisten sollen das »Geplapper« (ebd.) des musikalischen Alltags in musikjournalistische Aussagen transferieren, die Erkenntnis schaffen und einen Unterscheid machen, die mit andern Wörtern sprechen und etwas mitteilen, was im Alltag nicht bzw. so nicht über Musik gesagt wird. Musikjournalismus hat demnach eine außeralltägliche Arbeit im Umgang mit Musik zu sein, die eine der Sache dienende Entfremdung vom Leben und der eigenen Person des Journalisten zwingend voraussetzt. Denn gegenwärtiger Musik-
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN journalismus — die Texte der Branchenblätter und PR-Magazine, die Waschzettel der Plattenfirmen, die Texte anderer Musikjournalisten in Musikzeitschriften — sei nicht mehr als ein »Rauschen, [...] wo einfach mit einem Floskelvokabular gearbeitet wird, wo das alleroffensichtlichste, was jeder Mensch sagen kann, wenn man ihm so eine Platte vorspielt, wo das irgendwie als so etwas wie eine Erkenntnis verkauft wird« (ebd.). Stattdessen lautet seine Auffassung eines qualitativ guten Musikjournalismus wie folgt: »Es geht ja darum, sich von dem zu lösen, was man als allererstes denkt, und trotzdem nicht das Gegenteil zu schreiben, sondern trotzdem etwas zu schreiben, was stimmt. Irgendetwas zu hören in dieser Musik, was über das rein Deskriptive hinausgeht, über die bekannten Wörter, über alles das, was einem die Musik viel mehr entfernt, weil es sie gleich macht. Weil ich über eine Madonna-Platte [eben nicht] mit genau den gleichen Worten, wie ›super‹, [das Gleiche] sagen kann wie über eine Platte von Elvis Presley oder eine Platte von Slayer. Es geht ja gerade darum, die Wörter zu finden, die jetzt nicht die Musik imitieren, sondern die irgendwie einen Weg finden zwischen reiner Beschreibung und Urteil, was diesem speziellen musikalischen Ereignis gerecht wird, was es auch einzigartig macht in seiner Einzigartigkeit. Das ist manchmal schwere Arbeit. Und das verbietet einem ja geradezu, so aus dem Herzen heraus, wie aus einem Liebesbeweis heraus [zu schreiben]. So wie man in einer Partnerschaft gerne Wörter oder Sätze benutzt, die der andere kennt, um Vertrautheit [herzustellen bzw. zu bewahren]… ich glaube, man muss Vertrautheit durchbrechen. Im Idealfall. Wenn man natürlich wenig Zeit hat…« (RS 2: 28f.). Bei der Intro stellt sich die Motivation, guten Musikjournalismus zu betreiben, als Effekt des Marktes dar: Da die Redakteure sehen, dass sich Musikjournalismus in Popmusikmagazinen sehr eng an die Veröffentlichungszyklen der Musikindustrie gebunden hat, ist die Wahl der Themen, derer sie sich annehmen könnten, begrenzt. Alle Musikmagazine müssten halt »so einen Kanon durchmäander[n]. [...] Im Endeffekt schlägst du die Hefte auf und viele Themen gleichen sich, irgendwie gibt es daraus auch so eine Verwechselbarkeit und auch eine Unattraktivität, wenn es überall gleich ist« (IN 1: 17). Deshalb gelte es umso mehr, eine stilistische Variabilität zu erzeugen und aufrecht zu erhalten, welche eine Differenz zu anderen Magazinen erkennbar werden lässt. Als Reaktion auf die wahrgenommene Gleichschaltung der Themen gilt bei Intro deshalb als Ethos guten Musikjournalismus, mehr über Musik zu berichten als nur die bloßen Daten der Albumveröffentlichung, »sei es eine politische Position, überhaupt irgendwas Greifbares, was eine Differenz erzeugt zu jeder x-beliebigen anderen Band, nicht nur musikalisch, sondern auch in den Wesen, die da Musik machen« (IN 2: 5).
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4.2 ERGEBNISSE: NORMENKONTEXT Dieser Auffassung könnte natürlich auch ein aufklärerisches Interesse der Redaktion zugrunde liegen, indem man versucht, die Verhältnisse von Popmusikproduktion und -distribution für den Leser anschaulich darzustellen. Musikjournalismus, wie er in der Spex verstanden wird, muss zeigen, dass Popmusik »relevant« ist, weil sie hier als »Kunstform« (SP 1: 4) gilt, die in einem Netz von Kontexten steht und entsteht. Deshalb soll Musikjournalismus etwa bei Interviews mit Musikern nicht nur über Musik reden, sondern beispielsweise auch über Politik. Diese Kontexte sind dann in der Berichterstattung zu benennen. Die politische Kontextualisierung von populärer Musik wird von allen als eine erwünschte Kommunikationsabsicht bejaht, jedoch warnt einer der Intro-Redakteure vor Selbstgerechtigkeit und mahnt zur Angemessenheit: nicht alle Themen eigneten sich, sie politisch zu instrumentalisieren. Etwa sei die Entlarvung patriarchalischer Zustände im Brit Rock in einem Artikel über eine Band richtig, aber nicht immer dürfe Sexismus eine Rolle in der Berichterstattung spielen, zudem darf die Kritik nicht »mit dem Holzhammer« geäußert werden (IN 2: 22). Solange also eine als notwendig erachtete Kritik im angemessenen Ton und adäquaten stilistischen Gewand geäußert wird, gilt sie als erstrebenswerter guter Musikjournalismus. Denn gleichzeitig stellt sie eine Differenz zu anderen Musikmagazinen dar, die natürlich — bedingt durch die Konkurrenzsituation und die Strukturen des Musikgeschäfts — ebenfalls über diese Band berichten: »Wenn man das Gefühl hat: okay, diese Band ist jetzt eine Art Kanon in der nächsten Zeit, da wird jeder darüber berichten — dann will man es natürlich anders machen. Vor allem, da man ja unter Umständen damit zu kämpfen haben wird, dass man ja die gleiche Interviewsituation vorfindet. Ich meine, es gibt den Extremfall, dass man sich mit dem vom Musikexpress oder so abklatscht, wenn man das Hotelzimmer betritt, ja. Da weiß man natürlich genau: ja, jetzt ist es gelaufen. Jetzt habe ich entweder die besseren Fragen oder ich kann hier irgendwie eine Situation erzeugen, wo ich den Gesprächspartner an einen Punkt bringe, wo er anders antwortet, über andere Sachen redet. Da ist es dann vielleicht auch interessant, wenn es gar nicht mehr um Musik geht primär« (IN 2: 5). Im Vergleich zum Rolling Stone, wo man eine außeralltägliche, quasi wissenschaftsähnlich an Erkenntnis interessierte Vorstellung von Musikjournalismus vertritt, zeigt die Intro weniger Interesse an Musik auf dieser Ebene (vgl. auch die Aussagen zur wahrgenommenen journalistischen Aufgabe in Kap. 4.2 Rollenkontext). Guter Musikjournalismus erscheint hier also zunächst geprägt durch eine Variabilität der Darstellung, die auf feldtypischen Marktbehauptungsüberlegungen beruht. Dementsprechend wird auch das
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN journalistische Gebot der Unbestechlichkeit interpretiert: Der gängigen Praxis der Plattenfirmen, den Musikjournalisten für Interviewtermine Reisen und Unterkunft zu bezahlen, stellen die Intro-Redakteure die Tatsache gegenüber, einen stilistisch eigenständigen Text zu erhalten, den die Konkurrenz nicht hat: »Wenn jemand [...] sagt: Hey, wenn ihr schon die Reise bezahlt bekommt, dann kannst du ja nicht mehr unbefangen über eine Band schreiben, wenn du einen tollen Abend in New York hast. Da kann ich nicht viel gegen sagen. Im Prinzip weiß man das und versucht dagegen zu wirken und weiß halt aber auch… okay, wenn es halt ein Scheißgespräch ist, dann schreibe ich: das ist ein Scheißgespräch. Aber wie das jetzt unterbewusst wirkt, bei wem auch immer? Klar, das kann man nie ganz ausschließen, denke ich mal. Insofern ist es leider traurig, andererseits wäre unsere journalistische Arbeit so auch nicht möglich. [...] Wenn man ein paar Stiche machen will, auch mal gegenüber den anderen Magazinen, und die Band in einem anderen Rahmen präsentiert haben will, dann nimmt man das schon mit, ehrlich gesagt« (IN 2: 12f.). Dieser embedded music journalism ist natürlich auch für die anderen Musikzeitschriften Teil ihres beruflichen Handelns. Sie wissen um die Möglichkeit, dass eine angenommene Einladung sie dem Vorwurf der Käuflichkeit aussetzt und interpretieren dies als Gefahr, wie die Verteidigungsbereitschaft in den Interviews zeigt: zum einen werde man ja nicht ständig eingeladen, zum andern gelte es ja auch, eine gute Zusammenarbeit mit der Plattenfirma zu pflegen, die wiederum dem Magazin die Möglichkeit einer Publikation gibt. Deshalb gilt das Akzeptieren von Einladungen solange als moralisch gerechtfertigt, wie die Umstände öffentlich, d.h. im Text reflektiert werden. Mitunter geschieht dies durch die Abbildung der Situation — was allerdings nicht zu oft geschehen dürfe, da es dann als schlechter Stil interpretiert wird — oder auf der sprachlichen Ebene (vgl. RS 1: 31). Diese als notwendig erachtete Reflexion der Zusammenhänge musikjournalistischer Produktion dient der Errichtung professioneller Distanz, die letztlich versucht, existente Abhängigkeiten für einen Moment angestrebter musikjournalistischer Autonomie hinter sich zu lassen. Pointiert zusammengefasst wird guter Musikjournalismus betrieben von einem reflexiv höchst begabten Musikjournalisten, der weiß, dass er den zu interviewenden Musiker nur vor sich sitzen hat, weil erstens andere Firmen ihm dafür Reise und Unterkunft bezahlen; weil zweitens sein Magazin den Musikjournalismus authentifizierenden Interviewtermin als Voraussetzung für eine Thematisierung im Heft ansieht, die selbst wiederum Bedingung potentieller wirtschaftlicher Anschlusshandlungen ist; weil er sich drittens einen Namen im musikjournalistischen Feld machen will; und viertens: weil er
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4.2 ERGEBNISSE: NORMENKONTEXT ein Fan seiner Musik ist — und der dann trotzdem dies alles vergessen soll für eine kritische, emotionale, stilisierte oder Erkenntnis stiftende Berichterstattung. Ein hehrer Anspruch, dem nachzukommen wohl täglich verfehlt wird. Eine Möglichkeit der Etablierung guten Musikjournalismus’ wird in der zeitlichen Dimension gesehen: Wer es schafft, sich dem systemimmanenten Druck nach Neuheit zu entziehen, gewinnt Zeit, die guter Musikjournalismus nun einmal benötige. Mit dem Umzug nach Berlin hat bspw. die Spex eine Erscheinungsweise gewählt, die dem Schreiben über Musik im Internet diametral gegenübersteht. Sie ist durch ihren zweimonatlichen Erscheinungsrhythmus an einen langen Produktionsvorlauf gebunden, was u.a. dazu führt, dass manche der rezensierten Alben bei Erscheinen der neuen Ausgabe bereits länger auf dem Markt sind. Die hier zu beobachtende zeitliche Entkoppelung von Anlass und Reflexion befreit vom Anspruch der Aktualität oder gar das erste Magazin sein zu müssen, das über ein Thema berichtet. Stattdessen investieren die Redakteure — ihren Darstellungen dieses entschleunigten Musikjournalismus zufolge — in Maßnahmen der Qualitätssicherung, die sie redaktionell durchführen: längere Diskussionen über Themen sind in der Redaktion oder mit Autoren möglich, Recherche und Schreiben haben mehr zeitlichen Raum, gründlichere Korrekturen werden durchgeführt. Die Redakteure erkennen in dem zweimonatigen Rhythmus des Erscheinens eine Befreiung auf struktureller wie ideeller Ebene: Wo Onlinemedien wie spiegel.de innerhalb von drei Stunden einen Text erstellen, redigieren und online veröffentlichen, biete die lange Dauer der Produktion die Möglichkeit, eine Presseschau zu veranstalten, Abstand und Nüchternheit herzustellen und Medienkritik zu üben.150 Eine Idee, die bei einem der Rolling Stone-Redakteure (vgl. RS 1: 32f.) als Utopie formuliert wird, basiert genau auf dieser zeitlichen Entkoppelung: Ein guter Musikjournalismus in Musikmagazinen müsste sich tatsächlich als reflexives Medium verstehen, d.h. nicht im Vorhinein über das Erscheinen einer Platte berichten, sondern stattdessen einige Monate nach der Veröffentlichung. Denn so könnte die Rezeption einer Platte auch in die Berichterstattung einbezogen werden, nicht nur auf medialer, sondern auch auf sozialer Ebene am Beispiel von Hörern, Konzertbesuchern usw. Dies böte auch die Chance, weitere Rezeptionskontexte einer Musik aufzuzeigen, die 150
Nachdem ein Musikvideo von der französischen Band Justice aufgrund der dort zu sehenden Gewalttaten in anderen Medien vorschnell verurteilt worden war, bot sich für die Spex in der nächsten, mehrere Wochen danach erscheinenden Ausgabe in ihrem Darstellungsmuster »Wichtige Musikvideos« die Möglichkeit, nicht nur das Video, sondern auch die mediale Rezeption zu besprechen (vgl. Defcon 2008).
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN durchaus abseits der von der Musikindustrie kommunizierten, mit Hall (1980) gesprochen: bevorzugten Lesart lägen und im gegenwärtigen Musikjournalismus kaum auffindbar seien — der belesene Redakteur verweist auf Michel de Certeaus Kunst des Handelns (Certeau 1988) als theoretischen Bezugspunkt und sieht allein in der Intro (wie auch bei Bolzen oder 11 Freunde, den Fußballmagazinen des Intro-Verlags) mitunter Ansätze der Integration der Rezipientenperspektive in den Musikjournalismus. Im Vergleich zum Internet und dem dort praktizierten Schreiben über Musik lässt sich — zusammenfassend — erkennen, worin die Ethik und Aufgabe des Musikjournalismus gesehen wird. Musikjournalisten haben nicht nur das zeitliche Privileg, dem Druck auf sofortige Veröffentlichung durch strukturelle Aspekte der Magazinproduktion widerstehen zu können, sondern sie verfügen zudem über Ressourcen, die dem Internet-Bloger (noch) fehlen: erstens den Zugang zur Musikindustrie und somit zum Musiker, zweitens die personalen und technischen Ressourcen einer Redaktion, welche Qualitätssicherung betreibt, sowie drittens die (zwar geringen) finanziellen Mittel einer etablierten Kommunikationsform über Popmusik in Printmagazinen. Diese Privilegien gehören folglich auch umgesetzt. »Wenn der Musikjournalismus zu einem richtigen Journalismus würde, der Parallelen zieht, wo andere Leute keine sehen, der das Geld in tolle aufwendige Reportagen investiert, der mit dem Wort ›Thema‹ nicht immer nur eine neue Band oder eine neue Platte verbindet, also wenn der Musikjournalismus das irgendwie schaffen würde. Der [Musikjournalismus] muss dann seine eigene Berechtigung als professionelles Journalismusfeld erarbeiten« (RS 2: 33). Dieser gute, zukünftig zu formende Musikjournalismus ist nur dann möglich, wenn er von professionellen, d.h. dafür ausgebildeten Journalisten erstellt wird; wenn er sich von den Angeboten im Internet unterscheidet in Form, Inhalt und Ethik; wenn er sich den Strukturen der Industrie entzieht, indem er Themen abseits von Produktionszyklen bearbeitet — was voraussetzt, dass er seine im Abklingen befindende Abhängigkeit von deren Geldern weiter überwindet.
4.3 Zusammenfassung am Beispiel der Hype-Konstruktionen in Popmusikmagazinen Am Ende soll die eingangs der Arbeit gestellte Frage zum Entstehen von medialen Bedeutungen am Beispiel von Maxïmo Park und Franz Ferdinand aufgegriffen und detailliert beantwortet werden. Wer sich mit einem Phäno-
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4.3 ZUSAMMENFASSUNG AM BEISPIEL DER HYPE-KONSTRUKTIONEN men wie medialen Hypes beschäftigt, muss natürlich erkennen, dass diese weder in Musikzeitschriften beginnen noch dort enden. Deshalb ist vorauszuschicken, dass nur eine holistische Perspektive, die sämtliche Prozesse aller beteiligten Instanzen in die Untersuchung einbezieht, retrospektiv Aufschluss über solche Bedeutungskonstitutionen geben kann: angefangen bei den Bands, die die musikalische Gestaltung dem Ziel höherer medialer Aufmerksamkeit unterwerfen (vgl. Doehring 2006: 124), über die Plattenfirmen und beteiligten Promoter, die diese Musik in kleiner gewordene Märkte zielgenau vermarkten wollen, bis schließlich zu den Vertrieben, Händlern und Hörern dieser Musik. Musikzeitschriften sind daher zunächst lediglich eine Station der Bedeutungszirkulation — die allerdings die mediale Repräsentation dieser Musik in den etablierten Strukturen der Musikpresse dar- und somit Öffentlichkeit herstellen. Daraus folgt für die Beschäftigung mit Musikzeitschriften erstens die Aufforderung, dass auf all diesen Ebenen bereits untersucht werden muss, welche Prozesse der Bedeutungszuweisung vor der medialen Bedeutungsproduktion ablaufen, d.h. welchen Diskursen die Redakteure resp. freien Musikjournalisten ausgesetzt sind, wenn sie recherchieren und mit den Institutionen der Musikindustrie in Kontakt treten. Zweitens gilt es zu beachten, dass die mediale Bedeutungsproduktion auf einem Feld konkurrierender Musikzeitschriften und Musikjournalisten abläuft, in dem sowohl die Medien als auch die Medienakteure miteinander um Macht und Kapital ringen. Jeder Medienakteur muss ständig die Reaktionen der anderen Teilnehmer voraussagen, einschätzen und beobachten, um dann entsprechend eigenes Handeln in die Wege zu leiten. Drittens ist das spezielle Medium, die Musikzeitschrift, als Ort der Bedeutungsproduktion zu betrachten. Ihre Besitzverhältnisse, Verlagsdirektiven, Heftlinie, Redaktionsorganisation und der von der jeweiligen Publikumsvorstellung ausgehende relationale Nachrichtenwert eines musikalischen Ereignisses geben Aufschluss über die Spielräume, in der schließlich die Medienakteure nach den oben beschriebenen Wahrnehmungen habituell handeln. Die Redakteure wissen um die vielfältigen Ebenen der Bedeutungskonstitution von Musik. Wie dargestellt, sind sie sich der tatsächlichen Wirkung ihrer Arbeit kaum bewusst, sodass es als Illusion bezeichnet wurde, dass Musikjournalisten überhaupt Hypes auslösen könnten. Derartige Selbsteinschätzungen von Musikjournalisten werden als Betriebsblindheit gesehen, als Überschätzung der eigenen Wichtigkeit und Wirkung (vgl. RS 2: 19). Wenn bereits den Redakteuren ihre Wirkung auf die Leser nicht klar ist, kann man dann sinnvollerweise von einem Hype sprechen, der sogar über das spezielle Medium hinaus wirkt? Lesen nicht eigentlich viel zu wenige
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN Menschen eine Musikzeitschrift, als dass ein übergreifender Hype ausgelöst werden könne?151 Musikzeitschriften stellen für diejenigen, die sich über Musik informieren wollen, Angebote dar, in denen eine gesellschaftlich relevante — weil es kaum andere institutionalisierte Meinungsäußerungsforen in gedruckter Form über populäre Musik gibt — Sicht auf populäre Musik übermittelt wird. Diejenigen also, die durch Kauf (im Falle der Intro: Mitnahme) der Musikzeitschrift ihr Interesse an populärer Musik dokumentieren, können als aktive Hörer und Teilnehmer am Diskurs über populäre Musik beschrieben werden. Es ist davon auszugehen, dass sie mit dem hier gesammelten Wissen, ihrem kulturellen Kapital, auf entsprechenden Märkten agieren, d.h. als sogenannte Opinion Leader auf anderen Feldern mit ihrem Wissen über populäre Musik informieren, beraten oder abraten. Festzuhalten ist, dass Musikzeitschriften für einen musikinteressierten Teil der Gesellschaft Inhalte präsentieren, die über die Leserschaft hinausgetragen werden. Die Redakteure sehen vielerlei Aktivitäten bei Bands, Plattenfirmen und Promotern, die aus dem Grund der Erregung medialer und weiterer öffentlicher Aufmerksamkeit bereits vor der Aufnahme ihrer musikjournalistischen Arbeit unternommen wurden. Die Musik von bspw. Maxïmo Park weist zwar Brüche formaler, harmonischer oder textlicher Art auf (vgl. Doehring 2006), von den Redakteuren wird sie jedoch mit einem »massiven« (IN 2: 6) Willen zur Eingängigkeit und als »catchy« beschrieben, d.h. ihr musikalisches Wissen wird durch Hooklines — hier sich bildlich als Widerhaken vorzustellen — oder visuelle Präsentation aktiviert, sodass sie »eingefangen« werden. Dem ersten Kontakt von Musikjournalist und Musik ist bereits auf Labelseite ein von medientechnischen Überlegungen geleiteter Produktionsprozess von Musik und Musikerimage vorausgegangen (vgl. Negus 1992), in den viel Geld investiert wurde. Handelt es sich nicht um einen Bandübernahmevertrag (die Band oder der Musiker produzieren eine Aufnahme auf eigene Kosten und unter eigener Kontrolle), bezahlt das Label die Aufnahme der Musik, wo sie im Produktionsprozess den Markterfordernissen in Klang wie Struktur angepasst wird. Auch die Musiker werden für die mediale Repräsentation präpariert: mindestens das obligatorische Pressefoto, hinter dem pro-
151
Zum Vergleich: Die der AWA 2009 entnommene durchschnittliche Reichweite der überregionalen Tageszeitungen (FAZ, SZ, Welt, FR, Financial Times, Handelsblatt) zeigt, dass in der Summe nicht einmal 0,96% aller Deutschen über 14 Jahre in Kontakt mit einer sogenannten Qualitätszeitung kommen — die trotzdem, wie etwa die Süddeutsche, als Leitmedien bezeichnet werden (vgl. Weischenberg/Malik/Scholl 2006: 134). Wenn also nicht einmal politische Themen — die uns ja alle angehen bzw. angehen sollten — ihre Leser finden, kann auch die durchschnittliche Reichweite des Rolling Stone mit 0,6% als relevant für Popmusik erkannt werden.
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4.3 ZUSAMMENFASSUNG AM BEISPIEL DER HYPE-KONSTRUKTIONEN fessionelle Fotografen, Modeberater und Visagisten ihre Arbeit verrichtet haben, ist Ausweis der Investition in das Produkt, das auf dem Markt veröffentlicht werden soll. Weitere Vorauszahlungen müssen geleistet werden, wenn nun die Band und die noch nicht veröffentlichte Musik den Musikjournalisten begegnen sollen. Reisekosten, Unterkunft wie Spesen müssen für die Musiker oder Journalisten beglichen werden; mitunter spielen die Musiker auf diesen Promo-Touren, wie es im Jargon heißt, einige Konzerte, um einerseits den Journalisten ihre Qualitäten vor Augen und Ohren zu führen, andererseits die Promotionkosten im Rahmen zu halten. Die anschließenden Zahlungen für das Schalten von Anzeigen, das Pressen der Alben, die Bemusterung der Journalisten, das Drucken von Plakaten usw. sind ebenfalls Teil des Produktionsprozesses. Insofern ist den Journalisten bewusst, dass eine Plattenfirma bereits Geld in eine Band investiert hat, wenn sie ihr oder ihrer Musik zum ersten Mal begegnen. Ihnen ist ebenfalls klar, dass dieses Label mit der speziellen Erwartung an sie herantritt, diese Investitionen durch ihre Zusammenarbeit mindestens zu egalisieren, idealerweise daraus Gewinne erwirtschaften zu wollen. Deshalb ist das vorgestellte Produkt auch bestmöglich den Marktbedingungen angepasst, was wiederum beim Journalisten, der in der Routine des Hypes mit vielen derartigen Avancen bzw. Geschäftsbeziehungen zu tun hat, zu Ermüdungserscheinungen führt: »Und die Bands sollen dann natürlich auch funktionieren, deshalb sehen sie auch schon so aus, wie sie glauben, dass sie dann durchkommen durch den Strom. Das ist immer schwierig, weil da steckt, bevor eine Platte durchstartet, schon immer sehr viel Engagement und Geld dahinter, um die so weit zu bringen. Und wenn du dann sagst: oooch, langweilt mich — das ist schon schwierig, denn da ist dann der Interessenskonflikt sehr groß« (IN 1: 6). Die Redakteure verfügen demnach zum Zeitpunkt der ersten Ansprache — die im Beispiel von Maxïmo Park weit vor der Veröffentlichung des Albums persönlich und vor Ort, d.h. in den Räumen der Redaktion stattfand (vgl. IN 2: 5) — über eine Einschätzung der Erwartungen, die von Band und Plattenfirma an sie herangetragen werden. Warum handeln sie in manchen Fällen so, wie es bei Maxïmo Park der Fall war, in anderen aber nicht? Die Redakteure haben erstens innerhalb der ihnen eigenen Rechercheund Informationskanäle bereits ein »Summen« mitbekommen, wie es einer der Redakteure nennt. Indizien für einen möglichen Hype sind vorgängige Aktivitäten der am Vermittlungsprozess beteiligten Institutionen wie Plattenfirma, Promoter oder andere Medienvertreter. Alle Redakteure geben an, ähnliche Medien in den USA und Großbritannien zur Recherche zu nut-
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN zen, die aufgrund der in Deutschland meist später erfolgenden Veröffentlichungen eine erste Orientierung erlauben. Zu diesem medialen Summen kommen ein Anschwellen der brancheninternen Kommunikation sowie eine Verknappung zeitlicher und personaler Ressourcen hinzu. »Das merkt man auch dadurch, dass Promoter [anrufen], die ja so was auch schon aus England mitbekommen haben: da gibt es ein Thema, das ist in Deutschland völlig unbekannt, in England sind alle ganz wild, weil die ersten Singles schon einen Riesenaufruhr erzeugt haben; und das bekommt man dann ja auch mit. So wie die Sängerin Duffy neulich, die war zum Beispiel in Deutschland [noch völlig unbekannt], da hat man schon, als man … oder Kate Nash, auch ein Thema, was in Deutschland am Anfang einfach völlig unbekannt war, da kam irgendwie so eine Platte. Aber man merkt dann ja auch, wenn die Promoter anrufen und sagen: wir haben ganz wenig Zeit, du kannst nur zwanzig Minuten Interview machen; oder es wird noch mal abgesagt und verschoben; auch durch das Tohuwabohu, das Promoter um ein gewisses Thema machen — daran merkt man einfach, dass da was dran ist« (RS 2: 21). Die Verknappung der für den Musikjournalisten wichtigen Ressource, nämlich die Möglichkeit, im Interview O-Töne und eigene Bilder zu erhalten, soll Begehrlichkeit symbolisieren und wecken. Hier kommt die Ebene des Medienmarktes ins Spiel, die für die Wahrnehmung und Einschätzung der Situation durch die Redakteure eine wichtige Rolle spielt. Wenn Magazin A nur zehn Minuten Zeit für ein Interview erhält, bedeutet das im journalistischen Feld, dass Magazine B bis Z ebenfalls Interesse an diesen Musikern haben. Zusätzlich sollte man nicht den Effekt der musikjournalistischen Binnenkommunikation auf die Wahrnehmung der Musikredakteure unterschätzen: Die Journalisten der verschiedenen Magazine kennen einander und begegnen sich bei Branchenterminen, wie etwa der Popkomm (vgl. IN 1: 10), bei Interviewterminen oder bspw. im Flur des mehrere Musikzeitschriften herausgebenden Verlags. Der bei diesen Gelegenheiten gepflegte informelle Austausch über berufliche Aspekte dient dem Abgleich mit der Konkurrenz. »Was gibt es Neues?«, »Wie läuft es so?« oder »Hast Du gehört, dass...« sind Fragen, die den Status Quo und das journalismuseigene Wahrnehmungssystem prüfen sowie die eigene Position aktualisieren und repräsentieren sollen. Es ist davon auszugehen, dass angesichts eines Vorlaufs wie bei Maxïmo Park genügend Gelegenheiten gegeben waren, sich über die »neue Band von Warp« auszutauschen. Drittens spielen die jeweiligen Magazine eine Rolle bei der Einschätzung des relationalen Nachrichtenwerts einer Band. Die am wenigsten intensive Berichterstattung über Maxïmo Park fand im Rolling Stone statt, weil die Band von der Redaktion als nicht passend für das Magazin eingestuft wurde
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4.3 ZUSAMMENFASSUNG AM BEISPIEL DER HYPE-KONSTRUKTIONEN (vgl. RS 1: 17). Denn die hier vorherrschenden Publikumsvorstellungen — der publizierte Heftinhalt muss für den Leser den »test of time« überstanden haben — sowie die imaginierte Heftlinie des »Nach-dem-Beständigen-Suchen« erlaubten ihnen nicht, über Maxïmo Park umfassender zu berichten, was in der dann stattgefundenen Form als Folge der redaktionellen Einschätzung des Handelns der Konkurrenzblätter auf dem Medienmarkt zu werten ist. Zudem dürfte aufgrund der beim Schwesterblatt Musikexpress erheblich umfangreicheren Berichterstattung über Maxïmo Park beim Aufeinandertreffen von Redakteuren der Magazine im beide Redaktionen trennenden Flur oder auch von Seiten des Verlags signalisiert worden sein, dass nicht beide Magazine von Springer einem Thema dieselbe Aufmerksamkeit widmen sollten. Das leuchtet zunächst ein, es stellt sich jedoch dann die Frage: Warum hat der Rolling Stone dann über Franz Ferdinand so viel mehr berichtet? Hier greifen alle Ebenen ineinander. Zunächst war durch die Recherche der Redakteure in englischen Zeitschriften »klar« (RS 1: 17), dass diese Band auch in Deutschland wichtig werden würde. Zudem war der relationale Nachrichtenwert von Franz Ferdinand für den Rolling Stone insofern höher, als sich Franz Ferdinand in ihrem visuellen Image wie auch musikalisch — ob gezielt hergestellt oder nicht, sei hier, an der redaktionellen Schwelle der Wahrnehmung, kurz beiseite gelassen — in eine musikgeschichtliche Perspektive eingliedern ließen. Und hier kommt schließlich der Redakteur als Medienakteur ins Spiel: Seine Beobachtung, dass Franz Ferdinand eine Ähnlichkeit zu Bands wie Orange Juice oder andere Bands des Postcard-Labels besitzen (vgl. ebd.), veranlasste ihn, diese Band aus mehrerlei Gründen für eine Berichterstattung im Rolling Stone in Betracht zu ziehen und in der Redaktionskonferenz einzufordern: Zum einen wird in einem Magazin, in dem das Interesse an Popmusikgeschichte zur imaginierten Heftlinie wird, Franz Ferdinand in eine Tradition eingereiht, die es dem Redakteur erlaubt, den Lesern die »Qualität« der Band historisch zu begründen. Zweitens weist dieser Vergleich den Redakteur wie auch das Magazin, für das er schreibt, als Kenner populärer Musik aus: Das schottische Label Postcard veröffentlichte von Mitte 1980 bis Ende des folgenden Jahres nur zwölf Singles und eine Langspielplatte; zu den Bands gehörten neben den genannten Orange Juice The Go Betweens, Josef K und Aztec Camera, also Namen, die sich im Rolling Stone immer wieder finden lassen. Drittens profitierte er persönlich enorm durch die »Entdeckung« Franz Ferdinands: Redakteure auf dem journalistischen Feld können durch solche Scoops sowohl ihr kulturelles wie auch ökonomisches Kapital erheblich aufwerten. Durch freie Arbeit für andere Medien hat sich der Rolling Stone-Redakteur bei dieser Platte »dumm
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN und dämlich verdient« (RS 1: 16). Der Vergleich zum Goldgräber drängt sich auf: Nicht nur weiß ein guter Musikredakteur um den Wert von Gold bzw. »guter« Musik und kann ihn beziffern resp. musikgeschichtlich einordnen, er findet auch neue Plains oder Bands, um seinen Ruf als gute Spürnase zu festigen und in Bares umzusetzen. Im Falle der Rolling Stone-Berichterstattung über Franz Ferdinand kam viertens der Umstand hinzu, dass die Band in Nick McCarthy ein in Oberbayern aufgewachsenes Mitglied besaß, der zudem in München studiert hatte, sodass der Redakteur die Band lange vor der Veröffentlichung ihres Albums — sozusagen vor der Haustür der Redaktion — in München als Vorgruppe entdecken und bereits die Redaktionskonferenz einstimmen konnte, bevor die ersten Berichte in Großbritannien erschienen. Bei Maxïmo Park liefen viele Dinge ähnlich ab, wobei hier der Wille von Seiten der Band und Plattenfirma zur Zusammenarbeit mit den Musikzeitschriften wesentlich stärker herausgestellt werden kann: Maxïmo Park waren den aufmerksamen journalistischen Beobachtern der relevanten Medien vor der eigenen journalistischen Handlung ein Begriff, weil ihre von Gitarren dominierte Musik von Warp, einem Label für elektronische Musik, vertraglich gebunden wurde und dies zu einem in der Branche kursierenden Betrag, der als sehr hoch eingeschätzt wurde. Wie auch bei Franz Ferdinand veröffentlichte das Label zunächst über einen längeren Zeitraum mehrere Singles, bevor das Album erschien. Das musikalische, strukturelle und ökonomische Wissen der Redakteure signalisierte ihnen, dass hier etwas Wichtiges passiert: Wieso unterschreibt eine Rockband bei so einem Label, wo sie mit ihrer Musik — ein »paar gute Hits« (IN 2: 8) — auch zu einem Majorlabel gehen könnte? Und wieso zahlt Warp so viel Geld dafür? Die Interpretation der Redakteure läuft darauf hinaus, dass Maxïmo Park und ihre Musik bei Warp als »Indie«-Band mit Wurzeln im Post-Punk und New Wave eingeschätzt und beschrieben werden, deren Musik so »gut« bzw. verkäuflich ist, dass diese Investitionen wieder zurückfließen werden. Dies führt dann in einem Magazin wie der Intro zu der wertenden Einschätzung, dass Maxïmo Park »ein tolles Thema ist [..], weil es da ja auch inhaltlich nichts ist, wo man sagt: na ja, Gott, da hätten es mal lieber andere geschafft. Sondern da hat es ganz gut gepasst« (IN 1: 7). Diese Übereinstimmung in der Beurteilung der Musik — die nicht zuletzt auf dem ähnlichen Alter und ähnlichen musikalischen Vorlieben und Ausbildungswegen der hier Beschäftigten beruhen — erlaubte nun der Intro-Redaktion, sich mit dem Label zusammen in der sogenannten Aufbauarbeit zu engagieren: »Die [Maxïmo Park] wurden hier [im Konferenzraum der Intro-Redaktion] damals… hier saßen die von Maxïmo Park ein halbes Jahr oder Jahr — weiß ich nicht — vor der Veröffentlichung und wurden dann vorgestellt. Da wur-
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4.3 ZUSAMMENFASSUNG AM BEISPIEL DER HYPE-KONSTRUKTIONEN den die Leute [Musikjournalisten] eingeflogen [nach England zum Konzert] und es wurde den Leuten eben auch klargemacht, dass [die Band] es eben schaffen kann. Und es hatte natürlich auch den ästhetischen Anspruch. Weißt Du, das wirkt dann eventuell von außen so, als würde das tatsächlich aus dem Nichts kommen und würde nur aus sich selbst zehren, aber gerade [...] gerade bei Maxïmo Park wurde das richtig aufgebaut. Das, was man nach draußen so auf den Punkt hin erlebt hat, das war sehr harte Arbeit« (IN 1: 5f.). »Bei [...] Maxïmo Park war es tatsächlich so, dass die das sehr weit im Voraus geplant haben und einem die Möglichkeit gegeben haben: Guckt euch das doch mal an, gefällt euch das? Durch die positiven Reaktionen haben die das dann auch weiter so treiben können bis zum Release. Normalerweise kriegen wir die Sachen jetzt auch nur vielleicht sechs Wochen vor Veröffentlichung, sodass man die Möglichkeit hat, Berichterstattung in dem Monat zum VÖ zu leisten, wenn es einem gefällt« (IN 1: 8). Diesen Zitaten ist nicht nur das planvolle Vorgehen der musikindustriellen Veröffentlichungspolitik zu entnehmen, sondern auch der professionelle Stolz des Redakteurs auf die geleistete Arbeit der journalistischen Dienstleistung, die aber als relativ selbstbestimmt dargestellt wird. Bei Maxïmo Park habe man »richtig schön aufschütten können« (ebd.: 6), hier konnte man seine eigene Kompetenz nutzen und »powert gerne mit rein« (ebd.: 7), sodass man rückblickend erkennt, man hat es »groß gemacht in der Wahrnehmung der Leser« (ebd.). Wie beim Beispiel Franz Ferdinand im Rolling Stone waren also auch hier Experten für populäre Musik und Popmusikjournalismus am Werke, die ein Musikverständnis besaßen, das ihnen half, diese Musik als wertvoll, eingängig, traditionsreich und neu einzuordnen; die unter professionellem Blickwinkel den Nachrichtenwert der Musik und der Band für das Magazin und sein Lesepublikum erkannten; die innerhalb von großzügigen zeitlichen und solventen Strukturen arbeiten konnten (Kontaktaufnahme, Bemusterung, Informationsaustausch, Feedback, Terminierung von Treffen, Absprachen von Möglichkeiten der Zusammenarbeit, Einladung nach London) und die dies schließlich innerhalb der Redaktion durch- und für die Leserschaft umsetzten. Das Wissen der Redakteure um die Beschaffenheit des Feldes (Wie wird die Konkurrenz handeln?) und die flexiblen gegenseitigen Abhängigkeiten erlaubten ihnen über das persönliche Gefallen hinaus, sich zu engagieren: Tun sie es nicht wegen der Musik, tun sie es für das Magazin — und für sich. Denn sowohl das Magazin wie auch die Redakteure bzw. Autoren profitieren von einem gelingenden Hype: Sie sind diejenigen, die es mit ihrem professionell erworbenen Wissen sowie ihrem kulturellen und sozialen Kapital ge-
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN schafft haben, als gut befundene Musik in ihrem Artikel resp. in ihrem Magazin zu präsentieren: »Und da ist es natürlich auch ein Privileg, wenn man halt quasi mit dem assoziiert wird« (ebd.). Es findet alles in allem eine NeuPositionierung von Medienakteur (Redakteur/Autor) und Institution (das Magazin) auf dem Feld des Popmusikjournalismus anhand der jeweiligen Kapitalausstattung statt. So ernüchternd dies für die Musikwissenschaft klingen mag: Musik spielt in diesem Prozess keine Rolle, zumindest keine Hauptrolle: »Wenn es halt wirklich immer nur die Platte wäre, die dann entscheidet, ob es geil wird, dann wäre es natürlich ein schönes Roulette. Aber dadurch, dass das eben im Vorfeld schon alles auch geplant werden kann, ein bisschen [jedenfalls]« (ebd.: 6). Freilich ist die klangliche Struktur nicht unwichtig, fungiert sie doch als Generator ihr zugeschriebener, keineswegs zufälliger Bedeutungen, die dann im Diskurs als Musikbegriff ihre Wirkungen entfalten (vgl. vertiefend Wicke 2004a, b). Die klangliche Ebene ist jedoch nur einer neben vielen anderen Faktoren medialer Musikkommunikation, deren wichtigste im Zusammentreffen personaler und struktureller Kapazitäten im Rahmen des Musikmagazins liegen und die auf den dargestellten Ebenen analysiert werden können. Ex negativo illustriert als letztes Beispiel eine in diesem Fall misslungene Einschätzung eines Rolling Stone-Redakteurs der kanadischen Band Destroyer das (Nicht-)Funktionieren von Hypes: »Diese CD, das war im Sommer vor vier Jahren, die hat mich schon von den ersten Tönen an so umgehauen, dass ich mir ganz sicher war: das ist eine Platte, die wird… das wird allen anderen Redakteuren in andern Zeitschriften auch so gehen, die werden sagen: das ist der neue Morrissey, oder so was. Und ich habe da riesig [Zeit und Arbeit investiert], ich habe gleich ein Interview mit denen gemacht am Telefon, habe viereinhalb Sterne vergeben, ich habe gedacht: das wird das Ding. Und wir waren die Einzigen — die anderen haben die Platte nicht mal besprochen. Im Musikexpress kam sie nicht vor, in der Spex auch nicht, nirgends. Und das ging auch mit den folgenden Platten dieses Sängers so, dass sich aus irgendwelchen Gründen niemand für den interessiert hat. Da hätte ich zum Beispiel wirklich getippt: das wird so ein Thema, wo die Leute sagen, das ist so der neue Indie-Superstar. Der hat es bis heute nicht geschafft; als der im Dezember nach München auf Tour kam, waren fünfzehn Leute da. Das ist mir unerklärlich, da hätte ich einfach von meinem persönlichen Empfinden, von meiner Berufserfahrung, in Anführungszeichen, gesagt: Das wird ein Riesending. Und das hat mir natürlich auch selber gut gefallen. Aber da hat es nicht geklappt, weil es eben keinen Hype gab« (RS 2: 22f.).
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4.3 ZUSAMMENFASSUNG AM BEISPIEL DER HYPE-KONSTRUKTIONEN Was lief hier schief? Zunächst spielt der relationale Nachrichtenwert eine Rolle. Destroyer waren als Band eingeschätzt worden, die für den Rolling Stone ein Thema sein könnten. Andernfalls hätte der Redakteur die CD vielleicht noch nicht einmal zu Ende gehört. Des Weiteren hat er die angeblich objektiv erkennbaren musikalischen Eigenschaften der Band überschätzt, weil sein persönliches Musikverständnis zwar vollständig kongruent mit der Musik von Destroyer war, jedoch nicht mit der Einschätzung der anderen Magazinen übereinstimmte. Der als Richtschnur seines Urteils genannte Morrissey ist ein nicht nur, aber vor allem vom deutschen Rolling Stone propagierter Musiker, da hier viele Redakteure und Autoren tätig sind, die ihn für einen der größten Musiker aller Zeiten halten — was einmal mehr die soziale Bedingtheit des musikalischen Urteils belegt. Ein bisher noch nicht benannter weiterer Punkt ist, dass der Redakteur zum Zeitpunkt dieser Kritik erst über drei Jahre Berufserfahrung verfügte, was offenbar zu wenig ist für eine Einschätzung der Reaktionen des Feldes. Denn es blieb das »Summen« aus und es gab keine Verknappung, die Band war zumindest am Telefon erreichbar. Und schließlich fehlte die intermediäre Reaktion auf diese Band. Hypes entstehen nie in einem Magazin. Wenn die Konkurrenz nicht ebenfalls darüber berichtet, fehlt das wesentliche Element des Hypes, nämlich die mediale Übertreibung in Form und Ausmaß der Berichterstattung. 152 Zum Schluss muss noch einmal auf die oben vorangestellte Prämisse des Holismus verwiesen werden: Wie die medial übermittelte Kommunikation letztlich ausgeht, ob also eine Platte bzw. eine Band finanziellen Erfolg hat, ist im Rezeptionsprozess begründet. Und da wir spätestens mit den Cultural Studies eine unidirektionale Kommunikationsvorstellung zu den Akten gelegt haben, wissen wir, dass der Dekodierungsprozess medialer Texte auf unterschiedlichste Weisen verlaufen kann — was die Medienwirkungsforschung immer wieder vor das Problem der Generalisierung ihrer Ergebnisse stellt. Auf der hier dargestellten Ebene der Musikmagazine und Musikredakteure wird deshalb bestenfalls die Möglichkeit der rezeptiven Anschlusshandlung geboten. Wesentlich bleibt daher, dass bei der musikindustriellen Produktion populärer Musik der strategische Versuch der Beeinflussung unternommen wird, indem an einem Knotenpunkt der medialen Kommunikation persönlicher und professioneller Habitus der Musikredakteure wie auch im Feld ausgebildete Strukturen an der diskursiven Setzung von Bedeutungen dieser Musik beteiligt sind, die nicht ohne Wirkung bleiben. Das häufige Misslingen von Versuchen der Erregung öffentlicher Aufmerksamkeit ist zwar der Nach152
Zur Erinnerung: Hype leitet sich vom englischen Wort hyperbole ab, was wörtlich mit »Übertreibung« zu übersetzen ist.
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4. DIE WIRKLICHKEIT DER MUSIKKOMMUNIKATOREN weis, dass die standardisierte Kommunikation weitestgehend standardisierter Produkte (noch) nicht gelingen will, da immer wieder sowohl auf der Rezipientenseite wie auch auf der der Musikkommunikatoren Menschen mit der Kunst des Eigensinns (Winter 2001) andere Perspektiven zu den Dingen entwickeln. Indes zeigt der stete Versuch der Musikindustrie, in jeder Ausgabe der Musikzeitschriften die neueste Band durchs mediale Dorf zu treiben, dass es dennoch relativ häufig bzw. für die Beteiligten oft genug zu funktionieren scheint. Dies ruft dazu auf, diese Vorgänge wissenschaftlich ernstund wahrzunehmen.
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5. D I S K U S S I O N
UND
AUSBLICK
»Das publizierte Wort ist also nicht das letzte, sondern markiert nur eine Pause im nie endenden Prozeß der Theoriegenerierung« (Glaser/Strauss 1998: 50). Am Ende dieser Arbeit soll in einer kurzen Rekapitulation und einem Ausblick auf diverse Felder einer weiterführenden Beschäftigung mit Musikmagazinen und Musikjournalisten im Feld des Popmusikjournalismus noch einmal das eminent musiksoziologische Interesse bekräftigt werden. Im Anschluss werden Überlegungen bezüglich des mit der gewählten Methodik einhergehenden Zeitbezugs dieser Arbeit dargelegt. Denn wissenschaftlich nahe an der Gegenwart zu arbeiten bedeutet einerseits, Aufschluss über zeitgenössische Phänomene zu erhalten und möglicherweise zu deren Veränderung beizutragen. Andererseits erweist sich die Aktualität des Gegenstands als ein Faktor, der vielleicht umso schneller zu seinem Vergessen beiträgt, insbesondere wenn es wie bei den Printmusikzeitschriften das Medium selber ist, das zu veralten droht. Auf beides wird im Folgenden eingegangen werden, wenn im zweiten Abschnitt dieses Kapitels ein Blick in die Zukunft gewagt werden soll, der die oftmals gehörte Unterstellung untersucht, dass mit dem Internet das Ende der Musikzeitschrift eingeläutet sei. Abschließend werden die Ergebnisse der Interviews in einer Zeitdiagnose bewertet, da sich anhand der Musikmagazine und der hier praktizierten Form und Auffassung der Arbeit Erkenntnisse über allgemeine Ideologien der Arbeit innerhalb des kulturellen Sektors der kapitalistischen Gesellschaft belegen lassen.
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5. DISKUSSION UND AUSBLICK
5.1 Musiksoziologie und Popmusikmagazine Für eine sich kulturwissenschaftlich verstehende Musiksoziologie ergibt sich aus dem Begriff des musikalischen Handelns im Sinne Kurt Blaukopfs (1984) die Aufforderung, auch diejenigen Bereiche in die musiksoziologische Analyse einzubeziehen, die nur mittelbar mit der Musik selbst zu tun haben — aber dafür umso mehr mit der Art und Weise, wie Menschen mit Musik umgehen und sie in ihrem Handeln als kulturellen Gegenstand erzeugen. Aus den Aussagen der Redakteure ist ersichtlich geworden, dass Musik keine immanente Bedeutung hat, obwohl bzw. gerade weil die Redakteure sich sicher sind, innewohnende Qualitäten aufgrund ihrer Expertise gekonnt beurteilen zu können. Denn Bedeutungen der Musik werden Monat für Monat in Musikzeitschriften nach der Logik, d.h. den Regeln und Zwängen des Feldes hergestellt — und dies von Musikredakteuren, die diese Logik kennen, sie beherrschen und von ihr beherrscht werden, gleichwohl sie mitunter nach eigenen Regeln zu spielen versuchen. Diese Redakteure verfügen über einen ähnlichen Berufshabitus als Ergebnis der Strukturen des Feldes, denn sie arbeiten unter ähnlichen ökonomischen Bedingungen, sie arbeiten in ähnlichen Organisationsstrukturen, sie stehen alle inmitten desselben Netzes aus gegenseitigen Abhängigkeiten innerhalb einer veränderten und sich weiter differenzierenden Musikindustrie. Außerdem gleichen sie sich in mehreren sozialen Parametern, wie dem Alter, dem Geschlecht und dem Bildungsgrad. Das heißt, sie konstruieren Wirklichkeiten aus ein und derselben Perspektive, die zudem mit dem Anspruch auftritt und auch wahrgenommen wird, ›Realität‹ abzubilden und sie festzuschreiben. Die »Platte des Monats« — wie gezeigt eine höchst rationale und unter organisatorischen Sachzwängen weit im Vorhinein vorgenommene Deutung eines relativen Nachrichtenwertes — wird dementsprechend als die vom jeweiligen Magazin etikettierte »beste« Musik eines Monats wahrgenommen. Das zeigen etwa die Reaktionen in den Foren der Magazine oder die vielen Sticker mit ebendiesem Prädikat auf den neu erscheinenden CDs. Die »Platte des Monats« ist ein erzeugter diskursiver Begriff, der sowohl kulturelles wie ökonomisches Kapital verspricht. Mit dem Herausheben eines Albums aus der Masse der Veröffentlichungen innerhalb des Magazins wird die Bedeutung dieser Musik alleine anhand eines journalistischen Darstellungsmusters produziert. In einer musiksoziologischen Interpretation sehen wir ganz klar, dass popmusikalische Medien mithilfe bestimmter journalistischer Routinen, Darstellungsmuster, Strukturen und dem Wirken von Medienakteuren — die zum Beispiel für die
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5.1 MUSIKSOZIOLOGIE UND POPMUSIKMAGAZINE Durchsetzung einer bestimmten Musik gekämpft haben — eine Deutungshoheit über Musik einnehmen. Diese spezifisch produzierten Interpretationen einer institutionalisierten Deutungsmaschinerie müssen nicht, folgt man den vorgestellten Kommunikationsmodellen der Cultural Studies, zu einer automatischen Übernahme bei den Lesern führen. Sie können natürlich verhandelt oder auch abgelehnt werden — dass sie aber bisweilen übernommen werden, sich fortschreiben und verfestigen zeigt sich bspw. in der Kanonisierung und Historisierung populärer Musik, wo in Ranglisten der »besten Alben aller Zeiten« oder anderen medieninduzierten Formaten diese Prozesse sichtbar stattgefunden haben (vgl. Appen/Doehring 2006; Appen/Doehring/ Rösing 2008). Einen weiteren Beleg für den sozialen Einfluss auf Werturteile von Musik bietet die empirische Untersuchung von Salganik, Sheridan Dodds und Watts (2006).153 Ihre Ergebnisse zeigen, dass existierende Ranglisten die Auswahl von Musik signifikant beeinflussen. Die individuelle Auswahl von Musik ohne Kenntnis der Ranglisten produziert demnach unvorhersehbare Ergebnisse der Abstufung, während die Präsentation existierender Wertungen von Musik 153
Für das hiesige musiksoziologische Interesse muss auf den nicht unerheblichen Aspekt hingewiesen werden, was in dieser Studie »sozialer Einfluss« genau bedeutet. Das experimentelle Szenario stellte einen kulturellen Markt von 48 unbekannten Bands mit je einem Song auf einer Website vor, die zu bewerten und ggf. herunterzuladen waren. Gut 14.000 Personen nahmen an dieser Studie teil. Ihnen wurden in einer »independent condition« die Bands ohne die Nennung von bisherigen Downloadzahlen präsentiert, die »social influence condition« gab die Zahlen bekannt. Zusätzlich wurden im zweiten Setting die Teilnehmer nach Zufallsauswahl acht »Welten« zugeteilt, in denen jeweils eine eigenständige Entwicklung beobachtet wurde (d.h. in jeder dieser Welten wurden dieselben Songs unterschiedlich bewertet). Die Studie wurde in zwei Experimenten nacheinander erhoben: in einer ersten Phase wurden die Songs zufällig angeordnet in einem Rechteck mit 48 (16 mal 3) Feldern präsentiert, in der zweiten in einer Rangliste — für die Einfluss-Situation nach Downloads geordnet, für die unabhängige Situation zufällig positioniert und natürlich ohne Nennung der Zahlen. Weder ist ein Kontakt der User untereinander möglich gewesen noch war irgendeine Information über die anderen Personen, welche die Downloadzahlen (als Indikator der Beliebtheit in der Studie verwendet) generierten, vorhanden. Der Weber’sche Bedeutungszusammenhang des Sozialen als wechselseitig orientiertes Handeln von Menschen trifft insofern nur begrenzt zu: zwar sind die Menschen mit einem gemeinsamen Interesse (Musik) an einem gemeinsamen Ort (Website) versammelt, sie treten aber nicht in direkte Interaktion miteinander, sondern handeln aufgrund von Indikatoren des Auswahlhandelns anderer. Es liegt also die typische medienvermittelte Asymmetrie sozialer Beziehungen vor, in der viele Menschen einen — wie auch immer — gegebenen Rahmen oder Ort benutzen, um in Genossenschaft (socius als Gefährte) mutmaßlich, gleichwohl absenter Gleichgesinnter (socius als ideell Verbündeter) teilzuhaben am öffentlichen Verbreiten von Informationen, Meinungen und Bedeutungen.
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5. DISKUSSION UND AUSBLICK in Form der Ranglisten die jeweilig gegebene Ordnung verstärkten — und dies relativ unabhängig von der zu beurteilenden Musik. Zwar erkennen die Autoren einen positiven Zusammenhang zwischen der »Qualität« eines Songs und seinem Erfolg in dem Sinn, dass die »besten« nie ganz schlecht bewertet werden und umgekehrt — »but almost any other result is possible« (ebd.: 855). Die uneinheitliche Beurteilung der Songs sei zudem nicht abhängig von »preexisting preferences among market participants, but from the strength of social influence« (ebd.). Die Autoren räumen ein, dass ihr experimentell geschaffener cultural market ein künstlicher sei, aber sie vermuten, dass die soziale Einflussnahme »in the real world — where marketing, product placement, critical acclaim, and media attention all play important roles« (ebd.) — weitaus stärker sei. Aus dieser Studie ergibt sich erstens, dass sozialer Einfluss in Form der Kenntnis existierender Werturteile anderer Personen das individuelle Wertungsverhalten lenkt. Dieses Ergebnis schreibt also den Redakteuren zunächst eine ungeheure Macht und somit Verantwortung zu — die sie aber selber kaum wahrnehmen, wie die Aussagen belegen. Dies wurde zum einen damit erklärt, dass sie über keine institutionalisierte Beobachtung bzw. Feedbackkanäle des Lesepublikums verfügen, andererseits damit, dass die Magazine eben nie als einzige über ein Thema berichten. Diese Relativierung der Deutungsmacht lässt sich auch mit den Ergebnissen der Studie rechtfertigen, denn Salganik, Sheridan Dodds und Watts folgern zum zweiten, dass je höher die soziale Einflussnahme ausfalle, man umso schlechter voraussagen könne, wie die Inhalte des Entscheidungsverhaltens aussehen, also genau welche Produkte als gut oder schlecht beurteilt werden. »We conjecture, therefore, that experts fail to predict success not because they are incompetent judges or misinformed about the preferences of others, but because when individual decisions are subject to social influence, markets do not simply aggregate pre-existing individual preferences. In such a world, there are inherent limits on the predictability of outcomes, irrespective of how much skill of information one has« (Salganik/Sheridan Dodds/Watts 2006: 856). Für eine umfassende Analyse der Kommunikation durch bzw. mit Popmusikzeitschriften muss deshalb unbedingt Forschung auf dem Gebiet der Medienwirkung erfolgen.154 Erst wenn hier weitere soziale Einflüsse — die neben 154
Die Medienwirkungsforschung etwa müsste erhellen, ob Musikzeitschriften tatsächlich nur als Kauf-Ratgeber konsumiert werden oder ob nicht doch das Vergnügen oder die Langeweile bei der Lektüre ganz erhebliche Rollen spielen — was wiederum für Änderungen im Selbstverständnis der Redakteure als »Dienstleister« oder »Nutzwertjournalisten« sorgen könnte.
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5.1 MUSIKSOZIOLOGIE UND POPMUSIKMAGAZINE dem Lesen einer Musikzeitschrift bspw. im Freundeskreis, beim Plattenhändler des Vertrauens, im sonstigen Medienverhalten und Kontakt mit Werbung zu suchen sein dürften — aufgedeckt und in ein Verhältnis gebracht sind, kann eine Aussage über die tatsächlich Deutungsmacht einzelner Magazine oder Personen erfolgen. Wer bereits jetzt, nach der Analyse der Produktionsumstände und Einstellungen der Redakteure, zu einem Ergebnis kommen mag, das über die wichtige Feststellung hinausgeht, dass Begriffe und Werte von Popmusik in Magazinen hergestellt werden und eben nicht der Musik innewohnen, muss sich den Vorwurf der Unredlichkeit und Überheblichkeit gefallen lassen.
5.2 Popmusikmagazine und das Internet Auf der Branchenmesse Popkomm in Berlin wurde 2008 auf einem Podium über das »Ende der Musikmagazine« debattiert. Printmusikmagazine ständen unter dem Druck der Legitimation ihrer Existenz, denn erstens sei jede Musik zwar illegal, aber doch im Internet verfügbar, und dies meist relativ unabhängig von Produktionszyklen der Musikindustrie. Zweitens würden in unzähligen Blogs Menschen über Musik schreiben, sodass der spezielle Wert eines Musikmagazins infrage gestellt sei — es erscheint unnötig zu erwähnen, dass das Podium zu keinem Ergebnis kam. Trotzdem soll hier die Frage aufgegriffen werden, wie ein scheinbar anachronistisches Medium wie das Musikmagazin sich in der Gegenwart zu dem scheinbaren Konkurrenzmedium des Internet verhält und wie die Redakteure die Zukunft des Musikmagazins bewerten. Das Publizieren im Internet hat im Vergleich zum Veröffentlichen eines Artikels im Musikmagazin andere Möglichkeiten und Eigenschaften. Der erste Aspekt ist die technisch bedingte Option, Inhalte schnell erstellen und publizieren zu können bzw. sogar zu müssen. Zeitliche Aspekte erhalten somit beim Publizieren eine höhere Wertigkeit im journalistischen Handeln. Ein zweiter Aspekt ist der unbeschränkte Platz, der im Internet verfügbar ist. Das bedeutet theoretisch, dass jeder Artikel so lang werden könnte, wie der Autor will, da kein Heftumfang, kein Umbruch und keine (redaktionellen) Längenvorgaben eingehalten werden müssen. Dennoch sind die meisten Artikel im Internet eigentümlicherweise relativ kurz gehalten, was zu Vermutungen über die Gründe veranlasst: Eventuell ist das (in aller Regel sitzend erfolgende) Lesen am Bildschirm (noch) nicht als kulturelle Technik geeignet, sich längere musikbezogene Inhalte anzueignen; vielleicht mag auch ein erlernter Rahmen der Grund sein, der während Erstellung, Lektorat und
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5. DISKUSSION UND AUSBLICK Lektüre dieser Texte den Umfang auf Gewohntes begrenzt. Als dritter Aspekt des Internets kann die höhere Medialität sowie Externität des Angebots benannt werden: Jeder Text über Musik kann mit einem Link zu einer MySpace-Seite oder zu einem Youtube-Video angereichert werden, was das geschriebene Wort mit Ton und Bild verbindet und ihm zu einer besseren Einprägung verhilft. Viertens erlaubt die sogenannte Web 2.0-Idee, dass die User selbst die Inhalte von Websites generieren und verändern können, also aus der eindimensionalen Kommunikationssituation klassischer Medien theoretisch eine zweidimensionale wird.155 Fünfter Aspekt des Publizierens im Internet ist die sich eröffnende Netzwerkfunktion: Um diese Seiten herum bilden sich virtuelle reflexive Gemeinschaften, ein adaptierter Begriff von Scott Lash (1996), die sich themenbezogen in Echtzeit austauschen können.156 Bei den musikbezogenen journalistischen Angeboten im Internet ist zwischen drei Arten zu unterscheiden: erstens den Blogs einzelner Personen und Gruppen, zweitens den »Online-Only«-Magazinen wie z.B. residentadvisor.net oder pitchfork.com, die in ihrer Arbeitsstruktur den Printmagazinen ähneln; drittens den Onlineauftritten der Printmusikmagazine. Sind erstgenannte als weitgehend private Äußerungen über Musik im Sinne der Fanzines zu begreifen — mit dem Unterschied natürlich, dass Blogs eine zumindest theoretische Erreichbarkeit eines großen Publikums bei äußerst geringen Produktionskosten haben —, können zweitgenannte als ähnlich organisierte »Musikmagazine im Netz« gesehen werden. Es existieren hier kleine redaktionelle Einheiten, die einen weit verstreuten Kreis freier Mitarbeiter beauftragen und die in musikindustrielle Strukturen der Bemusterung (in den genannten Fällen sogar mit integrierter Vorhör- und Kaufmöglichkeit der 155
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In der Realität ist dies allerdings bei den Onlinemagazinen beschränkt: residentadvisor.net etwa erlaubt nur das Kommentieren von Artikeln (was jedoch kaum genutzt wird) und ist bei Einträgen der User in den zur Verfügung stehenden Veranstaltungskalender überaus vorsichtig, da man kein Einfallstor für fremde PR öffnen möchte (vgl. Hanke 2008: 58). Diese Gemeinschaften gibt es natürlich auch bei Printmusikzeitschriften. Denn das Lesen dieser Zeitschriften ist eben nur ein Teil der Aneignung. Ein wesentlicher zweiter, meist verborgen bleibender Aspekt ist ihre Integration in das Leben der Popmusikfans, wo sie mit Gleichgesinnten oder zu Bekehrenden über Musik debattieren und ihr angeeignetes kulturelles Kapital zur Schau stellen können. Das Forum eines Magazins macht diese Prozesse zwar anschaulich, jedoch wissen wir (ebenso wie die Redakteure) nicht, wer die hier anzutreffenden User wirklich sind: die Fotos sind, falls vorhanden, gestellt oder verstellt; die Pseudonyme verraten häufig weder Alter noch Geschlecht. Alles, was erkannt werden kann, sind die in den Äußerungen identifizierbaren Einstellungen und Musikverständnisse — und dies reicht, um in diesen virtuellen reflexiven Gemeinschaften aktiv zu werden.
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5.2 POPMUSIKMAGAZINE UND DAS INTERNET Musik) eingebunden sind. Der wesentliche Unterschied ist, wie es Tobias Rapp (2009: 186ff.) für residentadvisor.net herausstellt, dass dezentral in einem weltumspannenden Rahmen produziert und konsumiert werden kann. Der User in einem Dorf in Ontario ist also möglicherweise genauso über die Techno-Szene im Rhein-Main-Gebiet informiert wie das Frankfurter Szenemitglied — und kann deshalb auch auf residentadvisor.net darüber musikjournalistisch schreiben. Oder diejenigen Easy-Jetter, die für ein Wochenende nach Berlin zum Ausgehen und Tanzen fliegen, wissen über Onlinemagazine wie residentadvisor.net genauestens über dortige Verhältnisse Bescheid. Die Verknüpfung von Lokalem und Globalem bietet diesen Plattformen Möglichkeiten, die ein Printmagazin aufgrund seiner Produktionsweise und seines Vertriebs nicht besitzt. So kann z.B. residentadvisor.net jede Woche einen kostenlosen einstündigen Podcast mit Mixes berühmter Produzenten und DJs der elektronischen Musik veröffentlichen. Die dritte Kategorie von Anbietern musikbezogener Inhalte im Internet, nämlich die bereits dargestellten Web-Auftritte der Printmusikmagazine, sind eher als ein Versuch zu sehen, in dem anderen Medium präsent zu sein, als dass sie es bedienen wollen bzw. können. Die Heftinhalte werden von den Kaufmagazinen erst später ins Netz gestellt und nur vorsichtig machen sie von den digitalen Möglichkeiten der Verknüpfung visueller und auditiver Inhalte Gebrauch. Wichtig ist für die Magazine, zeitgemäß zu erscheinen, worunter sie offensichtlich (vgl. den Auftritt der Spex im Internet) verstehen, auch das Angebot des Twitter-Accounts erfüllen zu müssen oder ein FacebookProfil zu betreiben. Die von allen implementierte Netzwerkfunktion wurde bereits als äußerst wichtig für die Produktion der Magazine herausgestellt, da sie den Lesern ein Forum des Austausches bietet, das gleichzeitig für die Redakteure Ort teilnehmender Beobachtungen der (weiterhin unsichtbaren) Leserschaft ist. Für die Redakteure stellt sich das Internet weniger als eine akute Bedrohung ihrer Tätigkeit dar, als dass es ihnen im Vergleich klarstellt, über welche Qualitäten und Ressourcen das Musikmagazin als Medium verfügt bzw. verfügen sollte (vgl. die Aussagen zur Ethik des Musikjournalismus in Kap. 4.2 Normenkontext). In ihrer Sicht haben Menschen ein Interesse daran, über Musik, Musiker und die Umstände, in denen Musik gemacht, produziert, vertrieben und gehört wird, etwas zu erfahren — auch noch in der Zukunft. Deshalb stellt sich für sie nicht die Frage, ob die Online- den Printmagazinen künftig den Rang ablaufen, sondern sie überlegen, wie diese beiden Medienformen künftig weiter zusammen- bzw. nebeneinander geführt werden können.
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5. DISKUSSION UND AUSBLICK In den Aussagen der Redakteure lassen sich nämlich zwei Haltungen des Umgangs mit dem Internet erkennen: Erstens mehren sich Anzeichen der Übernahme von Aspekten des Publizierens im Internet in das Heft, zweitens sind eine Betonung musikjournalistischer Qualität und die Forderung der Befreiung von zeitlichen Zwängen deutlich vernehmbar. Eine Prognose der Entwicklung ist schwierig. Zu erwarten ist jedoch, dass diese beiden Tendenzen sich verstärken und zunächst verschränken, sie sich aber in einigen Jahren, vor dem Hintergrund einer veränderten Publikumsstruktur (und somit anderen Medienkompetenzen und –erwartungen der Leser), auseinander entwickeln werden. In der erstgenannten Haltung der Übernahme werden Darstellungsmuster geändert (was in der Regel auf eine Kürzung hinausläuft), Text-Links auf Internet-Inhalte gegeben (bspw. in der Spex oder dem Rolling Stone, wo in kurze Texte verpackte Hinweise auf Songs zu finden sind, die zum Download empfohlen werden) oder auch Kommunikation aus dem Internet im Heft abgedruckt, wie etwa in der Intro Auszüge aus den »Gesprächen« auf Twitter. Außerdem ist man bemüht, eine Leichtigkeit der Berichterstattung im Heft zu erreichen, die man in Blogs zu erkennen glaubt: »Und man kann schon auch versuchen, das, was gute Blogs auszeichnet, so etwas Verspieltes, Augenzwinkerndes, [...] so etwas generell Magazinigeres auch wieder zu machen, was dann graphisch auch gut aufbereitet ist, wo man es dann gerne durchblättert und gerne liest und auch mal reinschaut« (vgl. IN 2: 26). Diese Perspektive nähert sich also sowohl im Format, dem Tonfall wie auch der Inszenierung von Ereignissen einer im Internet vorgefundenen Präsentation von populärer Musik an. Die zweite Haltung verurteilt das Primat der Schnelligkeit beim Publizieren im Internet, wo die Tatsache, als erster zu veröffentlichen, mehr wiege als die inhaltliche und formale Qualität der Texte. Musikjournalismus in Printmagazinen wird ihr zufolge auch in der Zukunft möglich sein, wenn er von professionellen, dafür ausgebildeten Journalisten erstellt wird und sich von den Angeboten im Internet unterscheidet in Form, Inhalt und Ethik. Daraus wird gefolgert, dass guter Printmusikjournalismus sich von den Themen der Stunde, vorgegeben durch den Takt der Musikindustrie, entfernen muss und seine individuell gewählten Gegenstände zu reflektieren habe. Er darf, ja er muss deshalb langsamer sein als das Internet. Zudem habe ein gedrucktes Wort eine andere Qualität und die Haptik einer Zeitschrift ermögliche die Überführung der Lektüre in andere Kontexte; bspw. könne ein Magazin ohne Sorge mit ins Schwimmbad oder auf eine Zugfahrt genommen werden, ein Computer aus diversen Gründen (Stromversorgung, Gewicht, Diebstahl, Sonnenlicht usf.) nicht — vorerst jedenfalls. Exemplarisch kann
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5.2 POPMUSIKMAGAZINE UND DAS INTERNET diese Haltung anhand der im Springer Verlag vierteljährlich erscheinenden Sounds by Rolling Stone belegt werden, einem monothematisch jenseits aktueller Zwänge operierenden Musikmagazin, das längere Artikel mit einem historisierenden Blick auf populäre Musik publiziert. »Ich glaube, dass die Vintage-Geschichten, dieser klassische Ansatz, über alte Helden zu schreiben, ... ich glaube, dass die Zukunft des Musikjournalismus tatsächlich sehr viel in der Vergangenheit liegt. Dass die Leute, die Duffy hören, tatsächlich eine Geschichte über Dusty Springfield lesen wollen, weil die immer erwähnt wird im Zusammenhang mit Duffy« (RS 1: 33). Man ist sich bewusst, dass diese Strategie der Historisierung sowie der Entkoppelung von Trends und Publikationsgewohnheiten des Internet für wenig Nachhaltigkeit bei der Rekrutierung junger Leser sorgen dürfte. Denn diese mit dem Internet aufgewachsene Generation verfügt über andere mediale Kompetenzen und Erwartungen, da sie sich (auch) über aktuelle populäre Musik informieren will — und wandert somit endgültig ab ins Internet bzw. gelangt gar nicht erst in den Bereich gedruckter »langsamer« Literatur. Gleichwohl hoffen die Redakteure darauf, dass es auch zukünftig junge Menschen geben werde, die auch das gedruckte Wort zu schätzen wüssten (vgl. SP 1: 5). Es steht zu erwarten, dass die Leser gerade derjenigen Musikmagazine, die sich im Altersdurchschnitt auf die Vollendung des vierten Lebensjahrzehnts zubewegen, mit ihren Magazinen altern werden, weil ihre Interessen und Lesegewohnheiten von den Redaktionen berücksichtigt werden. Denn Aktuelles wird nurmehr wohldosiert verabreicht, dafür aber über andere Themen (wie etwa in der Spex über Kunst oder Literatur) oder Themen mit popgeschichtlicher Bedeutung (im Rolling Stone die Serie der »alten Meister«) verstärkt berichtet. Man wird auf die Ergebnisse kommender Forschung warten müssen und gespannt sein dürfen.
5.3 Zur Typik und Notwendigkeit der Berufsauffassung im Popmusikjournalismus Die im vierten Kapitel aufgedeckten Einstellungen der Musikredakteure zu ihrer Arbeit, ihr Stolz auf das Erbringen von Überstunden und eigenem Engagement zugunsten einer als gut empfundenen, d.h. fehlerfreien und den journalistischen Vorstellungen entsprechenden Arbeit, die Verteidigung der fest freien Tätigkeit als ein Gewinn von Freiheit sowie eine der Logik des Feldes folgende notwendige Strategie der Netzwerkpflege sind nicht bloß
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5. DISKUSSION UND AUSBLICK kennzeichnend für das Feld des Popmusikjournalismus. Einstellungen wie diese lassen sich auch im gesamten journalistischen Feld sowie innerhalb des großen Sektors kultureller Arbeit verorten, in denen diese zeitgenössische Entwicklung der Arbeit zu einer flexibilisierten Form der individuellen Risikoübernahme und Selbstausbeutung als notwendige Bestandteile zur Aufrechterhaltung einer kapitalistisch organisierten Arbeitskultur beitragen. Der »neue Geist des Kapitalismus« (Boltanski/Chiapello 2006) fordert von den Menschen die Bereitschaft zur Mobilität und zur Flexibilität. Beweglichkeit wird ideologisiert, indem sie positiv konnotiert sowohl auf räumliche wie auch soziale — als vertikale Mobilität verheißt sie »Aufstiegschancen«, als horizontale Mobilität »Veränderungschancen« — oder intellektuelle Aspekte (»Kreativität«) bezogen wird. Das Versprechen eines mobilen und flexiblen Lebens impliziert sozialen Aufstieg sowie die Zunahme von Entscheidungsfreiheit und (wohlverdientem) Wohlstand. Mobilität gilt heute als »Basisselbstverständlichkeit« (Vogl 2008: 24) des modernen Arbeitsmarktes, die nicht mehr eine freiwillige Einstellung, sondern eine erwartete Grundvoraussetzung ist. Doch nicht nur der Arbeitsmarkt, auch die deutsche Politik erwartet eine räumliche und horizontale Mobilität bei der Arbeitssuche — besonders von Arbeitslosen. Zusätzlich fördert sie das Selbstunternehmertum seit 2003 mit der Einführung der sogenannten Ich-AG im Rahmen des »Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt«, dem sogenannten Hartz II-Paket. Hiermit ist ein arbeitsmarktpolitisches wie sozialstaatliches Instrument geschaffen, das ein alternatives Beschäftigungsmodell zur abhängigen Erwerbsarbeit einführt (vgl. Legnaro/Birenheide 2008: 85ff.). Qua »Existenzgründungszuschuss«, der bereits für die Genehmigung den Nachweis unternehmerischer Fähigkeiten in Form von Marktanalysen und eines sogenannten Business-Plans einfordert, werden von staatlicher Seite Prinzipien von Selbstverantwortung und unternehmerischer Selbstkonzeption von denjenigen erwartet, die bisher (bestenfalls) in abhängiger Erwerbsarbeit standen. Der Staat impliziert somit, dass Selbständigkeit einerseits als Instrument auf der arbeitsmarktpolitischen Ebene zum Abbau der Arbeitslosenzahlen und somit zur Verringerung des sozialstaatlichen Etats beiträgt. Andererseits entsteht derart auf der individuellen wie auch inter-individuellen Ebene ein Bild der Selbständigkeit als Ausweg aus der finanziell, sozial wie psychisch höchst problematischen Situation der Arbeitslosigkeit. Diese Verschiebungen werden seit einiger Zeit auch in der Arbeitssoziologie thematisiert, schließlich zeichnete sich der Trend zum »unternehmerischen Selbst« (Bröckling 2007) schon länger ab: So hat sich die Anzahl der Solo-Selbständigen über alle Wirtschaftsbereiche hinweg in den Jahren von
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5.3 ZUR TYPIK UND NOTWENDIGKEIT DER BERUFSAUFFASSUNG 1991 bis 2005 auf 2,3 Millionen nahezu verdoppelt. Zu betonen ist, dass der Anteil der Selbständigen in der Medienwirtschaft deutlich höher liegt als in der Gesamtwirtschaft (Vogl 2008: 11), bei Künstlern und Publizisten liegt die Quote bei 35 Prozent (Gesterkamp 2003).157 Stagnierte die Gesamterwerbstätigenzahl zwischen 1995 und 2003, so ist besonders in den Kulturberufen158 in diesem Zeitraum ein Anstieg der Erwerbstätigen über alle Erwerbsformen um 31 Prozent zu verzeichnen. Die Wachstumsrate der Selbständigen in den Kulturberufen stieg indes gar um 51 Prozent, die Zahl der Selbständigen wuchs hier viermal so schnell wie die Selbständigenanzahl in der Gesamtwirtschaft. 2003 waren 41 Prozent der in Kulturberufen Erwerbstätigen selbständig, in der Gesamtwirtschaft nur jeder zehnte. Und 84 Prozent der selbständigen Kulturberufler waren Alleindienstleister (Ein-Personen-Selbständige, d.h. ihre Unternehmung hatte keine Angestellten) gegenüber »nur« der Hälfte bei Selbständigen in der Gesamtwirtschaft (Betzelt 2006: 11f.). Kulturberufe sind gekennzeichnet durch eine mittlere Position zwischen privilegierten klassischen Professionen (die Freien Berufe) einerseits und abhängig beschäftigten verberuflichten Arbeitnehmern andererseits. Die Alleindienstleister auf dem Feld der Kultur sind nur lose in betriebliche Kontrollhierarchien eingebunden und bestimmen ihre Arbeitszeiten weitgehend selbstbestimmt. Allerdings verfügen sie nicht über institutionalisierte Marktmonopole für Dienstleistungen wie etwa Ärzte oder Anwälte. Stattdessen werden die Kulturberufe als offene Berufe gefasst, in denen immer mehr Alleindienstleister ohne zertifizierte Bezeichnungen mit anderen auf denselben Märkten konkurrieren. Es existieren kaum offizielle Standards der Ausbildung oder der beruflichen Qualifikation, keine gesetzlichen Festlegungen und keine mit einer großen Regulationsmacht versehenen Berufsorganisationen (vgl. Gottschall/Betzelt 2001). Zwar haben diese Verbände unverbindliche Rahmenrichtlinien für die Berechnung von Preisen vorgegeben, jedoch müssen Kulturberufler ihre Marktposition stets neu taxieren. Deshalb ist es für sie wichtig, über funktionierende Netzwerke zu verfügen, in denen Kommunikation, Vertrauen und der gute Ruf gepflegt werden. Nur in diesen
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Im Jahr 2009 sind nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 40,24 Millionen Menschen in Deutschland erwerbstätig gewesen, elf Prozent (4,41 Millionen) davon wurden als Selbständige geführt (vgl. Statistisches Bundesamt 2010). Der Begriff beruht auf der amtlichen Klassifikation der Berufe des Statistischen Bundesamtes, mit deren Hilfe im Mikrozensus die Erwerbstätigkeit abgefragt wird. Zu den Kulturberufen zählen die publizistischen und mit ihnen verwandten Berufe, Künstler und die ihnen zugeordneten Berufe, künstlerische Lehrberufe sowie künstlerisch tätige Geisteswissenschaftler.
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5. DISKUSSION UND AUSBLICK Strukturen ist die Bestimmung des jeweiligen Marktwertes der Arbeitskraft möglich, die sich eben nicht nur aus kulturellem, sondern auch sozialem Kapital speist (vgl. auch Vogl 2008). Dadurch ist der Arbeitsmarkt offener und flexibler, er birgt aber auch ein höheres Risiko für den Arbeitskraftunternehmer als institutionell regulierte Dienstleistungsmärkte. In Form der Künstlersozialversicherung besteht auch für Journalisten die Möglichkeit, sich kranken-, renten- und pflegeversichern zu lassen, allerdings tragen sie trotzdem, wie jeder Selbständige, das Risiko von Arbeitslosigkeit bzw. Auftragsflaute. Zudem ist die Altersvorsorge in vielen Fällen schlecht, in manchen schlicht nicht möglich.159 Der Bericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages (Deutscher Bundestag 2007) betont, dass im Kultur- und Mediensektor ein hoher Wachstum mit signifikanten strukturellen Veränderungen in den Neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts zu beobachten war, der als prototypisch für die Beschäftigungsentwicklung in anderen Wirtschaftssektoren gedeutet werden kann. Das Verständnis der Vorgänge in diesem Bereich könne deshalb über künftige Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt aufklären, sie vorbereiten und korrigieren. Karin Gottschall und Sigrid Betzelt (2001) sehen die Beschäftigungszunahme der als Kulturberufe bezeichneten Arbeitsfelder in der Tertiarisierung des Arbeitsmarktes begründet. Kennzeichen der Kulturberufe seien eine erhöhte Akademisierung des Arbeitskräfteangebots (Professionalisierung der Ausbildung) sowie eine »spürbare Erhöhung« (ebd.: 5) des Anteils hochqualifizierter Frauen (Feminisierung der Erwerbstätigkeit). Das hier beobachtbare rasche Anwachsen der Ein-Personen-Selbständigen, auch Freie oder Freelancer genannt, führen sie auf »Prozesse betrieblicher Reorganisa159
Michael Ziegelmeyer (2009) berichtet, dass etwa Dreiviertel aller Selbständigen nicht durch eine obligatorische Altersvorsorge der gesetzlichen Rentenversicherung abgesichert sind, sodass sie selber Vorsorge treffen müssen. Gerade Selbständige in den unteren Einkommensbereichen sorgen weniger vor als abhängig Beschäftigte. Außerdem sind mindestens 10% der Selbständigen nicht in der Lage, von ihrem Nettoeinkommen ausreichende Rücklagen, d.h. ein Alterseinkommen auf dem Niveau der Grundsicherung für die Altersvorsorge zu bilden. Mehr als ein Viertel der Haushalte mit selbständigem Haupteinkommensbezieher in der Altersklasse über 55 Jahre kann nicht einmal den Vermögensbedarf zur Grundsicherung im Alter aufbringen. Auf der Individualebene liegen im Jahr 2007 32,3% der Selbständigen mit ihrem Einkommen unter der relativen (d.h. unter 60% des Medianeinkommens), 27,9% unter der absoluten Armutsgrenze (soziokulturelles oder sächliches Existenzminimum, d.h. auf die tatsächlichen Verbrauchsausgaben bezogen). Nimmt man die Einnahmen aller im selben Haushalt lebenden Personen hinzu, sinken die Zahlen auf 15% bei selbständigen Haushalten, die unter der relativen Armutsgrenze liegen, 7,5% befinden sich unter der absoluten.
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5.3 ZUR TYPIK UND NOTWENDIGKEIT DER BERUFSAUFFASSUNG tionen« (ebd.) zurück, zusätzlich machen sie ein Überangebot qualifizierter Arbeitskräfte sowie die gerade für Frauen ausschlaggebende flexiblere Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Familie verantwortlich.160 Vogl (ebd.: 128ff.) benutzt zur Beschreibung dieser Entwicklung den Begriff der neuen Selbständigkeit, um herauszustellen, dass mit »frei« nicht mehr ein Freier Beruf gemeint ist, sondern eine Organisationsform der Arbeit, die offen für die Anwendung in vielen Berufen ist. Sie entsteht im Unterschied zu den Freien Berufen nicht als Ergebnis eigener Berufswahl, sondern oftmals durch externe Instanzen, etwa Organisationsentscheidungen ehemaliger Arbeitgeber. Freie konkurrieren in ihrem Arbeitsangebot mit Angestellten, erledigen also — oft von zuhause aus — Arbeit, die traditionellerweise im Betrieb selbst erledigt worden wäre (vgl. auch Fischer 1995). Somit entgrenzt sich der Produktionsbetrieb, die Grenzen von selbständiger und abhängiger Arbeit verschwimmen: »Die Selbständigkeit wird zur Variante einer Arbeitsorganisation des Auftraggebers, in der der Selbständige seine Marktstellung als Anbieter einer besonderen Leistung bzw. eines besonderen Produktes verliert« (Vogl 2008: 132). Die Attraktivität dieser projektförmigen Arbeitsorganisation besteht für den Auftrag- und nicht mehr Arbeitgeber aus mehreren Gründen: er verliert nie die Kontrolle über die Arbeitsprozesse, da alle extern Beauftragten rückmeldepflichtig sind; die Auftragnehmer werden für eine kurze Zeit projektgebunden und meist ergebnisorientiert bezahlt;161 Risiken der Beschäftigung, wie bspw. Arbeitsausfall durch Krankheit, gehen zu Lasten der Selbständigen; Sozialbeiträge brauchen nicht mehr entrichtet zu werden; Qualifizierungskosten des Personals werden gespart bzw. ausgelagert an die Auftragnehmer. Die Entwicklung des Arbeitsmarktes bis zu diesem Punkt der flexiblen Abhängigkeiten und individualisierten Risikoübernahme ist im Konzept des Arbeitskraftunternehmers von G. Günter Voß und Hans J. Pongratz (Voß/ Pongratz 1998) vorgestellt und für den Sektor der Kulturberufe fast seherisch vorausgesagt worden. Die Autoren zentrieren in diesem postfordisti160
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32,8% der Solo-Selbständigen sind Frauen (22,5% bei Selbständigkeit mit Beschäftigten). Rund 60% aller selbständigen Frauen sind solo-selbständig. Im Berufsfeld der Publizisten liegen die Frauenanteile bei 43%, bei traditionell feminisierten Berufen wie dem Übersetzer sind es 67% (vgl. Betzelt 2006: 6 u. 12). Das bedeutet für die Auftragnehmer die Pflicht, eine genaue Kalkulation ihres Arbeitsaufwandes vorzunehmen. Benötigt man mehr als die veranschlagte Zeit — was, gerade wenn die eigene Berufsauffassung dem von Betzelt (2006) »Beruf als Berufung« genannten Typus entspricht, häufig der Fall ist —, trägt man den Ausfall der Kosten selber. Natürlich könnte man auch großzügiger mit der Zeitplanung kalkulieren, will man jedoch den Auftrag erhalten, muss ein konkurrenzfähiges Angebot abgegeben werden. Auch in diesem Punkt liegt das Risiko wiederum beim Auftragnehmer.
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5. DISKUSSION UND AUSBLICK schen Arbeitskrafttypus eine sich seit den 1980er Jahren verschärfende Entgrenzung von Arbeit und Arbeitskraft, die im Wesentlichen auf die permanente Selbstkontrolle (Überwachung und Verbesserung der eigenen Tätigkeit zur Erreichung unternehmerischer Ziele), Selbst-Ökonomisierung (Vermarktung und Ausbeutung der eigenen Fähigkeiten und Leistungen) sowie SelbstRationalisierung in der Organisation von Alltag, Beruf und Lebenslauf (»Verbetrieblichung der Lebensführung«) hinausläuft. Der Arbeitskraftunternehmer findet sich ihnen zufolge sowohl in der Form der abhängigen Arbeit als auch in der Selbständigkeit wieder. Kritisch ist zu diesem Konzept anzumerken, dass hier die eigenbestimmte, nicht bloß an Markterfordernissen ausgerichtete intrinsische Motivation der Arbeitskraftunternehmer vernachlässigt wird. Diese versehen nämlich ihre Arbeit mit einem spezifischen subjektiven Sinn, der ihnen bei der Ausführung und Vermarktung der Arbeit hilft. Cornelia Koppetsch (2006) erkennt die notwendige Verankerung der erwarteten Arbeitsmoral, der sie eine durchaus ideologische Funktion zuerkennt, in der Verfestigung in institutionalisierten Status-, Kontroll- und Belohnungssystemen, was sie am Beispiel der Kreativen (Texter und Art Direktoren) im Segment der Werbung belegt. Hier, wo Kulturideale mit einem Berufsethos, d.h. mit inhaltlichen Anforderungen an die Berufsarbeit, spezifischen Sinngebungen und Selbstdeutungen der Berufsgruppe zu einem Subjektideal des »Kreativen« verschmelzen, erreicht diese Ideologie der Arbeit erst ihr eigentliches Ziel, »die Motivierung neuer Formen der freiwilligen Unterwerfung« (ebd.: 108). In diesem Wandel der Berufsmoral sieht sie das »Charakteristikum des neuen Kapitalismus« (ebd.: 197). »Dieses Subjektideal ist darauf ausgerichtet, den Ausnahmecharakter kreativer Arbeit, seinen Sonderstatus im Vergleich zur ›gewöhnlichen Angestelltenarbeit‹, die als konformistisch, unselbständig und nicht authentisch erscheint, zu unterstreichen. [...] Das Ethos kreativer Arbeit [setzt] auf die Ästhetisierung von Objekten, die, als Medium der Erweiterung des inneren Erfahrungsraums und der Transformation des Selbst eingesetzt, die Steigerung der kreativen Leistungen ermöglichen sollen« (ebd.). Dieses kreative Arbeitssubjekt kann auch in den Popmusikredakteuren erkannt werden. Ihre Selbstbeschreibung des eigenen Berufs als kreative Arbeit, die gerade bei den fest frei beschäftigten Redakteuren vernehmbare Abwertung von Angestelltenverhältnissen (»Beamtenmentalität«) sowie die eindeutige Ästhetisierung von Musik bestärken diesen Schluss. Gleichzeitig wird, wie von Koppetsch beschrieben, die Arbeitswelt ästhetisiert, sie erhält eine (pop-)künstlerische Aura. Auch hier lassen sich Belege finden: der Musikredakteur »darf« sich den ganzen Tag mit Musik beschäftigen, also ein
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5.3 ZUR TYPIK UND NOTWENDIGKEIT DER BERUFSAUFFASSUNG Leben der Bohème führen; gute Musikjournalisten gelten stets als talentierte Schriftsteller; der Arbeitseinstieg und die berufliche Laufbahn können nicht rational wie eine Karriere in einem Betrieb geplant werden, d.h. wer schreiben will, schreibt — wo auch immer, das »Künstlerische« bricht sich sozusagen organisch seinen Weg. Zudem stehen die Redakteure in einem Berufsfeld, das sich in einem subkulturellen Umfeld Ende der 1960er Jahre etablierte und aus dem sich Vorstellungen und Erwartungen über die Formen und Vereinbarkeit von Arbeit und Leben ableiten: etwa die Idee von einer »nicht entfremdeten, schöpferischen Selbstentfaltung«, die nur über die Negation normierter Verhältnisse gelingen kann (vgl. Springer 2005: 40f.). Damit einher geht eine Idolisierung von musikjournalistischen Rollenvorbildern, wie sie etwa in Lester Bangs von Intro-Chefredakteur Thomas Venker beschrieben wird: »Rückblickend betrachtet steht Bangs für das tabulose Fallenlassen in die Kultur, für die Einheit von Arbeit und Leben. Er hätte das Schreiben nie als Arbeit definiert, sondern lebte das, was er machte. Für eine gute Platte tat er alles, um die Kunde von ihrer Existenz zu verbreiten« (Venker 2003: 14f.). Dementsprechend lehnt auch Venker eine Trennung von Arbeit und Privatleben ab: »Die ›Guten‹ muss wirklich niemand an den Schreibtisch respektive ans Laptop prügeln. Sie leben das, was sie schon immer machen wollten — ein Privileg« (ebd.: 15). Deshalb arbeiten diese Idealisten in dem »Beruf beziehungsweise unserer Berufung« an jedem Artikel aus »echtem Interesse«, gleichwohl kleinere Auftragsarbeiten für ein Auskommen dazu gehören (ebd.). Jedoch könne man auch im Rahmen aufgetragener 500 Zeichen seine journalistische Integrität wahren — »Identität im Kleinen« (ebd.). Springer (2005: 41) erkennt im Popmusikjournalismus eine zwar von linken Emanzipations- und Befreiungsansprüchen gekennzeichnete Utopie, die jedoch »entkernt und nur mehr in der Reduktion auf die Aufhebung zwischen Arbeit und Freizeit neoliberal angeeignet wurde«. Bezeichnenderweise sind auch Koppetschs kreative Arbeitssubjekte nicht mit einem erlebnisorientierten, antibürgerlichen Habitus ausgestattet, da sie die (zutiefst bürgerlichen) Tugenden Rationalität, Disziplin und Selbstkontrolle zur Steuerung ihrer Arbeitsleistungen einsetzen (vgl. Koppetsch 2006: 198). So erfüllen die kreativen Kulturberufler in Gestalt der Musikredakteure nicht nur gegenkulturelle, sondern auch bzw. erst recht kulturelle Ideale, an denen Berufstätige heutzutage gemessen werden: Lange Arbeitszeiten werden weitgehend klaglos akzeptiert (schließlich kann man sich durch den erbrachten Einsatz auszeichnen); die korrekte Ausführung der eigenen Tätigkeit rangiert höher als Bedürfnisse nach Freizeit; Routinen werden durch interne Instanzen vermieden usf.
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5. DISKUSSION UND AUSBLICK Wesentlich ist für die kreativen Arbeitssubjekte, dass sie ihre Subjektivität »vermarktlichen« wollen (und müssen), d.h. individuelle Eigenschaften, Vorlieben und Talente können durch Märkte vereinnahmt und vom kapitalistischen Verwertungsprozess absorbiert werden. In ihrer Studie führt Koppetsch dies am Beispiel der sogenannten Pitches in der Werbung aus, wo mehrere Agenturen um den Etat eines Werbekunden ringen. Aber auch für den Bereich des Popmusikjournalismus gelten diese Regeln: »Gerade Popjournalismus in seiner idealistischen und innovativen Form, die das Einbringen der gerne auch verschrobenen, abseitigen Subjektivität des Autor-Ichs und das authentisch-leidenschaftliche Miterleben und Beurteilen als essenzielle Kategorien eingeführt hat, macht sich überaus attraktiv in einer ökonomischen Ordnung, die aus eben diesen auf den ganzen Menschen erweiterten Motiven ihren Fortschritt erzielt« (Springer 2005: 43). Viele der Akteure des Feldes kommen aus einer Fanzine-Tradition: Uwe Viehmann (ehemaliger Spex-Redakteur und -Chefredakteur) war beim »Subraum Fanzine«, Martin Büsser (Autor bei Intro) beim »Zap Fanzine«, die Grether-Schwestern (Autorinnen bei Intro) beim »Straight Fanzine«, Linus Volkmann (Intro-Redakteur) bei der »Spielhölle« und bei »Komm Küssen«, Thomas Venker selber beim »Harakiri Kulturmagazin«. Diese Erfahrungen sind Venker zufolge wichtig für Popmusikjournalisten, denn man lerne, eine eigene Perspektive auf kulturelle Gegenstände zu entwickeln — aber auch, »dass es dabei nicht primär um monetäre Interessen geht. Eher das Gegenteil ist der Fall: Hier herrscht die Selbstausbeutung vor. Aber immerhin eine selbstbestimmte« (Venker 2003: 9). Zur Erinnerung: Auch die befragten Musikredakteure begannen mit dem Schreiben über Musik im Modus der Unterbezahlung, der durch das eigene Engagement und Interesse aber als vernachlässigbar erkannt wurde. Das bedeutet, dass die feldspezifische Logik bereits beim Einstieg in den Beruf eine Haltung gebiert, die im späteren Berufsleben umso leichter die Zustände permanenter Selbstausbeutung ertragen lässt. Popmusikjournalismus wird zu einem großen, sehr wahrscheinlich weiter zunehmenden Teil von freien Journalisten162 besorgt. Kommende Arbeiten 162
Dadurch, dass Journalist ein nicht zugangsbeschränkter Beruf ist, wird die Erfassung der freien Journalisten erschwert. Festzustehen scheint, dass ein enormer Zuwachs in diesem Bereich stattgefunden hat: Ende der 1980er Jahre gab es Meyen und Springer (2009: 18) zufolge 6.000 freie Journalisten, 22.500 sind es 2008 laut den Schätzungen einer Studie vom Deutschen Journalismusverband DJV (Siegert 2008: 13). Die Künstlersozialkasse (Künstlersozialkasse 2010) listet für 2009 in der Gruppe Wort 40.778 Versicherte, 1992 waren es, erstmals mit den neuen Bundesländern zusammen gerechnet, gerade einmal 12.157. Weichler (2005: 70) schätzt die Zahlen auf 30.000
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5.3 ZUR TYPIK UND NOTWENDIGKEIT DER BERUFSAUFFASSUNG über Popmusikjournalisten müssten angesichts der Beschäftigungsverhältnisse im Popmusikjournalismus besonders die freien Journalisten und ihre individuellen Vereinbarungsstrategien von beruflicher Anforderung und subjektiver Orientierung in den Blick bekommen. Ob sie vor allem hauptberuflich oder nebenberuflich tätig sind, gälte es ebenso herauszufinden wie mehr über die Umstände in Erfahrung zu bringen, wie sie ihren Weg in den freien Journalismus fanden: durch Ausgliederungsprozesse von Verlagsseite (d.h. man kann, sprich: will keine fest angestellten Journalisten mehr beschäftigen) oder durch eine ›freiwillige‹ Selbstausgliederung, um nach einer Entlassung den Weg zum Arbeitsamt als nun selbstständiger Journalist umgehen zu können. In einer empirischen Studie über Flexible Wissensarbeit, in deren Rahmen auch freie Journalisten befragt wurden, gibt Sigrid Betzelt (2006: 35ff.) anhand von drei Typen verschiedener Berufsauffassungen Aufschluss über diese Alleindienstleister im Kulturfeld.163 Der erste, am weitesten verbreitete Typ begreift den Beruf als Berufung und Weg der kreativen Selbstverwirklichung, nicht des unmittelbaren Gelderwerbs. Dieser Typus ist durch hohe intrinsische Motivation gekennzeichnet. Demnach ist die Identifikation mit dem Beruf hoch, was zu weitgreifenden Phänomenen der Entgrenzung von Arbeit und Alltag führt. Darüber hinaus formulieren Anhänger dieses Berufsverständnisses gerne übergeordnete Ansprüche an ihr berufliches Handeln, die auch mit dem Gemeinwohl verbunden sein können (Aufklärung, Förderung usw.). Gleichzeitig vertreten sie ein hohes Maß an berufsethischen wie fachlichen Standards. Der konkrete Nutzen für den Auftraggeber wird dementsprechend auch eher in der Qualität der eigenen Dienstleistung
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hauptberuflich freie Journalisten und 100.000 »Hobbyjournalisten«, also diejenigen, die nicht davon leben können. Meyen und Springer (2009) führen eine andere Typologie der freien Journalisten ein, die die Motive für die freie Tätigkeit betont. Sie unterscheiden zwischen dem Unternehmer (der »echte« Freie, der gerne und bewusst frei arbeitet und viele Auftraggeber hat), dem Ausgebremsten (hat sich nicht freiwillig für die freie Arbeitsform entschieden, kommt aber zurecht), dem Redakteur (ist gerne Journalist, hat nur einen Hauptauftraggeber, arbeitet wie ein Festangestellter, nur ohne Vertrag), dem Flexiblen (nimmt auch Aufträge aus PR und Werbung an; ist Journalist nicht aus ethischem Interesse, sondern als Mittel zum Zweck der Selbstverwirklichung und des sozialen Aufstiegs), dem Prominenten (bekannte journalistische Persönlichkeit, die Bezahlung und Leistung liegt weit jenseits des Durchschnitts), dem Künstler (verspürt keine journalistische Berufung, sondern sieht sich eher als Schriftsteller, Dokumentarfilmer, Regisseur oder Wissenschaftler; die journalistische Arbeit ist der Brotjob, andere Arbeit, etwa an einem Roman, wird dagegen als erfüllend wahrgenommen) und dem Grenzgänger (hauptberuflich im PR-Bereich, Journalist als Zubrot; vertritt keine berufliche Ethik).
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5. DISKUSSION UND AUSBLICK gesehen als in ihrer direkten Verwertbarkeit. Dieses vergleichsweise eher künstlerisch geprägte Berufsethos kontrastiert mit dem zweiten Typ des handwerklichen Selbstverständnisses vor allem im Anspruch an die Dienstleistung. Der zweite Typus tritt bescheidener auf, die Qualität und der Gebrauchswert der hergestellten Produkte sind ihm wichtiger als hehre Berufsund Selbstansprüche. Auch sind ihm ethische Standards eher nachrangig hinter der Dienstleistungsorientierung. Seine Motivation entspringt vor allem der Herstellung hoher Gebrauchswerte für den Nutzer. Damit zusammen hängt auch ein geringer Grad der Entgrenzung des Berufs, ihm gelingt — bei dennoch bestehender Identifikation mit dem Beruf — die Grenzziehung zwischen Berufs- und Privatsphäre. Sind diese beiden Typen mit Max Webers Begriff des wertrationalen Handelns zu beschreiben, so ist der dritte Typ des instrumentellen Selbstverständnisses als zweckrationales Handeln zu beschreiben. Seine Motivation ist der Zweck der Einkommenserzielung, die Identifikation mit dem Beruf und den hergestellten Produkten ist dementsprechend gering. Oft besteht die Arbeit aus Routinen, Eingriffe der Auftraggeber in seine Produkte sind ihm unerheblich. Er verfolgt keine ethischen Ansprüche mit seinem beruflichen Tun, die handwerklichen Aspekte sind vor allem Mittel der Gewinnerzielung und kein Selbstzweck. Dieser dritte Typ ist bei den von Betzelt untersuchten Kulturdienstleistern am seltensten anzutreffen. Die Gruppe der Journalisten ist vor allem im Typ 1 präsent. Zusammenfassend lässt sich im Übertrag und als künftig zu überprüfende Hypothese festhalten: Die berufliche Motivation der (Musik-)Journalisten ist extrem hoch, das berufliche Handeln ist wertorientiert. Auf der individuellen Ebene übt man einen »Traumberuf« aus, sodass die persönliche Identifikation hoch ist. Berufsethisch verfolgt man Prinzipien eines guten (Musik-)Journalismus, indem man der Sache — der »guten« Musik — mit erstens qualitativ hochwertigen und erst in zweiter Sicht funktionalen Texten für ein interessiertes Lesepublikum gerecht wird. Dies lässt sich alles in den Interviews mit den Musikredakteuren wieder finden. Ob es für die freien Journalisten ebenso, vielleicht gar verstärkt gilt, ist zu eruieren. In einer weiteren Typologie setzt Betzelt die subjektiven Berufsbilder und die Wahrnehmung der Marktbedingungen miteinander in Bezug. Entweder ergibt sich ein Konflikt oder eine Kongruenz. In der ersten Kategorie des Konflikts ist vor allem der Beruf-als-Berufungs-Typ anzutreffen. Hier wird in drei Subkategorien die Diskrepanz zwischen Selbst- und Berufsanspruch sowie den Marktbedingungen ausgehandelt. Die dominierende Form der Auseinandersetzung wird mit »Standbein-Spielbein-Variante« bezeichnet. Gerade Journalisten beklagen nämlich, dass sie ihre Ansprüche an den Beruf nicht mehr mit den Marktbedingungen vereinbaren können, also z.B. Recherchen
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5.3 ZUR TYPIK UND NOTWENDIGKEIT DER BERUFSAUFFASSUNG auf eigene Kosten übernehmen müssen (wenn sie nicht ganz entfallen), da die Honorare so gering seien. Demzufolge teilen sie ihre berufliche Tätigkeit auf: Die Kerntätigkeit, das »Spielbein«, wird zwar oft unterbezahlt, aber mit hohen Ansprüchen versehen ausgeführt. »Standbein« bedeutet, dass man als Nebentätigkeiten notgedrungen Aufträge annimmt, um das nötige Einkommen zu erzielen. Die befragten Journalisten geben hier bspw. PRAufträge an, die sie des Geldes wegen ausführen, aber mit ihrer professionellen Ethik kaum vertreten können. Diese Mischkalkulation führt als Marktbehauptungsstrategie zu einer Rationalisierung der Arbeit, die sich in abgestuften Qualitätsstandards und Aufwand niederschlägt. Die zweite Möglichkeit des Umgangs mit als feindlich wahrgenommenen Marktbedingungen ist die des Aushandelns von eigenen Ansprüchen und denen des Kunden, indem man versucht, überzeugend für die eigene Position zu werben. Allerdings ist man auch zu Kompromissen bereit, was Betzelts dritter Typ der »reinen Lehre« von Beginn an ausschließt. Hier ist die Identifikation mit dem eigenen Produkt am höchsten, im Zweifel werden Aufträge, die mit den eigenen Vorstellungen konfligieren, erst gar nicht angenommen. Als Marktbehauptungsstrategie weicht dieser Typus daher, um seinen Ruf nicht zu beschädigen, auf berufs- und marktfremde Bereiche zur Existenzsicherung aus, die »Aushandler« dagegen verfeinern ihre Vermarktungs- und Präsentationstechniken. Nur ein kleiner Teil der von Betzelt untersuchten Selbständigen war dem Kongruenz-Typ der Vereinbarkeit der Wahrnehmung von Marktbedingungen und eigenem Berufsverständnis zuzuordnen.164 Das Berufsethos kreativer Arbeitssubjekte fungiert einerseits als ein Brückenglied zwischen den Anforderungen einer globalisierten Kulturindustrie und der Subjektivität der Kreativen, es trägt andererseits auch zur Ver-
164
»Nicht zu vergessen ist allerdings die Tatsache, dass eine Vielzahl von Befragten die Erfahrung macht, allein auf der Basis ihrer fachlichen Kompetenz und der Erfüllung bestimmter beruflicher und ethischer Standards ihre Existenz nicht sichern zu können«, warnt Sigrid Betzelt (2006: 43). Deshalb ist insgesamt also festzuhalten, dass viele Strategien von Menschen in freier Kulturarbeit ersonnen werden, um subjektive Orientierungen und Marktbedingungen zu vereinbaren. Diese Balancierung erfordert einen immensen Aufwand an Zeit, eine große Effizienz und (auch intellektuelle) Flexibilität der Beteiligten. Inwiefern also für den Popmusikjournalismus von Tendenzen einer EntBeruflichung gesprochen werden kann (vgl. Blöbaum 2004: 213) oder ob somit seine Professionalität und Identität bedroht seien, woraus Weischenberg, Malik und Scholl (2006: 7) Folgen für die Kommunikationsverhältnisse — hier erweitert zu: über populäre Musik — in der Gesellschaft ableiten, kann nur durch eine zu unternehmende Untersuchung der freien Musikjournalisten, die für die Popmusikmagazine tätig sind, erfahren werden.
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5. DISKUSSION UND AUSBLICK breitung neuer Subjektideale, Lebensformen und Mentalitätsmuster bei.165 Denn faktisch betrachtet müsste die Bilanz der Alleindienstleister in den Kulturberufen eigentlich negativ ausfallen: Hier arbeiten vor allem Hochqualifizierte166, die außer einem Computerarbeitsplatz selten über Betriebsvermögen verfügen, die sich häufig eher am unteren Ende der Einkommensskala167 bewegen, die sich — oft in den eigenen vier Wänden bei langen, sich über die Werktage hinaus auf das Wochenende erstreckenden Arbeitszeiten168 — auf nur unzureichend gesetzlich oder kollektiv regulierten Märkten behaupten müssen, deren Schwankungen sie unmittelbar in »feast and famine cycles« zu spüren bekommen (Leadbeater/Oakley 1999: 27). Es bleibt zu fragen, warum so wenig Kritik aus den Reihen der Hochgebildeten an diesen Arbeitsformen zu vernehmen ist.169 Offensichtlich finden die Betroffenen immer wieder gute Gründe, diese Verhältnisse zu ertragen und zu rechtfertigen. Betzelt (2006: 6) vermutet angesichts steigender Attraktivität dieser Arbeitsform, dass sowohl der überlastete Arbeitsmarkt als auch ein individueller Autonomiegewinn auf der subjektiven Ebene aus-
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Vgl. etwa das Lob der freien Arbeit in der sogenannten Digitalen Bohème bei Friebe und Lobo (2008). Bei Betzelt (2006: 12) ist nachzulesen, dass laut Mikrozensus für die herangezogenen Kulturberufe rund die Hälfte der hier Tätigen mit einem Fachhochschul- oder Hochschulabschluss ausgestattet ist; ihre eigene Stichprobe (n = 306) hatte sogar eine Rate von rund 80% Prozent. Bei allen Schwierigkeiten, Informationen über die Einkommenssituation Selbständiger zu erhalten (dokumentiert in Betzelt 2006: 10ff.), kennzeichnet die Berufsgruppe der Journalisten im Jahr 2003, dass kumuliert 70% der Befragten weniger als 30.000 Euro als durchschnittliches Jahresnettoeinkommen erzielen. Gerade einmal 9% weisen mehr als 50.000 Euro aus. Damit liegt die typische Linksschiefigkeit der Einkommensverteilungen über alle Kulturberufe vor. Im Übrigen muss den Journalisten tatsächlich im Vergleich zu den sonst herangezogenen Designern, Übersetzern und Lektoren attestiert werden, dass sie verhältnismäßig »gut« verdienen (vgl. ebd.: 19). Mehr als ein Drittel der Freelancer bezeichnet Wochenarbeitszeiten über 50 Stunden als normal (vgl. Betzelt 2006: 20f.). Im Jahr 2004 sind immerhin elf Seiten der Juli-Ausgabe der Spex (2004) dem Thema »Work in Progress« gewidmet, wo mehrere Spex-Autoren Artikel über die gegenwärtigen Umstrukturierungen der Arbeit veröffentlichen. Unter ihnen sind mit Wolfgang Frömberg (2004) und Dietmar Dath (2004b) auch diejenigen, die ihre Kritik an den Verhältnissen in Buchform publizierten (Frömberg 2008; Dath 2004a). In durchweg allen Artikeln ist der Ton eindeutig und überaus reflexiv: Man weiß um seine Funktion als »flexibles Rolemodel wirtschaftlicher Vorstellungen[,] den Takt ungerechter Sozialreformen anzugeben«, während »die involvierten Wissensproduzenten und sonstigen Kulturheinis täglich mit den Ast ab[sägen], auf dem sie sitzen. Prekarisierung ist das Wort, das die Kluft zwischen Glamour-Versprechen sowie einer zunehmend privatisierten Selbstfürsorge in so genannten freien Beschäftigungsverhältnissen umschreibt« (Spex 2004: 77).
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5.3 ZUR TYPIK UND NOTWENDIGKEIT DER BERUFSAUFFASSUNG schlaggebend sind für die Wahl der Erwerbsform der Selbständigkeit. Insgesamt bestehe bei den flexiblen Wissensarbeitern ein hoher Grad an Reflexivität, das Risiko von Selbstausbeutung sei zwar vorhanden, aber »als der Selbständigkeit prinzipiell inhärent akzeptiert« (Betzelt 2006: 51). Zu vermuten ist für die Musikredakteure außerdem, dass das im vorigen Kapitel erwähnte hohe Ausmaß an Selbstverwirklichung, das sie ihrer Arbeit zuschreiben, als Entschädigung für die als schwierig benannten Umstände der Arbeit ausreicht und somit für eine gewisse Zufriedenheit sorgt. Gerade dort, wo die Strukturen der Organisation von Kultur in den Redaktionen an einen Knotenpunkt gelangen und also Zusammenhänge erkennbar werden, rangiert das Interesse an persönlichen Motiven höher als ein vernehmbarer politischer Veränderungswille.170 Das soll nicht bedeuten, dass die Redakteure nicht die Probleme sähen — denn das tun sie — oder dass sie alleine Schuld an den Verhältnissen wären. Ganz im Gegenteil: Mit Bourdieu argumentiert sind sie innerhalb der Medien sowohl ein Instrument wie auch ein Opfer der symbolischen Gewalt, die für die Aufrechterhaltung der herrschenden Ordnung sorgt. Denn diese symbolische Macht ist eine ökonomische, politische und kulturelle Macht, die sich auf der Ebene von Sinn und Erkennen entfaltet und »die Macht hat, sich in ihrer Wahrheit als Macht, als Gewalt, als Willkür verkennen zu lassen« (Bourdieu 1992: 82). Diese übersehene bzw. nicht thematisierte Macht wird somit zu einer anerkannten Macht, die hinter dem Rücken der Akteure agiert. Wenn also der frei arbeitende Alleindienstleister als Promoter Aufgaben übernimmt, für die früher eine ganze Abteilung eines Unternehmens zuständig war, wenn der von ihm umworbene Redakteur ebenfalls nur einen befristeten Auftrag für ein bestimmtes Thema oder eine zeitlich klar be170
Bei Boltanski und Chiapello (2006: 215ff.) findet sich die Argumentation, dass gerade die Motive des Autonomiegewinns und der alternativen kreativen Organisation von Arbeit und Leben, wie sie innerhalb einer Künstleravantgarde der 1960er Jahre als Kritik am Kapitalismus geäußert wurden, zu einer Modernisierung des Kapitalismus in seiner heutigen Form geführt hätten. Denn er verfügt über die Fähigkeit, Kritik zu absorbieren, sodass bereits in den 1980er Jahren Managerliteratur den (buchstäblichen) Wert von Kreativität und von Einstellungen wie Spontaneität predigen konnte. Auf den Punkt bringen es Frank Witzel, Klaus Walter und Thomas Meinecke, drei Mitte der 1950er Jahre geborene freie Journalisten, Schriftsteller und Musiker: »Das kulturschaffende Proletariat ist das Vorbild, das ist auch das Ironische, für die Flexibilisierung, die immer eingefordert wird. Wir haben das vorgemacht, als komische selbstausbeuterische Ich-AG. Deshalb ist ja auch die ganze Kreativitäts- und Schrägohuberei in offiziellen Wirtschaftskreisen, bis hin zu schreienden Managern irgendwo in der Toskana, genau von uns abgeguckt. Deshalb sind das auch ehemalige K-Gruppen-Mitglieder, die sich in der Toskana in irgendwelche Erdlöcher pflanzen« (Witzel/Walter/Meinecke 2004: 144).
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5. DISKUSSION UND AUSBLICK grenzte Anweisung wie die Fertigstellung einer Heftausgabe hat, handeln beide miteinander im Bewusstsein, dass nur ein gutes Arrangement ihrer Interessen eine auskömmliche Situation für sie herstellt. Bourdieu (1998: 21) bezeichnet dieses Handeln zu Recht als stillschweigende Komplizenschaft derjenigen, die die symbolische Gewalt erleiden und ausüben, ohne dass sie sich dessen bewusst zu sein haben. Diese Beziehung bewirkt, »daß bestimmte Aspekte dieser Welt stets jenseits oder diesseits kritischer Infragestellung stehen« (Bourdieu 1992: 82). Der ehemalige Spex-Redakteur Uh-Young Kim beschreibt die Zwänge der Arbeit und deren Folgen für eine ausbleibende Politisierung aus der Praxis des »Medienarbeiters«: »Der Apparat erwacht und verlangt ungeteilte Aufmerksamkeit. Die nette Stimme aus der Emo-Promo-Abteilung ist dran, Schutzschild hochfahren: ›Ja, hm, noch nicht reingehört, ich bin gerade auf der anderen Leitung. Bis später.‹ Irgendwie müssen ja alle beschäftigt bleiben. Die einen ›fest angestellt‹, die anderen ›selbstständig‹ wie ›alleinstehend‹, jeder eine Klasse für sich, kritisch bis zur Wohnungstür. Würde abschalten, Zielgruppe anvisieren« (Kim 2004: 79). Die unter den Musikredakteuren vorherrschende Arbeitsauffassung und -form, die durch flexible, weitgehend selbstbestimmte Organisation und subjektinterne Kontrollinstanzen gekennzeichnet sind, können als typisch im heutigen Kapitalismus angesehen werden. Sie haben eine Gruppe von Musikkommunikatoren hervorgebracht, die ihr kulturelles Kapital zur »Rechtfertigung der ästhetischen und symbolischen Aufladung von Waren- und Dienstleistungsmärkten einsetzt« (Koppetsch 2006: 109). Eine wissenschaftliche wie auch alltägliche Beschäftigung mit Musikmagazinen, ob als Quelle für die Beantwortung musikhistorischer, soziologischer oder ästhetischer Fragestellungen resp. aus Gründen des Zeitvertreibs, Lustgewinns oder als bloßer Kaufberater, muss sich dieser verborgenen Prozesse der Produktion bewusst werden, will sie besser verstehen, welche Funktionen Popmusik in der gegenwärtigen Gesellschaft innehat.
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texte zur populären musik Andreas Gebesmair Die Fabrikation globaler Vielfalt Struktur und Logik der transnationalen Popmusikindustrie 2008, 368 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-89942-850-6
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Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de