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German Pages V, 53 [54] Year 2020
Bioökonomie im Selbststudium
Manfred Kircher
Bioökonomie im Selbststudium Unternehmensstrategie und Wirtschaftlichkeit
Zertifikatskurs Bioökonomie
Manfred Kircher
Bioökonomie im Selbststudium: Unternehmensstrategie und Wirtschaftlichkeit
Manfred Kircher KADIB, Frankfurt am Main Hessen, Deutschland
ISSN 2524-7107 ISSN 2524-7115 (electronic) Zertifikatskurs Bioökonomie ISBN 978-3-662-61004-6 ISBN 978-3-662-61005-3 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-61005-3 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Lektorat/Planung: Stephanie Preuss Springer Spektrum ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2 Märkte der Bioökonomie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 2.1 Ernährung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 2.2 Materialien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2.3 Energie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 3 Wettbewerbsfaktoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 3.1 Qualität und Funktionalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 3.2 Nachhaltigkeit/Fußabdruck. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 3.3 Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 4 Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 4.1 Versorgungsketten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 4.2 Politische Rahmenbedingungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 4.3 Zielkonflikte und gesellschaftliche Akzeptanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 5 Investitionsbedarf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 6 Partnerschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 7 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
V
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Einleitung
In der Bioökonomie geht das produzierende Gewerbe von bio-basierten Rohstoffen aus. Heute stehen bio-basierte Materialien und Energie im Wettbewerb mit konventionellen Produkten auf Basis von Kohle, Erdgas und Mineralöl. Mit dem Rohstoffwandel weg von fossilen und hin zu erneuerbaren Rohstoffen wird die Bioökonomie aber zwangsläufig an Bedeutung gewinnen, sich langfristig in dem Sektor organischer Materialien durchsetzen und in der Energie an Bedeutung gewinnen. In der Übergangsphase, die sich noch über mehrere Jahrzehnte erstrecken wird, sind Unternehmen gefordert, sich mittelfristigen Marktveränderungen zu stellen und ihre langfristige Strategie dem sich wandelnden Umfeld der Versorgungsketten, der Rahmenbedingungen und der Konsumentenerwartung anzupassen. Die Bioökonomie ist im Koalitionsvertrag der Bundesregierung (2018) verankert, das Bundesforschungsministerium BMBF ruft 2020 das Wissenschaftsjahr der Bioökonomie aus und auch die EU verfolgt seit langem eine Bioökonomiestrategie. Trotzdem bleibt der Begriff der Bioökonomie in der öffentlichen Debatte erklärungsbedürftig und vielen Unternehmern und Unternehmerinnen fällt es schwer, das Geschäftspotential zu erkennen. Dabei ist die Bioökonomie kein abstraktes Konzept; sie bedient bereits heute die großen und umfassenden Märkte der Ernährung, bio-basierter Materialien und Energie. Diese Märkte sind umfassend und komplex und insbesondere diejenigen der Materialien und der Energie stehen im scharfen Wettbewerb mit konventionellen Produkten, die von den fossilen Rohstoffen Kohle, Erdgas und Mineralöl ausgehen. Gleichzeitig kommt auf diese Märkte in den nächsten Jahrzehnten ein enormer Wandel zu, denn in dem Pariser Klimaabkommen1 wurde verbindlich vereinbart, die Emission von Treibhausgasen bis 2050 durch Vermeidung und die Schaffung von Senken
1UNFCC (2015) Adoption of the Paris Agreement. https://unfccc.int/resource/docs/2015/cop21/ eng/l09r01.pdf.
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1 Einleitung
im Vergleich zu 1990 um 95 % zu reduzieren. Dies erfordert den Rohstoffwandel von fossilen zu erneuerbaren Kohlenstoffquellen. Die Zukunft liegt also in der Herstellung, der Verarbeitung und dem Recycling bio-basierter Rohstoffe in ihrer ganzen Vielfalt; eben der Bioökonomie. Die kommende Transformationsphase von einer fossil- in eine bio-basierte Wirtschaft ist eine besondere unternehmerische Herausforderung, auf die sich Unternehmen im kurz- und mittelfristigen Wettbewerb, aber auch in der strategischen Ausrichtung einstellen müssen. Sie brauchen deshalb eine langfristige und zugleich flexible Strategie, um ihre Geschäftsziele zuverlässig erreichen zu können. Dabei ist es grundlegend, in einem sich wandelnden Umfeld den Zielmarkt zu analysieren und den spezifischen Kundennutzen herauszuarbeiten, mit dem sich das Unternehmen im Wettbewerb unterscheiden möchte. In der einschlägigen Fachliteratur werden für den Kundennutzen Preis, Qualität und Service in den Vordergrund gerückt, aber auch der ökologische Fußabdruck gewinnt zunehmend an Bedeutung. Diese als Alleinstellungsmerkmale bezeichneten Wettbewerbsfaktoren gilt es an die Zielkunden, seien es ganz unterschiedlich vorgebildete Endkonsumenten (business-to-consumer; B2C) oder Fachleute (business-to-business; B2B) zu kommunizieren. In beiden Fällen ist die Akzeptanz der Abnehmer entscheidend für eine dauerhafte Geschäftsbeziehung. Weiterhin sind die allgemeinen Rahmenbedingungen, auf die Unternehmen nur bedingt Einfluss haben, zu berücksichtigen. Sie reichen von Versorgungsketten über politische Rahmenbedingungen bis hin zu gesellschaftlicher Akzeptanz. Und schließlich muss die Unternehmensstrategie sich damit auseinandersetzen, wann der richtige Zeitpunkt für die Einführung bio-basierter Güter und Dienstleistungen gekommen sein wird. Im Folgenden werden zunächst die verschiedenen Märkte für bio-basierte Produkte vorgestellt und anschließend die vielfältigen Aspekte diskutiert, die Unternehmen in ihren Strategien berücksichtigen müssen, die in die Bioökonomie führen.
2
Märkte der Bioökonomie
Der traditionelle Markt der Bioökonomie ist die Ernährung. Auch die Holzverarbeitung ist Teil der bestehenden Bioökonomie. In den Wirtschaftssektoren Konstruktionsmaterialien, Papier, Textilfasern, Chemie, Pharma, Wärme, Strom und Kraftstoffe hat die Bioökonomie dagegen erhebliches Wachstumspotential. Der damit einhergehende Bedarf an bio-basierten Rohstoffen wird allerdings mit der Flächennutzung für die Ernährung in Wettbewerb geraten. Deshalb hat die wachsende Bioökonomie auch auf die Märkte der Ernährung Auswirkungen. Das Kapitel diskutiert den heutigen Stand der Bioökonomie in den genannten Branchen sowie das zukünftige Potential und begrenzende Faktoren. Die Bioökonomie umfasst eine Vielzahl von Märkten, die in Deutschland zusammen einen Umsatz von rund 360 Mrd. EUR generieren. Dabei ist zwischen den Sektoren der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft, die Biomasse produzieren, und den Branchen Ernährung. Papier, Chemie und Pharma, Holzverarbeitung, Textilien und Biokraftstoffe zu unterscheiden, die Biomasse verarbeiten. Die Produktion von Biomasse erzeugt einen Umsatz von rund 60 Mrd. EUR, während deren Verarbeitung rund 300 Mrd. EUR generiert (Abb. 2.1). Der Anteil biobasierter Produkte ist in den einzelnen Branchen sehr unterschiedlich. Die Umsätze der Biomasse erzeugenden Branchen sowie der verarbeitende Bereich der Ernährung beruhen erwartungsgemäß vollständig auf biobasierten Produkten. Die anderen verarbeitenden Sektoren verwenden dagegen zu unterschiedlichen Anteilen auch fossile Kohlenstoffquellen und erwirtschaften deshalb naturgemäß nur einen Teil ihres Umsatzes mit biobasierten Produkten (Abb. 2.2). Dies sind zugleich diejenigen Branchen, in denen biobasierte Produkte ein zum Teil erhebliches Expansionspotential haben, das über das reine Wirtschaftswachstum dieser Bereiche weit hinausgeht. Im Folgenden werden die verschiedenen Märkte der verarbeitenden Industrien vorgestellt.
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2 Märkte der Bioökonomie
4
Umsatz [Mrd. EUR]
172
Ernährung 40
Papier Chemie, Pharma
37
Holzverarbeitung
36 9
Textil
Biomasse verarbeitende Branchen 297 Mrd. EUR Umsatz
2
Biotreibstoffe Landwirtschaft
49
Forstwirtschaft
Biomasse produzierende Branchen 59 Mrd. EUR Umsatz
9
Fischerei
0
0
30
60
90
120
150
180
210
Abb. 2.1 Umsatz mit bio-basierten Produkten in verschiedenen Branchen [1–3] Landwirtschaft Forstwirtschaft Fischerei Holzverarbeitung Papier Textil Chemie, Pharma Strom Kraftsto e 0%
25 %
50 %
75 %
100 %
Umsatzanteil bio-basierter Produkte
Abb. 2.2 Umsatzanteil bio-basierter Produkte in verschiedenen Branchen
2.1 Ernährung Die traditionelle Ernährungsindustrie wird häufig nicht als Bereich der industriellen Bioökonomie betrachtet. Wegen der zahlreichen Überschneidungen muss die Ernährung aber doch wenigstens kurz behandelt werden, denn einerseits ist auch die Ernährung ein bedeutender Markt für die moderne Bioökonomie und andererseits können beide Bereiche bezüglich der Nutzung landwirtschaftlicher Flächen in einen Wettbewerb geraten, der durchaus konfliktträchtig werden kann.
2.1 Ernährung
5
Tab. 2.1 Umsatz des produzierenden Ernährungsgewerbes (2017) Mrd. EUR Verarbeitung Schlachten und Fleischverarbeitung
38,2
Milchverarbeitung
27,1
Getränkeherstellung
19,1
Herstellung von Back- und Teigwaren
16,7
Obst- und Gemüseverarbeitung
9,9
Herstellung von Futtermitteln
7,0
Herstellung von Stärke und Stärkeerzeugnisse
4,9
Herstellung von pflanzlichen und tierischen Ölen und Fetten
4,7
Fischverarbeitung
2,0
Herstellung von sonstigen Nahrungsmitteln (ohne Getränke)
30,3
Summe Verarbeitungshilfsstoffe und Zusatzstoffe
159,9
Nahrungsergänzungsmittel
1,4
Aromen
0,3
Lebensmittelenzyme
100 Mitglieder: • 50 % KMU • 25 % international
•
Mitgliedschaft vereint verschiedenste Akteure aus Wissenschaft und Wirtschaft
•
Branchenübergreifendes Netzwerk Chemie, Energie, Stahl, Agrar, Forst, Papier, Anlagenbau, Nahrungsmittel, Konsumgüter
•
Internationales Netzwerk mit Clusterkern in NRW
•
> 70 Mrd. EUR akkumulierter Umsatz
Abb. 6.1 Mitgliederstruktur und Profil des Clusters industrielle Biotechnologie
6 Partnerschaften
46
richtungen, Investoren und weitere in der Bioökonomie tätige Mitglieder (Verbände, Patentanwälte, Berater) organisiert. Fast die Hälfte der Mitglieder sind mittelständisch (Chemie, Biotechnologie u. a.). Der regionale Kern der Mitgliedschaft ist im Chemieland Nordrhein-Westfalen beheimatet, was den Fokus des Clusters auf bio-basierte Chemie erklärt. Der akkumulierte Umsatz aller Mitglieder liegt bei 70 Mrd. EUR, woraus sich ein Volumen privater Forschungsbudgets aller Industriemitglieder von rund 2 Mrd. EUR abschätzen lässt. Damit bietet dieser Cluster nicht nur ein Netzwerk, das schon an sich wertvoll ist, sondern auch einen Markt für Rohstoffe, Zwischen- und Endprodukte, Technologien und Technologieentwicklung. Es überrascht deshalb nicht, dass 25 % der Mitglieder ihren Sitz im europäischen Ausland und darüber hinaus haben. Über eigene Budgets an Fördermitteln für Forschungsvorhaben verfügen die in Tab. 6.4 genannten Innovationsräume Bioökonomie, die seit 2019 vom BMBF mit insgesamt 80 Mio. EUR gefördert werden. Ihre Aufgabe ist es, allen interessierten Akteuren wissenschaftlicher Einrichtungen, Unternehmen, der Politik und der Gesellschaft eine Plattform zu bieten, die Forschungsthemen diskutiert und darauf aufbauend entsprechende Forschungskooperationen organisiert. Die Themengebiete reichen von der Ernährung über Textilien hin zu der Nutzung von Abfallmaterialien in Metropolen und marinen Regionen (Tab. 6.4). Unternehmen können also ganz unterschiedliche Plattformen nutzen, um sich zu informieren, Kontakte zu knüpfen und in Kooperation Strategien zu entwickeln. Richtig genutzt, können so ganz ungewöhnliche Partnerschaften mit hohem Innovationspotential entstehen. Nur ein Beispiel unter vielen ist die Allianz Biotenside [56], in der Unternehmen der Zuckerwirtschaft (Pfeiffer & Langen) und der Chemie (BASF, DALLI-Werke, Henkel) gemeinsam mit kleinen und mittleren Unternehmen, Universitäten und Forschungseinrichtungen von 2019 bis 2020 neue Wege zu bio-basierten Tensiden erforschen (Tab. 6.5). Tab. 6.4 Innovationsräume Bioökonomie Innovationsraum
Kontakt
BamS
Bioökonomie auf marinen Standorten
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
BioBall
Provadis School of International Bioökonomie im Ballungsraum Stoffliche Verwertung von biobasierten Management and Technology AG Neben- und Abfallprodukten von Ballungsräumen
BioTexFuture
Herstellung biobasierter Textilien auf Basis nachhaltiger Rohstoffkreisläufe
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen
NewFoodSystems
Entwicklung neuer flächen- und ressourcenschonender Systeme der Lebensmittelproduktion unter Einbindung von Konsumenten
Max-Rubner-Institut Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel
6 Partnerschaften
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Tab. 6.5 Die Partner der Allianz Biotenside AnalytiCon Discovery GmbH, Potsdam
Fraunhofer Institute for Interfacial Engineering and Biotechnology IGB, Stuttgart (Koordination)
BASF SE, Ludwigshafen
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Karlsruhe
Biotensidon GmbH, Karlsruhe
Technische Universität München, München
DALLI-WERKE GmbH & Co. KG, Stolberg (Koordination)
Universität Hohenheim, Stuttgart
Festo AG & Co. KG, Esslingen
Universität Stuttgart, Stuttgart
Henkel AG & Co. KGaA, Düsseldorf Pfeifer & Langen GmbH & Co. KG, Köln Insilico Biotechnology AG, Stuttgart Hermetia Baruth GmbH, Baruth/Mark Brandenburg
7
Zusammenfassung
Produkte der Bioökonomie sind heute erst in relativ kleinen Märkten oder Nischen kommerziell erfolgreich. Bis 2050 wird der Rohstoffwandel aber die großen Bereiche der Chemie und einen Teil der Treibstoffe erfassen. Die Bedeutung der ökologischen Nachhaltigkeit sowohl als Wettbewerbsfaktor am Markt als auch als Kriterium für die Einwerbung von Investitionsmitteln nimmt zu. Nachhaltigkeit und die politischen Rahmenbedingungen sind die entscheidenden Treiber der Bioökonomie. Bio-basierte Produkte können sowohl kleine, spezialisierte als auch großvolumige Märkte bedienen. Volumenmäßig überschaubar sind die Fein- und Spezialchemie sowie Pharma-Wirkstoffe. Hier sind bio-basierte Produkte aufgrund ihrer Funktionalität bereits heute wettbewerbsfähig und bieten somit lohnende Investitionsziele. Mit ihrem geringen ökologischen Fußabdruck tragen sie ohne Zweifel zur Nachhaltigkeit der produzierenden Unternehmen bei; auf den Fußabdruck Deutschlands haben sie aber wegen des vergleichsweise kleinen Volumens nur geringen Einfluss. Anders sieht es für die großvolumigen Bereiche der Bioenergie und der Grundchemie aus. Ihre Umstellung auf bio-basierte Rohstoffe wäre signifikant. Konventionelle Bio-Treibstoffe für den Straßenverkehr sind bereits seit vielen Jahren auf dem Markt; ihr Anteil ist allerdings europaweit gedeckelt und kann deshalb nicht wachsen. Nur innerhalb dieses Sektors kann es zu Verschiebungen zu beispielsweise synthetischen Kraftstoffen kommen. Es lohnt sich also durchaus, auch in diesem Bereich Alternativen zu verfolgen. Eine besondere Chance haben die sogenannten fortschrittlichen Biotreibstoffe auf Basis von Holz und Abfällen, für deren Angebot Quoten vorgeschrieben sind und deshalb mittelfristig Kapazitäten aufgebaut werden müssen. Nicht gedeckelt sind Treibstoffe für den Schiffs- und Flugverkehr, die mittel- bis langfristig großes Marktpotential bieten. Weil die für diese und die fortschrittlichen Kraftstoffe erforderlichen Verarbeitungsprozesse auch für andere Produkte der Chemie geeignet sind, bietet sich für Technologie-
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7 Zusammenfassung
entwickler und Anlagenbauer ein über den Treibstoffmarkt weit hinausgehendes Potential. Bio-basierte Produkte der Grundchemie stehen zwar heute in direktem Kostenwettbewerb mit konventionellen Produkten und sind deshalb nur in Nischen erfolgreich. Sie bieten aber langfristig bis 2050 eine bedeutende Option, wobei sich dieser Zeithorizont unter geänderten Rahmenbedingungen stark verkürzen kann. Wenn fossil-basierte Produkte durch Besteuerung oder eine Ausweitung des Handels von Emissionszertifikaten belastet werden, kann dies die Wettbewerbssituation stark verändern. Für Unternehmen ist es nicht einfach, Investitionen zu tätigen, deren Wirtschaftlichkeit von variablen Rahmenbedingungen abhängt. Deren Änderung kann Geschäftsmodelle und Investitionen grundlegend gefährden. Dennoch gilt für die gesamten Bereiche fossil-basierter Energie und Chemie, dass entsprechend dem Pariser Klimaabkommen bis 2050 ein nahezu vollständiger Rohstoffwandel erreicht sein muss. Die Umstellung auf bio-basierte Rohstoffe ist dabei für den Energiesektor eine von mehreren Möglichkeiten, für die (organische) Chemie allerdings die einzige Option. Diese Option ist vielfältig und umfasst die Verwendung primärer Biomasse, von festen und flüssigen Seiten- und Abfallströmen und von gasförmigen Kohlenstoffquellen. In diese Umstellung zu investieren, ist deshalb keine Frage des „ob“, sondern eher des „wann“. Dabei bestimmen die Rahmenbedingungen ganz wesentlich den richtigen Zeitpunkt.
Literatur
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