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German Pages 106 [108] Year 1902
Mozart auf der Reife nach Prag Novelle von
göuarö WSrrke Siebente Auslage
Leipzig 6. J. SSschen'sche Verla-shan-l«n1902
Alle Rechte von der Berlagshandlnng Vorbehalten.
Druck von Carl RemboldL Co., Heilbronn a. N.
auf der Keife nach Krag. Novelle.
§m Herbst des Jahres 1787 unternahm Mozart
in Begleitung seiner Frau eine Reise nach Prag, um
Don Juan daselbst zur Aufführung zu bringen.
Am dritten Reisetag, den vierzehnten September gegen elf Uhr morgens, fuhr das wohlgelaunte Ehe
paar noch nicht viel über dreißig Stunden Wegs von
Wien entfernt, in nordwestlicher Richtung, jenseits vom Mannhardsberg und der deutschen Thaya, bei
Schrems, wo man das schöne Mährische Gebirg bald
vollends überstiegen hat. „Das mit drei Postpferdeir bespannte Fuhrwerk,"
schreibt die Baronesse von T. an ihre Freundin, „eine stattliche gelbrote Kutsche, war Eigentum einer ge
wissen alten Frau Generalin Volkstett, die sich auf ihren Umgang mit dem Mozartischen Hause und ihre
ihm erwiesenen Gefälligkeiten von jeher scheint etwas
zu gut gethan zu haben." — Die ungenaue Beschrei
bung des fraglichen Gefährts wird sich ein Kenner
des Geschmacks der achtziger Jahre noch etwa durch einige Züge ergänzen.
Der
gelbrote Wagen
ist
hüben und drüben am Schlage mit Blumenbouquets, in ihren natürlichen Farben gemalt, die Ränder mit schmalen Goldleisten verziert, der Anstrich aber noch
keineswegs von jenem spiegelglatten Lack der heutigen
Wiener Werkstätten glänzend, der Kasten auch nicht völlig ausgebaucht, obwohl nach unten zu kokett mit
einer kühnen Schweifung eingezogen; dazu kommt ein hohes
Gedeck
starrenden
mit
Ledervorhängen,
die
gegenwärtig zurückgestreift sind. Von dem Kostüm der beiden Pasiagiere sei über
dies so viel bemerkt.
Diit Schonung für die neuen,
im Koffer eingepackten Staatsgewänder war der An zug des Gemahls bescheidentlich von Frau Constanzen
ausgewählt; zu der gestickten Weste von etwas verschoffenem Blau sein gewohnter brauner Überrock mit einer Reihe großer und dergestalt fatzonnierter Knöpfe, daß eine Lage
rötliches Rauschgold durch
ihr sternartiges Gewebe schimmerte, schwarzseidene Beinkleider, Strümpfe und auf den Schuhen ver
goldete Schnallen.
Seit einer halben Stunde hat er
wegen der für diesen Monat außerordentlichen Hitze sich des Rocks entledigt und sitzt vergnüglich plau-
«dKLttdwLttdKLn derod,
bütHaupt,
in Heiudärmelu
Madame
da.
Mozart trägt ein bequemes Reisehabit, hellgrün und weiß gestreift; halb aufgebunben fällt der Überfluß ihrer schönen, lichtbraunen Locken auf Schulter und Nacken hemnter; sie waren Zeit ihres Lebens noch
niemals von Puder
entstellt,
während
der
starke
in einen Zopf gefaßte Haarwuchs ihres Gemahls für
heute nur nachlässiger
als gewöhnlich damit ver
sehen ist. Man war eine sanft ansteigende Höhe zwischen
fruchtbaren Feldem, welche hie und da die ausgedehnte Waldung unterbrachen, gemachsam hinauf und jetzt
am Waldsaum angekommen.
„Durch wie viel Wälder," sagte Mozart, „sind wir nicht heute, gestern und ehegestern schon passiert!
— Ich dachte nichts dabei, geschweige daß mir ein gefallen wäre, den Fuß hinein zu setzen.
Wir stei
gen einmal aus da, Herzenskind, und holen von den blauen Glocken, die dort so hübsch im Schatten stehen. Deine Tiere, Schwager,
mögen ein
bißchen ver
schnaufen."
Indem sie sich beide erhoben, kam ein kleines Un
heil an den Tag, welches dem Meister einen Zank
zuzog.
Durch seine Achtlosigkeit war ein Flacon mit
kostbarem Riechwasier aufgegangen und hatte seinen Inhalt unvernierkt in die Kleider und Polster er-
„Ich hätt' es beuten sönnen," klagte sie, „es
gossen.
duftete schon lang so stark! O weh, ein volles Fläsch chen echte 3lofee d'Aurore
rein
ausgeleert!
Ich
sparte sie wie Gold." — Ei, Närrchen," gab er ihr
zum Trost zurück,
aus solche Weise
„begreife doch,
ganz allein war uns dein Götter-Niechschnaps etwas Erst saß man in einem
nütze.
Backofen und
all
dein Gefächel half nichts, bald aber schien der ganze Wagen
gleichsam
ausgekühlt;
du schriebst
es
den
paar Tropfen zu, die ich mir auf den Jabot goß; wir waren neu belebt und das Gespräch floß munter
fort, statt daß wir sonst die Kopse hätten hängen lassen
wie die Hämmel auf des Fleischers Karren; und diese Wohlthat wird uns auf dem ganzen Weg begleiten. Jetzt
aber laß uns
doch
einmal zwei Wieiierische
Nos'n recht expreß hier in die grüne Wildnis stecken!" Sie stiegen Arm in Arm über den Graben an
der Straße und sofort tiefer in die Tannendunkelheit hinein, die, sehr bald bis zur Finsternis verdichtet, nur hin und wieder von einem Streifen Sonne auf
sammetnem Moosboden grell durchbrochen ward.
Die
erquickliche Frische, im plötzlichen Wechsel gegen die
außerhalb
Mann
herrschende
Glut,
hätte
dem
sorglosen
ohne die Vorsicht der Begleiterin gefährlich
werden können.
Mit Mühe drang sie ihm das in
Bereitschaft gehaltene Kleidungsstück auf. — „Gott,
welche Herrlichkeit!" rief er, an den hohen Stämmen hinaufblickend, aus: „man ist als wie in einer Kirche! Mir deucht, ich war niemals in einem Wald, und
besinne mich jetzt erst, was es doch heißt, ein ganzes
Volk von Bäumen bei einander!
Keine Menschenhand
hat sie gepflanzt, sind alle selbst gekomnien, und stehen
so, nur eben weil es lustig ist beisammen wohnen
und «irlschastm.
Siehst
du, mit jungen Jahren
fuhr ich doch in halb Europa hin und her, habe die Alpen gesehn und
das Meer,
das
Größeste und
Schönste, was erschaffen ist: jetzt steht von ungefähr der Gimpel in einem ordinären Tannenwald an der böhmischen Grenze, verwundert und verzückt, daß sol
ches Wesen irgend existiert, nicht etwa nur so una
finzione di poeti ist,
wie ihre Nymphen, Faune
und dergleichen mehr, auch kein Komödienwald, nein aus dem Erdboden heraus gewachsen, von Feuchtig
keit und Wärmelicht der Sonne groß gezogm!
ist zu Haus der Hirsch,
Hier
mit seinem wundersamen
zackigen Gestäude auf der Stirn, das possierliche Eich horn, der Auerhahn, der Häher." — Er bückte sich,
brach einen Pilz und pries die prächtige hochrote
Farbe des Schirms, die zarten weißlichen Lamellen an deffen unterer Seite, auch steckte er verschiedene Tannenzapfen ein. „Man könnte denken," sagte die Frau, „du habest
rdkLNHSKLttdü nicht zwanzig Schritte
noch
hinein in den Prater
gesehm, der solche Raritätm doch auch wohl aufzu weisen hat."
„Was Prater! Sapperlot, wie du nur das Wort
hier nennen magst!
Vor lauter Karaffen,
Staats
degen, Roben und Fächern, Musik und allem Spek
takel der Welt, wer sieht denn da noch sonst etwas? Und selbst die Bäume dort,
so breit sie sich auch
machen, ich weiß nicht — Bucheckern und Eicheln, am
Boden verstreut, sehn Halter aus als wie Geschwister kind mit der Unzahl verbrauchter Korkstöpsel darunter.
Zwei Stundm weit riecht das Gehölz nach Kellnem und nach Saucen."
„O unerhört!" rief sie, „so redet nun der Mann, dem gar nichts über das Vergnügen geht, Backhähnl im Prater zu speisen!"
Als beide wieder in dem Wagen saßen und sich die Straße jetzt
Wegs
nach
einer kurzen Strecke
allmählich abwärts senkte,
ebenen
wo eine lachende
Gegend sich bis an die entfernteren Berge verlor,
fing unser Meister, nachdem er eine Zeitlang still gewesen, wieder an: „Die Erde ist wahrhaftig schön,
und keinem zu verdenken, wenn er so lang wie mög lich darauf
bleiben will.
Gott sei's gedankt, ich
fühle mich so frisch und wohl wie je, und wäre bald
zu tausend Dingen aufgelegt, die denn auch alle nach»
einander an die Reihe kommen sollen, wie nur mein neues Werk vollendet und ausgeführt sein wird.
Wie
viel ist draußen in der Welt, und wie viel daheim.
Merkwürdiges und Schönes, das ich noch gar nicht
kenne,
an Wunderwerken der Natur,
schasten, Künsten
und
nützlichen
an
Wiffen-
Gewerben!
Der
schwarze Köhlerbube dort bei seinem Meiler weiß dir
von manchen Sachen auf ein Haar so viel Bescheid wie ich, da doch ein Sinn und ein Verlangen in
mir wäre, auch einen Blick in Dies und Jens zu thun,
das eben nicht
zu meinem
nächsten
Kram
gehört." „Mir kam," versetzte sie, „in diesen Tagm dein
alter Sackkalender in die Hände von anno fünfund
achtzig; da hast du hinten angemerkt drei bis vier
Notabene.
man
Zum ersten steht: Mitte Oktober gießet
die großen Löwen in kaiserlicher Erzgießerei;
fürs zweite, doppelt angestrichen: zu besuchen.
Profesior Gattner
Wer ist der?"
„O recht, ich weiß — auf dem Observatorio der gute alte Herr, der mich von Zeit zu Zeit dahin ein
lädt.
Ich wollte längst einmal den Mond und 's
Mandl drin mit dir betrachten.
Sie haben jetzt ein
mächtig großes Fernrohr oben; da soll man auf der
ungeheuern Scheibe hell und deutlich bis zum Grei fen, Gebirge, Thäler, Klüfte sehen, und von der Seite,
wo die Sonne nicht hinfällt, den Schatten, den die Berge werfen.
Schon seit zwei Jahren schlag' ich's
an, den Gang zu thun, und komme nicht dazu, elen« der und schändlicher Weise!" „Nun," sagte sie, „der Mond entläuft uns nicht.
Wir holen manches nach." Nach einer Pause fuhr er fort: „Und geht es
nicht mit allein so?
O pfui, ich
darf nicht daran
was man verpaßt, verschiebt und hängen
denken,
läßt! — von Pflichten
gegen Gott
und Menschen
nicht zu reden — ich sage von purem Genuß, von den kleinen unschuldigen Freuden, die einem jeden
täglich vor den Füßen liegen." Madame Mozart kannte oder wollte von der Rich tung,
die sein leicht bewegliches Gefühl hier mehr
und mehr nahm, auf keine Weise ablenken, und leider konnte sie ihm nur von ganzem Herzen recht geben,
indem er mit steigendem Eifer fortfuhr: denn je nur
froh? passant!
meiner Kinder ein
„Ward ich
volles Stündchen
Wie halb ist das bei mir,
und immer en
Die Buben einmal rittlings auf das Knie
gesetzt, mich zwei Minuten mit ihnen durchs Zimmer
gejagt, und damit basta, wieder abgeschüttelt!
Es
denkt mir nicht, daß wir uns auf dem Lande zu-
sanunen einen schönen Tag gemacht hätten, an Ostern ober Pfingsten, in einem Garten ober Wäldel, auf
der Wiese,
wir unter uns allein, bei Kinderscherz
und Blumenspiel, um selber einmal wieder Kind zu werden.
Allinitlelst geht und rennt und saust das
Leben hin — Herr Gott! bedenkt man's recht, es
möcht' einem der Angstschweiß ansbrechen!" Mit
der
soeben
ausgesprochenen
Selbstanklage
war unerwartet ein sehr ernsthaftes Gespräch in aller
Traulichkeit und Güte zwischei« beiden eröffnet. teilen dasselbe nicht
ausführlich
mit, und
Wir
werfen
lieber einen allgemeinen Blick auf die Verhältniffe,
die teils
ausdrücklich
und
unmittelbar den Stoff,
teils auch nur den bewußten Hintergrund der Unter redung ausmachten.
Hier drängt sich uns voraus die schmerzliche Be trachtung auf, daß dieser feurige, für jeden Reiz der
Welt und für das Höchste, was dem ahnenden Ge
müt erreichbar ist, unglaublich empfängliche Diensch,
so viel er auch in seiner kurzm Spanne Zeit erlebt, genoffen und aus sich hervorgebracht, ein stetiges und
teilt befriedigtes Gefühl seiner selbst doch lebenslang entbehrte. Wer die Ursachen dieser Erscheinung nicht etwa
tiefer sucheit will, als sie vermutlich liegen, wird sie zunächst einfach
in jenen,
wie es scheint, unüber
windlich eingewohnten Schwächen finden, die wir so gern, und nicht
ganz ohne Grund, mit alle dem.
maS an Mozart der Gegenstand unsrer Bewunderung
ist, in eine Art notwendiger Verbindung bringen. Mannes Bedürsnisie waren sehr vielfach,
Des
seine Neigung zumal
ordentlich groß.
gesellige Freuden außer
für
Von den vornehmsten Häusern der
Stadt als unvergleichliches Talent gewürdigt und ge sucht, verschmähte er Einladungen zu Feste», Zirkeln
und Partien selten eigenen
Dabei that er der
oder nie.
innerhalb
Gastfteundschast
Kreise gleichfalls genug.
seiner
näheren
Einen längst hergebrachten
musikalischen Abend am Sonntag bei ihm, ein un
gezwungenes Diittagsmahl
an seinem wohlbestellten
Tisch mit ein paar Frerinden rind Bekannten, zwei-,
dreimal in der Woche,
das wollte er nicht missen.
Bisweilen brachte er die Gäste,
zum Schrecken der
Frau, unangekündigt von der Straße weg ins Haus,
Leute von sehr ungleichem Wert, Liebhaber, Kunstgenosien, Sänger und Poeten.
Der müßige Schma
rotzer, dessen ganzes Verdienst in einer immer auf
geweckten Laune, in Witz und Spaß, und zwar vom gröbern Korn bestand, kam so gut wie der geistvolle
Kenner
und der treffliche Spieler erivünscht.
größten Teil seiner
außer dem eigenen Hause zu suchen. ihn
nach
Tisch
Den
Erholung indes pflegte Mozart
einen
Tag
wie
den
Man konnte andern
a>n
Billard im Kaffeehaus, und so auch manchen Abend
im Gasthof finden.
Er fahr und ritt sehr gerne in
Gesellschaft über Land, besuchte als ein ausgemachter Tänzer Bälle und Redouten und machte sich des Jahrs
einigemale einen Hauptspaß an Volkssesten, vor allen am Brigitten-Kirchtag im Freien, wo er als Pierrot
maskiert erschien.
Diese Vergnügungen, bald bunt und ausgelaffen, bald einer ruhigeren Stimmung zusagend, waren be stimmt, dem lang gespannten Geist nach ungeheurem
Kraftaufwand
die nötige
Rast zu gewähren;
auch
verfehltm sie nicht, demselben nebenher auf den ge heimnisvollen Wegen,
auf welchen
das Genie sein
Spiel bewußtlos treibt, die feinen flüchtigen Eindrücke mitzutellen, wodurch es
sich
gelegentlich beftuchtet.
Doch leider kam in solchen Stunden, weil es dann
immer galt, den glücklichen Moment bis auf die Neige auszuschöpfen, eine andere Rücksicht,
es sei nun der
Klugheit oder der Pflicht, der Selbsterhaltring wie
der Häuslichkeit, nicht in Betracht.
Genießend oder
schaffend kannte Mozart gleich wenig Maß und Ziel. Ein Teil der Nacht war
stets der Komposiüon ge
widmet.
oft lange noch im Bett,
ward Uhr
Morgens
ausgearbeitet. an,
zu Fuß
früh,
Dann machte er,
oder im
von
zehn
Wagen abgeholt, die
Ru>«de seiner Leftionen, die in der Regel noch einige Iiachmittagsstunden
wegnabnien.
„Wir plagen uns
wohl auch rechtschaffen," so schreibt er selber einmal
einem Gönner, „und es hält öfter schwer, nicht die
Geduld zu verlieren.
akkreditierter
Da halst man sich als wohl
Cembalist
und
stllusiklehrmeister
ein
Dutzend Schüler auf, und immer wieder einen neuen, unangesehn,
was
weiter an ihm ist, wenn er nur
seinen Thaler per marca bezahlt. Ein jeder ungrische Schnurrbart vorn Geniekorps ist willkommen, den der Satan plagt, für nichts rind wieder nichts General
baß und Kontrapllnkt zu studieren; das übermütigste Komteßchen,
das
mich wie Meister Coguerel,
den
Haarkräusler, mit einem roten Kopf empfängt, wenn ich einmal nicht auf den Glockenschlag bei ihr an
klopfe u. s. w."
Und weiln er nun durch diese und
andere Berufsarbeiten, Akademien, Proben und der
gleichen war
abgemüdet, nach frischem Atem schmachtete,
den
erschlafften
Äierven
häufig nur in neuer
Ausregung eine scheinbare Stärkung vergönnt. Seine Gesundheit rourbe heimlich angegriffen, ein je und je wiederkehrender Zustand von Schwermut wurde, wo
nicht erzeugt,
doch sicherlich genährt an eben diesem
Punkt, und so die Ahnung eines frühzeitigen Todes, die ihn zuletzt auf Schritt und Tritt begleitete, un
venneidlich erfüllt. Gefühl eine
der
Gram aller Art und Farbe, das
Reue nicht ausgenommen, war er als
herbe Würze jeder Lust
auf
seinen Teil ge-
Doch
wöhnt.
wissen
wir,
auch
diese
Schmerzen
rannen abgeklärt und rein in jenem tiefen Quell zu sammen, der aus hundert goldenen Röhren springend, im Wechsel seiner Melodien unerschöpflich, alle Qual
und alle Seligkeit der Menschenbnist ausströmte.
Am offenbarsten zeigten sich die bösen Wirkungen
der Lebensweise Mozarts in seiner häuslichm 93er*
sassung.
Der Vorwurf thörichter, leichtsinniger Ver
schwendung lag sehr nahe; einen
er mußte sich sogar an
seiner schönsten Herzenszüge
hängen.
Kam
einer, in dringender Not ihm eine Summe abzuborgen, sich seine Bürgschaft zu erbitten, so war meist schon
darauf
gerechnet,
Pfand und
daß
er sich nicht erst lang nach
Sicherheit erkundigte; dergleichen hätte
ihm auch in der That so wenig als einem Kinde an-
gestanden.
Am liebsten schenkte er. gleich hin, und
immer mit lachender Großmut, besonders wenn er meinte gerade Überfluß zu haben. Die Mittel, die ein solcher Aufwand neben dem ordentlichen Hausbedarf erheischte, standen allerdings in keinem Verhältnis mit den Einkünften.
Was von
Theatem und Konzerten, von Verlegern und Schülem einging,
zusamt der
kaiserlichen Pension,
genügte
um so weniger, da der Geschmack des Publikums noch
weit davon entfernt war, sich entschieden für Mozarts
Musik zu erklären.
Die lauterste Schönheit,
Fülle
und Tiefe befremdete gemeinhin gegenüber der bisher beliebten, leicht faßlichen Kost. Wiener an Belmonte und
populärm Elementen
Zwar hatten sich die
Constanze —
dieses
Stücks
dank den seiner Zett
—
kaum ersättigen tonnen, hingegen that, einige Jahre später, Figaro, und sicher nicht allein durch die In«
triguen des
im Wettstreit mit der lieb
Direktor-,
lichen, doch weit geringerm Cosa rara, einen unerwarleten, kläglichen Fall; derselbe Figaro, dm gleich
darauf die gebildetm oder unbefangmen Prager mit solchem Enthusiasmus
in dankbarer
aufnahmen, daß der Meister,
Mhrung darüber,
seine nächste große
Oper eigens für sie zu schreiben beschloß.
der Ungunst
der Zeit
— Trotz
und dem Einfluß der Feinde
hätte Mozart mit etwas mehr Umsicht und Klugheit
noch immer einen sehr ansehnlichen Gewinn von sei
ner Kunst gezogen: so aber kam er selbst bei jenen Unternehmungen zu kurz, wo auch der große Haufen
Beifall
ihm
zujauchzen
mußte.
Genug,
es wirtte
eben alles, Schicksal und Naturell und eigene Schuld zusammm,
den
einzigm
Mann
nicht
gedeihen
zu
lasten.
Welch
einen
schlimmm
Stand
nun
aber eine
Hausfrau, sofern sie ihre Aufgabe kannte, unter sol
chen leicht.
Umständen
Obgleich
gehabt haben müste, begreifen wir
selbst
jung
und
lebensfroh,
att
Tochter eines Musikers ein ganzes Künstlerblut, von Hause aus übrigens
schon an Entbehning gewöhnt,
bewies Constanze Allen guten Willen, dem Unheil an der Quelle zu steuern, manches Verkehrte abzuschneiden und den Verlust im Großen durch Sparsamkeit
im Kleinen zu ersetzen.
Nur eben in letzterer Hinsicht
vielleicht ermangelte sie des rechten Geschicks und der
Sie hatte die Kasse und führte
frühem Erfahrung.
das Hausbuch, jede Fordemng, jede Schuldmahnung,
und was es Verdrießliches gab,
an sie.
ging ausschließlich
Da stieg ihr wohl mitunter das Wasser an
die Kehle, zumal wenn ost zu dieser Bedrängnis, zu Mangel, peinlicher Verlegenheit und Furcht vor offen barer Uneyre, noch gar der Trübsinn ihres Mannes
kam,
worin er tagelang verharrte, unthätig, keinem
Trost zugänglich, indem er mit Seufzen und Klagen neben
der Frau,
oder stumm in einem Winkel vor
sich hin, dm einen traurigen Gedanken, zu sterben,
wie eine mdlose Schraube verfolgte.
Ihr guter Mut
verließ sie dennoch selten, ihr heller Blick fand meist, wmn
auch
nur
auf
einige Zeit,
Rat und Hilfe.
Im wesentlichen wurde wenig oder nichts gebessert.
Gewann sie ihm mit Ernst und Scherz, mit Sitten
und Schmeicheln für heute so
viel ab, daß er dm
Thee an ihrer Sette trank, sich seinen Abendbratm
daheim bei der Famllie schmeckm ließ,
um nachher
nicht mehr ailszugehm, was war damit erreicht? Er konnte wohl einmal, durch ein verweinte- Auge seiner Frau plötzlich betroffen und bewegt, eine schlinime Gewohnheit aufrichtig verwünschen, da- Beste ver sprechen, mehr als sie verlangte, — umsonst, er fand sich unversehens im alten Fahrgeleise wieder. Man war versucht zu glaubm, es habe anders nicht in seiner Macht gestandm und eine völlig veränderte Ordnung nach unseren Begriffen von dem, was allm Menschen ziemt und frommt, ihm irgendwie gewalt sam anfgedrungen, müßte das wunderbare Wesen geradezu sÄbst aufgehoben haben. Einen günstigen Umschwung der Dinge hoffte Constanze doch stets insoweit, als derselbe von außen her möglich war: durch eine gMndliche Verbefferung ihrer ökonomischen Lage, wie solche bei dem wach senden Ruf ihres Mannes nicht ausbleiben könne. Wenn erst, so meinte sie, der stete Druck wegfiel, der sich auch ihm, bald näher, bald entferntet, von dieser Seite fühlbar machte, wenn et, anstatt die Hälfte feinet Kraft und Zeit dem bloßen Gelderwerb zu opfern, ungeteilt seiner wahren Bestimmung nachleben dürfe, wenn endlich der Genuß, nach dem er nicht mehr jagen, den er mit ungleich besserem Gewissen haben würde, ihm noch einmal so wohl an Leib und Seele gedeihe, dann sollte bald fein ganzer
Zustand leichter, natürlicher, nihiger werden. dachte
gar
an
einen
gelegentlichen
Wechsel
Sie ihre-
Wohnorts, da seine unbedingte Vorliebe für Wien,
wo nun einmal nach ihrer Überzeugung kein rechter Segen für ihn sei,
am Ende doch zu überwindm
wäre.
Dm nächstm entscheidmden
Verwirklichung ihrer
Gedanken
Vorschub und
aber zu
Wünsche ver»
sprach sich Madame Mozart vom Erfolg der neum Oper, um die es sich bei dieser Reise handelte.
Die Komposition war weit über die Hälfte vorVertraute,
geschrittm.
als
Zeugen
urtellsfähige Freunde,
der Entstehung
des
die,
außerordentlichm
Werks, einen hinreichendm Begriff von seiner Art und WrkungSweise haben mußtm, sprachen überall
davon in einem Tone, daß viele selber von den Geg nern
darauf gefaßt
sein
konnten, eS werde dieser
Don Juan, bevor ein halbes Jahr verginge, die ge samte
musikalische Welt,
lands bis zum andem,
von einem Ende Deutsch
erschüttert, auf den Kopf
gestellt, im Sturm erobert haben. bedingter
warm die
wohlwollendm
Vorsichttger und Stimmen
an
derer, die von dem heutigen Standpuntt der Musik
aiiSgehend einen allgemeinen und raschen Succeß kaum
hofften. Der Meister selber reifte im stillen ihre nur zu wohl begründeten Zweifel.
Coustanz« ihrerseits, wie die Frauen immer, wo
ihr Gefühl einmal lebhaft bestimmt und noch dazu
vom Eifer einer höchst gerechten Wunsche- eingenom men ist, durch spätere Bedenklichkeiten von da und
dorther sich viel seltener al- die Männer irre machen lasten, hielt fest an chrem guten Glaubm, und hatte eben jetzt im Wagen wiederum Veranlaffung, den
selben zu verfechten.
Sie that'-, in ihrer ftöhlichen
und blühendm Manier, mit doppelter Gefliffenheit, da Mozarts Stimmung im Verlaus des vorigen Ge spräch-, dar weiter zu nicht- führen konnte und des
halb äußerst unbefriedigend abbrach, bereits merklich
gefundn war.
Sie setzte ihrem Gatten sofort mit
gleicher Heiterkeit umständlich
auseinander,
wie sie
nach ihrer Heimkehr die mit dem Prager Unternehmer al» Kaufpreis für die Partttur akkordierten hundert
Dukaten zur Deckung der dringmdsten Posten und
sonst zu verwmden gedenke, auch wie sie zufolge ihreEtats
den
kommenden Winter
hindurch
bis
zum
Frühjahr gut auszureichen hoffe.
„Dein Herr Bondini wird sein Schäfchm an der Oper scheren, glaub' e- nur; und ist er halb der
Ehrenmann, den du ihn immer rühmst, so läßt er
dir
nachträglich
noch
ein
attige- Prqentchen von
dm «Summen ab, die ihm die Bühnm nacheinander für die Abschrift zahlen; wo nicht, nun ja, Gott
lob, so stehen uns noch andere Chancen in Aus sicht, und zwar noch tausendmal solidere. Mir ahnet
allerlei."
„Heraus damit!" „Ich hörte unlängst König von Preußen hab' „Oho!" „Generalmusikdirektor ein wenig phantasieren!
ein Vögelchen pfeifen, der einen Kapellmeister nötig." wollt' ich sagen. Laß mich Die Schwachheit habe ich
von meiner Mutter." „Nur zu! je toller je bester!"
„Nein, alles ganz natürlich. — Vornweg also nimm an: übers Jahr um diese Zeit —" „Wenn der Papst die Grete freit —" „Still doch, Hanswurst! Ich sage, aufs Jahr um ©anet Ägidi muß schon längst kein kaiserlicher Kammerkomponist mit Namen Wolf Mozart in Wien mehr weit und breit zu finden sein." „Beiß dich der Fuchs dafür!" „Ich höre schon im Geist, wie unsere alten Freunde von uns plaudern, was sie sich alles zu er zählen misten." „Zum Exempel? „Da kommt z. B. eines Morgens früh nach neune
schon unsere alte Schwärmerin, die Volkstett, in ihrem feurigsten Besuchssturmschritt quer übern Kohlmarkt
hergesegelt.. Sie war drei Monat fort, die große Reise zum Schwager in Sachsen, ihr tägliches Ge» sprach, so lang wir sie kennm, kam endlich zustand; seit gestem nacht ist fie zurück, und jetzt, mit ihrem
übervollm Herzen — es schwattelt ganz von Reiseglück
und
Freundschastsungeduld
und
allerliebsten
Neuigkeiten — stracks hin zur Oberstin damit! die Trepp' hinauf und angeklopst und dar Herein nicht
abgewartet; stell' dir den Jubel selber vor und das Embraffement Oberstin,
hebt
frischem Odem
beiderseits! sie
an;
nach
ich
—
Nun,
beste
liebste,
einigem Vorgängigen
bringe Ihnen
Grüße mit, ob Sie erraten von wem?
ein
mit
Schock
Ich komme
nicht so gradenwegs von Stendal her, er wurde ein kleiner Abstecher gemacht, linkshin, nach Brandenburg zu. — Wie? wär' es möglich. . . Sie kamen nach
Berlin? sind bei Mozarts gewesen? — Zehn himm
lische Tage! — O liebe, süße, einzige Generalin, «zählen Sie, beschreiben Sie!
Wie geht e- unsern
guten Leutchen? Gefallen sie sich immer noch so gut wie anfangs dort?
Es ist mir fabelhast, undenkbar,
heute noch, und jetzt nur desto mehr, da Sie von
ihm Herkommen — Mozart als Berliner!
Wie be
nimmt er sich doch? wie sieht er denn ans? — O der! Sie sollten ihn nur sehen.
Diesm Sommer hat
ihn der König ins Karlsbad geschickt.
Wann wäre
seinem herzgeliebten Kaiser Joseph so etwas einge
fallen, he?
Sie warm beide kaum erst wieder da,
als ich ankmn.
Er glänzt von Gesundheit und Lebm,
ist rund und beleibt und vif wie Quecksilber; das
Glück sieht ihm und die Behaglichkeit recht au- dm Augen."
Und nun begann die Sprecherin in ihrer ange-
nommenm Rolle die neue Lage mit dm hellstm Far-
bm auszumalen..
Von seiner Wohnung unter dm
Lindm, von seinem Garten und Landhaus an, bis zu
dm
glänzendm Schauplätzm
feiner öffenllichm
Wirksamkeit und dm engeren Zirkeln des Hofs, wo er die Königin auf dem Piano zu begleiten hatte,
wurde
alles
durch
ihre Schilderung gleichsam zur
Wirklichkeit und Gegenwart.
Ganze Gespräche, die
schönsten Anekdotm
sie
schüttelte
aus dem Ärmel.
Sie schim fürwahr mit jener Residenz, mit Potsdam und
mit Sanssouci
bekannter als im Schlöffe zu
Schönbrunn und auf der kaiserlichen Burg.
Rebmbei
war sie schalkhaft genug, die Person unsres Helden mit einer Anzahl völlig neuer hausväterlicher Eigen schaften auSzustattm, die sich auf dem solidm Bodm
der prmßischen Existenz entwickelt hatten, und unter welchen die besagte Volkstett, als höchstes Phänomen
und zum Beweis wie di« Extreme sich manchmal be
rühren, den Ansatz eines ordentlichm Grizchens wahr
genommen hatte, kleide.
da-
ihn unendlich liebensmürdig
^Ja, nehmm'S nur, er hat seine dreitausend
Thaler fix, und da» wofür? Daß er die Woche ein
mal «in Kammerkonzert,
zweimal
die große Oper
dirigiert — Ach, Oberstin, ich hab« ihn gesehn, un-
sem lieben, klemm goldmm Mann, inmitten seiner trefflich« Kapelle, die er fich zugeschult, die ihn an betet!
saß mit der Mozarttn in ihrer Loge, schräg
gegen den höchst« Herrschaften über!
Und was stand
auf dem Zettel, bitte Sie — ich nahm ihn mit für
Sie — ein kleine» Reis'präsent von mir und Mozarts drein gewickelt — hier schau« Sie, hier les« Sie,
da steht's mit ellenlang« Buchstaben gedruckt! — Hllf Himmel! was? Tarar! — Ja, gelten's, Freun
din, was man erleb« kann! Vor zwei Jahr«, wie
Mozart dm Don Juan schrieb und der verwünschte giftige,
schwarzgelbe Salieri auch
schon im stillm
Anstatt machte, dm Triumph, den er mit seinem Stück davon trug in Paris, demnächst auf fernem
eignen Territorio zu begehm, und unserem guten, Schnepfen liebenden, allzett in Eosa rara vergnügten
Publikum nun doch auch 'mal so eine Gattung Falkm
sehn zu laffen, und er und seine Helfershelfer bereits zusammm munkettm und raffiniert«, daß sie dm Don Juan so schön gerupft wie jmeSmal dm Figaro,
nicht tot und nicht lebendig, aus da» Theater stellm
wollten — wiffm's, da that ich ein Gelübd', wenn das infame Stück gegeben wird, ich geh' nicht hin,
um keine Welt!
Und hielt auch Wort.
Als alle-
lief und rannte — und, Oberstin, Sie mit — blieb
ich an meinem Ofen sitzen, nahm meine Katze auf den Schoß und aß meine Kaldausche; und so die
folgenden paar Male auch.
Jetzt aber, stellen Sie
sich vor, Tarar auf der Berliner Opernbühne, das
Werk seine- Todfeinds, von Mozart dirigieü! — Da müssen Sie schon drein! rief er gleich in der erst« Viertelstunde,
und mär'- auch nur, daß Sie dm
Wienem sagen können, ob ich dem Knabm Absalon ein Härchm krümmen ließ.
Ich wünschte, er mär'
selbst dabei, der Erzneidhammel sollte sehm, daß ich
nicht nötig hab', einem andern sein Zeug zu ver hunzen, damit ich immerfort der bleib« möge, der
ich bin!" „Brava!
braviaannal“
rief
Mozart
überlaut
und nahm sein Weibchen bei dm Ohren, verküßte, herzte, kitzelte sie, so daß sich diese- Spiel mit bunten
Seifenblasen einer erträumten Zukunft, die leider nie mals,
auch
nicht im bescheidmstm
Maße, erfüllt
werdm sollte, zuletzt in hellm Mutwillen, Lärm und Gelächter auslöste.
Sie warm «nterdessm
längst ins Thal herab
gekommm und nähettm sich einem Dorf, da» ihnm
bereits auf der Höhe bemerklich gewesen und hinter
welchem sich unmittelbar ein kleines Schloß von mo-
bentem
Ansehm, der Wohnsitz
Schinzberg,
eines ©rasen
von
in der freundlichen Ebme zeigte.
Es
sollte in dem Ort gefüttert, gerastet und MMag ge
halten werden.
Der Gasthof,
wo sie hielten, lag
vereinzelt am Ende des Dorfs bei der Sttaße, von welcher seitwärts eine Pappelallee von nicht sechs
hundert Schritten zum herrschaftlichen Garten führte. Mozart, nachdem man ausgestiegen, überließ wie gewöhnlich der Frau die Bestellung des Essens.
Jn-
zwischm befahl er für sich ein Glas Wein in die
untere Stube, während sie, nächst einem Trünke fri schen Wassers, nur irgend einen stillen Winkel, um
ein Stündchen zu schlafen, verlangte.
Man ftihrte
sie eine Treppe hinauf, der Gatte folgte, ganz mun ter vor sich hin singend und pfeifend.
In einem rein
geweißten und schnell gelüfteten Zimmer befand sich
unter anbem veralteten Möbeln von edlerer Herkunft — sie waren ohne Zweifel.aus den gräflichen Ge mächern seiner Zeit hierher gewandert — ein sauberes,
leichtes Bett mit gemaltem Himmel auf dünnen, grün lackierten Säulen, dessen seidene Vorhänge längst durch
einen gewöhnlichern Stoff ersetzt warm.
Constanze
machte sich's bequem, er versprach sie rechtzeitig zu
weckm, sie riegelte die Thüre hinter ihm zu und et
suchte nunmehr Unterhaltung für sich in der allge
meinen
Schenkstube.
Hier war jedoch außer dem
Wirt keine Seele, und well dessen Gespräch dem Gast
so wenig wie sein Wein behagte, so bezeugte er Lust,
bis der Tisch bereit wäre, noch einen Spaziergang nach
dem Schloßgartm
zu machen.
Der Zutritt,
hörte er, sei anständigen Fremden wohl gestattet und die Famllie überdies heut ausgefahren.
Er ging, und hatte bald den kurzen Weg bis zu
dem offenen Gatterthor zurückgelegt, dann langsam einen hohen alten Lindengang durchmessen, an dessen
Ende linker Hand er in
geringer Entfernung das
Schloß von feiner Fronte auf einmal vor sich hatte. Es war von italienischer Bauatt, hckl getüncht, mll weit vorliegender Doppeltteppe; das Schieferdach ver
zierten einige Statum in üblicher Manier, Götter
und Göttinnen, samt einer Balustrade.
Von der Mitte zweier großen, noch reichlich blühen den Blumenparterre
ging
unser Meister nach dm
buschigm Tellen der Anlagen zu, berührte ein paar schöne dunkle Pinimgruppen, und lenkte seine Schritte
auf vielfach gewuudmm Pfaden, indem er sich all mählich den lichteren Partim wieder näherte,
dem
lebhaftm Rauschen eines Springbmnnens nach, dm
er sofort erreichte.
Da- ansehnlich weite, ovale Bassin war ring-
von einer sorgfältig gehaltenen Orangerie in Kübeln, abwechselnd mit Lorbeeren und Oleandern, umstellt;
ein weicher Sand weg, gegen dm sich eine schmale
Gillerlaube öffnete, lief rund umher.
Die Laube bot
da- angenehmste Ruheplätzchm dar; ein kleiner Tisch stand vor der Bank und Mozart ließ sich vorn am
Eingang nieder. Da- Ohr behaglich dem Geplätscher de- Wasserhingegeben, da- Äug' auf einen Pomeranzenbaum von mittlerer Größe geheftet, der außerhalb der Reihe, einzeln, ganz dicht an seiner Seite auf dem Boden
stand 'und voll der schönstm Früchte hing, ward unser Freund durch diese Anschauung des Süden- al-bald auf eine liebliche Erinnerung aus seiner Knabenzeit
geführt.
Rachdmklich lächelnd reicht er hinüber nach
der nächstm Frucht, als wie um ihre herrliche Äflnbe,
ihre saftige Kühle in hohler Hand zu fühlen.
Ganz
im Zusammenhang mit jener Jugendscene aber, die wieder vor ihm aufgetaucht, stand eine längst ver wischte
musikalische
Reminiscenz,
auf beten
unbe
stimmter Spur er sich ein Weilchen träumerisch er
ging.
Jetzt glänzen seine Blicke, sie irren da und
dort umher, er ist von einem Gedanken ergriffen, den er sogleich eifrig verfolgt.
Zerstreut hat er
zum
zwritenmale die Pomeranze angefaßt, sie geht vom
Zweige los und bleibt ihm in der Hand.
Er sieht
und sieht «S nicht; ja so weit geht die künstlerische
Geistesabwesenheit, daß er, die duftige Frucht bestän dig unter der Rase hin und her wirbelnd und bald den Anfang, bald die Mitte einer Weise unhörbar zwischen den Lippen bewegend, zuletzt instinkvnäßig
ein emaAiertes Etui auS der Settentasche d«S Rocks hervorbringt, ein kleine- Mester mtt silbernem Heft
daraus nimmt und die gelbe kugelige Maste von oben nach unten langsam durchschneidet.
ES mochte
ihn dabei entfernt ein dunkle- Durstgefühl geleilet
haben, jedoch begnügten sich die angeregtm Sinne mit Einatmung
de-
köstliche»
Geruchs.
Er starrt
minutenlang die beiden innern Flächen an, fügt sie sachte roiebet zusammen, ganz sachte, trennt und ver einigt sie wieder.
Da hört er Tritte In der Nähe, er erschrickt, und
da- Bewußtsein, wo er ist, was er gethan, stellt sich Urplötzlich bei ihm ein.
Schon im Begriff, die Po
meranze zu verberg«, hält er doch gleich damtt inne, fei eS aus Stolz, fei's weil es zu spät dazu war.
Ein
großer brettschulteriger
Mam» in Livree,
Gärtner de- Hause-, stand vor ihm.
der
Derselbe hatte
wohl die letzte verdächtige Benugung noch geseh« und
schwieg betreff« einige Sekund«.
Mozart, gleich«
falls fprachlo-, auf seinem Sitz wie ang«agelt, schaute
ihm halb lachend,
unter sichtbarem Erröten, doch
gewiffermaßm keck und groß mit seinen blauen Lugen in»
Gesicht;
wäre e»
dann setzte er — für einen Dritten
höchst komisch
anzusehen
gewesen — die
scheinbar unverletzte Pomeranze mit einer Art von trotzig
couragiertem
in
Nachdruck
die
Mitte
de»
Tische».
„Um Vergebung," fing jetzt der Gärtner, nachdem
er dm wmig versprechenden Anzug des Fremden ge mustert,
mit unterdrücktem Unwillen an; „ich weiß
nicht, wen ich hier —"
„Kapellmeister Mozart aus Wien." „Sind ohne Zweifel bekannt im Schloß?"
„Ich
bin hier fremd und auf der Durchreise.
Ist der Herr Graf anwesend?" „Nein."
„Seine Gemahlin?"
„Sind beschäftigt und schwerlich zu sprechen." Mqart stand auf und machte Mme zu gehen.
„Mit Erlaubnis, Sie dazu,
mein Herr, — wie
an diesem Ort auf
kommm
solche Weise zuzu
greifen?" „Was?" rief Mozart, „zugreifen?
Zum Teufel,
glaubt Er denn, ich wollte stehlm und das Ding da fressen?"
„Mein Herr, ich
gla-lbe
was ich sehe.
Diese
Früchte sind gezählt, ich bin dafür verantwortlich. Der Baum ist vom Herrn Grafen zu einem Fest bestimmt,
soebm soll er weggebracht werdm.
Ich
laste Sie
nicht fort, ehbevor ich die Sache gemeldet und Sie
mir selbst bqeugten, wie das da zugegangm ist." ^Sei's drum.
Ich werde hier so lange warten.
Verlaß Er sich darauf."
Der Gärtner sah sich zögemd um, und Mozart, in der Meinung, es sei vielleicht nur auf ein Trink
geld abgesehen,
griff in die Tasche,
allein er hatte
da- geringste nicht bei sich.
Zwei Gartenknechte kämm nun wirklich herbei,
luden den Baum auf eine Bahre und trugen ihn hin
weg.
Inzwischen
tasche
gezogen,
hatte unser Meister seine Brief
ein weißes Blatt herau-gmommm,
und währmd daß der Gärtner nicht von der Stelle
wich, mtt Bleistift angefangen zu schreibm: ^Gnädigf^e Frau!
Ihrem Paradiese, dm Apsel gekostet.
Hier
fitze ich
wie weiland Adam,
Unseliger in nachdem er
Das Unglück ist geschehm, und
ich kann nicht einmal die Schuld auf eine gute Eva
schiebm, die eben jetzt, von Grazien und Amoretten eines Himmelbetts umgaukelt, im Gasthof fich unfchuldigstm Schlafes erfreut.
des
Befehlm Sie und
ich stehe persönlich Ihrs Gnadm Rede über meinen
mir leibst »«faßlichen Frevel.
Mit aufrichtiger Be
schämung Hochdero unterthänigster Dimer W. A. Mozart, auf dem Wege nach Prag." Er übergab das Billet, ziemlich ungeschickt zu sammengefaltet, dem peinlich wartenden Diener mit der nötigen Weisung. Der Unhold hatte sich nicht sobald entfernt, als man an der Hinteren Seite des Schlosses ein Gefährt in den Hof rollen hörte. Es war der Graf, der eine Nichte und ihren Bräutigam, einen jungen reichen Baron, vom benachbarten Gut herüberbrachte. Da die Mutter des letztern seit Jahren das Haus nicht mehr verließ, war die Verlobung heute bei ihr ge halten worden; nun sollte dieses Fest in einer fröh lichen Nachfeier mit einigen Verwandten auch hier
begangen werden, wo Eugenie gleich ihrer eigenen Tochter seit ihrer Kindheit eine zweite Heimat fand. Die Gräfin war mit ihrem Sohne Max, dem Lieu tenant, etwas früher nach Hause gefahren, um noch verschiedene Anordnungen zu treffen. Nun sah man in dem Schlöffe alles, aus Gängen und Treppen, in
voller Bewegung, und nur mit Mühe gelang es dem Gärtner, im Vorzimmer endlich den Zettel der Frau
Gräfin einzuhändigen,
die ihn jedoch nicht auf der
Stelle öffnete, sondern ohne genau auf die Worte des Überbringers zu achten, geschäftig weiter eilte.
Er wartete lind wartete, sie kam nicht wieder.
um das
andere
von der Dienerschaft,
Eins
Aufwärter,
Zofe, Kammerdiener, rannte an ihm vorbei; er fragte nach dem Herrn — der kleidete sich um;
er suchte
nun und fand den Grafen Max auf seinem Zimmer, der aber unterhielt sich angelegentlich mit dem Baron
und schnitt ihm, wie in Sorge, er wolle etwas mel den oder fragen, wovon noch nichts verlauten sollte, „Ich komme schon —
das Wort vom Munde ab:
geht nur!" Es stand noch eine gute Weile an, bis endlich Vater und Sohn zugleich herauskamen und die fatale Nachricht empfingen.
„Das wär' ja höllenmäßig!" rief der dicke, gut mütige, doch etwas jähe Mann; „das geht ja über alle Begriffe! Ein Wiener Musikus, sagt Ihr? Ver mutlich irgend solch ein Lump, der um ein Viatikum läuft und mitnimmt was er findet?"
„Verzeihen Ew. Gnaden, danach sieht er gerat) nicht aus. auch
Er deucht mir
ist er sehr
hochmütig.
nicht richtig int Kopf;
Moser nennt er sich.
Er wartet unten auf Bescheid; ich hieß den Franz um den Weg bleiben und ein Aug' auf ihn haben."
„Was Hilst es hinterdrein, zum Henker?
Wenn
ich den Narren auch emstecken lasse, der Schade«» ist
nicht mchr zu reparierm! Ich sagt' Euch tausendmal, da-
vordere
Thor soll mär'
Der Streich
geschlossen
allzeit
bleiben.
aber jedenfalls verhütet worden,
hättet Ihr zur rechten Zett Eure Zurüstungen ge macht." Hier trat die Gräfin
hastig und mit freudiger
Aufregung, da- offene BAet in der Hand, aus dem anstoßenden Kabinett.
unten ist?
Um
„Wißt ihr,"
GotteSwNen,
lest
rief sie,
„wer
den Brief —
Mozart au- Men, der Komponist! Man muß gleich
gehm, ihn heraufzubitten — ich fürchte nur, er ist schon fort! waS wird er von mir denkm! Ihr, Vel ten, seid ihm doch höflich begegnet?
Was ist beim
eigentlich geschehen?" „Geschehn?" versetzte der Gemahl, dem die Aus
sicht auf den Besuch eines berühmtm Mannes un möglich allen konnte :
Ärger auf der
Stelle
niederfchlagm
„der tolle Mensch hat von dem Baum, den
ich Eugenien bestimmte, eine der neun Orangen ab
gerissen, hm! das Ungeheuer!
Somit
ist
unserem
Spaß geradqu die Spitze abgebrochm und Max mag
sein Gedicht nur gleich kassieren." „O nicht doch!" sagte die dringmde Dame; „die
Lücke läßt sich leicht ausfallen, überlaßt eS nur mir. Geht beide jetzt,
erlöst, empfangt den guten Mann,
so freundlich und so schmeichelhaft ihr immer könnt.
Er soll, wenn wir ihn irgend halten sönnen, heut
nicht weiter.
Trefft ihr ihn nicht im Garten mehr,
sucht ihn im Wirtshaus auf, und bringet ihn mit Ein größere- Geschenk, eine schönere
seiner Frau.
Überraschung für Eugenien hätte der Zufall un- an diesem Tag nicht machen können."
„Gewiß 1" erwiderte Max, „die- «ar auch mein erster Gedanke.
Geschwinde,
kommm Sie, Papa!
Und" — sagte er, indem sie eilend- nach der Trepp« liefen — „der Verse wegen seien Sie ganz ruhig.
Die neunte Muse soll nicht zu kurz kommen;
im
Gegenteil, ich «erde aus dem Unglück noch beson
dern Vorteil ziehen." — „Das ist unmöglich!" — „Ganz gewiß." — „Nun, wenn das ist — allein
ich nchme dich beim Wort — so wollen wir dem Querkopf alle erdenkliche Ehre erzeigen." Solange
die-
im Schloß
vorging,
hatte
sich
unser Quast-Gefangener, ziemlich unbesorgt über den Au-gang der Sach«, geraume Zett schreibend beschäf»
Ügt.
Weil sich jedoch gar niemand schm ließ, fing
er an unruhig hin und her zu gchm; darüber kam
dringliche Botschaft vom Wirt-Hau-,
der Lisch sei
schon lange bereit, er möchte ja gleich kommm, der
Postillon pressiere.
So sucht« er denn sein« Sachen
zusammm und wollte ohne weiteres auf-rechm, als
beide Herren vor der Laube erschienen.
Der Graf begrüßte ihn, beinah wie einen frühe ren Bekannten, lebhaft mit seinem kräftig schallenden
Organ, ließ ihn zu gar keiner Entschuldigung kom men, sondem erklärte sogleich feinen Wunsch,
das
Ehepaar zum wenigsten sür tiefen Mittag und Abend
im Kreis seiner Familie zu haben.
„Sie sind uns,
mein liebster Maestro, so wenig fremd, daß ich wohl
sagen kann, der Name Mozart wird schwerlich an-
derSwo mit mehr Begeisterung und häufiger genannt als hier.
Meine Nichte singt und spielt, sie bringt
fast ihren ganzen Tag am Flügel zu, kennt Ihre Werke
auswendig
und
hat
das größte Verlangen,
Sie einmal in mehrerer Nähe zu sehen, als es vori gen Winter in einem Ihrer Konzerte anging.
wir nun demnächst auf einige Wochen nach
Da Wien
gehen werden, so war ihr eine Einladung beim Fürsten
Gallizin, wo man Sie öfter findet, von dm Verwandtm versprochen.
Jetzt
aber
reisen
Sie nach
Prag, werden sobald nicht wiederkehrm, und Gott
weiß, ob Sie der Rückweg zu uns führt. Sie
hmte
und morgen Rasttag!
Das
Machen Fuhrwerk
schickm wir sogleich nach Hause und mir erlauben
Sie die Sorge für Ihr Weiterkommen." Der Komponist,
welcher
in
solchen Fällen d«
Freundschaft oder dem Vergnügen leicht zehnmal mehr, als hier gefordert war, zum Opfer brachte, besann
sich nicht lange;
mit Freuden zu,
er sagte diesen einen halben Tag
dagegm sollte morgen
Frühesten die Reise fortgesetzt werden.
mit dem
Graf Max
erbat sich daS Vergnügen, Madame Mozart abzuholm und alle- Nötige im Wirtshaus
abzumachen.
Er
ging, ein Wagen sollte ihm gleich auf dem Fuhe Nachfolgen.
Von diesem jungen Mann bemerken wir beiläufig, daß er mit einem, von Vater und Mutter angeerbtm, heitern Sinn Talent und Liebe für schöne Wissen«
schasten
verband,
und
ohne wahre
Neigung
zum
Soldatenstand sich doch als Osfizier durch Kenntnisse
und gute Sitten hervorthat. Er kannte die französische Litteratur, und erwarb sich, zu einer Zett, wo deutsche Verse in der höheren Gesellschaft wenig galten, Lob
und Gunst durch eine nicht gemeine Leichtigkeit der poetischen Form in
der Muttersprache nach
guten
Mustern, wie er sie in Hagedorn, in Götz und an
dern fand.
Für heute «ar ihm nun, wie wir bereits
vernahmen, ein besonders erfreulicher Anlaß geworden,
seine Gabe zu nutzen. Er traf Madame Mozart, mit der Wirtstochter plaudernd, vor dem gedeckt« Tisch, wo sie sich einen Teller Suppe vorau-genommm hatte.
Sie «ar an
außerordentliche Zwischenfälle, an kecke Stegreiffprünge ihre- Manns zu sehr gewöhnt, als daß sie über die
Erscheinung und den Auftrag des jungen OWerS mehr als billig hätte betreten sein können.
Mit un-
verstÄter Heiterkeit, besonnen und gewandt, besprach und ordnete sie ungesäumt alle- Erforderliche selbst ES wurde umgepackt, bezahlt, der Postillon entlassen,
sie machte sich, ohne zu große Ängstlichkeit in Her stellung ihrer Toilette, fettig,
und fuhr mit
dem
Begleiter wohlgemut dem Schlöffe zu, nicht ahnend,
auf welche sonderbare Weise ihr Gemahl sich dott
eingefühtt hatte. Der befand sich inzwischm bereits sehr behaglich daselbst und auf daS beste unterhalten.
Zett
fah
er
Eugenien
mtt
ihrem
Nach kurzer
Vettobten;
blühendes, höchst anmutiges, innige- Wesen. war blond, ihre schlanke Gestalt in
ein
Sie
karmoisinrote,
leuchtende Seide mtt kostbarm Spitzen festlich geklei det,
um
Perlm.
chre Sttrn
ein
weißes Band
mit
edlm
Der Baron, nur wenig ätter als sie, von
sanftem, offmem Charakter, schien ihrer wett in jeder Rücksicht.
Dm ersten Aufwand des Gesprächs besttttt, fast
nur zu fteigebig, der gute launige Hausherr, ver möge seiner etwa- foulten, mit Späßen und Histörchen sattsam gespickten Unterhaltungsweise.
ES
wurden
«VKLttdKLttdKSw Erfrischungen gereicht, die unser Reisender im min*
besten nicht schonte.
Eines hatte dm Flügel geöffnet, FigaroS Hoch* zeit lag aufgeschlagm, und das Fräulein schickte sich
an, von dem Baron accompagniert, die Arie Susan nas in jmer Gartenscene zu fingm,
wo wir den
Geist der süßm Leidenschaft stromweise, wie die ge würzte sommerliche Abmdlust, einatmen. Röte auf Eugenien-
Die feine
Wangen wich zwei Atemzüge
lang der äußerstm Bläffe; doch mtt dem ersten Ton,
der klangvoll über ihre Sippen kam, fiel ihr jede be klemmende Fessel vom Busm. Sie hielt fich lächelnd,
ficher auf der hohm Woge, und das Gefühl dieseMomentS, des einzigen in seiner Art vielleicht für
alle Tage ihre» Leben-, begeisterte fie billig.
Mozart war offenbar überrascht. hatte,
trat
Als fie gemdigt
er zu ihr und fing mit seinem unge
zierten HerzenSauSdruck an: ^WaS soll man fagm, liebes Kind, hier wo es ist wie mtt der liebm Sonne, die fich am besten selber lobt, indem eS gleich jeder
mann wohl in ihr wird! Bei solchem Gesang ist der
Seele zu Mut wie dem Kindchen im Bad: «S lacht
und wundert sich und weiß fich in der Welt nichtBessere-,
übrigen-
glauben
in toten begegnet e- nicht
Sie mir,
unsereinem
jeden Tag, daß er so
lauter, ungeschmintt und warm, ja so komplett fich
selber zu HSrm bekommt." — Damit erfaßte er ihre
Hand
und
küßte sie
herzlich.
Des Manne- hohe
Liebenswürdigkeit und Güte nicht minder, al- das
ehrenvolle Zeugnis, wodurch er ihr Talent auSzeichnete, ergriff Eugenien
mit jener
unwiderstehlichen
Rührung, die einem leichtm Schwindel gleicht, und ihre Augm wollten sich plötzlich mit Thränen an
füllen. Hier trat Madame Mozart
zur Thüre
und gleich darauf erschienen neue Gäste,
herein,
die man
erwartet hatte: eine dem HauS sehr eng verwandte freiherrliche Familie aus der Nähe, mit einer Tochter,
Franziska, die seit den Kinderjahren mit der Braut durch die zärttichste Freundschaft verbundm und hier wie daheim war.
Man hatte fich allerseits begrüßt, umarmt, be glückwünscht, die beiden Wiener Gäste vorgestellt, und
Mozart setzte sich an den Flügel.
Er spielte einen
Teil eines Konzerts von seiner Kompositton, welcheEugenie soeben einstudierte.
Die Wirkung eines solchm Vorttags in einem kleinen Kreis wie der gegenwärüge unterscheidet sich
naMlicherweise von jedem ähnlichen an einem öffent
lichen Orte durch die unendliche Befriedigung, die in
der unmittelbaren Berühmng mit der Person
deS
Künstler- und seinem Genius innerhalb der häus lichen bekannten Wände liegt. Es war eines jener glänzenden Stücke, worin die
reine Schönheit sich einmal, wie aus Laune, fteiwMg
in den Dienst der Eleganz begiebt, so aber, daß sie
gleichsam nur verhüllt in diese mehr willkürlich spie lenden Formen und
hinter eine Menge blendender
Lichter versteckt, doch in jeder Bewegung ihren eigensten
Adel verrät, und ein herrliches Pathos verschwmderisch au-gießt.
Die Gräfin machte für fich die Bemerkung, daß die meisten Zuhörer,
vielleicht
Eugenie selbst nicht
ausgenommen, trotz der gespanntesten Aufmerksamkeit und aller feierlichm SÄe während eines bezaubemben Spiels, doch zwischen Auge und Ohr gar sehr
geteilt waren.
In unwillkürlicher Beobachtung des
Komponisten, seiner schlichtm, beinahe steifen Körper haltung,
seine- gutmüttgm Gesichts, der rundlichen
Bewegung dieser Keinen Hände, war es gewiß auch
nicht leicht möglich, dem Zudrang tausendfacher Kreuzund Quergedanken über den Wundermann zu wider-
stehm. Zu Madame Mozart gewendet sagte der Graf, nachdem der Meister aufgestanden war:
„Einem be-
rühmten Künstler gegenüber, wenn eS ein Kennerlob
zu spitzen gilt, daS halt nicht eines jeden Sache ist.
wie haben e- die Könige und Kaiser gut! ES nimmt sich eben alles einzig und außerordentlich in einem
solchen Munde aus.
WaS dürfen sie sich nicht er
lauben, und wie bequem ist «S z. B., dicht Hinterm
Stuhl Ihre- Herm Gemahls, beim
Schlußaceord
einer brillanten Phantasie dem bescheidenen klassischen
Mann auf die Schulter zu klopfen und zu sagm: „Sie sind ein Tausmdsasa, lieber Mozart!" ist da- Wort heraus, so geht's wie
Kaum
ein Lauffmer
durch dm Saal: „Was hat er ihm gesagt?" — „Er sei ein Tausendsasa, hat er zu ihm gesagt!"
Und
alles, was da geigt und fistuliert und komponiert, ist außer sich von diesem einen Wort; kurzum, es ist
der große Stil, der famlliäre Kaiserstil, der unnach ahmliche, um welchen ich die Josephs und die Fried
richs von je bmeidet habe, und das nie mehr als
ebm jetzt, wo ich ganz in Bezweiflung bin, von anderweitiger geistreicher Münze zufällig keinm Dmt in allm meinen Taschen anzutreffm."
Die Art, wie der Schäker dergleichm vorbrachte,
bestach immerhin und rief unausbleiblich ein Lachen hemor.
Run aber auf die Einladung der HauSftau ver fügte die Gesellschaft sich nach dem geschmückten tuns den Speisesalon, aus welchem den Eintretenden ein
«dkLodkLidtLo festlicher Blumengeruch und eine kühlere, dem Appetit willkommene Lust entgegen wehte.
Man nahm die fchiMch ausgeteilten Plätze ein, und zwar der distinguierte Gast den
Brautpaar gegenüber.
seinigen dem
Von einer Seite hatte er eine
kleine ältliche Dame, eine unverheiratete Tante Fran
ziska-,
von
der andern die junge reizende Nichte
selbst zur Nebensitzerin, die sich durch Geist und Munterkeit ihm baÜ> besonder- zu empfehlen wußte. Frau Constanze
kam zwischm den
Hau-wirt und
ihren freundlichen Geleit-mann, dm Lieutenant; die
übrigen reihtm sich ein, und so saß man zu Elfm
nach Möglichkett bunt an der Tafel, derm untereEnde leer blieb.
Auf ihr erhobm sich mitten zwei
mächtig große Porzellanaufsätze mtt gemalten Figurm,
breite Schalen gehäuft voll natürlicher Früchte und Blumen über sich hallend.
An dm
Saal- hingm reiche Feston-.
Wändm de-
Was sonst da war,
oder nach und nach folgte, schien einen ausgedehnten SchmauS zu verkündm. Teil- auf der Tafel, zwischen
Schüffeln und Plattm, teil- vom Serviertisch herüber
im Hintergrund, blinlle verschiedene- edle Getränk, vom schmälesten Rot bi- hinauf zu dem gelblichen
Weiß, deffm lustiger Schaum herkömmlich erst die
zwette Hälfte eine» Feste- krönt. Bi» gegen diesen Zeitpunkt hin bewegte sich die
Unterhaltung, von mehreren Seitm gleich lebhaft ge nährt, in allen Richtungen.
Well aber der Graf
gleich anfang- einigemal von weitem und jetzt nur immer näher und mutwilliger auf Mc^artS Gatten
abenteuer anspielte, so daß die einen heimlich lächel-
1m, die andern sich umsonst den Kopf zerbrachen, was er denn meine, so ging unser Fremd mit der
Sprache heraus. ,Lch will in Gottes Namm beichtm," fing er an, „auf was Att mir eigmtlich die Ehre der Be kanntschaft mtt diesem edlen HauS geworden ist.
Ich
spiele dabei nicht die würdigste Rolle, und um ein Haar, so süß' ich jetzt, statt hier vergnügt zu tafeln, in einem abgelegmen Arrestantenwinkel des gräflichm
Schlöffe- und
könnte mir
mit
leerem
Magm
die
Spinnewebm an der Wand hemm betrachten."
„Run ja!" rief Madame Mozart, „da werd' ich schöne Dinge hören." Ausführlich nun beschrieb er erst,
wie
er im
weißen Roß seine Frau zurückgelaffen, die Promenade in den Park, den Unstem in der Laube, dm Handel mit der Gartenpolizei, kurz, ungefähr was wir schon
«iffm, gab er alles mit größter Treuherzigkeit und
zum höchstm Ergötzen der Zuhörer preis.
Das Lachen
wollte fast kein Ende nehmen; selbst die gemäßigte Eugmie enthielt sich nicht, es schüttelte sie ordenttich.
„Nun," fuhr er fort,
Sprichwort sagt:
„das
hat einer den Nutzen, dem Spott mag er trutzen.
Ich hab' meinen kleinen Profit von der Sache, Sie »erben
schon
Vor allem aber hören Sie,
sehen.
wie'- eigentlich geschah, daß fich ein alter Kindskopf
Eine Jugenderinnerung war mit
so vergeffm konnte.
im Spiele. „Im Frühling 1770 reiste ich als dreizehnjäh«
nnt
riges Bürschchen
meinem Vater nach Italien.
Wir fltngen von Rom nach Neapel.
Ich hatte zwei
mal im Konsewatorium und sonst zu verschiedenenmalen gespielt.
Adel und Geistlichkett erzeugten uns
manche» Angenehme, vornehmlich attachierte sich ein Abbale an uns, der fich als Äenner schmeichette und
übrigens am Hofe etwa» galt. serer
Abreise
Den Tag vor un
führte er uns in Begleitung einiger
anderen Herm in einen königlichen Garten, die Villa reale,
bei
einer
prachwollen Straße
geradhin am
Meere gelegen, wo eine Bande ficilianischer comme-
dianti fich produzierte — figlj di Nettuno, wie sie sich nebm andem schönen TÜeln auch nannten. Mtt
vielen vomehmm
Zuschauern,
junge liebenswürdige
womnter selbst
Königin Karolina
die
samt zwei
Prinzeffen, saßen wir auf einer langen Reihe von
Bänken im Schatten einer zeltartig bedecktm, niedern
Galerie, an deren Mauer unten die Wellen plätscherten.
DaS Meer mit seiner vielfarbigen Streifung strahlte
den blauen Sonnenhimmel herrlich wider.
Gerade
vor sich hat man den Vesuv, link- schimmert sanft
geschwungen eine reizende Küste herein.
„Die erste Abtellung der Spiele war vorüber; sie wurde auf dem trockenen Bretterboden einer Art von Flöße auSgeführt, die auf dem Master stand, und hatte nichts Besonderes; der zweite aber und der
schönste Teil bestand aus lauter Schisser-, Schwimmund Taucherstücken
und
blieb
mir
stets mit allen
Einzelheitm frisch im Gedächtnis eingeprägt.
„Von entgegengesetzten Seiten her näherten sich einander zwei zierliche,
sehr leicht gebaute Barken,
beide, wie es schien, auf einer Lustfahrt begriffen.
Die eine, etwas größere, war mit einem Halbverdeck
versehen, und nebst den Ruderbänken mit einem dün nen Mast und einem Segel ausgerüstet, auch präch»
ttg bemalt, der Schnabel vergoldet. von
idealischem Aussehen,
kaum
Fünf Jünglinge bekleidet.
Arme,
Brust und Beine dem Anschein nach nackt, waren
teils an dem Ruder beschäftigt, teils ergötztm sie sich
rott einer gleichen Anzahl attiger Mädchen, ihren Ge liebten.
Eine darunter, welche mitten aus dem Ver
decke saß und Blummkränze wand, zeichnete sich durch
Wuchs und Schönheit, sowie durch ihren Putz vor allm übrigen aus.
Diese bienten ihr willig, spannten
gegen ihr
die Sonne ein Tuch
die
Blumen
aus
dem
über
sie und reichten
Eine
Korb.
spielerin saß zu ihren Füßen,
Flöten
die den Gesang der
andem mit ihrm Hellen Tönen unterstützte.
Auch
jener vorzüglichen Schönen fehlte es nicht an einem
eigenen Beschützer; doch verhielten sich beide ziemlich gleichgültig gegen einander und der Liebhaber deuchte
mir saft etwa« roh. ^Inzwischen war da- andere, einfachere Fah^eug näher gekommen.
Jugend.
Hier sah man
bloß männliche
Wie jme Jünglinge Hochrot trugen, so
war die Farbe der letztem Seegrün.
Sie stützt«
beim Anblick der lieblichm Kinder, winkten Grüße
herüber und gaben ihr Verlangen nach näherer Be kanntschaft zu erkennen.
Die munterste hierauf nahm
eine Rose vom Busen und hielt sie schelmisch in die Höhe, gleichsam ftagmd, ob solche Gabm bei ihn«
wohl angebracht wären, worauf ernt drüben allerseits
mit unzweideutigen Gebärden geantwortet wurde. Die
Steten sahen verächtlich und finster darein, konnten aber nicht» machen, al» mehrere der Mädchm einig
würd«, dm armen Teufeln wenigstens doch etwa»
für den Hunger und Durst zuzuwerfm. ein Korb voll Drangen
am Boden;
E» stand
wahrscheinlich
warm es nm gelbe Bälle, dm Früchten ähnlich nach-
gmmcht.
Und jetzt begann ein entzückende- Schau*
spiel, unter Mitwirkung der Musik, die auf dem Ufer»
dämm aufgestellt war.
„Eine der Jungfrauen machte den Anfang und
schickte für- erste ein paar Pomeranzen aus leichter Hand hinüber, die, dort mit gleicher Leichtigkeit auf»
gefangen, alsbald zurückkehrten; so ging es hin und her, und well nach und nach immer mehr Mädchen
zuhalfm, so flog's mit Pomeranzen bald dem Dutzend
nach in immer schnellerem Tempo hin und wieder.
Die Schöne
in der MUte nahm an dem Kampfe
keinen Anteil, als daß sie höchst begierig von ihrem Schemel aus zusah.
Wir konnten die Geschicklichkeit
auf beiden Seiten nicht genug bewundern. Die Schiffe drehten sich auf etwa dreißig Schritte in langsamer
Bewegung umeinander, kehrten sich bald die ganze Nanke zu,
bald
schief das
halbe
Vorderteil;
eS
waren gegen vierundzwanzig Bälle unaufhörlich in der Lust, doch glaubte man in der Verwirmng ihrer viel mehr zu sehen.
Manchmal entstand ein förmliches
Kreuzfeuer, oft stiegen sie und fielen in einem hohen Bogen; kaum ging einmal einer und der andere fehl,
«S war, als stürzten sie von selbst durch eine Kraft
der Anziehung in die geöffneten Finger. „So angenehm jedoch das Auge beschäftigt wurde, so lieblich gingen für- Gehör die Melodien nebenher:
sicilianische Weisen, Tänze, Saltarelli, Canzoni a
ballo, ein ganzes Quodlibet, auf Guirlandenart leicht
Die jüngere Prinzeß, ein holdes
aneinander gehängt.
unbefangene- Geschöpf, etwa von meinem Alter, be
gleitete den Takt gar artig mit Kopfnicken; ihr Lächeln und die langm Wimpern ihrer Augen kann ich noch
heute vor mir sehen. „Nun lassen Sie mich kürzlich den Verlauf der Poffe noch
erzählm,
meiner Sache thut.
Hübschere-
denken.
obschon
er weiter nicht-
zu
Man kann sich nicht leicht etwaWährmddem da- Scharmützel
allmählich auSging und nur noch einzelne Würfe ge
wechselt wurden', die Mädchen ihre goldenen Äpfel
sammelten und in den Korb zurück brachten, hatte brüten ein Knabe, wie spielenderweis, ein breite-, grüngestrickteS Netz
ergriffen und
kurze Zeit unter
dem Waffer gehalten; er hob e- auf, und zum Er staunen aller fand sich ein großer, blau, grün und
goldschimmernder Msch in demselben.
Die Nächsten
sprangen eifrig zu, um ihn heraus zu holen, da glitt
er ihnen au- den Händen, als wär es wirklich ein
lebendiger, und fiel in die See.
Da- war nun eine
abgeredte Kriegslist, die Roten zu bethörm und an
dern Schiff zu locken.
Diese, gleichsam bezaubert von
dem Wunder, sobald sie meisten, daß da- Tier nicht untertauchen wollte, nur immer auf der Oberfläche spielte, besannen sich nicht einen Augenblick, stürzten
sich alle in- Meer, die Grünen ebenfalls, und aljo
sah man zwölf gewandte, wohlgestalte Schwimmer den fliehenden Fisch zu erhaschen bemüht, indem er
auf
den Wellen
gaukelte,
minutmlang unter
selben verschwand, bald da,
den
bald dort, dem einen
zwischen den Beinen, dem andem zwischen Brust und Kinn herauf wieder zum Vorschein kam. mal, wie
Fang
Auf ein
die Roten eben am hitzigsten auf ihren
an-
waren,
ersah
die andere Partie ihren
Vortell und erstieg schnell wie der Blitz da- ftemde, ganz den Mädchen Lbrrlaflene Schiff unter großem
Gekreische der letztem.
Der nobelste der Burschen,
wie ein Merkur gewachsen, flog mit fteudestrahlendem
Gesicht auf die schönste zu, umfaßte, küßte sie, die, weit entfernt in das Geschrei der andem einzustimmm,
ihre Arme gleichfalls feurig um den ihr wohlbekann ten Jüngling schlang.
Die betrogene Schar schwamm
zwar eilend- herbei, wurde aber mit Rudern und Waffen vom Bord abgetrieben.
Ihre unnütze Wut,
das Angstgeschrei der Mädchen, der gewaltsame Wider stand einiger von ihnen, ihr Sitten und Flehm, fast
erstickt vom übrigen Alarm, des Waffers, der Musik, die
plötzlich
einen
andem
Charakter
angenommen
hatte — es war schön über alle Beschreibung und
die Zuschauer brachen darüber in einen Sturm von Begeisterung au».
diesem Moment
,^n
nun
entwickelte
bisher locker eingebundene Segel:
sich
das
daraus ging ein
rosiger Knabe hervor mit silbernen Schwingen, mit
Bogen,
Pfeil
Köcher,
und
und
in
anmutvoller
Stellung schwebte er frei auf der Stange.
Schon
sind die Ruder alle in voller Thätigkeit, das Segel blähte sich auf: allein gewaltiger als beide- schien die Gegenwart de- Gotte- und seine heftig vorwärts
eilende Gebärde das Fahrzeug fortzutreiben, dergestalt, daß die fast atemlos nachsetzendm Schwimmer, deren einer den goldenen Fisch hoch mit der Linken über seinem Haupte hielt, die Hoffnung bald aufgaben,
und bei erschöpften Kräften notgedrungen ihre Zu
flucht zu dem verläffmen Schiffe nahmen.
haben die
eine
Grünen
kleine
Derweil
bebuschte Halbinsel
erreicht, wo sich unerwartet ein stattliche- Boot mit
bewaffneten Kameraden
im Hinterhalt zeigte.
Im
Angesicht so drohmder Umstände pflanzte da- Häuf
chen eine weiße Flagge auf, zum Zeichen, daß man unterhandeln
gütlich
wolle.
Durch
ein
gleiche-
Signal von jenseit- ermuntert, fuhrm sie auf jenen Haltort zu, und bald sah man daselbst die guten
Mädchen blieb,
alle,
vergnügt
bi-
auf die
mtt ihren
eine,
die mit Willen
Liebhabern
da- eigene
Schiff besteigen. — Hiermit war die Komödie be
endigt."
„Mir deucht," so flüsterte Eugenie mit leuchten.den Augm dem Baron in einer Pause zu, worin
fich jedermann beifällig über daS eben Gehörte auSsprach,
„wir
haben
hier eine gemalte Symphonie
von Anfang bis zu Ende gehabt, und ein vollkom
menes Gleichnis
selbst in
überdies des Mozartischen Geistes
seiner ganzm Heiterkeit!
Hab' ich
nicht
recht? ist nicht die ganze Anmut Figaros darin?"
Der Bräutigam war im Begriff, ihre Bemerkung
dem Komponisten mitzuteilen,
als dieser zu reden
sortfuhr.
„ES find nun siebzehn Jahre her, daß ich Italien
sah.
Wer, der es einmal sah, insonderheit Neapel,
dmkt nicht sein lebenlang daran, und wär' er auch, wie ich, noch halb in Kinderschuhen gesteckt!
So
lebhaft aber wie hmt in Ihrem Gartm war mir der
letzte
schöne Abend
aufgegangen.
am Golf kaum jemals wieder
Wenn ich die Augen schloß — ganz
deutlich, klar und hell, den letztm Schleier von sich hauchend, lag die himmlische Gegend vor mir ver breitet!
Meer und Gestade, Berg und Stadt, die
bunte Menschenmenge an dem Ufer hin, und dann
das
wundersame
Spiel
der
Bälle
durcheinander!
Ich glaubte wieder dieselbe Musik in den Ohren zu
haben, ein ganzer Rosenkranz von fröhlichen Melodien zog innerlich an mir vorbei, fremdes und eigenes.
Crethi und Plelhi, eins immer das andre ablösmd.
Von ungefähr springt ein Tanzliedchen hervor, SechSachtelstakt, mir völlig neu. — Halt, dacht' ich, waS
giebt'S hier? Das scheint ein ganz
verteufelt nieb*
liches Ding! Ich sehe näher zu — alle Wetter! daS ist ja Masetto, daS ist ja Zerlina!" — Er lachte
gegm Madame Mozart hin, die ihn sogleich erriet. „Die Sache,"
fuhr er fort, „ist einfach diese.
In meinem ersten Akt blieb eine kleine leichte Nummer unerledigt, Duett und Ehor einer ländlichen Hochzeit.
Vor zwei Monatm nämlich, als ich dieses Stück der Ordnung nach
vornehmen wollte, da fand sich auf
den ersten Wurf
daS Rechte
nicht alsbald.
Eine
Weife, einfältig und kindlich und fprützend vor Fröh
lichkeit über und über, ein frischer Busenstrauß mit Flatterband dem Mädel angesteckt, so mußte eS sein.
Weil man nun im geringstm nichts erzwingen soll,
und weil dergleichm Kleinigkeitm sich oft gelegenüich von selber machen, ging ich darüber weg und sah mich
im
Verfolg der größerm Arbeit kaum wieder
danach um. Ganz flüchtig kam mir heut im Wagm,
kurz eh' wir inS Dorf herein fuhren, der Text in den Sinn; da spann sich denn weiter nichts an, zum
wenigstm nicht daß ich's wüßte.
Genug, ein Stünd
chen später, in der Laube beim Bmnnen, erwisch' ich ein Motto, wie ich eS glücklicher und beffer zu
keiner andem Zeit, auf keinem andern Weg erfunden habm würde.
Man macht bisweilen in der Kunst
besondere Erfahrungm, ein ähnlicher Streich ist mir
nie vorgekommm.
Denn «im Melodie, dem Vers
wie auf den Leib gegossen — doch, zugreifen,
so
um nicht vor-
weit find wir noch nicht, der Vogel
hatte nur dm Kopf erst aus dem Ei, und auf der
Stelle fing ich an, ihn vollends rein herauszuschälen. Dabei schwebte mir lebhaft der Tanz der Zerline vor Augm, und wunderlich
spielte zugleich die lachende
Landschaft am Golf von Neapel herein.
Ich hörte
die wechselndm Stimmen des Brautpaares, die Dirnen
und Bursche im Chor." Hier trällerte Ml^art ganz lustig den Anfang des Liedchens:
Giovinette, ehe satte all1 amore, ehe satte all* amore, Non lasciate, ehe passi l’etä, ehe passi l’etä, ehe passi Feti! Se nel eeno vi bulica ü core, vi bulica il core, D remedio vedete lo quäl La la la! La la la! Che piacer, ehe piacer ehe sarä! Ah la la! Ah la la u. s. f.* ♦ Liebe Schwestern, zur Liebe geboren.
Nützt der Jugend schön blühende Zeit! Hängt ihr 's Köpfchen in Sehnsucht verloren,
Amor ist euch zu helfm bereit.
Tral la la! Welch Vergnügen erwartet euch da! u. s. w.
„Mittlerweile halten meine Hände das große Un heil angerichtet. Die Nemesis lauerte schon an der Hecke und trat jetzt hervor in Gestalt des entsetzlichm Mannes im galonierten blauen Rock. Ein Ausbruch deS Vesuvio, wenn er in Wirklichkeit damals an dem göttlichen Abend am Meer Zuschauer und Mteurs, die ganze HerrlichkeU Parthenopes mit einem schwar zen Aschenregen urplötzlich verschüttet und zugedeckt hätte, bei Gott, die Katastrophe wäre mir nicht un erwarteter und schrecklicher gewesen. Der Satan der! so heiß hat mir nicht leicht jemand gemacht. Ein Gesicht wie auS Erz — einigermaßm dem grausamen römischm Kaiser Tiberius ähnlich! Sieht so der Diener aus, dacht' ich, nachdem er weggegangen, wie mag erst Seine Gnaden selbst drein sehen. Jedoch, die Wahrheit zu gestehn, ich rechnete schon ziemlich auf den Schutz der Damen, und das nicht ohne Grund. Denn diese Stanze! da, mein Weibchen, etwas neugierig von Natur, ließ sich im Wirtshaus von der dicken Frau da- ÄiffenSwürdigste von denen sämtlichen Per sönlichkeiten der gnädigen Herrschaft in meinem Bei sein erzählen, ich stand dabei und hörte so —“ Hier konnte Madame Mozart nicht umhin, ihm in daS Wort zu fallen und auf das angelegentlichste zu versichern, daß im Gegenteil er der AuSfrager gewesen; eS kam zu heilem Kontestattonen zwischen
Mann und Frau, die viel zu lachm gaben. — „Dem
sei nun wie ihm wolle,"
sagte er,
„kurzum,
ich
hörte so entfernt etwas von einer lieben Pflegetochter, welche Braut, sehr schön, dazu die Güte selber sei
und singe wie ein Engel.
Per Dio!
fiel
mir jetzt
yn! das Hilst dir aus der Lauge! Du setz'st dich auf
der Stelle hin, schreibst'- Liedchm auf, so west es geht, erklärst die Sottise der Wahrheit gemäß, und
es
gibt
einen
trefflichen Spaß.
Gedacht, gethan.
Ich hatte Zeit genug, auch sand sich noch ein saube
res Bögchen grün liniert Papier. — Und hier ist das Produst! Ich lege es in diese schönen Hände, ein Brautlied
aus
dem Stegreif, wenn Sie es dafür
gelten lassen."
So reichte er fein reinlichst geschriebenes Noten
blatt
Eugenim
über
dm Tisch, des Onkels Hand
kam aber der ihrigen zuvor, er haschte es hinweg
und rief:
„Geduld
noch
einen
Augenblick,
mein
Kind!"
Auf seinen Wink that sich die Flügelthüre des Salons weit auf, und es erschienen einige Diener,
die den verhängnisvollen Pomeranzenbaum anständig, ohne Geräusch in den Saal hereintrugen und an der
Tafel unten auf eine Bank niedersetzten; gleichzeittg wurden
rechts
und
links
zwei
schlanke
Myrtm-
l'äumchm aufgestellt. Eine am Stamm des Orangen-
baumS befestigte Inschrift bezeichnete ihn als Eigen tum der Braut; vom aber, auf dein Moosgmnd, stand, mit einer Semiette bedeckt, ein Porzellanteller,
der, als man das Tuch hinwegnahm, eine zerschnittene
Orange zeigte, neben welche
der Oheim mit listigem
Blick des Meisters Autographon steckte.
Allgemeiner
unendlicher Jubel erhob fich darüber.
«Ich glaube gar,"
sagte die Gräfin, „Eugenie
weiß noch nicht einmal, was
eigentlich da vor ihr
steht? Sie kennt wahrhaftig ihren alten Liebling in seinem neuen Flor und Früchteschmuck nicht mehr!"
Bestürzt, ungläubig sah daS Fräulein bald dm Baum, bald ihrm Oheim an.
„ES ist nicht mög
lich," sagte fie, „ich weiß ja wohl, er war nicht mehr
zu rettm."
„Du meinst also," versetzte jener, „man habe dir
nur irgmd ungefähr so ein Das »fit* was rechts!
Ersatzstück ausgesucht?
Nein, sieh nur her — ich
muß eS machen, wie's in der Komödie der Brauch ist, wo sich die totgeglaubten Söhne oder Brüder
durch
ihre
Muttermäler und
Narbm legitimieren.
Schau diesen Auswuchs da! und hier die Schmnde übers Kreuz, du mußt fie hundertmal bemerkt haben.
Nun, ist er's oder ist er's nicht?"
—
Sie tonnte
nicht mehr zweifeln; ihr Staunen, ihre Rühmng und Frmde war unbeschreiblich.
Es knüpfte sich an diesm Baum für die FaEe daS mehr als hundertjährige Gedächtnis einer aus-
gezeichnetm Frau,
welche wohl verdimt,
daß wir
ihrer mit wenigem hier gedenken. DeS OheimS Großvater,
feine diploma
durch
tischen Verdienste im Wiener Kabinett rühmlich be kannt, von zwei Regenten nacheinander mit gleichem
Verträum
beehrt,
war
seines
innerhalb
eigenen
minder glücklich im Besitz einer vor
HauseS nicht
trefflichen Gemahlin, Renate Leonore. holter Aufmthalt in
Ihr wieder
brachte sie vielfach
Frankreich
mit dem glänzenden Hofe Ludwigs XIV. und mit den bedeutendsten Männem und Fraum dieser merk
würdigen Epoche in
Berührung.
fangenen Tellnahme
an
jenem
Bei ihrer unbe
steten
Wechsel des
geistreichen Lebensgenusses verleugnete sie auf keinerlei Art, in Worten und Werken, die angestammte deutsche Ehrenfestigkeit und sittliche Strenge, die sich in den
kräftigen Zügm des noch vorhandenm Bildnisses der Vermöge eben dieser
Gräfin unverkennbar ausprägt. DenkungSweise
übte
fie
in
der
gedachtm Societät
eine eigentümliche naive Opposition, und ihre hinterlaffme
Korrespondenz
davon
auf,
weist
eine
Menge
Spuren
mit wie viel Freimut und herzhafter
Schlagferttgkeit, es mochte nun von Glaubenssachen,
von Litteratur und Politik, oder von was immer die
Rede sein, die originelle Frau ihre gesunden Grund
sätze und Ansichten zu verteidigen,
die Blößen der
Gesellschaft anzugreifen wußte, ohne doch dieser im
mindesten sich lästig zu machen. für sämtliche Personen,
die
Ihr reges Jntereffe
man im Hause einer
Ninon, dem eigentlichen Herd der feinsten Geistes
bildung treffen konnte, war demnach so beschaffen und
geregelt, daß eS sich mit dem höheren Freundschafts verhältnis zu einer der edelsten Damen jener Zeit,
der Frau von Sövignö, vollkommen wohl vertmg. Neben manchen mutwMgen Scherzen Chapelles
an
sie, vom Dichter eigenhändig auf Blätter mit silber-
blumigem Rande gekritzelt, fanden sich die liebevollstm Briefe der Marquisin und ihrer Tochter an die ehr liche Freundin aus Österreich
nach
ihrem
Tod in
einem Ebenholzschränkchen der Großmutter vor. Frau von Sövignä war es denn auch, aus deren Hand sie eines Tage-, bei einem Feste zu Trianon,
auf der Terraffe des Gartens dm blühenden Orangen-
zweig empfing, den fie sofort auf das Geratewohl in einen Topf setzte und glücklich angewurzelt mit
nach Deutschland nahm. Wohl fünsundzwanzig Jahre wuchs da- Bäum chen unter ihren Augen allgemach heran und wurde
später von Kindern und Enkeln mit äußerster Sorg
falt gepflegt.
Es konnte nächst seinem persönlichm
Werte zugleich als lebendes Symbol der feingeistigen eines
Reize
vergötterten
beinahe
Zeitatters
gelten,
worin wir heutzutage frnlich des wahrhaft PreisenSwerten wenig
finden
können,
und das schon eine
unhellvolle Zukunft in fich trug, deren wetterschütternder @intritt dem Zeitpunkt unserer harmlosen Erzäh
lung bereits nicht ferne mehr lag. Die meiste Liebe widmete Eugmie dem Vermächt nis der würdigm Ahnftau, weshalb der Oheim öfters
dürste
es
merken ließ,
Hände
Übergehm.
wohl einst eigens in ihre
Desto schmerzlicher war es dem
Fräulein beim auch, als der Baum im Frühling deS vorigen
Jahres,
den
sie nicht hier zubrachte,
zu
trauern begann, die Blätter gelb wurden und viele
Zweige abstarben.
In Betracht, daß irgend eine be
sondere Ursache seines Verkommens durchaus nicht zu
entdecken war und keinerlei Mittel anschlug, gab ihn der Gärtner bald verloren, obwohl er seiner natür lichen Ordnung nach leicht zwei- und dreimal älter
werden konnte.
nachbarten sonderbaren, das
Der Gras hingegen, von einem be
Kenner selbst
beraten,
Landvolk häufig hat,
Raume ganz
nung,
ließ
ihn
nach
einer
rätselhaften Vorschrift, wie sie
insgeheim
in einem
abgesonderten
behandeln, und seine Hoff
die geliebte Mchte eines Tags mit dem zu
neuer Kraft und voller Fruchtbarkeit gelangten alten
Freund zu überraschen, ward über alles Erwarten er füllt.
Mit Überwindung seiner Ungeduld und nicht
ohne Sorge, ob denn wohl auch die Früchte, von denen
etliche zuletzt
den
höchsten
Grad
der Reife
hatten, so lang am Zweige halten würden, verschob er die Freude um mehrere Wochen auf das heutige
Fest, und es bedarf nun weiter keines Worts darüber, mit welcher Empfindung der gute Herr ein folche-
Glück noch im letzten Moment durch einen Unbekannten sich verkümmert sehen mußte. Der Lieutenant hatte schon vor Tische Gelegen
heit und Zeit gefunden, seinen dichterischen Beitrag
zu
der
feierlichen Übergabe inS reine zu bringm
und seine vielleicht ohnehin etwas zu ernst gehaltenm Verse durch einen veränderten Schluß den Umständen
möglichst anzupassen.
Er zog nunmehr sein Blatt
hewor, das er, vom Stuhle sich erhebend und an die
Cousine gewendet, vorlas.
Der Jnhatt der Strophm
«ar kurz gefaßt dieser: Ein
Nachkömmling
de-, vtelgeprtes'nen
Baum-
der Hesperiden, der vor atterS, auf einer westlichen Insel, im Garten der Juno, als eine Hochzeitgabe
für sie von Mutter Erde, hervorgesproßt war, und
welchen
die
drei melodisch«!
Nymphen
bewachten,
hat eine ähnliche Bestimmung von jeher gewünscht und gehofft, da der Gebrauch, eine herrliche Braut
rott seinesgleichen
zu beschenken,
von den Göttem
vorlängst auch unter die Sterblichm kam. Rach langem vergeblichen Warten scheint endlich
die Jungfrau gefunden, auf die er seine Blicke richtm darf.
Sie erzeigt sich ihm günstig und verweilt oft
bei ihm.
der musische Lorbeer,
Doch
sein
stolzer
Nachbar am Bord der Quelle, hat seine Eifersucht erregt, indem er droht, der kunstbegabten Schönen
Herz und Sinn für die Liebe der Männer zu rauben. Die Myrte tröstet ihn umsonst und lehrt ihn Geduld
durch ihr eigenes Beispiel; zuletzt jedoch ist es die andauernde
Abwesenheit der Liebsten,
Gram vermehrt imb
ihm,
was
seinen
nach kurzem Siechtum,
tödlich wird.
Der Sommer bringt die Entfernte und bringt sie Das Dorf,
mit glücklich umgewandtem Herzm zurück.
da- Schloß, der Garten, alles empfängt sie mit tau send Freuden.
Rosen und Lilien, in erhöhtem Schim
mer, sehen entzückt und beschämt zu ihr auf. Glück winken ihr Sträucher und Bäume: für einen, ach, den edelsten, kommt sie zu spät.
Krone verdorrt,
ihre Finger
Sie findet seine
betasten
den leblosen
Stamm imb bte klirrenden Spitzen seines Gezweigs.
Er kennt unb sieht seine Pflegerin nimmer.
Wie
weint sie, wie strömt ihre zärtliche Klage!
Apollo
von weiten! vernimmt die Stimme ber
Er kommt, er tritt herzu und schaut mit
Tochter.
fühlend ihren Jammer.
Alsbald mit seinen allheilen
den Händen berührt er den Baum, daß er in sich
erbebt, der vertrocknete Saft in der Rinde gewaltsam
anschwillt, schon junges Laub ansbricht, schon weiße
Stumm da und dort in ambrosischer Fülle aufgehen. Ja — denn was vermöchten die HimMschen nicht?
— schön runde Früchte setzen an, dreimal drei, nach der Zahl der neun Schwestern; sie wachsen und wach sen, ihr kindliches Grün zusehrnds mit der Farbe des
Goldes vertauschend.
Phöbus — so schloß sich da-
Gedicht — Phöbus überzShlt die Stücke Weidet selbsten sich daran. Ja, es fängt im Augenblicke Ihm der Mund -u wässern an;
Lächelnd Bon der Laß uns Und für
nimmt der Gott der Töne saftigsten Besitz: teilen, holde Schöne, Amorn — diesen Schnitz!
Der Dichter erntete rauschrnden Beifall, und gem verzieh man die barocke Wendung, durch welche der
Eindmck des wirklich gefühlvollm Ganzm so völlig aufgehoben wurde. Franziska, deren ftoher Mutterwitz schon zu verschiedenmmalm bald durch dm Hauswirt, bald durch
Mozart in Bewegung gesetzt worden war, lief jetzt
geschwinde, wie von ungefähr an etwas erinnert, hin weg, und kam zurück mit einem braunm mglischen Kupferstich größten Format-,
welcher wenig beachtet
in einem ganz entfernten Kabinett unter Glas und Rahmm hing.
„Es muß doch wahr sein, waS ich immer hörte,"
rief sie aus, indem sie das Bild am Ende der Tafel aufstellte, „daß sich unter der Sonne nichts Neues begibt! Hier eine Scene aus dem goldenen Weltalter — und haben wir sie nicht erst heute erlebt? Ich hoffe
doch, Apollo werde sich in dieser Situatton erkennen." „Vortrefflich!" triumphierte Max, „da hätten wir ihn ja, den schönen Gott, wie er sich just gedanken
voll über den heiligen Quell hinbeugt.
Und damit
nicht genug — dort, seht nur, einen alten Satyr
hinten im Gebüsch, der ihn belauscht! darauf schwören,
Apoll besinnt sich
Man möchte
ebm
auf
ein
lange vergeffmes arkadisches Tänzchen, das ihn in seiner Kindheit der alte Chiron zu der Zither lehrte."
„So ist's! nicht anders!" applaudierte Franziska,
die
hinter Mozart
stand.
„Und,"
fuhr sie gegen
diesen fort, „bemerken sie auch wohl den fruchtbeschwetten Ast, der sich zum Gott hemnter senkt?"
„Ganz recht; e- ist der ihm geweihte Ölbaum." „Keineswegs!
die
schönstm
Apfelsinen
sind'S!
Gleich wird er sich in der Zerstreuung eine herunter holen."
„Vielmehr," rief Mozart, „er wird gleich diesen Schelmenmund mit tausmd Küsten schließen!"
Da
mit erwischte er sie am Arm und schwur, sie nicht mehr loSzulastm, bis sie ihm ihre Lippm reiche, was
sie denn auch ohne vieles Sträuben that. „Erkläre uns doch, Max," sagte die Gräfin, „was
unter dem Bilde hier steht." „68 sind Verse aus einer berühmten Horazischen
Ode.
Der Dichter Ramler in Berlin hat uns da»
Stück vor kurzem unübertrefflich deutsch gegeben. Es ist vom höchsten Schwung.
Wie prächtig eben diese
eine Stelle:
----------- „hier, der ans der Schulter Keinen unthätigen Bogen führet! Der seines Delos’ grünenden Mutterhain Und Patara’s beschatteten Strand bewohnt, Der seines Hauptes goldne Locken In die kastalischen Fluten tauchet.“ „Schön! wirklich schön!" sagte der Graf, „nur hie und da bedarf es der Erläutemng.
So z. B.,
„der keinen unthätigen Bogen fahret," hieße natür lich schlechtweg: der allzeit einer der fleißigsten Geiger
gewesen.
Doch, was ich sagen wollte: bester Mozart,
Sie säen Unkraut zwischen zwei zärtliche He^en."
^Jch will nicht hoffen — wie so?" „Eugenie beneidet ihre Freundin, und hat auch
allen Gmnd."
„Aha, Sie haben mir schon meine schwache Seite
abgemerkt.
Aber was sagt der Bräutigam dazu?"
„Ein oder zweimal will ich durch die Finger sehen."
„Sehr gut; wir werden der Gelegenheit wahr nehmen.
Inder fürchten Sie nichts, Herr Baron;
eS hat keine Gefahr, so lang mir nicht der Gott
hier sein Gesicht und seine langen gelben Haare borgt. Ich wünsche wohl, er thät's! er sollte auf der Stelle
Mozart- Zopf mitsamt seinem schönstm Bandl da
für haben."
„Apollo möge aber dann zusehen," lachte Fran ziska, „wie er eS anfängt künftig, seinen neuen französischen Haarschmuck mit Anstand in die kastalische
Flut zu tauchen."
Unter diesen und ähnlichen Scherzen stieg Lustig
keit
und
Mutwillen
immer
mehr.
Die
Männer
spürten nach und nach den Wein, es wurden eine
Menge Gesundheiten getarnten und Mozart kam in
den Zug, nach seiner Gewohnheit in Versen zu sprechen,
wobei ihm
der Lieutenant das
Gleichgewicht
und auch der Papa nicht zurückbleiben
hielt
wollte;
glückte ihm ein paarmal zum Verwundem.
es
Doch
solche Dinge lasten sich für die Erzählung kaum feste
halten, sie wollen eigentlich nicht wiederholt sein, weil
eben daS, waS sie an ihrem Ort unwiderstehlich macht,
die
allgemein
erhöhte
Stimmung,
der Glanz,
die
Jovialität des persönlichen Ausdmcks in Wort und
Blick fehÜ.
Unter andern wurde von dem alten Fräulein zu
Ehren deS Meister- ein Toast ausgebracht, der ihm noch eine ganze lange Reihe unsterblicher Werke ver«
hieß. — „A la bonne heure, ich bin dabei!" rief Mozart und stieß sein Kelchglas kräftig an. Der Graf begann hierauf mit großer Macht und Sicherheit der
Intonation, kraft eigener Eingebung, zu fingen: Mögen ihn die Götter stärken Zu den angenehmen Werken —
Mikk (fertfefrenb). Wovon der da Ponte weder. Roch der große Schikaneder — Mozart. Roch bi Gott der Komponist 'S Mindest' weiß zu dieser Frist!
Graf. Alle, alle soll sie jener Haupt-Spitzbub von Italiener Roch erleben, wünsch' ich sehr, Unser Signor Lonbonniöre I*
* So nannte Mozart unter Freunden seinen Kollegen Sa tieri, der wo er ging und stand' Zuckerwerk naschte, zugleich
mit Lnspielung auf da» Zierlich« seiner Person.
Sh
•
Mar. Gut, ich geb' ihm hundert Jahre —
M«|art. Wenn ihn nicht samt seiner Ware —
Alle drei con fona. Noch der Teufel holt vorher. Unsern Monsieur Bonbonniere.
Durch des Grafen ausnehmende Singlust schweifte
da- zufällig entstandme Terzett mit Wiederaufnahme
der letzten vier Zeilen in einen sogenannten endlichen Kanon au-, und die Fräulein Tante besaß Humor
oder Selbstvertrauen genug, ihren verfallenen So
prane mit allerhand Verziemngen zweckdienlich einzu
mischen.
Mozart gab nachher das Versprechen bei
guter Muße diesen Spaß nach den Regeln der Kunst
expreß für die Gesellschaft auszuführen, das er auch später von Wim aus erfüllte.
Eugenie hatte sich im
stillen längst mit ihrem
Kleinod aus der Laube des Tiberius verttaut gemacht;
allgemein verlangte man jetzt das Duett vom Koin« ponisten und ihr gesungm zu hören, und der Oheim war glüMch, im Chor seine Stimme abermals geltend
zu machen.
Also erhob mau sich und eilte zum Kla
vier in- große Zimmer nebenan. Ein so reines Entzücken nun auch das köstliche
Stück bei allm erregte, so sühtte doch sein Inhalt
selbst, mit einem raschen Übergang, auf den Gipfel
geselliger Lust, wo die Musik an und für sich nicht
weiter in Betracht mehr kommt, und zwar gab zu erst unser Freund das Signal, indem er vom Klavier aufsprang, auf Franziska zuging und sie, während
Max bereitwilligst die Violine ergriff, zu einem Schlei fer persuadirte.
Der Hauswirt säumte nicht, Ma
Im Nu waren alle be
dame Mozart ausznfordern.
weglichen Möbel, den Raum zu erweitem, durch ge
schäftige Diener entfernt.
ein jedes
Es mußte nach und nach
an die Tour, und Fräulein Tante nahm
«S keineswegs übel, daß der galante Lieutenant sie
zu einer Menuett abhotte, worin sie sich völlig ver
jüngte.
Schließlich, als MoMt mit der Braut den
Kehraus tanzte, nahm er sein versicherte- Recht auf ihren schönen Mund in bester Form dahin. Der Abend war herbeigekommen, die Sonne nah
am
Untergehen,
«S wurde nun erst angenehm im
Freien, daher die Gräfin dm Damen vorschlug, fich im Garten noch ein wmig zu erholm.
Der Graf
dagegen lud die Herrn auf da- Billardzimmer, da
Mqart bekanntlich dies Spiel sehr liebte.
So teilte
man fich dmn in zwei Partten, und wir unsererseits
folgen dm Frauen.
Nachdem fie dm Hauptweg einigemal gemächlich auf und ab gegangen, erstiegen fie einen rundm, von
einem
hohen Rebmgeländer
zur Hälfte umgebenen
Hügel, von wo man in da- offene Feld, auf das
Dorf und die Landstraße sah.
Die letzten Strahlm
der herbstlichen Sonne funkeltm
rötlich durch da-
Weinlaub herein.
„Wäre hier nicht vertraulich zu fitzen," sagte die Gräfin, „wenn Madame Mozart uns etwas von fich und dem Gemahl erzählen wollte?"
Sie war ganz gerne höchst
behaglich
bereit,
und alle nahmen
auf bett int Kreis
herbeigerückten
Stühlen Platz. „Ich will etwas zum besten geben, das Sie auf
alle Fälle hätten hören müffen, da sich ein kleiner
Scherz darauf bqieht, den ich im Schilde führe. Ich
habe mir in den Kopf gesetzt, der Gräfin Braut zur fröhlichen Erinnerung an diesen Tag ein Angebind von sonderlicher Qualität zu verehren.
Dasselbe ist
so wenig Gegenstand des Luxus und der Mode, daß eS lediglich nur durch seine Geschichte einigermaßen
interessieren kann."
„Was mag das sein, Eugenie?" sagte Franziska,
„zum
wenigstm
das
Tintenfaß
eines
berühmten
Mannes." „Nicht allzuweit gefehlt! Sie sollen es noch diese Stunde sehen; im Reisekoffer liegt der Schatz.
Ich
fange an, und werde mtt Ihrer Erlaubnis ein wenig weiter ausholen."
„Vorletztm Winter wollte mir Mozarts Gesund»
heitszustand, durch vermehrte Reizbarkeit und häufige Verstimmung, ein fieberhaftes Wesen, nachgerade bange machen.
In Gesellschaft noch
zuweilen lustig, ost
mehr als recht natürlich, war er zu Haus meist trüb
in sich hinein, seufzte und klagte.
Der Arzt empfahl
ihm Diät, Pyrmonter und Bewegung außerhalb der Stadt.
Der Patient gab nicht viel auf den guten
Rat; die Kur war unbequem, zeitraubend, seinem
Taglauf
schnurstracks
entgegen.
Run machte ihm
der Doktor die Hölle etwa- heiß, er mußte eine lange
Vorlesung anhören von der Beschaffmheit des mensch lichen Geblüts, von bcnett Kügelgens
darin, vom
Atemholm und vom Phlogiston — hast unerhörte Dinge; auch wie es eigentlich gemeint sei von der Rat«
mit Essen, Trinken und Verdauen, das eine Sache ist, worüber Mozart bis dahin ganz ebenso unschuldig
dachte wie sein Junge von fünf Jahren. Die Lektion, in der That, machte merklichen Andruck. Der Doktor war noch keine halbe Stunde weg, so find' ich meinen
Mann nachdenklich, aber mtt aufgeheitertem Gesicht, auf seinem Zimmer über der Betrachtung eines Stocks,
dm er in einem Schrank mit altm Sachm suchte und auch glücklich fand; ich hätte nicht gemeint, daß
er sich dessen nur erinnerte.
Er stammte noch von
meinem Vater, ein schöne» Rohr mit hohem Knopf
von Lapis
Lajuli.
Nie sah man
einen Stock in
Mozarts Hand, ich mußte lachen. „Du siehst," rief er, „ich bin daran, mit meiner
Kur mich völlig ins Geschirr zu werfen.
Ich will
da- Wasser trinkm, mir alle Tage Motion im Freien
machen und mich dabei diese- Stabe- bedienen. Da
sind mir nun verschiedene Gedanken beigegangen.
@3
ist doch nicht umsonst, dacht' ich, daß andere Leute,
wa- da gesetzte Männer sind, den Stock nicht miffm
können.
Der Kommerzienrat, unser Nachbar, geht
niemals über die Straße, seinen Gevatter zu besuchen,
der Stock muß mit.
Professionisten und Beamte,
Kanzleiherrn, Krämer und Chalanten, wenn sie am Sonntag mit Familie vor die Stadt spazieren, ein
jeder führt mit sich.
sein
wohlgedientes
rechtschaffenes Rohr
Vornehmlich hab' ich ost bemerkt, wie auf
dem Stephansplatz, ein Viertelstündchen vor der Pre digt und dem Amt, ehrsame Bürger da und dort
truppweis beisammen stehen im Gespräch: hier kann
man so recht sehen, wie eine jede ihrer stillen Tugen
den, ihr Fleiß und Ordnungsgeist, gelaffner Mut, Zufriedenheit, sich auf die wackem Stöcke gleichsam
als eine gute Stütze lehnt und stemmt.
Mit einem
Wort, es muß ein Segen und besonderer Trost in der altväterischen und immerhin etwas geschniacklosm
Gewohnheit liegen. Du magst es glauben oder nicht.
ich kann es kaum erwarten, bis ich mit diesem guten Freund das erstemal
im Gesundheitspaß
Brücke nach dem Rennweg promeniere!
über
die
Wir fennen
uns bereits ein wenig und ich hoffe, daß unsere 33er*
bindung für alle Zeit geschloffen ist." „Die Verbindung war von kurzer Dauer: da-
drittemal,
daß
miteinander
beide
aus waren, kam
der Begleiter nicht mehr mit zurück.
Ein anderer
wurde angeschafft, der etwas länger Treue hielt, und
jedenfalls schrieb ich der Stockliebhaberei ein gut Teil
von der Ausdauer zu, lang
der Vorschrift
nachkam.
womit Mozart drei Wochen
seines
Arztes
ganz
erttäglich
Auch blieben die fluten Folgen nicht auS;
wir sähen ihn saft nie so frisch, so hell und von so gleichmäßiger Laune.
Doch machte er sich leider in
kurzem wieder allzu grün und täglich hatt' ich des halb meine Not mit ihm.
Damals geschah eS nun,
daß er, ermüdet von der Arbett eine- anstrengenden
Tages, noch spät, wegen,
ein paar neugieriger Reisenden
zu einer musikalischen Soiräe ging — auf
eine Stunde bloß, versprach er mir heilig und teuer; doch da- find immer die Gelegenhetten, wo die Leute,
wenn er nm erst am Flügel festsitzt und im Feuer ist, seine Gutherzigkeit am mehrstm mißbrauchen; denn
da fitzt er alsdann wie das Männchen in einer Mont*
«dkLttdkLod» golfiere, sechs Meilm hoch über dem Erdboden schwe bend, wo man die Glockm nicht mehr schlagm hört.
Ich schickte den Bedimten zweimal mitten in der Rächt dahin, umsonst, er konnte nicht zu seinem Herrn ge
langen.
Um drei Uhr früh kam dieser denn endlich
nach HauS.
Ich nahm mir vor, den ganzm Tag
ernstlich mit ihm zu schmollen." Hier überging Madame Mozart einige Umstände
mit SÄschweigen.
ES war, muß man misten, nicht
unwahrscheinlich, daß zu gedachter Abendunterhaltung auch eine junge Sängerin, Signora Malerbi, kom men würde, an welcher Frau Constanze mit allem
Recht Ärgernis nahm.
Diese Römerin war durch
Mozarts Verwendung bei der Oper angestellt worden, und ohne Zweifel hattm ihre koketten Künste nicht geringen Anteil an der Gunst des Meisters.
Sogar
wollten einige wistm, sie habe ihn mehrere Monate lang eingezogen und heiß genug auf ihrem Rost ge halten.
Ob dies nun völlig wahr fei oder sehr über
trieben, gewiß ist, sie benahm fich nachher stech und
undankbar, und erlaubte sich selbst Spöttereien über ihren Wohlthäter.
So war eS ganz in ihrer Art,
daß sie ihn einst, gegenüber einem ihrer glücklichem
Verehrer, kurzweg un piccolo grifo raao (ein kleines rasiertes SchweinSrüffelchen) nannte.
Der Einfall,
einer Circe würdig, war um so empfindlicher, weil
er, wie man gestehen muß, immerhin ein Körnchen Wahrheit mthielt.* Beim Nachhausegehen von jener Gesellschaft, bei
welcher übrigens die Sängerin zufällig nicht erschimen beging ein Freund
war,
im Übermut des Weins
die Indiskretion, dem Meister dies boshafte Wort zu
verraten.
Er wurde
schlecht davon erbaut,
denn
eigentlich war eS für ihn der erste unzweideutige Be
weis von der gänzlichen Herzlofigkeit seines Schütz Vor lauter Entrüstung darüber empfand er
lings.
nicht einmal sogleich den frostigen Empfang am Bette seiner Frau. leidigung mit,
In einem Atem teilte er ihr die Be und diese Ehrlichkeit läßt wohl auf
einen mindem Grad von Schuldbewußtsein schließen. Fast machte er ihr Mtleid rege.
Doch hielt sie ge-
flifientlich an sich, eS sollte ihm nicht so leicht hin gehen.
Als er von einem schwerm Schlaf kurz nach
MUtag erwachte, fand er das Weibchm samt den beidm Knaben nicht zu Hause, vielmehr säuberlich
dm Tisch für ihn allein gedeckt. * Man hat hier «in LV««» kleiner Profilbild im Aug«, da»,
gut
-«zeichnet und gestochen,
sich auf dem Titelblatt
«ine» Mozartschen Ulavierwerk» befindet, unstreitig da« ähn
lichste von allen, «ich neuerding« im tkunsthandel erschienene» Portritt«.
Von jeher gab eS wenige Dinge, welche Mqart so unglücklich machten, als wenn nicht alles hübsch
eben und heiter zwischen ihm und seiner guten Hälfte
stand.
Und hätte er nun erst gewußt, welche weitere
Sorge sie schon seit mehreren Tage» mit sich herum
trug! — eine der schlimmsten in der That, mit deren
Eröffnung sie chn nach alter Gewohnheit so lange wie möglich verschonte.
Ihre Barschaft war ehestens alle,
und keine Aussicht auf baldige Einnahme da.
Ohne
Ahnung von dieser häuslichen Extremüät war gleich wohl sein Herz auf eine Art beklommen,
die mit
jenem verlegenen, hilflosen Zustand eine gewisse Ähn lichkeit hatte.
bleiben.
Er mochte nicht effm, er konnte nicht
Geschwind zog er sich vollends an, um nur
aus der Stickluft de- Hauses zu fommen.
Auf einem
offenen Zettel hinterließ er ein paar Zeilen italienisch:
„Du hast mir's redlich eingetränkt, und geschieht mir schon recht.
Sei aber wieder gut, ich bitte dich, und
lache wieder, bis ich heimkomme.
Mir ist zu Mut,
als möcht' ich ein Earthäufer und Trappiste werden, ein rechter Heulochs, sag' ich dir!" — Sofort nahm er den Hut, nicht aber auch den Stock zugleich; der hatte seine Epoche passiert.
Haben wir Frau Constanze bis hierher in der Er zählung abgelöst, so können wir auch wohl noch eine
kleine Strecke weiter fortfahren.
rdkLVHSkLttdkLDon seiner Wohnung, bei der Schranne, rechtgegen da- Zmghaus einbiegend, schlenderte der teure
Mann — «-
war ein
warmer,
etwas
Sommemachmittag — nachdenklich
umwölkter
lässig
über
den
sogenannten Hof, und weiter an der Pfarre zu unsrer
lieben Frau vorbei, dem Schottenthor entgegen, wo er seitwärts zur Linkm auf die Mölkerbastei stieg und dadurch der Ansprache mehrerer Bekannten, die eben zur Stadt herein kamen,
entging.
Nur kurze Zeit
genoß er hier, obwohl von einer stumm bei den Ka nonen
auf und nieder gehendm
Schildwache nicht
belästigt, der vorttefflichm Aussicht über die grüne
Ebene des Glacis und die Vorstädte hin nach dem Kahlenberg
und südlich
nach den steierischm Alpen.
Die schöne Ruhe der Süßem Natur widersprach seinem
innern Zustand.
MU einem Seufzer setzte er feinen
Gang über die Esplanade und sodann durch die Alser»
Vorstadt ohne bestimmten Zielpunkt fort. Lm Ende der Währiuger Gaffe lag eine Schenke
mit Kegelbahn, deren Eigentümer, ein Seilermeister,
durch seine gute Ware, wie durch die Reinheit feines Getränk- den Nachbam
Weg vorüberführte,
und Landleuten,
die
gar wohl bekannt war.
ihr Man
hörte Kegelschieben und übrigen» ging e- bei einer
Anzahl von höchsten- einem Dutzend Gästen mäßig zn.
Ein kaum bewußter Trieb, sich unter anspruch-
losen
natürlichen Menschen in
etwa- zu vergessen,
bewog den Musiker zur Einkehr.
Er setzte sich an
einen der sparsam von Bäumen beschatteten Tische zu
einem
Wiener
Brunnm-Obermeister und
zwei
andern Spießbürgem, ließ sich ein Schöppchen kommen und nahm an ihrem sehr alltäglichen DiSkurS
eingehmd teil, ging dazwischen umher, -der schaute
dein Spiel auf der Kegelbahn zu.
Unweit von der letztem, an der Seite des Hau ses, befand sich der offene Laden des Seilers,
ein
schmaler, mtt Fabrikaten vollgepfropfter Raum, weil außer dem, war das Handwerk zunächst lieferte, auch allerlei
hölzemes
Keller-
Küchen-,
und
landwirt
schaftliches Gerät, ingleichem Thran und Wagmsalbe,
auch wmigeS
von Sämereien, DA und
zum Verkauf umher stand oder hing.
Kümmel,
Ein Mädchen,
das als Kellnerin die Gäste zu bedienen und neben
bei den Ladm zu besorgen hatte, war eben mit einem Lauem beschäftigt,
welcher,
sein Söhnlein an der
Hand, herzugetretm war, um einig«? zu kaufen, ein Fmchtmaß,
eine Bürste,
eine
Geißel.
Er
suchte
unter vielen Stücken eines heraus, prüfte es, legte
es weg,
ergriff ein zweites und drittes, und kehrte
unschlüssig zum
werden.
ersten zurück;
eS war kein Fertig
Das Mädchen entfernte sich mehrmals der
Aufwartung wegm, kam wieder und war unermüdlich.
ihm seine Wahl zu erleichlem und annehmlich zu machen, ohne daß sie zu viel dämm schwatzte. Mozart sah und hörte, auf einem Bänkchen bei der Kegelbahn, diesem allem mit Vergnügm zu. So sehr ihm auch da- gute verständige Betragen deMädchenS, die Ruhe und der Ernst in ihren anspre chenden Zügen gefiel, noch mehr interessierte ihn für jetzt der Bauer, welcher ihm, nachdem er ganz be friedigt abgezogen, noch viel zu denken gab. Er hatte sich vollkommm in den Mann hinein versetzt, gefühlt, wie wichttg die geringe Angelegenhett von ihm be handelt, wie ängstlich und gewiffmhast die Preise, hei einem Unterschied von wenig Kreuzem, hin und her erwogen wurden. Ünd, dachte er, roenn nun der Mann zu seinem Weibe heimkommt, ihr seinen Handel rühmt, die Kinder alle paffen, bis der Zwerch sack aufgeht, darin auch waS für sie sein mag; sie aber eitt, ihm einen JmbiS und einen frischen Trunk selbstgekelterten Obstmost zu Holm, darauf er seinen ganzen Appetit »erspart hat! Wer auch so glücklich wäre, so unabhängig von dm Mmschen t ganz nur auf die Natur gestellt und ihren Segm, wie sauer auch dieser erworben sein will! Ist aber mir mit meiner Kunst ein andere- Tag werk anbefohlen, da- ich am Ende doch mit keinem in der Welt vertauschen würde: wamm muff ich da«
bei in Verhältnissen leben, die daS gerade Widerspiel
von solch unschuldiger, einfacher Existenz auSmachen?
Ein Gütchen wenn du hättest, ein kleine- Hau- bei einem Dorf, in schöner Gegend, du solltest wahrlich
ausleben! Den Morgen über fleißig bei deinm
neu
Partituren,
die ganze übrige Zett bei der Familie;
Bäume pflanzen, deinen Acker besuchen, im Herbst
mit den Buben die Apfel und die Bim' hemnter thun; biswellm eine Reise in die Stadt zu einer Aufführung
und sonst, von Zeit zu Zeit ein Freund und meh
rere bei dir — welch eine Seligkeit!
Nun ja, wer
weiß wa- noch geschieht.
Er trat vor den Ladm, sprach frmudlich mit dem
Mädchen und fing an, ihren Kram genauer zu be trachten.
Bei
der
unmittelbaren
Verwandtschaft,
welche die meisten dieser Dinge zu jenem idyllischm
Anfluge hattm, zog ihn die Sauberkeit, da- Helle, Glatte, selbst der Gemch der mancherlei Holzarbetten
an.
ES fiel ihm plötzlich ein, verschiedenes für seine
Frau, was ihr nach seiner Meinung angenehm und
nutzbar wäre, auszuwählen.
Sein Augenmerk ging
zuvörderst auf Gartenwerkzeug.
Constanze hatte näm
lich vor Jahr und Tag auf seinen Antrieb ein Stück chen Land vor dem Kärnthner Thor gepachtet und
etwa- Gemüse darauf gebaut; daher ihm jetzt fürs
erste
ein neuer
großer Rechen,
ein kleinerer ditto.
samt Spaten, teres
ganz zweckmäßig schien.
anlangend,
so
macht es
Dann wei
seinen ökonomischen
Begriffen alle Ehre, daß er einem ihn sehr appetitlich anlachenden Butterfaß nach kurzer Überlegung, wie
wohl ungern, entsagte; dagegen ihm ein hohes, mit Deckel und schön geschnitztem Hmkel versehene- Ge schirr zu unmaßgeblichem Gebrauch einlmchtete.
ES
war auS schmalen Stäben von zweierlei Holz, abwech selnd hell und dunkel, zusammengesetzt, unten weiter
al» oben und innen trefflich ausgepicht. die Küche
für
empfahl
fich
eine
Entschicken
schöne
Auswahl
Rührlöffel, Wellhölzer, Schneidbretter und Teller von allen
Größen,
ein
sowie
Salzbehälter einfachster
Konstruktion zum Aushängen.
Zuletzt
besah
er
fich noch einen derben Stock,
dessen Handhabe mit Leder und runden Mesfingnägeln gehörig beschlagm war.
Da der sonderbare Kunde
auch hier in einiger Versuchung schien, bemerkte die
Berkäuserin mit Lächeln, das sei just kein Tragen für Herm.
„Du hast recht, mein Kind," versetzte
er, „mir deucht,
die Metzger auf der Reise haben
solche; weg damtt, ich will ihn nicht.
Da- Übrige
hingegm alles, was wir da ausgelesm haben, bringst du mir heute oder morgen in» Haus.
Dabei nennte
er ihr feinen Namm und die Straße.
Er ging hier-
aas, um auSzutrinkni, an seinen Tisch, wo von den
dreien nur noch einer, ein Klempnermeister, saß. „Die Kellnerin hat heut 'mal einen guten Tag,"
bemerkte der Mann.
„Ihr Vetter läßt ihr vom Er
lös im Ladm am Gulden einen Batzen." Mozart freute sich nun seines Einkaufs doppelt;
gleich aber sollte seine Teilnahme an der Person noch größer werden.
Denn als sie wieder in die Nähe
kam, rief ihr derselbe Bürger zu: „Wie steht'S, Cres
cenz? Was macht der Schlosser? Feilt er nicht bald
sein eigen Eisen?" „O was!" erwiderte sie im Weitereilen: „selbige-
Eism, schätz' ich, wächst noch im Berg, zuhinterst."
„ES ist ein guter Tropf,"
sagte der Klempner.
„Sie hat lang ihrem Stiefvater hau-gehalten und ihn in der Krankheit verpflegt, und da er tot war, kam's heraus, daß er ihr Eigene- aufgqehrt hatte; zeither
dient sie da ihrem Verwandten, ist alle- und alleim Geschäft, in der Wirtschaft und bei dm Kindern.
Sie hat mit einem bravm Gesellen Bekanntschaft und würde ihn je eher je lieber heiraten;
da- aber hat
so seine Haken." „Was für?
Er ist wohl auch ohne Vermögen?"
„Sie ersparten sich beide etwa-, doch langt es
nicht gar.
Jetzt kommt mit nächstem drinnen ein
halber
Hausteil
samt
in
Werkstatt
Gant;
dem
Seiler wär's ein Leichte-, ihnen vorzuschießen, wa-
noch zum Kaufschilling fehlt, allein er läßt die Dime
natürlich nicht gern fahren.
Er hat gute Freunde im
Rat und bei der Zunft, da findet der Geselle mm
allenthalben Schwierigkeitm."
auf,
„Verflucht!" — fuhr Mozart
so daß der
andere erschrak und fich umsah, ob man nicht horche.
„Und da ist niemand, der ein Wort nach dem Recht
darein spräche? den Herm eine Faust vorhielte? Die
Schufte, diel Wart nur, man kriegt euch noch beim Wickel."
Der Klempner saß wie auf Kohlen.
Er suchte
das Gesagte auf eine ungeschickte Art zu mlldem, bei nahe nahm er es völlig zurück.
ihn nicht an.
Doch Mozart hörte
„Schämt Euch, wie Ihr nun schwatzt.
So macht's ihr Lumpm allemal, sobald es gift mit etwas einzustehen!" — Und hiemit kehrte er dem Ha
senfuß ohne Abschied den Mcken.
alle Hände voll zu
Der Kellnerin, die
thun hatte mit neuen Gästm,
raunte er nur im Vorbeigehen zu: „Komme morgen beizeiten, grüße mir deinen Liebstm; ich hoffe, daß
eure Sache gut geht."
Sie
stutzte
nur
und
hatte
weder Zeit noch Faffung ihm zu danken. Geschwinder, al- gewöhnlich, weil der AufiM
ihm das Blut etwas in Wallung brachte, ging er
vorerst denselben Weg, den er gekommm, bis an da-
Glacis, auf welchem er dann langsamer, mit einem
Umweg, im weiten Halbkreis um die Wälle wandelte. Ganz mit der Angelegenheit des armen Liebespaars
beschäftigt, durchlief er in Gedanken eine Reche sei ner Bekannten und Gönner,
die auf die eine oder
andere Weise in diesem Fall etwa- vermochten.
Da
indesien,
bevor er sich irgend zu einem Schritt be
stimmte,
noch
nähere Erklärungm
von
feiten
deS
Mädchens erforderlich waren, beschloß er diese nihig
abzuwarten und war nunmehr, mit He^ und Sinn den Füßen voraus eilend, bei seiner Frau zu Hause.
Mit innerer Gewißheit zählte er auf einen freund lichen,
ja fröhlichen Willkommen,
Kuß
und
Um
armung schon auf der Schwelle, und Sehnsucht ver
doppelte seine Schritte beim Eintritt in das Kärnthner Thor.
an,
Nicht weit davon tust ihn der Postträger
der ihm
ein kleines,
doch
gewichtiges
Paket
übergibt, worauf er eine ehrliche und atkurate Hand
augenblicklich erkennt.
Er tritt mit dem Botm, um
ihn zu quittieren, in den nächsten Kaufladen; dann,
wieder auf der Straße, kann er sich nicht bis in fein Haus gedulden; er reißt die Siegel auf, halb gehend,
halb stehend verschlingt er den Brief. »Ich saß," fuhr Madame Mozart hier in der
Erzählung bei den Damen fort, „am Siähtisch, hörte
meinen Mann die Stiege heraufkommen und den Be-
bienten
nach
mir
Sein
fragen.
Tritt
und
seine
Stimme kam mir beherzter, aufgeräumter vor, als
ich erwartete und als mir wahrhaftig angenehm war. Erst ging er auf sein Zimmer, kam aber gleich her
über.
®uten Abend! sag? er; ich, ohne aufzusehen,
erwiderte ihm kleinlaut.
Nachdem er die Stube ein
paarmal stillschweigend gemessen, nahm er unter er zwungenem Gähnen die Fliegenklatsche hinter der Thür,
was ihm noch niemals eingefallen war, und murmelte vor fich:
„Wo nur die Fliegm gleich wieder her-
tommen!" — fing an zu patschen da und dort, und
zwar so stark wie mäglich.
Dies war ihm stets der
unleidlichste Ton, den ich in seiner Gegenwart nie hören lassen durfte.
Hm, dacht' ich, daß doch, was
man selber thut, zumal die Männer, ganz etwas anderes ist!
Übrigens hatte ich so viele Fliegen gar
nicht wahrgenommm.
Sein seltsames Setragen ver
droß mich wirklich sehr. — „Sechse auf einen Schlag!"
rief er: „willst du sehen?" — Keine Antwort.
Da
legte er mir etwas aufs Nähkiffen hin, daß ich es sehen mußte, ohne ein Auge von meiner Arbett zu verwenden.
68
war
nichts
Schlechteres
als
ein
Häufchen Gold, so viel man Dukaten zwischen zwei
Finger nimmt.
Er setzte seine Poffm hinter meinem
Rücken fort, that hin und roieber einen Streich und
sprach dabei für sich: „Das fatale, unnütze, scharn» lose Gezücht! Zu waS Zweck es nur eigentlich auf der Welt ist — Patschl — offenbar bloß daß man's
totschlage — Pitsch — darauf verstehe ich mich einigermaßen, darf ich behauptm. — Die Natur
geschichte belehrt uns über die erstaunliche Vermehrung dieser Geschöpfe — Pitsch Patsch —: in meinem Hause wird immer sogleich damtt aufgeräumt. Ah maledette! disperate! Hier wieder ein Stück zwanzig. Magst du sie?* — Er kam und that wie vorhin. Hatte ich bisher mit Mühe das Lachen un
terdrückt, länger war es unmöglich, ich platzte heraus,
er fiel mir um den Hals und beide kicherten und lachtm wir um die Wette. „Woher kommt dir denn aber das Geld?" frag' ich, während daß er den Rest aus dem Röllelchen schüttelt. — „Vom Fürsten Esterhazy! durch den Haydn! Lies nur den Brief." Ich las. „Eisenstadt u. s. w. Teuerster Freund! Seine
Durchlaucht, mein gnädigster Herr, hat mich zu mei nem größestm Vergnügen damit betraut. Ihnen bei
folgende sechzig Dukaten zu übermachen. Wir haben letzt Ihre Quartetten wieder ausgefühtt und Seine
Durchlaucht waren solchermaßm davon eingenommen und befriediget als bei dem erstenmal, vor einem Vierteljahre, kaum der Fall gewesen. Der Fürst be-
merkte mir (ich muß eS wörtlich schreiben): als Mozart Ihnen diese Arbeit dedizierte, hat er geglaubt nur Sie
zu ehren, doch kann's ihm nichts verschlagen, wenn
ich zugleich ein Kompliment für mich darin erblicke. Sagen Sie ihm, ich denke von seinem Genie bald
so groß wie Sie selbst, und mehr könn' er in Ewig keit nicht verlangm. — Amen! setz' ich hinzu.
Sind
Sie zufrieden?"
„Postskript.
werde.
Der lieben Frau ins Ohr: Sorgm
daß die Danksagung nicht aufgeschoben
Sie gütigst, Am
besten
geschäh'
es
persönlich.
Wir
müssen so guten Wind fein erhalten!" „Du
Engelsmann!
o
himmlische
Seele!"
rief
Mozart ein übers anderemal, und eS ist schwer zu
sagen, waS ihn am mästen freute, der Brief, oder des Fürsten Beifall oder daS Gäd.
Was mich be
trifft, aufnchtig gestanden, mir kam das letztere ge rade damals höchst gelegen.
Wir feierten noch einen
sehr vergnügten Abend. „Von der Affaire in der Vorstadt erfuhr ich jenen
Dag
noch
nichts,
die
folgenden ebensowenig,
die
ganze nächste Woche verstrich, keine Crescenz erschien, und män Mann, in einem Strudel von Geschäften,
vergaß die Sache bald. Wir hatten an einem Sonn
abend Gesellschaft; Hauptmann Weffelt, Graf Hard egg und andere musizierten.
In einer Pause werde
ich hinausgerufen — da war nun die Beschemng!
Ich geh' hinein und frage: „Hast du Bestellung in der
Alservorstadt auf allerlei Holzware
— „Potz Hagel, ja!
sie nur hereinkommen."
Laß
in größter Freundlichkett,
Arm, mit
gemacht?"
Ein Mädchen wird da sein?
So
einen
trat fie denn
Korb
am
Rechen und Spaten ins Zimmer,
ent
vollen
schuldigte ihr langes Ausbleibm, sie habe dm Na
men der Gaffe nicht mehr gewußt und sich erst hmt'
zurecht gefragt.
Mozart nahm ihr die Sachm nach
einander ab, die er sofort mit Selbstzufriedenheit mir überreichte.
Ich ließ mir herzlich dankbar alles und
jedes wohl gefallen, belobte und pries, nur nahm
eS mich wunder, wozu er das Gartengeräte gekauft. — „Natürlich," sagt er, „sür dein Stückchen an der
Wien."
—
„Mein
Gott, das haben wir ja aber
lange abgegeben! weil uns das Waffer immer so viel Schadm that und überhaupt gar nichts dabei heraus
kam.
Ich sagte dir's, du hattest nichts dawider."
— „Was?
Und also die Spargeln, die wir dies
Frühjahr speisten" — „Waren immer vom Markt." — „Seht,"
sagt' er, „hüll' ich das gewußt!
Ich
lobte sie dir so aus bloßer Artigkeit, weil du mich
wirklich
dauerst
mit
deiner
Gärtnerei;
es
waren
Dinger! wie die Federspulm." „Die Herrn belustigte der
Spaß
überaus;
ich
mußte einigen sogleich daS Überflüssige zum Anden ken lasten.
Als aber Mcqart nun das Mädchen über
ihr Heiratsanliegen ausforschte, sie ermunterte, hier
nur ganz frei zu sprechen, da das, was man für sie und ihren Liebsten thun würde, in der Sülle, glimpflich und ohne jemandes Anklagen solle ausgerichtet wer den, so äußerte sie sich gleichwohl mit so viel Be scheidenheit,
und Schonung, daß sie alle
Vorsicht
Anwesenden völlig gewann und man sie endlich mit den besten Versprechungen entließ.
„Den Leuten muß geholfen werden!" sagte der
Hauptmann. dabei;
„Die JnnungSkniffe find das Wenigste
hier weiß ich einen, der das bald in Ord
nung bringen wird.
ES handelt sich um einen Bei
trag für das Haus, Einrichtungskostm und dergleichen. Wie, wenn wir ein Konzert für Fremde im Tratt-
nerischen Saal mit Entree ad libitum ankündigten?"
— Der Gedanke
fand
lebhastm Anklang.
Einer
der Herrn ergriff da- Salzfaß und sagte: „ES müßte
jemand
zur
Einleitung
Vortrag thun,
Herm
einen
hübschen
Mozarts
historischen
Einkauf schildem,
seine menschmfrmndliche Absicht erklären, und hier
da- Prachtgefäß stellt man auf einen Tisch als Opfer
büchse auf, die beiden Rechen als Dekoration rechv und links dahinter gekreuzt." „Dies nun geschah zwar nicht, hingegen daS Kon-
-ert kam zustande;
«S warf
ein
Erkleckliche-
ab,
verschißene Beiträge folgten nach, daß da- beglückte Paar noch Überschuß hatte, und auch
die andern
Hindemiffe waren schnell beseitigt. DuschekS in Prag, unsre genausten Freunde dort, bei denen wir logieren, vernahmen die Geschichte, und sie, eine gar gemüt liche herzige Frau, verlangte von dem Kram au-
Kuriosität auch etwa- zu haben;
so legt' ich denn
da- Paffmdste für sie zurück und nahm es bei dieser
Gelegenheit mit.
Da wir inzwischen unverhofft eine
neue liebe Kunstverwandte
finden sollten,
die nah'
daran ist, sich den eigenen Herd einzurichten, und ein
Stück gemeinen Hausrat, welches Mozart ausgewählt,
gewißlich nicht verschmähen wird, will ich mein Mit
bringen halbieren, und Sie habm die Wahl zwischen einem schön durchbrochenen Chokoladequirl und mehr-
gedachter Salzbüchse, an welcher sich der Künstler mit einer geschmackvollen
Tulpe verunköstigt
würde unbedingt zu diesem Stück raten;
hat.
Ich
da- edle
.Salz, so viel ich weiß, ist ein Symbol der Häuslich
keit und Gastlichkeit, wozu wir alle guten Wünsche
für Sie legen wollen." So weit Madame Mozart.
Wie dankbar und
wie heiter alles von den Damen auf- und angenom men wurde, kann man denken.
Der Jubel erneuerte
sich, als gleich darauf bei den Männern oben die
Gegenstände vorgelegt und das Muster patriarchalischer
Simplizität nun förmlich übergeben ward, welchem der Oheim in dem Silberschranke seiner nunmehrigen
Besitzerin und ihrer spätesten Nachkommen keinen ge ringem Platz versprach, als jenes berühmte Kunst werk des
florentinischen Meisters in der Ambraser
Sammlung einnehme.
Es war schon fast acht Uhr; Thee.
man
nahm
den
Bald aber sah sich unser Musiker an sein
schon am Mittag gegebenes Wort, die Gesellschaft näher mit dem „Höllmbrand" bekannt zu machm,
der unter Schloß und Megel doch zum Glück nicht allzutief im Reisekoffer lag, dringend erinnert.
war ohne Zögem
bereit.
der Fabel des Stücks
Textbuch
wurde
Auseinandersetzung
Die
hielt nicht lange
aufgeschlagen
Er
auf,
das
und schon branntm
die Lichter am Fortepiano.
Wir wünschten wohl, unsere Leser streifte hier
zum wmigsten etwas von jener eigmtümlichen Em
pfindung an, womit ost schon ein einzeln abgeriffener, aus einem Fenster beim Vorübergehen an unser Ohr
getragener Accord, bet nur von dorther kommen kann, uns wie elektrisch trifft und wie gebannt fest-
hält; etwas von jener süßm Bangigkeit, wenn wir in dem Theater, so lange das Orchester stimmt, dem
Vorhang gegenüber sitzen.
Oder
ist es nicht so?
Wenn auf der Schwelle jedes erhabenen tragischen Kunstwerks, es heiße Macbeth, ÖdipuS oder wie sonst, ein Schauer der ewigm Schönheit schwebt, wo träfe die- in höherem, auch nur in gleichem Maße zu, al- eben hier? Der Mensch verlangt und scheut zugleich aus seinem gewöhnlichen Selbst ver trieben zu werden, er sühlt, das Unendliche wird ihn berühren, da- seine Brust zusammenzieht, indem es sie auSdehnen und den Geist gewaltsam an sich reißen will. Die Ehrfurcht vor der vollendeten Kunst tritt hinzu; der Gedanke, ein göttliches Wlinder genießen, es als ein Verwandtes in sich aufnehmen zu dürfen, zu können, führt eine Art von Rührung, ja von Stolz mit sich, vielleicht den glücklichsten und reinsten, dessen wir fähig sind. Unsere Gesellschaft aber hatte damit, daß sie ein uns von Jugend auf völlig zu eigen gewordenes Werk jetzt erstmals kennen lernen sollte, einen von unserem Verhältnis unendlich verschiedenen Stand, und, nenn man das beneidenswerte Glück der per sönlichen Vernüttlung durch den Urheber abrechnet, bei weitem nicht den günstigen wie wir, da eine reine und vollkommene Auffaffung eigentlich niemand möglich war, auch in mehr als einem Betracht selbst dann nicht möglich gewesen sein würde, wenn das Ganze unverkürzt hätte mitgeteilt werden können.
Von achtzehn fertig ausgearbeiteten Nummern*) gab der Komponist vermutlich nicht die Hälfte; (wir
finden in dem, unserer Darstellung zu gründe liegendm Bericht nur das letzte Stück dieser Reihe, das Sextett, ausdrücklich angeführt) — er gab fie mei
stens, wie es scheint, in einem freien Auszug, bloß auf dem Klavier, und sang stellenweise darein, wie eS kam und fich schickte.
Von der Frau ist gleich
falls nur bemerkt, daß sie
habe.
zwei Arien vorgetragen
Wir möchten uns, da ihre Stimme so stark
al- lieblich gewesm sein soll, die erste der Donna Anna (Du kennst dm Verräter), und eine von den beiden der Zerline dabei dmken.
Genau gmommen waren , dem Geist, ßer Ein sicht, dem Geschmacke nach, Eugenie und ihr Ver lobter die einzigen Zuhörer wie der Meister sie fich wünschen mußte, und jene
mehr als dieser.
«ar
es ficher ungleich
Sie saßen beide tief im Grunde
de- Zimmers; das Fräulein regungslos, wie eine
Bildsäule, und in
die
Sache
aufgelöst
auf
einen
solchen Grad, daß sie auch in dm kurzen Zwischen-
räumm, wo fich die Teilnahme
der
übrigen
be
scheiden äußerte oder die innere Bewegung sich un*) Bei dieser Zahlung ist zu wissen, daß Elvira« Ari« mit dem Recitativ und Leporello« ,^ab'« verstanden" nicht
ursprünglich in der Oper enthalten gewesen.
willkürlich mit einein Ausrnf der Bewundemng Lust
machte, die von dem Bräutigam an sie gerichteten Worte immer nur ungenügmd zu erwidern vermochte.
AlS Mozart mit dem überschwänglich
schönen
Sextett geschloffen hatte, und nach und nach ein Gespräch auskam, schien er vornehmlich einzelne Be merkungen des
Barons mit Jntereffe und Wohl
gefallen aufzunehmen.
Es wurde vom Schluffe der
Oper die Rede, sowie von der, vorläufig auf den Anfang Novembers anberaumten
Auffühmng, und
da jemand meinte, gewiffe Teile des Finale möchtm noch eine Riesenaufgabe sein, so lächelte der Meister
mit einiger Zurückhaltung; Constanze aber sagte zu der Gräfin hin, daß er es hören mußte: „Er hat noch was in petto, womit er geheim thut, auch vor
mir." „Du fällst,"
versetzte er,
„aus
deiner Rolle,
Schatz, daß du das jetzt zur Sprache bringst; wenn ich nun Lust bekäme, von neuem anzufangen? und
in der That, es juckt mich schon."
„Leporello!" rief der Graf, lustig auffpringend,
und winkte
einem
Diener:
„Wein!
Sillery,
drei
Flaschen!" „Richt doch! damit ist er vorbei — mein Junker hat sein letztes im Glase."
„Wohl bekomm's ihm — und jedem das seine!"
„Mein Gott, was hab' ich da gemacht!" lamen tierte Constanze, mit einem Blick auf die Uhr, „gleich ist es elfe, und morgen früh soll's fort — wie wird das gehen?" „Es geht halt gar nicht. Beste, nur schlechterdings gar nicht." „Manchmal," fing Mozart an, „kann sich doch ein Ding sonderbar fügen. Das wird denn meine Stanzl sagen, wenn sie erfährt, daß eben das Stück Arbeit, das sie nun härm soll, um eben diese Stunde in der Nacht, und zwar gleichfalls vor einer ange setzten Reise, zur Welt geboren ist?" „Wär's möglich? Wann? Gewiß vor drei Wochen, wie du nach Eisenstadt wolltest!" „Getroffen! Und das begab sich so. Ich kam nach zehne, du schliefst schon fest, von Richters Effm heim, und wollte versprochenermaßen auch bälder zu Bett, um morgens beizeitm heraus und in ben Wagen zu steigen. Inzwischen hatte Veit, wie ge wöhnlich, die Lichter auf dem Schreibtisch angqündet, ich zog mechanisch den Schlaftock an, und fiel mir ein, geschwind mein letztes Pensum noch einmal an zusehen. Allein, o Mißgeschick! verwünschte, ganz unzeitige Geschäftigkeit der Weiber! du hattest auf geräumt, die Rotm eingepackt — die mußten näm lich mit: der Fürst verlangte eine Probe von dem
Opus;
—
ich
suchte,
brummte,
schalt,
umsonst!
Darüber fällt mein Blick auf ein versiegelte- Couvert:
vom
Abbate,
den
greulichen
Haken
nach auf der
Adreffe — ja wahrlich! und schickt mir den umgearbeiteten Rest seine- Texte-, den ich vor Monats frist noch nicht zu sehm hoffte.
Sogleich fitz' ich be
gierig hin und lese und bin entzückt, wie gut der
Kauz verstand, wa- ich wollte.
ES war alle- weit
simpler, gedrängter und reicher zugleich. ■ Sowohl die
Kirchhofsscene, wie das Finale, bis zum Untergang des Heldm, hat in jedem Betracht sehr gewonnm.
(Du sollst mir aber auch, dacht' ich, vortrefflicher Poet,
Himmel und Hölle nicht unbedankt zum zweitenmal
beschworen habm!) Run ist eS sonst meine Gewohn heit
nicht,
in der
Komposition
etwa- vorauszu
nehmen, und wenn eS noch so lockend wäre; da
bleibt eine Unart, die sich sehr übel bestrafen kann. Doch giebt eS Ausnahmen, und kurz, der Auftritt bei der Reiterstatue de- Gouverneur-, die Drohung, die vom Grabe des Erschlagenen her urplötzlich das Gelächter des Nachtschwärmers haarsträubmd unter
bricht, war mir bereits in die Krone gefahren.
Ich
griff einen Accord und fühlte, ich hatte an der rech
ten Pfotte angeklopst, dahinter schon die ganze Legion
von Schrecken bei einander liege, die im Finale loSzulaffen sind.
So kam sürs erste ein Adagio
her-
aus: D moll, vier Takte nur, darauf ein zweiter Satz mit fünfen — es wird, bild' ich mir ein, auf dem Theater etwas Ungewöhnliches geben, wo die
stärksten Blasinstrumente die Stimme begleiten.
Einst
weilen hören Sie's, so gut es sich hier machen läßt." Er löschte ohne weiteres die Kerzen der beiden neben
ihm
furchtbare
stehenden Armleuchter
Choral:
„Dein
erklang
Morgenröte!"
aus, und
Lachen
durch
endet
die
jener
vor
der
Totenstille
des
Zimmers.
Wie von entlegenen Sternenkreisen fallen
die Töne
aus
silbernen Posaunen,
eiskalt, Mark
und Seele durchschneidend, herunter durch die blaue
Nacht. „Wer ist hier? Antwort!" hört man Don Juan
fragen.
Da hebt es wieder an, eintönig wie zuvor,
und gebietet dem ruchlosen Jüngling die Toten in Ruhe zu lasten. Nachdem
diese dröhnenden Klänge bis
auf die
letzte Schwingung in der Luft verhallt waren, fuhr Mozart fort:
„Jetzt gab es für mich begreiflicher
weise kein Aufhören mehr.
Wenn erst das Eis ein-
nial an einer Uferstelle bricht, gleich kracht der ganze
See und klingt bis an den entferntesten Winkel hin
unter.
Ich
ergriff
unwillkürlich
denselben
Faden
weiter unten bei Don Juans Nachtmahl wieder, wo Donna Elvira sich eben entfernt hat und das Ge-
spmst, der Einladung gemäß, erscheint.
—
Hören
Sie an." Es folgte nun
der
ganze
lange,
entsetzenvolle
Dialog, durch welchen auch der Nüchtemste bis an
die Grenze menschlichen Vorstellens, ja über sie hin
aus gerisien wird, wo wir das übersinnliche schauen und hören, und innerhalb der eigenen Brust von einem Äußersten
zum andern willenlos uns hin und her
geschleudert fühlen. Menschlichen Sprachm schon entfremdet, bequemt sich das unsterbliche Organ des Abgeschiedenen, noch einmal zu reden.
Bald nach der ersten fürchterlichm
Begrüßung, als der Halbverklärte die ihm gebotene irdische Nahrung verschmäht, wie seltsam schauerlich
wandelt seine Stimme auf ben Sprossen einer lust gewebten Leiter unregelmäßig auf und nieder!
Er
fordert schleunigen Entschluß zur Buße: kurz ist dem
Geist Weg!
die Zeit
gemessen;
weit,
weit,
weit
ist
der
Und wenn nun Don Juan, im ungeheuren
Eigmwillen den ewigen Ordnungen trotzend,
unter
dem wachsenden Andrang der höllischen Mächte, rat los ringt, sich sträubt und windet, und endlich unter geht, noch mit dem vollen Ausdruck der Erhabenheit
in jeder Gebärde — wem zitterten nicht Herz und Nieren vor Lust und Angst zugleich?
Es ist ein Ge
fühl, ähnlich dem, womit man das prächtige Schau
spül einer unbändigen Naturkraft, den Brand eines herrlichen
Schiffes
anstaunt.
Wir
nehmen
wider
Willen gleichsam Partei für diese blinde Größe und teilen knirschend ihren Schmerz im reißenden Verlauf ihrer Selbstvernichüing.
Der Komponist war am Ziele.
Eine Zeitlang
wagte niemand, das allgemeine Schweigen zuerst zu
brechen. „Geben Sie uns,"
fing endlich,
mit noch be
klemmtem Atem, die Gräfin an, „geben Sie uns, ich
bitte Sie, einen Begriff, wie Ihnen war, da Sie in jener Nacht die Feder weglegten!" Er blickte, wie aus einer stillen Träumerei er
muntert, Helle zu ihr auf, besann sich schnell und
sagte, halb zu der Dame, halb zu seiner Frau: „Nun
ja, mir schwankte wohl zuletzt der Kopf.
Ich hatte
dies verzweifelte Dibattimento, bis zu dem Chor der
Geister, in einer Hitze fort, beim offenen Fenster, zu Ende geschrieben,
und
stand nach einer kurzen
Nast vom Stuhl auf, im Begriff, nach deinem Ka binett zu gehen, damit wir noch ein bißchen plaudern
und sich mein Blut ausgleiche.
Da machte ein über
querer Gedanke mich mitten im Zimmer still stehen." (Hier sah er zwei Sekunden lang zu Boden, und
sein Ton verriet beim Folgenden eilte kaum merkbare
Bewegung.)
„Ich sagte zu mir selbst: wenn du noch
diese Nacht wegstürbest, und müßtest deine Partitur an diesem Punkt verlaffen:
Grabe ließ?
—
ob dir'S auch Ruh im
Mein Auge hing am Docht
de-
LichtS in meiner Hand und auf dm Bergm von abgetropftem Wachs.
Ein Schmerz bei dieser Vorstel
lung durchzückte mich einen Moment; dann dacht' ich
weiter: wenn dmn hernach über kurz oder lang ein anderer, vielleicht gar so ein Welscher, die Oper zu vollendm bekäme, und fände von der Introduktion
bis Numero
siebzehn,
mit Ausnahme
einer Piece,
alles sauber beisammm, lauter gesunde, reise Früchte in- hohe Gras geschüttelt, daß er sie nur auflesen dürste; ihm graute aber doch ein wenig hier vor der
Mitte des Finale, und er fände alsdann unverhofft den
feite
tüchtigen gebracht:
Felsbrocken
da
insoweit
schon
bei-
er möchte drum nicht übel in das
Fäustchen lachml
Vielleicht wär' er versucht, mich
um die Ehre zu betrügm.
Er sollte aber wohl die
Finger dran verbrennen; da wär* noch immerhin ein
Häuflein guter Freunde, die meinen Stempel kennen und mir waS mein ist
redlich sichem würdm. —
Nun ging ich, dankte Gott mit einem vollen Blick
hinauf, und dankte, liebes Weibchen, deinem Genius, der dir so länge seine beiden Hände sanft über die
Stirne gehaltm, daß du fortschliefst wie eine Ratze und mich kein einzigmal anrufen konntest.
Wie ich
dann aber endlich kam und du mich um die Uhr be» frugst, log ich dich frischweg ein paar Stunden jünger
als du warst, denn es ging stark auf viere; und nun wirst du begreifen,
warum du mich um sechse nicht
ans den Jedem brachtest, der Kutscher wieder heim geschickt und auf den andern Tag bestellt werden mußte."
„Natürlich," versetzte Constanze, „nur bllde sich der schlaue Mann nicht ein, man sei so dumm gewesen, nicht- zu merken! Deswegen brauchtest du mir deinen
schönen Vorspmng fürwahr nicht zu vecheimlichenl" „Auch war es nicht deshalb."
„Weiß schon — du wolltest deinen Schatz vor erst noch unbeschriem haben." „Mich freut nur,"
rief
der
gutmütige
Wirt,
„daß wir morgen nicht nötig haben, ein edles Wiener
Kutscherherz zu kränken, wenn Herr Mozart partout
nicht ausstehen kann.
Die Ordre „Han» spann wie
der au»" thut jederzeit sehr weh." Diese indirekte Bitte um längeres Bleiben, mit
der sich die übrigen Stimmen im herzlichsten Zuspruch
verbanden, gab den Reisenden Anlaß zu Auseinan
dersetzung sehr triftiger Gründe dagegen; doch ver glich man sich gerne dahin, daß nicht zu zeitig auf
gebrochen und noch vergnügt zusammm gefrühstückt werden solle.
Man stand und drehte sich noch eine Zeitlang in
Gruppen schwatzend um einander.
Mozart sah sich
nach jemanden um, augenscheinlich nach der Braut;
da sie jüwch gnade nicht zugegen war, so richtete er naiver Weise die ihr bestimmte Frage unmittelbar an die ihm nahesteheicke Franziska:
denn
„Was denkm Sie
mm im ganzen von unserm Don Giovanni?
was können Sie ihm Gutes prophezeien?"
„Ich will," versetzte sie mit Lachen, „im Namen meiner Base so gut antwotten als ich kann:
einfälttge Meinung ist,
daß
wenn
nicht
aller Welt den Kopf verrückt,
liebe
Gott seinen Musikkasten
Don
Meine
Giovanni
so schlägt der
gar zu,
auf
unbe
stimmte Zett heißt das, und gibt der Menschheit zu
verstehen —" — „Und gibt
der Onkel verbesiernd ein,
der Menschhett," fiel
„den Dudelsack in
die
Hand und verstocket die Herzen der Leute, daß sie anbeten Baalim."
„Behüt' uns Gott!" lachte Mozart.
„Je nun, im
Lauf der nächsten sechzig, siebzig Jahre, nachdem ich lang fort bin, wird mancher falsche Prophet aufstehen." Eugenie trat mit dem Baron und Max herbei,
die Unterhaltung hob sich unversehens auf ein Neues, ward nochmals ernsthast und bedeutend, so daß der
Komponist, eh' die Gesellschaft auseinander ging, sich noch gar mancher schönm, bezeichnendm Äußerung
erfreute, die seiner Hoffnung schmeichelte.
Erst
lange
nach MUtemacht trennte man sich;
keines empfand bis jetzt, wie sehr eS der Ruhe bedurfte. Den andern Lüg (das Wetter gab dem gestrigen
nicht- nach) um zehn Uhr sah man einen hübschen Reisewagen, mit den Effetten
beider Wiener Gäste
bepackt, im Schloßhof stehen.
Der Graf stand mit
Mozart
davor,
kurz
ehe die Pferde herau-geführt
wurden, und fragte, wie er ihm gefalle. „Sehr gut; er scheint äußerst bequem."
„Wohlan,
so machen Sie mir das Vergnügen
tinb behalten Sie ihn zu meinem Andenken."
„Wie? ist das Ernst?" „War wär* es sonst?"
„Heiliger
und
SixtuS
CalixtuS — Constanze!
du!" rief er zum Fenster hinaus, andern
heraus sah.
wo fie mit den
„Der Wagen soll mein sein!
du fährst künftig in deinem eigenen Wagen!"
Er umarmte den schmunzelnden Geber, betrach tete
und umging sein
Seiten,
neues Besitztum von
öffnete den Schlag,
rief heraus:
allen
warf sich hinein und
„Ich dünke mich so vomehm und so
reich wie Ritter Gluck!
Was werden sie in Wen
für Äugen machen!" — „Ich hoffe," sagte die Gräfin,
„Ihr Fuhrwerk wieder zu sehn bei der Mckkehr von Prag, mtt Kränzen um und um behangen!" Nicht lang nach diesem letzten ft-hlichm Auftritt
setzte sich der vielbelobte Wagm mit dem scheidenden Paare wirklich in Bewegung und fuhr im raschen Trab nach der Landstraße zu. Der Graf ließ sie bis Wütingau fahren, wo Postpferde genommen werden sollten. Wenn gute, vortreffliche Mmschen durch ihre Gegenwart vorübergehend unser HauS belebten, durch ihren frischen GeisteSodem auch unser Wesm in neuen raschm Schwung versetzten und uns dm Segen der Gastfrmndschast in vollem Maße zu empfinden gaben, so läßt ihr Abschied immer eine unbehagliche Stockung, zum mindesten für den Rest des Tags, bei uns zu rück, roofern wir wieder ganz nur auf uns selber an gewiesen sind. Bei unfern Schloßbewohnem traf wenigstens daS letztere nicht zu. Franziskas Eltem nebst der alten Tante sichren zwar alsbald auch weg; die Frmndin selbst indes, der Bräutigam, Max ohnehin, verblieben noch. Eugenien, von welcher vorzugsweise hier die Rede ist, weil sie daS unschätzbare Erlebnis tiefer als alle ergriff, ihr, sollte man deukm, konnte nichts fehlen, nichts genommen oder getrübt fein; ihr reines Glück in dem wahrhaft geliebten Mann, das erst so eben seine sönnliche Bestätigung erhielt, mußte alles andre verschlingen, vielmehr, daS Edelste und Schönste, wovon ihr Herz bewegt fein konnte, mußte sich not-
wmdig mit jener seligen Fülle in Eines verschmelzen. So wäre es auch wohl gekommen, hätte sie gestern
und heute der bloßen Gegenwart, jetzt nur dem reinen
Nachgenuß derselben leben können.
Allein am Abend
schon, bei den Erzählungen der Frau, war sie von leiser Furcht für ihn, an dessen liebenswertem Bild
sie
sich
ergötzte,
geheim
worden;
beschlichen
diese
Ahnung wirkte nachher, die ganze Zeit als Mozart spielte, hinter allem unsäglichen Reiz, durch alle das geheimnisvolle Grauen der Musik hindurch, im Gnmd ihre- Bewußtsein- fort, und endlich überraschte, er
schütterte sie da- wa- er selbst in der nämlichen Rich tung gelegenheitlich von sich erzähtte.
ES ward ihr
so gewiß, so ganz gewiß, daß dieser Mann sich schnell und unaufhaltsam in seiner eigenen Glut verzehre,
daß er nur eine flüchttge Erscheinung auf der Erde sein könne, weil sie den Überfluß, den er verströmen
würde, in Wahrheit nicht ertrüge.
Dies,
neben vielem andern,
ging, nachdem sie
sich gestern niedergelegt, in ihrem Busen auf und ab,
währmd der Nachhall Don JuanS
verworren noch
lange fort ihr innere- Gehör einnahm.
Erst gegen
Tag schlief sie ermüdet ein. Die drei Damen hatten sich nunmchr mit ihren Arbeiten in den Garten gesetzt, die Männer leisteten
thnm Gesellschaft, und da da- Gespräch natürlich zn-
nächst nur Mqart betraf, so verschwieg auch Eugenie ihre Befürchtungen nicht.
Kein- wollte dieselbm im
mindesten teilen, wiewohl der Baron sie vollkommen
begriff.
Zur guten Stunde, in recht menschlich reiner,
dankbarer Stimmung pflegt man sich jeder Unglücksidee, die einen gerade nicht unmittelbar angeht, au-
allen Kräften zu erwehren.
Die sprechendsten, lachend
sten Gegenbeweise wurden,
besonders
vom Oheim,
vorgebracht, und wie gerne hörte nicht Eugenie alles
an!
ES sehlte nicht viel, so glaubte sie wirklich zu
schwa^ gesehen zu haben.
Einige Augenblicke später,
als sie durchs
große
Zimmer oben ging, das ebm gereinigt und wieder
in Ordnung gebracht worden war, und dessen vorge zogene, grün damastene Fenstergardinen nur ein sanf -
teS Dämmerlicht
dem Klaviere
zuließm,
still.
stand sie wehmütig
vor
Durchaus war es ihr wie ein
Traum, zu denken, wer noch vor wenigen Stunden davor gesessen habe.
Lang blickte sie gedankenvoll die
Tasten an, die er zuletzt berührt, dann drückte sie leise den Deckel zu und zog den Schlüssel ab, in eisersüchtiger Sorge, daß sobald keine andere Hand
wieder öffne.
Im Weggehn stellte sie beiläufig einige
Liederhefte an ihren Ort zurück; es fiel ein älteres
Blatt heraus, die Abschrift eines böhmischen Volks liedchens, das Franziska früher, auch wohl sie selbst.
manchmal gesungen.
Sie nahm es auf, nicht ohne
darüber betreten zu sein.
In einer Stimmung wie
die ihrige wird der natürlichste Zufall Orakel.
leicht zum
Wie sie es aber auch verstehen wollte, der
Jirhalt war derart, daß ihr, indem sie die einfachen
Verse wieder durchlas, heiße Thränen entfielen. Ein Tännlein grünet wo, Wer weiß, im Walde;
Ein Rosenstrauch, wer sagt, In welchem Garten?
Sie sind erlesen schon.
Denk' es, o Seele, Auf deinem Grab zu wurzeln Und zu wachsen.
Zwei schwarze Rößlein weiden
Auf der Wiese, Sie kehren heim zur Stadt
In muntern Sprüngen.
Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche;
Vielleicht, vielleicht noch eh'
An ihren Hufen Das Eisen los wird. Das ich blitzen sehe!
Im gleicher: Berlage erschien:
Ed.m$rike, 0e$ammelte$cbriften 4 Bände. I Gedichte. — II: Erzählungen. III'IV: Maler Nolten. Jeder Band geb. M. 5.—. Historie von -er schönen Lau. 4°. Mit 7 Um rißzeichnungen von Moritz von Schwind. Geb. M. 5.—.
Jtrd. Jreiligraih, gesammelte AAH 15.-. UllDIUnyvIl«
6 Bände in 3 Leinenbände gebunden M.
PrinzEmilv.Scbönaicb-ßarolatb: Dichtungen. — Geschichten aus Moll. — Der Freiherr. Regulus. Der Heiland -er Tiere. 3 Novellen. — Thauwasser. Novelle. — Jeder Band gebunden M. 4.—.
Eessmgs Werke
«örcften
Original-
sche Bibliothek-Ausgabe gr. 8°, 12 Halblederbände M. 33 —, 6 Halblederbände M. 26.—. wohlfeile Bibliothek-Ausgabe gr 8°, 12 billige Liebhaberbände M 24.—. Rabinett - Ausgabe 8°, 6 Halblederbände M. 15.—, 6 Liebhaberbände M 12.—. Billige Ausgabe, 6 Bände in feinem Halblederband M. 7 60, in eigenartig vornehmem Liebhaberband M. 6.60 Lessings ausgewählte Werke, 2 Bände in Pracht band M. 2.80. Lessings Meister-ranren, vor
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