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German Pages 342 [339] Year 2010
Edition Ethik Herausgegeben von Reiner Anselm und Ulrich H. J. Körtner
Band 3
Stefanie Schardien (Hg.) Mit dem Leben am Ende Stellungnahmen aus der kirchlichen Diskussion in Europa zur Sterbehilfe
Inh. Dr. Reinhilde Ruprecht e.K.
Mit 3 Abbildungen
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. © Edition Ruprecht Inh. Dr. R. Ruprecht e.K. Postfach 17 16, 37007 Göttingen – 2010 www.edition-ruprecht.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urhebergesetzes bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Verlags. Diese ist auch erforderlich bei einer Nutzung für Lehrund Unterrichtszwecke nach § 52a UrhG. Das Werk ist zugleich als eBook erhältlich, DOI 10.2364/7823242086. Satz: Stefanie Schardien Layout: mm interaktiv, Dortmund Umschlaggestaltung: klartext GmbH, Göttingen Druck: buch bücher dd-ag, Birkach ISBN: 978-3-7675-7123-5
Inhaltsverzeichnis Vorwort ............................................................................................... 15 Einleitung: Die Sterbehilfediskussion aus ethischer und ökumenischer Perspektive (Stefanie Schardien) ................................................17 1. Die Suche nach den richtigen Begriffen.............................................. 18 2. Ringen um die Würde des Menschen und den Schutz seines Lebens ... 22 3. Kirche und Gesellschaft..................................................................... 23 4. Christliche Menschenbilder ............................................................... 26 5. Argumentative Strukturen................................................................. 27 6. Zwischen Be- und Verurteilungen ...................................................... 29 7. Stellungnahmen in der Ökumene und ökumenische Stellungnahmen. 31 Vatikan – Kongregation für die Glaubenslehre........................................... 34 Einführung........................................................................................ 34 Iura et Bona. Erklärung der Kongregation für die Glaubenslehre zur Euthanasie................................................................................... 36 1. Einleitung ......................................................................................... 36 2. Wert des menschlichen Lebens.......................................................... 37 3. Euthanasie ........................................................................................ 38 4. Die Bedeutung des Schmerzes für den Christen und die Verwendung schmerzstillender Mittel .......................................... 39 5. Das richtige Maß in der Verwendung therapeutischer Mittel ............... 40 6. Schluss.............................................................................................. 42 Nordische Bischofkonferenz..................................................................... 43 Einführung........................................................................................ 43 Das Leben bewahren ......................................................................... 45 1. Der soziale Hintergrund..................................................................... 45 I. Die demographische Entwicklung...................................................... 45 II. Die veränderte Sicht des Todes in der Gesellschaft ............................. 46 III. Die veränderte Aufgabe des Gesundheitswesens ................................ 47 2. Das Zeugnis der Bibel ........................................................................ 48 I. Das Alte Testament............................................................................ 48 II. Das Neue Testament .......................................................................... 50 3. Die christliche Sicht des Gesundheitswesens und der Krankenpflege.. 51 I. Die Würde des Patienten.................................................................... 52 II. Die Berufung und Würde der im Gesundheitswesen Tätigen............... 52
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III. 4. I. II. III. IV. V. 5. I. II. 6. 7.
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Andere Beteiligte............................................................................... 53 Fragen im Zusammenhang mit Pflege in der Endphase des Lebens ..... 53 Schmerzlinderung............................................................................. 54 Der Abbruch einer intensivmedizinischen Behandlung ...................... 55 Euthanasie ........................................................................................ 56 Terminale Sedierung ......................................................................... 57 Organ-, Gewebe- und Zellspende........................................................ 58 Der Beitrag der Kirche zum Gesundheitswesen im Norden ................. 59 Katholische Krankenpflege im Norden............................................... 59 Neue Initiativen ................................................................................. 60 Zusammenfassung............................................................................. 60 Empfehlungen und Vorschläge .......................................................... 61
Schweizer Bischofskonferenz ................................................................... 62 Einführung........................................................................................ 62 Die Würde des sterbenden Menschen................................................. 64 1. Der Ernst des menschlichen Sterbens ................................................ 65 I. Das Leben und das Sterben................................................................ 65 II. Die Religionen und der Sinn des Sterbens .......................................... 66 III. Die drei Dimensionen des menschlichen Sterbens.............................. 66 IV. Versuche zur Bewältigung des Sterbens ............................................. 67 2. Die christliche Würde des Sterbens.................................................... 70 I. Die Heiligkeit des Lebens in der Bibel ................................................ 70 II. Das Sterben Jesu Christi „für uns“ ..................................................... 71 III. Das Sterben der Christen ................................................................... 71 IV. Die christliche Hoffnung.................................................................... 72 3. Die Würde des sterbenden Menschen................................................. 74 I. Selbstbestimmung und Abhängigkeit des Menschen........................... 75 II. Die Patientenverfügung ..................................................................... 76 4. Die sogenannte Sterbehilfe: Grenzziehungen ..................................... 76 I. Begriffliche Abgrenzungen ................................................................ 76 II. Die passive Sterbehilfe: Behandlungsabbruch oder -verzicht............... 77 III. Die indirekte aktive Sterbehilfe: Symptom- oder Schmerzbehandlung mit lebensverkürzender Folge ........................... 79 IV. Die direkte aktive Sterbehilfe: Tötung (auf Verlangen) ....................... 80 V. Die Beihilfe zum Suizid ...................................................................... 82 5. Die Begleitung sterbender Menschen ................................................. 84 I. Die umfassende Sterbebegleitung: Palliative Betreuung...................... 84 II. Die menschliche Zuwendung ............................................................. 86
Inhaltsverzeichnis
III. 6.
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Die seelsorgerliche Begleitung Sterbender ......................................... 87 Schlusswort....................................................................................... 88
Französische Bischofskonferenz............................................................... 90 Einführung........................................................................................ 90 Respecter l'homme proche de sa mort ............................................... 92 L'usage proportionné des moyens thérapeutiques .............................. 92 Le soulagement de la douleur............................................................. 93 L'accompagnement des grands malades............................................. 94 Les situations difficiles....................................................................... 95 Le grand age...................................................................................... 96 La mort provoquée ............................................................................ 97 Un chemin de fratenité ...................................................................... 99 Niederländische Katholische Bischofskonferenz .......................................100 Einführung...................................................................................... 100 Care During Suffering and Dying ..................................................... 102 Introduction.................................................................................... 102 Care during suffering and dying ....................................................... 103 1. Palliative care and related concepts.................................................. 104 2. Comparison of development in the Netherlands with those in other countries......................................................................................... 105 3. Pain, suffering and death in a religious perspective........................... 106 4. What the church says about social ethics .......................................... 108 Heilige Synode der Kirche Griechenlands ................................................109 Einführung...................................................................................... 109 Basic positions on the ethics of Euthanasia....................................... 111 Introduction.................................................................................... 111 I. Introduction.................................................................................... 111 II. Life and death in the orthodox theology and tradition ....................... 112 III. The meaning of pain ........................................................................ 113 IV. Medical treatment of pain ................................................................ 113 V. Consequences of modern medical technology.................................. 114 VI. The medical mission........................................................................ 114 VII. Social and psychological causes of euthanasia .................................. 115 VIII. Social consequences of euthanasia................................................... 115 IX. Legal remarks on life ....................................................................... 116 X. The proposal of the Church.............................................................. 117
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Russisch-Orthodoxe Kirche ....................................................................121 Einführung...................................................................................... 121 Die Grundlagen der Sozialdoktrin der Russisch-Orthodoxen Kirche . 123 12. Fragen der Bioethik ................................................................... 123 Evangelische Kirche in Deutschland ....................................................... 125 Einführung...................................................................................... 125 Im Geist der Liebe mit dem Leben umgehen .................................... 127 2. Die christliche Sicht des Menschseins und des menschlichen Lebens 127 3.2 Lebensende..................................................................................... 129 Evangelisch Lutherische Kirche in Italien ............................................... 133 Einführung...................................................................................... 133 Synodalvorlage zum Thema Euthanasie und Beschluss..................... 134 1. Allianz gegen die Angst.................................................................... 135 Protestantische Föderation in Frankreich ............................................... 138 Einführung...................................................................................... 138 «Euthanasie et assistance aux mourants»: éléments de réflexion ....... 140 1. La mort enfin regardée, les soins palliatifs ........................................ 140 2. L'euthanasie et la vie "digne"............................................................ 141 3. Le refus d'une maîtrise de la mort .................................................... 142 4. L'écoute d'une détresse interminable............................................... 142 5. Pluralité éthique et commune législation.......................................... 142 6. Nous retenons que ........................................................................... 143 Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund ...........................................144 Einführung...................................................................................... 144 Das Sterben leben. Entscheidungen am Lebensende aus evangelischer Perspektive................................................................ 146 1. Einleitung ....................................................................................... 146 I. Sterben zwischen Schicksal und Entscheidung................................. 146 II. Sterben in der modernen Gesellschaft ............................................. 147 2. Sterbebegleitung, Sterbehilfe und Suizidbeihilfe .............................. 148 I. Geltungsbereich.............................................................................. 148 II. Tätigkeitsfelder ............................................................................... 149 2.II.1 Sterbebegleitung (Hilfe beim Sterben)............................................. 149 2.II.2 Sterbehilfe (Hilfe zum Sterben) ....................................................... 149 2.II.3 Suizidbeihilfe .................................................................................. 149
Inhaltsverzeichnis
III. 3. I. II. 3.II.1 3.II.2 3.II.3 4. I. II. III. IV. 5. I. II. 6. I. II. III.
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Rechtliche und standesethische Regelungen .................................... 150 Ethische Fragestellungen................................................................. 152 Komplexe Entscheidungssituationen ............................................... 153 Normative Konflikte ........................................................................ 154 Hierarchiemodell ............................................................................ 155 Vermittlungsmodell......................................................................... 156 Integrative ethische Orientierung .................................................... 156 Bausteine für die theologisch-ethische Orientierung und Urteilsfindung ................................................................................. 157 Leben als Gabe ................................................................................ 157 Leben zwischen Angewiesensein und Freiheit .................................. 158 Leben in der Krise: Leiden in der Gesellschaft.................................. 158 Leben werten?................................................................................. 159 Sterbehilfe in Medizin und Gesellschaft............................................ 160 Take care ........................................................................................ 160 Begleitende Seel-Sorge .................................................................... 161 Offene Fragen ................................................................................. 163 Die Grenzen des Rechts................................................................... 163 Medizinische Entscheidungen am Lebensende................................. 165 Verrechtlichung der Suizidbeihilfe und gesellschaftliche Konsequenzen................................................................................. 168
Protestantische Kirche in den Niederlanden ............................................. 171 Einführung...................................................................................... 171 Medizinische Entscheidungen im Umfeld des Lebensendes .............. 171 Ein Wort zuvor ................................................................................ 173 Kapitel 1 ....................................................................................................... 174 Kapitel 2 ....................................................................................................... 175 2.1 Einleitung ....................................................................................... 175 2.2 Behandeln oder nicht?..................................................................... 176 2.3 Palliative Behandlungen .................................................................. 178 2.4 Aktive Sterbehilfe............................................................................ 178 Kapitel 3 ....................................................................................................... 180 3.1 Einleitung ....................................................................................... 180 3.2 Die Entscheidungsmöglichkeiten..................................................... 181 3.3 Wer entscheidet?............................................................................. 183 3.4 Wie kommen wir zu einem guten Entschluss? .................................. 186 1. Sachfragen: ..................................................................................... 186 Kapitel 4 ....................................................................................................... 187
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Kapitel 5 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5
....................................................................................................... 189 Einleitung ....................................................................................... 189 Liebe in drei Gestalten..................................................................... 190 Behandeln oder nicht?..................................................................... 194 Palliative Versorgung....................................................................... 198 Kann terminale Sedierung eine Bitte um aktive Sterbehilfe vermeiden?.................................................................... 200 Kapitel 6 ....................................................................................................... 201 6.1. Einleitung ....................................................................................... 201 6.2 Ausgangspunkte.............................................................................. 201 6.3 Beachtenswerte Punkte für den Pastor ............................................. 203 6.4 Zurück zu den Beispielen................................................................. 206 6.5 Weitere Überlegungen..................................................................... 210 Evangelische Kirche A. und H.B. in Österreich .........................................212 Einführung...................................................................................... 212 Stellungnahme der Evangelischen Kirche in Österreich zum Thema „Sterbehilfe“ ................................................................................... 214 I. Ausgangslage .................................................................................. 214 1. Schulmedizinischer Kontext ............................................................ 214 2. Historischer Kontext ....................................................................... 214 3. Neue gesellschaftliche Initiativen..................................................... 215 II. Sterbebegleitung ............................................................................. 215 1. Sterbebegleitung allgemein ............................................................. 215 2. Sterbehilfe allgemein....................................................................... 216 2. Definitionen .................................................................................... 216 3. „Recht auf den eigenen Tod“?.......................................................... 217 4. Ethisches Dilemma.......................................................................... 217 5. Theologische Reflexionen................................................................ 218 3. Sterbehilfe konkret.......................................................................... 219 1. Sterbehilfe ohne Lebensverkürzung................................................. 219 2. Sterbehilfe mit Lebensverkürzung ................................................... 219 3. Unterlassung der Lebensverlängerung ............................................. 220 4. Aktive Euthanasie– Tötung auf Verlangen........................................ 221 III. Zusammenfassung........................................................................... 222 Kirche von England ............................................................................... 224 Einführung...................................................................................... 224 Assisted Suicide and Voluntary Euthanasia ...................................... 226
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Introduction.................................................................................... 226 Background..................................................................................... 226 Terminology.................................................................................... 227 Moral principles at stake .................................................................. 228 "The slippery slope”......................................................................... 231 Palliative care and the hospice movement ........................................ 232 Legislation on voluntary euthanasia and assisted suicide in other countries......................................................................................... 233 UK attitudes to assisted suicide and voluntary euthanasia ................. 235 Conclusion...................................................................................... 235 Anglikanische Gemeinschaft – Lambeth Konferenz ................................. 237 Einführung...................................................................................... 237 The 1998 Lambeth Conference Resolution on Euthanasia................ 238 Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten ........................................ 239 Einführung...................................................................................... 239 Konsenserklärung über die Betreuung Sterbender ........................... 241 Evangelisch-Methodistische Kirche ........................................................ 245 Einführung...................................................................................... 245 Soziale Grundsätze .......................................................................... 247 Art. 161. Die menschliche Lebensgemeinschaft ............................... 247 Vorbemerkungen ............................................................................ 247 13. Menschenwürdiges Sterben und Sterbebegleitung ........................... 247 14. Suizid.............................................................................................. 248 Selbstständig Evangelisch-Lutherische Kirche......................................... 249 Einführung...................................................................................... 249 Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen.......................... 251 Vorwort........................................................................................... 251 A Sterben und Tod aus biblischer Sicht ............................................... 252 B Sterben und der Tod in der Gegenwart............................................. 256 C Medizin am Ende des Lebens ........................................................... 264 D Wann ist Sterbehilfe erlaubt? ........................................................... 272 I. Einleitung ....................................................................................... 272 II. Was ist Sterbehilfe? ......................................................................... 272 III. Fallbeispiele .................................................................................... 274
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E I. II. III. IV. V. F I. II. III. IV. V. VI. G I. II. III.
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Patientenrechte – Patientenverfügung ............................................. 279 Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung.................................. 279 Problemstellung .............................................................................. 279 Die Bedeutung der Willensfähigkeit des Patienten ............................ 279 Rechtliche Möglichkeiten ................................................................ 284 Zusammenfassung und praktische Hinweise .................................... 290 Informationsmaterial und Musterformulare ..................................... 293 Palliativversorgung und Hospizarbeit ............................................... 293 Einführung...................................................................................... 293 Palliativversorgung.......................................................................... 294 Hospizarbeit.................................................................................... 294 Einstellung der Hospizbewegung zu weiteren Strategien zur Bewältigung der letzten Lebensphase ......................................... 296 Die schwierige Frage künstlicher Ernährung .................................... 298 Zugang zu Hospizdiensten ............................................................... 299 Häusliche Sterbebegleitung ............................................................. 300 Sachdarstellung............................................................................... 300 Sterbebegleitung zu Hause............................................................... 301 Vorsorgemassnahmen ..................................................................... 304
Ökumenischer Rat der Kirchen in Österreich .......................................... 307 Einführung...................................................................................... 307 Erklärung des ÖRKÖ zum menschenwürdigen Sterben .................... 309 Konferenz Europäischer Kirchen.............................................................312 Einführung...................................................................................... 312 Contribution for the Euthanasia debate at the Council of Europe ...... 314 Kirche von England / Römisch-Katholische Kirche von England und Wales 316 Einführung...................................................................................... 316 Joint Submission ............................................................................. 318 Foundations .................................................................................... 318 Two arguments for legalising euthanasia .......................................... 319 The limits of autonomy .................................................................... 319 Protection of the vulnerable............................................................. 320 Palliative care and burdensome treatment........................................ 321 Conclusion...................................................................................... 322
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Literaturverzeichnis.............................................................................. 323 Register ............................................................................................. 330 Bibelstellenregister......................................................................... 330 Sachregister ................................................................................... 333
Vorwort Manchmal wird man sofort fündig, häufig sucht man länger: Die Recherche nach kirchlichen Stellungnahmen zu bestimmten Fragen kann sich langwierig gestalten. Auch wenn sich moderne Kommunikationsmedien heute in hohem Maße um die Bereitstellung unzähliger Informationen verdient machen, lassen sich manche Dokumente schwer auffinden, was auf die verschiedenen Kommunikationsstrukturen der Kirchen, ein unterschiedlich starkes Interesse an der Publikation ihrer Positionen, manchmal auch allein auf die fremde Sprache der Veröffentlichungen zurückzuführen ist. Vor diesem Hintergrund will der vorliegende Band Stellungnahmen versammeln, in denen sich europäische Kirchen zur Frage nach dem Umgang mit Sterbehilfe positionieren. Der Textauswahl liegen drei Kriterien zugrunde: die Erklärungen sollen erstens die konfessionelle Breite der Kirchen in Europa abbilden, zweitens eine möglichst hohe, offizielle Geltung innerhalb ihrer Kirchen besitzen und drittens den möglichst aktuellen Stand der kirchlichen Positionen abbilden. Den einzelnen Stellungnahmen werden neben Tabellen mit den Grunddaten kurze Einleitungen vorausgeschickt. Sie informieren über besondere kirchliche oder gesellschaftliche Rahmenbedingungen, die sich auf die Entstehung der Erklärungen ausgewirkt haben, über landesspezifische rechtliche Hintergründe oder wissenswerte Vorgeschichten. Außerdem machen sie aufmerksam auf bestimmte inhaltliche Strukturen, zentrale Argumente oder außergewöhnliche Akzentsetzungen der Texte. Soweit deutsche Übersetzungen der Texte vorgelegen haben, ist auf diese zurückgegriffen worden; der Text der niederländischen protestantischen Kirchen ist für diesen Band übersetzt worden. Die englischen und französischen Stellungnahmen werden in der Originalsprache abgedruckt. Durch die Zusammenstellung der Erklärungen zur Sterbehilfe dient der Sammelband nicht allein der Information über die unterschiedlichen konfessionellen oder länderbezogenen Perspektiven auf das ethische Thema, sondern er ermöglicht zudem den Vergleich der Zugänge und Argumente. Populären Karikaturen gegenüber, die den Kirchen gern eine einheitlich konservative Sicht unterstellen, mag der Sammelband die Sensibilität für konfessionelle Differenzen schärfen. Umgekehrt können jene, die – gerade aus binnenkirchlicher Perspektive – ökumenischen Eiszeiten das Wort reden, auf „Familienähnlichkeiten“ der christlichen Argumentationen im medizinethischen Diskurs über das Lebensende aufmerksam werden. Der Sammelband verfolgt somit zwei Interessen: in ethischer Hinsicht sucht er, anhand der Darstellung der verschiedenen Zugänge christlicher Kirchen, zur Urteilsbildung in den kirchlichen, nationalen und europäischen Sterbehilfediskussion beizutragen, während er in ökumenischer Perspektive den weiteren Dialog zwischen den Konfessionen über bleibende ethische Differenzen, über schon bestehende oder mögliche Gemeinsamkeiten in der Frage nach dem Umgang mit dem Lebensende herausfordern will. Somit kann sich Mit dem Leben am Ende für ver-
Einleitung: Die Sterbehilfediskussion aus ethischer und ökumenischer Perspektive Stefanie Schardien Mit dem Leben am Ende zu sein heißt, Sterben und Tod nahe zu kommen. Nach einer Phase der gesellschaftlichen Verdrängung oder zumindest seltener öffentlicher Diskussionen des Umgangs mit dem Lebensende in den Nachkriegsjahrzehnten, hat sich seit den neunziger Jahren die Beschäftigung mit Sterben und Tod erkennbar intensiviert. Die Ausbildung einer neuen Sprachfähigkeit und Diskussionskultur, die das Sterben wieder als Teil des Lebens begreifen und die Rahmenbedingungen dazu hinterfragen wollen, ist gesellschaftlich begrüßenswert. Im Hintergrund dieses nicht zuletzt auch medial dokumentierten Interesses am Lebensende stehen medizinisch-technische Entwicklungen, die mit der Möglichkeit der Lebenszugleich die Gefahr der Leidensverlängerung mit sich gebracht haben. Mit dem Leben am Ende sehen sich entsprechend auch diejenigen, die, weil ihnen kein lebenssattes und friedliches Sterben vergönnt ist, den Tod wünschen und die aus ihrer Leidensperspektive heraus genug vom Leben haben. Immer wieder sind es solche Schicksale einzelner Betroffener, die von den Medien inszeniert erneute gesellschaftliche Debatten anfachen. Diese münden in den meisten Fällen in der Forderung nach einer Liberalisierung der Gesetzgebung. Seltener, aber von ähnlichem Empörungspotenzial begleitet rücken sogenannte „Todesengel“ ins Zentrum der Aufmerksamkeit, wenn sie mit ihren verbrämten Mitleidsmorden als Zerrbilder eines selbstherrlichen Medizinbetriebs der öffentlichen Angst und Ächtung ausgesetzt werden. Mit dem Leben am Ende umzugehen verlangt, angesichts der modernen medizinisch-technischen Errungenschaften und der mit ihnen zugleich verbundenen erweiterten Handlungsoptionen, nach einer intensiven ethischen Urteilsbildung. Angefangen bei individuellen Entscheidungen von Patienten und ihren Angehörigen, von Ärzten und Pflegekräften bis hin zu den politischen Debatten über die Legalisierung aktiver Sterbehilfe, drängen sich Fragen auf, was es bedeutet, menschenwürdig zu sterben. Entscheidungen über die Gestaltungsmöglichkeiten des Sterbens, über Rechte und Grenzen der Selbstbestimmung sind zu treffen. Öffentliche Diskurse, vor allem diejenigen jenseits der beschriebenen aufmerksamkeitsheischenden Einzelfalldarstellungen, tragen dazu bei, die notwendige Urteilsfähigkeit zu schärfen. Eine weltanschaulich plurale und funktional ausdifferenzierte Gesellschaft kann davon profitieren, wenn möglichst viele gesellschaftliche Akteure sich und ihr spezifisches Profil in diese Meinungsbildung einbringen. Mit der in jüngerer Zeit viel diskutierten Rückkehr der Religion mag man zu unterschiedlichen Ergebnissen darüber kommen, ob die Kirchen noch oder wieder, möglicherweise auch nur in bestimmten Fragen, als kompetente und relevante Gesprächspartnerinnen
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wahrgenommen werden. Festzustellen ist aber zweierlei: Die Kirchen, im Besonderen die mitgliederstarken Kirchen, beteiligen sich erstens aus eigenem Interesse – schließlich können sie sowohl beanspruchen, gesellschaftlich für bestimmte Werte und Menschenbilder einzutreten, als auch in besonderer Weise Experten für den Umgang mit den Lebensgrenzen zu sein. Umgekehrt werden die Kirchen zweitens noch immer häufig von Politik oder Interessengruppen um ihre Perspektive und Meinung gebeten. Die folgende Einführung beabsichtigt nicht, die im und durch den Sammelband eröffnete Diskussion vorschnell abzuschließen, indem sie Perspektiven einengt oder Urteile fällt. Vielmehr besteht ihre primäre Aufgabe darin, über terminologische Fragen und rechtliche status quo aufzuklären und zentrale Konflikte der Debatte zu beleuchten. In zweiter Hinsicht thematisiert sie aufbauend auf einer vorangegangenen Untersuchung inhaltliche und argumentative Akzentsetzungen der konfessionellen Positionen und die Besonderheiten gemeinsam von zwei oder mehreren Kirchen verfasster Stellungnahmen.1 Diese Darstellungen können als Anregungen für die kritische Wahrnehmung der Stellungnahmen dienen; noch mehr sind sie als Aufforderung zu verstehen, aus der je eigenen Perspektive unterstützt, 2 modifiziert oder hinterfragt zu werden.
1.
Die Suche nach den richtigen Begriffen
Diskussionen um Sterbehilfe sehen sich mit zahlreichen ähnlichen und doch verschiedenen Begrifflichkeiten konfrontiert, die je nach Standpunkt unterschiedlich emotional positiv oder negativ besetzt, verzerrend oder treffend erscheinen und die vor allem immer wieder zu Missverständnissen führen können. Diese Herausforderung potenziert sich, sobald andere Sprachen und kulturell geprägte Semantiken ins Spiel kommen, wie dies beim ökumenischen und europäischen Diskurs unausweichlich geschieht. Als Problem für die Diskussion erweisen sich die fließenden Grenzen zwischen den unterschiedlichen Formen des Umgangs mit dem Lebensende: Unterscheidungen von aktiver und passiver, von direkt und indirekt intendierter Sterbehilfe, deren Abgrenzung gegenüber Sterbebegleitung oder die Grenzziehung zwischen freiwilligen und beeinflussten Entscheidungen können an ihren Rändern und Übergängen nur ungenau bleiben. Erscheinen also letztgültige und allgemein anerkannte Definitionen in der Sterbehilfedebatte als kaum realisierbar, so sind doch einerseits grundlegende und wiederkehrende Bedeutungen beschreibbar und andererseits, wie es die Konferenz Europäischer Kirchen für offizielle Erklärungen vorschlägt, im 1 2
Vgl. S. Schardien: Sterbehilfe als Herausforderung für die Kirchen. Verweisen Fußnoten dieser Einleitung auf kirchliche Dokumente, die im vorliegenden Sammelband abgedruckt sind, beziehen sich die Seitenzahlen auf dieses Buch und nicht mehr auf etwaige ursprüngliche Seitennummerierungen der Stellungnahmen.
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Dienste ertragreicher Diskussionen möglichst weitgehende Klärungen über spezifi3 sche begrifflichen Akzentuierungen vonseiten der Beteiligten möglich und nötig. Denn welche Begriffe für verwerflich erachtete Umgangsformen mit dem Lebensende reserviert werden, welche favorisiert, umgangen oder neu gefüllt werden, dies gibt oft schon indirekt Aufschluss über Grundhaltungen und Absichten der Diskussionsteilnehmer. Sterbehilfe oder Euthanasie? Insofern sowohl die Rede von „Hilfe“ wie auch vom „guten Tod“ wünschenswert klingen kann, sehen sich beide Begriffe theoretisch dem Vorwurf des Euphemismus ausgesetzt. De facto werden sie jedoch oftmals eher negativ bewertet, weil man sie in vielen medizinethischen und gesellschaftlichen Diskussionen mit der in den meisten Ländern verbotenen Praxis der aktiven Sterbehilfe identifiziert. Im deutschsprachigen Raum gründet die häufig intuitive Ablehnung des Euthanasiebegriffs vor allem in seinem Missbrauch für das nationalsozialistische Vernichtungsprogramm, während im Sprachgebrauch anderer Länder die Rede von „Euthanasie“ weniger in dieser Weise belastet und entsprechend geläufiger ist. Dennoch lässt sich gerade im anglophonen Bereich zunehmend der Rekurs auf die englischen Termini für „assistiertes Sterben“ oder „assistierter Tod“ verzeichnen. Gegenüber dem auf die Tötung verengten Euthanasiebegriff umreißen „assisted dying“ und „assisted death“ ein breiteres Handlungsfeld, das sich von Sterbegleitung, über palliativmedizinische Maßnahmen bis hin zur Suizidbeihilfe oder zur aktiven Sterbehilfe erstrecken kann. Anders als das englische „euthanasia“ erwecken die Begriffe zudem den Eindruck, dass das Zentrum des Geschehens bei den Sterbenden selbst, nicht bei den „nur“ assistierenden Personen liegt. Sterbehilfe oder Sterbebegleitung? Im deutschen Sprachgebrauch hat sich trotz der fließenden Übergänge die Abgrenzung der „Sterbehilfe“ von „Sterbebegleitung“ bewährt. Letztere hat, auch wenn sie heute oft palliativmedizinisch flankiert wird, als „Hilfe im Sterben“ ihren Schwerpunkt vor allem in der „mitmenschlichen Verbundenheit“4 mit den Sterbenden und darüber hinaus mit Angehörigen. Dagegen bezeichnet Sterbehilfe als „Hilfe zum Sterben“ stets medizinische Maßnahmen des Tuns oder Unterlassens. Von den Formen der Sterbehilfe abzugrenzen ist weiterhin die Beihilfe zum Suizid, bei der durch die Bereitstellung tödlicher Substanzen der Selbstmord ermöglicht wird, d.h. die Handlungshoheit bei den Sterbewilligen liegt. Trotz dieser grundlegenden, intrinsischen Differenz werden Sterbehilfe und assistierter Suizid zunehmend gemeinsam thematisiert. Dies trägt der Wahrnehmung Rechnung, dass beide Formen Antworten auf die Forderung nach Selbstbestimmung am Lebensende geben. Neben der Abgrenzung von diesen der Sterbehilfe verwandten Formen lässt sich auch der Sterbehilfebegriff selbst nochmals inhaltlich differenziert betrachten. Zunächst bedarf es einer kurzen Anmerkung zu den betroffenen Personen: Vielen 3 4
Vgl. Konferenz Europäischer Kirchen: Contribution for the Euthanasia debate in the Council of Europe, 314–315. G. Fasselt: Art. Sterbebegleitung, 441.
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Definitionen zufolge bezieht sich Sterbehilfe ausschließlich auf den bereits sterben5 den Menschen. Diese Beschränkung scheint dem Wunsch nach einer starken Eingrenzung der Praxis geschuldet. Auch durch den Einfluss von Verfechtern der Selbstbestimmung wird diese Definition immer stärker in Frage gestellt, was u.a. die niederländischen und belgischen Sterbehilfegesetze dokumentieren, die statt des Sterbeprozesses vielmehr ein unerträgliches und unheilbares Leiden zum Kriterium machen. Drei Dimensionen spielen nun in den näheren Bestimmungen von „Sterbehilfe“ stets eine Rolle: die Art der Einwirkung auf den Patienten (aktiv oder passiv), die dahinterliegende Intention (direkt oder indirekt) und der Patientenwille (freiwillig, nicht-freiwillig oder unfreiwillig). Wenngleich umgangssprachlich oft nur auf eine der Präzisierungen rekurriert wird, lässt sich prinzipiell jeder Einzelfall anhand dieser drei Dimensionen qualifizieren, wie ein Würfelmodell veranschaulichen kann.
Bei der Art der Einwirkung auf den Patienten lässt sich die aktive Sterbehilfe im Sinne der Tötung von der passiven Sterbehilfe im Sinne der Nicht-Einleitung oder des Abbruchs einer medizinischen Behandlung unterscheiden. Diese Differenzierung ist insofern nicht zu verwechseln mit rein phänomenologischen Beobachtungen ärztlichen Tuns und Unterlassens – kann doch etwa das Abschalten einer Beatmungsmaschine trotz des offensichtlich aktiven „Tuns“ Teil der passiven Sterbehilfe sein.6 Nicht allein aufgrund dieser Missverständlichkeit wird der Nutzen der beiden Begriffe immer wieder in Abrede gestellt. Es zeigt sich aber, dass die Rede von aktiver und passiver Sterbehilfe mittlerweile so stark in den deutschen Sprachgebrauch eingegangen sind, dass man sie in ethischen Diskursen nicht einfach ignorieren oder durch die nicht unbedingt präziseren zuvor genannten Umschreibungen ersetzen kann. Hinter den Entscheidungen für die aktive oder passive Sterbehilfe stehen – eng verbunden – die direkten oder indirekten Intentionen, den Tod herbeizuführen. Indirekte Sterbehilfe bedeutet, im Dienste der Schmerzlinderung 5 6
Vgl. u.a. J. Schara, L. Beck: Art. Sterbehilfe, 445. Zur intensiven Aufarbeitung der aktiv-passiv-Unterscheidung bei der Sterbehilfe vgl. F. J. Bormann: Töten oder Sterbenlassen?, 63–99.
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die Lebensverkürzung in Kauf zu nehmen. Logisch unscharf steht in vielen Diskussionen die indirekte Sterbehilfe als dritte Form neben der aktiven und passiven Sterbehilfe. Das eigentliche Pendant zur indirekten, nämlich die direkte, den Tod beabsichtigende Sterbehilfe wird selten diskutiert und häufig allein der aktiven 7 Form untergeordnet Auch wenn die Intuition die eindimensionale Kopplung von aktiv und direkt, bzw. passiv und indirekt nahelegen mag: Studien haben demonstriert, wie hinter dem Töten oder Sterbenlassen jeweils sowohl direkte als auch indi8 rekte Absichten liegen können. Schließlich wird Sterbehilfe noch im Blick auf den Willen der Patienten näher bestimmt: Wenn ihr der ausdrückliche, z.B. auch anhand einer Patientenverfügung dokumentierte Wunsch eines Patienten zugrunde liegt, so handelt es sich um die sog. freiwillige Sterbehilfe. In anderen Fällen können Betroffene ihrem Willen noch nicht – etwa weil es sich um Säuglinge handelt – oder nicht mehr – bspw. im Falle dementer Personen oder Unfallopfer – Ausdruck verleihen. Sterbehilfe, die aufgrund des dann ermittelten mutmaßlichen Willens geleistet wird, bezeichnet man als nicht-freiwillige Sterbehilfe. Unfreiwillige Sterbehilfe bedeutet die Tötung eines Patienten gegen den von ihm geäußerten Lebenswillen oder aber ohne dessen Willen eruiert zu haben. Trotz der zweifellos deutlichen Nähe zum Mord würden sich jene, die unfreiwillige Sterbehilfe angewandt haben, zuschreiben, allein zum Wohl des Patienten gehandelt zu haben. Während diese unfreiwillige Variante in den gesellschaftlichen und ethischen Diskussionen höchstens von Sterbehilfegegnern als potenzielles Horrorszenario in den Dienst genommen wird, aber keine ernsthafte Rolle spielt, lässt sich im Blick auf die drei Dimensionen vor allem die folgende zentrale Herausforderungen identifizieren: Inwiefern ist aktive Sterbehilfe mit der Menschenwürde vereinbar? In dieser Frage reichen die Positionen von der Ansicht, Sterbehilfe lasse sich als eine Konsequenz der Menschenwürde verstehen, bis dahin, einen Widerspruch zwischen beiden zu konstatieren. Dass passive und indirekte Sterbehilfe der Menschenwürde entsprechen, scheint hingegen von den verschiedensten Seiten her weitgehenden Konsens zu finden. Auch die Frage nach dem Patientenwillen steht in vielen europäischen Ländern auf der Tagesordnung. Gesetze über Vorausverfügungen, wie sie in vielen Ländern Europas avisiert oder bereits verabschiedet sind, berühren die Frage nach den Kriterien, die den Willen des Patienten verbürgen.9 Sucht man vor dem Hintergrund dieser Überlegungen nach einer Definition, die den Sterbehilfebegriff ausreichend abgrenzt, aber nicht vorschnell normativ auf bestimmte Dimensionen oder Handlungsoptionen festlegt, sondern der vielmehr die beschriebene Breite der möglichen Formen zu integrieren vermag, dann bietet sich eine Bestimmung wie 7 8 9
Vgl. u.a. A. Eser: Art. Sterbehilfe, 449. Vgl. M. Zimmermann-Acklin: Euthanasie, 350. Deutschland hat 2009 im Rahmen des Betreuungsrechts den Umgang mit Patientenverfügungen geklärt. In Österreich und England regeln seit 2006, bzw. 2007 eigene neue Gesetze den Umgang mit den Vorausverfügungen (Patientenverfügungs-Gesetz, bzw. Mental Capacity Act 2005). Zu Vorausverfügungen allgemein vgl. A. T. May, R. Charbonnier (Hrsg.): Patientenverfügungen.
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die folgende an: Sterbehilfe bezeichnet das Töten oder Sterbenlassen in Form der Anwendung, Nicht-Einleitung oder Beendigung einer medizinischen Behandlung. Sie richtet sich auf den schwer leidenden Menschen und wird vollzogen durch eine andere Person, die dessen Wohl bezweckt. Auf der Grundlage dieser allgemeinen Definition lassen sich dann mithilfe der dargestellten Dimensionen in 10 zweiter Hinsicht die vielfältigen Formen jeweils konkreter fassen.
2.
Ringen um die Würde des Menschen und den Schutz seines Lebens
Der grundlegende ethische Konflikt in der Diskussion um den Umgang mit dem Lebensende liegt in der Verhältnisbestimmung von Selbstbestimmung und Lebensschutz. Liberalere Positionen fordern den Respekt vor der menschlichen Autonomie und fürchten jede gesetzliche Regelung, die das Lebensende ihrer Meinung nach paternalistisch dem individuellen Verantwortungsbereich entziehen könnte. Konservativere Stimmen, zu denen sich bei allen feineren Ausdifferenzierungen grundsätzlich auch die Kirchen zählen lassen, fordern die Achtung und den Schutz des menschlichen Lebens: Eine zu einseitige Betonung der Selbstbestimmung sei dem Leben, das in Beziehungen stattfinde, unangemessen. Befürchtet wird zudem, dass der gesellschaftliche und individuelle Druck, sich für den eigenen Tod zu entscheiden, wachsen könnte. Als viel bemühtes Argument in diesem Streit erweist sich der Rekurs auf die Menschenwürde. Auf sie berufen sich Befürworter wie Gegner der aktiven Sterbehilfe gleichermaßen. In der Konsequenz wird der Menschenwürdebegriff nicht selten bezichtigt, nur noch eine „Leerformel“ 11 zu sein, die als Spielball der Interessen unterschiedlich gefüllt werden könne. Auch christliche Anthropologien setzen unterschiedliche Akzente in ihrem Verständnis der menschlichen Würde. Manche stellen mit der Gottebenbildlichkeit den Aspekt der Schutzbedürftigkeit und Verdanktheit des Lebens, seine Vernunft oder die Beauftragung zur Mitgestaltung der Schöpfung heraus; andere betonen aus dem Glauben an die Rechtfertigung des Sünders stärker die auf Gottes gnädigen Zuspruch angewiesene 12 Freiheit des Menschen. Eine solche Bedeutungsvielfalt der Menschenwürdekonzeption mit inhaltlicher Leere gleichzusetzen, erscheint folglich auch nur als nur eine unter verschiedenen möglichen Sichtweisen. Wohlwollender kann diese Mehrdeutigkeit auch so verstanden werden, dass sie den Reichtum und die Unabschließbarkeit in der Beschreibung der Menschenwürde abbildet. Zweifellos lässt sie sich also nicht einseitig, etwa für oder gegen aktive Sterbehilfe, als Argument vereinnahmen. Vielmehr kann es den Diskurs bereichern, die vielfältigen Bedeutungen 10 Vgl. auch S. Schardien: Sterbehilfe, 15–37. 11 Vgl. bspw. N. Hoerster: Abtreibung im säkularen Staat, 121. 12 Überblicke über die theologischen Deutungskonzepte geben u.a. W. Huber: Art. Menschenrechte/Menschenwürde; S. Schardien: Menschenwürde.
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und Implikationen der Menschenwürdekonzeption gerade in ihren Spannungen wahrzunehmen. Zeigt sich der Ruf nach Beachtung der Menschenwürde in vielen ethischen Bereichen als gekoppelt an die Forderung nach Lebensschutz, so zeichnet sich im Sterbehilfediskurs eine besondere Situation ab: weisen doch Menschen, die aktive Sterbehilfe für sich einklagen, den Lebensschutz gerade mit Verweis auf ihre Würde dezidiert zurück. Im Falle des Sterbenlassens, der passiven Sterbehilfe, wird bspw. genau diesem Wunsch entsprochen; das Leben wird nicht um jeden Preis erhalten. Wer nun, etwa in der Diskussion um aktive Sterbehilfe, die Würde und den Schutz des Lebens gern unauflöslich verknüpft sehen, ja quasi in eins setzen möchte, muss sich zwangsläufig mit der Frage nach der Rolle und Reichweite menschlicher Freiheit auseinandersetzen. Lockert man umgekehrt die Verknüpfung zwischen der Würde und dem Schutz des Lebens zu sehr, gestaltet sich die Situation nicht einfacher: Vergrößert sich doch dann die Gefahr, dass bestimmtes Leben mangels vermeintlich notwendiger Merkmale, wie z.B. dem Bewusstsein, für nicht mehr lebenswert erklärt und ihm der Schutz entzogen wird.13 Da Entscheidungen über Leben und bzw. vor allem über den Tod nicht rückgängig zu machen sind, geben die meisten gesetzlichen Regelungen in Zweifelsfällen auf der Anwendungsebene der vorsichtigeren Option, also dem Lebensschutz, den Vorzug. Alle Trends zur Entkopplung von Menschenwürde und Lebensschutz bedürfen entsprechend einer kritischen Begleitung. Aus christlicher Perspektive ist es zudem notwendig, die Würde und den Schutz des menschlichen Lebens wie auch deren Verknüpfung im Lichte von Gottes schöpferischem und bewahrendem Handeln zu beschreiben. Führen die konfessionellen Prägung hier auch zu unterschiedlichen Beschreibungen, so gehen doch alle Kirchen davon aus, dass jedem Menschen bedingungslos die Gottebenbildlichkeit zugesprochen ist, bzw. nicht-theologisch reformuliert: Würde eignet. Darum legt die christliche Perspektive mindestens nahe (engere und strengere Perspektiven sind durchaus möglich), dass jeder, der für sich oder andere den Schutz des Lebens um der Würde Willen aufheben will, die Beweislast trägt – und nicht umgekehrt.
3.
Kirche und Gesellschaft
Mit diesen ersten Hinweisen auf die kirchlichen Positionen im gesellschaftlichen Dialog stellt sich die Frage, mit welchem Selbstverständnis die Kirchen in der Öffentlichkeit auftreten und wie sie sich ihr gegenüber verhalten. Verstehen sie sich als Teil der Gesellschaft oder als ihr Gegenüber? Auch die Dokumente zur Sterbehilfe demonstrieren, wie unterschiedlich Kirchen ihre Position im Verhältnis zur 13 Eindrückliche Beispiele und Argumente für die Möglichkeit solcher Aberkennung des Lebensschutzes geben u.a. Helga Kuhse und Peter Singer aus der Perspektive utilitaristischer Ethik; vgl. H. Kuhse, P. Singer: Individuen, Menschen, Personen.
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Gesellschaft, zu Politik oder Medizin begreifen können. Schon die Tatsache, dass manche Kirchen diese Frage gar nicht, manche sehr explizit thematisieren, erscheint aufschlussreich. Es gehört vor allem zu den Charakteristika protestantischer Kirchen, die Geltung der eigenen Stellungnahmen zu hinterfragen. Sowohl der Respekt vor der pluralen Gesellschaft, in der christliche Anschauungen nicht allgemein geteilt werden, als auch die evangelische Glaubensüberzeugung, dass ethische Entscheidungen Menschen in ihrer individuellen Verantwortung und Urteilskompetenz fordern, führt die protestantischen Kirchen häufig zur kritischen Relativierung und Begrenzung ihrer Positionen, für die sie keine Letztgültigkeit beanspruchen zu können meinen. In der europäischen Perspektive, wie sie dieser Sammelband einnimmt, gilt es umgekehrt auch, die unterschiedlichen Umgangsformen der Länder mit ihren Kirchen in die Überlegungen mit einzubeziehen. Die Situationen könnten nicht unterschiedlicher sein, denkt man etwa an die staatskirchliche Situation in Griechenland auf der einen Seite und den französischen Laizismus auf der anderen Seite. Das Selbstverständnis der Kirchen gegenüber der Gesellschaft und dem Staat, wie es sich in den Stellungnahmen zur Sterbehilfe spiegelt, wird nicht zuletzt auch durch die jeweilige Rechtslage im Umgang mit dem Sterben, geprägt: Der Großteil der europäischen Länder verbietet die aktive Sterbehilfe und unterstützt alternative Umgangsformen mit dem Sterben: das Sterbenlassen im Sinne der passiven Sterbehilfe und sofern der Arzt seine Garantenpflicht nicht verletzt, die Hospizbewegung und die beide begleitenden Dienste der Palliativmedizin stellen weitreichende Möglichkeiten dar, eine zwanghafte Verlängerung des Leidens zu vermeiden, ohne die Betroffenen zu töten. Bei der strafrechtlichen Ahndung von Fällen aktiver Sterbehilfe zeichnet sich insgesamt ein milder Umgang der Länder mit den Tätern ab. Das theoretisch mögliche Höchstmaß der Strafen bleibt in der Praxis quasi unausgeschöpft; meist werden Bewährungsstrafen oder geringe Haftstrafen verhängt. Die Niederlande haben nach einem mehrjährigen Prozess der schrittweisen Liberalisierung der aktiven Sterbehilfe 2001 als erster Staat in Europa das Sterben auf Verlangen legalisiert.14 2002 folgte Belgien mit einem noch weitergehenden Gesetz, das 15 die aktive Sterbehilfe u.a. auch im Falle psychischen Leidens ermöglicht , und 16 2008 Luxemburg. Die Schweiz ermöglicht Ärzten als Konsequenz einer Gesetzeslücke und seit 2009 im Kanton Zürich auch auf der Grundlage einer eigenen Rege17 lung die Beihilfe zum Suizid. Während die Niederlande, Belgien und Luxemburg streng darauf achten, dass nur Bürger ihres Landes aktive Sterbehilfe in Anspruch nehmen, machen die kommerziellen sog. Sterbehilfeorganisationen in der Schweiz keine Einschränkung im Blick auf die Nationalitäten derer, die bei ihnen Selbst14 15 16 17
Vgl. URL: http://www.dgpalliativmedizin.de/pdf/euthanasie.pdf [06.03.2010]. Vgl. URL: http://www.dgpalliativmedizin.de/pdf/belgien_sterbehilfe.pdf [06.03.2010]. Vgl. URL: http://www.legilux.public.lu/leg/a/archives/2009/0046/a046.pdf [06.03.2010]. Vgl. URL: http://www.staatsanwaltschaften.zh.ch/Diverses/Aktuelles/Vereinbarung%20EXIT.pdf [06.03.2010].
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mord begehen wollen. Der dadurch beförderte, mittlerweile so genannte „Sterbetourismus“ in die Schweiz sorgt für gesamteuropäische Debatten. Die kirchlichen Stellungnahmen in den Niederlanden und in der Schweiz dokumentieren sehr deutlich, wie sehr die nationalen Gesetzgebungen und die damit verbundenen gesellschaftlichen Debatten auch von den Kirchen aufgegriffen werden, teils zu schärferen Tönen, teils aber auch zur Anpassung an bestimmte gesellschaftliche Standards führen. Die Position der Kirchen in der Gesellschaft, und ihr Einfluss auf sie, hängen folglich nicht allein vom Selbstverständnis und der Selbstdarstellung der Kirchen ab, sondern eben auch von der Rolle, die sie rechtlich und institutionell im Staat beanspruchen können, sowie von den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen im Umgang mit der Sterbehilfe. Um die jeweilige Haltung der Kirchen – ihre Kooperation oder Konfrontation – nachvollziehen zu können, lohnt es sich mithin, dieses kirchliche, gesellschaftliche und rechtliche Bedingungsfeld zu berücksichtigen. Sucht man im Bereich des kirchlichen Selbstverständnisses nach grundlegenden Tendenzen, so fällt auf, dass sich die römisch-katholische Kirche und in ähnlicher Weise die orthodoxen Kirchen in ethischen Stellungnahmen häufiger in Opposition zur Gesellschaft begeben: Mit Blick auf Abtreibungsstatistiken oder anhand des erstarkenden Ruf nach aktiver Sterbehilfe bescheinigen sie der Gesellschaft eine „Kultur des Todes“18. Erscheint die Kirche damit – zumindest in dieser bioethischen Frage – als eine alternative Kontrastgesellschaft, so beschreiben viele der protestantischen Stellungnahmen die Kirchen als Teil der Gesellschaft; nur bedingt können sich Kirchen demnach von gesellschaftlichen Entwicklungen und Stimmungen lossprechen. Das erstarkte Interesse an öffentlichen Diskursen über Sterben und Tod interpretieren protestantische Stellungnahmen 19 optimistischer als neue gesellschaftliche „‘Kultur‘ des Sterbens“ . An der Verschiedenheit der Zugänge, wie sie diese Beispiele veranschaulichen, entzünden sich grundsätzlichere Überlegungen: In welcher Weise und mit welchem Gestus können Kirchen die Gesellschaft gegenwärtig erreichen? Welche der an die Kirchen gerichteten Erwartungen wollen sie erfüllen? Ob kirchliche Stimmen eher wahrgenommen werden, wenn sie sich als kritische Opposition gegenüber der Gesellschaft oder aber als profilierte Glieder in ihr präsentieren, das ist in den Kirchen selbst und auf der Grenze von Kirche und Gesellschaft zu diskutieren. Abschließende allgemein gültige Antworten sind kaum absehbar und auch nicht unbedingt notwendig: Dies gilt allzumal, je stärker man die denominationelle Weite der Positionen mehr als Chance denn als Defizit begreift.
18 Johannes Paul II: Enzyklika „Evangelium Vitae“. 19 Vgl. Evangelische Kirche A. und H.B. in Österreich: Stellungnahme der Evangelischen Kirche in Österreich zum Thema „Sterbehilfe“, 214–223.
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4.
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Christliche Menschenbilder
Die Frage, wie mit dem Ende des Lebens angemessen umzugehen ist, wird, wie schon am Beispiel der Menschenwürdekonzeption, angedeutet, stark durch das jeweilige Verständnis vom Menschen geprägt. Öffentliche Debatten verweisen gern auf das „christliche“ Menschenbild und setzen damit geradewegs die ökumenische Geschlossenheit in der Anthropologie voraus. Gemeinsame Merkmale im Verständnis des Menschen gibt es gewiss: so können christliche Anthropologien nicht ohne Gottesbezug auskommen. Stets beschreiben sie den Menschen in seinem Werden, seiner Existenz und Zukunft vor dem Hintergrund der Relation zu Gott. In dieser geglaubten Gemeinschaft mit Gott und der weiteren Schöpfung lässt sich der Mensch nicht als „autonom“, als sich selbst Gesetze gebend, vorstellen. Die Wahrnehmung des Menschen innerhalb solcher Beziehungen akzentuiert vielmehr Aspekte wie Angewiesenheit, Beauftragung, Verantwortung oder Verdanktheit. Die Kirchen müssen nicht die Vorstellung von der Heiligkeit des Lebens teilen, um gemeinsam davon auszugehen, dass das Leben als von Gott geschaffenes, erhaltenes und geliebtes Leben seine besondere Würde besitzt. In medizinethischen Entscheidungen bedarf, wie dargestellt, jede Aufweichung des Schutzes für dieses Leben im Mindesten außergewöhnlicher Begründungen. Trotz dieser Gemeinsamkeiten scheint die These von dem einen christlichen Menschenbild zu kurz zu greifen, was die Stellungnahmen zur Sterbehilfe spiegeln: In einer Form der Perspektivierung wird der Mensch auf seine Stärke und Fähigkeiten im Sterben hin angesprochen. Mit der Möglichkeit, Einsicht in Gottes Willen zu nehmen, und mithilfe des Glaubens und Vertrauens auf Gott sei der Mensch fähig, vernünftige und gute Entscheidungen zu treffen. Insofern aktive Sterbehilfe oder Suizid als Widerspruch zu Gottes Willen beschrieben werden, erscheint die Forderung nach einer Entscheidung gegen diese Möglichkeiten als einzig folgerichtige Optionen für gläubige Menschen. Das auf diese Weise vermittelte optimistische Menschenbild findet sich häufiger in Stellungnahmen der römisch-katholischen und orthodoxen Kirche. Auch freikirchliche und zum Teil anglikanische Erklärungen nähern sich der Frage nach dem Umgang mit dem Lebensende auf der Grundlage dieses naturrechtlich geprägten Bilds vom Menschen. Dem Leiden wird in dieser Perspektive oft ein besonderer Sinn oder Wert zuerkannt. Es anzunehmen wird z.B. von der römisch-katholischen Kirche als Möglichkeit verstanden, an den Leiden Christi teilzuhaben. Für die griechisch-orthodoxe Kirche ist die Annahme des Leidens wertvoll, weil sich solche Opferbereitschaft, Geduld, Durchhaltevermögen und Ausdauer wohltuend von gesellschaftlichen Trends abgrenze.20 Demgegenüber findet sich in protestantischen und ebenfalls einigen anglikanischen Texten eine andere Perspektive: Dort kommen Menschen – die Sterbenden, 20 Vgl. Vatikan – Kongregation für die Glaubenslehre: Iura et Bona. Erklärung der Kongregation für die Glaubenslehre zur Euthanasie, 36–42, Heilige Synode der Kirche Griechenlands: Basic positions on the ethics of Euthanasia, 111–120.
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wie auch alle im weiteren Sinn Betroffenen – zunächst in ihrer Schwachheit und der Angst zu scheitern in den Blick. Solche Aussagen lassen sich auf der Grundlage der Lehre von der Rechtfertigung verstehen. Die Entscheidungen am Lebensende werden dementsprechend als komplexe Konfliktsituationen beschrieben, die keine vernünftig einsichtigen und eindeutigen Lösungen eröffnen, sondern immer auch der 21 Erfahrung von Schuld und Scheitern ausgesetzt sind. Die Deutung des Leidens umgreift neben der Möglichkeit von Sinnerfahrung auch Momente der Sinnlosigkeit 22 und des Zerstörerischen. Beide dieser theologischen Perspektiven lassen sich auf Stärken und Schwächen hin durchbuchstabieren: Menschen in ihren Fähigkeiten und Vermögen in den Blick zu nehmen, rechte und klare Entscheidungen für sich am Lebensende zu treffen, kann dem modernen Bild vom selbständigen und bis zu seinem Tod aktiv an der Lebensgestaltung beteiligten Menschen entgegenkommen. Zu fragen wäre dann: Wie entspricht der Mensch in der Situation des Sterbens diesem Bild? Fühlt er sich durch die Vorgabe eindeutiger Verbote oder die Deutung des Leidens befreit oder belastet? Menschen im Unterschied dazu eher in ihrer Schwäche, Angst und Bedürftigkeit wahrzunehmen, kann der konkreten Situation und den Erfahrungen der Sterbenden und Betroffenen sehr nahe kommen. Mögliche Anfragen richten sich dann an die Gefahr einer zu großen Laxheit: Führt das weite Verständnis für die individuellen Entscheidungen in den Konfliktsituationen letztlich zu einem „anything goes“? Diese kurzen Einblicke mögen zeigen, wie lohnend es ist, kirchliche Stellungnahmen einmal auf die in ihnen explizit oder implizit vermittelten Grundannahmen vom Menschen hin zu lesen und zu beobachten, wie sich mithin die ethischen Implikationen verändern können.
5.
Argumentative Strukturen
Die kirchlichen Stellungnahmen zur Sterbehilfe bedienen sich vielfältiger Argumentationsstrukturen. Hier seien nur einige Aspekte herausgestellt, die sich bei der Analyse der Texte häufiger als relevant erweisen. Fragt man nach gemeinsamen christlichen Grundlagen für ethische Urteilsbildung, so kommt dem biblischen Zeugnis als Fundament des Glaubens eine zentrale Rolle 23 zu. Ein Überblick über die Stellungnahmen stellt eine eingehende Beschäftigung mit dem biblischen Text indes in Frage: Wenngleich alle Stellungnahmen gemeinsam eine nicht unerhebliche Breite biblischer Referenzen versammeln, scheinen 21 Vgl. Evangelische Kirche in Deutschland: Im Geist der Liebe mit dem Leben umgehen, 127–132. Vgl. auch Evangelische Kirche A. und H.B. in Österreich: Stellungnahme der Evangelischen Kirchen in Österreich zum Thema „Sterbehilfe“, 214–223. 22 Vgl. Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund: Das Sterben leben. Entscheidungen am Lebensende aus evangelischer Perspektive, 146–170. 23 Vgl. Gemeinsame Arbeitsgruppe des Ökumenischen Rates der Kirchen und der römischkatholischen Kirche: Der Ökumenische Dialog über ethisch-moralische Fragen, 369.
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die hinzugezogenen Verse einzeln betrachtet immer wieder als dicta probantia zu dienen, die im Nachhinein vorgefasste Urteile unterstützen sollen. Es bleibt eine offene ökumenische Aufgabe, intensiver zu untersuchen, wie Kirchen auf die Schrift Bezug nehmen und sie für ihre ethische Urteilsbildung fruchtbar machen. Viele der kirchlichen Stellungnahmen zur Sterbehilfe rekurrieren, teils ausdrücklich, teils unterschwellig, auf zwei ethische Prinzipien, die ihren Ursprung in der römisch-katholischen Moraltheologie haben: Die bereits beschriebene Form der „indirekten Sterbehilfe“ wird durch das „Prinzip der Handlung mit Doppelwirkung“ begründet, das zwischen beabsichtigen und nicht intendierten, aber tolerierten Folgen einer Handlung unterscheidet: Die Schmerzlinderung durch Analgetica beschreibt den beabsichtigten, die damit potenziell verbundene Beschleunigung des Sterbeprozesses den unbeabsichtigten Effekt, der aber im Dienste des geringeren Leidens in Kauf genommen wird. Das „Prinzip der Verhältnismäßigkeit der Mittel“ fordert, dass Aufwand und Art einer medizinischen Behandlungen in Relation zu ihrem Effekt stehen sollen. Passive Sterbehilfe ist eben dann anzuwenden, wenn eine Unverhältnismäßigkeit als erreicht und damit der Abbruch oder die Nicht-Einleitung einer Behandlung als geboten gilt. So sehr die beiden Prinzipien Eingang in kirchliche Argumentationen gefunden haben, müssen sie angesichts ihrer Interpretationsoffenheit jeweils genau betrachtet werden. Das Prinzip der Handlung mit doppelter Wirkung gerät aufgrund seiner Unschärfen in die Kritik: Es beruht auf der Voraussetzung, dass die Intentionen der handelnden Person eindeutig festzustellen und zu hierarchisieren sind, doch sind, wie schon beschrieben, die Absichten einer Person nicht derart leicht zu differenzieren.24 Herausgefordert wird das Prinzip in seiner Funktion zudem durch die Praxis der terminalen oder palliativen Sedierung. Dabei versetzt man den Patient dauerhaft oder mit Unterbrechungen bis zu seinem absehbaren Tod in einen Zustand, in dem das Bewusstsein getrübt oder auch ganz ausgeschaltet wird. Gerade letzterer Fall, wenn Menschen ohne Schmerzen, aber eben bewusstlos sterben, stellt vor die Frage, welche Intentionen die Handlung vorwiegend prägenden und wie sie ethisch zu bewerten ist. Im Blick auf das zweite Prinzip lässt sich darüber streiten, welche Kriterien für die Feststellung der Verhältnismäßigkeit der Mittel angesetzt werden: Die denkbaren Faktoren reichen vom Alter, oder aufzuwendenden Kosten bis zum Grad der Schmerzen. Unter den Bedingungen knapper werdender Ressourcen im Gesundheitswesen verlangt der Versuch, bei sterbenden Patienten „Aufwand” und „Nutzen” zu messen, größte Vorsicht, wenn billige utilitaristische Berechnungen vermieden werden sollen. Schließlich lässt sich die Verwendung von Dammbruch-Argumenten als ein Charakteristikum vieler kirchlicher Stellungnahmen zur Sterbehilfe kennzeichnen. Gesellschaft und Medien nehmen Kirchen häufig als Wächter wahr, die mit dem sprichwörtlich erhobenen Zeigefinger vor gesellschaftlichen Tendenzen zur Akzep24 Vgl. den Abschnitt dieser Einleitung zu Definitionsfragen, 20f.
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tanz von aktiver Sterbehilfe, vor Liberalisierungen der Gesetzgebung oder etwa Sterbetourismus warnen und schützen. Mag manche Außendarstellung überzeichnen, so fördern immer wieder auch kirchliche Stellungnahmen selbst diesen Eindruck, wenn sie auf die Figur des Dammbruchs oder der „schiefen”, im englischen Bild der „rutschigen Ebene” („Slippery Slope”) rekurrieren. Sie entwerfen das Szenario einer mit dem ersten Schritt, wie der Legalisierung aktiver Sterbehilfe, unabwendbar eingeleiteten Negativentwicklung, deren Ergebnis eine inhumane Ausweitung der Sterbehilfepraxis sei. Alle diese Argumentationen geben zweierlei Zweifel Ausdruck: zum einen, dass Gesetze ausreichenden Schutz vor Missbrauch bieten, und zum anderen, dass die sie umsetzenden Gesellschaften der Versuchung nach einer Ausweitung der Praxis widerstehen, bzw. ausreichende Kontrollmechanismen dagegen entwickelt werden könnten. Wissenschaftlich ist umstritten, welche Gültigkeit Slippery Slope- und Dammbruch-Argumente beanspruchen können. Ihre Kritiker setzen an verschiedenen Seiten an: beanstandet wird erstens die oft fehlende empirische Sättigung der von den Argumenten prognostizierten Szenarien, zweitens die Übertragung historischer oder kulturell verschiedener Situationen – wie etwa der nationalsozialistischen Euthanasiepraxis – auf die aktuelle Frage und drittens die hohe Emotionalität in der Beurteilung. Wenngleich diese Kritikpunkte mögliche Grenzen der Dammbruchargumentationen aufzeigen, sollten sie dennoch nicht allzu schnell als gänzlich irrelevant und unhaltbar abgewiesen werden: Emotionalität muss z.B. nicht zwangsläufig als Manko gelten. Es kann gerade das Verdienst der Argumente sein, auf diese Weise Intuitionen im Sinne geronnener Erfahrungen zu integrieren, wenn sie bspw. fundamentale menschliche Ängste gegenüber der aktiven Sterbehilfe zum Ausdruck bringen.25
6.
Zwischen Be- und Verurteilungen
Wie ist es nun um die gemeinsame Stimme der Kirchen gegenüber der ethischen Herausforderung der Sterbehilfe bestellt? Können die unterschiedlichen Denominationen trotz der Differenzen, die sich in der Verhältnisbestimmung von Kirche und Gesellschaft oder in der Anthropologie abzeichnen, in der Konsequenz gemeinsamen zu Urteilen im Umgang mit dem Lebensende kommen und entsprechend „geschlossen“ auftreten? Im Kern der Positionen finden sich tatsächlich weitgehende Übereinstimmungen: zum einen in der Ablehnung der aktiven und in der Befürwortung der passiven Sterbehilfe, zum anderen in der Unterstützung und Förderung von praktikablen Alternativen wie der Palliativmedizin und der Hospizbewegung. Gleichwohl können diese Gemeinsamkeiten nicht darüber hinwegtäuschen, dass auf der Begründungsoder Darstellungsebene weiterhin konfessionelle Unterschiede bestehen. Die wahrnehmbaren Differenzen betreffen vor allem den Bereich der medizinethischen Ex25 Vgl. J. Fischer: Medizin- und bioethische Perspektiven, 64.
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tremsituationen: die Stellungahmen dokumentieren, wenn es um die Frage nach Phasen extremen Leidens geht, verschiedene kirchliche Haltungen gegenüber den Patienten, ihren Angehörigen und dem medizinischen Personal. Bereits angedeutet wurde die unterschiedlich ausgeprägte Darstellung der Konflikthaftigkeit oder umgekehrt der „Lösbarkeit“ der Situation: Aktive Sterbehilfe – und damit auch jeder Wunsch nach ihr – kann als intrinsisches Übel bezeichnet werden, so dass sie damit letztlich keine vernünftig nachvollziehbare Handlungsoption darstellt. Andererseits kann die Entscheidungssituation als echtes Dilemma beschrieben werden, das sich einfacher Lösungen entzieht. Ähnlich unterschiedlich werden auch die Wünsche der Patienten interpretiert: Manche Stellungnahme, vermehrt aus dem Kreis der römisch-katholischen und orthodoxen Kirchen, spricht dem Wunsch zu sterben seine Echtheit ab und hält ihn für ein Ergebnis des sozialen Drucks und der Schmerzen.26 Diese Möglichkeit beziehen viele Stellungnahmen mit ein. Allerdings finden sich unter protestantischen Positionen auch Hinweise darauf, dass der Wunsch zu sterben durchaus authentischer Ausdruck des Patientenwillens sein kann und als sol27 cher ernst zu nehmen ist. Schließlich sind Unterschiede darin feststellbar, wie definitiv die Kirchen ihre Ablehnung gegenüber bestimmten Formen der Sterbehilfe formulieren: Nahezu geschlossen erklären die Kirchen aktive Formen der Sterbehilfe für radikal falsch und nicht legitim bis hin zu kirchenrechtlichen Konsequenzen, wie sie die orthodoxe 28 Kirche ankündigt. Neben dieser faktischen Ablehnung der Praxis und einer gesellschaftlichen oder rechtlichen Liberalisierung lassen sich indes Unterschiede auf der Ebene der moralischen Bewertung erkennen: Kirchen mit protestantischem Hintergrund enthalten sich hier stärker als andere Kirchen einer Verurteilung der Entscheidung für aktive Sterbehilfe – seltene Ausnahmen unter den Stellungnahmen erachten aktive Sterbehilfe in Situationen extremen Leidens sogar für moralisch le29 gitim – und überlassen Gott das letzte Urteil. Diese Zurückhaltung der Kirchen in der moralischen Verurteilung anderer Menschen ist wiederum nicht als Freifahrtschein miss zu verstehen: Von den Handelnden wird vielmehr gefordert, dass sie bereit sind, sich in der Welt und vor Gott für ihre Entscheidungen und ihr Tun zu 30 verantworten.
26 Vgl. Vatikan – Kongregation für die Glaubenslehre: Iura et Bona. Erklärung der Kongregation für die Glaubenslehre zur Euthanasie 36–42, Heilige Synode der Kirche Griechenlands: Basic positions on the ethics of Euthanasia, 111–120. 27 Vgl. Evangelische Kirche in Deutschland: Im Geist der Liebe mit dem Leben umgehen, 127–132. 28 Vgl. Russisch-Orthodoxe Kirche: Die Grundlagen der Sozialdoktrin der Russisch-Orthodoxen Kirche, 123f. 29 Vgl. Nederlandse Hervormde Kerk, Gereformeerde Kerken in Nederland: Euthanasie en Pastoraat, ‚s-Gravenhage/Niederlande 1988. 30 Vgl. Evangelisch Lutherische Kirche in Italien: Synodalvorlage zum Thema Euthanasie und Beschluss, 134–137.
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Stellungnahmen in der Ökumene und ökumenische Stellungnahmen
Die Zusammenstellung von Stellungnahmen je einer Konfession wird in diesem Band ergänzt durch einige Erklärungen, die gemeinsam von verschiedenen Konfessionskirchen verfasst wurden. Diese Stellungnahmen können einerseits auf ihre ethische Urteilsbildung und die vertretenen Positionen hin gelesen werden: Zu fragen ist insofern nach den theologischen und argumentativen Schwerpunkten oder nach den praktischen Konsequenzen im Umgang mit der Sterbehilfethematik. Andererseits lassen sich gemeinsam verfasste Stellungnahmen aber auch auf ihre ökumenischen Impulse hin betrachten: Welche derartigen Motivationen, Ziele und Fortschritte bilden die Erklärungen ab? Liegen den gemeinsamen Verlautbarungen ethische Konsense zugrunde oder beruhen sie letztlich auf Kompromissen? Interessant zu beobachten ist nicht zuletzt, ob und wie diese Stellungnahmen die Herausforderung der ökumenischen Differenzen im Text selbst thematisieren.31 Ökumenisches Engagement, wie es die gemeinsamen Stellungnahmen zur Sterbehilfe darstellen, gehört für christliche Kirchen nicht, auch wenn dieser Eindruck immer wieder geweckt wird, zur Kür, sondern zum Pflichtprogramm unter ihren Aufträgen. Die Aufforderung zum Streben nach kirchlicher Einheit, der „ökume32 33 nische Imperativ“ , begründet sich durch den „ökumenischen Indikativ“ der in Christus gestifteten und allem theologischen Bemühen vorgegebenen Einheit der Kirchen. Neben den dogmatisch-theologischen Streitfragen zwischen den Konfessionen bedürfen auch – so hat sich schon anhand der wenigen Hinweise im Blick auf die Erklärungen zur Sterbehilfe gezeigt – bestehende ethische Differenzen einer ökumenischen Bearbeitung. Die Kirchen und ökumenischen Zusammenschlüsse haben in den vergangenen Jahren Arbeitsgrundlagen entwickelt, um diesen ökumenischen Aufgaben nachzukommen: Im Jahr 2001 haben die Konferenz europäischer Kirchen und der Rat der Europäischen Bischofskonferenzen im Jahr 2001 mit der Charta Oecumenica34 ein gemeinsames Dokument vorgelegt, das sich die wachsende, auch ethische Zusammenarbeit unter den europäischen Kirchen zum Ziel setzt. Mit der Unterzeichnung der Charta Oecumenica und den darin genannten Leitlinien verpflichten sich die Kirchen u.a., „auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens gemeinsam zu handeln, wo die Voraussetzungen dafür gegeben sind und nicht Gründe des Glaubens oder grö35 ßere Zweckmäßigkeit dem entgegenstehen“ , sowie sich „über Inhalte und Ziele unserer sozialen Verantwortung miteinander zu verständigen und die Anliegen und Visionen der Kirchen gegenüber den säkularen europäischen Institutionen mög31 Ein gutes Beispiel gibt z.B. Konferenz Europäischer Kirchen/Kommission für Kirche & Gesellschaft: Contribution for the Euthanasia debate in the Council of Europe, 314f. 32 H. Meyer: Ökumenische Zielvorstellungen, 20–22. 33 A.a.O., 18–20. 34 Rat der Europäischen Bischofskonferenz, Konferenz Europäischer Kirchen: Charta Oecumenica. 35 A.a.O., 4.
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Stefanie Schardien 36
lichst gemeinsam zu vertreten“ . Gewiss mag das in diesen Selbstverpflichtungen geforderte Engagement in der Umsetzung dehnbar sein, doch scheint evident, dass es zumindest fortdauernde Dialoge und die Suche nach möglichst großen Schnittmengen im gemeinsamen Zeugnis beinhalten muss. Auf weltweiter Ebene widmet sich der Ökumenische Rat der Kirchen dem Zusammenhang von dogmatischen und strukturellen Profilen der Kirchen und ihren ethischen Positionen: Bereits 1996 hat die Gemeinsame Arbeitsgruppe des ÖRK und der römisch-katholischen Kirche den schon erwähnten Dialog über ethisch-moralische Fragen geführt und ein Studiendokument veröffentlicht, das den Kirchen in entsprechenden ökumenischen Diskurs Hilfestellung geben sollte.37 2009 hat sich die Plenarversammlung der Kommission für Glaube und Kirchenverfassung erneut dem Ethik-Diskurs zugewandt. Mit dem Projekt „Moral discernment in the churches“ initiiert er eine längerfristige Untersuchung der ethischen Urteilsbildung und beabsichtigt den Kirchen methodische Anleitungen zu geben, um eine Annäherung ethischer Positionen zu 38 ermöglichen. Der Aufgabe, eine gemeinsame Position in oder gegenüber der Gesellschaft zu vertreten, kommen die Kirchen mit den gemeinsamen Texten nach. Dennoch: Die strukturierte und intensive Umsetzung dieser Vorgaben für die Gestaltung ökumenischer Dialoge und Veröffentlichungen steht noch aus. Notwendig erscheint in dieser Hinsicht, dass die Arbeitshilfen stärker in die bi- und multilateralen ökumenischen Diskurse eingespeist werden, bzw. diese ihrerseits diesen Vorgaben mehr Aufmerksamkeit schenken, anstatt weiter in gewohnter Manier gemeinsame Texte zu verfassen. Insbesondere in medizinethischen Debatten, die häufig – wie beispielhaft an der Stellungnahme der Church of England und der römisch-katholischen Kirche zu sehen – von aktuellen gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen initiiert werden, müssen Modi gefunden werden, bei aller gebotenen Kurzfristigkeit fundierte und profilierte ökumenische Stellungnahmen zu entwickeln. Zur Einschätzung der ökumenischen Leistungen lohnen sich die Vergleiche zwischen den gemeinsamen Stellungnahmen zur Sterbehilfe und den jeweils von den beteiligten Kirchen allein verfassten Erklärungen. Welche Argumente und Menschenbilder dominieren die Texte? Setzen sich Ton und Gestus einer Kirche durch oder findet die Verlautbarungen eine ökumenische Balance? Manche Beobachtung deutet darauf hin, dass diejenigen Konfessionen, die in ihren eigenen ethischen Urteilen stark auf Eindeutigkeit zielen und strikte Positionen vertreten, diese auch in ökumenischen Diskursen durchsetzen können. Denominationen, die aufgrund
36 A.a.O., 7. 37 Vgl. Gemeinsame Arbeitsgruppe des Ökumenischen Rates der Kirchen und der römischkatholischen Kirche: Der Ökumenische Dialog über ethisch-moralische Fragen. Vgl. auch S. Schardien: Sterbehilfe als Herausforderung für die Kirchen, 369–377. 38 Vgl. URL: http://www.oikoumene.org/en/events-sections/faith-and-order-plenary-commission2009/news/en/article/6795/faith-and-order-inaugurat.html [06.03.2010].
Einleitung: Die Sterbehilfediskussion aus ethischer und ökumenischer Perspektive
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ihres Selbstverständnisses hingegen unterschiedlichen ethischen Urteilen Raum 39 bieten, tendieren in der Konsequenz eher dazu, sich unterzuordnen. Jenseits dieser inhaltlichen Fragen, deren Beantwortung den Dialogen zwischen den verschiedenen Kirchen aufzugeben sind, entsteht mit gemeinsamen Stellungnahmen ein strukturelles Problem, das es sowohl in den Dialogen als auch vor allem innerhalb der einzelnen Konfessionen zu klären gilt: Im Wissen um die unterschiedlichen kirchlichen Amtsstrukturen, Autoritäten und Instanzen moralischer Weisung muss man fragen, welche Geltung ökumenisch veröffentlichte ethische Positionierungen in den einzelnen Konfessionen beanspruchen können. Sind sie ebenso gültig wie die von den Kirchen je einzeln verabschiedeten Stellungnahmen oder ist von Asymmetrien in der Verbindlichkeit auszugehen? Insbesondere im Blick auf bestehende Kirchengemeinschaften zwischen zwei oder mehr Konfessionen bleibt zu beobachten, wie sich gemeinsame Erklärungen einer der beteiligten Konfessionen mit „dritten“ Kirchen auf die Bündnisse auswirken.40 Schließlich stellt auch die Verhältnisbestimmung zwischen der avisierten und tatsächlichen Rezeption ökumenischer Stellungnahmen, etwa auf Gemeindeebene, eine in der Konsequenz noch 41 weitgehend unbearbeitete Aufgabe dar. Diese Fragen indes bei der Durchsicht der Stellungnahmen zur Sterbehilfe und bei den von ihnen selbst explizit oder implizit formulierten Geltungsansprüchen kritisch zu berücksichtigen, erscheint eine weiterführende ökumenische Perspektive zu eröffnen. Ob es um die inhaltlichen medizinethischen oder die strukturellen ökumenischen Herausforderungen geht: Zu den ersten Voraussetzungen jeden ökumenischen Fortschritts gehört die aufmerksame und immer neue Wahrnehmung der Profile der eigenen und der anderen Konfession. Der vorliegende Sammelband will die Möglichkeit geben, die Suche nach diesen Profilen, nach Trennendem, Gemeinsamkeiten und ökumenischen Chancen in der ethischen Zusammenarbeit an der Sterbehilfefrage zu vertiefen und fortzuführen.
39 S. Schardien: Sterbehilfe als Herausforderung für die Kirchen, 387–394. 40 Vgl. a.a.O., 413–416; O. Schuegraf: Zwischen Leuenberg und Porvoo, 119–134. 41 Vgl. O. H. Pesch: „Hierarchie der Wahrheiten“ – und die ökumenische Praxis, 298–311; W. Klaiber: Lehre trennt – Leben vereint?, 125–133.
Vatikan – Kongregation für die Glaubenslehre Einführung Konfession
römisch-katholisch
Titel
Iura et Bona. Erklärung der Kongregation für die Glaubenslehre zur Euthanasie
Verfasser
Kongregation für die Glaubenslehre
Herausgeber
Vatikan – Apostolischer Stuhl
Veröffentlichungsjahr
1980
Adressatenraum
Weltweit
Veröffentlichung
Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 20, hg. v. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 1980. URL: http://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/ veroeffentlichungen/verlautbarungen/VE_ 020.pdf
Die 1980 unter dem lateinischen Titel „Iura et Bona“ veröffentlichte Erklärung der Glaubenskongregation zur Euthanasie reiht sich in eine Vielzahl von römischkatholischen Stellungnahmen zu bio- und medizinethischen Themen ein. Die Erklärung „Iura et Bona“, die bis heute als gültige und verbindliche Lehre gilt, wurde durch konkrete bischöfliche Anfragen, wie auch durch die Einsicht veranlasst, dass auf die Konsequenzen des medizinisches Fortschritts nicht allein mit grundsätzlich normativen Vorgaben geantwortet werden könne. Vielmehr verlangten die neuen Möglichkeiten, wie die medizinische Verkürzung oder Verlängerung des Lebensendes expliziter Stellungnahmen, die die betreffenden Normen verdeutlichten. „Iura et Bona“ spiegelt zudem im Gesamtduktus eine Auseinandersetzung mit und Abwehr von wahrgenommenen gesellschaftlichen, lebensfeindlichen Tendenzen, die Johannes Paul II 1995 mit dem Begriff „Kultur des Todes“ umschrieb. Zugleich stellt „Iura et Bona“ heraus, dass die beschriebenen Extremsituationen am Lebensende eher Ausnahme- als Regelcharakter trügen. Wie die ebenfalls mit medizinethischen Fragen befassten Enzykliken „Humanae Vitae“ und „Evangelium Vitae“ oder die Instruktion der Glaubenskongregation „Donum Vitae“ richtet sich auch „Iura et Bona“ nicht nur an ein Fachpublikum: Die vorgebrachten Argumente gegen aktive bzw. für passive und indirekte Sterbehilfe sollen für römisch-katholische Gläubige, weiterhin auch für andere Christen, Andersgläubige und schließlich „alle Menschen guten Willens“ nachvollziehbar sein. Der Vorstellung, einen solch weiten Adressatenkreis erreichen zu können, liegt ein
Einführung
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naturrechtliches Menschenbild zugrunde, demzufolge alle Menschen in der Lage seien, in die aus römisch-katholischer Perspektive richtigen und guten Gesetze Einsicht zu nehmen und den daraus formulierten moralischen Ansprüchen nachzukommen. „Iura et Bona“ ist durch vier Hauptkapitel strukturiert, die je eines der für die römisch-katholische Position zur Sterbehilfefrage charakteristischen Merkmale thematisiert: Im ersten Kapitel geht es um die Heiligkeit des Lebens, im zweiten in der Konsequenz um das Verbot der Euthanasie; das dritte Kapitel begründet mit dem Prinzip der Handlung mit doppelter Wirkung die so genannte indirekte Sterbehilfe und das vierte Kapitel legitimiert mit dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit der Mittel die Möglichkeit der so genannten passiven Sterbehilfe.
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Vatikan – Kongregation für die Glaubenslehre
Iura et Bona. Erklärung der Kongregation für die Glaubenslehre zur Euthanasie 1. Einleitung Die Rechte und Werte der menschlichen Person sind von großer Bedeutung bei den Fragen, die von den Menschen unserer Tage diskutiert werden. Das II. Vatikanische Konzil hat, was dieses Thema angeht, die überragende Würde der menschlichen Person, besonders ihr Recht auf Leben, feierlich bekräftigt. Deshalb hat das gleiche Konzil auch die Anschläge gegen das Leben, zu denen „jede Art Mord, Völkermord, Abtreibung, Euthanasie und auch der freiwillige Selbstmord“ gehören, angeprangert. Vor einiger Zeit hat die Kongregation für die Glaubenslehre allen Gläubigen die Lehre der katholischen Kirche zum Schwangerschaftsabbruch in Erinnerung gerufen. Nun hält es die gleiche Kongregation für angebracht, die Lehre der Kirche zur Euthanasie darzulegen. Die letzten Päpste haben bereits die Grundsätze dieser Lehre herausgestellt, welche ihr volles Gewicht behalten; doch haben die Fortschritte der Medizin bewirkt, dass in den letzten Jahren in der Frage der Euthanasie neue Aspekte sichtbar wurden. Diese machen es erforderlich, dass die betreffenden ethischen Normen noch mehr verdeutlicht werden. In der heutigen Gesellschaft, in der sogar die grundlegenden Werte des menschlichen Lebens oft in Frage gestellt werden, wirken sich die Veränderungen im Bereich der Zivilisation auch auf die Bewertung von Tod und Schmerz aus. Es ist ferner zu beachten, dass die Fähigkeit der ärztlichen Kunst, zu heilen und das Leben unter bestimmten Bedingungen zu verlängern, zugenommen hat, wobei sich natürlich zuweilen einige moralische Fragen ergeben. Menschen, die sich in einer solchen Lage befinden, fragen sich besorgt nach dem Sinn eines extrem hohen Alters und des Todes. Es versteht sich, dass sie in der Folge auch die Frage stellen, ob sie das Recht haben, sich selber oder ihren Angehörigen einen „gnädigen Tod“ zu verschaffen, der die Leiden abkürzen könnte und der nach ihrer Ansicht der Würde 1
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Pastoralkonstitution Gaudium et Spes, Nr. 27. Erklärung über den Schwangerschaftsabbruch, 18. November 1974, AAS 66 (1974) 730–747. Pius XII. Ansprache an die Delegierten der Internationalen Vereinigung katholischer Frauen, 11. September 1947, AAS 39 (1947), 483. Ansprache an die Mitglieder des katholischen Hebammenverbandes Italiens, 29. Oktober 1951, AAS 43 (1951), 835–854. Ansprache an die Mitglieder des Internationalen Forschungsrates für Militärmedizin, 19. Oktober 1953, AAS 45 (1953), 744–754. Ansprache an die Teilnehmer des IX. Kongresses der italienischen Gesellschaft für Anästhesiologie, 24. Februar 1957, AAS 49 (1957), 146. Vgl. auch Ansprache zur Frage der „Wiederbelebung“, 24. November 1957, AAS 49 (1957), 1027–1033. Paul VI. Ansprache an die Mitglieder der Sonderkommission der Vereinten Nationen zur Frage der Rassentrennung, 22. Mai 1974, AAS 66 (1974), 346. Johannes Paul II. Ansprache an die Bischöfe der Vereinigten Staaten von Nordamerika, 5. Oktober 1979, AAS 71 (1979), 1225.
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des Menschen besser entspreche. Mehrere Bischofskonferenzen haben der Kongregation für die Glaubenslehre hierzu einige Fragen vorgelegt. Die Kongregation hat zu den verschiedenen Aspekten der Euthanasie das Urteil von Fachleuten eingeholt und möchte nun mit dieser Erklärung auf die Anfragen der Bischöfe antworten, damit diese leichter die ihnen anvertrauten Gläubigen richtig unterweisen und den Regierungsstellen zu dieser schwerwiegenden Frage Gesichtspunkte zur Reflexion anbieten können. Die in diesem Dokument vorgelegten Überlegungen richten sich vor allem an jene, die an Christus glauben und auf ihn ihre Hoffnung setzen; denn aus Christi Leben, Tod und Auferstehung haben das Leben und besonders der Tod der Christen eine neue Bedeutung gewonnen, wie der hl. Paulus sagt: „Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem Herrn“. Was aber die Gläubigen anderer Religionen betrifft, werden die meisten von ihnen sicher darin mit uns übereinstimmen, dass der Glaube an Gott, den Schöpfer und Herrn des Lebens, und an seine Vorsehung – sofern sie diesen teilen – jeder menschlichen Person eine erhabene Würde verleiht und deren Achtung schützt. Es ist zu hoffen, dass diese Erklärung bei allen Menschen guten Willens Zustimmung finden kann; denn auch wenn sie unterschiedliche philosophische Lehren und Ideologien vertreten, so haben sie doch ein waches Bewusstsein von den Rechten der menschlichen Person. Gerade diese Rechte sind ja auch im Verlauf der letzten Jahre in Erklärungen internationaler Gremien oft proklamiert worden. Da es sich hier um fundamentale Rechte handelt, die jeder menschlichen Person zukommen, darf man sich keineswegs auf Argumente aus dem politischen Pluralismus oder der Religionsfreiheit berufen, um die universale Geltung dieser Rechte zu leugnen. 4
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2. Wert des menschlichen Lebens Das menschliche Leben ist die Grundlage aller Güter und zugleich die notwendige Quelle und Vorbedingung für alle menschliche Tätigkeit sowie auch für jegliches gesellschaftliche Zusammensein. Während die meisten Menschen das menschliche Leben als etwas Heiliges betrachten und zugeben, dass niemand darüber nach Willkür verfügen darf, so vermögen die an Christus Glaubenden in ihm noch etwas Höheres zu erkennen, nämlich das Geschenk der Liebe Gottes, das sie bewahren und fruchtbar machen müssen. Aus dieser letzteren Überlegung ergibt sich Folgendes: a. Niemand kann das Leben eines unschuldigen Menschen angreifen, ohne damit der Liebe Gottes zu ihm zu widersprechen und so ein fundamentales unverlier4 5
Röm 14,8; vgl. Phil 1,20. Zu berücksichtigen ist besonders die Empfehlung 779 (1976) über die Rechte der Kranken und Sterbenden, die vom Parlament des Europarates auf seiner XXVII. Ordentlichen Sitzung angenommen worden ist: Vgl. Sipeca, Nr. 1 (März 1977), 14–15.
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Vatikan – Kongregation für die Glaubenslehre
bares und unveräußerliches Recht zu verletzen, ohne also ein äußerst schweres Verbrechen zu begehen. 6
b. Jeder Mensch muss sein Leben nach dem Ratschluss Gottes führen. Es ist ihm als ein Gut anvertraut, das schon hier auf Erden Frucht bringen soll, dessen volle und endgültige Vollendung jedoch erst im ewigen Leben zu erwarten ist. c. Der Freitod oder Selbstmord ist daher ebenso wie der Mord nicht zu rechtfertigen; denn ein solches Tun des Menschen bedeutet die Zurückweisung der Oberherrschaft Gottes und seiner liebenden Vorsehung. Selbstmord ist ferner oft die Verweigerung der Selbstliebe, die Verleugnung des Naturinstinktes zum Leben, eine Flucht vor den Pflichten der Gerechtigkeit und der Liebe, die den Nächsten, den verschiedenen Gemeinschaften oder auch der ganzen menschlichen Gesellschaft geschuldet werden – wenn auch zuweilen, wie alle wissen, seelische Verfassungen zugrunde liegen, welche die Schuldhaftigkeit mindern oder auch ganz aufheben können. Vom Selbstmord muss jedoch jenes Lebensopfer deutlich unterschieden werden, das jemand aus einem übergeordneten Grund – wie Gottes Ehre, das Heil der Seelen oder der Dienst an den Brüdern – bringt, indem er sein Leben hingibt oder der äußersten Gefahr aussetzt.7 3. Euthanasie Um die Frage der Euthanasie richtig zu behandeln, muss zunächst die Bedeutung der verwendeten Begriffe genau erklärt werden. Etymologisch bezeichnete Euthanasie in der Antike den sanften Tod, ohne übermäßige Schmerzen. Heute denkt man nicht mehr an diese ursprüngliche Bedeutung des Ausdrucks, sondern vielmehr an einen ärztlichen Eingriff, durch den die Schmerzen der Krankheit oder des Todeskampfes vermindert werden, wobei zuweilen die Gefahr besteht, das Leben vorzeitig zu beenden. Schließlich wird das Wort in einem noch engeren Sinn verstanden, und zwar: töten aus Barmherzigkeit, in der Absicht, extreme Schmerzen endgültig zu beenden oder um Kindern mit Geburtsfehlern, unheilbar Kranken oder Geisteskranken eine Verlängerung ihres harten Lebens zu ersparen, das vielleicht noch etliche Jahre dauern würde und den Familien und der Gesellschaft eine allzu schwere Last aufbürden könnte. Es muss daher klar sein, in welchem Sinn der Ausdruck in diesem Dokument verwendet wird. Unter Euthanasie wird hier eine Handlung oder Unterlassung verstanden, die ihrer Natur nach oder aus bewusster Absicht den Tod herbeiführt, um so jeden Schmerz zu beenden. Euthanasie wird also auf der Ebene der Intention wie auch der angewandten Methoden betrachtet. Es muss erneut mit Nachdruck erklärt werden, dass nichts und niemand je das Recht verleihen kann, ein menschliches Lebewesen unschuldig zu töten, mag es 6 7
Ganz außer acht gelassen werden hier die Fragen der Todesstrafe und des Krieges. Diese erfordern weitere besondere Überlegungen, die das Thema dieser Erklärung überschreiten. Vgl. Joh 15,14.
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sich um einen Fötus oder einen Embryo, ein Kind, einen Erwachsenen oder Greis, einen unheilbar Kranken oder Sterbenden handeln. Es ist auch niemandem erlaubt, diese todbringende Handlung für sich oder einen anderen zu erbitten, für den er Verantwortung trägt, ja man darf nicht einmal einer solchen Handlung zustimmen, weder explizit noch implizit. Es kann ferner keine Autorität sie rechtmäßig anordnen oder zulassen. Denn es geht dabei um die Verletzung eines göttlichen Gesetzes, um eine Beleidigung der Würde der menschlichen Person, um ein Verbrechen gegen das Leben, um einen Anschlag gegen das Menschengeschlecht. Es kann vorkommen, dass wegen langanhaltender und fast unerträglicher Schmerzen, aus psychischen oder anderen Gründen jemand meint, er dürfe berechtigterweise den Tod für sich selbst erbitten oder ihn anderen zufügen. Obwohl in solchen Fällen die Schuld des Menschen vermindert sein oder gänzlich fehlen kann, so ändert doch der Irrtum im Urteil, dem das Gewissen vielleicht guten Glaubens unter liegt, nicht die Natur dieses todbringenden Aktes, der in sich selbst immer abzulehnen ist. Man darf auch die flehentlichen Bitten von Schwerkranken, die für sich zuweilen den Tod verlangen, nicht als wirklichen Willen zur Euthanasie verstehen; denn fast immer handelt es sich um angstvolles Rufen nach Hilfe und Liebe. Über die Bemühungen der Ärzte hinaus hat der Kranke Liebe nötig, warme, menschliche und übernatürliche Zuneigung, die alle Nahestehenden, Eltern und Kinder, Ärzte und Pflegepersonen ihm schenken können und sollen. 4. Die Bedeutung des Schmerzes für den Christen und die Verwendung schmerzstillender Mittel Der Tod tritt nicht immer unter allerschwersten Umständen, nach kaum erträglichen Schmerzen ein. Wir dürfen nicht nur an extreme Fälle denken. Zahlreiche übereinstimmende Zeugnisse lassen vermuten, dass die Natur selber Vorsorge getroffen hat, um jene im Tod zu vollziehenden Trennungen zu erleichtern, die, würden sie dem Menschen bei voller Gesundheit zugemutet, ungewöhnlich schmerzlich wären. So kommt es, dass die lange Dauer einer Krankheit, fortgeschrittenes Alter, Einsamkeit und Verlassenheit jene psychologischen Voraussetzungen schaffen, die die Annahme des Todes erleichtern. Dennoch ist zuzugeben, dass der Tod ein Ereignis ist, das natürlicherweise das Herz des Menschen mit Angst erfüllt, zumal wenn ihm oft schwere und langandauernde Schmerzen voraufgehen oder ihn begleiten. Der körperliche Schmerz gehört gewiss unvermeidlich zur Verfassung des Menschen; vom biologischen Standpunkt aus ist er ein Warnzeichen, dessen Nutzen außer Zweifel steht. Da er aber auch das psychische Leben des Menschen berührt, übersteigt seine Belastung oft den biologischen Nutzen, ja sie kann derart zunehmen, dass die Beseitigung des Schmerzes um jeden Preis wünschenswert erscheint. Nach christlicher Lehre erhält der Schmerz jedoch, zumal in der Sterbestunde, eine besondere Bedeutung im Heilsplan Gottes. Er gibt Anteil am Leiden Christi und verbindet mit dem erlösenden Opfer, das Christus im
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Vatikan – Kongregation für die Glaubenslehre
Gehorsam gegen den Willen des Vaters dargebracht hat. Es darf deshalb nicht verwundern, wenn einzelne Christen schmerzstillende Mittel nur mäßig anwenden wollen, um wenigstens einen Teil ihrer Schmerzen freiwillig auf sich zu nehmen und sich so bewusst mit den Schmerzen des gekreuzigten Christus vereinigen zu können.8 Doch widerspricht es der Klugheit, eine heroische Haltung als allgemeine Norm zu fordern. Menschliche und christliche Klugheit rät im Gegenteil bei den meisten Kranken, solche Medikamente anzuwenden, welche den Schmerz lindern oder beseitigen können, auch wenn sich dadurch als Nebenwirkungen Schläfrigkeit und vermindertes Bewusstsein einstellen. Bei denen aber, die sich selbst nicht mehr auszudrücken vermögen, darf man mit Recht voraussetzen, dass sie diese schmerzstillenden Mittel haben möchten und wünschen, sie nach dem Rat der Ärzte zu erhalten. Die intensive Anwendung schmerzstillender Mittel ist aber nicht problemlos; denn man muss, um ihre Wirksamkeit zu gewährleisten, wegen des Phänomens der Gewöhnung im Allgemeinen immer größere Dosen verabreichen. Es ist hilfreich, an eine Erklärung von Papst Pius XII. zu erinnern, die weiterhin voll gültig bleibt. Einer Gruppe von Ärzten, die ihm die Frage vorgelegt hatten: „Kann es nach der Lehre der Religion und den Normen der Moral dem Arzt und dem Kranken erlaubt sein, mit Hilfe narkotischer Medikamente Schmerz und Bewusstsein auszuschalten (...) (auch beim Herannahen des Todes und wenn vorauszusehen ist, dass die Anwendung dieser Mittel das Leben abkürzt)?“, antwortete der Papst: „Wenn andere Mittel fehlen und dadurch den gegebenen Umständen die Erfüllung der übrigen religiösen und moralischen Pflichten in keiner Weise verhindert wird, ist es erlaubt.“9 In diesem Fall ist es klar, dass der Tod keineswegs gewollt oder gesucht wird, auch wenn man aus einem vernünftigen Grund die Todesgefahr in Kauf nimmt; man beabsichtigt nur, die Schmerzen wirksam zu lindern, und verwendet dazu jene schmerzstillenden Mittel, die der ärztlichen Kunst zur Verfügung stehen. Doch verdienen die schmerzstillenden Mittel, bei denen die Kranken das Bewusstsein verlieren, eine besondere Überlegung. Denn es liegt viel daran, dass die Menschen nicht nur ihren moralischen Verpflichtungen und den Aufgaben gegenüber ihren Verwandten nachkommen, sondern sich vor allem auch in vollem Bewusstsein auf die Begegnung mit Christus richtig vorbereiten können. Pius XII. ermahnt deshalb: „Es ist nicht recht, den Sterbenden ohne schwerwiegenden Grund des Bewusstseins zu berauben.“ 10
5. Das richtige Maß in der Verwendung therapeutischer Mittel Es ist in unserer Zeit sehr wichtig, gerade in der Todesstunde die Würde der menschlichen Person und die christliche Bedeutung des Lebens zu wahren und sich vor einer gewissen „Technisierung“ zu hüten, die der Gefahr des Missbrauchs aus8 Vgl. Mt 27,34. 9 Pius XII., Ansprache vom 24. Februar 1957, AAS 49 (1957), 147. 10 Ebd., 145, vgl. Ansprache vom 9. September 1958, AAS 50 (1958), 694.
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gesetzt ist. So spricht man heute ja auch vom „Recht auf den Tod“, versteht darunter aber nicht das Recht eines Menschen, sich durch eigene oder fremde Hand nach Gutdünken den Tod zu geben, sondern das Recht, in ruhiger Verfassung mit menschlicher und christlicher Würde sterben zu können. Unter diesem Gesichtspunkt kann die Anwendung therapeutischer Mittel zuweilen manche Frage aufwerfen. In vielen Fällen kann die Situation derart verwickelt sein, dass sich Zweifel ergeben, wie hier die Grundsätze der Sittenlehre anzuwenden sind. Die betreffenden Entscheidungen stehen dem Gewissen des Kranken oder seiner rechtmäßigen Vertreter wie auch der Ärzte zu; dabei sind sowohl die Gebote der Moral wie auch die vielfältigen Aspekte des konkreten Falles vor Augen zu halten. Jeder ist verpflichtet, für seine Gesundheit zu sorgen und sicherzustellen, dass ihm geholfen wird. Jene aber, denen die Sorge für die Kranken anvertraut ist, müssen ihren Dienst mit aller Sorgfalt verrichten und die Therapien anwenden, die nötig oder nützlich scheinen. Muss man nun unter allen Umständen alle verfügbaren Mittel anwenden? Bis vor kurzem antworteten die Moraltheologen, die Anwendung „außerordentlicher“ Mittel könne man keinesfalls verpflichtend vorschreiben. Diese Antwort, die als Grundsatz weiter gilt, erscheint heute vielleicht weniger einsichtig, sei es wegen der Unbestimmtheit des Ausdrucks oder wegen der schnellen Fortschritte in der Heilkunst. Daher ziehen es manche vor, von „verhältnismäßigen“ und „unverhältnismäßigen“ Mitteln zu sprechen. Auf jeden Fall kann eine richtige Abwägung der Mittel nur gelingen, wenn die Art der Therapie, der Grad ihrer Schwierigkeiten und Gefahren, der benötigte Aufwand sowie die Möglichkeiten ihrer Anwendung mit den Resultaten verglichen werden, die man unter Berücksichtigung des Zustandes des Kranken sowie seiner körperlichen und seelischen Kräfte erwarten kann. Damit diese allgemeinen Grundsätze leichter angewendet werden können, dürften die folgenden Klarstellungen hilfreich sein: Sind andere Heilmittel nicht verfügbar, darf man mit Zustimmung des Kranken Mittel anwenden, die der neueste medizinische For schritt zur Verfügung gestellt hat, auch wenn sie noch nicht genügend im Experiment erprobt und nicht ungefährlich sind. Der Kranke, der darauf eingeht, kann dadurch sogar ein Beispiel der Hochherzigkeit zum Wohl der Menschheit geben. Ebenso darf man die Anwendung dieser Mittel abbrechen, wenn das Ergebnis die auf sie gesetzte Hoffnung nicht rechtfertigt. Bei dieser Entscheidung sind aber der berechtigte Wunsch des Kranken und seiner Angehörigen sowie das Urteil kompetenter Fachärzte zu berücksichtigen. Diese können mehr als andere eine vernünftige Abwägung vornehmen, ob dem Einsatz an Instrumenten und Personal die erwarteten Erfolge entsprechen und ob die angewandte Therapie dem Kranken nicht Schmerzen oder Beschwerden bringt, die in keinem Verhältnis stehen zu den Vorteilen, die sie ihm verschaffen kann. Es ist immer erlaubt, sich mit den Mitteln zu begnügen, welche die Medizin allgemein zur Verfügung stellt. Niemand kann daher verpflichtet werden, eine Thera-
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Vatikan – Kongregation für die Glaubenslehre
pie anzuwenden, die zwar schon im Gebrauch, aber noch mit Risiken versehen oder zu aufwendig ist. Ein Verzicht darauf darf nicht mit Selbstmord gleichgesetzt werden: es handelt sich vielmehr um ein schlichtes Hinnehmen menschlicher Gegebenheiten; oder man möchte einen aufwendigen Einsatz medizinischer Technik vermeiden, dem kein entsprechender zu erhoffender Nutzen gegenübersteht; oder man wünscht, der Familie beziehungsweise der Gemeinschaft keine allzu große Belastung aufzuerlegen. Wenn der Tod näher kommt und durch keine Therapie mehr verhindert werden kann, darf man sich im Gewissen entschließen, auf weitere Heilversuche zu verzichten, die nur eine schwache oder schmerzvolle Verlängerung des Lebens bewirken könnten, ohne dass man jedoch die normalen Hilfen unterlässt, die man in solchen Fällen einem Kranken schuldet. Dann liegt kein Grund vor, dass der Arzt Bedenken haben müsste, als habe er einem Gefährdeten die Hilfe verweigert. 6. Schluss Die in dieser Erklärung enthaltenen Normen sind bestimmt vom aufrichtigen Bemühen, dem Menschen nach dem Plan des Schöpfers zu helfen. Wenn einerseits das Leben als Geschenk Gottes anzusehen ist, so ist andererseits der Tod unausweichlich. Darum müssen wir ihn im vollen Bewusstsein unserer Verantwortung und mit aller Würde annehmen können, ohne die Todesstunde in irgendeiner Weise zu beschleunigen. Der Tod beendet zwar den irdischen Lebenslauf, er eröffnet aber zugleich den Zugang zum unsterblichen Leben. Daher müssen sich alle Menschen schon im Licht menschlicher Werte auf dieses Ereignis innerlich richtig vorbereiten, ganz besonders aber die Christen im Licht ihres Glaubens. Was diejenigen betrifft, die im öffentlichen Gesundheitswesen arbeiten, so werden sie nichts unterlassen, um ihr ganzes fachliches Können in den Dienst der Kranken und Sterbenden zu stellen. Sie sollen aber bedenken, dass diese noch einen anderen Trost viel notwendiger brauchen, nämlich uneingeschränkte Güte und liebende Anteilnahme. Ein solcher Dienst, den Menschen geschenkt, wird zugleich Christus dem Herrn erwiesen, der gesagt hat: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). Diese Erklärung, welche in der ordentlichen Versammlung dieser Kongregation verabschiedet wurde, hat Papst Johannes Paul II. in der dem unterzeichneten Kardinalpräfekten gewährten Audienz gebilligt und ihre Veröffentlichung angeordnet. Rom, am Sitz der Glaubenskongregation, den 5. Mai 1980. FRANJO Kardinal ŠEPER, Präfekt † Jean Jérôme Hamer OP, Titularerzbischof, Sekretär
Nordische Bischofkonferenz Einführung Konfession
römisch-katholisch
Titel
Das Leben bewahren. Hirtenbrief der nordischen Bischöfe über Pflege in der Endphase des Lebens.
Verfasser
Nordische Bischöfe
Herausgeber
Nordische Bischofskonferenz
Veröffentlichungsjahr
2002
Adressantenraum
Skandinavien
Veröffentlichung
URL: http://www.nordicbishopsconference.org/ fileadmin/NBK/pdffiler/Das_Leben_bewahren_ Hirtenbrief.pdf
Weniger unter theoretisch allgemein-ethischen Fragestellungen als unter praktischpflegerischen und gesellschaftlichen Überlegungen wendet sich die Bischofskonferenz der skandinavischen Länder mit dem Hirtenbrief „Das Leben bewahren“ 2002 der Euthanasiediskussion zu. Die Stellungnahme, die jenseits der nordischen Sprachen auch ins Englische, Deutsche und Spanische übersetzt wurde, legt einen Schwerpunkt auf die gesellschaftlichen Dimensionen der Diskussion um das Lebensende. Vier der fünf Kapitel befassen sich mit sozial- und pflegewissenschaftlichen, mit gesundheitspolitischen und medizinischen Aspekten. Die Kirchen und Gemeinden werden als Akteure innerhalb der Gesellschaft beschrieben, die unterstützend und mitgestaltend tätig werden können. Entsprechend sensibel macht die Stellungnahme zudem bewusst, dass nicht nur Patienten und Ärzte, sondern auch die beteiligten Pflegekräfte, Angehörige oder ehrenamtlich Tätige je unterschiedlich gesellschaftlich herausgefordert und in ihrer Menschenwürde berührt sind. Theologisch untersuchen die nordischen Bischöfe sehr eingehend das alt- und neutestamentliche Zeugnis, das aus ihrer Sicht eine umfassende Tendenz zum Leben spiegelt. Stärker als der Vatikan unterstreicht der Text im Umgang mit dem Leiden die zu wahrende Grundpassivität des Menschen, der keine physischen oder psychischen Prüfungen suchen müsse. Lokalkolorit demonstriert der Hirtenbrief in der gesonderten Thematisierung der terminalen (oder palliativen) Sedierung. Die in Skandinavien immer stärker angewandte Praxis lehnen die Bischöfe aus verschiedenen Gründen ab: sowohl die von den Bischöfen in dieser Methode wahrgenommene Tötungsintention, die fehlende Mög-
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Nordische Bischofkonferenz
lichkeit des Patienten um Einhalt des Prozesses zu bitten als auch die grundsätzliche Unterbindung von Kommunikation lässt die terminale Sedierung als Alternative im Umgang mit dem Lebensende für die Bischofskonferenz ausscheiden. Im Sinne der sozialethisch weiten Ausrichtung schließt „Das Leben bewahren“ auch mit konstruktiven Appellen an die unterschiedlich beteiligten gesellschaftlichen Akteure aus Politik, Kirche und Gesundheitswesen, sich für alternative Konzepte, wie die Palliativmedizin, in der Begleitung Sterbender, einzusetzen.
Das Leben bewahren
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Das Leben bewahren Hirtenbrief der nordischen Bischöfe über Pflege in der Endphase des Lebens Das Leben ist eine kostbare Gabe. Diese Überzeugung hat Christen zu allen Zeiten inspiriert, die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft zu schützen. Insbesondere in der Krankenpflege haben Christen eine sinnvolle Weise gefunden, ihren Nächsten beizustehen und so Gottes Liebe zu allen zu bezeugen. Die nordischen Länder haben ein fortgeschrittenes Gesundheitswesen, das dem Bedürfnis nach medizinischer Behandlung entspricht. Aber die Erwartungen der Gesellschaft, das Gesundheitswesen noch weiter zu verbessern und die Lebensqualität zu steigern, sowie die erstaunlichen Fortschritte der Medizin stellen uns vor neue Herausforderungen. Das gilt insbesondere für Pflege in der Endphase des Lebens und Euthanasie, Fragen, die immer aktueller werden und die wir katholischen Bischöfe vom Evangelium und von der Tradition der katholischen Kirche her beleuchten wollen. Im folgenden Brief werden wir zunächst die Situation in der Gesellschaft und im Gesundheitswesen kurz beschreiben und analysieren. Dann wird die Antwort der Offenbarung auf die ewigen Fragen nach Leben und Tod vorgestellt. Danach wird die theologische Analyse durch eine Darstellung der kirchlichen Lehre in diesen Fragen weitergeführt. Zum Schluss geben wir einige Vorschläge wieder, die hoffentlich den Respekt für Kranke und Sterbende in unseren nordischen Ländern fördern können. 1. Der soziale Hintergrund I.
Die demographische Entwicklung
In den letzten hundert Jahren hat man große Fortschritte gemacht, um die Gesundheit zu verbessern und das menschliche Leben zu verlängern. Mit der wissenschaftlichen und technischen Revolution, den Fortschritten in der Medizin, der Beherrschung vieler gefährlicher Krankheiten und besserer Hygiene und Ernährung ist die mittlere Lebenserwartung gestiegen. Am Ende des 19. Jahrhunderts hatten Menschen im Norden eine durchschnittliche Lebenserwartung von 50 Jahren. Heute haben wir eine durchschnittliche Lebenslänge von gut 78 Jahren. Sie gehört statistisch gesehen zu den höchsten der Welt. Ein höherer Lebensstandard hat auch geringere Geburtenzahlen mit sich geführt. Da weniger Kinder geboren werden und wir länger leben, wird auch die Bevölkerung in unseren Gesellschaften immer älter. Der Bevölkerungsanteil im Norden,
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Nordische Bischofkonferenz
der älter als 65 Jahre ist, beträgt heute über 15% und man erwartet, dass er ständig ansteigt. In fünfzig Jahren können nicht weniger als 45% der nordischen Bevölkerung älter als 65 Jahre sein. Sicherlich wird die Entwicklung der Medizin, insbesondere in vorbeugender Medizin, Genetik, Chirurgie und Krebsforschung, zu noch längerem Leben beitragen. Aber da der Tod eine unausweichliche Tatsache im menschlichen Leben ist, werden Fragen zur Pflege in der Endphase des Lebens dennoch an Bedeutung und Aktualität zunehmen. II.
Die veränderte Sicht des Todes in der Gesellschaft
Im Lauf der Geschichte hat sich die Einstellung unserer nordischen Gesellschaften zum Tod verändert. Früher war der Tod ein selbstverständlicher Teil des Lebens und immer nahe bevorstehend, durch z.B. die Gefahr, im Kindbett zu sterben, die hohe Säuglingssterblichkeit, Arbeitsunfälle und viele epidemische Krankheiten. In den meisten Fällen wurden Schwerkranke zu Hause gepflegt und waren Teil eines sozialen Netzwerkes, das im Allgemeinen menschliche Fürsorge und Würde gewährleistete. Wenn der Tod eintraf, gab es Riten, Symbole und Handlungen, besonders Begräbnisse, die zur Kultur gehörten. Der Tod war ein Teil des Lebens, und Tote wurden geehrt. Mit den Fortschritten der modernen Medizin fällt der Tod nicht mehr selbstverständlich mit dem Zeitpunkt zusammen, an dem das Herz zu schlagen aufhört. Moderne Intensivmedizin macht es möglich, das Leben auf eine Weise zu verlängern, die früher als unerreichbar betrachtet wurde. Dadurch ist der Sterbeprozess verlängert worden und kann in größerem Maße kontrolliert werden. Krankheiten, die früher einen kurzen Verlauf hatten und zum Tode führten, können nun oft behandelt werden. Außerdem kann man das Leben heute mit Hilfe von z. B. HerzLungen-Maschinen und künstlichen Organen mechanisch aufrechterhalten. Diese Möglichkeiten stellen die Frage auf ihre Spitze: Was ist das Leben, was ist der Sinn des Leidens, was ist der Tod, und wann trifft er ein? Andere schwierige Fragen werden auch aktualisiert: Ist man immer verpflichtet, das Leben so lange wie möglich zu erhalten? Oder ist es manchmal zulässig, eine medizinische Behandlung abzubrechen, um den Patienten sterben zu lassen? Darf man die schweren Schmerzen eines Patienten lindern und hinnehmen, dass sein Leben dadurch vielleicht verkürzt werden kann? Als sich die Intensivmedizin während der 60iger Jahre entwickelte, war es selbstverständlich, dass es die erste Aufgabe der Medizin war, das Leben zu retten. Kranke wurden mit einer Menge technischer Apparate intensiv behandelt, was sicherlich das Leben aufrechterhielt, aber dazu führte, dass die geistlichen und psychologischen Bedürfnisse der Betroffenen oft zurücktraten. Der Tod wurde institutionalisiert und individualisiert d.h. er wurde vom Zuhause in die anonymere Umgebung des Krankenhauses verlegt, wo Kranke oft ohne die Gegenwart und Hilfe von Angehörigen mit ihm konfrontiert wurden. Damit wurde er oft zu einer unbekannten
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Wirklichkeit für viele. Noch heute zeigen Studien, dass nur einer von zehn Fünfundzwanzigjährigen einen Todesfall in seiner nächsten Umgebung erlebt hat. Der Tod ist auf dem Wege dazu, eine Abstraktion zu werden, etwas, was es nicht gibt und mit dem man sich darum nicht befassen muss. Man spricht sogar von der Entstehung der ersten „todesfreien Generation“ der Geschichte. Nur bei Unglücksfällen und Katastrophen bekommt der Tod mehr Aufmerksamkeit. Die intensive technische Behandlung unheilbar Kranker und Sterbender, die das Gesundheitswesen gegen Ende des 20. Jahrhunderts kennzeichnete, ist in den letzten Jahren in Frage gestellt worden. Man hat eingesehen, dass Fragen zur Lebensqualität genauso wichtig – und in manchen Fällen wichtiger – sind als Zugang zu einer effektiven medizinischen Behandlung. Untersuchungen zeigen, dass immer mehr Menschen zu Hause, im Altersheim oder in anderen besonderen Wohnformen sterben. Dieselben Untersuchungen zeigen auch, dass relativ wenige alleine sterben. Es gibt auch ein positives und steigendes Bewusstsein, dass der Tod ein wichtiger und schwieriger Prozess im menschlichen Leben ist, der von dem Beistand und der menschlichen Wärme anderer begleitet werden muss. Aber da viele Ältere alleine leben und der Tod für die meisten ein langer Prozess ist, sind diese Personen immer noch in einer gefährdeten Position und müssen viel durchstehen. In den letzten Jahren hat sich auch gezeigt, dass das öffentliche Gesundheitswesen die zunehmenden Bedürfnisse älterer Patienten nach Pflege nicht immer gewährleisten kann. 1
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III.
Die veränderte Aufgabe des Gesundheitswesens
Die moderne Medizin beginnt mit dem Griechen Hippokrates von Kos (circa 460 – 377 v.Chr.) und wird traditionell durch drei Eigenschaften gekennzeichnet: 1) sie ist politisch und religiös ungebunden, 2) sie baut auf wissenschaftlich erprobten Methoden auf 3) die Arbeit der Ärzteschaft wird durch eine selbständige Berufsethik geregelt, die bestimmte Verpflichtungen und Verbote umfasst. Nach dieser hippokratischen Ethik hat der Arzt die persönliche Verantwortung, wenn möglich zu heilen, oft zu lindern und seinen Patienten immer zu trösten, aber auch gefährliche, schädliche oder tödliche Behandlungen, wie etwa Abtreibung und Euthanasie zu unterlassen, sogar wenn Kranke selbst darum ansuchen. Das heutige Gesundheitswesen fordert diese Sicht der ärztlichen Rolle und des Zwecks der Medizin heraus. Die Nähe, die es früher zwischen Arzt und Patient gab, 3
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Cf. Döden angår oss alla. Delbetänkande från kommittén om vård i livets slutskede (SOU 2000:6), 19. Vgl. Der Tod geht uns alle an. Zwischenbericht des Komitees über Pflege in der Endphase des Lebens. Ibid., 28. Die Tradition der katholischen Kirche hat von den Kirchenvätern an bis zu unserem heutigen Papst die hippokratische Tradition immer als Grundlage der Ethik für Medizin und Pflege betrachtet. Vgl. Roth, Gottfried: Hippokrates in Päpstlichen Dokumenten, in: Acta Medica Catholica (Belgica), 2 (1995), 101–102. Siehe auch Abschnitt 2 und 3.
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wird in vielem von einer hochentwickelten Technokratie und Bürokratie ersetzt. Sicher erhalten die Kranken im Allgemeinen eine gute Behandlung und Pflege, aber die existentiellen und ethischen Fragen, die sich vielleicht in Zusammenhang mit einer Behandlung stellen, werden selten genügend beachtet. Forderungen nach größerer Effizienz und ökonomische Prioritäten führen auch dazu, dass die im Gesundheitswesen Tätigen oft mit großer Geschwindigkeit arbeiten und es schwerer haben, den Kranken als Mitmenschen zu begegnen. Während der Abstand zwischen Arzt und Patient immer größer wird, die Anwendungsgebiete der Medizin immer zahlreicher werden und die Öffentlichkeit mehr Einsicht erhält, entsteht auch die Gefahr, dass das Gesundheitswesen ideologisiert wird. Das heißt, es wird zu einem Werkzeug, um bestimmte individuelle, soziale und politische Zwecke zu fördern. In unserem multikulturellen Kontext kann es schwierig sein, sich zu einigen, wie man gemeinsam ethische Fragen lösen soll. Wir dürfen uns jedoch nicht damit zufrieden geben, den kleinsten gemeinsamen Nenner als Norm zu akzeptieren und es jedem selbst überlassen, über das Leben zu bestimmen. Wenn die Gesellschaft ein moralisches Fundament haben will, muss sie von der Erfahrung und der Weisheit lernen, die von den Traditionen vermittelt werden, die von Anfang an dazu beigetragen haben, die grundlegenden Werte der Gesellschaft zu festigen. Dieser Brief richtet sich deshalb nicht nur an katholische Christen im Norden. Wir wollen damit auch anderen Christen und Menschen guten Willens erklären, wie unsere eigene Tradition mit den Fragen nach Leben und Tod ringt, und wie sie in Theorie und Praxis dazu beitragen kann, die Unverletzbarkeit des menschlichen Lebens zu bestätigen und zu schützen. 2. Das Zeugnis der Bibel Die biblische Sicht des Lebens geht davon aus, dass Gott das Leben erschaffen hat und seine Freude daran hat. Davon bekommt das Leben seinen Wert. I.
Das Alte Testament
Der Mensch ist als Abbild Gottes geschaffen (Gen 1,27). Aber das Bewusstsein der Menschen, mit Gott verwandt zu sein, bildete sich langsam aus in der Geschichte Israels. Zu Beginn ihrer langen Glaubenswanderung sind Menschen sich am ehesten dessen bewusst, dass sie leben und dass dieses physische Dasein in sich ungeheuer wertvoll ist. Die Bibel bezeugt in vielfacher Weise den unendlichen Wert des Lebens und die Dankbarkeit der Menschen gegenüber Gott, weil sie diese große Gabe erhalten haben. Sie freuen sich darüber, dass sie nicht tot sind und dass sie Gott preisen können. Ihre fortwährende physische Existenz sehen sie als einen Beweis für den Segen Gottes an. Der Tod führt dazu, dass der Gottesdienst, der das Leben
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selbst ist, aufhört. Die Menschen gelangen in ein sinnloses Schattendasein, die Scheol, wo sie Gott nicht länger preisen können. Darum ruft der Psalmist: „Was nützt dir mein Blut, wenn ich begraben bin? Kann der Staub dich preisen, deine Treue verkünden?“ (Ps 30,10) Die Einsicht, dass Menschen zu einem Leben mit Gott berufen sind, wurde nach und nach gewonnen. Wenn Israel Gott fürchtet und seine Gesetze und Gebote hält, wird zukünftigen Generationen ein langes Leben versprochen (Dtn 6,2). Die Menschen werden aufgefordert, einen grundlegenden moralischen Beschluss zu fassen: „Hiermit lege ich dir heute das Leben und das Glück, den Tod und das Unglück vor.“ (Dtn 30,15) Glück und Leben gehören zusammen. Ohne Leben gibt es keine Voraussetzungen für Glück und für alle anderen positiven Werte im Leben, seien sie auch noch so anspruchslos. Aber das Leben ist, wie bekannt, nicht immer Glück und Freude. Wegen der Vergänglichkeit des menschlichen Lebens werden wir mit seiner Unvollkommenheit konfrontiert, die unter anderem in Krankheit, Leiden und Tod ihren Ausdruck findet. Die Bibel vermittelt die ständige Erfahrung leidender Menschen. Die Heilige Schrift betreibt keine Schönfärberei des menschlichen Daseins. Im Gegenteil erinnert sie uns daran, dass das Unglück unterschiedslos Gläubige und Ungläubige, Gute, sowohl wie Böse trifft. Ijob, der gute und unerschütterlich treue Diener Gottes, musste sein gerütteltes Maß an Unglück und Trauer erleben. Im Buch Ijob, einer prägnanten Schilderung des Leidens, sagt er unter anderem: „Warum schenkt er (Gott) dem Elenden Licht und Leben denen, die verbittert sind? Sie warten auf den Tod, der nicht kommt, sie suchen ihn mehr als verborgene Schätze. Sie würden sich freuen über einen Hügel; fänden sie ein Grab, sie würden frohlocken. Wozu Licht für den Mann auf verborgenem Weg, den Gott von allen Seiten einschließt? Bevor ich noch esse, kommt mir das Seufzen, wie Wasser strömen meine Klagen hin. Was mich erschreckte, das kam über mich, wovor mir bangte, das traf mich auch. Noch hatte ich nicht Frieden, nicht Rast, nicht Ruhe, fiel neues Ungemach mich an!“ (Ijob 3,20–26) Sogar in diesem Abgrund des Leidens können Menschen Gott finden. In ihrer gefährdeten Lage werden sie sich dessen bewusst, dass sie sich selbst nicht retten können. Sie brauchen Hilfe von außen. Langsam vertieft sich in Israel die Einsicht, dass der Bund, den man mit dem Herrn geschlossen hatte, nicht vor allem dem Zweck diente, den politischen Erfolg des Volkes zu sichern. Stattdessen sollte Israel vor anderen Ländern und Völkern Zeugnis über eine Rettung auf einem anderen, tieferen Niveau ablegen. Durch die Propheten lernt das Volk Gottes zu verstehen, dass vorübergehender Misserfolg, Leiden und sogar der Tod nicht bedeuten, dass Gott sie verlassen hat. Gott, der allmächtig und barmherzig ist, wird schließlich über den Tod siegen. Es gibt also Hoffnung. Nichts geht in Gottes Heilsplan verloren. Nicht einmal der Tod ist ein Hindernis für das Leben in Gott: 4
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Johannes Paul II.: Salvifici doloris, Rom 1984, Kap. III–V.
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„Deine Toten werden leben, die Leichen stehen wieder auf: wer in der Erde liegt, wird erwachen und jubeln. Denn der Tau, den du sendest, ist ein Tau des Lichts; die Erde gibt die Toten heraus.“ (Jes 26,19) II.
Das Neue Testament
Jesus Christus, der Erlöser der Welt, erfüllt das göttliche Versprechen einer neuen Schöpfung. Er erscheint wirklich als „das Leben“ das „das Licht der Menschen“ war (Joh 1,4). Indem er Mensch wurde, wollte Gott uns zeigen, wie unser Leben eigentlich aussehen sollte. Als Jesus Christus stirbt und aufersteht, wird der Tod vernichtet, und durch die Taufe werden wir Teilhaber an diesem Geheimnis und erhalten Anteil am gleichen Leben. In Christus sind wir nicht länger der Herrschaft des Todes unterworfen. Während seines irdischen Daseins hilft Jesus Christus dem Leben auf vielfältige Weise. Er heilt Kranke, verzeiht Sündern, tröstet Trauernde und erweckt sogar Tote zum Leben. Außerdem bringt er seinen Jüngern bei, sich von Gewalt zu distanzieren und alle, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Glauben und ihrer Lebensführung, als gleichwertig zu behandeln. Er steht die ganze Zeit im Dienst des Lebens und zeigt in der Tat, was er im Wort versprochen hat: dass er gekommen ist damit wir „das Leben“ haben „und es in Fülle haben.” (Joh 10,10) Obwohl Jesus Gott war, tritt er nicht wie ein Herrscher, sondern wie ein Mitmensch auf. Er konnte mit Not, Krankheit und Tod fertig werden. Dennoch unterwirft er sich diesen Bedingungen, um unsere Menschlichkeit zu teilen. Wie es im Hebräerbrief über Christus geschrieben steht: „Denn da er selbst in Versuchung geführt wurde und gelitten hat, kann er denen helfen, die in Versuchung geführt werden“ (Hebr. 2,18). Durch sein Leiden und seinen Tod nahm er freiwillig alles individuelle und kollektive Misslingen und alle Schwächen der Menschheit auf sich. Am Kreuz erlebte er die menschliche Erfahrung der Hoffnungslosigkeit, als er rief: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Vgl. Ps 22,2; Mt 27,46; Mk 15,34) Er ist mit allen, die leiden. Im Kreuz wird Gottes Liebe und seine Fürsorge geoffenbart. Hoffnungslosigkeit und Tod bekommen nicht das letzte Wort. Durch seine Auferstehung am dritten Tag zeigt Jesus den Sieg des Lebens und den Sinn und das Ziel des Menschenlebens auf. Menschen sind nicht dafür bestimmt, Staub zu werden, sondern berufen, die Herrlichkeit Gottes für ewig zu teilen. Christus wollte seine Tätigkeit auf Erden fortsetzen. Darum rief er Jünger zu sich, denen er den Dienst der Leitung unter den Gläubigen anvertraute. Jesus forderte sie auf: ”Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus. Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben” (Mt 10,8). Die Apostelgeschichte berichtet auch, wie die Jünger nach Christi Tod und Auferstehung Kranke als Zeichen der Erlösung durch Christus heilen. Die Menschen sind nicht einem blinden Schicksal ausgeliefert, sondern berufen, eine neue Beziehung mit Gott einzugehen, wo körperliche und geistliche Gesundheit ein Zeichen
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der Ankunft des Reiches Gottes sind. In Christus ist die Schöpfung in einer Verwandlung begriffen, wo Tod und Vergänglichkeit ständig vertrieben werden, um einer neuen Schöpfung Platz zu machen. Darum kann Paulus schreiben: „Denn dieses Vergängliche muss sich mit Unvergänglichkeit bekleiden, und dies Sterbliche mit Unsterblichkeit. Wenn sich aber dieses Vergängliche mit Unvergänglichkeit bekleidet und dies Sterbliche mit Unsterblichkeit, dann erfüllt sich das Wort der Schrift: ‘Verschlungen ist der Tod vom Sieg. Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?’ “ (1 Kor 15,53–55) Zusammenfassend lehrt uns die Bibel, dass das Leben etwas Gutes und Wünschenswertes ist, dass Gott uns als Geschenk gegeben hat, und über das er allein herrscht. Das menschliche Leben ist also unantastbar. Gleichzeitig lernen wir, auch auf etwas Besseres, das kommen soll, zu hoffen. Wir sind zu einem ewigen Leben berufen. Unsere biologische Existenz hier auf der Erde hat darum keinen absoluten Wert. Sie braucht nicht um jeden Preis verlängert zu werden und kann als Gabe zum Besten anderer hingegeben werden. Christus hat viele geheilt, er selbst aber starb am Kreuz, um das Himmelreich für uns zu gewinnen, um uns einen Platz beim Vater zu bereiten. Die Jünger helfen nach wie vor im Namen Christi anderen Kranken und Schwachen, aber selbst sind sie bereit zu sterben, um Zeugnis für ein Leben nach dem Tod abzulegen. 5
3. Die christliche Sicht des Gesundheitswesens und der Krankenpflege Die Kirche hat immer die Werke der Barmherzigkeit verkündet als eine Weise für die Gläubigen, sich Christus anzugleichen und die christliche Liebe in konkreten Handlungen zu zeigen. Indem wir Hungernden zu essen, Durstigen zu trinken, Nackten Kleider, Fremden Unterkunft und Kranken Pflege geben, bezeugen wir wie die ersten Jünger, dass Gott alle liebt und dass sein Reich mitten unter uns ist. Aber da wir Christus in leidenden und hilfsbedürftigen Mitmenschen begegnen, sind die, die helfen, nicht besser als die, die Hilfe erhalten. Wer andere pflegt, ist Jünger Christi, der sagt: „Ich war krank, und ihr habt mich besucht.“ (Mt 25:36). Krankenpflege muss deshalb als eine Begegnung zwischen gleichgestellten Personen gesehen werden, in einer Situation, wo beide Beteiligte einander bereichern. Bei dieser Begegnung entstehen spontane Reaktionen, die alle Menschen kennen 6
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“Earthly life is a fundamental but not an absolute good. Hence the limits of the obligation to keep a person alive must be specified.” Siehe das Dokument “Some ethical questions relating to the gravely ill and the dying” erlassen vom Päpstlichen Rat Cor Unum am 27.Juli 1981 In: Enchiridium Vaticanum, 7. Documenti ufficiali della Santa Sede 1980–1981. EDB, Bologna 1985, Nr. 1165. Die Werke der Barmherzigkeit – sieben leibliche und sieben geistliche – sind: 1) Hungernde zu speisen 2) Durstigen zu trinken zu geben 3) Nackte bekleiden 4) Fremden Unterkunft zu gewähren 5) Kranke und Gefangene zu besuchen 6) für die Freilassung Gefangener zu arbeiten 7) die Toten zu begraben, 8) Unwissende zu unterweisen 9) Verwirrten zu raten 10) Betrübte zu trösten 11) Sünder zurechtzuweisen 12) Kränkungen zu vergeben 13) Unrecht zu ertragen 14) für Lebende und Tote und für die, die einen verfolgen, zu beten.
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und die sowohl unsere natürliche Neigung, Menschen in Not zu helfen, zum Ausdruck bringen, als auch unsere natürliche Reaktion, uns auf das Verantwortungsgefühl und die berufliche Kompetenz anderer zu verlassen. Wenn diese positiven und spontanen Reaktionen oder „Lebensäußerungen“ zu Stande kommen, entsteht das gegenseitige Vertrauen zwischen den Betroffenen, das die Grundlage des Gesundheitswesens ist. I.
Die Würde des Patienten
Patienten können deshalb niemals nur als „Fall“ betrachtet oder zum Körper, der behandelt werden muss, reduziert werden. Aufgrund der Würde, die dem Menschen innewohnt, ist der Patient oder die Patientin vor allem Mitmensch. Darum muss man den Patienten oder die Angehörigen, falls es für ihn unmöglich ist, informieren und befragen, bevor eine Behandlung, die ihn betrifft, begonnen oder beendet wird oder wenn medizinische Proben entnommen werden. Man muss dem Patienten also als dem verwundbaren Menschen begegnen, der er ist, und ihm in der schweren Situation, die eine ernste Krankheit für ihn bedeutet, helfen. Die medizinische Behandlung soll deshalb in einer Gesamtperspektive gesehen werden, welche die persönlichen Bedürfnisse der Kranken mit einbezieht. II.
Die Berufung und Würde der im Gesundheitswesen Tätigen
Ärzte, Krankenpfleger und Krankenschwestern dürfen nicht nur als Mittel für einen anderen betrachtet werden. Sie sind nicht nur gut ausgebildete Berufstätige, die einzig der Gesellschaft oder den Kranken zur Verfügung stehen. Nach christlicher Sicht sind sie Personen, die eine besondere Berufung haben und denen die große Verantwortung anvertraut ist, Kranke zu behandeln und zu pflegen. Zu dieser Verantwortung gehört eine durch Erfahrung bewährte Ethik – die hippokratische Tradition –, die sie in ihrem Engagement im Dienst des menschlichen Lebens stärkt. Diese Berufsethik ist zu respektieren. Ärzte, Krankenpfleger und Krankenschwestern haben „die schwere und klare Verpflichtung, sich ihnen (solchen Handlungen, die gegen diese Berufsethik verstoßen, insbesondere Abtreibung und Euthanasie) mit Hilfe des Einspruchs aus Gewissensgründen zu widersetzen.“ Wir schätzen die Initiativen, die man in mehreren unserer Diözesen ergriffen hat, um Vereinigungen und Netzwerke katholischer Ärzte und Ärztinnen zu bilden. Diese Vereinigungen und Netzwerke können ihnen eine ausgezeichnete Gelegenheit bieten, Erfahrungen auszutauschen, sich ethisch fortzubilden und ihre christliche Identität im Dienst des Lebens zu vertiefen. 7
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Johannes Paul II.: Evangelium vitae, Rom 1995, # 73.
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III.
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Andere Beteiligte
Schließlich gehört zur christlichen Sicht des Gesundheitswesens auch, dass man auch Rücksicht auf sonstige Beteiligte nimmt. Das Gesundheitswesen ist keine isolierte Wirklichkeit, die nur die Kranken und das ärztliche und pflegende Personal betrifft, sondern es gehört in einen größeren Zusammenhang. Nach den Kranken selbst sind deren Angehörige hauptverantwortlich für deren Wohl. Es ist wichtig, dass die Gesellschaft ihnen Möglichkeiten anbietet, alle notwendige Hilfe zu erhalten, um ihre Familienmitglieder zu Hause pflegen zu können, wenn das wünschenswert ist. Wenn dies nicht möglich ist, sollten Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen eine Routine haben, die es Angehörigen erlauben, oft zu Besuch zu kommen und es ihnen ermöglichen, falls sie können und wollen, aktiv an der Pflege teilzunehmen. Was sich in unseren Krankenhäusern und anderen Pflegeeinrichtungen tut, berührt direkt oder indirekt auch viele andere Personen. Das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Gesundheitswesen kann zum Beispiel aufs Spiel gesetzt werden, falls unmoralische Behandlungen zugelassen werden und falls man nicht sicher sein kann, dass das ärztliche und pflegende Personal immer das Wohl des Patienten vor Augen hat. Es ist auch wichtig, daran zu erinnern, dass die Mittel des Gesundheitswesens begrenzt sind und dass es andere Gebiete gibt die auch wichtig für das Gemeinwohl sind, wie zum Beispiel Schule, Sozialhilfe, Entwicklungshilfe, Forschung, Kultur, Fürsorge für Behinderte und Fürsorge für ältere Menschen. Die Gesundheit ist daher als einer unter vielen wichtigen Werten zu sehen, welche die Gesellschaft fördern muss. Sie ist nicht der einzige. Man muss sich fragen, ob es aus christlicher Sicht immer angemessen ist, dass wir immer mehr Geld ausgeben, um unsere höheren Forderungen nach besserer Gesundheit und Lebensqualität zufriedenzustellen, wenn anderen Menschen in unserer Welt das Notwendigste zum Leben fehlt. Die Kirche geht von einer ganzheitlichen Sicht des Gesundheitswesens aus. Man soll sich nicht nur um das physische Wohlbefinden der Kranken bemühen, sondern auch um ihre psychologischen und geistlichen Bedürfnisse. Der Mensch ist nicht nur Leib und lebt „nicht nur von Brot“ (Mt 4,4). Freiheit und Selbstverwirklichung sind Werte, die zu schützen sind. Das heißt, dass weder die Patienten noch die Ärzteschaft und das Pflegepersonal politischem Druck oder ungebührlichen wissenschaftlichen Ambitionen ausgesetzt werden dürfen. Sie dürfen auch nicht dazu verleitet werden, unmoralisch zu handeln, indem sie ihrerseits Kranke oder Gesunde solcher Unterdrückung aussetzen. Man muss also die Gesundheit immer in einer Perspektive sehen, die von Respekt für und Liebe zu jedem Menschen ausgeht. 4. Fragen im Zusammenhang mit Pflege in der Endphase des Lebens Nach christlichem Glauben ist der Tod nicht das Ende des Daseins, sondern der Übergang in eine neue Lebensform. „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er
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seinen eingeborenen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat.“ (Joh 3,16) Darum können alle, die in Christus sterben, sich darauf freuen, Gott von Angesicht zu Angesicht zu begegnen. Nichtsdestoweniger kann der Todesprozess, genau wie die Geburt, sehr schmerzhaft sein. Sterbende können Furcht und Angst erleben, weil sie vor einer völlig unbekannten Wirklichkeit stehen und das gewohnte Leben hinter sich lassen müssen: die Fähigkeit, zu atmen, wahrzunehmen und in Zeit und Raum zu existieren. Darum ist es wichtig, dass die sterbende Person von menschlicher Wärme und Fürsorge umgeben wird, alle notwendige geistliche Begleitung und allen notwendigen geistlichen Trost erhält und Zugang zu qualifizierter medizinischer Behandlung, nicht zuletzt effektiver Schmerzlinderung, hat. In der Krankensalbung bietet uns die Kirche Gnade und Trost an, die schwer zu übertreffen sind. Dieses Sakrament ist nicht nur für diejenigen da, die in wirklicher Lebensgefahr schweben, sondern kann auch von denen empfangen werden, die schwer krank sind oder sich aufgrund ihres hohen Alters schwach fühlen. Dessen wichtigste Gnadengabe ist „eine Stärkung, Beruhigung und Ermutigung, um die mit einer schweren Krankheit oder mit Altersschwäche gegebenen Schwierigkeiten zu überwinden.“ (Katechismus der Katholischen Kirche *1520). Es ist wichtig, kranken Gemeindemitgliedern das Sakrament der Versöhnung, die Heilige Kommunion und die Krankensalbung anzubieten. Die Verantwortung, Sterbende geistlich zu begleiten und zu trösten, fällt jedoch nicht nur dem Priester zu. Angehörige, Freunde, Krankenpflegepersonal und andere Mitmenschen können durch ihre bloße Gegenwart an der Seite des Kranken und durch beispielsweise Schriftlesung und gemeinsames Gebet ein Trost sein. I.
Schmerzlinderung
Das menschliche Leben ist vergänglich, und darum enthält es unausweichlicherweise ein gewisses Maß an Schmerz und Leiden. Gott will nicht, dass wir leiden, und darum sollen wir auch nicht bewusst physische und psychische Prüfungen suchen. Nichtsdestoweniger kann so etwas, wenn es nun einmal eintrifft, im christlichen Leben mit Sinn erfüllt werden. Durch unsere Prüfungen können wir uns mit Christus vereinen, der für uns gelitten hat und der in geheimnisvoller Weise immer noch mit seiner Kirche leidet. Darum konnte der Apostel Paulus schreiben: „Jetzt freue ich mich in den Leiden, die ich für euch ertrage. Für den Leib Christi, die Kirche, ergänze ich in meinem irdischen Leben das, was an den Leiden Christi noch fehlt.“ (Kol 1,24) Wer leidet, kann deshalb sein Unbehagen oder seine Qualen um anderer willen aufopfern und sich durch seine Gebete mit anderen vereinen, die leiden, und für sie beten. Darum kann ein Patient auch von sich aus eine schmerzstillende Behandlung abweisen. Doch darf man nicht davon ausgehen, dass andere Kranke diese Alternative wählen würden.
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Schwere Schmerzen können den Lebensmut eines Menschen schwächen, das Gebetsleben erschweren und in anderer Weise gute Pflege in der Endphase des Lebens behindern. Darum lehrt die Kirche, dass der Arzt oder die Ärztin effektive Schmerzlinderung anbieten und bei Kranken, die nicht zustimmen können, annehmen soll, dass sie diese wünschen. Sicher kann die Behandlung von Sterbenden mit Schmerzmitteln in seltenen Fällen ihr Leben verkürzen. Dieses Risiko darf man eingehen, unter Voraussetzung dass die verordneten Dosen sich in den Grenzen dessen halten, was als gute medizinische Praxis angesehen wird und dass die Absicht der Behandlung keine andere als Schmerzlinderung ist. Wir wollen hier die Wichtigkeit guter Palliativmedizin und -pflege in der Endphase des Lebens unterstreichen. Sie zielt darauf ab, die Krankheitsbeschwerden zu lindern und die physischen, psychosozialen und geistlichen Bedürfnisse der Kranken zu integrieren. Daher soll sie ein selbständiger Bestandteil der medizinischen Behandlung sein, allen angeboten werden, die sie nötig haben, rechtzeitig eingeleitet werden und bis zum Tod weitergehen. Kein Patient, der an einer unheilbaren Krankheit leidet, darf jemals als „medizinisch fertigbehandelt“ betrachtet werden. 8
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II.
Der Abbruch einer intensivmedizinischen Behandlung
Es gibt andere Situationen, wo ein Patient oder eine Patientin intensivmedizinisch behandelt wird und wo man das Leben mit mechanischen Mitteln, zum Beispiel mit Hilfe eines Respirators, aufrechterhält. Da stellt sich die Frage, ob es als moralisch haltbar betrachtet werden kann, die Intensivbehandlung abzubrechen und den Patienten sterben zu lassen, wenn die Gesundheit des Patienten nicht wiederhergestellt werden kann. Nach Tradition und Lehre der Kirche muss man immer zwischen dem erwarteten Nutzen der medizinischen Behandlung und deren negativen Folgen, inklusive medizinischen Risiken, Schmerz oder Angst, abwägen. Nach dieser Lehre hat der Patient im Prinzip die Verpflichtung, sich behandeln zu lassen – und der Arzt die Verpflichtung, die Behandlung anzubieten –, wenn diese Behandlung gute Chancen bietet, die Gesundheit wiederherzustellen und nicht allzu viele negative Folgen mit sich führt. Demgegenüber ist der Arzt nicht ohne weiteres moralisch verpflichtet, eine Behandlung zu beginnen oder fortzusetzen, wenn der medizinische Nutzen im Siehe "Erklärung zur Euthanasie", erlassen von der Glaubenskongregation am 5. Mai 1980 (Acta Apostolicae Sedis 72), 1980, 547–548. 9 Bei schweren Schmerzen kann der Patient mit u.a. Morphium behandelt werden, das das Atemvermögen dämpft und seinerseits das Leben des Patienten verkürzen kann. Palliativmedizinische Forschung hat jedoch gezeigt, dass die schmerzstillende Behandlung in vielen anderen Fällen das Leben verlängert, weil der Patient sich entspannt und schmerzfrei wird. Zu dieser Frage siehe auch Katechismus der Katholischen Kirche, # 2279. 10 Siehe Ansprache Pius’ XII. an einen Internationalen Kongress von Ärzten und Chirurgen am 24. Februar 1957 (Acta Apostolicae Sedis 49), 1957, S. 146. Sowie: Johannes Paul II.: Evangelium vitae, 1995, # 65. 8
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Verhältnis zu anderen Beschwerden unerheblich ist oder wenn die Therapie nur den Sterbeprozess verlängert. Der Beschluss, eine lebenserhaltende Behandlung eventuell abzubrechen, muss selbstverständlich im Einverständnis mit den Kranken, im Einverständnis mit den Angehörigen, falls Kontakt mit ihm unmöglich ist, und u.U. mit anderen Fachärzten getroffen werden. Unabhängig davon wie dieser Beschluss ausfällt, muss jedoch die gewöhnliche Pflege weitergehen. Eine medizinische Behandlung in solchen oder ähnlichen Situationen abzubrechen, ist keine Form „passiver“ Euthanasie oder versteckter Sterbehilfe. 11
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III.
Euthanasie
Selbst wenn der Patient unwiderruflich dem Tod entgegen geht und das Leben nicht gerettet werden kann, beschützt der Arzt das Leben und dient ihm. Das gilt auch für alle anderen, die dem oder der Kranken nahestehen. Es gibt jedoch viele Stimmen in der Gesellschaft, die meinen, dass man dem Arzt erlauben sollte, den Patienten absichtlich zu töten, wenn dieser darum bittet oder seine Erlaubnis gibt. Mit Euthanasie im eigentlichen Sinn des Wortes ist „eine Handlung oder eine Unterlassung“ gemeint, „die ihrer Natur nach und aus bewusster Absicht den Tod herbeiführt, um auf diese Weise jeden Schmerz zu beenden. ‚Bei Euthanasie dreht es sich also wesentlich um den Vorsatz des Willens und um die Vorgehensweisen, die angewandt werden’.“ Ein Wunsch nach Sterbehilfe bei Schwerkranken hat meistens seinen Grund in dem Bedürfnis nach Gespräch, einer Depression, der Furcht vor dem Todesprozess oder der Angst, für Pflegepersonal und Angehörige eine zu schwere Belastung zu sein. Solche Befürchtungen müssen natürlich ernst genommen werden. Das ärztliche und pflegende Personal muss den leidenden Kranken nahe sein und durch liebevolle Fürsorge sie und ihre Familie stützen. Die Stellung der Palliativmedizin und -pflege muss deshalb gestärkt werden, so dass die Kompetenz des ärztlichen und pflegenden Personals auf diesem Gebiet erhöht wird und den Kranken zugute kommen kann. Leider bekommen jedoch nicht alle Kranke die schmerzlindernde Behandlung und das Verständnis, das sie brauchen. Verglichen mit anderen medizinischen Gebieten, die Prestige verleihen, wie z.B. Genetik oder Chirurgie wird der Palliativmedizin immer noch wenig Priorität eingeräumt, und sie wird vernachlässigt. Verantwortliche in Politik und Medizin, aber auch Angehörige haben deshalb eine wichtige Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Endphase des Lebens eine sinnvolle Periode im Leben einer jeden Person wird. 13
11 In der katholischen Tradition pflegt man zwischen proportionellen und unproportionellen, gewöhnlichen und außergewöhnlichen Behandlungen zu unterscheiden. Siehe "Erklärung zur Euthanasie", erlassen von der Glaubenskongregation am 5. Mai 1980 (Acta Apostolicae Sedis 72), 1980, 551. 12 Siehe Pontifical Council for Pastoral Assistance to Health Care Workers: Charter for Health Care Workers, Vatican Press, Vatican City, 1995, # 120, S. 98. 13 Johannes Paul II: Evangelium vitae, 1995, #65. Für eine gründliche Analyse des Begriffs Euthanasie, sowie dessen Terminologie siehe H. Pande: Eutanasi. Førsøk på klargjøring og avgrensing av begreper, Tidsskrift for Den norske lægeforening Nr. 24, 1997: 117: 3548–50.
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Neuere Studien haben auch bestätigt, was ärztliches und pflegendes Personal, Seelsorger und Angehörige oft festgestellt haben: Die Endphase des Lebens kann auch eine Zeit überraschend vieler Möglichkeiten und sogar Freuden für Sterbende und ihre Umgebung sein. In der ethischen Debatte macht man manchmal geltend, dass Euthanasie zuzulassen sei, weil jeder über seinen eigenen Körper und sein eigenes Leben bestimmen können sollte. Hilfe beim Selbstmord zu erhalten oder jemand anders zu töten, ist jedoch keine Privatsache. Menschen sind soziale Wesen, die zu einer Gemeinschaft gehören. Was wir mit unserem Körper und unserem Leben tun, betrifft auch andere. Diese anderen sind auch zu schützen. Euthanasie ist eine unmoralische Handlung, weil sie die körperliche Integrität des Opfers verletzt, ebenso die Person, welche die Tat ausführen muss, und außerdem viele andere, nicht zuletzt Behinderte, die trotz großer Prüfungen ein würdiges Leben führen wollen. Diese Menschen, die sich von der Euthanasiedebatte oft sehr betroffen fühlen, brauchen die volle Unterstützung der Gesellschaft, indem sie unter anderem deutlich zeigt, dass das Leben immer unverletzbar und lebenswert ist, unabhängig vom Gesundheitszustand und vom angeblichen sozialen Nutzen. Aus diesen Gründen ist es wichtig, dass das menschliche Leben bis zum Tod geschützt wird und dass Euthanasie nach dem Gesetz nicht zugelassen wird. Außer dass Euthanasie gegen die Berufsethik der Ärzteschaft und des Pflegepersonals verstößt, die Möglichkeiten der Palliativmedizin und -pflege außer acht lässt und die menschliche Integrität verletzt, ist sie auch eine ernste Sünde gegen Gott, der uns befohlen hat, nicht zu töten (Ex 20,13; Dtn 5,17). Darum bestätigte Papst Johannes Paul II. in seiner Enzyklika Evangelium vitae, „in Übereinstimmung mit dem Lehramt [seiner] Vorgänger und in Gemeinschaft mit den Bischöfen der katholischen Kirche, dass die Euthanasie eine schwere Verletzung des göttlichen Gesetzes ist, insofern es sich um eine vorsätzliche Tötung einer menschlichen Person handelt, was sittlich nicht zu akzeptieren ist.“ 14
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IV.
Terminale Sedierung
In unseren nordischen Ländern hat man in letzter Zeit auch eine neue Form von Euthanasie diskutiert. Der Begriff „terminale Sedierung“ wird als Bezeichnung für eine Handlung verwendet, die darin besteht, dass der Arzt Sterbende in Schlaf versetzt und alle medizinische Behandlung abbricht, bis der Tod eintrifft. In solchen Fällen pflegt der Tod innerhalb einiger Tage – höchstens eine Woche nach der Ver16
14 Siehe I. Byock: Dying well: peace and possibilities at the end of life, New York: Riverhead Book, 1997 und auch E. Sahlberg Blom: Autonomi, beroende, livskvalitet: livets sista månad för 56 cancerpatienter, Uppsala: Acta Universitatis Upsaliensis, 2001. 15 Johannes Paul II.: Evangelium vitae, 1995, # 65. 16 Siehe N. Husom i Tidsskrift for Den norske lægeforening 3/2001, sowie T. Tännsjö, In: Dagens Nyheter, 25. März 2001, A4.
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setzung in Schlaf – einzutreten. Die Befürworter dieser Handlung meinen, dass es sich dabei um eine annehmbare und gesetzliche Form der Euthanasie handelt, da sie zwei Momente enthält, die heute erlaubt sind: in Schlaf zu versetzen und eine Behandlung abzubrechen. Da die Absicht mit dieser Handlung ist, den Patienten zu töten, sollte terminale Sedierung als regelrechte Euthanasie betrachtet und verboten werden. Was diese von anderen Weisen unterscheidet, das Leben eines oder einer Schwerkranken absichtlich auszulöschen, sind die verwendeten Mittel. Terminale Sedierung ist auch in sich problematisch. Medizinische Praxis hat gezeigt, dass Kranke Schmerz und Unbehagen erleben können, während sie in künstlichem Schlaf liegen. In einer solchen Situation würde terminale Sedierung solche Kranke unwiderruflich der Möglichkeit berauben, aufzuwachen und um Hilfe zu bitten. Auf diese definitive Weise Kranken die Möglichkeit vorzuenthalten, mit ihrer Umgebung zu kommunizieren und eventuell ihre Auffassung, wie sie behandelt werden wollen, ändern zu können, ist zutiefst unethisch V.
Organ-, Gewebe- und Zellspende
Biologisch gesehen ist der Tod kein augenblickliches Geschehen, sondern ein mehr oder weniger langwieriger Prozess, in dem die Funktionen, die den Körper zusammenhalten, nach und nach abnehmen. Früher verband man den Tod gewöhnlich mit dem Augenblick, in dem das Herz aufhört, zu schlagen. Die Möglichkeit, den Kreislauf eines Menschen künstlich aufrechtzuerhalten, hat diese Annahme problematisch gemacht und die Einsicht aktualisiert, dass die Identität des Menschen vor allem mit seiner potentiellen oder tatsächlichen Möglichkeit verbunden ist, sich seiner selbst bewusst zu sein, zu denken und mit anderen zu kommunizieren. Wenn diese Fähigkeit unwiderruflich verlorengeht (der sog. Hirntod), kann die Person auch als tot angesehen werden. Die Kirche verwendet keine medizinischen Kriterien, um den Tod zu definieren, aber kommt durch philosophische und theologische Argumentation zu dem gleichen Schlusssatz wie die medizinische Wissenschaft, was bedeutet, dass sie implizit das sogenannte Hirntodkriterium anerkennt. Die Kompetenz der Kirche ist theologisch und philosophisch. Darum hat der Papst kürzlich gesagt: „In dieser Hinsicht ist es nützlich, sich daran zu erinnern, dass der Tod der Person ein einziges Geschehen ist, das in dem völligen Zerfall jenes ungeteilten und integrierten Ganzen besteht, welches das persönliche Selbst ist. Der Tod resultiert aus der Trennung des Lebensprinzips (oder der Seele) von der körperlichen Wirklichkeit der Person.“ 17
17 „In this regard, it is helpful to recall that the death of the person is a single event, consisting in the total disintegration of that unitary and integrated whole that is the personal self. It results from the separation of the life-principle (or soul) from the corporal reality of the person. “– Siehe Johannes Paul II.: Address to the 18th International Congress of the Transplantation Society, 2000-08-29, # 4.
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Diese theoretischen Fragen sind heute von großer Relevanz, aufgrund neuer Möglichkeiten, die dazu führen, dass man unter anderem die Organe, Gewebe und Zellen toter Personen zur Transplantation an Schwerkranke verwenden kann. Wenn man an den großen Mangel an Transplantaten denkt, der heute in den nordischen Ländern herrscht, sollte diese Möglichkeit, das Leben anderer Menschen durch unseren toten Körper zu retten, willkommen geheißen werden. Eine Organspende kann die letzte freie Liebestat einer Person auf Erden sein. Darum ermuntern wir alle Katholiken in unseren Diözesen, die Kultur des Lebens zu fördern, indem sie in dieser wichtigen Frage Stellung beziehen. Auch das Gesundheitswesen sollte die Organspende als eine freie Liebestat betrachten, die den ganzen Menschen in sich schließt. Darum soll die Zustimmung zur Spende gewissenhaft festgestellt werden, so wie es guter medizinischer Praxis entspricht, bevor ein Eingriff in den toten Körper stattfindet. Es ist auch wichtig, dass der tote Körper des Spenders mit Respekt behandelt wird. 5. Der Beitrag der Kirche zum Gesundheitswesen im Norden Seit der Christianisierung der nordischen Länder ist die Kirche ein wichtiger sozialer Akteur in der Gesellschaft gewesen und hat jederzeit Armen, Kranken, Gefangenen und anderen marginalisierten Personen beigestanden. Besonders die Ordensschwestern haben die Fürsorge der Kirche für die Kranken und Schwachen hier im Norden vermittelt. I.
Katholische Krankenpflege im Norden
Nach der Reformation ist die katholische Kirche im 19. und 20. Jahrhundert in die nordischen Länder zurückgekehrt. Allmählich zeigte sie ihre Präsenz auf verschiedenen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens. Am deutlichsten trat sie durch ihre besondere Arbeit für Kranke und Alte hervor. Bis vor kurzem waren es Ordensschwestern und -brüder, die sich den Schwerkranken und Sterbenden gewidmet haben, indem sie ihnen Geborgenheit und Trost gaben. Auf jede Weise versuchten sie, ihre Schmerzen zu lindern und ihnen zu helfen, ihre Furcht und ihre Angst zu ertragen. Außerdem halfen sie den Kranken, sich mit Gott zu versöhnen, indem sie die Sakramente empfingen: Beichte, Eucharistie und die Krankensalbung. Heute sind es im Allgemeinen nicht mehr Ordensschwester und -brüder, die dieses Apostolat ausüben, sondern einzelne katholische Ärzte, Krankenpfleger und Krankenschwestern in den öffentlichen Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Zusammen mit anderen Menschen guten Willens engagieren sie sich, um Kranken und Sterbenden Liebe und Hilfe zu geben, damit sie in menschenwürdiger Weise den Übergang in das ewige Leben vollziehen können.
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II.
Nordische Bischofkonferenz
Neue Initiativen
Damit Schwerkranke auf eine Weise gepflegt werden können, die Gott immer als den Herrn des Lebens respektiert, wurden in den letzten Jahren mehrere Hospize in katholischer und ökumenischer Regie errichtet. 6. Zusammenfassung In diesem Hirtenschreiben haben wir Bischöfe gewissen Fragen Aufmerksamkeit schenken wollen, die im Zusammenhang mit Pflege in der Endphase des Lebens gestellt werden. Diese Fragen sind beleuchtet worden durch eine Analyse der heutigen Situation, eine Darstellung des Offenbarungszeugnisses und der Lehre der Kirche, eine Erklärung der Prinzipien, die der katholischen Auffassung von Pflege und Gesundheitswesen zugrunde liegen, und schließlich eine Anwendung dieser Prinzipien auf konkrete Fragen. Diese Prinzipien gehen von der Erfahrung unserer Gottesbeziehung in der Geschichte und von der frohen Botschaft der Erlösung des Menschen in Jesus Christus aus. Aber unsere Auffassung von Pflege und Gesundheitswesen geht auch von Überzeugungen aus, die wir mit vielen Menschen guten Willens teilen. Von diesen gemeinsamen Überzeugungen kann erwähnt werden der Respekt für die Unverletzlichkeit und Gleichwertigkeit der Menschen, unsere besondere Verantwortung für die Schwächsten in der Gesellschaft und die Rücksicht auf die Berufsintegrität der Ärzteschaft. Viele dieser Werte werden heute in Frage gestellt durch kurzsichtige wissenschaftliche und politische Interessen, sowie durch Ideen, welche die Person von der Gemeinschaft isolieren. Wie wir aufgezeigt haben, ist die Gefahr mit dieser individualistischen Einstellung, die unter anderem das Recht auf Sterbehilfe behauptet, dass andere Beteiligte vergessen werden. Die flehentliche Bitte um Sterbehilfe muss ernst genommen werden; jedoch nicht auf die Weise, dass der Patient getötet wird, sondern indem man ihm im Sterbeprozess beisteht, bis er sein Leben auf natürliche Weise abschließt und es in Gottes Hand gibt Der Tod ist ein natürliches Phänomen, das von allen akzeptiert werden muss, wenn die Zeit gekommen ist, und das zuletzt die Tür zu einem neuen Leben mit Gott ist. Aber so lange wir leben, ist es das Leben, diese wunderbare Gabe Gottes, zu dessen Dienst wir berufen sind, nicht zuletzt bei unseren schwerkranken Brüdern und Schwestern. Wir weisen zusammen mit Papst Johannes Paul II. eine „Kultur des Todes“ zurück. Wir hören seinen Ruf zu einer „allgemeinen Mobilisierung der Gewissen und einer gemeinsamen sittlichen Anstrengung, um eine große Strategie zu Gunsten des Lebens in die Tat umzusetzen“. Wir hoffen, dass dieses Schreiben auf seine Weise dazu beiträgt, die „Kultur des Lebens“ in den nordischen Ländern zu fördern. Aber vor allem hoffen wir, dass es den Respekt für den Menschen fördert, der als Abbild Gottes geschaffen, in Christus erlöst und zu einem ewigen Leben berufen ist. 18
18 Johannes Paul II.: Evangelium vitae, 1995, # 95.
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7. Empfehlungen und Vorschläge a) Wir fordern unsere gewählten Volksvertreter und -vertreterinnen, sowie unsere Regierungen dazu auf, die Palliativmedizin und -pflege in unseren nordischen Ländern weiter zu entwickeln. Schwerkranke und Sterbende brauchen mehr Hilfe und Unterstützung in der Endphase des Lebens. Unserer Ansicht nach ist Euthanasie eine unannehmbare Alternative, welche die Bedeutung der Palliativmedizin und -pflege untergräbt und den Wert des Menschen in Gefahr bringt. Kein Mensch sollte die Möglichkeit erhalten, unschuldigen Mitmenschen das Leben zu nehmen. Deshalb sollte Euthanasie nach wie vor verboten sein. b) Wir bitten alle katholischen Christen im Norden, besonders aufmerksam auf die Situation der Kranken in unseren Kirchen zu sein. Darum schlagen wir vor, dass jede Gemeinde, je nach Notwendigkeit und Möglichkeit, einen pastoralen Plan ausarbeitet, so dass Alte und Kranke regelmäßig Besuch bekommen und die Möglichkeit haben, die Kommunion zu empfangen, wenn sie nicht zur Kirche kommen können. Dieses Besuchsapostolat kann, wenn notwendig, von besonders ausgebildeten Kommunionausteilern mit bischöflichem Mandat ausgeführt werden. c) Wir fordern die katholischen Pfarrer auf, das Sakrament der Krankensalbung regelmäßig in ihren jeweiligen Gemeinden anzubieten. Dieses Sakrament kann vorschlagsweise gemeinsam, gerne auch im Rahmen einer Eucharistie, gefeiert werden, um die Gemeinschaft unter und mit den Kranken zu betonen. d) Wir ermuntern katholische Ärzte und Ärztinnen, sowie Krankenpflegepersonal und Seelsorger, sich in Palliativmedizin bzw. -pflege fortzubilden und für die besonderen medizinischen und geistlichen Bedürfnisse Sterbender aufmerksam zu sein. Wir begrüßen auch Privatinitiativen, um neue Hospize in christlicher Regie zu gründen. e) Wir fordern alle unsere christlichen Brüder und Schwestern dazu auf, den Respekt für das Leben aktiv zu fördern und aktiv an der allgemeinen Debatte und dem demokratischen Prozess teilzunehmen, so dass die Unverletzlichkeit des menschlichen Lebens in unserer Gesellschaft immer mehr respektiert wird. Am Welttag für die Kranken, 11. Februar 2002 Gerhard Schwenzer, Bischof von Oslo, Vorsitzender der Nordischen Bischofskonferenz Anders Arborelius, Bischof von Stockholm, Stellvertretender Vorsitzender der Nordischen Bischofskonferenz Czeslaw Kozon, Bischof von Kopenhagen Johannes B.M. Gijsen, Bischof von Reykjavik Józef Wróbel, Bischof von Helsinki Gerhard Goebel, Bischof-Prälat von Tromsö Georg Müller, Bischof-Prälat von Trondheim William Kenney, Weihbischof von Stockholm Hans Martensen, Alt-Bischof von Kopenhagen Hubertus Brandenburg, Alt-Bischof von Stockholm
Schweizer Bischofskonferenz Einführung Konfession
römisch-katholisch
Titel
Die Würde des sterbenden Menschen. Pastoralschreiben der Schweizer Bischöfe zur Frage der Sterbehilfe und der Sterbebegleitung
Verfasser
Schweizer Bischöfe
Herausgeber
Schweizer Bischofskonferenz
Veröffentlichungsjahr
2002
Adressatenraum
Schweiz
Veröffentlichung
URL: http://www.kath.ch/sbk-ces-cvs/rtf/Document_euthanasie_d.rtf
Es liegt in der Intention der Schweizer römisch-katholischen Bischofskonferenz, neben dem Anmahnen des Tötungsverbots ein allgemein menschliches und spezifisch christliches Verständnis vom menschlichen Leben und Sterben zu propagieren. Im Sinne einer allgemein-gesellschaftlichen Plausibilisierung demonstrieren die Bischöfe in ihrem Pastoralschreiben aus dem Jahr 2002 zunächst interdisziplinäre Wege im Umgang mit dem Sterben, wie die wissenschaftliche Aufarbeitung, die Verdrängung oder Selbstbestimmung am Lebensende. Gegenüber solchen menschlichen Bewältigungsstrategien, die aus der Perspektive der Bischöfe häufig misslingen oder unvollkommen bleiben, schärfe allein Religion den Sinn für das „Ganz-Andere“ und ermögliche dadurch das Sterben in grösserer Gelassenheit. Im Unterschied zu anderen römisch-katholischen Stellungnahmen rekurriert die Schweizer Bischofskonferenz, wenngleich in gewisser Unschärfe, auf die Unterscheidung von aktiver, passiver und indirekter Sterbehilfe. Die spezifische Schweizer Perspektive, die sich mit der Arbeit der von Organisationen wie Exit oder Dignitas auseinandersetzen muss, erklärt, dass das Pastoralschreiben die Beihilfe zum Suizid zur in der Schweiz aktuellsten und umstrittensten Form der Sterbehilfe erklärt und als solche dezidiert ablehnt. Dass die Bischöfe damit nicht falsch lagen, dokumentiert die vom Kanton Zürich im Juni 2009 mit Exit getroffene Vereinbarung über die organisierte Suizidhilfe, mit der die institutionalisierte Beihilfe zum Suizid aus der gesetzlichen Grauzone eine Form der Legalisierung erreicht hat. Über die Abgrenzung von aktiver Sterbehilfe hinaus legt die Schweizer Stellungnahme einen starken Akzent auf eine positive Beschreibung des Sterbens und des
Einführung
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Umgangs mit Sterbenden. Dazu rücken die Bischöfe in der Argumentation die naturrechtlich gegründete Rede von der Heiligkeit des Lebens und die besondere Würde des Sterbens ins Zentrum. Diese Würde speise sich aus dem Glauben an das stellvertretende Sterben Jesu Christi und das in der Taufe vorweggenommene Mitsterben, womit grundlegende neue Perspektiven auf das Lebensende und auf eine Zukunft nach dem Tod eröffnet seien. Als Schwierigkeit und gleichwohl schöpfungsgemässem Bestandteil des Lebens beschreibt das Pastoralschreiben die am Lebensende schwindende Fähigkeit zur Selbstbestimmung, die – für eine christliche Position überraschend – als „Grundlage aller Menschenwürde“ verstanden wird.
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Schweizer Bischofskonferenz
Die Würde des sterbenden Menschen Pastoralschreiben der Schweizer Bischöfe zur Frage der Sterbehilfe und der Sterbebegleitung Seit einiger Zeit ist in der Schweiz wie in unseren Nachbarländern die Diskussion über die sogenannte Sterbehilfe im Gange. Es geht um das Recht, das eigene oder ein fremdes Leben künstlich abzukürzen oder abkürzen zu lassen. Neue Gesetzesbestimmungen werden verlangt, welche die Tötung auf Verlangen unter gewissen Bedingungen als straffrei erklären. Auf der anderen Seite erhebt sich jedoch ein vielstimmiger Protest, wenn Fälle von Tötung schwerkranker Menschen bekannt werden. Diese Diskussion wird auch in unserem Parlament geführt, und über kurz oder lang wird sich das Schweizervolk wohl in einer Volksabstimmung über eine gesetzliche Regelung der Sterbehilfe äussern müssen. In dieser Diskussion geht es um mehr als nur um eine gesetzliche Regelung der Sterbehilfe. Es geht um Sinn und Würde des menschlichen Lebens und Sterbens und um die Bedeutung, die unser Umgang mit dem Sterben für unser gesellschaftliches Zusammenleben und für die menschliche Qualität unserer Gesellschaft hat. Welche Werte werden in der Debatte um die Sterbehilfe als höchste betont? Die Autonomie des Individuums und sein Wohlergehen oder der familiäre Zusammenhalt und die gesellschaftliche Solidarität mit den Schwächsten? Im Hintergrund der Debatte stehen die zutiefst religiösen Fragen nach dem Sinn des Leidens und eines körperlich oder geistig behinderten Lebens. In dieser Debatte wollen wir Bischöfe nicht nur an das biblische und christliche Verbot der Tötung unschuldigen Lebens erinnern und an die zahlreichen Äusserungen des Lehramts zu dieser Frage.1 In diesem Pastoralschreiben – das zweifellos nicht alle angerissen Fragen beantworten kann – möchten wir unser grundsätzliches menschliches und christliches Verständnis des menschlichen Lebens und Sterbens allen unseren Mitchristen zum Nachdenken vorlegen. Daraus ergeben sich nicht nur einige eindeutige Grenzziehungen bezüglich der sogenannten Sterbehilfe, 1
Hier die wichtigsten neueren Erklärungen: Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung zur Euthanasie, 5. Mai 1980. Deutsche Bischofskonferenz, Erklärung über die Begleitung schwerkranker und sterbender Menschen, 2. Februar 1991. Conseil permanent de la Conférence des Évêques de France, Respecter l'homme proche de sa mort, 23. September 1991. Johannes Paul II.: Enzyklika Veritatis Splendor, 6. August 1993, Nr. 80. Katechismus der katholischen Kirche, 1993, Nr. 2276–2283. Les Évêques de Belgique, L'accompagnement des malades à l'approche de la mort, Februar 1994. Johannes Paul II.: Enzyklika Evangelium Vitae, 25. März 1995, Nr. 64–67. Johannes Paul II.: Ansprache an die Teilnehmer an der XIII. Internationalen Konferenz des Päpstlichen Gesundheitsrates, 31. Oktober 1998, Nr. 8. Nordische Bischofskonferenz: Das Leben bewahren. Hirtenbrief der nordischen Bischöfe über die Pflege in der Endphase des Lebens, 11. Februar 2002. K. Koch: Selbstbestimmung über das Leben? Bischofswort zur österlichen Bußzeit 2002, 16./17. Februar 2002.
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sondern auch seelsorgerliche Hinweise zur leiblichen und geistlichen Begleitung sterbender Menschen. 1. Der Ernst des menschlichen Sterbens I.
Das Leben und das Sterben
Solange ihm das Leben nicht allzu grosse Lasten aufbürdet, will und sucht jeder Mensch das Leben und nicht das Sterben. Wir alle wissen zwar genau, dass der Tod das unausweichliche Ende, ja sozusagen die Frucht jedes Menschenlebens ist. Sobald ein Mensch geboren ist, wächst auch sein Sterben heran. Und doch wünscht der Mensch in aller Regel nicht zu sterben, sondern so lange wie möglich zu leben. In dieser Hinsicht haben die letzten hundertfünfzig Jahre ungeahnte Fortschritte gebracht. Die mittlere Lebensdauer der Menschen hat sich verdoppelt – allerdings mit beträchtlichen Unterschieden zwischen den verschiedenen Weltgegenden. In unserem Land sehen wir uns bereits mit dem Problem einer Überalterung der Bevölkerung konfrontiert. Die Dauer der verschiedenen Lebensabschnitte beginnt sich zu verschieben, und damit auch ihr Verhältnis zueinander. Die Jahre des Heranwachsens und der Ausbildung werden länger, die Jahre der Reife und der beruflichen Tätigkeit bleiben ungefähr gleich, die Jahre des Alterns dagegen und der Vorbereitung auf den biologischen Tod verlängern sich. Das Sterben kann nur vom Leben her begriffen werden. Jeder Mensch weiss mit absoluter Gewissheit, dass er einmal sterben wird, aber er bleibt bis zuletzt über Zeit und Art seines Sterbens im Ungewissen. So ragt sein Sterben als eine ständige bedrohliche Möglichkeit mitten in sein Leben hinein. Jeder Mensch lebt, ob er es will oder nicht, bewusst oder unbewusst, im Angesicht seines Todes, und die Frage nach dem Sinn des Sterbens wird unabweisbar. Dieses Wissen um den Tod unterscheidet das menschliche Sterben vom Verenden eines Tieres, und es macht einen wichtigen Teil der menschlichen Würde aus. Die „Kunst des Sterbens“ (ars moriendi) bildet deshalb auch im ausserchristlichen Raum seit ältesten Zeiten einen unverzichtbaren Bestandteil jeder Lebenskunst. Wenn ein Mensch seinen eigenen Tod dennoch aus den Augen verlieren sollte, dann mahnt ihn das Sterben liebgewordener Menschen immer wieder daran. Je älter ein Mensch wird, umso mehr Menschen kennt er nur noch als Verstorbene, und umso dringlicher mahnen ihn die abnehmenden Kräfte und zunehmende Beschwerden an sein eigenes Sterben. Dieser Schatten des Todes, der in ihr Leben hineinragt, macht es verständlich, dass alternde Menschen dem Sterbevorgang am liebsten aus dem Weg gehen möchten. Nicht wenige wünschen sich als Ideal den unversehenen, plötzlichen Tod, ohne Leiden, ohne Schmerzen und ohne Abhängigkeit.
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II.
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Die Religionen und der Sinn des Sterbens
Solange wir von der Menschheit wissen, haben sich die Menschen nach dem Sinn des Sterbens gefragt. Sie haben sich als „die Sterblichen“ von den Göttern, den „Unsterblichen“ unterschieden. Sie haben sich gefragt, was nach dem Tod kommt. Sie haben sich die Welt der Toten mit reichen mythischen Vorstellungen ausgemalt, ja sie oft als die “eigentliche“ Welt dem „unwirklichen“ gegenwärtigen Leben gegenübergestellt. Sie haben den Verstorbenen sogar überirdische geistige Kräfte zugeschrieben. Das Sterben, der Übergang in diese andere Welt, wurde mit reichen Ritualen ausgestattet. Der Totenkult gehört zu den ältesten Zeugnissen menschlicher Kultur und Religiosität. Er bezeugt, dass man dem Sterben einen Sinn abzugewinnen suchte. Wenn man die Toten in Fötalstellung begrub, dann wollte man damit anzeigen, dass das Sterben als Geburt zu einem neuen Leben zu verstehen ist. Wenn man den Toten unvergängliche Monumente errichtete – am eindrücklichsten die Pyramiden – und ihnen eine reiche Ausstattung mit ins Grab gab, dann bezeugte man damit Hoffnung und Besorgnis für das andere, das unvergängliche Leben. Wenn man schliesslich die Toten einfach der Erde übergab oder sie verbrannte und ihre Asche in den heiligen Fluss streute, dann wollte man sie wieder in das Allleben der Natur zurückkehren lassen, aus dem sie herkamen. III.
Die drei Dimensionen des menschlichen Sterbens
Das menschliche Sterben2 kann nicht einfach als eine biologische Notwendigkeit aufgefasst werden. Es weist mindestens drei Dimensionen auf: neben der schon genannten religiösen vor allem eine biographische und eine soziale. 1) Seiner biographischen Dimension nach ist das Sterben das Ende eines Lebens und somit einer Biographie. Es hat als Wissen um die eigene Sterblichkeit schon das ganze Leben geprägt. Wie ein Mensch sich zum Sterben einstellt, bestimmt untergründig den Sinn seines Lebens: Ob er in fortwährender, verdrängter Angst vor dem Tod lebt, ob sein Leben eine ständige Flucht vor dem Tod ist, um so viel wie möglich vom Leben zu erhaschen und festzuhalten, oder ob er gefasst, ja hoffnungsvoll seinem Sterben entgegensieht. Aus der Einsicht in diese lebensgestaltende Bedeutung des Sterbens haben manche Philosophen ihre Philosophie als „Vorschule des Sterbens“ bezeichnet und festgestellt, dass wir Tag für Tag ein wenig sterben. 2) Die soziale Dimension des Sterbens liegt uns vielleicht noch näher. Was Sterben heisst, erfahren wir zuerst am Tod von Menschen, die uns nahestanden, und 2
Wir unterscheiden im Deutschen das Sterben sprachlich vom Tod. Der Tod ist eine nur von außen her feststellbare Tatsache, die der Tote selbst nicht mehr wahrnehmen kann. Das Sterben dagegen ist ein auch vom Sterbenden selbst erlebbarer und erlebter Vorgang.
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deren Tod in unserem Leben eine spürbare Lücke hinterlässt. Sterben heisst Abschied nehmen aus der Gemeinschaft der Lebenden – ein Abschiednehmen, das sich, Stufe für Stufe, oft über Monate und Jahre hinziehen kann. Das geht den Menschen, die dem oder der Sterbenden nahestehen, nicht weniger nahe als dem oder der Sterbenden selbst. Sie spüren, dass sie mit dem sterbenden Menschen auf dem Weg dieses Abschiednehmens immer weniger mitgehen können, und dass er in eine unerreichbare Einsamkeit entschwindet. Jeder Mensch stirbt für seine Mitmenschen und doch ganz für sich allein. 3) Denn seiner religiösen Dimension nach führt das Sterben den Menschen in das Unbekannte, das „Andere“, in etwas, das nicht so ist wie das diesseitige Leben. Es ist ein Zeichen schwindender Religiosität in unserer Gesellschaft, wenn sich bei mehr und mehr Menschen der Gedanke festsetzt: „Mit dem Tod ist alles aus“. Doch auch so haftet dem Sterben immer noch etwas Geheimnisvolles an, das Ehrfurcht vor den Toten weckt – Respekt vor seiner Persönlichkeit, Angst vor dem eigenen Sterben, Fragen nach dem Nachher und nicht zuletzt Befremden vor dem entseelten Körper. Alle drei Dimensionen zusammen, die biographische, die soziale und die religiöse, unterstreichen den unvergleichlichen Ernst des menschlichen Sterbens. Das Sterben gehört zum Menschsein nicht weniger als das menschliche Leben. Wie wir von der Würde und der Unantastbarkeit eines jeden menschlichen Lebens sprechen, so müssen wir auch dem menschlichen Sterben die gleiche Würde zugestehen und ihm mit der gleichen Ehrfurcht begegnen. IV.
Versuche zur Bewältigung des Sterbens
In ausserordentlichen, belastenden Lebenssituationen kann in einem Menschen der Wunsch aufkeimen, zu sterben oder tot zu sein. Und doch wehrt er sich, wenn es wirklich zum Sterben kommt, instinktiv und mit all seinen Kräften gegen das Sterben. Seinem tiefsten, sozusagen biologischen Willen nach will kein Mensch, dass sein Leben zu einem Ende komme. Er wehrt sich dagegen, von seinen Lieben und von seinen Mitmenschen getrennt zu werden. Jeder Mensch empfindet Angst vor der Unergründlichkeit des Sterbens und vor dem, was nach dem Sterben kommt. Keiner weiss, was das Sterben eigentlich ist, wie es geschieht und wie man es erlebt – denn „erleben“ kann man das Sterben ja erst im Augenblick des eintretenden Todes. Begreiflicherweise hat die Menschheit deshalb seit jeher versucht, hinter das Geheimnis des Sterbens zu blicken und das Sterben so weit wie möglich in den Griff zu bekommen. 1) In der wissenschaftlichen Erforschung des Sterbens haben die letzten Jahrzehnte grosse Fortschritte gebracht. Wir kennen die verschiedenen Phasen des biologischen Sterbevorgangs und können sie beobachten und mitverfolgen. Um zu erfahren, was der Sterbende dabei seelisch erlebt, wurden Gespräche mit
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Sterbenden geführt und mit Menschen, die nach ihrem klinischen Tod wieder ins Leben zurückgerufen wurden. Auch da konnten verschiedene Phasen des Sterbevorgangs unterschieden werden. Was diese Gespräche zeigten, ist tröst3 lich. Nicht nur Angst und Not traten zutage, sondern auch Freude und Licht Das genauere Wissen um den Sterbevorgang ist jedoch noch keine Bewältigung des Sterbens – auch nicht für die Überlebenden. Schon in diesem Leben muss der Mensch lernen, mit dem Wissen um seinen eigenen Tod und mit der Angst vor dem Sterben zu leben. Dieser naturgegebenen Aufgabe entgeht keiner. Drei Grundtypen solcher Bewältigung des Sterbens haben sich im Lauf der Jahrhunderte herausgestellt. Sie sind auch heute noch aktuell. 2) Am aktuellsten ist die Verdrängung und Banalisierung des Sterbens. Verdrängt wird das Sterben, wenn man möglichst wenig davon spricht und es in Krankenhäuser und Kliniken verlegt, wo es möglichst „medizinisch“, reibungslos und unauffällig ablaufen soll. Verdrängt wird das Sterben auch, wenn man der Verstorbenen möglichst wenig gedenkt, sie auf ihrem letzten Gang nicht begleitet und den Kontakt mit den trauernden Angehörigen meidet. Manchmal deutet auch die Anonymität der Grabstätte (Gemeinschaftsgrab, Verstreuen der Asche) auf eine Verdrängung des Sterbens hin und auf ein Ausweichen vor der Frage nach dem Nachher – gerade wenn diese Begräbnisart von dem oder der Verstorbenen selbst gewünscht wurde. Banalisiert wird das Sterben vor allem durch die Medien. An einem einzigen Fernsehabend werden unzählige Tode gezeigt. Meist ist es ein gewaltsamer Tod durch Mord, Krieg, Terror oder Unglücksfall. Das Sterben geht da unwirklich schnell; die Tötung wird als schlichtes Faktum registriert. Nur in seltenen Fällen, bei grossen Katastrophen oder beim Tod einer hochgeschätzten Persönlichkeit, wird etwas vom Ernst des Sterbens sichtbar. Dann werden Emotionen aufgerührt, und man besinnt sich auf religiöse Totenrituale. 3) Ein zweiter, schwierigerer, aber für manche bestechender Versuch, das Sterben zu bewältigen, ist das selbstbestimmte Sterben, der Freitod. Hier will ein Mensch sein Sterben selbst in die Hand nehmen, den Zeitpunkt und die Art seines Sterbens selbst bestimmen, und so aus einem verhängten Schicksal einen Akt menschlicher Selbstbestimmung machen. Diese stoische Ideologie der Selbsttötung oder des Verlangens nach Fremdtötung wird heute von vielen Mitgliedern der sogenannten Sterbehilfe-Organisationen vertreten. Ihre Haltung ist zum Teil verständlich. Angesichts der wachsenden Möglichkeiten der Medizin möchte man lieber sich selbst ausgeliefert sein als den Ärzten. Man zieht ein rasches, möglichst schmerzloses Sterben einem langen, abhängigen und „würdelosen“ Dahinsiechen oder auch nur einem beschädigten Leben vor. Diese scheinbar naheliegende Lösung verkennt jedoch alle drei Dimensionen des 3
Vgl. die heute schon klassischen Studien der Schweizer Ärztin Elisabeth Kübler-Ross.
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menschlichen Sterbens. In erster Linie verkennt sie die biographische Dimension. Die Spannung, die das Unberechenbare des gewissen, aber nie genau festzulegenden Todes in jedes Leben hineinbringt, soll durch einen eigenmächtigen Akt ausgeschaltet werden. Ein Mensch mag so seine Autonomie bestätigen; er beraubt sich jedoch einer wesentlichen Dimension des Menschseins. Er „verkürzt“ sein Leben nicht nur im zeitlichen Sinn; „er nimmt sich das Leben“, wie wir treffend sagen. Noch eindeutiger verkennt die Selbsttötung die soziale Dimension des Sterbens. Wer sich als gesunder Mensch das Leben nimmt, scheint sich in erster Linie um das eigene Wohlergehen zu kümmern und wenig Rücksicht auf das zu nehmen, was sein Sterben für andere Menschen bedeutet. Ein kranker oder behinderter Mensch mag vielleicht aus falsch verstandener Nächstenliebe handeln, um anderen nicht länger zur Last zu fallen oder grosse Kosten zu verursachen. Er übersieht dabei den Wert, den auch sein beschädigtes Leben immer noch für andere Menschen hat. Dass auch die religiöse Dimension verkannt wird, ist offensichtlich. Wer sich selbst tötet, lebt nicht im gläubigen Vertrauen, dass ein Grösserer sein Leben und Sterben in der Hand hält. Er/sie wirft sich selbst zum Herrn über Leben und Tod auf und nimmt keine Rücksicht auf das, was nach dem Sterben kommt. 4) Die dritte und älteste Art einer Bewältigung des Sterbens ist dagegen gerade die religiöse. Jede Religion schärft in den Menschen den Sinn für das Ganz-Andere, das Geheimnisvolle. Von ihm erwarten sie ihr Heil. Mit dieser Grundhaltung kann der religiöse Mensch das Unberechenbare seines Sterbens mit grösserer Gelassenheit hinnehmen. Er erblickt darin sogar etwas Hoffnungsvolles, eine Vorausahnung des Ganz-Anderen. So bereitet er sich schon in diesem Leben auf das Sterben vor. Je nach der leitenden religiösen Vorstellung erhält diese Vorbereitung eine verschiedene Ausprägung. Wo das Jenseits als ein besseres, gottgeschenktes Leben vorgestellt wird, will sich der Mensch in diesem Leben dafür würdig machen und die Gottheit gnädig stimmen. Wo dagegen das Allleben, das grosse göttliche Ganze als höchste Wirklichkeit gilt, versucht der Mensch, sich mit Hilfe der Meditation und in Übung der Entsagung auf seine Auflösung in das Allleben vorzubereiten. In dieser Sicht ist es das Schlimmste, was einem Menschen zustossen kann, wenn er zur Strafe noch einmal in ein irdisches, individuelles Leben zurückkehren muss. Für die Buddhisten ist das Nirwana, die Befreiung aus dem Kreislauf der Reinkarnationen, das höchste Ziel ihrer Religion. Heute glauben auch bei uns viele Menschen an die Reinkarnation als eine quasi religiöse Bewältigung des Sterbens. Sie erhoffen sich eine Höherentwicklung und eine wachsende Vervollkommnung in einer Reihe aufeinanderfolgender Leben. Dabei verkennen sie, dass in christlicher Sicht die Würde des Menschenlebens gerade in seiner Einmaligkeit besteht. In diesem seinem einzigen Leben kann und soll der Mensch zur höchsten Vollendung kommen, indem er sein Leben in Gottes barmherzige Hand legt. Höchster Ausdruck für diese Über-
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gabe ist die Hinnahme des Sterbens. Deshalb stellt das Sterben in christlicher Sicht die Vollendung des menschlichen Lebens dar. 2. Die christliche Würde des Sterbens I.
Die Heiligkeit des Lebens in der Bibel
In der Welt der Bibel tritt der Gedanke an den Tod in den Hintergrund gegenüber der Ehrfurcht vor dem Leben. Gott selbst ist der Lebendige, der niemals stirbt. Jedes Leben ist ein Geschenk Gottes. So betet der 36. Psalm: „Bei dir ist die Quelle des Lebens, in deinem Licht schauen wir das Licht“ (Ps 36,10). Der Prolog des Johannesevangeliums nimmt dieses Wort auf und bezieht es auf Jesus Christus: „In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen“ (Jo 1,4). Jedes Leben muss deshalb heilig gehalten werden. Im Alten Bund (und heute noch im Judentum und im Islam) war das Töten der Tiere nur dann erlaubt, wenn dabei das Blut, der Sitz des Lebens, Gott zurückgegeben wurde. Es durfte von den Menschen nicht genossen werden. Noch heiliger ist das Leben der Menschen. Gott hat dem Menschen bei der Schöpfung seinen eigenen göttlichen Atem als Lebensatem eingeflösst (Gen 2,7, vgl. Weish 15,11). Im Sterben kehrt dieser göttliche Atem wieder zu Gott zurück (Hiob 34,14–15, Koh 12,7). Die Verstorbenen führen in der Unterwelt, im Scheol, ein lebloses Schattendasein. Gott hat jedoch „den Tod nicht gewollt und hat keine Freude am Untergang der Lebenden“ (Weish 1,13). Wie die Erzählung vom Sündenfall zeigen will, muss deshalb das menschliche Sterben als eine Folge der Abkehr von Gott verstanden werden (Gen 3,3.19, Weish 2,24). Als ein Ausdruck dieser Abkehr ist es auch anzusehen, wenn in der Bibel, trotz des gleich zu Anfang deutlich ausgesprochenen Tötungsverbots (Gen 9,6), mehr als in irgend einem anderen Werk der Weltliteratur von gewaltsamem Tod aller Art die Rede ist. Der Mensch aber soll sich dennoch seines Lebens freuen. Nur als Lebender kann er Gott, den Lebendigen, erkennen und loben. Ein langes Leben und ein Sterben „betagt und lebenssatt“, wie es den Patriarchen zuteil wurde (Gen 25,8, 35,29, vgl. 1 Chr 29,28, Ps 91,18), galt als ein Zeichen besonderer Gottesgunst. Im Sterben wurde man „mit seinen Vätern vereint“ (ebd.). Dem Abschied von den Nachfahren und der auf ewige Dauer angelegten Begräbnisstätte kamen deshalb grosse Bedeutung zu (Gen 23,11–18, 25,9–10, 49,29–32, 50,25). Erst spät, vielleicht unter griechischem Einfluss, setzte sich die Einsicht durch, dass „die Seelen der Gerechten in Gottes Hand“ sind (Weish 3,1, vgl. Hiob 12,10, Dan 5,23). So kann auch ein früher Tod zu einem seligen Leben im Jenseits führen (Weish 3,2–8, 4,7–16).
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Das Sterben Jesu Christi „für uns“
Eine Neubewertung des Sterbens findet sich im Neuen Testament. Das Unerhörte ist geschehen. Gott selbst hat in seinem Sohn das Sterben auf sich genommen. Jesus Christus, der Sohn des Vaters, ist das Leben, das Gott allen Menschen schenkt. Der hl. Johannes betont das immer wieder (Jo 1,4, 5,26, 11,25, 14,6, 1 Jo 1,1–2, 5,11–12). Und doch ist Jesus am Kreuz eines gewaltsamen Todes gestorben. Sein Sterben kann nur verstanden werden als ein Sterben „für uns“, d.h. zu unseren Gunsten und stellvertretend für uns. „Es gibt keine grössere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“, sagt Jesus von sich (Jo 15,13). Und wiederum: „Der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ (Mk 10,45). Der hl. Paulus hat dieses Sterben „für uns“ schon in seinem ersten Schreiben, dem 1. Thessalonicherbrief bedacht. Christus „ist für uns gestorben, damit wir vereint mit ihm leben, ob wir nun wachen oder schlafen“, d.h. ob wir noch leben oder schon gestorben sind (1 Th 5,10). Noch nachdrücklicher dann im 2. Korintherbrief: „Die Liebe Christi drängt uns, da wir erkannt haben: Einer ist für alle gestorben, also gilt sein Tod für alle. Er ist aber für alle gestorben, damit die Lebenden nicht mehr für sich leben, sondern für den, der für sie starb und auferweckt wurde“ (2 Kor 5,14–15). Und nochmals im Römerbrief: „Christus ist schon zu der Zeit, da wir noch schwach und gottlos waren, für uns gestorben. Dabei wird nur schwerlich jemand für einen Gerechten sterben; vielleicht wird er jedoch für einen guten Menschen sein Leben wagen. Gott aber hat seine Liebe zu uns darin erwiesen, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren“ (Rm 5,6–8). Der hl. Johannes fügt diesem Sterben „für uns“ einen weiteren Zug hinzu. Das Sterben Jesu ist sein Heimgang zum Vater (Jo 13,1, 14,27, 16,5.28, 17,13). Auf diesem Weg werden ihm seine Jünger folgen – zwar nicht sogleich, aber später (13,36, 14,2.20, 17,24, 21,18–19). Der hl. Lukas hat dieses Heimgehen zum Vater in das Sterbegebet Jesu am Kreuz aufgenommen: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist“ (Lk 23,46). III.
Das Sterben der Christen
Das Sterben Jesu Christi hat den Sinn unseres eigenen Sterbens grundlegend geändert. Nicht nur im Leben, sondern auch und gerade im Sterben sind wir mit Jesus Christus verbunden. „Keiner von uns lebt sich selber und keiner stirbt sich selber: leben wir, so leben wir dem Herrn und sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Ob wir leben oder sterben, wir gehören dem Herrn. Denn Christus ist gestorben und lebendig geworden, um Herr zu sein über Tote und Lebende“ (Rm 14,7–8). Seit Jesus Christus für alle gestorben und auferstanden ist, gibt es kein einsames Sterben mehr. Jedes Sterben ist ein Mitsterben mit Christus, um auch mit ihm zu leben. „Das Wort ist glaubwürdig: Wenn wir mit Christus gestorben sind, werden wir auch mit ihm leben“ (2 Tim 2,11).
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Das ist mehr als eine allgemeine und etwas unverbindliche Hoffnung auf eine Auferstehung der Toten. Es bedeutet, dass unser leibliches Sterben nicht mehr in den Tod führt, sondern in das Leben mit Jesus Christus im Angesicht des Vaters. „Denn wir wissen, dass der, welcher Jesus, den Herrn auferweckt hat, auch uns mit Jesus auferwecken und uns zusammen mit euch vor sein Angesicht stellen wird“ (2 Kor 4,14). Nach unserer christlichen Glaubensüberzeugung gilt das alles nicht nur für die Christen. Im Gefolge des II. Vatikanischen Konzils unterstreichen Papst Johannes Paul II. und die neuere Theologie, dass alle Menschen, gleich welcher Religion, in ihrem Leben wie in ihrem Sterben mit Jesus Christus vereint sind.4 Jesus ist das Licht und das Leben für alle Menschen – „für jeden Menschen, der in diese Welt kommt“ (Jo 1,9 Vulg.) – und so ist er auch “für alle“ gestorben und auferweckt worden. In diesem Sinn schreibt der hl. Paulus im 1. Korintherbrief: „Nun aber ist Christus von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen. Da nämlich durch einen Menschen der Tod gekommen ist, kommt durch einen Menschen auch die Auferstehung der Toten. Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht“ (1 Kor 15,20–22). IV.
Die christliche Hoffnung
Was also bleibt als Unterschied zwischen den Christen und den Menschen, die Christus nicht kennen? Es ist die Taufe. Für die Christen hat die Taufe das Mitsterben mit Christus schon in diesem Leben vorweggenommen. „Wisst ihr denn nicht, schreibt der hl. Paulus, dass wir alle, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, auf seinen Tod getauft worden sind? Wir wurden mit ihm begraben durch die Taufe auf den Tod, und wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, so sollen auch wir als neue Menschen leben. Wenn wir nämlich ihm gleich geworden sind in seinem Tod, dann werden wir mit ihm auch in seiner Auferstehung vereinigt sein“ (Rm 6,2–5). Die Taufe gibt dem ganzen christlichen Leben eine neue, hoffnungsvolle, über den Tod hinausweisende Dimension, die auch die christliche Liturgie prägt. 1) Zum einen ist für uns Christen das Sterben nicht mehr das bedrohliche Unberechenbare, weil wir uns jetzt schon als Gestorbene und Auferstandene betrachten dürfen. Das Sterben „enthüllt“ nur, was verborgenerweise schon Wirklichkeit ist. „Ihr seid mit Christus auferweckt, ruft der hl. Paulus den Kolossern zu, darum strebt nach dem, was im Himmel ist, wo Christus zur Rechten Gottes sitzt. Richtet euren Sinn auf das Himmlische und nicht auf das Irdische! Denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist mit Christus verborgen in Gott. Wenn 4
Seit seiner Antrittsenzyklika Redemptor Hominis zitiert Papst Johannes Paul II. immer wieder die Aussage des II. Vatikanischen Konzils, dass Jesus Christus „sich in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem einzelnen Menschen vereinigt“ habe (II. Vatikanisches Konzil, Gaudium et Spes, 1965, Nr. 22).
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Christus, unser Leben, offenbar wird, dann werdet auch ihr mit ihm offenbar werden in Herrlichkeit“ (Kol 3,1–4). Erst so kann sich die biographische Dimension des Sterbens voll entfalten. Dass wir jetzt schon mit Christus gestorben und auferstanden sind, soll unser ganzes Leben prägen – nicht die Angst vor dem Tod, sondern im Gegenteil eine tragende Hoffnung, dass „weder Tod noch Leben..., weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges.., noch irgend eine andere Kreatur uns scheiden können von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn“ (Rm 8,38–39). So leben wir in der echten Freiheit der Kinder Gottes, unter dem liebenden Blick des Vaters, der „weiss, was uns not tut“ (vgl. Mt 6,32). In dieser Hoffnung konnten die Heiligen, die Mönche und Nonnen und die Bettelorden ihre irdischen Sorgen aufgeben, als wären sie jetzt schon gestorben. Der gleiche Weg steht allen getauften Christen je auf ihre Weise offen. 2) Als zweites gibt uns die christliche Hoffnung Zuversicht für das Schicksal der Verstorbenen. Wir sollen über die Verstorbenen nicht „trauern, wie die anderen, die keine Hoffnung haben. Wenn Jesus – das ist unser Glaube – gestorben und auferstanden ist, dann wird Gott durch Jesus auch die Verstorbenen zusammen mit ihm zur Herrlichkeit führen“ (1 Th 4,13–14). Deshalb singt die Kirche in der Liturgie für die Verstorbenen: „Deinen Gläubigen, o Herr, wird das Leben gewandelt, nicht genommen. Und wenn die Herberge der irdischen Pilgerschaft zerfällt, ist uns im Himmel eine ewige Wohnung bereitet.“5 In dieser Zuversicht beten wir für die Verstorbenen, dass sie in der Freude bei Gott leben dürfen. Mit der gleichen Zuversicht dürfen wir auch unserem eigenen Sterben entgegen sehen und dem, was nach dem Tod kommt. Was uns erwartet, ist die volle, erlebte Gemeinschaft mit Gott und mit Jesus Christus und mit allen seinen Heiligen. Wir brauchen uns nicht in einem nochmaligen Leben um grössere Vervollkommnung zu bemühen; Gott selbst wird uns auf seine Weise zur Vollendung führen. Das ist der tröstliche Sinn der katholischen Lehre vom Reinigungsort („Fegefeuer“). „Kein Auge hat es geschaut, kein Ohr hat es gehört, keinem Menschen ist es in den Sinn gekommen: das Grosse, das Gott denen bereitet hat, die ihn lieben“ (vgl. 2 Kor 2,9). 3) Nicht zuletzt hat die christliche Hoffnung zur Ausgestaltung einer eigenen Sterbeliturgie geführt. In ihrer Vollform umfasst sie die Spendung der drei Sakramente der Versöhnung, der Krankensalbung und der Eucharistie. Die Eucharistie wird dabei als „Wegzehrung“ verstanden, d.h. als Begleitung auf dem Weg zum Vater. Sie ist somit das eigentliche „Sterbesakrament“. Zudem sollen die Sterbenden in ihren letzten Augenblicken mit Lesungen, vor allem aus der Passionsgeschichte, und mit entsprechenden Gebeten begleitet werden. In dieser Liturgie ist das Sterben kein einsames Sterben mehr. Es geschieht in Gemeinschaft mit dem sterbenden Christus und mit der ganzen Kirche. Sie soll am 5
Römisches Messbuch, Präfation von den Verstorbenen I.
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Sterbebett durch die Familienangehörigen vertreten sein. Nach dem Verscheiden wird der Leichnam aufgebahrt zwischen Kerzen und Weihwasser, die beide an die Taufe erinnern. Schliesslich begleitet ihn die christliche Gemeinde mit ihren Gebeten bis zum Grab. Es gehört zu den bedauerlichen Verlusten an christlicher „Sterbequalität“, dass die Sterbeliturgie in ihrer Vollform heute fast nur noch in Klostergemeinschaften gefeiert werden kann. Eine vordringliche Aufgabe christlicher Sterbebegleitung wird deshalb darin bestehen, in einfühlender Weise mit Elementen der christlichen Sterbeliturgie den Sterbenden und ihren Angehörigen nahe zu sein und ihnen Trost und Hilfe zu spenden. 3. Die Würde des sterbenden Menschen Die Sterbeliturgie unterstreicht den Ernst, die Würde und die Unantastbarkeit des menschlichen Sterbens. Der Heimgang eines Menschen zu Gott und seine Begegnung mit Jesus Christus sollten menschlicher Machbarkeit entzogen bleiben. Sie verlangen jedenfalls von Ärzten wie Pflegenden grösste Behutsamkeit. Das christliche Verständnis des Sterbens hat das allgemeine Tötungsverbot zu einer besonderen Ehrfurcht gegenüber jedem sterbenden Menschen vertieft. Diese Ehrfurcht hat bei Mutter Teresa in den Bemühungen um die Sterbenden in Kalkutta einen ergreifenden Ausdruck gefunden. Die gleiche Ehrfurcht gegenüber der Würde des sterbenden Menschen muss auch das Kriterium sein, das in der Sterbehilfe zwischen Gebotenem, Erlaubtem und Unerlaubten unterscheiden lässt. Die Würde des sterbenden Menschen ist nicht immer leicht zu erkennen. Die Grundlage aller Menschenwürde sehen wir in der Fähigkeit, über sich selbst zu verfügen. Das II. Vatikanische Konzil nennt diese Selbstbestimmung „ein erhabenes Kennzeichen des Bildes Gottes im Menschen“.6 Doch je näher ein Mensch dem Sterben kommt, umso mehr gerät er in Abhängigkeit und wird fremdbestimmt, bis schliesslich der Tod ganz ohne sein Zutun über ihn verfügt. Die Freitodbewegung versucht, dieser Abhängigkeit zu entkommen und Art und Zeit des Sterbens selbst zu bestimmen. Doch ist dieser Weg der richtige? Ist Fremdbestimmung und Abhängigkeit nicht auch ein zutiefst menschlicher Wert? Die gegenwärtige Diskussion über die Sterbehilfe ist im Tiefsten eine Auseinandersetzung um Selbstbestimmung und Fremdbestimmung des sterbenden Menschen. Was ist dazu zu sagen? I.
Selbstbestimmung und Abhängigkeit des Menschen
Die Abhängigkeit gehört nicht weniger zum Wesen und zur Würde des Menschen als die Selbstbestimmung. Sie ist für seine Würde sogar grundlegend. Der Mensch hat sich nicht selbst ins Leben gerufen. Er ist eine Frucht seiner Eltern und ein Geschöpf Gottes. Erst dank dieser Geschöpflichkeit, erst als ein Geschenk Gottes be6
II. Vatikanisches Konzil: Gaudium et Spes, 1965, Nr. 17.
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sitzt er sein Leben, seinen Verstand und seinen freien Willen, und damit auch die Fähigkeit zur Selbstbestimmung. Als ein Kind liebender Eltern wächst er heran. Diese haben ihm zuerst alle Verantwortung für sich abgenommen, um sie dann nach und nach in seine eigene Hand zu legen. Erst im Rahmen dieser grundlegenden Fremdbestimmung, nur als ursprünglich abhängiges Wesen lernt der Mensch, über sich selbst zu verfügen. Auch als erwachsener Mensch bleibt ihm normalerweise nur die Wahl, in was für eine Abhängigkeit er sich in seinem Berufs- und Familienleben hineinbegeben will. Die Vorgegebenheiten, mit denen er zu rechnen hat, engen seine Freiheit nicht ein; sie eröffnen ihm vielmehr neue Räume und neue Möglichkeiten. Manche Verantwortung wird ihm abgenommen; doch gerade so erhält sein Tun eine neue Tragweite und Fruchtbarkeit. Gegen Ende seines Lebens muss der Mensch sich dann mehr und mehr den Gesetzen seines Alters oder seiner Krankheit unterwerfen. Er muss sich in die Hand der Ärzte und des Pflegepersonals geben, und was er noch selbstbestimmt zu tun vermag, ist oft in einer Art kluger Politik seinen schwindenden Kräften und Möglichkeiten abgerungen. Die Würde des alternden, des kranken und des sterbenden Menschen besteht darin, dass er sich selbst in seiner Hinfälligkeit annehmen kann und zu seinen Grenzen Ja sagt. Ja, auch der Todkranke kann, solange er noch bei Bewusstsein ist, immer noch selbst bestimmen, in welcher geistigen Haltung er dem Sterben entgegengeht und wie er es hinnimmt. Aufgabe jeder Sterbehilfe muss es sein, den Übergang in die letzte und unaufhebbare Fremdbestimmtheit des Sterbens leichter zu machen. Dieser Übergang wird erleichtert durch eine religiöse Grundhaltung, wenn ein Mensch sich als ein Geschöpf Gottes anerkennt und es beruhigend findet, sich „in der Hand Gottes“ zu wissen. Auf der menschlichen Ebene wird der Übergang erleichtert durch das Vertrauen in Ärzte und Pflegepersonal. Der sterbende Mensch soll spüren, dass die um ihn Besorgten nicht eigenmächtig handeln, sondern auf ihn und auf seine Krankheit eingehen und antworten. Die um den sterbenden Menschen Besorgten sind ja letztlich genau so fremdbestimmt, wie dieser selbst. Sie sind fremdbestimmt durch die Art und den Verlauf der tödlichen Krankheit, durch die Möglichkeiten und Grenzen ärztlicher Kunst, durch das Alter des sterbenden Menschen, durch die Rücksichtnahme auf seine Angehörigen, durch den mutmasslichen Willen des Sterbenden und nicht zuletzt durch den Ernst des Sterbens. Erst in diesem vorgegebenen Rahmen gibt es für sie einen Entscheidungsspielraum, der ihre Verantwortung herausfordert. Ihre Entscheidungen können nicht willkürlich sein. Sie haben nicht nur auf das medizinische Wissen, sondern auch auf alle drei Dimensionen des menschlichen Sterbens zu achten, die biographische, die soziale und die religiöse. Nie sollte medizinische Technik einen Menschen am Sterben hindern, dessen Sterbeprozess bereits irreversibel eingesetzt hat, und der bereit ist, sein Sterben hinzunehmen. Nicht zuletzt beschenkt auch der sterbende Mensch die um ihn Besorgten durch die Art und Wie-
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se, wie er den Tod hinnimmt. Jedes Sterben erinnert die Umstehenden an ihren eigenen Tod und mahnt sie, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu unterscheiden. II.
Die Patientenverfügung
Eine rechtzeitig abgefasste Patientenverfügung ist sinnvoll und wünschenswert. Durch sie kann die Selbstbestimmung eines Menschen auch noch in den letzten Phasen seines Lebens zum Zuge kommen. Wie wir gesehen haben, ist das ganze Leben ein Zugehen und eine Vorbereitung auf das Sterben. Darum ist es sinnvoll, in einer ruhigen Stunde und im Gebet vor Gott darüber zu verfügen, in welchem Sinn die medizinischen Entscheidungen getroffen werden sollen, wenn man einmal nicht mehr imstande ist, sich selbst dazu zu äussern. Eine solche Verfügung muss, juristisch gesehen, unbedingt in die ärztliche Entscheidung mit einbezogen werden, mit dem gleichen Respekt, der einem Testament entgegengebracht wird.7 Eine Ausnahme drängt sich auf, wenn sicher feststeht, dass der oder die Verfügende seine/ihre Meinung geändert hat, oder wenn etwas ethisch Unerlaubtes, z.B. die gewaltsame Tötung, erbeten wird. 4. Die sogenannte Sterbehilfe: Grenzziehungen I.
Begriffliche Abgrenzungen
Über die Sterbehilfe wird seit Jahren ein breiter gesellschaftlicher Diskurs geführt. Dabei haben sich einige Definitionen oder Sprachregelungen eingebürgert, die wir hier kurz zusammenfassen. Unter Sterbehilfe (oder Euthanasie) versteht man die Lebensbeendigung (Tötung) oder das Sterbenlassen eines schwer leidenden oder sterbenden Menschen auf dessen Verlangen oder zu dessen Wohl. Die Sterbehilfe kann verschiedene Handlungen und/oder Unterlassungen am Lebensende umfassen. Dabei bleibt offen, ob die handelnde Person ein Arzt ist oder nicht, und die „Sterbehilfe“ im weitesten Sinn kann auch Menschen betreffen, deren Sterbeprozess noch nicht begonnen hat. Sie ist strafrechtlich jedenfalls von Mord oder Totschlag wie auch von der Selbsttötung zu unterscheiden.
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Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften, Medizinisch-ethische Richtlinien für die ärztliche Betreuung sterbender und zerebral schwerst geschädigter Patienten, 24.2.1995, 3.4: „Liegt dem Arzt eine Patientenverfügung vor, die der Patient in einem früheren Zeitpunkt als Urteilsfähiger abgefasst hat, so ist diese verbindlich; unbeachtlich sind jedoch Begehren, die dem Arzt ein rechtswidriges Verhalten zumuten oder den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen verlangen, obwohl der Zustand des Patienten nach allgemeiner Erfahrung die Wiederkehr der zwischenmenschlichen Kommunikation und das Wiedererstarken des Lebenswillens erwarten lässt.“
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Innerhalb dieser weiten Begriffsbestimmung werden in der gegenwärtigen politischen und strafrechtlichen Diskussion vier Handlungs- oder Unterlassungsweisen unterschieden, die ethisch verschieden zu beurteilen sind: 1) Unter passiver Sterbehilfe ist der Verzicht auf lebenserhaltende Massnahmen zu verstehen. Dabei handelt es sich in der Regel um ärztliche Entscheidungen zum Behandlungsabbruch oder -verzicht. 2) Mit indirekter aktiver Sterbehilfe werden Handlungen bezeichnet, welche die Linderung unerträglicher Leiden zum Ziel haben und dabei eine mögliche Lebensverkürzung bewusst in Kauf nehmen. 3) Die direkte aktive Sterbehilfe meint dagegen die gezielte und absichtliche Tötung eines Menschen, um dadurch dessen Leiden zu verkürzen. 4) In den Bereich der Sterbehilfe gehört auch die Beihilfe zum Suizid. Sie besteht in der Unterstützung eines suizidwilligen Menschen bei der Durchführung seiner Selbsttötung, sei es durch ärztliches Verschreiben und Besorgen tödlich wirkender Mittel, sei es durch Anleitung zu ihrer Handhabung. Wenn die Beihilfe zum Suizid einem sterbenden oder schwerst leidenden kranken Menschen geleistet wird, ist sie von der direkten aktiven Sterbehilfe kaum mehr zu unterscheiden. 5) Ethisch und rechtlich bedeutsam ist es auch, ob diese Handlungen oder Unterlassungen mit oder ohne Zustimmung des Patienten/der Patientin geschehen. So spricht man von freiwilliger Sterbehilfe, wenn die Tötung oder Lebensverkürzung auf sein/ihr Verlangen hin geschieht. Nicht-freiwillige Sterbehilfe bezeichnet Handlungen oder Unterlassungen am Lebensende, die ohne Rücksicht auf den Patientenwillen durchgeführt werden, beispielsweise bei noch nicht oder nicht mehr entscheidungsfähigen Menschen. Von unfreiwilliger Sterbehilfe ist dann die Rede, wenn gegen den Willen des/der Betroffenen gehandelt wird. II.
Die passive Sterbehilfe: Behandlungsabbruch oder -verzicht
1) Grundsätzlich ist jedes menschliche Leben als ein hohes, gottgeschenktes Gut
in jedem Fall zu schützen und zu bewahren. Die moderne Medizin kennt nun aber Mittel zur Lebensbewahrung, die den Tod als naturgegebenes Geschehen sozusagen überlisten. Im Falle eines irreversibel begonnenen Sterbeprozesses besteht jedoch keine Verpflichtung, diese medizinischen Behandlungsmöglichkeiten bis zum letzten auszuschöpfen. Der Arzt ist auch nicht verpflichtet, dem Wunsch eines Todkranken nach einer maximalen Intensivbehandlung bis zum letzten Atemzug nachzukommen. Nur die Grundpflege und die Schmerzbekämpfung müssen immer gewährleistet bleiben. Schon Papst Pius XII. sah sich veranlasst, in seinen ethischen Überlegungen über die Entscheidung zum Behandlungsabbruch oder -verzicht zwischen ordentlichen und ausser-
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ordentlichen medizinischen Mitteln zu unterscheiden, was später als verhält9 nismässige und unverhältnismässige Mittel präzisiert wurde. Erstere müssen in jedem Fall eingesetzt werden, auf letztere darf man gegebenenfalls verzichten. In diesem Sinn schreibt der Katechismus der katholischen Kirche: „Die Moral verlangt keine Therapie um jeden Preis. Ausserordentliche oder zum erhofften Ergebnis in keinem Verhältnis stehende aufwendige und gefährliche medizinische Verfahren einzustellen, kann berechtigt sein. Man will dadurch den Tod nicht herbeiführen, sondern nimmt nur hin, ihn nicht verhindern zu können. Die Entscheidungen sind vom Patienten selbst zu treffen, falls er dazu fähig und imstande ist, andernfalls von den gesetzlich Bevollmächtigten, wobei stets der vernünftige Wille und die berechtigten Interessen des Patienten zu achten sind.“ (Nr. 2278).
2) Damit bleibt ein weites Feld für konkrete Entscheidungen offen. Viele Menschen sehen sich früher oder später vor eine solche Entscheidung gestellt, sei es als Arzt, sei es für ihre Angehörigen, sei es für sich selber. Als Entscheidungshilfe wäre Folgendes zu bedenken: Das erste Entscheidungskriterium soll der vernünftige Wille des Patienten sein, wie er sich in der gegebenen Situation oder in einer früher abgefassten Patientenverfügung äussert. Vernünftig ist dieser Wille, wenn er sich so frei wie möglich entscheidet, ohne Druck von Seiten der Angehörigen oder des Pflegepersonals und nicht aus einer momentanen Verzweiflung heraus, und wenn dabei so gut wie möglich alle drei Dimensionen des menschlichen Sterbens berücksichtigt werden. Die Entscheidung eines religiösen Menschen kann folglich anders ausfallen als die eines nur mit seinem diesseitigen Leben Befassten. In diesem Entscheidungskriterium kommt die Selbstbestimmung des kranken und alten Menschen zum Zug. In vielen Fällen ist jedoch eine freie Willensbildung nicht mehr möglich, z.B. im Fall von Altersdemenz, im Koma oder in einem lange andauernden schweren Krankheitszustand. Dann ist es Sache des Arztes, in Zusammenarbeit mit den Angehörigen den mutmasslichen Willen des Patienten festzustellen und eine Güterabwägung vorzunehmen. Diese muss die medizinischen Aussichten, die Belastung für den Patienten, seine Einstellung zum Sterben und die Folgen einer Weiterführung der Behandlung oder eines Behandlungsverzichts in Betracht ziehen. Auch hier können die drei Dimensionen des Sterbens einen Orientierungsrahmen bieten. Sicher ist einerseits, dass eine medizinische Überbehandlung und medizinischer Übereifer („acharnement thérapeutique“) abzulehnen sind. Das gilt ebenso zum Wohl des Patienten wie aus Ehrfurcht vor dem Sterben. Wo keine Besse8
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Pius XII., Trois questions religieuses et morales concernant l'analgésie. Ansprache vor der Italienischen Gesellschaft für Analgesiologie, 24. Februar 1957. Und: Rechtliche und sittliche Fragen der Wiederbelebung. Ansprache an eine Gruppe von Ärzten, 24. November 1957. Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung zur Euthanasie, 5. Mai 1980, IV.
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rung mehr zu erwarten ist, soll man den Tod nicht durch künstliche Mittel ungebührlich hinauszögern. Dabei ist es unerlässlich, dass die Absicht der Entscheidenden und Handelnden eindeutig bleibt und auf die bestmögliche Lebensqualität der sterbenden Person hinzielt. Der Arzt muss frei von allen selbstbezogenen Überlegungen sein und darf nie den Tod eines Menschen direkt herbeiführen wollen. Hier gilt die allgemeine sittliche Regel, dass eine gute Absicht eine falsche Handlung noch nicht gut macht, dass aber eine schlechte Absicht auch eine richtige Handlung schlecht macht. Andererseits liegt die Grenze zwischen passiver Sterbehilfe und aktiver Tötung auf Messers Schneide, wenn das Weiterleben einer sterbenden Person nur noch von den Apparaturen abhängt, an die sie angeschlossen ist. Hier wird vor allem auch die soziale Dimension des Sterbens zu bedenken sein, z.B. die Rücksichtnahme auf die Angehörigen und/oder andere Kranke. Die gute Absicht jener, die die Entscheidung zum Behandlungsabbruch treffen, ist in diesem Fall besonders sorgfältig zu prüfen. Vor allem finanzielle Erwägungen sollten hier keine Rolle spielen. 3) Auch dann, wenn keine kurativen Massnahmen mehr ergriffen werden können oder sollen, sind dem oder der Sterbenden jedenfalls alle zur Verfügung stehenden palliativen Möglichkeiten zu gewähren.10 Von diesen Massnahmen wird im folgenden Kapitel noch die Rede sein. III.
Die indirekte aktive Sterbehilfe: Symptom- oder Schmerzbehandlung mit lebensverkürzender Folge
Bereits Papst Pius XII. hat betont, dass der Arzt seine Pflicht, die Schmerzen eines Sterbenden zu lindern, auch dann befolgen darf, wenn er dabei eine Verkürzung des Lebens des Betroffenen in Kauf nehmen muss. Oberste ethische Richtschnur ist die Wahrung der Menschenwürde im Sterben. Dies geschieht, wenn ein Arzt einen Sterbenden unter allen Umständen, auch bei voraussehbarer Todesfolge, palliativ bzw. schmerztherapeutisch behandelt, jedoch nie dessen Tod anstrebt. In diesem Sinn schreibt der Katechismus der katholischen Kirche: „Schmerzlindernde Mittel zu verwenden, um die Leiden des Sterbenden zu erleichtern selbst auf die Gefahr hin, sein Leben abzukürzen, kann sittlich der Menschenwürde entsprechen, falls der Tod weder als Ziel noch als Mittel gewollt, sondern bloss als unvermeidbar vorausgesehen und in Kauf genommen wird.“ (Nr. 2279)
Diese palliative Praxis stösst leider in der Schweiz immer noch auf Ängste und Widerstand. Oft fehlt auch noch das entsprechende Wissen. Die Palliativpflege bringt jedoch deutlich zum Ausdruck, dass die Wahrung der Würde im Sterben weder in einer bloss zeitlichen Verlängerung des Lebens durch Einsatz sinnloser Therapien 10 Vgl. Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 2279.
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noch im sinnlosen Ertragen von Schmerzen besteht. Sie zeigt, dass durchaus medizinische Handlungen oder Unterlassungen angebracht sein können, die zu einer Lebensverkürzung führen, sofern diese nicht auf die schmerzlose Tötung des Patienten/der Patientin abzielen. IV.
Die direkte aktive Sterbehilfe: Tötung (auf Verlangen)
Während wir die ersten beiden, schon genannten Formen der Sterbehilfe, in Übereinstimmung mit der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaf11 ten, als erlaubt betrachten, kann die dritte Form, die direkte und absichtliche Tötung niemals erlaubt sein. Sie hilft nicht, wie die beiden ersten, einem Menschen beim Sterben, sondern kommt dem Sterben zuvor. So verhindert sie, dass ein Mensch zur ihm bestimmten Zeit seinen eigenen Tod stirbt. Damit verletzt sie in schwerwiegender Weise nicht nur das Tötungsverbot, sondern auch die Würde des sterbenden Menschen. 1) Aus ethischer und christlicher Sicht ist somit die direkte aktive Sterbehilfe vorbehaltlos abzulehnen, auch wenn sie auf Verlangen des/der Sterbenden oder aus Mitleid geschieht. Ethisch ist sie abzulehnen, weil sie dem Verbot der Tötung unschuldigen Lebens und der grundlegenden Schutzpflicht gegenüber allem menschlichen Leben widerspricht. Damit verletzt sie eine grundlegende, alles menschliche Zusammenleben sichernde Norm. Die absichtliche Tötung ist niemals mit dem ärztlichen Beruf zu vereinbaren, wie schon der hippokratische Eid unterstreicht. Sie widerspricht der ärztlichen Grundpflicht, „nicht zu schaden“. Aufgabe des Arztes ist es, zu heilen und zu lindern, soweit dies möglich ist, und gegebenenfalls zu begleiten und zu trösten, nicht aber zu töten. Selbst dort, wo in Einzelfällen die Tötung auf Verlangen schwer leidender Patienten als „Mitleidspflicht“ betrachtet würde, kann diese nicht die Missachtung der strengen arztethischen Pflicht des Tötungsverbots legitimieren. Auf dem Tötungsverbot beruht das grundlegende Vertrauen des Patienten in den Arzt. Der Arzt selbst ist auch erleichtert, wenn er einem Patienten sagen kann, dass er keine Sterbehilfe leistet, weil er das nicht tun darf. Aus christlicher Sicht ist zur Tötung auf Verlangen überdies zu sagen, dass sie einen menschlichen Entschluss an die Stelle des Vertrauens auf Gott und des Mitsterbens mit Christus setzt. So beraubt sie das menschliche Sterben seiner grössten christlichen Würde. Der Katechismus der katholischen Kirche schreibt: „Die direkte Euthanasie (Sterbehilfe) besteht darin, dass man aus welchen Gründen und mit welchen Mitteln auch immer dem Leben behinderter, kranker 11 Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften, Medizinisch-ethische Richtlinien für die ärztliche Betreuung sterbender und zerebral schwerstgeschädigter Patienten, 1.2 und 1.3.
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oder sterbender Menschen ein Ende setzt. Sie ist sittlich unannehmbar. Eine Handlung oder eine Unterlassung, die von sich aus oder der Absicht nach den Tod herbeiführt, um dem Schmerz ein Ende zu machen, ist ein Mord, ein schweres Vergehen gegen die Menschenwürde und gegen die Achtung, die man dem lebendigen Gott, dem Schöpfer, schuldet. Das Fehlurteil, dem man gutgläubig zum Opfer fallen kann, ändert die Natur dieser mörderischen Tat nicht, die stets zu verbieten und auszuschliessen ist.“ (Nr. 2277)
2) Das angesprochene Fehlurteil, „dem man gutgläubig zum Opfer fallen kann“, ist ein doppeltes: Einerseits die Meinung, der Arzt oder das Pflegepersonal dürfe oder müsse gar einem ausdrücklichen Tötungswunsch des Patienten entsprechen, andererseits ein falsch verstandenes Mitleid, das Schmerzen und „Entwürdigung“ abkürzen möchte – vielleicht auch, weil wir uns selbst nicht fähig fühlen, solche Schmerzen mit anzusehen und sie mit-leidend mitzutragen. Auch da ist wiederum zu bedenken, dass eine (subjektiv) gute Absicht, mag sie auch noch so gut gemeint sein, eine objektiv schlechte Handlung nicht zu rechtfertigen vermag. Darüber hinaus ist zum Tötungswunsch eines/einer Schwerkranken zu bemerken, dass er selten einem freien Willensentscheid entspringt, sondern vom Druck der Schmerzen, vom Gefühl der Sinn- und Aussichtslosigkeit oder von der Rücksicht auf die Belastung der Angehörigen erzwungen ist. Wissenschaftliche Untersuchungen und die klinische Erfahrung zeigen, dass bei Patienten und Patientinnen der Tötungswunsch in den Hintergrund tritt, wenn ihre Schmerzen gelindert sind, ihre Angst vor der Ungewissheit Ausdruck finden kann und ihnen die Mitbestimmung bei der Behandlung zugestanden wird. Eine solche umfassende Hilfe leistet die palliative Betreuung. Bei einer guten palliativen Behandlung, Pflege und Begleitung kann sich der Tötungswunsch sehr wohl auflösen, auch wenn der/die Betroffene nach wie vor den Wunsch behält, „doch bald sterben zu können“. Das Mitleid mit dem/der Leidenden soll deshalb nicht die Tötung ins Auge fassen, sondern die, allerdings aufwendigere, palliative Pflege. 3) Zu den aufgeführten inneren Gründen für die Ablehnung der direkten aktiven Sterbehilfe (Tötung auf Verlangen) kommen äussere Gründe hinzu. Auf Grund der mangelnden Kontrollierbarkeit von Handlungen, die zwischen einem Arzt (oder auch einem Freund bzw. Verwandten) und einem Sterbenden ausgeführt werden, sind Missbräuche nicht auszuschliessen. Darüber hinaus ist eine Ausweitung der von der Tötung betroffenen Gruppe zu befürchten. Von der Tötung auf Verlangen ist der Schritt zur Tötung ohne Kenntnis des Patientenwillens (also zur nichtfreiwilligen aktiven Sterbehilfe) nicht mehr weit, und auch nicht zu einer Tötungspraxis bei unheilbar psychisch Leidenden oder bei schwerstbehinderten Neugeborenen. Dass diese möglichen Missbräuche und Ausweitungen nicht blosse Vermutungen oder Schreckgespenster sind, zeigen die Erfahrungen in den Niederlanden seit nahezu zehn
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Jahren. Bei uns in der Schweiz sind die Euthanasiefälle von Luzern noch in aller Erinnerung. Auch die gesamtgesellschaftliche Relevanz einer Freigabe der Tötung auf Verlangen ist zu bedenken. Eine gesellschaftlich angenommene und gegebenenfalls ausgeweitete ärztliche Tötungspraxis untergräbt mit der Zeit das grundlegende Vertrauen der Patienten in die behandelnden Ärzte und in das Pflegepersonal. Die Würde von behinderten oder unheilbar leidenden oder sterbenden Menschen und ihre grossen inneren Werte und Leistungen werden nicht mehr wahrgenommen. Das Sterben wird seines Ernstes entkleidet und zu einem machbaren Vorgang degradiert. Man leistet einem Menschenbild Vorschub, das in erster Linie Funktionalität, Effizienz, Nutzen oder die individuelle Genussfähigkeit betont, während die gegenseitige Angewiesenheit aufeinander, die Solidarität und die Verletzlichkeit und Begrenztheit des menschlichen Lebens weitgehend ausgeblendet bleiben. 4) Im Blick auf das Strafrecht können wir Bischöfe auf Grund dieser Überlegungen niemals einer irgendwie gearteten Legalisierung der Tötung auf Verlangen zustimmen. Das gilt auch für eine allfällige Straffreiheit des/der Tötenden, wenn Sterbende auf „deren ernsthaftes und eindringliches Verlangen“ getötet werden, „um sie von unerträglichen und nicht behebbaren Leiden zu erlösen“.12 V.
Die Beihilfe zum Suizid
Die Beihilfe zum Suizid ist in der Schweiz heute die aktuellste und zugleich umstrittenste Form der sogenannten Sterbehilfe. Eine veraltete Strafgesetzgebung erklärt in Art. 115 StGB die Beihilfe zum Selbstmord als straffrei, sofern keine „selbstsüchtigen Beweggründe“ im Spiel sind. Damit öffnet sich bereits heute eine Möglichkeit der Straffreiheit bei Tötung auf Verlangen. 1) Der Unterschied zwischen der Beihilfe zum Suizid, wie sie von den sogenannten Sterbehilfe-Organisationen praktiziert wird, und der Tötung auf Verlangen besteht in der Praxis vor allem darin, dass die entscheidende finale Handlung, die Einnahme eines todbringenden Mittels oder das Öffnen eines Infusionsschlauches, von dem/der Sterbewilligen selbst vorgenommen wird. Alle vorbereitenden Handlungen werden dagegen von einem Sterbehelfer vorgenommen oder organisiert. Es ist schwierig, in diesem kleinen Unterschied mehr als eine juristische Spitzfindigkeit zu sehen. Ein weiterer Unterschied ist wesentlich schwerwiegender. Während die Tötung auf Verlangen nur als ultima ratio in einer unerträglichen finalen Leidenssituation in Frage kommt, wird der Suizid mit Beihilfe als Handlungsvariante oft 12 So die Mehrheit der eidgenössischen Arbeitsgruppe Sterbehilfe in ihrem Bericht an das Eidg. Justizund Polizeidepartement: Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Sterbehilfe. Bericht der Arbeitsgruppe an das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement, 2000, 34–37, 47.
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lange vor einem finalen Sterbeprozess gewählt – beispielsweise als Reaktion auf eine schlechte Prognose oder Diagnose, namentlich im Zusammenhang mit schwer belastenden oder gesellschaftlich stigmatisierten Krankheiten wie Krebs oder Aids oder bei Erwartung einer langen Leidenszeit und zunehmenden Zerfalls. 2) Auch hier treten zu den inneren Gründen, die gleicherweise gegen die Tötung auf Verlangen wie gegen den selbstgewählten Freitod sprechen (vgl. oben IV.4.1 und II.4.3) gewichtige äussere Gründe hinzu. Vor allem sind die sozialethischen Konsequenzen zu bedenken, die eine verbreitete Suizidpraxis nach sich ziehen kann. Wir erinnern an den Nachahmungseffekt und an die möglichen Folgen der Publikation von Freitod-Anleitungen. Eine verbreitete Suizidpraxis trägt auch zur Banalisierung des Todes bei. Sie leistet einer irrigen Ideologie menschlicher Selbstbestimmung Vorschub (vgl. oben III.1) und zeugt von einer oberflächlichen Lebensauffassung, die auftretenden grösseren Schwierigkeiten durch Beendung des Lebens aus dem Weg gehen will. Schwer behinderte Menschen sehen sich vor die Frage gestellt, ob sie sich nicht lieber umbringen sollten, statt wie bisher grosse Mittel einsetzen zu lassen, um ihr Weiterleben einigermassen zu erleichtern. Die Erfahrung in den Niederlanden zeigt auch, dass es immer wieder zu Problemen bei der Durchführung der ärztlichen Suizidhilfe kommt. In etwa einem Fünftel der Fälle sterben die Patienten nicht und müssen durch eine todbringende Injektion getötet werden, damit es nicht zu unerwünschten und dramatischen Vorgängen kommt. Schwer belastend ist schliesslich auch die Praxis, für die Straffreiheit der Beihilfe zum Selbstmord das Zeugnis einer Drittperson zu verlangen. Diese soll bezeugen, dass der Tötungswunsch in geistiger Klarheit und in freier Selbstbestimmung geäussert wurde. Dieses Zeugnis, das in erster Linie dem Pflegepersonal oder auch Angehörigen abverlangt wird, kann in schwere Gewissensnöte führen. 3) Wegen ihrer Nähe zur Tötung auf Verlangen lehnen wir Bischöfe deshalb die Beihilfe zum Suizid kategorisch ab. Auch die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften schliesst in ihren ethischen Richtlinien die ärztliche Suizidbeihilfe aus dem ärztlichen Handlungsbereich aus. Im Schweizerischen Strafrecht besteht zurzeit bezüglich der Beihilfe zum Suizid eine bedauerliche und möglichst bald zu behebende Lücke. Die Suizidbeihilfe bei psychisch kranken Menschen und die gewerbsmässig betriebene Suizidbeihilfe werden überhaupt nicht in Betracht gezogen. Wir betrachten jedoch beide als gesellschaftlich untragbar. Wir halten nach wie vor dafür, dass
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hier ein dringender gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht, und dass der 13 Art. 115 StGB modifiziert und konkreter gefasst werden muss. 5. Die Begleitung sterbender Menschen Die gegenwärtige Diskussion über die Sterbehilfe weist auf einen gewissen Nachholbedarf auf dem Gebiet der Sorge für die Sterbenden hin. Statt das Sterben durch die Tötung schwerkranker Menschen zu verdrängen, müssen die Sterbenden menschlich und sachgemäss umsorgt und begleitet werden. Diese Sterbebegleitung muss sich an den vier Grundbedürfnissen Sterbender orientieren: im Sterben nicht allein gelassen zu werden, nicht unter starken Schmerzen leiden zu müssen, die letzten Dinge regeln zu können und die Frage nach dem „Danach“, nach einer über den Tod hinausgehenden Hoffnung stellen zu können. Dankbar anerkennen wir, dass in dieser Hinsicht schon manches getan wird. Vieles bleibt aber noch zu tun. Wir können das hier nur andeuten. I.
Die umfassende Sterbebegleitung: Palliative Betreuung
Seit einigen Jahren hat sich ein neuer Zweig des medizinischen Wissens etabliert, die Palliativmedizin („palliative care“14). Wo eine Krankheit nicht mehr zu heilen ist, sollen wenigstens ihre quälenden Auswirkungen auf den Patienten eingedämmt werden. 1) Im Vordergrund steht dabei die Schmerztherapie, bei der nach Möglichkeit das Bewusstsein des Patienten erhalten werden soll. Mit verminderten oder ausgeschalteten Schmerzen kann ein Mensch besser über sich selbst verfügen und dem Sterben gefasster entgegengehen. So weit wie möglich soll der Patient, die Patientin bei der Schmerztherapie mitreden und mitbestimmen können. Eine gute medizinische Kommunikation stärkt das Vertrauen in Ärzte und Pflegepersonal, wenn z.B. der Sinn und die Tragweite therapeutischer oder palliativer Massnahmen erläutert werden, und wenn andererseits keine mögliche Besserung vorgespiegelt wird, während der Patient oder die Patientin das herannahende Sterben schon erahnt. Wo keine ausdrückliche Mitbestimmung mehr möglich ist, muss auf eine vorgängige Patientenverfügung Rücksicht genommen werden. 2) Die palliative Betreuung besteht jedoch nicht nur aus medizinischen Massnahmen. Sie umfasst auch eine aufmerksame Körperpflege und eine psycho13 Die dahingehende Parlamentarische Initiative Dorle Vallender 2001 ist zwar am 11. Dez. 2001 vom Nationalrat abgelehnt worden; doch hat er kurz darauf eine Motion des Paraplegiker-Arztes Nationalrat Guido Zäch überwiesen, welche im Blick auf „Exit“ gesetzliche Regeln für die Sterbehilfe verlangt. 14 Vom englischen „to palliate“: einen Mantel umlegen, überdecken, Symptome beseitigen.
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soziale und spirituelle Begleitung, damit auf jede Weise die Würde des sterbenden Menschen gewahrt und gefördert wird. Auch die Angehörigen sind in diese Betreuung einzubeziehen – vor dem Tod und auch nachher. Infolge der Komplexität der palliativen Betreuung müssen dabei die Kompetenzen verschiedener Berufsgruppen in einem Betreuungsteam gut zusammenwirken. 3) Am sachgerechtesten erfolgt die palliative Betreuung unter Einbezug der Familie. Wo ein Sterben in der Familie nicht möglich ist, kann ein Hospiz als spezialisierte Klinik schwerkranke und sterbende Menschen in familiärer Atmosphäre in stationäre Behandlung und Pflege nehmen. Wegen hoher Betriebskosten und mangelnder Kostendeckung durch die Versicherungen sind Hospize in der Schweiz leider noch selten. Auch die emotionale Belastung, die die Verlegung in ein Hospiz für einen Patienten bedeuten kann, ist in Rechnung zu setzen. Mehr und mehr wird heute auch wieder der Wunsch nach dem Sterben zu Hause, in vertrauter Umgebung laut. Die Betreuung wird dann, in Fortführung der Krankenpflege zu Hause, von den Angehörigen mit Unterstützung durch Spitex geleistet. Hier wäre einerseits der Einsatz von mobilen PalliativpflegeTeams zu wünschen, andererseits die Gewährung einer Sterbebeurlaubung zur Pflege naher Angehöriger, wie sie mancherorts schon erwogen wird. In den Spitälern sollte eine gute Kenntnis der palliativen Betreuung auf allen Stationen selbstverständlich sein und eine spezialisierte Station von einem Palliative Care Team geführt oder zumindest unterstützt werden. Das gilt auch für die Kranken- und Pflegeheime. 4) Gemäss einer landesweiten Erhebung15 ist der Zugang zu palliativer Betreuung in der Schweiz derzeit noch lückenhaft. In der Versorgung bestehen erhebliche kantonale Unterschiede, und die gesundheitspolitische Verankerung fehlt. Deshalb ist: – in den Medizinischen Fakultäten wie in den Berufsschulen für Krankenpflege die palliative Betreuung als obligatorisches Fach einzuführen; – der Zugang zu palliativer Betreuung ohne finanzielle Zusatzleistungen für alle Menschen mit chronischen, unheilbaren Erkrankungen zu gewährleisten. Die palliative Betreuung zu Hause muss in den Leistungskatalog der Krankenversicherungen aufgenommen werden. – seitens der Kantone die Umwandlung bestehender stationärer und ambulanter Strukturen in Einheiten für palliative Betreuung zu ermöglichen und zu fördern.
15 Ligue suisse contre le cancer/Société suisse de médecine et de soins palliatifs: Etat des lieux des soins palliatifs en Suisse 1999/2000, Berne 2001.
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II.
Die menschliche Zuwendung
Ein Grundbedürfnis sterbender Menschen ist es, nicht allein gelassen zu werden. Über die pflegerische Betreuung hinaus und zusätzlich zu ihr muss den Sterbenden Gegenwart vermittelt werden. Kleine Helferdienste müssen ihnen geleistet werden und, wenn gewünscht, soll man ihnen Gelegenheit zu einem Gespräch oder Anregung zu einem Gebet geben. 1) Das Pflegepersonal hat normalerweise nicht genügend Zeit, sich in Ruhe diesen menschlichen Liebesdiensten zu widmen. Weil diese Dienste jedoch weder eine pflegerische noch eine seelsorgerliche Fachausbildung voraussetzen, können sie weitgehend durch freiwillige Sterbebegleiter und -begleiterinnen geleistet werden. Dankbar stellen wir fest, dass sich nicht wenige Frauen und Männer aus unseren Pfarreien für diese Dienste zur Verfügung stellen und sie oft jahrelang treu versehen. Tatsächlich ist dieser Sterbebeistand eines der wichtigsten Werke der Barmherzigkeit, das gläubige Menschen ihren Mitmenschen leisten können. 2) Ein so anspruchs- und verantwortungsvoller Dienst verlangt allerdings auch eine entsprechende Auswahl und Ausbildung, und eine Weiterbildung der Begleitenden. Es gehört zweifellos zu den Aufgaben der Kirche, Menschen für die Begleitung Sterbender auszubilden, und dabei immer wieder auf den christlichen Sinn des Sterbens und auf die spirituelle Dimension der Sterbebegleitung hinzuweisen. Die bestehenden Kurse, wie sie beispielsweise von der Caritas Schweiz angeboten werden,16 sollen deshalb weiter gefördert und vervielfacht werden. 3) Die Frage stellt sich, wie weit die Angehörigen des/der Sterbenden diese menschliche Begleitung übernehmen können und sollen. Grundsätzlich sind sie die ersten, denen diese Aufgabe zukommt. In vielen Fällen fehlt ihnen jedoch nicht nur die Ausbildung, sondern auch die Feinfühligkeit für diese heikle Aufgabe. Oft sind sie selbst durch das bevorstehende Sterben so aufgewühlt, dass sie ihrerseits Betreuung und Trost brauchen. Auch diese Betreuung gehört zu den Aufgaben der freiwilligen SterbebegleiterInnen, namentlich der tröstende Beistand unmittelbar nach dem Hinscheiden. Je nach Situation kann ein religiöser Gedanke oder ein gemeinsames Gebet Hoffnung und Kraft geben. 4) Lücken bestehen heute noch in der Vermittlung zwischen Sterbenden und freiwilligen Sterbebegleitern oder -begleiterinnen. Nicht wenige müssen deshalb ohne ausreichende menschliche Begleitung sterben. Hier liegt eine Aufgabe für die pfarrreilichen Sozialdienste. Namentlich die Heime sind für zusätzliche Hilfe oft dankbar.
16 Caritas Schweiz, Programm „Begleitung in der letzten Lebensphase“ (seit 1982).
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III.
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Die seelsorgerliche Begleitung Sterbender
Viele Menschen, die dem Sterben entgegengehen, stellen mit Nachdruck die Sinnfrage. Sie fragen sich nach dem Sinn ihres Leidens und nach dem, was nach dem Tod kommt. Sie möchten ihre Ängste äussern und dafür Verständnis finden. Oft quält sie etwas aus ihrer Vergangenheit, das sie aufarbeiten möchten. Soweit sie zu einem Dialog fähig sind, suchen sie Gesprächspartner für diese Fragen. 1) In erster Instanz können und müssen die freiwilligen Sterbegleiter dafür Rede und Antwort stehen. Wie Arzt und Pflegende haben auch sie eine seelsorgerische Aufgabe. Darüber hinaus sind viele Sterbende für den Beistand eines Seelsorgers oder einer Seelsorgerin dankbar. Deren Aufgabe ist es, die Sterbenden auf die Begegnung mit Gott vorzubereiten und das Mitsterben mit Christus ins Gespräch zu bringen, wenn dafür Empfänglichkeit besteht. Das geschieht nicht nur im Dialog, sondern vor allem im Gebet und in Segnungen, die auch Laienseelsorger und -seelsorgerinnen spenden können. 2) Auch hier dürfen wir dankbar anerkennen, dass die Seelsorge in den Spitälern im Allgemeinen gut geordnet ist. Vielleicht müssen wir in Zukunft der Sterbendenseelsorge in den Heimen und zu Hause noch mehr Beachtung schenken. Ein eigener Ausbildungsgang für Heimseelsorge könnte in Erwägung gezogen werden. Auch die Ausbildung und Weiterbildung der Spitalseelsorger und -seelsorgerinnen in Sterbebegleitung soll gefördert werden, ebenso eine seelsorgerliche Ausbildung für die freiwilligen Begleiterinnen und Begleiter. Wo es um das Sterben geht, muss die Kirche persönlich zugegen sein. Sie will die Pflegenden in ihrer schwierigen Aufgabe nicht allein lassen. 3) Was wir als katholische Kirche den sterbenden Menschen in besonderer Weise anzubieten haben, sind die Sterbesakramente und die Sterbeliturgie. Beide sind, nicht zuletzt durch die schwindenden Priesterzahlen, etwas in den Hintergrund getreten. Sie sollten in der Sterbendenseelsorge wieder vermehrt eingesetzt werden. Die Krankensalbung ist, wie schon ihr Name sagt, nicht ein Sterbesakrament, sondern eine Stärkung für Schwerkranke. Durch das Gebet der Kirche verbindet sie die Kranken mit dem leidenden Christus. Auch bei Sterbenskranken bewirkt sie normalerweise eine Erleichterung in der Krankheit. Weil mit diesem Sakrament auch die Sünden vergeben werden, kann die Krankensalbung nur von einem Priester gespendet werden.17 Diakone und Laien können stattdessen andere Segnungsrituale vornehmen (Kreuzzeichen, Weihwasser), jedoch keine Salbung, Segens- und Dankgebete sprechen und guten, nach Möglichkeit biblischen Zuspruch geben. 17 Vgl. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Die Deutschen Bischöfe Nr. 47, speziell: Das Sakrament der Krankensalbung, 1996, verfügbar unter: URL: http://www.kath.ch/sbk-cescvs/rtf/Document_euthanasie_d_Anhang.rtf [10.2009].
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Das Sakrament der Versöhnung, die Beichte, ist besonders für jene Menschen hilfreich, die vor dem Sterben etwas aus ihrer Vergangenheit aufzuarbeiten haben. Oft haben sie schon bei einem Laienseelsorger oder bei einer freiwilligen Sterbebegleiterin eine „Lebensbeichte“ abgelegt. Die alte Tradition der Laienbeichte lebt darin wieder auf. Doch erst der Priester kann mit der sakramentalen Lossprechung die Sicherheit vermitteln, dass Gott die Schuld wirklich vergeben hat. Das eigentliche Sterbesakrament ist die „Wegzehrung“, der Empfang der letzten Kommunion. Sie verbindet den sterbenden Menschen und seinen leidenden Leib mit dem Leib Jesu Christi, der für uns gestorben und auferstanden ist. So begleitet sie ihn auf dem Weg ins Jenseits. Die Sterbekommunion kann auch von Laien gespendet werden, und zwar zu jeder Tages- und Nachtzeit. Wo sie physisch noch möglich ist, sollte sie in der seelsorgerischen Begleitung Sterbender nicht vernachlässigt werden. Schliesslich sieht die Sterbeliturgie Gebete und Lesungen vor, die den Sterbenden begleiten sollen. Der/die Begleitende wird die Angemessenheit solcher Gebete abschätzen und sie den Umständen anpassen. Jedenfalls soll man die Sterbenden nicht mit Gebeten „eindecken“. Dagegen ist ein kurzes Gebet unmittelbar vor und nach dem Hinscheiden angebracht. Dieses Gebet kann auch für die Umstehenden ein Hoffnungszeichen sein. Sie sollten sich auch in geeigneter Form an der Verabschiedung beteiligen können. Die kirchlich-gemeinschaftliche Form der Verabschiedung, der Begräbnisgottesdienst und die Begleitung zur letzten Ruhe, gehört zu den sensibelsten Aufgaben der Seelsorge. Sie würde ein eigenes Pastoralschreiben erfordern. Hier sei nur das eine unterstrichen: Diese Riten sollten nicht in den rein privaten Bereich abgedrängt werden. Es handelt sich vielmehr um eine Feier der ganzen kirchlichen Gemeinschaft. Sie will die Solidarität der ganzen Pfarrei mit den Angehörigen zum Ausdruck bringen, ebenso die Feier des „Dreissigsten“ und des Jahresgedächtnisses. 6. Schlusswort Wir haben versucht darzulegen, was das Sterben für uns als Menschen und als Christen bedeutet. Dabei haben wir die Würde der sterbenden Menschen hervorgehoben und ihren Wert in den Augen von uns Christen. Jesus Christus hat sich in besonderer Weise den Kranken zugewandt und den Armen das Gottesreich versprochen. In seiner Nachfolge sehen wir uns zu besonderer Sorge für die Kranken und die Armen verpflichtet. In dieser Sorge setzen wir uns ein für die Würde der sterbenden Menschen. Kein Mensch ist ärmer als ein Sterbender. Er muss nicht nur all seine irdischen Güter aufgeben, sondern auch sein leibliches Leben. Und doch können gerade diese Armen viele reich machen. Wer sie bei ihrem Abschiednehmen begleitet und sieht, wie sie den Tod entgegennehmen, kann von den ster-
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benden Menschen vieles lernen, was sein/ihr eigenes Leben wahrhaftiger, gottbezogener und reicher macht. Wenn sich der Zivilisationsgrad einer Gesellschaft an ihrem Verhalten zum menschlichen Sterben ablesen lässt, dann ist es mit unserer modernen Welt nicht zum Besten bestellt. Es gibt keine grausamere Verletzung der Würde des sterbenden Menschen als seine voreilige Tötung. Darum haben wir uns gegen die direkte aktive Sterbehilfe gewandt und gegen die Beihilfe zum Suizid und stattdessen eine intensive Betreuung und Begleitung der Sterbenden gefordert. Damit wollen wir nicht nur die Würde der sterbenden Menschen schützen, sondern auch zu mehr menschlicher Qualität unserer Gesellschaft beitragen. Einsiedeln, 4. Juni 2002
Die Schweizer Bischöfe
Französische Bischofskonferenz Einführung Konfession
römisch-katholisch
Titel
Respecter l’homme proche de sa mort
Verfasser
Ständiger Rat der französischen Bischofskonferenz
Herausgeber
Französische Bischofkonferenz
Veröffentlichungsjahr
1991
Adressatenraum
Frankreich
Veröffentlichung
URL: http://www.eglise.catholique.fr/page.php? Id=1164
Der Ständige Rat der französischen Bischofskonferenz bringt sich 1991 mit der Erklärung „Respecter l’homme proche de sa mort“ (Den Menschen in der Nähe seines Todes respektieren) in die damals beginnende intensivere Sterbehilfedebatte ein. Im laizistischen Frankreich kann die katholische Kirche unter den Religionsgemeinschaften die meisten Mitglieder verzeichnen. Umfragen zufolge – die staatlichen Statistiken beinhalten keine Daten über die Religionszugehörigkeit – gehören ihr rund 50% der Bevölkerung an. Dem gesellschaftspolitischen Einfluss kirchlicher Stimmen in dem System einer strikten und weitgehenden Trennung von Staat und Kirche sind freilich enge Grenzen gesetzt, da Religionsgemeinschaften grundsätzlich auf den kultischen Bereich verwiesen werden. 2005 hat Frankreich als eines der wenigen europäischen Länder mit dem „Gesetz über die Rechte von Kranken am Lebensende“ über das grundsätzlich geltende Verbot aktiver Sterbhilfe hinaus das Sterbenlassen geregelt. Das von der Nationalversammlung 2004 verabschiedete und im Folgejahr in Kraft getretene Gesetz legalisiert offiziell die passive Sterbehilfe und verpflichtet Ärzte zur Palliativmedizin: Behandlungen dürfen nicht um jeden Preis fortgesetzt werden, v.a. wenn sie sich offensichtlich nicht positiv auf die Lebensverlängerung des Patienten auswirken. Ärzte müssen den Wunsch unheilbar Kranker zur Nicht-Einleitung, Begrenzung oder Einstellung der Behandlung respektieren und können gemeinsam mit Angehörigen diese Entscheidungen auch für dauerhaft bewusstlose Patienten treffen. Der Text des Rates der französischen Bischofskonferenz stützt sich auf die klassischen katholischen Aussagen über die notwendige Verhältnismäßigkeit der Mittel und die grundsätzliche Erlaubnis der Anwendung schmerzlindernder Mittel, wenn das erste Ziel nicht die Herbeiführung des Todes ist. Wie die Glaubenskongregation
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des Vatikans ziehen auch die französischen Bischöfe Medikation vor, die das Bewusstsein der Sterbenden nicht trüben, damit sie die sozial und religiös wichtige Phase bewusst erleben zu können. Besondere Berücksichtigung finden die Personen im Umfeld der Sterbenden: Lobend werden immer wieder diejenigen hervorgehoben, die als Familie oder als Mitarbeiter in Institutionen die Pflege der Hochbetagten und Sterbenden übernehmen. Während diese Pflegenden sich aus der Perspektive der katholischen Bischöfe aufgrund ihres echten „mitleidenden“ Mitleids verdient machen, werden all jene scharf kritisiert, die aus „falschem Mitleid“ heraus auch bereit seien, andere Menschen zu töten.
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Respecter l'homme proche de sa mort par Conseil Permanent de la Conférence des évêques de France De tout temps l'homme a été affronté au mystère de la mort. Jamais peut-être n'a-t-il été autant qu'aujourd'hui désorienté par cette réalité qui fait pourtant partie de sa condition. De multiples progrès ont permit de prévenir ou de guérir les maladies autrefois fatales. Simultanément des changements socioculturels et les impératifs d'une médecine technicisée ont fait que la mort n'est généralement plus «un événement social, hautement ritualisé, intégré dans la vie quotidienne des familles et des communautés humaines»(1). Cette perte de l'expérience de proximité avec la mort est une des causes «d'une banalisation de la vie quotidienne qui perd en sérieux et en profondeur» (2). Elle contribue à renforcer peurs et angoisse, à propos de la manière dont se déroulera, pour chacun, la fin de sa vie. Certains en viennent à penser qu'un abrègement de cette phase terminale de l'existence, une mort accélérée procurée de la main même de ceux qui ont pour fonctions de soigner, seraient parfois préférables et représenteraient même un geste d'humanité; une telle conviction tend à se répandre. Nous sommes conscients de la gravité, pour notre société, du débat ainsi engagé. Par son attitude envers la mort et les mourants, l'homme exprime le sens qu'il reconnaît à sa vie, il témoigne de son acceptation ou de son refus de reconnaître à tout être humain une grandeur et une dignité inaliénables, quels que soient les déficits corporels ou mentaux dont il est affligé. Nous sommes aussi conscients de la complexité de nombreuses situations et de la difficulté de certaines questions. Entre les ressources d'une médecine « infatigablement créatrice» (3), il est devenu nécessaire :de choisir celles qui correspondent au bien de la personne soignée. Il s'agit de trouver les voies d'une véritable sagesse. Nous invitons donc tous ceux qui ont une part de responsabilité en ce domaine à approfondir leur réflexion sur le juste emploi des moyens médicaux. Nous nous sentons tenus de notre côté de faire part des conclusions auxquelles nous a conduits une réflexion menée de longue date à l'intérieur de l'Eglise catholique. L'usage proportionné des moyens thérapeutiques Autant aujourd'hui on attend beaucoup des ressources de la médecine, notamment la guérison en cas de maladie, autant on craint d'être soumis contre sa volonté à un inutile «acharnement thérapeutique». Nous connaissons la difficulté des décisions en un tel domaine, mais nous jugeons important de rappeler la position de notre Eglise : Tout homme «a le droit et a le devoir, en cas de maladie grave, de (recevoir) les soins nécessaires pour conserver la vie et la santé» (4). Mais un tel devoir n'implique pas pour lui le recours à des moyens thérapeutiques inutiles, disproportionnés (5) ou imposant une charge qu'il jugerait extrême pour lui-même ou pour
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autrui (6). Il en va de même pour ceux qui doivent décider au nom d'un malade devenu incapable d'exprimer sa volonté. «On appréciera les moyens (médicaux) en mettant en rapport le genre de thérapeutique à utiliser, son degré de complexité ou de risque, son coût, les possibilités de son emploi, avec le résultat qu'on peut en attendre, compte tenu de l'état du malade et de ses ressources physiques et morale"' (7). Il est légitime de s'abstenir des traitements qui apporteraient peu de bénéfices au regard des désagréments, des contraintes, des effets nocifs ou des privations qu'ils entraîneraient. On pourra interrompre ces traitements lorsque les résultats en seront décevants. Un juste respect de la vie humaine n'exige pas davantage. Une véritable préoccupation du bien des grands malades parvenus au terme de leur vie conduit à donner une place importante, et souvent même la priorité à d'autres formes d'assistance. Le soulagement de la douleur L'homme d'aujourd'hui redoute d'autant plus une fin de vie indûment prolongée qu'il craint qu'elle soit rendue très pénible par des douleurs intenses et persistantes. Nous entendons dire que l'Eglise catholique soulèverait des objections vis-à-vis du soulagement de telles douleurs, Nous nous élevons contre cette affirmation et tenons à rappeler que notre Eglise invite depuis longtemps à l'emploi, daris cette situation, de traitements antalgiques appropriés. Si elles ne sont pas soulagées, ces douleurs peuvent en effet avoir des effets très néfastes. Le plus souvent, elles écrasent la personne qui les subit, l'enferment en elle-même, rompent sa communication avec autrui et détruisent en elle tout dynamisme psychique et spirituel, au point même, semble-til, de contribuer à précipiter la mort (8). Fréquemment, «elles aggravent l'état de faiblesse et d'épuisement physique, entravent l'élan de l'âme et minent les forces morales» (9). Le soulagement de ces douleurs procure une détente corporelle et psychique, aide le malade à retrouver le désir de vivre encore, permet le rétablissement d'une communication avec autrui et facilite, chez les croyants, la prière et la remise de soi entre les mains de Dieu(10). Cela conduisait le pape Pie XII, en 1957, à prendre très nettement position à propos de l'utilisation des traitements antalgiques connus de son temps. Malgré l'image très négative qu'on avait alors des «narcotiques", il recommandait leur usage, à défaut d'autres moyens efficaces, s'il y avait à cela une indication médicale sérieuse (11). Le même enseignement a été rappelé en 1980 (12). En 1984, le pape Jean-Paul Il, commentant la parabole du Bon Samaritain, invitait «à agir concrètement et à porter secours à l'homme blessé» (13). «Tout homme qui porte secours à des souffrances, de quelque nature qu'elles soient, ajoutait-il, est un Bon Samaritain. Secours efficace, si possible. Ce faisant, il y met tout son coeur mais il n'épargne pas non plus les moyens d'ordre matériel» (14). Ces appels répétés à la recherche de moyens efficaces pour combattre la douleur de la fin de vie n'ont, semble-t-il, pas été toujours entendus, même par des catholiques. Il est vrai que, pendant longtemps, l'emploi des médications agissant sur les douleurs
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intenses semblait se heurter à de graves objections d'ordre médical, Ont donc été des bienfaiteurs de l'humanité les médecins et chercheurs qui, depuis 25 ans, s'évertuent à trouver de nouveaux antalgiques et de nouveaux modes d'administration et qui sont parvenus non seulement à soulager mais même à prévenir la plupart des douleurs intenses de la fin de vie, en évitant les graves conséquences jusqu'alors redoutées. Nous apportons notre plus ferme soutien et nos encouragements les plus sincères à toux ceux qui développent actuellement les «Soins Palliatifs». Par ce terme, nous entendons les méthodes de soin et de traitement de la douleur et des autres sources d'inconfort mises au point d'abord dans des institutions britanniques et tout spécialement dans le bien connu Saint~Christopher's Hospice (15). Ces méthodes ont été adoptées dans de nombreux pays, américains et européens, sous l'impulsion de personnalités anglicanes, protestantes, catholiques, juives et de bien d'autres, appartenant ou non à une confession religieuse. Par leurs compétences et capacités, médicales et humaines, elles out rendu d'éminents services à ceux qui souffrent; nous ne pouvons nous dispenser de leur adresser des paroles de profonde reconnaissance (16). Nous nous réjouissons de ce que les Pouvoirs publics français aient encouragé le développement de telles méthodes de soin. Nous jugeons qu'un tel effort doit être poursuivi, non seulement pour apaiser des peurs présentes chez nos contemporains, mais aussi parce que tout homme qui souffre invite à une compassion active et efficace. Il reste beaucoup à faire dans notre pays, notamment en ce qui concerne la formation des membres des professions de santé, pour que tous les malades en fin de vie reçoivent des soins appropriés. Cela revêt même un caractère d'urgence : tout retard sera source de souffrances pour de nombreux malades. L'accompagnement des grands malades La souffrance de ceux qui s'approchent de leur mort ne se limite cependant pas aux douleurs physiques. Etre atteint d'une maladie grave, c'est devenir soumis à la rude épreuve de la défaillance du corps, de la perte des capacités physiques et même mentales, de la dépendance envers autrui. Mourir implique un douloureux travail de dessaisissement de soi, d'arrachement à ce qui composait l'existence concrète, de séparation d'avec ceux qu'on aime; c'est être affronté à la perspective de l'ultime passage. Cela peut devenir source de détresse; et même de désespoir, si aucun soutien n'est apporté à ceux qui traversent une telle crise. Chez les croyants, la foi en un Dieu d'amour et d'espérance de la résurrection ne préserve pas de ces souffrances. La Bible elle-même est pleine de la clameur et des supplications de ceux qui passent par une telle épreuve. Nombreux, surtout depuis quelques années, sont ceux, parents ou amis de malades, soignants, psychologues, volontaires appartenant à diverses associations, aumôniers et membres d'équipes d'aumônerie, qui ont essayé de se tenir proches de ceux qui souffrent ainsi, de les comprendre et d'adoucir leurs peines. Ils ont découvert l'importance d'une présence discrète et attentive, quel que soit le degré de lucidité du malade. Ils ont constaté qu'une atti-
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tude d'écoute et de compréhension permet bien souvent à ceux qui sont restés conscients et capables de s'exprimer, de dire leurs sentiments, peurs et désirs, de sortir ainsi de la solitude, de trouver un apaisement à leur angoisse. Certains parviennent à faire un bilan de leur existence passée, à en découvrir les lignes de force, à achever de lire le livre de leur vie. Cette forme de communication est désirée par bien des mourants et peut atteindre une grande densité. Ainsi soutenus, de grands malades font l'expérience, humaine et religieuse, de la réconciliation, qui leur permet de s'accepter eux-mêmes, avec leur vie concrète telle qu'elle a été, et qui leur ouvre de nouvelles possibilités pour les jours qu'il leur reste à vivre (17). Une telle présence auprès de ceux qui vont mourir est aujourd'hui dénommée «accompagnement» (18). Elle est inséparable de faction plus spécifiquement médicale évoquée plus haut (19). De nombreux hommes et femmes y consacrent une part notable de leur temps et de leurs ressources morales et spirituelles. Ce mouvement revêt une importance indéniable: il représente une forme inestimable de solidarité, il contribue aussi à réintroduire dans la société une certaine familiarité avec la mort. Croyants et incroyants s'y côtoient, essayant d'apporter le meilleur d'euxmêmes. Nous nous permettons, en témoins de l'Evangile, d'exprimer la portée symbolique que nous lisons dans cette présence solidaire et désintéressée ; Grâce à une telle assistance, des mourants peuvent pressentir obscurément, et même expérimenter, la mystérieuse présence à leurs côtés de Dieu lui-même (20), de ce Dieu que nous croyons accompagner l'homme et rester avec lui tous les jours dans la traversée de sa vie, de ce Dieu qui a voulu que l'être humain soit son image sur terre. Peut agir ainsi à la ressemblance de Dieu tout homme, toute femme, quelles que soient ses convictions personnelles. Nous tirons cette affirmation de la Révélation chrétienne (cf. Gn 1,26). Chaque malade a cependant droit aux secours spécifiques que seuls peuvent lui apporter des membres de son Eglise ou de sa confession religieuse. Il est essentiel que la liberté de tous soit respectée et que chacun reçoive le soutien spirituel et religieux auquel il aspire. Tout catholique doit bénéficier de la possibilité de recevoir les sacrements qui, dons de Dieu, lui procureront la force de traverser l'épreuve de sa souffrance ; ils renforceront sa foi dans le Fils de Dieu qui, l'unissant à sa passion et à sa mort, lui promet d'avoir part à sa résurrection. Les situations difficiles Tous ces efforts, déjà largement déployés en France et encore bien insuffisants, représentent une forme légitime et nécessaire d'humanisation de la mort. Ils ne suppriment pas toute souffrance, car ce n'est pas à la portée de l'homme. Sur ce point, il importe de renoncer aux illusions trompeuses. Mais bien des malades, ainsi soignés et accompagnés ont eu le temps de témoigner de l'aide reçue et de leur reconnaissance. Des familles ont porté le même témoignage. Déclaration du Conseil permanent {23 septembre 1991) 4 Demeurent cependant en fin de vie, et demeureront sans doute toujours, des situations de détresse, de douleurs ou d'autres symp-
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tômes mal soulagés, d'anxiété, d'agitation et d'angoisse. Il s'agit alors de faire preuve de beaucoup d'attention et de créativité, de manière à tenter d'adoucir cette épreuve. Une question est souvent posée, notamment par des soignants. Ils demandent s'il est légitime, dans de tels cas, et lorsque la mort est proche, de plonger le malade dans un sommeil artificiel Voici notre position. Depuis toujours, l'Eglise catholique a accordé une grande importance aux pensées et aux actes de l'être humain parvenu à proximité de sa mort. L'expérience acquise par ceux qui ont accompagné de grands malades, renforce cette conviction. Les derniers moments peuvent être l'occasion de sentiments, de paroles, ou d'autres formes de communication; de décisions, importants pour le mourant et son entourage. Beaucoup souhaitent la présence de proches, d'amis, de membres de leur communauté religieuse ; certains veulent garder la possibilité de prononcer une !dernière prière, de recevoir une dernière fois un sacrement. «Les en frustrer répugne au sentiment chrétien, et même simplement humain» (21). Il ne faut donc pas, sans raisons graves, priver le mourant de sa lucidité et de sa conscience. Comme le disait le pape Pie XII, «l'anesthésie (c'est-à-dire la suppression de la sensibilité générale et de la conscience), employée à l'approche de la mort, dans le seul but d'éviter au malade une fin consciente, serait non plus une acquisition remarquable de la thérapeutique moderne, mais une pratique vraiment regrettable» (22). Il arrive cependant que des malades proches de leur fin soient écrasés par des souffrances physiques ou morales que personne n'arrive à atténuer qu'ils manifestent un désir de dormir et qu'ils jugent n'avoir plus à accomplir de tâches qui requerraient leur lucidité ;dans ces cas, et eux seuls, si l'on veille à continuer les soins nécessaires et si le maniement des diverses médications manifeste que l'on a pour unique objectif d'arracher ces malades au mal qui les accable et non pas de hâter ou de provoquer leur mort, alors nous jugeons qu'il est acceptable d'induire et de maintenir plus ou moins longtemps un sommeil artificiel (23). De telles décisions sont d'ailleurs exceptionnelles là où les malades sont bien soignés et accompagnés. Leur fréquente répétition dans une institution sanitaire serait sans doute le signe d'un manque grave dans l'accueil et dans l'organisation des soins. La recherche médicale doit être poursuivie, de manière à permettre d'éviter à l'avenir des décisions ressenties comme profondément insatisfaisantes par bien des soignants et des familles. Un soutien adéquat doit aussi être apporté aux équipes soignantes, spécialement à celles qui ont à remplir leur tâche dans des conditions particulièrement difficiles. Le grand age Les débats actuellement les plus vifs, en France et en Europe, portent sur les décisions à prendre envers les personnes atteintes d'une maladie irrémédiablement mortelle à brève échéance. C'est pourquoi nous avons consacré à ce sujet de larges développements. Nous n'oublions cependant une autre source de graves préoccupations: le sort réservé aux personnes parvenues au grand âge.
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Celui-ci est marqué, chez un nombre important de personnes par la perte l'autonomie physique, et également par des détériorations mentales graves. Une telle dépendance, dans notre culture actuelle, est source de souffrances importantes. Encore trop de maisons spécialisées dans l'accueil et le soin de ces vieillards sont des lieux de marginalisation et de solitude Cela contribue à renforcer des déficits déjà très importants. Or, nous pensons que l'attitude d'une société envers ses membres les plus âgées est un signe de son degré de civilisation. Nous ne pouvons que rappeler un des grands commandements de la Bible: «Honore ton père et ta mère, afin que tes jours se prolongent sur la terre que te donne le eigneur, ton Dieu» (Ex 20,12). Si cet appel pressant avait été davantage entendu, l'homme moderne, dans les sociétés occidentales, craindrait moins le vieillissement. Tout progrès en ce domaine diminuera la crainte que chacun éprouve pour lui-même. La tâche est considérable. Nous tenons à rendre hommage aux familles, aux professionnels de la santé, aux administrateurs et aux membres de diverses associations qui ont eu à coeur d'améliorer les conditions de vie des personnes très âgées. Cet effort doit être poursuivi. Il s'agit d'inventer de nouvelles manières Déclaration du Conseil permanent {23 septembre 1991) 5 d'accueillir et de soigner ceux que l'âge met dans l'impossibilité de subvenir eux-mêmes à leurs besoins, et d'apporter un soutien adéquat aux familles qui hébergent et soignent elles-mêmes des proches parents âgés. La mort provoquée Nous avons tracé les grandes lignes de ce qui nous apparaît comme la voie du respect de la personne humaine parvenue au terme de sa vie, et des exigences qu'elle comporte. Nous constatons qu'une autre voie est aujourd'hui proposée, avec une insistance grandissante: donner la mort à ceux qui estiment trop souffrir de douleur physique ou de souffrance morale due à une détérioration corporelle ou mentale. Cette proposition est faite au moment Où, inversement, dans les sociétés occidentales, se renforce la conscience de la gravité de toute mise à mort. Cette dernière intuition, de plus en plus répandue, est pour nous une conviction, appuyée sur toute la tradition chrétienne: l'homme n'a pas à provoquer délibérément la mort de son semblable; cela dépasse son pouvoir (24). "Tu ne tueras pas» (Ex 20, 13) demeure une exigence morale inéluctable, et, pour le croyant, un Commandement de Dieu. L'acceptation, plus même, la légitimation de l'euthanasie (25), ne seraient pas un progrès, mais une grave régression pour notre société. Il n'y a guère à ajouter à cela. Nous ferons cependant quelques remarques. «Admettre qu'on puisse donner la mort directement, même si le patient le demandait, détruirait la confiance indispensable aux relations humaines, celles du malade avec sa famille, celles du malade et de sa famille avec l'équipe soignante» (26). Déléguer ce rôle au corps médical lui donnerait, dans la société, un pouvoir exorbitant pu droit commun. La «mort douce» octroyée à quelques-uns pourrait devenir source d'une angoisse irrésistible
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Französische Bischofskonferenz
pour beaucoup de malades. On tente parfois de légitimer l'euthanasie par la demande de celui qui souffre. Certes doit être écoutée la personne qui s'exprime ainsi. Il est capital de mieux percevoir sa souffrance, son désespoir, son sentiment d'avoir perdu toute valeur, pour mieux la soulager, pour lui témoigner l'attachement qu'on a pour elle, pour la rattacher ainsi au monde des vivants. Beaucoup le soulignent : la plupart des demandes d'euthanasie sont des interrogations sur l'estime portée par autrui, et des requêtes d'amour (27). Notre société répondra-t-elle par un geste de mort? La mort provoquée ne représenterait-elle pas cependant dans certains cas un acte de pitié ? Nous avons été témoins de l'épreuve et des interrogations angoissées de familles et de soignants, et nous savons qu'elles peuvent susciter l'idée et le désir d'abréger à tout prix la souffrance d'un mourant. De telles situations sont largement exploitées pour alimenter des campagnes d'opinions. La pitié est un sentiment humain très profond qui témoigne de l'attention et de la sensibilité à la souffrance d'autrui ; mais elle peut prendre différentes formes. La pitié, telle qu'elle est aujourd'hui comprise par certains, se laisse envahir par le mal d'autrui, au point de ne plus voir que lui. La vraie pitié, celle qui mérite le nom de compassion (28hest espoir de communion avec la personneéprouvée, au risque de la souffrance due à une telle proximité. Certains se laissent ébranler par les changements survenus chez autrui, qui portent atteinte à son image et le défigurent. L'homme compatissant cherche, quelles que soient les apparences, la grandeur de celui ou celle qui a été et qui reste un frère ou une soeur en humanité, un fils ou une fille de Dieu. Certains, mus par une forme de pitié, en viennent à dire que l'existence d'autrui n'est plus humaine, comparable à la nôtre. L'homme compatissant parvient à reconnaître l'humanité même sous des formes qu'il ne souhaite pas pour lui-même. La pitié, si elle désespère de la valeur d'autrui et de sa vie, se renie elle-même et peut devenir homicide. La pitié qui est vraiment compassion cherche humblement à aimer. Des professionnels de la santé, de proches parents même, en viennent parfois aujourd'hui à mettre un terme à la vie de telle personne qu'ils soignaient jusqu'alors. Pour la plupart ils disent avoir agi «en conscience». Ce n'est pas nous placer au-dessus d'eux que de faire les remarques suivantes. Se réclamer de sa propre conscience implique de reconnaître sa responsabilité, d'être prêt à répondre de ses intentions et de ses actes : devant soi-même, devant les hommes, selon les lois de son pays, en dernier ressort devant Dieu (29). D'autre part, spécialement dans des décisions aussi graves, chacun est tenu de s'interroger avec honnêteté et lucidité: Peut-il affirmer que sa conscience n'est pas émoussée ? A-t-il suffisamment réfléchi, pris conseil et essayé de se libérer de Déclaration du Conseil permanent {23 septembre 1991) 6 ce qui pourrait fausser son jugement ? L'homme est bien responsable devant sa conscience ; il est aussi responsable de sa conscience (30).Nous sommes fermement persuadés que la loi ne doit pas accepter, encore moins légitimer l'euthanasie. D'autres autorités morales portent le même jugement. Nous renvoyons à leurs déclarations (31).A ceux qui ont une responsabilité dans l'élaboration de la législation, nous ferons remarquer que s'ils désiraient faire place à quel-
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ques situations exceptionnelles vis-à-vis desquelles ils jugeraient que la loi doit faire silence, ils n'éviteraient pas des dérives allant beaucoup plus loin que ce qu'ils prévoyaient (32). Plus fondamentalement nous pensons que personne ne peut s'adjuger le droit de disposer de la vie d'un autre homme, ni octroyer ce droit sous peine de ruiner le fondement de l'ordre juridique (33). Le respect de l'homme proche de sa mort, même et surtout s'il désespère de lui-même et ne reconnaît plus de valeur à sa vie, passe par d'autres voies. Un chemin de fratenité Nous avons conscience qu'immense est la tâche à réaliser; cela représente pour notre société un véritable défi. Les membres des professions de santé sont en première ligne. Nous nous permettons de les inviter instamment à la poursuite et à l'approfondissement de leur réflexion éthique. Lourde est la charge qu'ils ont à porter. Cela doit être reconnu par ceux qui ont des responsabilités dans le domaine de la santé publique, avec toutes les conséquences qui en découlent, spécialement en ce qui concerne la formation, la détermination des effectifs et la nécessaire transformation des institutions sanitaires. Notre société a eu tendance à occulter la mort et à marginaliser les vieillards, les grands malades et les mourants. Mettre fin à cette exclusion exige que chacun, se situant dans la vérité de sa condition d'être humain, fasse une place dans sa vie à la perspective de sa propre mort. Les chrétiens ont une responsabilité particulière. Ils adhèrent, par la foi, au Christ qui a vaincu la mort et ouvert à l'humanité le passage vers une vie nouvelle, transfigurée (34). Qu'ils soient, dans le monde, des témoins de leur espérance. De tout temps les familles chrétiennes ont veillé à entourer de leur présence, fût-elle muette et désarmée, leurs proches parents au moment de leur départ. Cette tradition, plus que jamais, doit être maintenue, si nécessaire redécouverte. Nous adressons tous nos encouragements, et confirmons la mission qui leur a été confiée, aux membres d'équipes d'aumônerie catholique de malades, aux prêtres, aux religieuses. S'adonnant avec coeur à l'accompagnement des malades et de leurs familles, à la pastorale des derniers moments de la vie, ils portent un témoignage de foi et d'humanité qui est devenu aujourd'hui d'un très grand prix (35). La présence attentive auprès de celui qui s'en va est souvent, nous en sommes bien conscients, une expérience éprouvante. Ceux qui ont su dépasser leurs peurs et se rendre ainsi disponibles reconnaissent cependant qu'ils ont reçu plus qu'ils n'ont donné. De toute façon cette présence est une des formes les plus hautes de la fraternité humaine. A ceux qui ont su témoigner d'une véritable compassion envers ceux qui étaient en train de quitter tout ce qu'ils avaient et ceux qu'ils aimaient, nous pouvons, en témoins de l'Évangile, redire la parole même du Christ: «En vérité, je vous le déclare, chaque fois que vous l'avez fait à l'un de ces plus petits, qui sont mes frères, c'est à moi que vous l'avez fait» (Mt 25, 40). Bioéthique - 23 mai 1991
Niederländische Katholische Bischofskonferenz Einführung Konfession
römisch-katholisch
Titel
Care During Suffering and Dying
Verfasser
Niederländische Katholische Bischofskonferenz
Herausgeber
Sekretariat der Niederländischen Katholischen Bischofskonferenz
Veröffentlichungsjahr
2000
Adressatenraum
Niederlande
Veröffentlichung
in: Euthanasia and Human Dignity. A Collection of Contributions by the Dutch Catholic Bishops’ Conference to the Legislative Procedure 1983– 2001, Utrecht/Leuven 2002, 144–158.
Die Stellungnahme „Care During Suffering and Dying“ ist Teil einer intensiven und langjährigen Auseinandersetzung der niederländischen römisch-katholischen Bischöfe mit dem Prozess zur Legalisierung aktiver Sterbehilfe in den Niederlanden. Zwischen 1983 und 2001 hat die Bischofskonferenz 23 Texte unterschiedlicher Genres veröffentlicht, die 2001 als Sammlung in dem Buch „Euthanasia and Human Dignity“ erschienen sind. Eine Beobachtung zum Verhältnis von Gesellschaft und Kirche scheint besonders interessant: An diesen niederländischen römischkatholischen Stellungnahmen zeigt sich, wie eine gesellschaftlich geführte Diskussion und die konkrete Nähe des 2001 verabschiedeten Gesetzes den Ton der römisch-katholischen Stellungnahme verändern. Es scheint dem liberalen Diskursniveau in den Niederlanden geschuldet, dass sich die römisch-katholischen Bischöfe auffallend seltener auf die klassischen römisch-katholischen Argumente zurückziehen und sich stattdessen deutlich intensiver auf die gesellschaftlichen Anfragen einlassen. An die Stelle der sonst so häufig gesehenen strikten naturrechtlichen Argumentation tritt eine konfliktsensiblere Perspektive. Was weißt darauf hin? Im Unterschied zu anderen römisch-katholischen Positionen enthalten sich die Bischöfe in „Care During Suffering and Dying“ zum einen stärker des Versuchs, dem Leiden von außen her Sinn zuzuschreiben. Zum anderen sind sie zurückhaltender, wenn es um die Forderung geht, die Phase des Sterbens konstruktiv und aktiv zu bewältigen. Die Stellungnahme unterstreicht den besonderen Wert und die Vorteile der Palliativmedizin als Alternative zur aktiven Sterbehilfe. Palliativmedizin hebe sich von einseitigen Semantiken medizinischer Machbarkeit ab und integriere ein umfassen-
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deres Bild von Krankheit und Hilfsangeboten. Wiederum mehr als andere römischkatholische Stellungnahmen verstehen sich die niederländischen Bischöfe als eine Stimme neben anderen im gesellschaftlichen Konzert, die angesichts der Forderungen nach Sterbehilfe nicht beanspruchen kann, unhinterfragbar zu sein.
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Care During Suffering and Dying Introduction Attention for human dignity in suffering and dying is preoccupying more people more frequently, inside and outside the Church community. Last year, in this context, the staffs of the dioceses received helpful guidelines on the organisation of hospices and where people, task groups or Church bodies could be involved. As a consequence of these guidelines, the dioceses received repeated requests for a clarification of what palliative care is and of the possible contribution the Roman Catholic Church could make to its further development. The task force Church and Health, advisory board to the Catholic Council for Church and Society (KRKS) and to the Federation of Catholic Health Care Institutions (KVZ), published a recommendation on this. The task force goes extensively into the question of which religious and moral insights the Roman Catholic Church can and should put forward so that the Church can share in directing the development of a skilled, humane and socially responsible care. The bishops considered this report valuable and decided to publish it as insert in the periodical 121∗. Also included is an interview with Dr. Baar of the Antonius IJsselmonde nursing home in Rotterdam, which was the first care institution to set up a ward for terminal patients. In presenting this publication, the bishops wish to arouse the interest of many within the Church community for the care provided during suffering and dying. (KRKS distributed a more comprehensive version of the report in its own brochure). The report contains a number of recommendations that are worthy of consideration. Some contain an appeal. The bishops want to take this appeal to heart in their work and hope that it will be “taken up” by many in the Church community as support for the efforts made on behalf of the sick and the saying and on behalf of those who love them. It is this effort that gives shape to the view on the fundamental human values that are at risk when people suffer and die and gives concrete substance to the approach that the Church champions, also on principle, in the question of euthanasia and the legislation concerning it. On this basis, finally, I underline emphatically the concern that the report voices regarding the increasing improverishment in the provision of care, both intramural and extramural.
∗
121 is the official organ of the Dutch Bishops’ Conference and appears twoweekly
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Care during suffering and dying A contribution by the Roman Catholic Church to the further growth and development of palliative care in The Netherlands Essential Points: a) Palliative care must not be narrowed to the context of the dying. If this has happened in current Dutch usage, it is important to keep in mind the three main characteristics of the rise and substance of palliative care. Palliative care is a counterweight against and criticism of medicine’s one-sided focus on cure (healing) and the prolongation of life. It is a question of total care. This means: it aims at all aspects of human suffering and sets as its goal the highest possible quality of life for the patient and his/her family. And in the third place, palliative care considers human mortality a natural given. b) The government’s present attention for palliative care deserves emphatic endorsement. The Roman Catholic Church gladly offers the service of its religious and moral insights on palliative care to the further development of this care. c) For a balanced social development in a moral sense, it is useful to take as starting point the view defended by the United Nations World Health Organisation (WHO) that palliative care seeks neither to hasten nor to hinder death. d) Palliative care, seen as total care, deserves the support of the Church community because this care offers very valuable possibilities for giving pastoral help to the dying. e) Religious insights on suffering and death contain an integral view of sickness and pain and exclude a one-dimensional emphasis on treating somatic symptoms. f) Fundamental ethics and social ethics both supply strong reasons for recommending an emphasis on the social importance of good palliative care and at the same time for continuing to oppose considering euthanasia a socially acceptable practice. g) The concern that lives within the Church community about the increasing impoverishment in care, both intramural and extramural, should be made known.
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1. Palliative care and related concepts Palliation, like cure (healing), has long been a part of medicine. In the curative phase of a treatment, there are also symptoms of pain and distress, which can be counteracted with specific palliative treatment. In addition, medicine has always considered it its task to treat the symptoms and relieve the pain of an ailment that could not be cured (sufficiently). However, the present attention for palliation voices a criticism of a development in medicine in which the effort to cure and to prolong life has come to push aside the palliative goal. The insight that palliation includes more than only treating symptoms and pain is also gaining ground. The term palliative care has arisen from this insight. Its central goal is not the prolongation of life but the quality of life. This is not only a change on the level of actions performed, but above all a change of outlook in the principles and goals of care. Palliative care works, in principle, for a different attitude toward life and death. It is permeated by the thought that human mortality is a natural given. The reality of death induces acceptance and leads to a kind of care that helps people by orienting all efforts toward the quality of the life that remains. This care reaches further than merely treating physical symptoms. The United Nations World Health Organisation (WHO) defines palliative care as follows: “Palliative care is the active total care of patients whose disease is not responsive to curative treatment. Control of pain, of other symptoms, and of psychological, social and spiritual problems is paramount. The goal of palliative care is achievement of the best possible quality of life for patients and their family.” Hospice care is one form of palliative care limited to the dying. Hospice care thus represents a particular concept and a particular way of organising this care. As for the care concept, the hospice intends to satisfy the growing desire in our increasingly individualised culture to die in a trustworthy environment. The organisation is taking shape in many types of facilities. Among them: a separate building or home where people can spend the last phase of their lives; a separate ward within an existing facility; or – when the terminally sick so wish – dying at home supported by specialists and volunteers. In various parts of the country this kind of care is organised on Christian principles, expressly excluding euthanasia. In the rest of this report we will limit ourselves to palliative care to the dying and to hospice care seen as one type of palliative care. We will not discuss the hospices themselves or what the best way would be to organise them. The latter choice is determined in part by many local, economic and policy factors. 1
In sum, the main characteristics of palliative care in this sense are:
1
World Health Organisation: Report of a WHO expert committee, technical report serien No 804, Genève 1990.
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a) through its integral approach to the person with an incurable sickness, it is a necessary addition to a one-sided emphasis by medicine on cure and the prolongation of life; b) it is a form of total care, this means that it aims at all aspects of human suffering and sets as its goal the highest possible quality of life for the patient and his/her family; c) it considers human mortality a natural given. 2. Comparison of development in the Netherlands with those in other countries The attention palliative care receives in The Netherlands differs from the attention it receives in other countries on three points. In the first place, The Netherlands share with other countries the critical attitude toward a system of medicine that does not know when to stop. But whereas in other countries this criticism often seemed to lead efforts in the area of palliative care, in The Netherlands it lay at the basis of the euthanasia debate. Second important fact is that palliative care and hospices have only very recently become a subject of government policy. We wonder whether and to what extent this government attention for palliative care can be explained as compensation for the criticism from other countries that the Dutch application of euthanasia is the result of the lack of a policy on palliative care. However this may be, in the opinion of the Roman Catholic Church is a very welcome, and often pleaded for, change of emphasis in government policy. Whenever they have spoken about euthanasia the Dutch bishops have always emphasised attentive care for people who are suffering and dying. It is therefore to be recommended that they give express witness to their endorsement of the course taken by the government and that the Church be willing to use its religious and moral insights on palliative care to serve the development of this palliative care. In the third place, it is striking that euthanasia is seen in The Netherlands as one of the possible methods of palliative care, or at least it is not excluded “expressis verbis”, expressly in so many words. According, for example, to the Minister of Health, Welfare and Sports (VWS), euthanasia is one possible dignified end to good palliative care in the final, terminal phase. The WHO, by contrast, says emphatically: “Palliative care … neither hastens nor postpones death”. It is to it’s credit that the Roman Catholic Church’s moral position corresponds to the view that the WHO defends. It can do this with arguments from principally taken from its own tradition in which, on one side, life is seen as an intrinsic but not as an absolute good, and on 2
3
4
2 3 4
Vgl. J. van den Berg: Medische machten en medische ethiek, Nijkerk, 1969. Vgl. M. Janssens, B. Gordijn: Palliativmedizin in die Niederlanden (Deutsche Medizinische Wochenschrift 123), 1998, 432–435. Letter from the Minister of Health: Welfare and Sports, Rijswijk, 18.April 1996.
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the other side, individual treatises have been developed regarding “not postponing death” and “not hastening death”. But there are also strategic arguments for this position. The general expectation is that the number of request for euthanasia in The Netherlands will increase. Against this background it is important to recognise – and practice confirms this – that a good palliative care can greatly reduce the number of effectively performed cases of euthanasia. The question that arises is: should euthanasia be a part of palliative care or does the one exclude the other. This question is a matter of social ethics: it touches on the purpose that our society gives to palliative care as a structural element of institutionalised assistance to the dying, and the best strategy to reach the desired goal. It is our conviction that in this institutional sense euthanasia should be excluded from palliative care, because it contradicts the very nature of palliative care and because it would have negative consequences on the further growth and development of this kind of care. If the moment of death is no longer an object of death-hastening or death-postponing care, then all energy and creativity can be focussed on the dying and leavetaking. The reverse occurs when actively hastening death is still present as an option. Here the attention, effort and creativity for the quality of life in the process of dying can be distracted by the focus on precision in causing death. This is more likely to harm than to stimulate the development of palliative care in The Netherlands. 3. Pain, suffering and death in a religious perspective A religious view of suffering and pain does not look so much at their physical causes, but at the meaning that we give them in human life. Just because this dimension is expressly present under the notion “total care” in the understanding o palliative care as the WHO and others advocate it, it offers the Church a valuable opportunity to provide pastoral care to the dying. Fundamental to Catholic faith and pastoral work is the paradoxical insight that while pain, anxiety, suffering in body and soul and death do belong to the fact of human existence, they have no place in the life to which we have been preordained by God and that hast been promised us: a life without pain and suffering, a life in which death will be overcome. In the light of this faith, suffering and death are thoroughly “hostile” to life, namely insofar as they have the meaning of “punishment for sin”, sign of the state in which people are after having been driven from paradise. The 1995 Catechism of the Catholic Church puts it this way: “Even though man’s nature is mortal. God had destined him not to die. Death was therefore contradictory to the plans of God ….” This religious perspective does not show us death as the deliverer from suffering, but on the contrary as a form of suffering from which God will deliver us, even when, within human experience, it can be felt and desired as a deliverance and liberation from misery.
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Pain and suffering should be treated, and happily the possibilities for doing so are becoming ever greater. But the desire to ban pain and suffering completely is not only impossible to fulfill, it also paradoxically leads to new and greater suffering. Therefore, from a religious point of view, the answer to pain and suffering lies both in the attempt to assuage it and in facing up to it, and in so doing in accepting the reality of our being human. Believers are able to come to this kind of acceptance of life when they dare to enter the dimension of the future, of the promise. However paradoxical this may seem: by daring to live on the basis of the promised future, we dare to step fully into the present here now. This perspective does not turn suffering into something good, nor does it bend the evil that death can be into a blessing – suffering and death do not befit humanity, as it was ultimately pre-ordained by God. But this religious perspective puts suffering under the promise of God’s unrelenting care. In its pastoral mission, the Church has always recognised that such a meaning for and experience of suffering and death are the fruit of an integration; the integration in personal life of the answer that Christian faith contains to the meaning of life. In this sense, the Church affirms the moral principle of autonomy, which is greatly emphasised in palliative care in its understanding of self-determination: in palliative care the individual person of the dying, in the context of his or her life history and relations is the measure of the care. Every possible attempt is made to allow the person to direct his or her own parting and dying. At the same time, the Church qualifies the notion of autonomy: it is not selfdetermination that holds first place bit the uniqueness of the person to others and the Other. Within this frame of reference, autonomy comes to mean learning to accept the fact of vulnerability, finiteness and separation; a learning that knows it is supported by the religious awareness that God is faithful to us. The personal aspect of each one’s suffering is given a place within a greater whole: of the life history, of relations with others and with God, of the religious and cultural tradition. That is why the Church, in its pastoral care of the dying, will offer the religious perspective of the Good News and of God’s unrelenting care in suffering, even when it knows that this will not always lead to a truly experienced faith and hope in salvation and an acceptance of the suffering: the factual suffering can overwhelm the strength of a person’s ability to experience meaning. Consequently, the Church also realises that only the individual person can experience a possible meaning in meaningless situations. The Church is also aware that suffering can sometimes be so immeasurably deep and the feeling of abandonment so great, that nothing remains but the fear of experiencing meaninglessness. But the Church’s faith goes further or perhaps more accurately: reaches further at just such moments. It shows us that in such times of deepest emptiness and anxiety we can rely on God completely.
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4. What the church says about social ethics Whenever the Roman Catholic Church has spoken about the morality of caring for the dying and euthanasia, it has always had a strong focus on social ethics. In the 1985 pastoral letter The Suffering and dying of the Sick, we read the following: “ … that a society, which recognises there are limits to its ability to ban suffering completely from one’s own and other people’s lives, is ultimately more humane than a society in which these limits are considered increasingly unbearable”. And further: “A person cannot always experience the meaning of his life or express it clearly. But as people and community we must refrain from judging that a life has no further meaning.”5
That is why it is recommendable to emphasise the social importance of good palliative care and at the same time to continue to oppose euthanasia as a socially accepted practice. The Church is aware that it is supported by a firm principle, namely that society may not allow a person, and thus not a doctor, to have the power to decide so definitively about the life of another, innocent person that he or she may intentionally end it or allow it to be ended. This principle is religiously based on the conviction that life has been conferred on us and entrusted to us by God. Doctors, above all, may not have this power because society has given them a position of trust in which people must feel sure they are safe and protected during their most vulnerable moments, during the period of a serious and terminal sickness. Besides its sanctity, the safety of every human life is also an argument here. The trust that society has invested in doctors is bound to the knowledge that the doctor is aware of the limits of medicine’s goals and respects them in his/her work. It has been observed more than once that a given euthanasia practice exerts pressure on confidence in doctors. In this regard, it is important to express the Church community’s concern about the increasing impoverishment in care, both intramural and extramural. A society that underwrites the value of palliative care, will have to create suitable institutional facilities for it. The shortage of people and means in nursing home care and in domiciliary care are often poignant. The idea of good death, as is propagated by the hospice movement, seems to be confined in a social straightjacket. Could it be that euthanasia is becoming a widely accepted option in our society partly because of a lack of real social effort for a good and humane death, and that this option, in its turn, saps incentive to improve this effort?
5
Aan de Staatscommisie Euthanasie [To the Royal Commission on Euthanasia] … 1-2-1 series, 1985, n°8.
Heilige Synode der Kirche Griechenlands Einführung Konfession
griechisch-orthodox
Titel
Basic positions on the ethics of Euthanasia
Verfasser
Bioethik Komitee der Heiligen Synode der Kirche Griechenlands
Herausgeber
Heilige Synode der Kirche Griechenlands
Veröffentlichungsjahr
2002
Adressatenraum
Griechenland
Veröffentlichung
URL: http://www.bioethics.org.gr/en/06_ frame.html
Die orthodoxe Kirche, der Statistiken zufolge rund 97% der griechischen Bevölkerung angehören, übt maßgeblichen Einfluss auf viele Bereiche des gesellschaftlichen Lebens in Griechenland aus. 1998 hat die Kirche ein interdisziplinäres Bioethik-Komitee eingerichtet, das einerseits selbständig arbeitet, andererseits aber auch, wie im Fall der Sterbehilfe-Thematik, in ihrem Namen offizielle Erklärungen veröffentlicht. Anlass für die Problematisierung des Umgangs mit dem Lebensende war die Legalisierung aktiver Sterbehilfe in den Niederlanden, zudem die mediale Diskussion und nicht zuletzt die Wahrnehmung eines schwindenden Respekts vor dem menschlichen Leben. Im Jahr 2002 erschien der Text zunächst ausschließlich auf Griechisch. Seit 2007 existiert die Erklärung auch in englischer und französischer Übersetzung unter dem etwas veränderten Titel „Basic Positions on the Ethics of Euthanasia“. Sie ist von der griechischen Kirche mit einer zusätzlichen Einleitung versehen worden, die zur Geltung der Stellungnahme erklärt, es handele sich in ihr nicht um eine unbestreitbare Weisung, sondern vielmehr um einen Diskussionsbeitrag. Eine mit der gesellschaftlichen einhergehende interdisziplinäre Offenheit wird auch durch die Einbeziehung medizinischer, sozialpsychologischer und rechtlicher, neben den zu erwartenden theologischen Erwägungen, demonstriert. In Griechenland gibt es kein eigenes, umfassendes Gesetz zur Regelung der Sterbehilfe. Nach dem griechischen Strafgesetzbuch sind allerdings Sterbehilfe auf Verlangen des Patienten und die Beihilfe zum Suizid verboten. Das Strafmaß für die Tötung auf Verlangen einer unheilbar kranken Person, liegt zwischen zehn Tagen und fünf Jahren Haft. Sehr deutlich wendet sich auch die orthodoxe Kirche Griechenlands gegen aktive Sterbehilfe und versteht sie analog zum Suizid als Mord. Zusätzlich legt sie auch die Beweislasten für die Akzeptanz passiver Sterbehilfe recht
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Heilige Synode der Kirche Griechenlands
hoch an, wenn sie die zunächst grundsätzlich anerkannten Kriterien der Verhältnismäßigkeit der Mittel oder des Patientenwillens im zweiten Schritt doch mit Verweis auf mögliche medizinische Fehlentscheidungen oder die potenzielle Gottwidrigkeit des Patientenwunsches in ihrer Legitimität nochmals einschränkt. Wie die russischorthodoxe Kirche betont auch die griechische Kirche die spirituelle Bedeutung der letzten Lebensphase. Aus griechisch-orthodoxer Perspektive finden die sehr wohl wahrgenommene Konflikthaftigkeit des Sterbens und der Wunsch zu sterben, ihre Entsprechung somit vor allem auch auf spiritueller Ebene, wie etwa im spezifisch orthodoxen Gebet für die Menschen in Todesqualen.
Basic positions on the ethics of Euthanasia
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Basic positions on the ethics of Euthanasia Introduction The novel discoveries and impressive achievements of contemporary society in the field of biomedical sciences give rise to unfamiliar problems and challenges, generate questions that persistently ask for answers and create the need for specific guidance and deeper understanding of the existing values. The new scientific and technological data touch upon the mystery of life and the sacredness of the human person, and affect interpersonal relations. Thus, they influence more and more the life of the faithful who constantly anticipate the guidance and support of the Church. At the same time, social carriers, legislative and parliamentary bodies as well as the medical world ask persistently for specific and well-justified ecclesiastical word. The Bioethics Committee of the Church of Greece, after examining thoroughly and diligently the relevant bioethical issues from a theological, legal and medical aspect drew up an official document on euthanasia comprising of 54 basic articles which was approved by the Holy Synod of the Church of Greece in November 2002. This document analyses in detail the issue of euthanasia. Its aim is not to restrict the faithful's freedom within the limits of specific guidelines; but rather to contribute to the profound and detailed understanding of the various problems arising from euthanasia, which will, in turn, lead them to more responsible and mature decision-making. Moreover, although the document has been approved by the Holy Synod, it has not been distributed yet officially to the clergy or the faithful. It is not a text of indisputable ecclesiastical word but its publication aims at initiating discussion on the issue of euthanasia. However, we believe that it maintains the accuracy of scientific and clinical reality and safeguards the relevant basic principles of Orthodox anthropology. The text is explicit, provides guidance to people, embraces man as an image of God and constitutes a witness of the Orthodox Christian ethos. I.
Introduction
1. On November 28, 2000, the Dutch Parliament voted for the legalization of euthanasia. On May 16, 2002, the depenalisation of euthanasia was abolished in Belgium and later on it was also abolished in Australia and certain states in the US. In the past years, it has been the topic of discussion among legislative bodies, competent committees, the mass media, conferences and public debates. The dilemma of euthanasia has begun to surface in daily clinical practice. There is great risk that this newly-emerged issue may affect our consciences and
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alter our ethical criteria. Quite often, people's sensitivities are guided by a logic and perception that demand the legalization of euthanasia or in the best case justify it, even though officially most countries still react to its enactment. 2. The modern social way of thinking, being primarily rationalistic, easily sacrifices the respect for life and death in the name of hedonism and self-interest. Consequently, there is an imminent need on the part of the Greek Orthodox Church to express her position on the matter. 3. By the term euthanasia we mean the hastening of the death of a person, who suffers or will suffer from an incurable and painful illness, with the active or passive assistance (omission or action) of a third person. The ill person, who may be either conscious or unconscious, should have expressed explicitly his wish that his life be terminated. II.
Life and death in the orthodox theology and tradition
4. Our life constitutes the supreme gift from God, the beginning and end of which depends entirely on Him: “in his hand is the life of every living thing” (Job 12:10). It is within biological life that man's free will finds its full expression, encounters the grace of God and thus his salvation is being realized. Every effort to determine the limits of life solely of the basis of human volition, decision or capability deprives life of its sacred character. 5. Man was created immortal by grace. Immortality is his natural state of being. However, pain, decay and death were introduced into the world through sin. Death was permitted by God so that evil does not become immortal. 6. Biological life does not determine the entire destiny of man. Man was created by God, having a body and a soul in unbroken unity, which is, however, broken by the event of death. Although the body is dissolved by death, the soul is preserved so as to be united once again with the resurrected body. 7. The great importance of this present life is judged in connection with the potential for man's theosis and salvation through repentance. Without spiritual life, the preservation of man's biological life loses its importance; it lacks meaning and is entrapped by death. 8. From the moment of his conception, man experiences death, either through physical changes due to age, sickness, or through the loss of a loved one. Death and its consequences are surpassed through Christ who defeated death by His death (by death has He trampled down death). 9. Death is an event that is not only connected with the end of biological life, but also with the whole existence of man. Since life is prolonged after biological death, the way in which one lives and dies affects his eternal existence.
Basic positions on the ethics of Euthanasia
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10. The contemporary secularized position on euthanasia views death as a right, and not as an event that transcends man; as something that can be determined within time, and not as a moment that is determined by God. Respect for our God-given life requires that it be protected in any way possible. This is expressed, on the one hand, by trying to preserve the quality of life, and on the other hand, by attempting to prolong life. According to the Orthodox Christian teachings, in no way can the duration of life and the moment death be determined by human rights. III.
The meaning of pain
11. The Church acknowledges the weakness of human nature. Consequently, She embraces those who are ill, in pain and affliction and compassionately asks for deliverance “from all affliction, wrath, danger and necessity”, and prays that the end of life may be “painless, shameless, peaceful” and that in certain cases patients in the agony of death may soon be reposed (prayer for those is agony of death). 1
12. Nevertheless, She recognizes that behind every pain there is a blessing. Pain in human life, as well as any other trial, is “a collaborator to man's salvation” and oftentimes is “even better than health itself” for that purpose. Natural as well as existential pain is beneficial because it widens the limits of existence. Pain could form a means of ascesis in humility, patience and love, and can become an opportunity for preparing ourselves for eternity. 2
13. We do not pursue pain. However, when it occurs we ought to try in every way to cope with it. In case it persists or remains incurable, enduring it with patience, faith and hope proves to be both beneficial and supportive. The positive or negative impact of pain depends greatly on man’s personal stance towards it. Learning to bear even the most difficult circumstances in life constitutes the best preparation for dealing with pain. IV.
Medical treatment of pain
14. Contemporary medical science is in a position to confront successfully most forms of pain with the proper analgesic treatment. For this reason, it is imperative that physicians be constantly scientifically trained and updated. At the same time, however, the care of the medical and nursing staff as well as the relatives’ support is inestimable to the patient when dealing with pain.
1 2
In almost all services of the Orthodox Church (Vespers, Matins, Divine Liturgy etc.). Saint Gregory Palamas. (1985). Thessaloniki: EPE (Greek Fathers of the Church) Vol. 9, 264.
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15. In case patients do not respond to therapy, it is advisable to administer sedatives. Love compels us to alleviate the patient in every way possible. We should not allow patients to be in pain by depriving them of the required dose of sedatives. Perhaps, it is better to pass away while sleeping. The Church welcomes and blesses the attempts of physicians who relieve through therapeutic methods the patients' pains until the last moment of their earthly life. V.
Consequences of modern medical technology
16. Modern medical technology has greatly contributed to curing various diseases. At the same time, however, the intrusion of technology in medicine produces unprecedented forms of death or conditions of painful survival incompatible with life that lead to new dilemmas and bring forth unanswered questions. 17. Medical advancement may cause tragic and problematic living conditions, which give rise to the following question: is it permitted to shorten the life of a human being, or is it more correct to prevent his death? Medical and pharmaceutical technology does not only prolong life but often it also delays the very process of death. 18. On the other hand, despite the impressive progress of diagnostic and preventive medicine, no one can ever be certain about the incurable character of a disease. There is always the possibility for an erroneous medical appraisal, or for an unforeseen outcome of the disease, or even for a miracle. VI.
The medical mission
19. Since the years of Hippocrates, the medical mission was identified with the provision of therapy and offering of life, and was incompatible with any participation in causing death. According to his famous oath, the physician promises that “he will never give anyone a deadly medicine, even if he asks for it, nor will he advise him to take it”. 20. In case the physician cannot provide a cure, he can help the patient by trying to alleviate his pains, relieve him of his ailments, ease his agony and assist him in enduring his trials, so that he can live the last moments of his life with dignity. VII. Social and psychological causes of euthanasia 21. The more profound reason that makes euthanasia a very popular and widely discussed subject is the fact that nowadays a purely materialistic, transient and hedonistic perception and practice prevails. In addition, health has acquired a strong financial character and man is regarded on purely mechanistic and ephemeral terms.
Basic positions on the ethics of Euthanasia
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22. Our modern consumerist society regards terminally ill people as persons unable to participate actively in society and, therefore, they are considered to be unproductive for the advancement and development of the social system as well as a hindrance to other people’s well-being and happiness. This is why society’s willingness to support terminally ill individuals is limited. 23. Moreover, we cannot overlook the psychological causes that lead someone to request euthanasia. These usually are: despair due to natural discomfort, cowardice before natural pain, disappointment due to the weakening of physical strength and the fear that he may become a burden to his relatives. 24. If the patient could ascertain that one or all of the above could be alleviated by the love and concern of physicians, nurses, relatives and friends, he would not easily chose euthanasia. This is something that contemporary society should take into consideration. 25. The request for euthanasia usually comes from individuals that are in a state of depression. This means, firstly, that the conditions under which they ask for euthanasia do not guarantee the soberness of their decision; and secondly, that it would be possible for the same individuals to desire a different outcome for their future, following proper psycho-therapeutic support and treatment. The incurable and painful illness affects the patient’s mental balance to such a degree that we could allege that it is almost impossible for the patient to express his will lucidly and with correct judgment. VIII. Social consequences of euthanasia 26. The implementation of euthanasia vests physicians and relatives with extra authority and rights which have uncontrollable consequences. The description of the patient’s condition depends on the physician. The decision depends on the relatives whose motives could at times be ambiguous. Their character, mentality, and mood at the specific moment, as well as their philosophical and religious beliefs, or even their personal interests could play a decisive role in someone’s decision to request to shorten his life. 27. So far the physician’s role has been to support people in their struggle for health and survival. His active involvement in the procedure of hastening death injures gravely the relationship between physician and patient and alters the value of life as the utmost good. 28. The so-called “right to death” that legally protects euthanasia could develop into a threat for the life of patients who are unable to respond financially to the demands of their therapy and hospitalisation. Our autonomy is limited by the fact that we are social entities.
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29. In essence, by opening the way to euthanasia, on the one hand, illegal interests are facilitated and, on the other hand, the preconditions for a racist and eugenic society are created, in which the healthy, young, wealthy and successful will be given priority. When our behavior towards our ill fellowmen is based only on the logic and ethics of committees, resolutions and rights and lacks love in Christ, then it leads to the debasement of man. 30. The implementation of euthanasia in certain countries creates the risk of causing direct side effects and problems to other countries, one of which is the socalled “death trading” that helps the illegal transportation of those people who wish to bring an end to their life (for example, the Netherlands and Switzerland). IX.
Legal remarks on life
31. The value of man has an absolute character and its basic expression, which is human life, is absolutely protected, irrespective of its quality and the will of its bearer. In other words, the right to take an end to one’s life is not recognised. This is documented by provisions that penalise participation (encouragement or assistance) in suicide (article 301 of Penal Code) or homicide with the consent of the terminally ill patient (article 300 of Penal Code); moreover, the consent of the patient to a dangerous or serious physical damage does not negate the punishable act. 32. The probable upgrading of the right to end one's life to an absolute degree will eventually affect the system of absolute protection of life and will open up the way to other persons’ rights, such as relatives or physicians when the right to end one's own life cannot be exercised. 33. If euthanasia of the “dying patient”, namely the hastening of the expected death is legalized, it will form the starting point for the legalization of euthanasia of “the terminally ill patient” whose death is not always that close. In this case, the state becomes involved in judgements and choices on assessing the value of the given life. 34. The Penal Code of Greece is considered as one of the best and most complete in Europe. Let us leave it the way it is. Articles 300 and 301 of Penal Code can form a satisfactory guide for every case of euthanasia. 35. The objection of the physician to the “persistent and significant” request of the patient for euthanasia is inviolable. The so-called right to life of a person cannot lead him to demand to be killed by his physician.
Basic positions on the ethics of Euthanasia
X.
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The proposal of the Church
36. The deeper spiritual causes that lead to a positive viewpoint on euthanasia usually lie in extreme materialism; man's spiritual poverty; the consideration of pain and disease as misfortune or injustice; the belief that life is not sacred and that it is only connected with external and physical beauty and financial prosperity; and the consideration of death as a fatal event and not as an intermediate stage of man’s course. In such a society, concepts such as sacrifice, patience, perseverance and endurance are unknown, while those of mercy, compassion and sympathy are misinterpreted. 37. While euthanasia is justified in a secular sense as “dignified death”, its active form constitutes assisted suicide, namely a combination of murder and suicide. For this reason, it is considered a decadent social phenomenon of human debasement. 38. The moments of life that are connected with its beginning and end, as well as the moments of our trials, weaknesses and pain conceal a unique sacredness and constitute a mystery that ought to be deeply respected by the relatives, physicians, nursing staff and the entire society. If we handle these moments spiritually by praying, they may generate humility and the seeking of God, and offer man the opportunity to experience God’s grace and witness a miracle. 39. Moreover, these moments favour human relationships, the communion of love, and the manifestation of compassion and mercy. When certain patients demand euthanasia, they actually ask us in return to express our love and our wish to remain close to us. During these moments, one can experience both the grace of God and the love of others. 40. The Church acknowledges the illness of human nature and that “death is better than a miserable life and eternal rest than chronic sickness” (Sirah 30:17). Consequently, She is very understanding towards those who break down before unbearable pain and death. Her word of truth is always philanthropic and Her philanthropy is rich with the truth. 41. Love by nature is not just an emotion, but it is partaking in the pain and the cross of our fellowmen. To love someone does not mean to free him from the burden of life. It means to carry the weight of his pain or offer him our own life, or even more so, offer him the truth and love of God. Love is understood only in truth. 42. The Orthodox Christian Church believes in the immortality of the soul; the resurrection of the body; the eternal perspective and reality of man; in pain as “the marks of Lord Jesus” on our bodies (Gal. 6:17); in trials as causes and opportunities for salvation; in the prospect of growing loving communion and mutual support. Therefore,
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a. She proclaims that our life is exclusively in the hands of God and that everything that happens to us is in our own interest and we have no right to correct the plan of God, and b. She rejects every death resulting from human decisions and choices as being an insult to God -no matter how “good” it may be called. Moreover, the Church condemns as unethical and insulting for the medical profession, every medical act, which does not contribute to the prolongation of life, but, instead, provokes the hastening of the moment of death. We, human beings, ought to pray, not to decide about life and death. 43. The Church proposes the transcendence of death as an alternative to the contemporary form of euthanasia that hastens and provokes death. Good life and good death (euthanasia) for the Church mean life and death with meaning and perspective. When the choice of death comes from the denial of God’s will it is considered a sin. On the contrary, when yearning to die springs from the love of God, it constitutes a unique blessing and an exceptional virtue “my desire is to depart and be with Christ” (Phil 1:23). 44. The Church's tradition includes many examples of saints who did not wish to resort to doctors or medicines for therapy, but instead they totally relied on God’s providence. Nevertheless, there are some ascetics who resorted to the use of medicine or other medical means, but then considered their act as a deviation from the road of perfection. This fact does not imply the Church’s ambivalent position on the matter, but indicates Her absolute respect for man’s freedom and the significance of his innermost intention. Therefore, behind the patient's words we ought to discern the deeper state of his soul that interprets his wishes and choices. When an ascetic refuses therapy in a hospital and instead retreats to his hermitage, he does not desire euthanasia. On the contrary, when someone that has no hope or patience refuses medical support and assistance, then he culpably shortens his life span. 45. The provision of medical attendance and therapy, from a legal viewpoint, does not constitute an independent medical right but only an obligation, to the extent that the patient requests it. Moreover, the occurrence of death caused by the “omission” of a suggested treatment due to the refusal of a fully conscious patient to receive medical assistance does not constitute homicide or participation in suicide. Nevertheless, the doctor has the moral obligation to assist the patient to consent to the effort being made to keep him alive. 46. In case the patient is unconscious but can be cured, the physician is obliged to assist in keeping him alive in every way he can. 47. When the patient is unconscious and there is definitely no hope for treatment, then the conscience of the physician and the relatives replaces the patient’s conscience. This is why there is an imperative need for a refined conscience on the
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part of the physicians. Sometimes, the physician, based on his knowledge, sense, experience and love for the patient as well as his faith in God, feels that he ought to avoid the use of aggressive means that do not provide therapy to the patient, but instead make him suffer. In this case, the physician cannot be considered unethical. 48. The use of medical intervention should be extended to the point where the emerging complications and additional problems alleviate the patient’s pain and do not prolong his suffering. God is the one Who allows pain; therefore, it should be neither generated nor intensified by medicine. The prolongation of life and alleviation of pain should coincide with the volition of God; it should not become an end in itself. 49. The doctor should neither be led to nor consciously act to prolong artificially the natural limits of life through exaggerating therapeutic means. For these may result in the loss of the patient’s dignity, which in turn may affect his immediate environment financially as well as psychologically. 50. The following cases are found on the narrow line between passive euthanasia and active euthanasia: a. When artificial support is already being applied without the prospect for recovery, is it allowed to interrupt nutrition by a positive action? b. Painkillers are consciously administered that eventually hasten death. In the first case, the positive action burdens our conscience with guilt for participating in the patient’s death, while in the second case, the absence of the immediacy and certainty of the occurrence of death does not burden our conscience. Actually, the patient's relief is immediate and certain. 51. It is not possible to justify active euthanasia and, therefore, neither is its legalization under any conditions ethically permissible. Politicians and legislators cannot appoint themselves as managers of life and death. 52. The growth of healthy relationships of love and communion strengthen human beings so that they may confront death and pain. Consequently, they also assist in dealing with trials and transforming them from a personal agony to an opportunity for healthy sharing and communion. 53. In case a patient is in a state of panic and is tempted to request euthanasia, the Church may give him hope and comfort through Her consoling words, Her effective prayer, the sacrament of Holy Oil and Her love which are stronger than the fear of pain and desire of death. Then, euthanasia will not only be absent from the Church’s way of thinking, but it will also be excluded from the patient's choices.
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Heilige Synode der Kirche Griechenlands
54. During moments of crucial decisions and trials, the Church should not wait for the patients to ask for Her support. She ought to go near them by making Her presence felt discreetly and effectively in the hospitals. Therefore, on the one hand, She should support the institution of hospital chaplaincy and, on the other hand, proceed to the organisation of volunteer groups in hospitals aiming at the spiritual support of terminally ill patients. If neglect leads to euthanasia, then love, support and true hope intensify the love for life.
Russisch-Orthodoxe Kirche Einführung Konfession
russisch-orthodox
Titel
Die Grundlagen der Sozialdoktrin der Russisch-Orthodoxen Kirche (Kap. XII.8)
Verfasser
Synodale Arbeitsgruppe der RussischOrthodoxen Kirche
Herausgeber
Russisch-Orthodoxe Kirche
Veröffentlichungsjahr
2000
Adressatenraum
Russland und russisch-orthodoxes Christentum weltweit
Veröffentlichung
in: Die Grundlagen der Sozialdoktrin der Russisch-Orthodoxen Kirche. Deutsche Übersetzung mit Einführung und Kommentar, hg. v. J. Thesing, R. Uertz, St. Augustin 2001. URL: http://www.hamburg-hram.de/de/wpcontent/files/Sozialdoktrin_ROK.pdf
Es ist eine jüngere Entwicklung, dass sich orthodoxe Kirchen mit sozialen und ethischen Fragen befassen und sich damit auch gegenüber gesellschaftlichen Herausforderungen positionieren. Obwohl für den orthodoxen Glauben Lehre und gelebte Frömmigkeit nicht trennen lassen, zählten die orthodoxen Kirchen die Hinwendung zu aktuellen Problemen lange nicht zu ihren primären Bereichen. Zudem begrenzte bis zur politischen Wende auch die sowjetische Einflussnahme souveräne kirchliche Erklärungen. Die Russisch-Orthodoxe Kirche hat im Jahr 2000 als erste der orthodoxen Kirchen in Europa zur Sterbehilfe Stellung genommen. Die folgende Erklärung ist Teil der umfassenden Sozialdoktrin, die in erster Linie den Gläubigen, in zweiter Hinsicht auch der Gesellschaft insgesamt, die offiziellen russisch-orthodoxen Positionen darstellt und dadurch in zahlreichen Bereichen des Lebens Orientierung bieten soll. Den Vorsitz der aus Wissenschaftlern und Theologen bestehenden und eigens eingesetzten Verfassergruppe, die über mehrere Jahre an der Sozialdoktrin gearbeitet hat, führte Kyrill von Smolensk und Kaliningrad, der 2009 zum Patriarchen der Russisch-Orthodoxen Kirche gewählt wurde. Das Kapitel zur Sterbehilfe ist eingebettet in einen Komplex bioethischer Themen, der insgesamt einen konservativen Tenor trägt. Entsprechend wird Euthanasie als Form des Mords oder Suizids strikt abgelehnt und führt unter Umständen auch zur Verweigerung der
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Russisch-Orthodoxe Kirche
kirchlichen Bestattung. Trotz einer mittlerweile mehrjährigen gesellschaftlichen und politischen Debatte beinhaltet in Russland das Verbot der Sterbehilfe sogar die Beendigung lebensverlängernder Maßnahmen. Die Russisch-Orthodoxe Kirche befürwortet angesichts der modernen medizinischen Möglichkeiten zwar, nicht um den Preis der Leidesverlängerung das Leben zu erhalten; grundsätzlich nähert sich jedoch auch die Kirche jedem Eingriff in das Lebensende mit großer Vorsicht. Diese lässt sich auch auf die orthodoxe Glaubensüberzeugung zurückführen, die der letzten Phase des Sterbens eine spezielle spirituelle Bedeutung zuschreibt: Das Lebensende eröffnet dem Sterbenden demnach durch Rückschau und Buße nochmals eine besondere Chance für das Wachstum im Dienste seiner Theosis, der fortschreitenden Vergöttlichung.
Die Grundlagen der Sozialdoktrin der Russisch-Orthodoxen Kirche
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Die Grundlagen der Sozialdoktrin der Russisch-Orthodoxen Kirche
1
12. Fragen der Bioethik XII.8 Die Praxis der Entnahme von transplantationsgeeigneten Organen sowie die Entwicklung der Reanimation werfen das Problem der exakten Feststellung des Todeszeitpunkts auf. In der Vergangenheit galt der unumkehrbare Atem- und Herzstillstand als Kriterium für den Eintritt des Todes. Die Vervollkommnung der Reanimationstechnologien hat es allerdings ermöglicht, diese lebenswichtigen Funktionen über eine längere Zeitspanne künstlich aufrechtzuerhalten. Der Tod verwandelt sich somit in einen Vorgang des Sterbens, der von der Entscheidung des Arztes abhängig ist, was die gegenwärtige Medizin vor qualitativ neue Verantwortlichkeiten stellt. In der Heiligen Schrift wird der Tod als das Scheiden der Seele vom Körper beschrieben (Ps 146.4 / Original: 145.4, Lk 12.20). So kann von einer Fortsetzung des Lebens die Rede sein, solange der Organismus insgesamt funktionsfähig bleibt. Eine unter Einsatz künstlicher Methoden erreichbare Verlängerung des Lebens kann, wenn de facto nur noch einzelne Organe funktionieren, nicht als verpflichtende und in jedem Fall wünschenswerte Aufgabe der Medizin angesehen werden. Das Hinausschieben der Todesstunde verlängert bisweilen lediglich das Leiden des Kranken, wodurch er seines Rechts auf ein würdiges, „ehrenhaftes und friedliches“ Lebensende beraubt wird, um das die orthodoxen Christen Gott, den Herrn, im Gottesdienst bitten. Wenn sich die aktive Therapie nicht mehr als wirksam erweist, soll sie durch palliative Hilfe (Anästhesie, Pflege, soziale und psychologische Unterstützung) abgelöst werden und ebenso durch pastorale Fürsorge. Dies zielt insgesamt auf die Sicherung eines natürlichen und von Barmherzigkeit und Liebe begleiteten wahrhaft menschlichen Lebensendes. Das orthodoxe Verständnis von einem ehrenhaften Tod beinhaltet die Vorbereitung auf den Lebensabschluss, der als eine geistig gewichtige Etappe im Leben eines Menschen angesehen wird. Der von christlicher Liebe umgebene Kranke kann in den letzten Tagen seines irdischen Daseins unter dem Eindruck eines erneuten gewissenhaften Nachdenkens über den zurückgelegten Lebensweg und der reuigen Rechenschaft vor der Ewigkeit segensreiche Änderungen in sich verspüren. Für die Angehörigen des Sterbenden sowie die medizinisch Tätigen hingegen bedeutet die mit Nachsicht und Geduld getragene Sorge für den Kranken die Gelegenheit, Gott Selbst zu dienen, gemäß den Worten des Erlösers: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25.40). Das Verheimlichen von Informa1
Auszug
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Russisch-Orthodoxe Kirche
tionen über den schweren Zustand des Patienten unter dem Vorwand, dessen seelisches Wohlbefinden zu erhalten, nimmt dem Sterbenden nicht selten die Möglichkeit, sich bewusst auf das Lebensende vorzubereiten und aus der Teilnahme an den Kirchensakramenten geistigen Trost zu schöpfen; darüber hinaus sät es auch Misstrauen in seinen Beziehungen zu den Angehörigen wie den Ärzten. Die dem Tod vorausgehenden physischen Leiden werden durch den Einsatz schmerzmindernder Methoden nicht immer effektiv beseitigt. Im Bewusstsein dessen wendet sich die Kirche in solchen Fällen an Gott mit der Bitte: „Erlöse deinen Knecht von diesem unerträglichen Leiden und der bitteren Ohnmacht, schenke ihm die ewige Ruhe und versammle ihn, wo die gerechten Seelen sind“ (Trebnik [Messbuch]: Gebet für den Schwerstleidenden). Allein Gott ist der Gebieter über Leben und Tod (1 Sam 2.6). „In seiner Hand ruht die Seele allen Lebens und jeden Menschenleibes Geist“ (Ijob 12.10). Deshalb lehnt es die Kirche – in Treue zu Gottes Gebot „Du sollst nicht morden“ (Ex 20.13) – ab, die heutzutage in der Gesellschaft weitverbreiteten Versuche der Legalisierung der sogenannten Euthanasie, d.h. der vorsätzlichen Lebensverkürzung von unheilbar Kranken (einschließlich auf deren Verlangen), als moralisch vertretbar anzuerkennen. Das Ersuchen des Kranken um Sterbehilfe ist unter Umständen durch einen momentanen depressiven Zustand bedingt, in welchem der Kranke zu einer richtigen Beurteilung seiner Lage nicht imstande ist. Die Anerkennung der Legalität der Euthanasie würde die Herabsetzung der Würde und die Vernachlässigung der professionellen Pflichten des Arztes mit sich bringen, der berufen ist, das Leben zu erhalten und nicht zu verkürzen. Das „Recht auf Tod“ kann leicht in eine Bedrohung des Lebens derjenigen Patienten umschlagen, denen es für eine medizinische Betreuung an den erforderlichen finanziellen Mitteln fehlt. Insofern stellt die Euthanasie eine Form des Mordes oder Selbstmordes dar, je nachdem, ob der Patient daran mitwirkt. Im letzteren Fall unterliegt die Euthanasie den geltenden kirchenrechtlichen Regeln, nach denen die mutwillige Selbsttötung, desgleichen die Beihilfe bei deren Durchführung als schwere Sünde gelten. Dem vorsätzlichen Selbstmörder, der „sich zu diesem Schritt aus menschlicher Verletzung oder aus anderen, im Kleinmut wurzelnden Gründen entschlossen hat“, wird weder eine christliche Beisetzung noch eine Seelenmesse zuteil (Regel Nr. 14 Timotheos von Alexandrien). Sollte der Selbstmörder sich in einem Zustand „außer sich“ das Leben genommen haben, mit anderen Worten während eines Anfalls von seelischer Krankheit, liegt die Entscheidung über das kirchliche Gebet für ihn – entsprechend der Klärung des Falls – im Ermessen des amtierenden Bischofs. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Schuld des Selbstmörders nicht selten auch seine Angehörigen trifft, die nicht imstande waren, tätiges Mitleid und Barmherzigkeit zu zeigen. Die Kirche ruft zusammen mit den Aposteln dazu auf: „Einer trage des anderen Last; so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen“ (Gal 6.2).
Evangelische Kirche in Deutschland Einführung Konfession
evangelisch
Titel
Im Geist der Liebe mit dem Leben umgehen. Argumentationshilfe für aktuelle medizinund bioethische Fragen (Kap. 3.2)
Verfasser
Kammer für Öffentliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Deutschland
Herausgeber
Evangelische Kirche in Deutschland
Veröffentlichungsjahr
2002
Adressatenraum
Deutschland
Veröffentlichung
EKD-Texte 71, hg. v. Kirchenamt der EKD, Hannover 2002. URL: http://www.ekd.de/EKD-Texte/ 44633.html
1998 beauftragte der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ihre Kammer für öffentliche Verantwortung mit der Erarbeitung eines thematisch breiten Textes zum Umgang mit dem Leben. Ziel war eine grundsätzliche Stellungnahme, die über tagesaktuelle bio- und medizinethische Erklärungen hinausführen sollte. 2002 wurde „Im Geist der Liebe mit dem Leben umgehen“ als „Argumentationshilfe“ publiziert. Zu einer offiziellen Verabschiedung durch die EKD kam es nicht; dem standen zu viele inhaltliche Dissense innerhalb der Arbeitsgruppe im Weg. Dies schmälert das Gewicht des Textes nur auf formaler Ebene. Denn dieser geringere Status entspricht umgekehrt sogar der Intention der Arbeitsgruppe: will sie doch mit ihrem Text den evangelischen Christen Informationen und Kriterien zur verantwortlichen eigenen Urteilsbildung an die Hand zu geben. Wer nach einer offiziellen Position der EKD sucht, den verweist die Kammer für öffentliche Verantwortung auf die Erklärung „Gott ist ein Freund des Lebens“, die gemeinsam mit der deutschen Bischofskonferenz und anderen christlichen Kirchen veröffentlicht worden ist. Im Sinne der Konzentration auf die relevanten Aussagen zur Sterbehilfe werden hier aus der umfassenden Stellungnahme „Im Geist der Liebe mit dem Leben umgehen“ nur das grundlegende Kapitel zum christlichen Verständnis des Menschen und das Kapitel zum Lebensende dokumentiert. Die Argumentationshilfe bettet letzteres als Unterkapitel in die Diskussion von medizinethischen Anwendungsfragen ein, innerhalb derer schwerpunktmäßig Probleme des Lebensanfangs thematisiert werden. Diese konkreten Fragen werden im Text eingerahmt: Die EKD-
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Kammer stellt ihnen allgemeine Informationen voran, die die medizinischen, gesellschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen aller medizinethischen Diskurse und das bereits erwähnte und hier veröffentlichte christliche Verständnis vom Menschen beleuchten. Den konkreten Anwendungsfragen folgen weiterhin ein Kapitel über die praktischen Konsequenzen für Medizin und Gesundheitswesen sowie eine Übersicht über die schon angesprochenen inhaltlichen Konsense und Dissense innerhalb der Verfassergruppe. Das grundlegende Kapitel zur Anthropologie zeigt, auch wenn es eine allgemein „christliche Sicht des Menschseins und des menschlichen Lebens“ darlegen will, deutlich protestantische Züge. Als Charakteristika des Menschseins hebt der Text die Beziehungshaftigkeit, die Freiheit und vor allem die „vorbehaltlose Anerkennung des Menschen durch Gott“, was sich als Ausformulierung der Lehre von der Rechtfertigung verstehen lässt, hervor. Als Grund und Maß dieser anthropologischen Grunddaten gilt der EKD-Kammer zufolge die vorgängige und im Geist in der Welt wirksame Liebe Gottes. Vor diesem Hintergrund werden die Überlegungen zur Sterbehilfe angestellt. Sie nehmen vorwiegend auf die deutsche Situation, in der aktive Sterbehilfe verboten ist, Bezug. Rechtlich sieht das deutsche Strafgesetzbuch für den Fall der „Tötung auf Verlangen“ eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vor (§216). Inhaltlich unterstützt die Argumentationshilfe dieses gegenwärtige Verbot der aktiven und die Erlaubnis der passiven Sterbehilfe. Jenseits dieser konkreten rechtlichen und gesellschaftlichen Richtungsweisung versucht die EKD-Kammer indes vor allem, für die besondere Konflikthaftigkeit und die Möglichkeit von Grenzfällen im Umgang mit dem Lebensende zu sensibilisieren.
Im Geist der Liebe mit dem Leben umgehen
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Im Geist der Liebe mit dem Leben umgehen 1 2.
Die christliche Sicht des Menschseins und des menschlichen Lebens
Zum christlichen Verständnis des Menschseins gehört die Gewissheit, dass die Menschwerdung des Menschen erst vollendet sein wird, wenn Gott ihn von den Toten auferwecken und verherrlichen wird zum ewigem Leben in seinem kommenden Reich. Was Gott derart vollenden will, steht von Anfang an und bis in den Tod hinein unter dem Schutz seiner schöpferischen Liebe. Der christliche Glaube nimmt deshalb bis zum letzten Atemzug den sich entwickelnden Menschen im Geist dieser Liebe wahr, der auch die ethischen Kontroversen über die Schutzwürdigkeit menschlichen Lebens bestimmen sollte. Diese Frage nach der Schutzwürdigkeit menschlichen Lebens in seinen verschiedenen Entwicklungsstadien ist die Schlüsselfrage heutiger Medizinethik. Je nachdem, wie sie beantwortet wird, ergeben sich weitreichende Konsequenzen für die verschiedenen medizinethischen Problemfelder. In christlicher Sicht hat der Mensch eine herausgehobene Stellung, die sein Leben von allen übrigen Formen des Lebens unterscheidet. Diese ist nicht in seinen biologischen Eigenschaften begründet, sondern im Personsein des Menschen. Deshalb ist es notwendig, zwischen einer biologischen und einer personalen Perspektive auf das Menschsein zu unterscheiden. In biologischer Perspektive lässt sich feststellen, ob bestimmte Zellen oder Organismen der Spezies „Mensch“ bzw. „Homo sapiens (sapiens)“ angehören. Ebenso lässt sich biologisch feststellen, in welcher Entwicklungsphase sie sich befinden. In keinem Fall kann aber in biologischer Perspektive das erfasst werden, was mit dem Ausdruck „Mensch als Person“ gemeint ist. Diese Kennzeichnung erschließt sich erst in der darüber hinaus gehenden Perspektive personaler Kommunikation. In dieser personalen Perspektive haben wir nicht eine Sache vor uns, die sich definieren und einordnen und über die sich verfügen ließe, sondern eine Person, die für andere unverfügbar bleibt. Alle Aussagen, die der Sphäre des Menschlichen eine besondere Auszeichnung zuerkennen – die Gottebenbildlichkeit, die Rechtfertigung des Sünders, das Gebot: „Du sollst nicht töten“ –, beziehen sich auf den Menschen als Person. Das christliche Verständnis der Person unterscheidet sich dabei von einem anderen Verständnis, das in der heutigen medizinethischen Diskussion nicht selten vertreten wird. Diesem zufolge ist das Personsein in bestimmten Eigenschaften wie Bewusstsein oder dem Haben von Interessen begründet. Wesen, die über diese Eigenschaften nicht verfügen, sollen hiernach keine Personen sein. Das betrifft auch 1
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Evangelische Kirche in Deutschland
Menschen ohne Bewusstsein. Nach christlichem Verständnis gründet demgegenüber das Personsein nicht in Eigenschaften und Fähigkeiten, sondern in einem Anerkennungsverhältnis. Der Mensch verdankt sein Sein als Person der vorbehaltlosen Anerkennung durch Gott, die zur wechselseitigen Anerkennung der Menschen untereinander verpflichtet. Insbesondere evangelische Theologen betonen den relationalen Charakter der Person: Person ist jemand nur in Beziehung – grundlegend zu Gott, in Folge dessen auch zu seinen Mitmenschen und zu sich selbst. Daher ist eine Frage wie die, ob es sich bei vorgeburtlichem Leben um personales Leben handelt, recht begriffen eine Frage nach den Beziehungen, in die dieses Leben gestellt ist, und auch nach der Beziehung, in der wir selbst zu diesem Leben stehen. Die Vorstellung, dessen personaler Charakter ließe sich aufgrund biologischer Gegebenheiten an ihm selbst aufweisen, führt daher in die Irre. Worin ist dann aber die Bezogenheit begründet, der personales Sein sich verdankt? Was verpflichtet dazu, in jedem Menschen eine Person zu sehen und anzuerkennen, und zwar auch in demjenigen, der sich von sich her nicht als solche erkennen zu geben vermag? In christlicher Sicht verdankt sich personales Sein der schöpferischen Kraft der Liebe Gottes, die sich den Menschen zum personalen Gegenüber erschafft, und zwar in jedem neuen Werden eines Menschen. Diese schöpferische Liebe Gottes liegt allen geschöpflichen Beziehungen voraus und zugrunde. Sie findet ihre Antwort und Entsprechung in dem Geist der Liebe, in dem Menschen sich aufeinander als Personen beziehen und einander als solche achten. In dieser zwischenmenschlichen Achtung findet einerseits die Würde des anderen Menschen Anerkennung, dem diese Achtung zuteil wird. Andererseits gehört es aber auch zu meiner eigenen Würde als Mensch, den anderen als Person anzuerkennen und zu achten. Menschen verletzen folglich nicht nur die fremde, sondern auch ihre eigene Würde, wenn sie dem Mitmenschen die Achtung schuldig bleiben oder verweigern, die ihm als Person zusteht. Personales Sein ist hiernach nicht so naturgegeben, wie dies die genetische Ausstattung des Menschen ist. Es verdankt sich einem Beziehungsgeschehen. Darin liegt zugleich seine mögliche Gefährdung. Zwar kann keinem Menschen sein Personsein genommen werden, da dieses in seiner vorbehaltlosen Anerkennung durch Gott gründet. Aber es kann ihm doch die geschuldete Achtung als Person vorenthalten oder verweigert werden. Zu solcher Achtung der Person gehört der Respekt vor der Tatsache, dass eine Person die Freiheit behalten muss, von sich aus mitzuteilen, wer sie ist, was sie will, was sie fühlt und wie sie etwas wahrnimmt. All das kann nicht von außen über sie verfügt werden. Insofern bleibt sie als Person der Fremdbestimmung von außen entzogen, und zwar auch dort, wo sie nie in ihrem bisherigen Leben sich ihrer selbst bewusst gewesen ist oder zu all dem hat äußern und ihrer Umgebung verständlich machen können. Das unterscheidet die Person eines Menschen von seinem Körper bzw. Organismus, der von außen an ihm wahrgenommen und beschrieben werden kann. Zur Achtung der Würde der Person gehört der Respekt vor deren Selbstbestimmung hinsichtlich dessen, was sie in ihrer spezifischen Individualität, ihrem
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Wollen, Fühlen und Denken ausmacht. Diese Selbstbestimmung schließt das Verhältnis zum eigenen Leib und den verantwortlichen Umgang mit ihm ein. Dieser Punkt ist von grundlegender Bedeutung für viele medizinethische Fragen. Die ethischen Konsequenzen der christlichen Perspektive auf den Menschen und auf das menschliche Leben beschränken sich natürlich nicht auf den Bereich der Medizin. Vielmehr betreffen sie alle Lebensbereiche. In der gemeinsamen Erklärung der Kirchen von 1989 „Gott ist ein Freund des Lebens“ wird dies für die Bereiche Erziehung, Medien, Rechtsordnung, Forschung, Technik, Wirtschaft und Gesundheit verdeutlicht. Demgegenüber konzentrieren sich die folgenden Ausführungen auf einige jener medizinethischen Fragen, die heute im Zentrum der öffentlichen Diskussion stehen. Nicht übersehen werden sollte dabei eine gewisse Einseitigkeit in der öffentlichen Aufmerksamkeit und medizinethischen Sensibilität. Im Zentrum stehen gegenwärtig Fragen, die durch die Forschungen in Biologie und Medizin in den reichen Ländern aufgeworfen werden, wie z. B. der Status des menschlichen Embryos, die Fortpflanzungsmedizin, die Organtransplantation und die Sterbehilfe in ihren verschiedenen Formen. Das sind wichtige Fragen, die der Klärung bedürfen. Doch wenn gelten soll, dass alle Menschen an derselben Würde teilhaben und dass ihnen daher gleiches Recht auf Leben zukommt, dann müssten eigentlich auch die Fragen in der medizinethischen Diskussion einen hohen Stellenwert haben, die die Bekämpfung von Krankheit in den weniger entwickelten Ländern betreffen. Die Einseitigkeit, mit der die medizinische Forschung auf die Bedürfnisse der reichen Gesellschaften hin orientiert ist, ist ethisch problematisch. Aufgrund dieser Entwicklung sind wichtige ethische Herausforderungen in den Hintergrund der Diskussion getreten. Das wirft die grundsätzliche Frage auf, von wo aus und von wem die Tagesordnung der als ethisch relevant empfundenen Probleme bestimmt wird. Auf diese Problematik kann hier nur hingewiesen werden. 2
3.2 Lebensende
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Die demographische Entwicklung zeigt einen wachsenden Anteil älterer Menschen in unserer Gesellschaft. Auch die durchschnittliche Lebenserwartung wird voraussichtlich weiter ansteigen. Dadurch wird die Zahl der Demenzkranken, der chronisch Kranken und der Pflegebedürftigen weiter zunehmen. Die Etablierung von Pflegediensten in kirchlicher, öffentlicher und privater Trägerschaft sollte dieses Problem auffangen. In der Praxis zeigt es sich jedoch, dass auf diesem rasch wach2
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Gott ist ein Freund des Lebens: Herausforderungen und Aufgaben beim Schutz des Lebens, Gemeinsame Erklärung des Rates der EKD und der Deutschen Bischofskonferenz in Verbindung mit den übrigen Mitglieds- und Gastkirchen der ACK, Gütersloh 1989, 53–62. Mit der Rede vom Lebensende verbindet sich (allzu) schnell die Vorstellung vom Alter. Aber der Tod kann einen Menschen bekanntlich in jedem Lebensalter ereilen. Auch die in diesem Abschnitt angesprochenen ethischen Fragestellungen und Probleme beschränken sich deshalb nicht auf alte Menschen.
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Evangelische Kirche in Deutschland
senden Sektor des Gesundheitswesens neue Konzepte entwickelt werden müssen, Finanzierungsfragen zu klären sind und Qualitätssicherung gewährleistet sein muss. Die Medizin kann heutzutage verschiedene lebensverlängernde Maßnahmen auch bei schwerster Pflegedürftigkeit zur Verfügung stellen und anwenden. Technische Unterstützungen und medikamentöse Therapien bieten älteren Menschen, chronisch Schwerstkranken und Pflegebedürftigen einerseits eine Hilfe in der Bewältigung ihrer Schwierigkeiten und eine Verbesserung der Lebensqualität auch im hohen Alter. Andererseits können diese Unterstützungen aber auch dazu beitragen, die Begrenzung des Lebens und damit das Sterben hinauszuzögern, ohne dass hierin irgendein Sinn erkennbar ist. Wenn medizinische Therapien versagen, so dass eine Heilung oder Abwendung des Sterbens nicht mehr möglich erscheint, sollte unter Änderung des Therapieziels eine palliative, d.h. an Versorgung und Schmerzlinderung orientierte, Behandlung einsetzen. Die vielen Hospizinitiativen, die häufig in direkter Anbindung an kirchliche Gemeinden stehen, nehmen ihrerseits das Bedürfnis auf, im Sterbeprozess Hilfestellung, Begleitung und Geborgenheit zu erfahren. Die öffentliche Diskussion um menschenwürdiges Sterben wird zunehmend intensiver geführt. Eine besondere Bedeutung wird dabei Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten zuerkannt. Wo Patientenverfügungen vorliegen, beziehen sie behandelnde Ärzte bei Entscheidungen am Lebensende oder bei Einwilligungsunfähigkeit zunehmend ein. Die Christliche Patientenverfügung ist seit ihrem Erscheinen im Herbst 1999 auf einen großen Bedarf und positive Resonanz gestoßen. Dabei sind allerdings auch die Grenzen solcher Verfügungen deutlich geworden. Gleichwohl sollte jeder/jede prüfen, ob er/sie eine solche Verfügung aufsetzt, weil sie für Ärzte und Angehörige eine große Entscheidungshilfe sein kann. In der Debatte um die Sterbebegleitung in Deutschland werden von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen strukturelle und finanzielle Voraussetzungen für eine angemessene Sterbebegleitung gefordert. Von indirekter Sterbehilfe, bei der eine Lebensverkürzung durch die Verabreichung von Schmerzmitteln zwar nicht intendiert, aber in Kauf genommen wird, ist im medizinischen Alltag auszugehen. Sie ist auch in ethischer Hinsicht grundsätzlich zu bejahen. Die aktive Sterbehilfe wird hingegen kontrovers diskutiert. Sie stößt zwar in der Gesellschaft bei vielen Menschen auf positive Resonanz , in der ethischen Diskussion hingegen bislang überwiegend auf Ablehnung. 4
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So interpretiert jedenfalls die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben e. V. eine von ihr in Auftrag gegebene Forsa-Umfrage, derzufolge 60% der Befragten die Verabschiedung des niederländischen Gesetzes zur Sterbehilfe „gut“ finden und 51% die Frage bejahen: „Würden Sie Ihr Leben bei unheilbar qualvoller Krankheit durch Freitod verkürzen wollen?“, verfügbar unter: URL: www.dghs.de/presse. Die Deutsche Hospiz Stiftung weist jedoch darauf hin, dass die letztgenannte Zahl im Zeitraum von 1990 bis 2000 von 59% auf 51% gesunken ist. Sie nennt zugleich als Ergebnis einer von ihr im Jahr 2000 in Auftrag gegebenen Umfrage folgende Zahlen: 35,4% der Befragten
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Aus christlicher Sicht ist der Tod eines Menschen etwas, das abgewartet werden muss und nicht herbeigeführt werden darf. Diese Sicht hat die Einstellung unserer Kultur zu Sterben und Tod wesentlich geprägt. Sie schlägt sich nieder in der Unterscheidung zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe. Passive Sterbehilfe ist dadurch charakterisiert, dass bei ihr in allem, was einerseits an medizinischen Maßnahmen zur Lebensverlängerung unterlassen oder abgebrochen und andererseits an Maßnahmen zur Begleitung und Erleichterung des Sterbens unternommen wird, die Situation des Wartens auf den Tod gewahrt wird. Aktive Sterbehilfe ist demgegenüber dadurch charakterisiert, dass sie diese Situation beendet oder ihr sogar in einer Phase zuvorkommt, in der der Sterbeprozess nicht begonnen hat. Die Konkretisierung dieser Unterscheidung ist von Fall zu Fall zu vollziehen. Entscheidend ist jedoch, dass an ihr festgehalten wird. Gerade bei der Frage der Sterbehilfe zeigt sich in besonderer Weise die Konflikthaftigkeit menschlichen Lebens. Es ist nicht auszuschließen, dass es in dieser Frage für den Arzt Grenzsituationen geben kann. Die öffentlich geführte Auseinandersetzung dreht sich darum, ob man solche Grenzsituationen rechtlich regeln soll. Dafür scheint zu sprechen, dass dies die Transparenz und Kontrolle des ärztlichen Handelns erhöht. Doch erhebt sich dagegen das schwer wiegende Bedenken, dass jede Regelung des Ausnahmefalls die Gefahr in sich birgt, aus diesem einen Regelfall zu machen. Sie könnte eine Dynamik in Gang setzen, die die Einstellung zum Sterben grundlegend verändert und erhebliche Auswirkungen auch auf das ärztliche Ethos hat. Die intuitive Wahrnehmung des Sterbens als etwas, das abgewartet werden muss und nicht herbeigeführt werden darf, könnte dabei verloren gehen. Die Forderung nach einer rechtlichen Liberalisierung der aktiven Sterbehilfe wird häufig mit dem Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Tod begründet. Ohne Zweifel verdient die Selbstbestimmung eines Menschen unsere Achtung. Das gilt insbesondere für die Selbstbestimmung dessen, der anders denkt als wir selbst. Doch hat die Selbstbestimmung dort ihre Grenze, wo sie mit Folgen verbunden ist, durch die eine Person selbst oder andere in ihrer Integrität und Selbstbestimmung beeinträchtigt werden. Solche Folgen sind zu befürchten, wenn die aktive Sterbehilfe zu einer durch das Recht akzeptierten Praxis würde. Es ist zumindest nicht auszuschließen, dass dadurch neue Zwänge entstehen in Gestalt des sozialen oder psychischen Drucks, anderen nicht zur Last zu fallen und daher das eigene Leben zu beenden bzw. um dessen Beendigung zu bitten. Der Selbstbestimmung des Einzelnen wäre damit gerade nicht gedient. Nicht auszuschließen ist auch, dass die Hemmschwelle gegenüber der Tötung eines Menschen gesenkt werden könnte, mit Auswirkungen auch auf die Gruppe einwilligungsunfähiger Personen, bei denen von Selbstbestimmung keine 5
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sind für aktive Sterbehilfe gegenüber 56,6%, die sich für den Einsatz von Palliativmedizin und Hospizarbeit aussprechen, verfügbar unter: URL: www.hospize.de/texte/emnid 2000.htm. Nach wie vor grundlegend für das Verhältnis der EKD zur Thematik des Lebensendes sind die Ausführungen in: Gott ist ein Freund des Lebens, 105–110.
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Evangelische Kirche in Deutschland
Rede sein kann. Denn wenn das Ziel der Freigabe der aktiven Sterbehilfe die Ermöglichung eines „humanen Sterbens“ ist, mit welchem Recht enthält man dann dieser Gruppe ein solches Sterben vor? Hinter der Forderung nach Zulassung der aktiven Sterbehilfe steht wohl zumeist die Angst vor einem schweren und möglicherweise auch einsamen Sterben. Diese Angst sollte dahingehend ernst genommen werden, dass die Anstrengungen im Bereich der Palliativmedizin verstärkt werden. Dies gehört auch zu den zentralen Forderungen, die gegenwärtig im Hinblick auf eine Neuorientierung der Medizin erhoben werden. Außerdem ist noch einmal auf die große und wachsende Bedeutung der Hospizbewegung zu verweisen, die – neben und zusammen mit der Palliativmedizin – eine dem christlichen Glauben und seinem vom Geist der Liebe bestimmten Menschenbild angemessene Antwort auf die Angst vor dem schweren, einsamen Sterben darstellt. 6
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Das niederländische Beispiel belegt, dass diese Konsequenzen sich auch in der Praxis mit einer gewissen Folgerichtigkeit aus der rechtlichen Freigabe der aktiven Euthanasie ergeben. Auch im Blick auf das im Mai 2002 verabschiedete entsprechende belgische Gesetz wird auf dessen praktische Folgen zu achten sein. Seine Besonderheit besteht darin, dass es nicht ausschließlich eine medizinisch ausweglose Situation zur Bedingung der Zulassung von aktiver „Sterbehilfe“ macht, sondern diese auch ganz allgemein im Falle eines dauernden und unerträglichen physischen oder psychischen Leidens erlaubt. Dies dürfte auf die rechtlich und ethisch höchst problematische Praxis einer „Tötung auf Verlangen“ hinauslaufen, die, wie im Frühjahr 2002 das Beispiel der Britin Diane Pretty gezeigt hat, vor dem Europäischen Gerichtshof keine Akzeptanz findet. Hastings Center: The Goals of Medicine. Setting New Priorities, 1996.
Evangelisch Lutherische Kirche in Italien Einführung Konfession
evangelisch-lutherisch
Titel
Synodalvorlage zum Thema Euthanasie und Beschluss
Verfasser
Pfarrkonvent der Evangelisch Lutherischen Kirche in Italien
Herausgeber
Evangelische Lutherische Kirche in Italien
Veröffentlichungsjahr
2004 (3.3.2003, leicht revidierte Fassung 2004)
Adressatenraum
Italien
Veröffentlichung
Die kurze italienische Stellungnahme zählt zu den wenigen explizit lutherischen Stimmen in der kirchlichen Diskussion über den Umgang mit dem Lebensende. Der Text wurde auf der Synode 2003 in Catania verabschiedet und in leicht revidierter Form 2004 veröffentlicht. In der vorwiegend römisch-katholisch geprägten italienischen Gesellschaft, in der die Evangelisch-Lutherische Kirche in Italien (ELKI) eine Minderheit darstellt, herrscht weitgehende Übereinstimmung, dass für die als „eutanasia“ bezeichneten Fälle rechtlich keine Straffreiheit möglich sein soll. Aktive Sterbehilfe wird als Verstoß gegen das Fremdtötungsverbot geahndet, und auch das Motiv des Mitleids oder der explizite Wunsch des Sterbenden haben nur in sehr engem Rahmen strafmildernde Funktion. Die lutherische Kirche will zur erst seit den achtziger Jahren in Italien geführten gesellschaftlichen Diskussion eine dezidiert lutherische Position beitragen. Als Gegenüber zur römisch-katholischen Haltung lässt sich eine gewisse Profilierung der lutherischen Stellungnahme in der größeren Sensibilität für die mit dem Sterben häufig verbundenen Konflikte sehen: Zu den Zentren der Stellungnahme gehört darum weniger die Forderung nach eindeutigen Reglementierungen als nach der Bildung einer „Allianz gegen die Angst“. Damit öffnet sich die Stellungnahme so allen Betroffenen und Beteiligten, die in unterschiedlicher Weise und aus unterschiedlichen Perspektiven heraus Unsicherheiten ausgesetzt sein können. Wenn die ELKI gegen Ende der Stellungnahme außerdem die Existenz von Grenzsituationen unterstreicht, dann geht sie auch auf die Möglichkeit eines Gewissensentscheids für aktive Sterbehilfe ein. Ohne eine solche Entscheidung zu legitimieren, verweist die Kirche so vor allem auf die Notwendigkeit, die damit verbundene persönliche und gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Wer diese Schuld auf sich nimmt, ist der ELKI zufolge allein angewiesen auf Gottes Gnade.
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Evangelisch Lutherische Kirche in Italien
Synodalvorlage zum Thema Euthanasie und Beschluss Die Evangelisch Lutherische Kirche in Italien sieht sich dazu aufgerufen, einen Beitrag zur ethischen Urteilsbildung in der Frage der kontrovers geführten Euthanasie-Diskussion zu leisten. Folgende Gesichtspunkte zur christlichen Anthropologie und Ethik leiten uns bei unseren Überlegungen: 1) Der Mensch als Geschöpf Gottes ist wesentlich ein Sein in Beziehung. Er lebt in Beziehung zu sich selbst, zu den Mitmenschen, zu seiner natürlichen Umwelt und zu Gott. Ihn in erster Linie als autonomes Wesen zu definieren, erfasst daher nur eine Seite seines Seins und greift als Gesamtbeschreibung des Menschen zu kurz. Der Mensch ist immer und in allen seinen Lebensphasen auch ein angewiesenes, bedürftiges und abhängiges Wesen. Dass Gott sich seiner annimmt und seiner gedenkt (Ps. 8,5), ist seine Grundbestimmung. Von Gott her ist er unwiderruflich und bedingungslos bejaht, auch dann, wenn die Anerkennung und Bejahung durch andere Menschen widerrufen wird (wie es im Akt der Tötung geschieht). 2) Weil Gott die Beziehung zum Menschen herstellt, ist auch sein Personsein von Gott her zu verstehen. Nicht ich mache mich zu der Person, die ich bin. Mein Personsein ist dann aber auch nicht zerstörbar, wenn bestimmte Kriterien wegfallen. Der Personbegriff aus der angelsächsischen Tradition – der Mensch als rationales, selbstbewusstes Wesen, das Ich sagen kann, Vergangenheit und Zukunft, Wünsche und Ängste hat – ist theologisch gesehen defizient. 3) Eine Diskussion um den Wert eines Menschenlebens kann und darf es daher nicht geben. Der Mensch hat (so Kant) keinen Wert – diesen haben nur Sachen – sondern er hat Würde. Diese gilt unbedingt und wird nicht durch eigenes Handeln konstituiert. Dies meinen wir, wenn wir vom Primat der Gnade vor allem Handeln sprechen. Die aktive Euthanasie und die Beihilfe zum Suizid sind nicht Ausdruck der Freiheit des Individuums, sondern im Gegenteil Vernichtung dieser Freiheit, indem sie das Subjekt der Freiheit selbst vernichten (Kant). 4) Zum Wesen des Menschen gehört auch, dass er leidensfähig ist. Das bedeutet nicht, dass ihm vermeidbares Leiden zugefügt werden darf. Im Gegenteil: abwendbares Leiden muss abgewendet werden. Nicht alles Leiden ist jedoch vermeidbar. Die Illusion einer „Abschaffung“ des Leidens zerstört die menschliche Fähigkeit, leidensfähig zu werden und damit auch liebes- und beziehungsfähig. Als Christen haben wir keine Erklärung, keine Sinngebung und keine Rechtfertigung für das Leiden. Zum einen kämpfen wir wie Jesus gegen das menschliche Elend, zum anderen aber leben wir in der „Gemeinschaft der Leiden Christi“
Synodalvorlage zum Thema Euthanasie und Beschluss
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(Phil 3,10) und sind so „Teilhaber der Leiden“ (2.Kor. 1,7) mit der Verheißung, auch Teilhaber des Trostes zu sein. 5) Das Bild des gekreuzigten Christus zeigt uns, dass kein Leiden und keine Entstellung dessen, was uns ein wünschenswertes Leben zu sein scheint, die menschliche Würde vernichtet. Der Gekreuzigte steht gerade für deren Unantastbarkeit. Aus diesen Vorüberlegungen leiten wir folgende Konsequenzen ab: 1. Allianz gegen die Angst Die öffentliche Diskussion um die Ermöglichung der Beendigung von Leben unter medizinischem Aspekt ruft Unsicherheit und Angst hervor. Der Umgang mit dem Thema Tod und den ihn umgebenden Nöten ist ein Tabu in der westlichen Gesellschaft geworden. Betroffene und ihre Angehörige dürfen in dieser Situation nicht allein gelassen werden. Eine Hilfestellung in diesem Dilemma muss den Beteiligten bereits vorzeitig informieren, Schwellenängste abbauen und ihnen zur Ausbildung eines informierten Gewissens verhelfen, das sich auch in Grenzmomenten des Daseins in eine christliche abendländische Wertetradition gestellt weiß und sein Handeln an diesen Vorgaben ausrichten will. So richtet sich diese Stellungnahme sowohl an Betroffene, denen die Frage nach vorzeitiger Beendigung des Lebens durch biografische Ereignisse nahe rückt als auch an die an einem lutherischen Standpunkt interessierte Öffentlichkeit und postuliert eine „Allianz gegen die Angst“, die Sterbenden, Angehörigen und Ärzten in der Gesellschaft Sinnangebote und Ausführungsvorschläge für die Entwicklung einer eigenen Position anbietet. 1) Allen sich in das Gewand von Fortschritt und Freiheit hüllenden Forderungen nach Freigabe der aktiven Euthanasie sollen wir als Christen kritisch und wachsam gegenüber stehen. Eine Gesetzesveränderung nach niederländischem bzw. belgischem Modell halten wir für einen gefährlichen Weg. Das Tötungstabu, gerade den Schwächsten gegenüber, sollte in der Rechtsordnung verankert bleiben. Von daher lehnen wir jede Form der gesetzlichen Ermöglichung einer vorzeitigen Beendigung des Lebens ab. Wir teilen die Befürchtungen der niederländischen reformierten Kirchen, dass mit einer Liberalisierung der Gesetzgebung in dieser Frage eine schleichende Veränderung des gesellschaftlichen Klimas einhergeht. Wenn aktive Euthanasie eine normale Option wird, ist auf lange Sicht das Lebensrecht von Schwachen, Alten, Schwerkranken und Behinderten nicht mehr selbstverständlich. Die „schiefe Bahn“ ist längst betreten: das belgische Gesetz sieht Euthanasie auch für psychiatrische Patienten vor und solche, die sich nicht im terminalen Stadium einer Krankheit befinden. Die Grauzonen sind nicht verschwunden, sondern eher größer geworden; die Akzeptanz auch von unfreiwilliger Euthanasie ohne Einwilligung nimmt zu.
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Evangelisch Lutherische Kirche in Italien
2) Die Ängste der Menschen, nicht in Würde sterben zu können, sind ernst zu nehmen. Die angemessene Antwort darauf kann aber nicht die Freigabe der aktiven Euthanasie sein, sondern die Verbesserung palliativer Maßnahmen, effektive Schmerzbekämpfung, der Ausbau von häuslicher Pflege und Hospizen sowie eine stärkere Beachtung des Patientenwillens. Wir befürchten, dass die technische und billige Lösung der Euthanasie, zumal in Zeiten des Abbaus sozialer Leistungen in ganz Europa, die Bemühungen um eine menschliche Sterbebegleitung mit Hilfe der oben genannten Maßnahmen konterkarieren wird. Ein „Recht auf einen selbstbestimmten Tod“ gibt es nach christlichem Verständnis nicht, wohl aber das Recht, im Sterben nicht allein gelassen zu werden, das Recht auf Schmerzlinderung und Basisversorgung und auf menschlichen Beistand, der solidarisch um die eigene Ohnmacht angesichts des Todes weiß. Der Philosoph Emmanuel Lévinas spricht vom „ethischen Widerstand“, dem „Widerstand dessen, was keinen Widerstand leistet“ im Antlitz des Anderen, in dem mir der unbedingte Imperativ begegnet: „Du sollst mich nicht töten“ und „Du sollst mich im Sterben nicht allein lassen.“ 3) Als Christen bemühen wir uns um differenziertes Denken und genaues Unterscheiden in den zur Diskussion stehenden Fragen. Wir bestehen auf dem fundamentalen ethischen Unterschied zwischen „sterben lassen“ und „töten“, d.h. zwischen passiver und aktiver Euthanasie, auch wenn wir uns bewusst sind, dass es in der medizinischen Praxis strittige Situationen geben kann, z.B. in der Frage der Einstellung der künstlichen Ernährung bei Wachkoma-Patienten. Den Einsatz aller medizinisch möglichen Mittel in aussichtslosen Fällen („accanimento terapeutico“) lehnen wir ab; er wird auch von keinem ärztlichen Kodex gefordert. Entscheidend für die ethische Beurteilung ist nicht der physische Handlungsvorgang, sondern die Intention: im „Sterben lassen“ verzichtet der Arzt auf die Fortführung seiner Kunst in der Einsicht um die Grenzen der medizinischen Intervention, um der Natur ihren Lauf zu lassen; Ziel ist das „Sterben können“. In der aktiven Euthanasie behält er die letzte Gewalt über Leben und Tod; Ziel des Handelns ist die Herbeiführung des Todes. Dies widerspricht allen ärztlichen Kodices von der Antike bis heute. Wenn Euthanasie zum Handlungsrepertoire des Arztes wird, fürchten wir unabsehbare Konsequenzen für das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient. 4) Die Patientenrechte müssen gestärkt werden. Der Patient hat ein Anrecht auf vollständige und wahrheitsgemäße Information über seinen Zustand. Er hat das Recht, im vollen Bewusstsein der Konsequenzen eine Behandlung abzulehnen. Patiententestamente geben bei nicht mehr einwilligungsfähigen Patienten wichtige Anhaltspunkte für den mutmaßlichen Willen. Dennoch ist der Arzt nicht nur Erfüllungsgehilfe des Patientenwillens: es kann von ihm keine unethische Handlung wie die Tötung auf Verlangen erwartet werden.
Synodalvorlage zum Thema Euthanasie und Beschluss
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5) Wir verkennen nicht, dass es Grenzsituationen gibt. Diese müssen als Ausnahmen und Einzelfälle beurteilt werden und dürfen gerade nicht als Argument für eine Aufweichung des in der Rechtsordnung verankerten Tötungstabus dienen. Gerade eine äußerste Gewissensentscheidung für eine Handlung der aktiven Euthanasie oder der Suizidbeihilfe braucht den Schutz von Freundschaft und Intimität sowie die Bereitschaft, das Recht zu verletzen und die Konsequenzen auf sich zu nehmen – in der Hoffnung auf die Gnade Gottes und im Vertrauen, mit der verantworteten Entscheidung auch vor den weltlichen Gerichten bestehen zu können. für den Pfarrkonvent: Almut Kramm Catania, 3.März 2003
Protestantische Föderation in Frankreich Einführung Konfession
evangelisch
Titel
Euthanasie et assistance aux mourants: elements de réflexion
Verfasser
Ethikkommission der Protestantischen Föderation in Frankreich
Herausgeber
Protestantische Föderation in Frankreich
Veröffentlichungsjahr
2004
Adressatenraumraum
Frankreich
Veröffentlichung
URL: http://www.protestants.org/index.php?id =2040
Die protestantischen Kirchen stellen in Frankreich eine Minderheit dar. Ihnen gehören nur etwa 2% der Bevölkerung an, was sie nach der dominanten römischkatholischen Kirche und dem Islam zur drittgrößten Religionsgemeinschaft in dem laizistischen Land macht. Um der evangelische Stimme in Frankreich dennoch Gehör zu verschaffen hat sich 1905 anlässlich der Trennung von Staat und Kirche, die Fédération Protestante de France gegründet. Sie versammelt gegenwärtig 23 Kirchen, darunter auch zahlreiche evangelikale und Pfingstkirchen, sowie über 80 protestantische Gemeinschaften, Institutionen, Werke und Bewegungen Die 2004 veröffentlichte Erklärung „Euthanasie et assistance aux mourants: éléments de réflexion“ (Sterbehilfe und Sterbebeistand: Bestandteile der Überlegung) ist die aktualisierte Version einer Stellungnahme, die 1991 von der Ethikkommission des Kirchenverbands erarbeitet wurde. Die Notwendigkeit, sich erneut mit der Sterbehilfethematik zu befassen, ergibt sich 2004 für die Fédération Protestante aufgrund einer Debatte in der französischen Gesellschaft, die von dem medial viel beachteten Sterbehilfewunsch eines jungen Franzosen ausgeht. Das Verhältnis zur Gesellschaft gestaltet sich der Erklärung zufolge ambivalent: die Fédération Protestante wertschätzt die neue Sprachfähigkeit über das Lebensende und medizinische Errungenschaften wie die Palliativmedizin. Dagegen stellt sie die als vorherrschend beschriebene Tendenz in Frage, die Würde des Menschen an das moderne Bild des unabhängigen und selbstgewissen Individuums zu binden, das auch über den Tod zu herrschen beansprucht. Die Erklärung konstatiert, dass Protestanten in der Debatte um das Lebensende individuelle Positionen vertreten, die von der scharfen Kritik jeder Rechtfertigung der Sterbehilfe bis zum Verständnis für die Bitte eines Sterbenden
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reichen. Angesichts solcher Divergenzen fordert der Verband gerade auf europäischer Ebene ausführlichere Debatten statt vorschnell verabschiedeter Gesetze. In seinem Wunsch nach einer stärkeren Wahrnehmung der Vielfalt der ethischen Traditionen in Europa spiegelt sich die Selbstwahrnehmung als eine Minderheit, die sich gegen dominant wahrgenommene gesellschaftliche und politische Trends behaupten will.
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Protestantische Föderation in Frankreich
«Euthanasie et assistance aux mourants»: éléments de réflexion 1 La médiatisation des conditions de la mort de Vincent Humbert, ce jeune homme devenu tétraplégique, aveugle et muet à la suite d’un grave accident, a relancé le débat sur la nécessité ou non de légiférer sur la question de l’euthanasie. Que penser de la revendication du « droit à mourir » ? Cette question se pose, en particulier dans les services hospitaliers, quand les circonstances semblent rendre la vie insupportable. L’histoire de Vincent Humbert rejoint celle de patients qui souhaiteraient que le geste de ceux qui les aideraient à mourir soit complètement dépénalisé. Est-on en droit par le truchement d’une loi de décider des conditions requises pour quitter la vie ? Enfin on ne peut ignorer que ce débat se mène sur un fond de vieillissement de la population française et de crise du système de santé. 1. La mort enfin regardée, les soins palliatifs Trop longtemps, la mort a été refoulée dans les marges de nos vies et de nos sociétés. On peut donc se réjouir de ce que la mort ne soit plus considérée comme l'échec d'une technique médicale, mais que l'on puisse en parler, comme d'une limite toute simple aux pouvoirs de la médecine. Ces pouvoirs existent, mais la mort n'est pas une maladie: les soins ici ne viseront pas à guérir, mais à pallier la vie qui défaille, à alléger les souffrances. Depuis la loi Kouchner du 9 juin 1999, les soins palliatifs sont un droit mais, de l’avis des experts, le nombre de médecins formés dans ce domaine reste insuffisant, la formation est donc à développer. Les bénévoles formés jouent aussi un rôle important qui doit être encouragé. Les unités de soins palliatifs font ce travail admirable de réinsérer le mourant dans le simple tissu de paroles et de gestes qui fait la vie humaine; encore un peu trop en marge des autres services, et sans avoir encore assez les moyens de développer ces soins à domicile (mais que faire quand les hôpitaux ni les familles n'y sont pas prêts ?), ces centres reçoivent des malades que l'on a renoncé à guérir. Avec les progrès de ]a neurochimie, et des neurosciences en général, la souffrance persistante devient l'exception (2 % environ). C'est là un usage des produits neurologiques que l'on ne saurait condamner, contrairement à ceux qui risquent de se développer dans une société déjà habituée à l'automédication, et où la double quête de la performance et de l'absence de gêne ne connaît plus de borne. Ici, il ne s'agit pas de satisfaire un fantasme: toute souffrance qui peut être évitée doit l'être. Cela ne veut pas dire que nous puissions espérer un jour "nier" la souffrance, mais que nous devons tout faire pour la combattre. Il y a donc le petit nombre de souffrances que l'on ne peut soulager, et qui ne sont pas toutes des souffrances physiques. C'est ici que le problème de l "euthanasie" se 1
Ce texte est une actualisation du document de la Commission d'éthique (FPF) de juin 1991
«Euthanasie et assistance aux mourants»: éléments de réflexion
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greffe sur celui de l'assistance aux mourants: ]à où les soins palliatifs sont mis en échec. Là aussi où leur succès n'a pu mettre fin à l'irréductible douleur de l'angoisse. Encore faut-il qu'ils aient été tentés, et l'on sait que dans ces cas-là les demandes d'euthanasie sont plus rares. Elles existent néanmoins, et leur seule dénégation serait immorale. 2. L'euthanasie et la vie "digne" On présente souvent la demande d euthanasie comme formulée par un malade, lorsqu'il a perdu le sentiment que sa vie est "digne" d'être vécue. Il n'est pas inutile toutefois de remarquer que toutes les souffrances morales ne sont pas concentrées sur le souci de "dignité", et que c'est souvent plutôt d'amour dont les mourants ont soif. Restent ces situations où la personne ne sent pas sa vie comme "digne" d'être vécue. Cette question est une vraie question, qui de près ou de loin rejaillit sur l'entière condition humaine. Mais de quelle "dignité" s'agit-il? Aujourd'hui, on place trop cette dignité dans une image de l'Homme, qui est celle de l'individu moderne, assuré de sa forme physique et de sa formation professionnelle, de sa conscience, sujet maître de ses objets et mesure du monde. Jamais morale ne fut plus impérieuse et plus normative que celle-là! La revendication d’un « droit à mourir » peut être perçue par les personnes en état de faiblesse comme une pression sociale insidieuse en faveur de leur suppression, un « devoir de mourir » . Après l’affaire Humbert plusieurs personnes handicapées ont témoigné de l’angoisse que suscitait en elles la médiatisation d’une telle revendication. Il n'est pas possible de dire que c'est le niveau de conscience qui définit l'être humain. Comme si l'image de la dignité était toujours la même, à tous les âges, pour tous les types de maladies ou simplement d'existences! Là où cette image de la dignité se met à trembler, on découvre des dignités qui ne tiennent ni à une "conscience" ni à une "forme", mais qui attestent que tout "corps" peut aussi être sujet, et que nous n'en savons rien. Pour nous la dignité est d'être à l'image de Dieu. C'est pourquoi, cette dignité n'est à la libre disposition de personne, et nul ne peut en administrer le critère (pas même les Églises) ! La responsabilité éthique du malade doit demeurer. La loi du 4 mars 2002 qui permet au malade de refuser une obstination thérapeutique déraisonnable doit être respectée. En revanche la revendication d’un « droit à mourir » brouille le débat en centrant l’attention sur la situation de celui qui n’en peut plus de vivre alors que le véritable problème est celui de la responsabilité, devant la loi, de celui qui aide à mourir. Aucune loi ni aucune instance morale ne peut prétendre supprimer la responsabilité éthique du patient, des médecins, et de l'entourage; ni en légalisant la pratique de l'euthanasie, ni en l'interprétant systématiquement comme un meurtre. Dans les deux cas d'ailleurs, de graves dérives seraient possibles.
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Protestantische Föderation in Frankreich
3. Le refus d'une maîtrise de la mort Ce que les protestants s'accordent probablement à trouver inquiétant, dans l'euthanasie, c'est la prétention à disposer totalement de soi, à être encore le sujet actif de sa vie jusque dans la mort, et de faire de celle-ci un acte, une décision (et non quelque chose que l'on subit ou que l'on reçoit). Cette euthanasie, derrière les apparences, correspond exactement à l'acharnement thérapeutique auquel elle s'oppose: c'est le même activisme par lequel les humains refusent leurs limites, et veulent rester les maîtres. 4. L'écoute d'une détresse interminable Certains protestants, néanmoins, pensent qu'une demande doit être entendue, qui n'est pas la décision d'en finir, mais la supplication par laquelle le mourant demande que son temps ne soit plus rongé par le caractère interminable de sa douleur ou de sa déchéance. Or la loi, non plus que la morale ni aucune thérapeutique ne peut rien sur un désespéré; le vouloir-vivre ne se commande pas. Il ne nous appartient pas d'en juger. Il nous appartient d'autant moins d'en juger que par là le mourant ne juge rien, ne décide rien: il demande simplement la mort. Elle n'est pas pour lui un acte, mais le consentement à autre chose que soi, l'acceptation d'aimer soi-même comme un prochain. 5. Pluralité éthique et commune législation On le voit, de même que la "dignité" est une notion équivoque et qu'il faut utiliser avec prudence et sollicitude, la notion d'"euthanasie", même si elle reste en ellemême fondamentalement ambiguë, recouvre des situations et des demandes très diverses. Entre la critique de toute prétention à justifier l'euthanasie, et la compréhension d'une demande du mourant qui ne peut être jugée, les protestants peuvent diverger. Et ils ont quelques raisons de le faire, car on ne voit pas comment trancher aisément ce débat qui est un vrai débat C'est pourquoi il ne faut pas légiférer trop vite sur ces questions-là. A l'échelle européenne, en outre, on a parfois le sentiment que les contradictions qui nous scandalisent tiennent davantage à des questions de langage et de culture qu'à des questions de fond. C'est pourquoi nous souhaitons un certain souci de ]a diversité des traditions éthiques vivantes en Europe, avant que les groupes de pression correspondant aux sociétés et aux cultures dominantes n'aient trop marqué de leur empreinte la législation commune. Nous devons garder le sens de l'écart entre l'éthique et le droit.
«Euthanasie et assistance aux mourants»: éléments de réflexion
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6. Nous retenons que 1) Depuis la loi Kouchner du 9 juin 1999, les soins palliatifs sont un droit mais le nombre de médecins formés dans ce domaine reste insuffisant. Les soins palliatifs doivent donc être développés et encouragés; 2) Certains meurent abandonnés ce qui accroît leurs souffrances. Nous encourageons le développement d’un bénévolat formé à l’accompagnement des mourants. 3) A l'occasion des souffrances irréductibles par ces soins palliatifs, le débat sur la "vie digne" doit être l'occasion de remettre en cause l"'image de l'humain" que nos sociétés ont développée ; 4) Nous disons notre inquiétude devant une logique comptable des dépenses de santé qui peut pousser à une euthanasie pour raisons économiques. 5) Les protestants s'accordent généralement à penser qu'une certaine euthanasie est la réplique exacte de l'acharnement thérapeutique, la prétention humaine à rester les "maîtres" ; Certains toutefois pensent qu'une demande du mourant, d'être délivré d'un vain combat, doit être écoutée et non jugée ; nous nous accordons en tous cas à dire que, conformément à la loi sur le droit des malades, doit être respecté celui pour le malade de refuser une obstination thérapeutique déraisonnable. 6) Nous mettons en garde contre l’évacuation de la responsabilité de celui qui choisit de donner la mort. Aucune loi ni instance morale ne doit supprimer la responsabilité pénale et éthique des médecins et de l’entourage. 7) Nous encourageons la prise de décision transparente par et collégiale des équipes médicales avec l’accord des familles. Nous appelons les Églises à réfléchir en commun à ces questions, et à être les témoins de ce que le débat est vital pour toute communauté. Conformément aux paroles du Christ « J’étais malade et vous m’avez visité », nous les appelons aussi à agir, en s’engageant dans l’accompagnement ou dans le soutien aux initiatives d’accompagnement de ceux dont la faiblesse et la souffrance nous appellent à un amour coûteux. Source(s) : FPF (Federation Protestante de France) Date de parution : 28 mai 2004
Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund Einführung Konfession
evangelisch
Titel
Das Sterben leben. Entscheidungen am Lebensende aus evangelischer Perspektive
Verfasser
Frank Mathwig
Herausgeber
Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund
Veröffentlichungsjahr
2007
Adressatenraum
Schweiz
Veröffentlichung
SEK-Position 9, hg. v. Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund, Bern 2007. URL: http://www.sek-feps.ch/shop/product_ info.php/info/p353_Das-Sterben-leben.html
Als immer nur vorläufige Beiträge in einer „unabschließbaren gesellschaftlichen Diskussion“ beschreibt der Schweizerische Evangelische Kirchenbund (SEK) auf seiner Homepage den Charakter (www.sek-feps.ch) seiner Stellungnahmen zur Sterbehilfe, die 2007 um die ausführliche Broschüre „Das Sterben leben“ bereichert wurden. Diesem Zugang entsprechend intendiert der Text der SEK weniger, die kirchliche Position als Norm und Maß für christliches Handeln darzustellen, als zur Beschäftigung mit dem Lebensende zu ermuntern. Mit deutlichem theologischethischem Bildungsanspruch gibt „Das Sterben lernen“ den Lesern zur individuellen christlichen Urteilsbildung orientierende „Bausteine“ (Kap. 4), viele zu klärende Fragen, veranschaulichende Grafiken und weiterführende Literatur an die Hand. Außergewöhnlich für eine kirchliche Stellungnahme ist, dass der Text explizit nicht von einer Arbeitsgruppe, sondern allein von einem Autor, dem theologischen Ethiker und Mitarbeiter der SEK-Abteilung Institut für Theologie und Ethik, Frank Mathwig, verfasst und der Entstehungsprozess durch andere Ethiker lediglich kritisch begleitet wurde. Der spezifischen Schweizer Situation wird dadurch Rechnung getragen, dass mit der Sterbehilfethematik auch zugleich die Frage nach Beihilfe zum Suizid erörtert wird, wobei Mathwig auf eine differenzierte Betrachtung Wert legt. Als gemeinsames Zentrum beider Konfliktfelder identifiziert er die Spannung zwischen Lebensschutz, Autonomie und Fürsorge. Inhaltlich programmatisch lässt sich das dem Text vorangestellte Zitat von Henning Luther zur Bruchstückhaftigkeit des Lebens lesen: Wiederholt hebt „Das Sterben lernen“ die Konflikthaftigkeit des Sterbens hervor, die sich aus der Gebrochenheit und Fragmentarität jedes Lebens
Einführung
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ergibt und dem Wunsch nach einfachen oder prinzipiellen Lösungen eine Absage erteilen muss. Die Ablehnung moralisierender Handlungsanweisungen zeigt sich auch in der mehrfachen Betonung, dass menschlicher Beistand und die Sorge um den Nächsten nicht im Sinne ethischer Richtigkeit, sondern als Hinwendung zum Nächsten grundsätzlich geboten seien.
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Das Sterben leben. Entscheidungen am Lebensende aus evangelischer Perspektive «Unsere Tage zu zählen lehre uns, damit wir ein weises Herz gewinnen.» Ps 90,12 «Die nicht vorhersehbare und planbare Endlichkeit des Lebens, die jeder Tod markiert, lässt Leben immer zum Bruchstück werden.» Henning Luther 1. Einleitung I.
Sterben zwischen Schicksal und Entscheidung
Sterben und Tod sind seit geraumer Zeit wieder Themen öffentlicher Diskussionen. Früher begegneten den Menschen Krankheit, Leiden, Sterben und Tod mehr oder weniger als unausweichliches Schicksal, das angenommen werden musste, weil die Menschen solchen Erfahrungen hilflos und ohnmächtig ausgeliefert waren. Heute tritt neben die Angst vor dem Schicksalhaften zunehmend die Furcht vor dem Machbaren. „Woran darf der Mensch noch sterben?“, lautet die provozierende Frage in einer Gesellschaft, in der Lebensanfang, -verlauf und -ende wesentlich durch ihre zivilisatorischen Entwicklungen und wissenschaftlich-technologischen Möglichkeiten geprägt sind. Die Ohnmacht gegenüber dem Sterben hat ihren Schrecken damit nicht verloren. Heute erschrecken wir aber immer mehr auch umgekehrt über die menschliche Handlungsmacht auf der Schwelle des Todes. Unsicher schauen wir auf Sterben und Tod wie der Zauberlehrling, der die Geister, die er rief, nicht mehr loswurde. In einer Zivilisation, die durch vorher nie da gewesene Handlungs- und Eingriffsmöglichkeiten geprägt ist, verlieren auch Sterben und Tod ihre „Natürlichkeit“. Natürlich ist der Mensch sterblich. Aber wie stirbt er „natürlich“ und wie sollte er „natürlich“ sterben? Ganz selbstverständlich übernehmen wir Verantwortung für unsere Existenz. Wir planen, organisieren und gestalten unser Leben – vom Beginn bis zum Schluss. Lebensanfang und Lebensende werden damit selbst zu komplexen Entscheidungssituationen. Diese Einsicht steht am Anfang der gesellschaftlichen Fragen nach Sterben und Tod. Auch wer sie grundsätzlich ablehnt, kommt nicht darum herum, sich in einer Welt, in der kaum noch etwas „von selbst“ passiert, zu entscheiden.
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Wir haben nicht die Wahl, ob wir entscheiden wollen oder nicht. Wir können lediglich zwischen vorhandenen Möglichkeiten wählen. Insofern stehen die aktuellen Sterbehilfedebatten symptomatisch für eine Gesellschaft, in der mit dem Anwachsen der Möglichkeiten immer mehr entschieden und verantwortet werden muss. Auch die Kirchen sind gefordert, ihren Beitrag zu den Prozessen gesellschaftlicher Entscheidungsfindung zu leisten. Die Fragen zurückzuweisen, würde bedeuten, sich ins Abseits zu stellen und jene allein zu lassen, die damit konfrontiert sind und um konkrete, verantwortbare Entscheidungen ringen. Dabei muss jedes Nachdenken über das Sterben stets die unüberschreitbare Differenz zwischen dem Nachdenken über das Sterben und der Lebenslage von Sterbenden, Sterbewilligen und deren Angehörigen im Blick behalten. Die Not des Sterbens spiegelt sich heute auch in der Unausweichlichkeit, im Sterben entscheiden und das Sterben gestalten zu müssen. In diesem Licht stellt sich auch die Frage nach der christlichen Fürsorge und dem Eintreten für Sterbende und Sterbewillige. Die Wirklichkeit Ernst zu nehmen bedeutet, die Sterbenden selbst, ihre Angehörigen und all jene, die in Beruf und ehrenamtlich Sterbende begleiten, in den Mittelpunkt zu stellen. Als Teil des Lebens muss das Sterben gelebt und verantwortet werden. II.
Sterben in der modernen Gesellschaft
Wir leben immer länger. Trotz chronischer und Mehrfacherkrankungen eröffnen sich uns realistische und zukunftsfähige Lebensperspektiven bis ins hohe Alter. Wir überleben immer mehr kritische Zustände und können selbst mit schwer reduzierten Gesundheits- oder Allgemeinzuständen weiterleben. Die Frage, ob wir länger leben oder doch „nur“ länger sterben, muss jede und jeder für sich selbst beantworten. Unbestreitbar werden – dank moderner Medizin und Pharmakologie – die Sterbeprozesse länger. Damit rücken sie stärker ins Bewusstsein, nehmen mehr Raum im Leben ein und werden intensiver und manchmal auch massiver erlebt. Schließlich wird das Sterben mit der wachsenden Bedeutung von Patientenverfügungen zu einem selbst zu verantwortenden Entscheidungsraum. Zugleich können Menschen manchmal nicht sterben, obwohl sie den Tod herbeisehnen. Und manchmal dürfen sie nicht sterben, weil ihr Leben von den Entscheidungen, dem Handeln und der Verantwortung anderer abhängt. Die meisten Menschen sterben heute in medizinischer Begleitung. Jeder zweite Todesfall in der Schweiz steht inzwischen im Zusammenhang mit der Einstellung einer medizinischen Behandlung. Das eine gibt es nur um den Preis des anderen: Mit der Zunahme der durchschnittlichen Lebenserwartung verlängern sich auch die zum Leben gehörenden Phasen von Krankheit und Siechtum. Freilich, auch hier ermöglicht die moderne Medizin heute Vieles. Sie kann den Tod immer weiter hinauszögern. Sie kann häufig sehr wirkungsvoll Schmerzen lindern und psychische Qualen mildern. Sie kann zu Selbstbestimmung und Lebensqualität in solchen Situationen beitragen, die früher nur hilfloses, passives Warten auf den Tod zuließen. Sie kann auch
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das Sterben verkürzen. Nur Eines kann die moderne Medizin nicht: Sie kann dem Menschen nicht sein Sterben ersparen. Wir leben – und sterben – in einer Gesellschaft, die immer höhere Erwartungen und Anforderungen an unsere Flexibilität stellt. Heute werden viele Aufgaben delegiert, die früher ganz selbstverständlich von und in der Familie geleistet wurden. Immer mehr Menschen sterben fernab von zuhause, in Krankenhäusern und Heimen. Der so genannte ‹soziale Tod›, die Vereinsamung, das Herausgerissensein aus vertrauten Lebenswelten, geht dem physischen Tod häufig voraus. Die Taktfrequenz des aktiven Lebens, die Herausforderungen in Beruf und Freizeit, passen nicht zu dem schwächer werdenden, langsam seinem Ende entgegengehenden Leben. Wir haben nicht die Zeit oder wir nehmen uns nicht die Zeit und wenn die Zeit kommt, wird sie oft zu einem scheinbar endlos währenden, bedrückend einsamen Zustand. Schließlich wird mit den einzelnen Menschen auch die Gesellschaft zunehmend älter. Der demographische Wandel, die Zunahme der Betagten und Hochbetagten bei gleichzeitiger Abnahme jüngerer Bevölkerungsanteile, verschärfen die eben skizzierten Probleme noch einmal. Die gesellschaftlichen Ressourcen – sowohl die finanziellen wie das soziale Engagement – sind begrenzt. Die Finanzierung der Pflege bei degenerativen Erkrankungen mit langer Lebenserwartung (etwa Demenz, Alzheimer) wirft große sozial- und finanzpolitische Probleme auf. Immer häufiger wird deshalb die Frage nach den Grenzen der Finanzierbarkeit des Alters gestellt. Auch in der öffentlichen Sterbehilfediskussion wächst die Bedeutung ökonomischer Aspekte. Zu alt, zu krank, zu hilfsbedürftig, zu teuer? So hart das klingt, so real sind die gesellschaftlichen Herausforderungen dahinter und die politischen Debatten darüber. 2. Sterbebegleitung, Sterbehilfe und Suizidbeihilfe Die Auseinandersetzungen um Sterbebegleitung, Sterbehilfe und Suizidbeihilfe in der Schweiz sind in besonderer Weise geprägt durch die organisierte Suizidbeihilfe. Die engere medizinethische Diskussion um Sterbebegleitung und ‑hilfe wird vielfach überlagert von den öffentlichen Debatten um die – vor allem von Sterbehilfeorganisationen – angebotene Suizidbeihilfe. Obwohl sich die Tätigkeitsfelder in der Praxis an manchen Stellen überlagern können, ist ihre begriffliche und sachliche Unterscheidung für die ethische Reflexion unverzichtbar. I.
Geltungsbereich
1. Die Ausdrücke „Sterbehilfe“ und „Sterbebegleitung“ beziehen sich auf Entscheidungen und Handlungen bei und an Sterbenden. Sie betreffen ausschließ-
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lich die letzte Lebensphase. Die Ausdrücke „Sterbehilfe“ und „-begleitung“ betonen die Sterbesituation der Person, an der gehandelt wird. 2. „Suizidbeihilfe“ bezeichnet alle Handlungen an und mit sterbewilligen Menschen, unabhängig davon, ob sie sich im Sterbeprozess befinden oder nicht. Der Ausdruck „Suizidbeihilfe“ fokussiert auf den Willensausdruck und -entschluss einer Person, zu sterben. II.
Tätigkeitsfelder
2.II.1 Sterbebegleitung (Hilfe beim Sterben) In bewusster Abgrenzung zur Sterbehilfe versteht sich Sterbebegleitung oder Palliativ Care als im weitesten Sinne ganzheitliche Betreuung und Begleitung von Sterbenden (palliativ von lat. pallium = Mantel und palliare = lindern). Palliative Care – hervorgegangen aus der in den 1960er Jahre von Cicely Saunders gegründeten Hospizbewegung – bemüht sich darum, dass der sterbende Mensch und sein soziales Umfeld den Sterbeprozess als bewusste, sozial integrierte Lebensphase mit möglichst hoher Lebensqualität leben und erleben können. In der Praxis gehen Sterbebegleitung und passive Sterbehilfe häufig fließend ineinander über. Beide Begriffe betonen eher verschiedene Aspekte eines Konzepts des Umgangs mit Sterbenden. 2.II.2 Sterbehilfe (Hilfe zum Sterben) 1. Passive Sterbehilfe: Behandlungsabbruch oder Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen unter Beibehaltung von Pflege und Schmerztherapie 2. Indirekte Sterbehilfe: Schmerzlindernde, sedierende Behandlung unter Inkaufnahme einer (nicht angestrebten) Lebensverkürzung 3. Aktive Sterbehilfe/Tötung auf Verlangen: Zielgerichtete und aktive Beschleunigung oder Herbeiführung des Todeseintritts (gegenüber der indirekten Sterbehilfe ist der Tod als Handlungszweck beabsichtigt) 2.II.3 Suizidbeihilfe Suizidbeihilfe wird vor allem – aber nicht ausschließlich – von Sterbehilfeorganisationen angeboten und durchgeführt. Sie betrifft alle assistierenden Handlungen zur Umsetzung des Sterbewunsches sterbewilliger Personen. In den meisten Fällen geht es dabei um die Feststellung und Versicherung der Ernsthaftigkeit und Zurechenbarkeit des Sterbewunsches, die Erörterung alternativer Handlungsoptionen, die Rezeptausstellung des Barbiturats „Natrium-Pentobarbital“ sowie vorbereitende
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Tätigkeiten für die – von der sterbewilligen Person selbst auszuführende – Suizidhandlung. III.
Rechtliche und standesethische Regelungen
Tötung auf Verlangen ist nach Art. 114 StGB – unabhängig von den Motiven – strafbar. Art. 115 StGB erkennt die Strafwürdigkeit der Beihilfe zum Selbstmord grundsätzlich an. Die Strafbarkeit wird aber auf Handlungen aus eigennützigen Motiven beschränkt. Wichtig ist: – Der Suizid ist eine Selbsttötungshandlung, die tatherrschaftlich und eigenverantwortlich durch die sterbewillige Person ausgeführt wird. – Die Anwendung von Art. 115 StGB setzt voraus, dass der Suizidwillige in der Lage ist, die Bedeutsamkeit seines Vorhabens zu erkennen und sich dazu zu verhalten. – Die Beihilfe zum Suizid ist strafbar, wenn eine Drittperson vorsätzlich und aus „selbstsüchtigen Beweggründen“ den Entschluss zum Selbstmord hervorruft oder dessen Ausführung unterstützt. Unter diesen Bedingungen kann jede Person Suizidbeihilfe leisten. Viele Möglichkeiten der Sterbehilfe werden aber nicht explizit durch Strafnormen erfasst. Deshalb haben die Nationale Ethikkommission im Bereich Humanmedizin (NEK) und die Zentrale Ethikkommission (ZEK) der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) ethische Richtlinien zum Umgang mit Sterbenden und Sterbewilligen entwickelt (siehe Literaturhinweise am Schluss). Die NEK- und SAMW-Dokumente gehen von der Unterscheidung zwischen der rechtlichen Legalität und ethischen Legitimität von Entscheidungen und Handlungen aus. Je mehr Handlungsspielräume das Recht einräumt, desto größer wird der ethische Entscheidungsbedarf. Denn nicht alles, was rechtlich zulässig ist, lässt sich auch in jedem Fall moralisch und ethisch begründen oder rechtfertigen. Die Freiheiten, die das Recht einräumt, verschärfen die Notwendigkeit und Dringlichkeit ethischer Reflexion. Die ethischen Empfehlungen und Richtlinien behandeln das weite Feld von Entscheidungen am Lebensende. Es geht um Fragen nach dem Adressatenkreis von Sterbe- und Suizidbeihilfe sowie danach, welche Handlungen und Unterlassungen in welchen Situationen und unter welchen Bedingungen ethisch vertretbar sind oder nicht. Ausgangspunkt und Zentrum der Überlegungen bilden die Anerkennung, Achtung und Beachtung sowie der Schutz des Selbstbestimmungsrechts jeder Person unabhängig von ihrem gesundheitlichen, kognitiven, mentalen und psychischen Zustand. Sachliche Leitgesichtspunkte (Minimalbedingungen) für die Entscheidungsfindung sind:
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– Die betroffene Person befindet sich in einer Krankheitsphase, die aller Voraussicht nach bald zum Tod führen wird (SAMW) oder das krankheitsbedingte Leiden ist so groß, dass ein Weiterleben unerträglich geworden ist (NEK). – Der Suizidwunsch darf kein Symptom der Erkrankung selbst (z. B. Depression) sein (NEK). – Alternative Optionen (Palliative Care) wurden mit der betroffenen Person vorher intensiv erörtert (‹informed consent›) oder sind ausgeschöpft (SAMW). Die sterbewillige Person entscheidet sich in genauer Kenntnis der Alternativen (ärztliche Behandlung, Sozialhilfe, Therapie) für den assistierten Suizid (NEK). – Die sterbewillige Person ist urteilsfähig, ihr Sterbewunsch ist wohlerwogen, ohne äusseren Druck entstanden, dauerhaft und konstant. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen wird von einer unabhängigen Drittperson eingehend und über einen bestimmten Zeitraum kontinuierlich geprüft. – Eine unabhängige Zweitmeinung bestätigt das Urteil (NEK). Zugleich werden auch die Grenzen ethischer Richtlinien aufgezeigt. Suizidbeihilfe gehört – gemäß den Richtlinien der SAMW – nicht zu den ärztlichen Aufgaben, „weil sie den Zielen der Medizin widerspricht“. Was aber, wenn ein Patient die ihn betreuende Ärztin um Suizidassistenz bittet? Eine solche Konfliktsituation erfordert nach Auffassung der SAMW „eine persönliche Gewissensentscheidung des Arztes“, die – bei Einhaltung der Sorgfaltskriterien – unabhängig vom Ergebnis „zu respektieren“ ist. Konkrete Entscheidungen über Leben und Tod können durch keine Richtlinie oder Entscheidungsroutine vorweg- oder abgenommen werden. Daher enthalten sich die Richtlinien jeglichen moralischen Urteils. Die folgende Tabelle fasst wesentliche Unterscheidungsmerkmale zwischen Suizidbeihilfe und Sterbehilfe zusammen.
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Kriterium
Suizidbeihilfe
Sterbehilfe
sterbende/sterbewillige Person Geltungsbereich
prinzipiell unbeschränkt
Patienten in der letzten Lebensphase
Urteilsfähigkeit
vorausgesetzt
nicht zwingend vorausgesetzt
Handlungsfähigkeit
vorausgesetzt
nicht zwingend vorausgesetzt
Sterbewunsch
vorausgesetzt
nicht zwingend vorausgesetzt
Begründung
autonomer, anhaltender (nicht affektgeleiteter, momentaner) und reflektierter Willensentscheid
Patientenverfügung, autonomer Willensentscheid (nicht zwingend und nicht hinreichend), mutmaßlicher Wille, wohlverstandenes Interesse
assistierende Personen/Medizinpersonal Handlungsmotiv
Respekt/Fürsorge/Solidarität
Respekt/Fürsorge/ Schmerzlinderung/ärztliche, therapeutische, pflegerische Verantwortung bzw. Rollen- und Selbstverständnis
Handlungskompetenz
Suizid-Assistenz
passive/indirekte/(aktive) Sterbehilfe
Handlungs- und Rechtsgrundlage
Art. 114 und 115 StGB
Art. 114 und 115 StGB/Standeskodizes/ethisch e Richtlinien
Abb. 1: Zur Unterscheidung von Suizidbeihilfe und Sterbehilfe
3. Ethische Fragestellungen Woran können und sollten sich Entscheidungen über Sterbehilfe und Suizidbeihilfe in konkreten Situationen orientieren? So richtig und wichtig es ist, persönliche Gewissensentscheidungen zu respektieren und zu schützen, so wenig dürfen schwierige Entscheidungen am Lebensende auf individualethische Fragen reduziert werden. Eine angemessene Problemwahrnehmung und Entscheidungsfindung muss die Komplexität solcher Lebenssituationen und die damit verbundenen gesellschaftlichen Wirkungen transparent machen. So isoliert und einsam ein Sterben empfunden und erlebt werden kann, so wenig findet Sterben jenseits der Gesellschaft statt. Gerade die Asozialität des Sterbens und die Ausgrenzung der Sterbenden sind durch und durch gesellschaftliche Phänomene.
Das Sterben leben. Entscheidungen am Lebensende aus evangelischer Perspektive
I.
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Komplexe Entscheidungssituationen
Entscheidungen am Lebensende sind in ein Netz komplexer persönlicher, sozialer und institutionalisierter Beziehungen und Strukturen, wechselseitiger Erwartungen, normativen Orientierungen sowie politischer und rechtlicher Rahmenbedingungen eingebunden. Individual- und sozialethische, politisch- und rechtsethische Überlegungen stehen einer unauflösbaren Verbindung. – – – – – – – – –
sterbende und sterbewillige Personen Angehörige soziales Umfeld Professionals (etwa Ärzte, Pflegekräfte, Therapeutinnen, Seelsorgerinnen, Sozialarbeit) ehrenamtlich Tätige (etwa Sterbehilfe- und Hospizorganisationen) Politik Kirchen Recht Öffentlichkeit Abb. 2: Gesellschaftliche Akteure
Dabei kommen – in den öffentlichen und fachethischen Diskussionen – ganz verschiedene normative Orientierungen ins Spiel: – – – – – – – –
Persönlichkeits- und Schutzrechte Autonomieprinzip (Selbstbestimmung und -verantwortung) Respekt und Fürsorge(pflichten) Solidarität mit Hilfsbedürftigen, Ausgegrenzten, Alten, Kranken, Leidenden, Sterbenden medizinethische Prinzipien (Respekt vor der Autonomie, Wohltun, NichtSchaden, Gerechtigkeit), informed consent-Prinzip, berufliche Standesregeln caring-Prinzipien, Empathie gesellschaftliche Normen und Wertvorstellungen (Freiheit, Tötungsverbot, Solidarität ...) soziale und politische Gerechtigkeit Abb. 3: Normative Orientierungen
Hinsichtlich der aufgeführten Nomen und Prinzipien besteht in unserer Gesellschaft weitgehend Übereinstimmung. Sie werden in den aktuellen Diskussionen über Entscheidungen am Lebensende kaum Gegenstand grundsätzlicher Kontroversen. Im Kern bewegen sich die ethischen Debatten im normativen Dreieck von Lebensschutz (Tötungsverbot, Lebensrettung, -erhaltung und -bewahrung), Autonomie (Selbstbestimmung, -verantwortung und Respekt gegenüber der Freiheit der
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und des anderen) und Fürsorge (Solidarität, Empathie, Unterstützung, Stellvertretung). Jede Entscheidung hat diese drei Prinzipien zu berücksichtigen. Das aus dem Autonomieprinzip abgeleitete Selbstbestimmungsrecht kann nicht beliebig die Verpflichtung, Leben zu schützen, außer Kraft setzen. Der Einsatz für den Schutz des Lebens darf nicht das Autonomieprinzip aushebeln. Fürsorgepflichten dürfen nicht die Autonomie einer jeden Person ignorieren. Und die Schutzpflichten für das Leben lassen sich nicht dadurch umgehen, dass den Wünschen und Bitten einer anderen Person unreflektiert nachgekommen wird. Die Eigenart, Bedeutung und das Gewicht der drei Prinzipien besteht gerade in ihrer wechselseitigen Bezogenheit (Relationalität). Jede Absolutsetzung eines Prinzips auf Kosten der anderen oder jede Eliminierung eines Prinzips zugunsten der anderen würden Gehalt, Sinn und Funktion aller drei Prinzipien verändern oder auflösen.
II.
Normative Konflikte
Die drei Prinzipien sind in unserer Kultur, unserem Denken und Handeln tief verankert. Gleichzeitig machen wir immer wieder die Erfahrung, dass sie in konkreten Situationen in ein Spannungsverhältnis treten. Grundsätzliche Verpflichtungen geraten in einer aktuellen Lage häufig miteinander in Konflikt. Die Herausforderung besteht darin, dass die Prinzipien zwar grundsätzlich gleich, aber nicht in jeder Situation gleichrangig gelten. In der Sterbehilfediskussion zeigen sich solche Pflichtenoder Normenkollisionen etwa in den Fragen:
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– Gilt das Prinzip des Lebensschutzes auch dann, wenn damit ein perspektivloses, unerträgliches Leiden fortgesetzt wird? – Verbietet der Respekt vor der Autonomie, das offensichtlich selbstzerstörerische Handeln eines Menschen zu verhindern? – Folgt umgekehrt aus dem Fürsorgeprinzip das Verbot der Suizidbegleitung bei einer nicht urteilsfähigen, aber subjektiv in ihrem Leiden hoffnungslosen und verzweifelten Person? – Zwingt das Autonomieprinzip dazu, dem Sterbewunsch eines Menschen in einer kritischen Lebenssituation zu entsprechen (anstatt ihm Wege zur Bewältigung seiner Krise zu eröffnen)? – Gilt das Autonomieprinzip als Begründung für die Angemessenheit eines Sterbewunsches bei Menschen jeden Alters, unabhängig von ihren Gesundheitszuständen und von den Lebensperspektiven (selbst wenn sie für die Betroffenen im Augenblick nicht erkannt werden können)? – Verpflichtet das Fürsorgeprinzip zum Lebensschutz, wenn die betroffene Person ihren Entschluss aktuell oder bleibend nicht kundtun kann (Demenz, Alzheimer, Koma)? – Oder fordert das Fürsorgeprinzip umgekehrt, gegen das Prinzip des Lebensschutzes das Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Person stellvertretend (Patientenverfügung, mutmaßlicher Wille, wohlverstandenes Interesse) – auch ohne eine aktuelle und explizite Äusserung eines Sterbewunsches – wahrzunehmen? An dieser Stelle brechen komplexe Gewichtungs- und Abwägungsfragen auf. Grundsätzlich lassen sich zwei Formen der Konfliktbearbeitung unterscheiden: 3.II.1 Hierarchiemodell Entweder man entscheidet sich für ein Prinzip und ordnet die anderen hierarchisch darunter an. Also etwa: Angesichts unerträglicher Schmerzen und Leiden zählt das Autonomieprinzip, auch wenn mit der Entscheidung das Prinzip des Lebensschutzes verletzt wird. Oder umgekehrt: Als Bedingung der Möglichkeit jeglichen Handelns und Entscheidens hat der Lebensschutz Vorrang vor dem Selbstbestimmungsrecht. Die Fürsorgepflichten werden in die Hierarchie eingebaut, also entweder als Unterstützung der Entscheidung oder in der stellvertretenden Wahrnehmung des wohlverstandenen Interesses einer Person auch gegen ihren aktuell geäußerten Sterbewunsch.
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3.II.2 Vermittlungsmodell Oder alle drei Grundsätze müssen so miteinander vermittelt werden, dass ihnen ihr – der Situation angemessener – Platz eingeräumt wird. Also etwa: Der Lebenserhaltung kommt größtes Gewicht zu, dennoch kann es sein, dass Menschen ihr Leben gänzlich unerträglich wird. Der daraus resultierende Entschluss verdient als Ausdruck der Autonomie unbedingt Respekt. Die Beteiligten müssen anschließend ihr Verständnis von Verantwortung (gegenüber der sterbewilligen Person und sich selbst) und ihre sich daraus ergebenden Fürsorgepflichten klären. 3.II.3 Integrative ethische Orientierung Die Hierarchielösung erscheint klarer und unmissverständlicher, führt aber dazu, die Prinzipien beliebig auszusetzen oder gegeneinander auszuspielen. Sie hat ethisch fatale Konsequenzen, weil sie den Status, die Geltung und die Funktion der Prinzipien selbst verletzt oder aushebelt. Ethische Argumentation und normative Vermittlung werden durch dogmatische Setzung und Unterordnung ersetzt. Eine Entscheidungsfindung nach dem Vermittlungsmodell umgeht solche kategorischen Urteile. Die Geltung aller genannten Prinzipien ist dabei vorausgesetzt. Ihre je aktuelle Reichweite wird aber situationsabhängig und –angemessen gewichtet und zugeordnet. Eine solche Verhältnisbestimmung folgt keinem allgemeinen Schema, weil damit die grundlegend gleiche Geltung der Prinzipien wiederum aufgelöst würde. Zugleich zeigen sich die Grenzen prinzipienethischer Orientierungen, an die schwerwiegende Entscheidungen am Lebensende fast unausweichlich stossen. Entscheidungen auf der Grenze des Lebens müssen in jedem einzelnen Fall, vor dem Hintergrund der konkreten Lebenssituationen der Betroffenen und Beteiligten, reflektiert, gewichtet und beurteilt werden. Das setzt den Willen und die Bereitschaft voraus, für die getroffenen Entscheidungen und die daraus resultierenden Folgen Verantwortung zu übernehmen. Sterbehilfe, Sterbebegleitung und Suizidbeihilfe verorten das Sterben im Raum des vom Menschen zu gestaltenden und zu verantwortenden Handelns. Verantwortung setzt die Fähigkeit voraus, zwischen alternativen Handlungsoptionen wählen zu können. Verantwortliches Handeln macht Ernst mit der Freiheit, die das Recht jeder Person garantiert und zu der wir – in einem weiteren Sinne und aus christlicher Perspektive – berufen sind. Wie immer die konkrete Entscheidung einer Person ausfällt und begründet wird, es gilt, diese Freiheit als Bedingung der Möglichkeit zur Übernahme von Verantwortung zu wahren, zu schützen und offen zu halten.
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4. Bausteine für die theologisch-ethische Orientierung und Urteilsfindung I.
Leben als Gabe
Nach christlichem Verständnis ist das Leben Gabe Gottes. Daraus erwächst seine unbedingte Würde sowie die Verpflichtung, es zu achten und zu schützen. Als göttliche Gabe ist das Leben dem Menschen zugleich Aufgabe: Leben gestalten, Leben ermöglichen, schützen und fördern, zum Leben befähigen und in Gemeinschaft solidarisch das Leben teilen. Gott ist ein Freund des Lebens. Nach reformatorischem Verständnis sind alle Menschen zu einem Leben in Freiheit berufen (Gal 5,13a). Menschliches Leben verdankt sich dem Handeln Gottes. Darin stimmt das Leben eines jeden Menschen mit dem Leben aller anderen überein. Irdisches Leben ist vergänglich, ohne dass das Leben an sich vergeht. Christen leben von der Hoffnung auf das ‹ewige Leben› jenseits der Zeit, das durch Jesus Christus in die Zeit gekommen ist (Mk 1,15; Lk 10,9; Gal 4,4). Der menschliche Tod hat nicht das letzte Wort, er ist nicht das Bleibende, er hat seinen ‹Stachel› verloren (1Kor 15,54–55; Joh 11,25). Sterben ist Ausdruck der irdischen Existenz des Menschen, eines glücklichen und unsicheren, erfolgreichen und zerbrechlichen, strahlenden und mühe- oder leidvollen, satten und ungerechten, behüteten und einsamen, reichen und erbärmlichen, blühenden und gedemütigten, starken und gebrochenen Lebens (vgl. Koh 3,19–20). Es ist nach jüdisch-christlichem Verständnis immer schuldverstricktes Leben, dessen Güter die Glücklichen ebenso wenig verdient haben, wie die Unglücklichen ihr quälendes Leid. Leben ist keine moralische Kategorie und die Bibel weigert sich beharrlich, individuelle Lebensschicksale moralisch zu bewerten. Die Schuldverstricktheit der Welt ebnet jeden Unterschied zwischen moralischen Helden und Versagern ein (Röm 3,23; Jak 3,2; 1Joh 2,2). Der christliche Glaube weiß um die Begrenztheit menschlicher Möglichkeiten und die Gebrochenheit alles irdischen Heils (Mt 6,19–21; vgl. auch Joh 18,36). Darin gründet zugleich die Aufgabe des Menschen, sich einzusetzen um seiner und seines Nächsten willen – ohne Garantie auf Erfolg und ohne Gewähr für die Richtigkeit. Zum gewagten Leben gibt es keine Alternative. Das Glück kommt und geht, wie das Scheitern droht und Hoffnung wächst, wie der Schmerz hereinbricht, Sinn verloren geht bis Leben daran zerbrechen kann. Die Bibel kennt zahlreiche solche Lebensgeschichten. Kein Elend und keine Verzweiflung sind ihr fremd. Zugleich enden die Biographien nicht dort, genauso wie die Geschichte von Jesus Christus nicht am Karfreitag zu Ende geht, sondern in die österliche Überwindung des Todes mündet.
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II.
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Leben zwischen Angewiesensein und Freiheit
Zum menschlichen Leben gehören vielfältige Erfahrungen im Spannungsfeld von Angewiesensein und Freiheit. Die Wahrnehmung der Grenzen menschlicher Handlungsmöglichkeiten, die Erfahrungen eigener Ohnmacht, das Gefangensein im eisernen Käfig des verfallenden Körpers, des irren Geistes oder der ruhelosen Seele bringt jeden Gedanken von Ganzheit, Heilsein und Heilung zum Verstummen. Jede Erklärung, jede rechtfertigende Begründung, jede prinzipielle Lösung wäre nur zynische Realitätsverweigerung. Die Wirklichkeit spottet unseren vertrauten Tröstungen und Rezepten. Die Karfreitagserzählung spricht in diesem Zusammenhang von der Gottverlassenheit im größten Leiden. Leiden, Verletzbarkeit, Versehrtheit und Ohnmacht sind der Stachel im Fleisch des aktiven, flexiblen Menschen, der sein Leben stets fest im Griff haben muss. Wenn der Griff schwächer wird, weil die Kraft der Hände und die Spannung des Körpers nachlassen, wenn das Leben beginnt, durch die Finger zu rinnen, wenn es kein Halten mehr gibt, wenn eine dumpfe, schwere Müdigkeit Geist, Köper und Seele ergreifen, zeigt sich die „andere“ Wirklichkeit des menschlichen Lebens. Gerade aus christlicher Perspektive kann und muss den existenziellen Ambivalenzen von Handeln und Erleiden, Aktivität und Passivität Raum gegeben werden. Diese „andere“ Wirklichkeit spiegelt sich ebenso in unserem Urteilen und Denken wider. Unsere Urteile über uns und die Welt entbehren letzter Gewissheiten. Sie sind vorläufig und nicht frei von Irrtümern. Das verunsichert uns, aber entlastet uns auch von dem Gewicht endgültiger Antworten. Die Reformatoren sprachen auch in diesem Zusammenhang von der Gnade, die nicht nur den Gehorsamen und Rechtschaffenen zugesagt ist, sondern auch den Zweifelnden und Verzweifelten. Gälte sie nur den Ersten, bräuchte es die Gnade nicht. Damit wird nicht der Beliebigkeit das Wort geredet, vielmehr dem Mut, Verantwortung zu übernehmen, für die eigenen Entscheidungen und Handlungen einzustehen und an ihrer Vorläufigkeit nicht zu verzweifeln. III.
Leben in der Krise: Leiden in der Gesellschaft
Eine wirklichkeitsgemäße und menschengerechte Reflexion über das Sterben in unserer Gesellschaft kommt nicht am Leidensbegriff vorbei. Leiden muss in unserem – von dem Autonomiegedanken geprägten – Verständnis vom Menschen integriert werden. Ansonsten droht ein „halbiertes“ Menschenbild, das nur den „souveränen Menschen“ im Blick hat. Es gilt, die Wahrnehmung für die Würde des Menschen zu schärfen, die unabhängig von allen tatsächlichen Fähigkeiten, gegenwärtigen Zuständen und zukünftigen Möglichkeiten besteht. Die Würde im Schmerz, im Leiden und in der Verzweiflung zu respektieren, anzuerkennen, ernst zu nehmen und zu bewahren, bedeutet bei existenziellen Entscheidungen am Lebensende, sich jeder prinzipiellen „Lösung“ zu enthalten. Nicht die moralisch richtige oder ethisch begründbare Handlung ist gefordert, sondern
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die Bereitschaft von allen Beteiligten, Verantwortung zu übernehmen, sich (selbst) hineinzuversetzen und einzusetzen sowie – aus christlicher Perspektive – im Ernstfall auch das Bewusstsein und die Entschlossenheit, schuldig zu werden. Obwohl der Begriff in unserer Alltagssprache kaum vorkommt, kann von Suizidbegleitung nur dann angemessen gesprochen werden, wenn sie in den Zusammenhang der menschlichen Möglichkeit, am Leben zu scheitern, gerückt wird. Ein Sterbewunsch ist nicht nur Ausdruck eines autonomen Entschlusses, der zur Tat schreitet, sondern als ‹vorgezogener Tod› die selbst gewählte Konsequenz auf der Schwelle des Verlusts eigener Souveränität. Der Tod als Fluchtpunkt aus Abhängigkeit und Ausgeliefertsein bildet für viele Menschen ein wichtiges Motiv für ihren Sterbewunsch. Umso schwerer wird es, dieses Scheitern in einer Gesellschaft auszuhalten, die den Blick für die eigene Fragmentarität immer mehr aus den Augen zu verlieren droht. Wir erleben den Verfall des eigenen Körpers und Geistes, die Verwirrung der Seele als Kränkung, aber: Haben wir noch Raum zur Klage? Jeder Suizid beunruhigt, verstört, erschüttert oder lähmt, aber: Haben wir noch Platz für unsere Zweifel und Verzweiflung? Es geht an dieser Stelle nicht darum, der Gesellschaft eine ‹Schuld› für die in ihr verübten oder versuchten Suizide anzuhängen, so als hätte sie diese – unter günstigeren Bedingungen – verhindern können. Vielmehr gilt es ein Bewusstsein dafür zu wecken, dass Suizide und Sterbewünsche – so geheim und lautlos sie auch immer verübt und vorgebracht werden – in einer sozialen Welt stattfinden. Wie ernst eine Gesellschaft das Sterben und ihre Sterbenden nimmt, zeigt sich nicht zuletzt in der Wahrnehmung, Sensibilität und Offenheit der Weiterlebenden für Fragen, über die sich nachzudenken lohnt: – Sind wir jemals auf den Gedanken gekommen, dass der Wunsch, das Leben zu beenden, dem Leben hier den Rücken zuzukehren, auch der Wunsch sein könnte, uns den Rücken zuzukehren? – Verweist ein Suizidwunsch nicht vielleicht auch auf unsere Unfähigkeit, dem Sterben im Leben Raum zu geben? – Dokumentiert die organisierte Suizidhilfe nicht auch unsere Angst, Unsicherheit und unser Unvermögen, das Sterben anderer zu erleben, mit zu leben und dabei an unsere eigene Sterblichkeit erinnert zu werden? IV.
Leben werten?
Das Verständnis vom Leben als Geschenk sperrt sich gegen seine bloße Wertung und Verwertung. Darin gründet der Gedanke von der unverlierbaren Würde des Menschen, der in den Menschenrechten universale Geltung beansprucht. Das christliche Menschenbild weist jeden Versuch zurück, die Würde des Menschen am Maßstab des ‹Wertvollen› und ‹Wertlosen› zu messen. Ob bei einer Patientin (noch) ein Therapieversuch unternommen wird oder nicht (mehr), ist keine Frage des
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‹Wertes› der betreffenden Person oder ihrer Würde. Auch in dem zur unerträglichen Last oder zur scheinbar endlosen Qual gewordenen Leben spiegelt sich Menschenwürde – unabhängig davon, ob damit ein subjektiver Lebenssinn verbunden werden kann. Menschenleben ist – im doppelten Sinne – für sich unendlich wertvoll, weil würdevoll. Werte betreffen die Urteile von Menschen im Leben, die Würde des menschlichen Lebens entzieht sich jeglicher Wertung. Es kann Gründe geben, warum eine Therapie nicht mehr versucht oder eine Behandlung abgebrochen wird. So spielt die aktuelle und prognostizierte Lebensqualität bei der Organverteilung in der Transplantationsmedizin eine wichtige Rolle. Im Hinblick auf die (gleich-)berechtigten Interessen aller und die Chancen und Belastungen für den Patienten sind Güterabwägungen unvermeidbar. Solche Entscheidungen auf der Grundlage medizinisch diagnostizierbarer und prognostizierbarer Gesundheitszustände und Lebenserwartungen müssen von Wertungen über den betroffenen Menschen streng unterschieden werden. Der Tod darf niemals das Resultat eines Werturteils über einen Menschen werden. 5. Sterbehilfe in Medizin und Gesellschaft I.
Take care
„Sich sorgen“ bedeutet, sich in ein bestimmtes Verhältnis zu der und dem anderen zu setzen, der oder dem die Sorge gilt. Dieses Verhältnis wird nicht definiert durch irgendwelche moralischen Pflichten, ethische Normen oder allgemeine Rechtsgrundsätze. Vielmehr besteht es allein darin, sich selbst in Beziehung zu setzen, anwesend zu werden, zu sein und zu bleiben. Es geht nicht um die Frage, wer mein Nächster ist, sondern ob ich der oder dem anderen eine Nächste oder ein Nächster bin (Lk 10,25– 37). In diesem Subjektwechsel, den Jesus im Gleichnis vom barmherzigen Samariter vorführt, liegt eine radikale Kritik jeder Moralisierung existenzieller Lebenserfahrungen: Es geht nicht um richtiges oder falsches Handeln, nicht darum, ob jemandem Hilfe zusteht oder nicht oder ob ein Unglück selbstverschuldet ist oder nicht. Vielmehr fordert Jesus dazu auf, die Situation der Nächsten oder des Nächsten wahrzunehmen, sich berühren zu lassen. Dieser Anspruch gilt gerade vor dem Hintergrund der sozialen Realität von der „Einsamkeit der Sterbenden in unseren Tagen“ (Norbert Elias). Die Verlassenheit der Sterbenden ist eine reale Befürchtung, der viele Menschen den selbst gewählten Tod vorziehen. Sich sorgen bedeutet weiter, die Autonomie der und des einzelnen gerade in der größten Verzweiflung, Sinn- und Hoffnungslosigkeit zu achten und zu schützen. Die Anerkennung besteht manchmal darin, jede Moralisierung entschieden zurückzuweisen. Die Barmherzigkeit Gottes zeigt sich in seiner bedingungslosen Annahme des Menschen. Diese Un-Bedingtheit spiegelt sich in der menschlichen Gemein-
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schaft im solidarischen Teilen und Anteilnehmen wider, das sich jeglicher moralischen Beurteilung enthält. „Sich sorgen“ zeigt sich schließlich in der Bereitschaft, anwesend zu sein, die Sterbenden nicht allein lassen, sie in ihrer letzten Lebensphase zu begleiten. „Das Geheimnis der Begleitung von Patienten besteht darin, die Patienten zu begleiten“ lautet der einfache, konsequente Grundsatz eines Vordenkers der Hospizbewegung. Die Tragik existenzieller Entscheidungen am Lebensende lässt sich freilich nicht einfach mit unseren theologischen Sätzen über das Leben als Gabe und Geschenk Gottes harmonisieren. Es gibt keine menschliche Rechtfertigung, das eigene Leben zu beenden, weil es – in reformatorischer Perspektive – im und für das eigene Leben keine Selbstrechtfertigung geben kann. Zugleich kann nur ich selbst mein Leben als das Geschenk des Schöpfers annehmen und begreifen. Niemand kann mich darin vertreten. Und niemand kann von einem anderen Menschen fordern, sein Leben als Gabe Gottes zu begreifen. Gerade deshalb besteht die Aufgabe von Christinnen und Christen darin, alles Menschenmögliche zu tun, damit Menschen sich als Geschöpfe Gottes erleben können und ihr Leben als Geschenk des Schöpfers wahrnehmen, annehmen, leben und manchmal auch aushalten und durchstehen können. Es geht darum, menschlich zu leben, damit menschengemäßes Leben und Sterben möglich werden kann. Es geht nicht darum, die Verpflichtung, Leben zu schützen, zu einem menschlich entleerten Diktat zu erheben und gegen das am Leiden verzweifelnde und zerbrechende Individuum zu richten. II.
Begleitende Seel-Sorge «Wer tröstet den Krebspatienten in Zimmer No. 11? Der Doktor, der denkt, die Schwester vielleicht. Die Schwester, die denkt, die Familie vielleicht. Die Familie, die denkt, der Pfarrer vielleicht, und der Pfarrer, der denkt, hoffentlich Gott.» Kurt Marti
Christliche Seelsorge meint eine bestimmte Form der Kommunikation des Evangeliums und spezifische Glaubenspraxis in Problem- und Konfliktsituationen des Lebens. Seelsorgerliche Begleitung lässt sich nicht in ein Schema pressen. Sie leitet nicht zu feststehenden Zwecken an, verleitet nicht zu einem vorgegebenen Sinn. Vielmehr begleitet sie Menschen, nimmt Teil an ihrem Leben und wird darin Teil der Lebensgeschichten jener Menschen, die begleitet werden. Subjekt der Seelsorge ist der begleitete Mensch. Er gibt den Ton an und die Richtung vor. Ein solches partizipatorisches und dialogisches Seelsorgeverständnis findet sich bereits im Alten Testament vorgezeichnet. Angesichts des über ihn hinein gebrochenen Unglücks entgegnet Hiob seinen Freunden: «Ertragt es, dass ich rede, […] Wendet euch zu mir und erstarrt und legt die Hand auf euren Mund!» (Hi 21,3a.5).
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Die Forderung Hiobs enthält im Kern das Programm für eine seelsorgerliche Begleitung von Sterbenden und Sterbewilligen. Seelsorge richtet sich danach einerseits gegen jede Individualisierung des Leidens durch die Isolierung der Leidenden. Andererseits widersteht sie allgemeinen, unverbindenden und unverbindlichen Tröstungen, die nur das Trostlose erträglich machen wollen. Als Begleitung rückt Seelsorge in den Lebenshorizont des begleiteten Menschen. Im Zuhören, im Bemühen, zu verstehen und im Angebot, zu teilen, was geteilt und mit-geteilt werden kann und will – aber auch im Erschrecken, Verstummen oder im Protest seelsorgerlicher Begleitung wird die begleitete Person zum Subjekt einer gemeinsamen Lebensgeschichte. Ziel einer solchen Praxis ist der authentische und konstruktive Umgang mit intra- und interpersonalen Differenzwahrnehmungen und -erfahrungen. Wendet sich Seelsorge mit diesem Anspruch einem Menschen zu, dann kommt sie nicht umhin, auch dem eigenen Entsetzen und Verstummen ins Gesicht zu sehen. Wie Hiob bricht eine recht verstandene seelsorgerliche Begleitung mit den überkommenen, paternalistischen Rollenzuschreibungen. Manchmal braucht die Seelsorgerin oder der Seelsorger den Trost von der Person, die sie oder er seelsorgerlich begleitet. So paradox es klingen mag: In der Anerkennung der eigenen Begrenztheit und der Angst vor der Konfrontation mit dem Leiden steckt der Schlüssel zu einer professionellen Seelsorge, die sich „selbst diszipliniert“ (Henning Luther), um der Flucht in billige Vertröstungen zu widerstehen. Damit sind allerdings weit reichende Fragen verbunden. Der „Heidelberger Katechismus“ von 1563 gibt auf die erste Frage – „Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben?“ – die Antwort: „Dass ich mit Leib und Seele im Leben und im Sterben (Röm 14,7f.) nicht mir (1Kor 6,19), sondern meinem getreuen Heiland Jesus Christus gehöre (1Kor 3,23).“ Was bedeutet die paulinische Ermahnung „Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des heiligen Geistes ist, der in euch wirkt und den ihr von Gott habt, und dass ihr nicht euch selbst gehört?“ (1Kor 6,19) vor dem Hintergrund eines Sterbewunsches oder der Suizidbeihilfe? Wo hat christliche Seelsorge dort ihren Ort und worin besteht ihre Aufgabe? An dieser Stelle müssen – je nach der lebensgeschichtlichen Verortung – verschiedene Perspektiven christlicher Seelsorge unterschieden werden. Besonders im Rahmen der Begleitung Sterbewilliger rücken nicht therapie- oder verkündigungs-, sondern biographieorientierte Seelsorgekonzepte in den Vordergrund. Es geht nicht um die moralische oder ethische Beurteilung eines Wunsches, einer Absicht oder Handlung und davon abgeleitete Bewältigungsstrategien. Vielmehr gilt es, die autonome Entscheidung der Person zu respektieren und sie, auf ihren Wunsch hin, auf ihrem weiteren Lebensweg zu begleiten. Es mag sein, dass die begleitende Person dem Sterbewunsch aus persönlichen Motiven, moralischen und ethischen Überlegungen oder religiösen Überzeugungen nicht zustimmen kann. Seelsorgerliche Begleitung wäre aber missverstanden, wenn sie ihre Teilnahme von der Zustimmung zu der getroffenen Entscheidung abhängig machen würde. Seelsorgerliche
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Solidarität gilt grundsätzlich der Person, unabhängig von den von ihr getroffenen Entscheidungen und deren Folgen. Auch hier lautet die entscheidende Frage: Bin ich der sterbewilligen Person eine Nächste oder ein Nächster? In ein anderes Licht rückt das seelsorgerliche Gespräch bei der Frage, ob eine Person ihrem Leben ein Ende setzen sollte oder nicht. Die Fragestellung thematisiert einen Gewissens- und Entscheidungskonflikt, der eine ethische Reflexion verlangt. Im Vordergrund steht die Befähigung der begleiteten Person zu einer selbstverantwortlichen Lebensführung, Entscheidungsfindung und Konfliktbewältigung. Die Ansichten, Bedenken oder Widersprüche der Seelsorgerin oder des Seelsorgers müssen aber in einer symmetrischen Kommunikationssituation selbstverständlich Platz finden. Das kann auch bedeuten, klar die Grenzen der eigenen Dialogfähigkeit und -bereitschaft zu benennen und die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. Gerade aus evangelischer Perspektive muss immer wieder an die reformatorische Differenz zwischen Person und Handlung – theologisch: zwischen gnädigem Angenommensein und selbst zu verantwortenden Werken – erinnert werden. Daraus folgt: Seelsorgerliche Begleitung nimmt am Leben der begleiteten Person teil. Die Seelsorgerin und der Seelsorger sind Nächste oder Nächster. Eine Person zu begleiten bedeutet aber nicht, sich ihr Handeln zueigen zu machen, sie in ihrem Handeln moralisch zu unterstützen oder ihre Entscheidungen zu rechtfertigen. Seelsorge meint nicht Komplizenschaft. Seelsorgerliche Begleitung fordert und leistet Solidarität und nicht ethische Legitimation. 6. Offene Fragen Entscheidungen am Lebensende sind Herausforderungen, die sich – wie jedes konkrete Urteilen und Handeln – stets (wieder) neu stellen. In dieser Aufgabe spiegelt sich einerseits der permanente Wandel gesellschaftlicher Normen- und Wertvorstellungen wider. Andererseits reagiert dieser Wandel selbst auf immer neue Handlungs- und Entscheidungssituationen, mit denen wir in unserer wissenschaftlichtechnologischen Zivilisation konfrontiert werden. Auch Antworten auf Fragen der Suizidbeihilfe und Sterbehilfe können immer nur vorläufige sein. Und manche Fragestellungen verweigern sich schneller und eindeutiger Antworten. Umso wichtiger wird es, sich ihre zeitliche Begrenztheit, Revisionsbedürftigkeit und Veränderungsfähigkeit immer neu bewusst zu machen. Drei aktuelle Kontroversen in den öffentlichen Debatten sollen abschließend kurz diskutiert werden. I.
Die Grenzen des Rechts
Liberale Gesellschaften und Rechtsstaaten machen ernst mit dem Selbstbestimmungsrecht jedes Menschen. Das Recht verpflichtet den Staat, das Leben des einzelnen nicht zu gefährden und vor Übergriffen Dritter zu schützen, nicht aber die einzelne Person (als Rechtsträger) vor sich selbst. Der Gesetzgeber garantiert mit
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diesen Abwehrrechten auch die Freiheit jeder und jedes einzelnen, über das eigene Lebensende zu bestimmen. Das Recht schützt die einzelne Person ebenfalls davor, von Dritten zum Weiterleben verpflichtet oder gezwungen zu werden. Was aber, wenn diese Freiheit nicht mehr selbst in Anspruch genommen werden kann? Situationen, in denen ein Sterbewunsch aufbricht sind häufig durch den Verlust der eigenen Handlungsfreiheit und durch Erfahrungen massiver Hilflosigkeit und Abhängigkeit gekennzeichnet. Das wirft weit reichende Fragen auf: Wenn wir unerträgliches Leid als relevanten Beweggrund für den Sterbewunsch und seine Unterstützung anerkennen, muss dann diese Anerkennung nicht erst recht für jene Menschen gelten, deren Behinderung, Krankheit oder Leiden so sehr fortgeschritten sind, dass sie nicht einmal mehr über die notwendigen physischen Fähigkeiten verfügen, um den Suizid selbst auszuführen? Oder was, wenn das Vorliegen einer psychischen Erkrankung oder mangelnde Urteilsfähigkeit eine Person von der Inanspruchnahme von Suizidbeihilfe ausschließen? Leiden und Schmerzen zu empfinden, Ausweglosigkeit und Verzweiflung zu erleben hängen nicht von dem psychischen Zustand oder der Urteils- beziehungsweise Nicht-Urteilsfähigkeit einer Person ab. Trotzdem wird ein daraus resultierender Sterbewunsch anders beurteilt, weil der Status der Willensbekundung der sterbewilligen Person nicht den rechtlichen und ethischen Mindestanforderungen genügt. Eine solche Ungleichbehandlung widerspricht unseren Vorstellungen von Gerechtigkeit. In der jüngeren Diskussion gibt es vermehrt Stimmen, die das Freiheitsrecht auf Suizid in ein viel weiterreichendes Anspruchsrecht umdeuten und auf psychisch Kranke und Nicht-Urteilsfähige (Demenz, Alzheimer) ausdehnen wollen. Man muss sich die Konsequenzen dieser Forderungen sehr genau bewusst machen: Es geht um eine dreifache Ausweitung der Suizidbeihilfe, die die Rahmenbedingungen, unter denen sie heute stattfindet und gesellschaftlich akzeptiert ist, radikal verändern. Erstens wird Suizidbeihilfe im Sinne der aktiven Sterbehilfe gefordert, bei der die Tötungshandlung nicht mehr von der sterbewilligen Person selbst, sondern von einer Drittperson ausgeführt wird. Damit wird der Boden von Art. 115 StGB, der die Legalität der gängigen Suizidbegleitung regelt, verlassen. Stattdessen erfüllt aktive Sterbehilfe den Straftatbestand eines Tötungsdelikts nach Art. 114 StGB. Zweitens würde aus dem Rechtsschutz der Freiheit, Suizid zu begehen oder Suizidassistenz in Anspruch zu nehmen, ein Anrecht, das gegenüber Dritten eingefordert werden kann. Ein solches ‹Anspruchsrecht auf Suizid› hätte zur Folge, dass der Staat Menschen darauf verpflichten müsste, Suizidbeihilfe zu leisten. Denn jedes einforderbare Recht nimmt die Menschen zugleich in die Pflicht. Die rechtliche Verpflichtung von Personen auf Suizidassistenz widerspricht aber fundamental dem Autonomieprinzip selbst, auf das sich die Rechtsforderung stützt, weil die Freiwilligkeit der Suizidbeihilfe zur sanktionierbaren Pflicht würde. Die Forderung nach einem „Anspruchsrecht auf den eigenen Tod“ führt somit in einen Widerspruch. Niemand darf zur Suizidbeihilfe gezwungen werden.
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Die Ausweitung des Adressatenkreises trägt drittens der drastischen Zunahme jener Krankheitsbilder Rechnung, die Sozialstaat und Gesellschaft vor enorme Herausforderungen stellen. Gleichzeitig beruht die Tragfähigkeit unserer rechtsstaatlichen Ordnung einerseits auf der Bereitschaft und Fähigkeit zum rationalen Diskurs und zu verständigungsorientierter Konfliktbearbeitung, die bestimmte kognitive und psychische Bedingungen unabdingbar voraussetzen. Andererseits besteht sie im besonderen Schutz für die Menschen, die dazu selbst nicht fähig sind. Gerade um der berechtigten Interessen derjenigen willen, die auf das stellvertretende Handeln Dritter angewiesen sind, sollten die strikten Maßstäbe der Urteilsfähigkeit und psychischen Stabilität nicht vorschnell zur Disposition gestellt werden. Eine solidarische und sich ihrer Verantwortung bewusste Gesellschaft wird sehr rigide Grenzen ziehen, ohne die dabei manchmal unvermeidbare Tragik solcher Entscheidungen auszublenden. Tatsächlich zeigt sich an dieser Stelle: Das Recht ist nicht in der Lage, die Ungerechtigkeit der Lebensbedingungen und Lebenslagen aufzulösen oder zu korrigieren. Die Einschränkungen individueller Lebensmöglichkeiten und die Ungleichheit in den Ausgangslagen der Menschen dürfen nicht dazu führen, die unbedingte Geltung der Freiheits- und Persönlichkeitsrechte einzuschränken. Das Recht darf nicht zum Instrument der Durchsetzung partikularer Interessen werden. Damit würden die Aufgabe und Funktion rechtsstaatlicher Ordnungen in ihr Gegenteil verkehrt. Zugleich wäre Freiheit missverstanden, würden Willensbekundungen ohne gründliche Klärung der Umstände, unter denen sie zustande kommen, schlicht als Ausdruck der persönlichen Handlungsfreiheit genommen. Die vernünftige und besonnene Abwägung der Zurechenbarkeit von Entscheidungen und Handlungen gilt dem Schutz von Personen, die für ihre eigenen wohlverstandenen Interessen nicht, nicht mehr oder nicht immer eintreten können. Gesellschaftliche Solidarität und Verantwortung findet in solchen Einschränkungen ihren angemessenen Ausdruck. Stellvertretendes Handeln erfordert die besondere Sensibilität, Zurückhaltung und Vorsicht gegenüber der vertretenen Person. Auch hier kann das Recht nur Grenzen zum Schutz der betroffenen Menschen setzen. Aber: Auf der Grenze des Lebens stößt das Recht an seine Grenzen. II.
Medizinische Entscheidungen am Lebensende
Sterbehilfe und Sterbebegleitung gehören inzwischen zum medizinischen Alltag. Sie sind nicht zuletzt das Ergebnis einer medizinischen Entwicklung, die dem Selbstbestimmungsrecht und den Interessen der Patientinnen und Patienten entscheidendes Gewicht einräumt (informed consent). So steht auch der Respekt vor der Autonomie im Zentrum der medizinischen Überlegungen zu Suizidbegleitung, Sterbehilfe und Sterbebegleitung. Der Patientenwille wird damit nicht absolut gesetzt, sondern muss mit den anderen medizinethischen Grundsätzen des Nicht-
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Schadens, der Fürsorge und der Gerechtigkeit übereinstimmen können. Medizinische Entscheidungen sind in jedem Einzelfall auf der Grundlage aller vier ethischen Prinzipien medizinischen Handelns abzuwägen. Grundlegende Bedingungen für medizinische Entscheidungsfindungsprozesse sind: – Der Patientenwille steht im Mittelpunkt, er ist zu respektieren und anzuerkennen. – Die Rolle von Angehörigen bei der Entscheidungsfindung ist zu klären. – Handlungsalternativen bestehen oder sind zu schaffen (ohne flächendeckende Palliative Care-Angebote kann nur zwischen Schmerzen/Leiden und beschleunigtem Sterben gewählt werden). –
Handlungsoptionen sind auch für medizinische Laien verständlich, nachvollziehbar und entscheidbar.
– Entscheidungsprozesse sind transparent und nachvollziehbar gestaltet. – Individuelle Interessenlagen der einzelnen Beteiligten sind wechselseitig bekannt. – Die Aktualität, das Zustandekommen und der Status von Patientenverfügungen sind zu klären; ihre Inhalte haben für das medizinische Handeln Verbindlichkeit (das Recht sichert und schützt das den Patientenverfügungen entsprechende Handeln des Medizinpersonals). – Das Medizinpersonal darf nicht zu Handlungen gezwungen werden, die ihre Autonomierechte und ihre moralischen Einstellungen unzulässig einschränken. – Entscheidungsfindungsprozeduren müssen prozessorientiert gestaltet und in die konkreten Lebensbezüge eingebettet werden. – Alle Beteiligten verfügen über die, für eine reflektierte und verantwortbare Urteilsfindung angemessene Kompetenz und Zeit. Aktuell wird – auch im Zusammenhang der Diskussion um den Zugang organisierter Sterbehilfe in Spitälern – die Frage nach ärztlicher Suizidbeihilfe außerhalb des Sterbeprozesses diskutiert. Die Richtlinien der SAMW äußern sich bisher zu Fragen der Sterbebegleitung, Sterbehilfe und Suizidbegleitung bei Patienten im letzten Lebensstadium. Die SAMW betont ausdrücklich, dass Suizidbeihilfe nicht zu den ärztlichen Tätigkeiten gehört. Diese Grenzbestimmung trifft aber die Realität ärztlichen Entscheidens und Handelns nur bedingt. Angesichts der üblichen Suizidbeihilfepraxis in der Schweiz (die Verschreibung des Barbiturats Natrium-Pentobarbital) findet keine assistierte Selbsttötung ohne entscheidende Mitwirkung von Ärztinnen und Ärzten statt. Das wichtige Bundesgerichtsurteil vom November 2006 zur Rezeptpflichtigkeit von Natrium-Pentobarbital bestätigt und stärkt die Rolle der
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Ärzte bei der Suizidbeihilfe. Die Urteilsbegründung macht zweierlei deutlich: Erstens lassen sich Fragen über die Angemessenheit eines Sterbewunsches und was daraus folgt nicht ausschließlich juristisch klären. Und zweitens bedarf es einer eingehenden fachkundigen Begleitung, Prüfung und Kontrolle, damit Suizidbegleitung mit höchst möglicher Gewissheit und Gewissenhaftigkeit im wohl verstandenen Interesse der sterbewilligen Personen geschieht. In der Medizin bilden Patientenverfügungen ein wichtiges Instrument für die Feststellung des Willens von Personen, die aktuell nicht mehr in der Lage sind, ihre Interessen und Wünsche zu äußern. Patientenverfügungen reagieren auf ein häufig anzutreffendes Dilemma in der medizinischen Praxis: Einerseits ist eine medizinische Behandlung nur rechtmäßig, wenn eine wirksame Einwilligung der betroffenen Person (oder einer gesetzlichen Stellvertretung) vorliegt. Andererseits kann diese in vielen medizinischen Situationen (Notfälle, Bewusstlosigkeit, Demenz, Koma) nicht eingeholt werden. Die – in Form einer Patientenverfügung – vorher gegebene Einwilligung oder Ablehnung kann hier Klarheit und Rechtssicherheit schaffen. Freilich sind Reichweite und Verbindlichkeit von Patientenverfügungen umstritten, wie auch die Arbeitsgruppe «Patientenrechte» der ZEK der SAMW und der Gesetzgeber in seinem Kommentar zur Revision des Zivilgesetzbuches feststellt. An dieser Stelle brechen komplexe ethische und rechtliche Detailfragen auf. Dabei darf niemals übersehen werden, dass keine gesetzliche Regelung den Handelnden ihre Verantwortung, Verpflichtung aber auch den Druck, entscheiden und handeln zu müssen, abnehmen können. Selbstbestimmung bewegt sich stets zwischen den Polen von Unabhängigkeit und Abhängigkeit, Eigenverantwortung und sozialer Verantwortung. Vor diesem Hintergrund erwachsen Ärztinnen und Ärzten ungemein weit reichende und schwerwiegende Aufgaben. Bisher finden sie darin kaum Unterstützung. Entsprechend werden jüngst medizinisch-ethische Richtlinien für ärztliche Suizidbegleitung gefordert. Solche Überlegungen sind notwendig und wichtig. Dabei dürfen aber die Grenzen ethischer Überlegungen und Standards nicht übergangen werden. Entscheidungen auf der Grenze des Lebens zeigen immer auch die Grenzen menschlicher Entscheidungen und Verantwortung selbst auf. Die Grenzen des nicht mehr Entscheidbaren, des nicht mehr in Kategorien der Verantwortung fassbaren dürfen nicht umgangen werden. Hier muss, kann und darf menschliche Entscheidungs- und Handlungsmacht scheitern. Die Lebensnot von Sterbewilligen lässt sich nicht mit der Gewissensnot derjenigen verrechnen, die über Sterben und Weiterleben entscheiden sollen. Der Respekt vor der Autonomie und persönlichen Integrität muss beiden Seiten immer und zugleich gelten. Deshalb kann es keine Verpflichtung auf ärztliche Suizidbeihilfe geben. Die Dringlichkeit und Brisanz der Fragen um Suizidbeihilfe und Sterbehilfe darf nicht die Forderung und den Einsatz dafür verdecken, eine flächendeckende Palliative Care-Versorgung in der Schweiz einzurichten. Dabei geht es nicht nur um die Institutionalisierung von Hospizeinrichtungen, die Ausbildung von Personal und die
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Klärung von Versicherungs- und Finanzierungsfragen. Vielmehr bedarf es rechtlicher Rahmenbedingungen – wie etwa in Frankreich –, die es Angehörigen erlauben, sich aktiv an der Sterbebegleitung zu beteiligen. III.
Verrechtlichung der Suizidbeihilfe und gesellschaftliche Konsequenzen
Im Sog der schnellen und diffusen öffentlichen Suizidbeihilfediskussion und der ambivalenten Medienberichte über die Praxis organisierter Suizidassistenz wird die Forderung nach ihrer rechtlichen Regelungen immer lauter. Was könnte ein solches Gesetz regeln und was würde daraus folgen? Die aktuelle Praxis der Suizidbeihilfe ist klar definiert. Der ambivalente Ruf mancher Sterbehilfeorganisation beruht nicht auf gesetzlichen Lücken, sondern auf der Intransparenz ihrer Vorgehensweisen und in Vorwürfen, sich nicht an die klaren Vorschriften zu halten. Der Gesetzgeber sieht deshalb keinen Handlungsbedarf. Dieser würde allerdings entstehen, sollte die Suizidbeihilfe in der oben beschriebenen Weise drastisch ausgeweitet werden. Aus kirchlicher Perspektive rückt die Frage nach dem Ziel der Forderung einer Verrechtlichung in den Vordergrund. Dabei muss zwischen dem Akt der Suizidbeihilfe selbst und den Verfahren, wie sie organisiert, geplant, begleitet, kontrolliert und durchgeführt werden, unterschieden werden. Suizidbeihilfe ist kein Recht, auf das jemand Anspruch hätte. Eine Gesellschaft muss aber fordern, dass die Arbeitsweise von Suizidhilfeorganisationen transparent, nach gesellschaftlich allgemein anerkannten Normen und Regeln sowie von den entsprechenden Institutionen überprüfbar und sanktionierbar erfolgt. In dieser Hinsicht bedarf es klarer rechtlicher Regelungen, die aber nicht ein eigenständiges Suizidbeihilfegesetz nötig machen. Gegen ein solches Gesetz steht die Befürchtung, mit einer rechtlichen Legalisierung die moralischen und ethischen Kontroversen und Konflikte einzuebnen. Suizidbeihilfe würde zu einer Handlungsoption oder rechtlich geregelten Dienstleistung, wie jede andere auch. Zugleich müssen die Befürworter einer Verrechtlichung von der Annahme ausgehen, dass sich die komplexen und existenziellen Fragen am Lebensende formal rechtlich regeln und entscheiden lassen. Es entspricht einer Tendenz in individualisierten Gesellschaften, strittige gesellschaftspolitische Fragen an das Recht zu delegieren. Der Streit um die Sache wird damit im Zweifelsfall aus der Öffentlichkeit in den Gerichtssaal verlegt. Allerdings: Ist der Gerichtssaal der passende Ort, an dem über den Sterbewunsch einer schwerstkranken oder am Leben verzweifelten Person entschieden werden sollte? Und kann ein Gericht diese Fragen überhaupt angemessen entscheiden? Eine sich ihrer Verantwortung bewusste Gesellschaft muss beide Fragen verneinen. Die gesellschaftlichen Herausforderungen des Umgangs mit ihren Sterbenden kann sie nicht richterlichen Urteilssprüchen überlassen, weil kein Recht und kein Gericht in der Lage wären, diese Aufgaben zu bewältigen.
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Aus kirchlicher Sicht schwerwiegender ist aber die Frage nach den gesellschaftlichen Folgen: – Wie verändert sich das Arztbild in der Gesellschaft, wenn in medizinischethischen Richtlinien Suizidbeihilfe als ärztliche Tätigkeit explizit geregelt wird? – Wie verändert sich die gesellschaftliche Haltung gegenüber Krankheit, Sterben und Leiden, wenn Suizidbeihilfe in Form von Rechtsparagraphen legalisiert wird? – Wie verändern sich unsere Vorstellungen vom Leben und seines Schutzes angesichts der Realität und Praxis von Suizidbegleitung und Sterbehilfe? – Was wird aus der gesellschaftlichen Solidarität mit den Alten, Kranken, Schwachen, Leidenden, Verzweifelten und Sterbenden, wenn die Möglichkeit des begleiteten Suizids zu einem rechtlich klar geregelten Verfahren wird? Unsere Gesellschaft verändert sich fortwährend. Diese Dynamik schafft Sicherheit, sofern sie auf vertrauten und gemeinsam geteilten Grundlagen aufbaut. Der Mut, Neues zu denken und neue Wege zu suchen, verdankt sich dem Vertrauen in die bewährten Ordnungen. So ruhen auch die Überlegungen zu einer Ausweitung der Suizidbeihilfe auf den Gewissheiten einer Gesellschaft, in der das Leben der und des einzelnen das schützenswerteste Gut überhaupt darstellt. In diesem Bewusstsein spiegelt sich die christliche Tradition unserer Gesellschaft und ihrer fundamentalen Überzeugungen wider. Zu diesen Grundlagen gehört auch die gemeinsam geteilte Verpflichtung zur wechselseitigen Fürsorge und stellvertretenden Verantwortung. Diese Verpflichtungen folgen – im Rahmen von Sterbehilfe und Suizidbegleitung – dem Grundsatz: „Im Zweifel für das Leben“. Wer in Situationen kommt, in der sie oder er nicht mehr über sich und sein Leben entscheiden kann, kann sich nur auf die Geltung dieses Grundsatzes verlassen. Die eigene Ohnmacht kann nur ertragen werden, wenn das Vertrauen und die Gewissheit bestehen, dass sie von anderen stellvertretend getragen wird. Gilt dieses Wissen noch in gleicher Weise in einer Gesellschaft, in der die Grenzen des Lebensschutzes verschoben werden, weil der Zweifel an dem Wunsch zu sterben selbst in Zweifel gezogen wird? Auf welchen Schutz, welche Solidarität und welches stellvertretende Eintreten können sich psychisch kranke, verwirrte und demente Menschen noch verlassen, sollten sie in ihrer Verwirrung und Irrung „beim Wort“ genommen werden? Und welches Selbstverständnis vermittelt eine Gesellschaft ihren alten, gebrechlichen, schwerstkranken, behinderten, hilfsbedürftigen und sterbenden Mitgliedern, wenn sie nicht mehr bereit ist, die Lasten des Lebens solidarisch zu tragen? In einem sozialen Umfeld, das die Lasten des Lebens nicht mehr selbstverständlich zu teilen bereit ist, entsteht bei denjenigen, denen ihr Leben zur Last geworden ist, unweigerlich das Gefühl, nur noch eine Belastung zu sein. Die Befürchtung, anderen zur Last zu fallen, steht heute schon bei vielen sterbewilligen Menschen im Vordergrund. Jeder gesellschaft-
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lichen „Stimmung“, die einem solchen Denken Vorschub leistet, indem sie unterschwellig eine moralische Pflicht oder gar Forderung zur Selbsttötung suggeriert, muss entschieden widersprochen werden. Der gesellschaftliche Umgang mit sterbenden und sterbewilligen Menschen wirft vielfältige und weit reichende Fragen auf. Einfache, pauschale oder allgemeingültige Antworten darauf gibt es nicht. Unter keinen Umständen darf aber die Antwort einer Gesellschaft darin bestehen, sich diesen Fragen nicht (mehr) zu stellen.
Protestantische Kirche in den Niederlanden Einführung Konfession
evangelisch
Titel
Medizinische Entscheidungen im Umfeld des Lebensendes. Seelsorgliche und moralische Erwägungen. Handreichung für die Seelsorge
Verfasser
Theo Boer, Aart Hoogerwerf, Wim Golsteijn, Japp Rebel, Ploni Robbers-van Berkel
Herausgeber
Protestantische Kirche in den Niederlanden
Veröffentlichungsjahr
2006
Adressatenraum
Niederlande
Veröffentlichung
Medische beslissingen rond het levenseinde. Pastorale en morele overwegingen, Handreiking for het pastoraat, hg. v. Protestantse Kerk in Nederland, Utrecht 2006. URL: http://www.protestantsetheologischeuniversiteit.nl/uploadedDocs/medewerkerspagina/ boer/Boer-MBL-PGZ.pdf
Mit der Handreichung „Medizinische Entscheidungen am Lebensende“ äußert sich erstmals die neu gegründete Protestantische Kirche in den Niederlanden (PKN) zur Sterbehilfe. Nach einem mehrjährigen Prozess haben sich 2004 die reformierten und die lutherische Kirche zusammengeschlossen. Anlass für die Erarbeitung des umfangreichen Texts ist die andauernde gesellschaftliche und ethische Diskussion um die aktive Sterbehilfe in den Niederlanden. Gerade um auf auch aus anderen ethischen Bereichen an die PKN herangetragenen Fragen reagieren zu können und nicht ständig von der Diskussion um den Umgang mit dem Lebensende absorbiert zu sein, sollte auf diese, so die Intention, noch einmal grundsätzlich mit einer umfassenden Stellungnahme geantwortet werden. Die „Arbeitsgruppe Seelsorge im Gesundheitswesen“ der PKN hat dazu eine fünfköpfige, interdisziplinäre Verfassergruppe unter der maßgeblichen Leitung des Ethikers Theo Boer eingesetzt. Bereits der Untertitel des Textes dokumentiert den dezidierten Wunsch, die ethische Urteilsbildung mit der seelsorgerlichen Praxis zu verknüpfen. Dies geschieht vor allem durch die Verbindung beider Überlegungsrichtungen anhand von ihnen gemeinsam aufgegebenen Fallbeispielen. Die Anbindung an das gemeindliche Handeln zeigt
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sich darüber hinaus auch an einem – hier nicht abgedruckten – Anhang mit Gebeten, kleinen liturgischen Formen und Liedvorschlägen. In der ethischen Beurteilung betont die Handreichung immer wieder die Konflikthaftigkeit vieler Situationen am Lebensende und buchstabiert die Orientierungskraft des Liebesgebotes durch. Bei aller grundsätzlichen Anerkennung der rechtlichen Möglichkeit zur Inanspruchnahme aktiver Sterbehilfe in den Niederlanden äußert sich die Stellungnahme kritisch zu dieser Option: Angesichts der Warnung vor individuellen und gesellschaftlichen schiefen Ebenen, die vorschnell und irreversibel den Respekt vor dem Leben opferten, werden die Formen des begleiteten Sterbenlassens und der Schmerzlinderung – inklusive der ethisch weniger problematisch erachteten terminalen Sedierung – als bessere Alternativen herausgestellt. Mit diesen Perspektiven hat die PKN einen vorsichtigeren Weg eingeschlagen, als ihre Vorgängerkirchen ihn in den achtziger Jahren gegangen sind: Bereits 1985 und damit schon lang vor der Lockerung strafrechtlicher Verfolgung (1993), bzw. der Legalisierung von aktiver Sterbehilfe (2001) in den Niederlanden veröffentlichen die Hervormde Kerk und die Gereformeerde Kerken den Text „Euthanasie en Pastoraat“ (Euthanasie und Seelsorge). Durch seine für kirchliche und theologische Diskurse sehr liberalen Thesen hat der Text auch über die niederländischen Grenzen hinaus Bekanntheit erlangt und häufig Kritik geerntet. Beschreiben andere evangelische Stellungnahmen die Anwendung aktiver Sterbehilfe in schwersten Konfliktsituationen als letzte, immer auch mit Schuld verbundene Entscheidung zwischen zwei Übeln, so hat Euthanasie en Pastoraat aktive Sterbehilfe unter bestimmten Bedingungen explizit für christlich verantwortbares Handeln erklärt.
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Medizinische Entscheidungen im Umfeld des Lebensendes Seelsorgliche und moralische Erwägungen Handreichung für die Seelsorge Ein Wort zuvor Diese Handreichung ist für diejenigen gedacht, die mit der Begleitung von Menschen zu tun haben, deren Sterben in absehbarer Zeit erwartet wird und bei denen medizinische Entscheidungen getroffen werden müssen. Das Dokument ist für alle gedacht, die mit Seelsorge zu tun haben: sowohl für den Pfarrer und den Seelsorger der aus der Gemeinde heraus arbeitet als auch für den Anstaltsseelsorger, der hauptsächlich in der Betreuungseinrichtung arbeitet. Die vorliegende Notiz ist das Ergebnis eines Beratungsprozesses einer kleinen Kommission der Arbeitsgruppe Seelsorge im Gesundheitswesen, PGZ. Die Mitglieder dieser Studiengruppe stehen gemeinsam für dieses Ergebnis. Natürlich würde der eine oder die andere vielleicht einen etwas anderen Akzent legen: die Mitglieder kommen aus der Breite der Protestantischen Kirche in den Niederlanden. Da ergibt es sich von selbst, dass es bezüglich des Themas dieser Stellungnahme außer Übereinstimmung in Nuancen auch Unterschiede gab. Die behandelte Problematik bringt das auch mit sich: Am Ende des Lebens ist längst nicht die Rede von einer einzigen richtigen Entscheidungsmöglichkeit. Der Leser findet daher vielmehr eine Anzahl von Anhaltspunkten, die hilfreich sein können, um diese Art von Entscheidungen sorgfältig treffen zu können, und beachtenswerte Punkte für eine sorgfältige seelsorgliche Verbundenheit mit den Menschen, die entscheiden müssen. Eine der Arten von medizinischen Entscheidungen im Umfeld des Lebensendes ist die aktive Sterbehilfe* und der assistierte Suizid. Dazu sind in der Vergangenheit bereits Handreichungen erschienen. Dieser Bericht will hierzu lediglich eine Ergän1 zung sein und wiederholt die Erörterung nicht. Ein anderes Dokument, einen Be2 richt über das ‚Sterbenlassen’, möchte dieser Bericht allerdings ersetzen. Wir haben darüber nachgedacht, die Bezeichnung „er“ und „sie“ in diesem Dokument abwechselnd zu gebrauchen. Angesichts der großen und noch immer steigenden Zahl von Frauen, die in der Seelsorge tätig sind, wäre das sowieso angebracht. Aus stilistischen Gründen haben wir uns trotzdem für ein einheitliches „er“ * 1
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Aufgrund der belasteten Konnotationen, die das Wort im Deutschen hat, wird ‚euthanasie’ in der Übertragung durchgehend mit ‚aktive Sterbehilfe’ übersetzt (Anm. d. Übersetzerin). Protestantse Kerk in Nederland: Euthanasie en Pastoraat, Den Haag: Boekencentrum 1988. Neuauflage 1998; Protestantse Kerk in Nederland: Pastoraat en suïcide, Leusden 1994; Protestantse Kerk in Nederland: Levensmoe, Utrecht 2004. Protestantse Kerk in Nederland: Pastoraat rond versterven, Utrecht 1999.
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entschieden. Aus demselben Grund wird auch immer die Bezeichnung „Pastor“ gebraucht, wo auch Pfarrer oder Anstaltsseelsorger gelesen werden kann. Der Text wurde durch eine Studiengruppe zusammengestellt, die von der Arbeitsgruppe Seelsorge im Gesundheitswesen (PGZ) ernannt worden ist: Dr. Theo Boer (Endredaktion), Dr.med. Aart Hoogerwerf, Wim Golsteijn (Arzt), Prof. Dr. Jaap Rebel und Ploni Robbers-van Berkel. Die Arbeitsgruppe ist für Reaktionen dankbar. Sie können diese an Frau P. Robbers-van Berkel richten. Utrecht, Oktober 2006 Kapitel 1 Einleitung Über das Sterben nachzudenken ist für die meisten Menschen keine alltägliche Beschäftigung. Oft wird es vor sich her geschoben als etwas für später, sollte man alt werden. Leider ist die Wirklichkeit manchmal anders. Und auch wer alt werden sollte, wird während seines Lebens schon einmal darüber nachdenken. Schließlich hat jeder mit dem Sterben von Eltern, Familienangehörigen und Nächsten um sich herum zu tun. Jährlich sterben in den Niederlanden etwa 140.000 Menschen. Ungefähr ein Drittel von ihnen stirbt, ohne dass ein Arzt dabei war oder hinzugezogen wurde: Durch einen Herzanfall, eine (Gehirn-)Blutung oder durch einen Unfall, durch Mord oder Selbsttötung. Der Arzt kann in diesen Fällen nichts tun außer den Tod festzustellen. Aber in gut 100.000 Fällen hat ein Arzt doch auf die eine oder andere Art mit dem Sterbebett zu tun. Meist geht es um Sterbebegleitung, die zur normalen Arbeit eines Hausarztes, Pflegeheim-Arztes oder Spezialisten gehört. In fast der Hälfte der terminalen Situationen (Situationen in denen jemand in absehbarer Zeit sterben wird) können Fragen aufkommen wie: Müssen wir die Behandlung fortsetzen oder sogar noch stärkere Mittel gebrauchen? Oder ist es besser, die Behandlung zu beenden? Wie weit wollen wir in der Bekämpfung von Symptomen gehen? Und wie denken wir über aktive Sterbehilfe? Dass manchmal schwierige Entscheidungen getroffen werden müssen, ist vor allem eine Folge davon, dass immer neue Mittel und Techniken in der Heilkunde verfügbar werden. Zu denken ist an Mittel, um das Leben (künstlich) aufrecht zu erhalten, wie Wiederbelebung, Beatmung und Sondenernährung. Zu denken ist auch an Behandlungen, die zwar wirksam sind, aber manchmal ernsthafte Nebenwirkungen haben oder sehr langwierig sind, wie Chemotherapie bei Krebs. Schließlich ist auch zu denken an Methoden, um das Leiden zu vermindern (palliative Versorgung), die jedoch auch Nebenwirkungen haben können. Daneben spielen verändernde gesellschaftliche Ansichten eine Rolle, zum Beispiel hinsichtlich der menschlichen
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Selbstbestimmung, des Leidens und der Tragbarkeit von aktiver Sterbehilfe. Viel mehr ist möglich und darum kann auch aus mehr Möglichkeiten gewählt werden. Mehr wählen zu können, ist oft ein Segen, aber zugleich werden wir dadurch vor Dilemmata gestellt. Wie lang müssen wir mit der Behandlung weitermachen? Dürfen wir wirklich aufhören und wann? Können und wollen wir eigentlich wirklich entscheiden? Wer entscheidet? Was ist, wenn wir für jemand anderen entscheiden müssen? Oder wenn jemand um aktive Sterbehilfe bittet? Diese Art von Entscheidungen wird seit 1990 in den Niederlanden als „Medizinische Entscheidungen im Umfeld des Lebensendes“ (MBL) bezeichnet. Es geht hier um Entscheidungen eines Arztes in Bezug auf einen Patienten, die im Rahmen seiner Berufsausübung getroffen werden und die zu seiner Befugnis gehören. Einige von ihnen sind überwiegend medizinischer Art, wie zum Beispiel der Beschluss, eine sinnlose Behandlung nicht einzuleiten. Aber weil neben medizinischen Aspekten oft auch emotionale, moralische, psychologische oder lebensanschauliche Seiten damit zusammenhängen, sind viele Entscheidungen komplex und das Resultat eines Wegprozesses, an dem viele Menschen beteiligt sind. Diese Handreichung handelt von seelsorglichen und ethischen Aspekten rund um diese Art von Entscheidungen. Die Aufmerksamkeit wird dabei vor allem auf Entscheidungen, von (weiteren) medizinischen Behandlungen abzusehen, sowie auf palliative Behandlung und auf terminale Sedierung gerichtet sein Die Kapitel 2 und 3 haben Informations-Charakter: Wer hat welche Befugnisse, welche Entscheidungsmöglichkeiten gibt es und welche Erwägungen sind wichtig, um zu einer guten Entscheidung zu kommen? In Kapitel 4 wird die Problematik an Hand von einigen Beispielen erläutert – Beispielen, die auch im weiteren Verlauf dieser Handreichung zurückkehren. Kapitel 5 beschreibt eine Anzahl ethischer Aspekte bezüglich des Lebensendes aus christlicher Perspektive. Kapitel 6 beleuchtet medizinische Entscheidungen aus der Perspektive des Pastors (Pfarrers, Seelsorgers oder Anstaltsseelsorgers). Schließlich wurde ein Anhang mit Beispielen von Texten aufgenommen, die bei dieser Art von schwierigen Entscheidungen Trost und Orientierung geben können. Kapitel 2 Begriffsklärung 2.1 Einleitung Mit Entscheidungen im Umfeld des Lebensendes meinen wir: Entscheidungen über medizinische (Be-)Handlungen, die zu einer Zeit getroffen werden müssen, da das nahende Lebensende als reale Gegebenheit in Sicht ist. Es geht hier also nicht um z.B. Testamente, Erbfragen oder Begräbnis(-rituale). Wir können Entscheidungen im Umfeld des Lebensendes in drei Gruppen einteilen: die Entscheidung zu behan-
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deln oder gerade nicht (§ 2.2), die Entscheidung, palliative Versorgung zu geben (§ 2.3) und die Entscheidung zu aktiver Sterbehilfe (§ 2.4). 2.2 Behandeln oder nicht? Behandeln Wenn eine Krankheit nicht mehr zu heilen ist, kann man sich in manchen Fällen für eine Behandlung entscheiden, die das Sterben für kürzere oder längere Zeit hinausschiebt. Darunter können künstliche Ernährung, künstliche Beatmung oder Operationen, um z.B. die Darmpassage zu ermöglichen, fallen. In der Heilkunde sind Entscheidungen über Behandlungen außerhalb des Kontextes einer terminalen Krankheit nur selten ein Problem. Es kann Probleme mit der Finanzierung oder mit dem Abwägen der Interessen von anderen Patienten geben. Aber an sich stimmen Entscheidungen über Heilbehandlungen überein mit dem Ziel der Heilkunde und mit dem fundamentalen moralischen Ausgangspunkt, dass wir das menschliche Leben erhalten wollen. Voraussetzung ist natürlich, dass der Patient seine Zustimmung gibt. Wenn jedoch das Lebensende aufgrund einer unheilbaren Krankheit in Sicht ist, können Behandlungen durchaus Fragen hervorrufen, sowohl beim Patienten, bei seinen Angehörigen als auch bei Hilfeleistenden. Dann kann es, obwohl eine Behandlungsmethode zur Verfügung steht, die vielleicht schon einigen Nutzen hat, dennoch zur Entscheidung stehen, nicht zu behandeln. Nicht behandeln Entscheidungen gegen eine Behandlung können in zwei Gruppen eingeteilt werden: Nicht-Einleitung und Abbruch einer Behandlung. Die Nicht-Einleitung einer Behandlung wählt man, wenn diese von vorne herein aussichtslos ist. Dabei ist etwa an die Situation nach einem ernsthaften Unfall zu denken, in der die Aussicht auf jegliche Besserung ausgeschlossen ist. Oder an die Geburt eines Babys mit so vielen Missbildungen, dass diese nicht oder kaum mit dem Leben vereinbar sind. Es ist auch möglich, dass ein Patient mit Krebs beschließt, sich nicht noch einer Operation oder Chemotherapie zu unterziehen. Auch die Entscheidung, nicht zu reanimieren, gehört hier zu. Der „Abbruch einer Behandlung“ erfolgt im Allgemeinen, wenn deutlich wird, dass diese keine Wirkung (mehr) hat. Es kann Gründe für die Einleitung einer Behandlung geben, ohne dass sicher ist, dass diese auch Wirkung haben wird: nach einem ernsthaften Unfall, nach der Geburt eines Kindes mit ernsthaften, angeborenen Missbildungen, bei einem Schlaganfall. Wenn solch eine Behandlung dann doch nicht zu den gewünschten Wirkungen führt, muss darüber nachgedacht werden, nach einigen Tagen oder Wochen doch abzubrechen. Es hat sich gezeigt, dass es für Ärzte und Familienangehörige oft schwieriger ist, eine sinnlose Behandlung zu beenden, als erst gar nicht mit einer aussichtslosen Behandlung zu beginnen.
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Die Annahme liegt nahe, dass durch die Entscheidung, nicht zu behandeln oder eine Behandlung abzubrechen, das Sterben beschleunigt wird. Das trifft häufig zu (es geht dann meist um Tage, Wochen oder höchstens Monate), aber es kann auch umgekehrt sein. Manchmal durchlebt ein Patient zum Beispiel gerade durch den Abbruch einer Medikation mit ernsthaften Nebenwirkungen noch eine Periode von (vorübergehender) Verbesserung. Das Absehen von oder das Beenden von lebensverlängernden Maßnahmen oder Handlungen wird oft auch Abstinieren genannt. Für die Entscheidung, nicht (oder nicht mehr) zu behandeln, sprechen zwei Gründe. Der erste ist, dass der Patient die Behandlung verweigert. Sofern er einwilligungsfähig ist (dazu später mehr), gilt, dass die Verweigerung der Behandlung jederzeit akzeptiert werden muss. Der zweite Grund ist, dass der Arzt aus seiner medizinischen Profession heraus von der Sinnlosigkeit einer (weiteren) Behandlung aus medizinischen Gründen überzeugt ist. „Sterbenlassen“ In diesem Zusammenhang ist auch der Begriff des ‚Sterbenlassens’ zu nennen. Dabei geht es in der Regel um Patienten, die nicht mehr essen oder trinken, weil sie im Sterben liegen. Wenn keine Flüssigkeit oder Nahrung künstlich zugeführt wird, spricht man von ‚Sterbenlassen’. Künstliche Zuführung von Nahrung und Flüssigkeit kann den Sterbeprozess vielleicht etwas verlangsamen, aber sie ist eigentlich medizinisch sinnlos. Meistens bietet man trotzdem Flüssigkeit für den Fall an, dass der Sterbende in Momenten des Auflebens noch etwas trinken möchte. Der Terminus ‚Sterbenlassen’ hat in der jüngsten Vergangenheit Grund für Missverständnisse gegeben. So wurde vorgeschlagen, ihn in einem Sinn zu gebrauchen, der nahe an der Selbsttötung liegt: Jemand verweigert Nahrung und Flüssigkeit und wird als Folge davon nicht viel mehr als eine Woche zu leben haben.3 So jemand stirbt, weil er nichts mehr isst und trinkt. Im Anschluss an jüngste Diskussionen hierüber schlagen wir vor, „Sterbenlassen“ hier ausschließlich in der erstgenannten Bedeutung zu gebrauchen: den sterbenden Patienten nicht am Sterben zu hindern. „Sterbenlassen“ ist dann dasselbe wie das Absehen von einer medizinisch sinnlosen Behandlung. 2.3 Palliative Behandlungen Palliative Versorgung wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) umschrieben als „aktive, ganzheitliche Versorgung für Patienten, deren Krankheit nicht 3
Vgl. Chabot, B.E.: Versterving, een oude weg naar Rome, in: Vox hospitiï. Tijdschrift voor verpleeghuisgeneeskunde, 20, 1 (Februar 1996), 3–7. Versterven (der Begriff für Sterbenlassen hat im Niederländischen auch die Bedeutung von „Absterben“, Anm. d. Übersetzerin) hatte in der römisch katholischen Tradition ursprünglich noch eine dritte Bedeutung: Sich durch Enthaltung von leiblichen Genüssen in einer Praxis des Fastens und Buße-Tuns für das Heil von Christus zu öffnen. Eine Bedeutung also, die mit dem Lebensende nichts zu tun hat.
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mehr auf kurative Behandlung reagiert. Behandlung von Schmerz und anderen Symptomen, Bekämpfung von psychologischen und sozialen Problemen und Aufmerksamkeit für Sinngebungs-Aspekte sind von entscheidender Bedeutung.“ Der Anteil des Arztes daran, z.B. die Entscheidung zu palliativer Bestrahlung, Schmerzbekämpfung und Sedierung, fällt unter die medizinischen Entscheidungen am Lebensende. Im Allgemeinen stößt palliative Versorgung auf wenig ethische Probleme. Wenn Schmerz, Übelkeit, Unruhe, Juckreiz und andere Symptome, die in terminalen Situationen vorkommen, adäquat bekämpft werden können, wird dies im Allgemeinen mit beiden Händen ergriffen. Aber es können auch Nebenwirkungen auftreten. Manche Patienten werden durch Morphium benommen oder unruhig. Palliative Medikation muss manchmal auch in zunehmender Dosierung verabreicht werden, wodurch die Möglichkeit besteht, dass jemand als Folge davon eher stirbt. Manche gehen so weit, dass sie bei bestimmten Formen der palliativen Versorgung über ein Grenzgebiet zu aktiver Sterbehilfe sprechen. In diesem Zusammenhang nennen wir hier auch die „palliative Sedierung in der letzten Lebensphase“, auch „terminale Sedierung“ genannt. Damit ist das Verabreichen von einem Mittel gemeint, durch das jemand in einen tiefen Schlaf fällt, ohne dass noch Flüssigkeit und Nahrung verabreicht wird. Die Erwartung dabei ist, dass der Patient unter diesem Mittel schlafend sterben wird. Das Ziel ist die Erleichterung von dem Leiden, das auf andere Weise nicht zu erleichtern ist. Beim Aufwachen aus diesem künstlichen Schlaf müsste der Patient das Leiden wieder mitmachen. Ob der Tod in dieser Situation früher eintritt oder gerade später, ist noch nicht klar. Am wahrscheinlichsten ist es, dass beides möglich ist, abhängig davon, wie es dem Kranken sonst geht und wie weit seine Krankheit fortgeschritten ist. 2.4 Aktive Sterbehilfe Eine Bitte um aktive Sterbehilfe oder assistierten Suizid gehört zum Schwierigsten, mit dem Ärzte konfrontiert werden. Aktive Sterbehilfe wird in den Niederlanden umschrieben als: Vorsätzliches lebensbeendendes Handeln durch einen anderen als den Betroffenen, auf dessen Verlangen. Verschreibt ein Arzt ein tödliches Mittel, das durch den Patienten selbst eingenommen wird, dann sprechen wir von assistiertem Suizid. In den Niederlanden sind aktive Sterbehilfe und assistierter Suizid strafbar. Ärzte werden von der Strafverfolgung ausgeschlossen, wenn sie sich an die gesetzlichen Vorgaben halten. Ein ausdrückliches Verlangen des Patienten und der Zustand eines unerträglichen und aussichtslosen Leidens, das nicht bekämpft werden kann, sind davon die wichtigsten. In den vergangenen Jahren sind noch zwei andere Formen von aktiver Sterbehilfe Gegenstand der Diskussion gewesen. Erstens assistierter Suizid bei Menschen, die keine lebensbedrohliche Krankheit haben, aber die, oft wegen hohen Alters oder sozialen Umständen, „am Leben leiden“ bzw. ‚lebensmüde’ sind. Aus verschie-
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denen Gründen – praktischen, gesellschaftlichen und politischen – ist es die Frage, ob diese Form des assistierten Suizids (auch „Pille von Drion“ oder „Letzter Wille Pille“ genannt) in absehbarer Zeit an Bedeutung gewinnt. So stellte der Staatsgerichtshof 2002 fest, dass der Gesetzgeber ausdrücklich nicht die Absicht hatte, Lebensmüdigkeit unter das Gesetz für aktive Sterbehilfe fallen zu lassen, da es hier nicht um eine medizinisch klassifizierte körperliche oder geistige Krankheit oder Erkrankung geht. Über die zweite Kategorie medizinischer Entscheidungen ist ebenso wenig das letzte Wort gesprochen: Lebensbeendigung ohne Verlangen. Das Niederländische Recht erlaubt aktive Sterbehilfe ausschließlich, wenn ein Wunsch des Patienten vorliegt. Trotzdem kann ein Arzt in sehr außergewöhnlichen Fällen der Meinung sein, dass es sich um eine Notsituation handelt, in der nichts anders übrig bleibt, um das Leiden zu verhindern, als das Leben zu beenden, auch ohne dass der Betroffene im Stande ist, darum zu bitten. Zu denken ist an ernsthafte Unfälle, Verbrennungen oder ernsthafte angeborene Missbildungen, die unerträgliches Leiden verursachen. In der Praxis entscheidet man sich in dieser Art von Notsituationen meistens dafür, jemanden in sehr tiefen Schlaf zu versetzen, als eine Form der terminalen Sedierung, weil das Leben nicht mehr zu retten ist. Es sind dramatische Umstände die für die Angehörigen und Hilfeleistenden tief einschneidend sind. Zwar steigt die gesellschaftliche Akzeptanz von Lebensbeendigung ohne Verlangen in diesen Fällen, es bleibt medizinisches Handeln auf des Messers Schneide: Ein Leben zu beenden ist ein unumkehrbarer Eingriff, der nicht in das normale medizinische Handeln passt. Sedierung: Die Phasen einer terminalen Krankheit Vor der Frage, ob eine terminale Sedierung lebensverkürzend wirkt oder nicht, ist eine kurze Klärung angebracht. In der terminalen Periode wird zwischen drei Phasen unterschieden.4 Die erste ist eine Phase des „Ungleichgewichts“. Wenn die Diagnose und die Prognose einer tödlichen Erkrankung bekannt werden und die Symptome unverkennbar vorliegen, führt das oft zu Angst, Panik und depressiver Stimmung. In dieser Phase wird aktive Sterbehilfe oft erbeten und in manchen Fällen auch geleistet. In dieser Phase wäre terminale Sedierung ein Schleichweg für aktive Sterbehilfe, auch bezeichnet als „langsame aktive Sterbehilfe“: Jemanden zu sedieren, dessen Sterben noch nicht unmittelbar bevorsteht, ohne dabei Nahrung und Flüssigkeit zuzuführen, bedeutet, dass der Betroffene durch Mangel an Nahrung und Flüssigkeit sterben wird. In der zweiten Phase der terminalen Periode kann ein gewisses „Gleichgewicht“ auftreten durch wirksame palliative Behandlung und Begleitung. Die Symptome 4
Siehe Zylicz, B. und Blonk, M.C.: Palliative zorg op een vernieuwde manier beschouwd, in: Pro Vita Humana 13,1/2, 2–6 (2006). Vgl. Jasper Enklaar, Terminus: Dr. Ben Zylicz en de kunst van het sterven. Zutphen/Apeldoorn: Plantaan 1999.
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können dann so beeinflusst werden, dass sie für den Patienten erträglich sind. In dieser Phase entsteht meist kein Wunsch nach Lebensbeendigung. Es gibt eine gewisse Akzeptanz solange Menschen sich noch klar im Kopf fühlen und wenige Beschwerden haben. In der „letzten Phase“ der terminalen Periode können Symptome wie Schmerz, Juckreiz, extreme Ermüdung, Atemnot, Schluckprobleme, Erbrechen, Unruhe und Angst wieder so stark in den Vordergrund treten, dass von einer dramatischen Verschlechterung trotz aller palliativer Versorgung die Rede ist. Terminale Sedierung kann in dieser Phase die einzige Art sein, das Leiden zu erleichtern und fällt dann unter die normale medizinische Behandlung. Die Phase, in der terminale Sedierung angewandt wird, ist somit ausschlaggebend für ihre medizinische und moralische Beurteilung. Zusammengefasst können wir die Entscheidungen im Umfeld des Lebensendes, die hier besprochen werden, in dem folgenden Schema zusammenfassen: • •
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Auf Lebensverlängerung ausgerichtetes Handeln (§ 2.2 und § 5.3) Nicht auf Lebensverlängerung ausgerichtetes Handeln (§ 2.2 und § 5.3) Von einer Behandlung absehen (§ 2.2 und § 5.3) Eine Behandlung beenden (§ 2.2 und § 5.3) Palliative Behandlung (§ 2.3 und § 5.4) Terminale Sedierung (§ 2.3 und § 5.4 und § 5.5) Lebensbeendendes Handeln (§ 2.4 und § 5.6) Auf Verlangen (aktive Sterbehilfe und assistierter Suizid) (§ 2.3) Lebensbeendigung ohne Verlangen (§ 2.4)
Kapitel 3 Allgemeine Erwägungen 3.1 Einleitung 1973 schrieb der Hausarzt Prof. Dr. J.C. van Es ein kleines Buch, das noch immer aktuell ist. Es geht um das verantwortliche Sterben als Fortsetzung eines verant5 wortlichen Lebens. Er meinte damit: Menschenwürdiges Sterben, den eigenen Tod sterben können. Van Es formulierte einige fundamentale Voraussetzungen für menschenwürdiges Sterben: • Das körperliche Leiden darf nicht so ernst sein, dass es das Funktionieren des Menschen als sozialem Wesen behindert. • Der Sterbende darf nicht von quälenden Ängsten oder einer depressiven Stimmung überwältigt werden; weder durch Ängste vor dem Abschied, noch durch 5
van Es, J.C.: Ieder sterft zijn eigen dood. Utrecht: Oosthoek 1973.
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Ängste vor dem Sterben selbst und ebenso wenig durch Ängste vor der Zukunft nach dem Tod. Menschenwürdiges Sterben kann erst geschehen, wenn man in Frieden mit seiner Umgebung lebt. Alte oder neue Konflikte, abgekühlte oder zerbrochene Beziehungen können daran hindern. Von menschenwürdigem Sterben ist erst dann die Rede, wenn der Sterbende in Freiheit leben und sterben kann.
Aus diesen Worten kann geschlossen werden, dass menschenwürdiges Sterben viele Aspekte beinhaltet: leibliche, emotionale, soziale, lebensanschauliche und moralische. Obwohl die Medizin im abgelaufenen Jahrhundert einen Höhenflug erlebt hat, ist sie nicht in der Lage, alle Probleme aufzulösen und allen genannten Aspekten gerecht zu werden. Dinge wie Leiden, Abhängigkeit, Haltverlust bleiben auch in der Zukunft Bestandteil des menschlichen Daseins. Außerdem ist ein Teil der Probleme um das Sterben gerade durch den Fortschritt der Heilkunde verursacht. Inmitten der Komplexität der medizinischen Entscheidungen im Umfeld des Lebensendes ist es darum wichtig, nicht alleine nach guter medizinischer Begleitung für die Krankheit zu suchen, sondern auch nach Begleitung für andere Hilfeleistende und Familie und Freunde des Kranken. Jeder hat dabei seinen eigenen Beitrag und seine eigene Verantwortlichkeit. In diesem Kapitel erkunden wir die allgemeinen medizinischen und medizinethischen Erwägungen hinter den verschiedenen Entscheidungen. Wir beginnen mit einer kurzen Inventarisierung der Entscheidungsmöglichkeiten (§ 3.2), untersuchen dann die schwierige Frage wer entscheidet, vor allem wenn der Kranke nicht für sich selbst sprechen kann (§ 3.3), und schließen mit der Frage wie beschlossen werden muss (§ 3.4). 3.2 Die Entscheidungsmöglichkeiten Oben haben wir bereits aufgezeigt, dass wir hier unter medizinischen Entscheidungen im Umfeld des Lebensendes drei Arten von Entscheidungsmöglichkeiten verstehen: Die Entscheidung, nicht zu behandeln, die Entscheidung für palliative Versorgung mit den möglichen Nebenwirkungen und die Entscheidung zu aktiver Sterbehilfe. Wir schauen sie uns hier kurz an. Die Entscheidung „zu behandeln“ kann schwierig sein, wenn viele Nebenwirkungen zu erwarten sind, während der zu erwartende Nutzen klein und unsicher ist. Werden doch die Ziele der Medizin umschrieben als: Das Leben zu erhalten, wo es möglich ist, und Leiden zu beheben oder zu erleichtern. Das Leiden zu verlängern oder zu verschlimmern kann nie das Ziel der Medizin sein. Der erste Ausgangspunkt für medizinisches Handeln ist immer gewesen: keinen Schaden zufügen („primum nil nocere“). Wenn es schon notwendig ist, Schaden zu verursachen, muss dies motiviert sein durch die erwartete (größere) positive Wirkung. Eine Fuß-
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amputation oder eine schwere Kur bei Krebs können aus diesem Grund vertreten werden. Doch weil bei solchen Abwägungen subjektive Einschätzungen, Unsicherheiten und persönliche Sichtweisen mitspielen, können sie manchmal ungewöhnlich schwierig sein: Wer legt fest, wie die Wirkungen in Bezug auf Leiden und Lebensqualität abzuwägen sind? Auch die Entscheidung, „nicht zu behandeln“, kann aus einer Anzahl von Gründen schwierig sein: Weil der Entschluss, zurückzutreten vielen Ärzten nicht „im Blut“ liegt; weil wir uns an jeglichem Strohhalm festhalten und weil nicht zu behandeln manchmal bedeutet, eher zu sterben als „nötig“. Ist es denn nicht unsere Pflicht, menschliches Leben aufrecht zu erhalten? Selbst wenn es für solch eine Nicht-Behandlungs-Entscheidung gute Gründe gibt, ist oft auch Mut nötig. Das gilt sicher ebenfalls für die Entscheidung, eine bereits begonnene Behandlung bei näherer Betrachtung zu beenden. Es kann deutlich werden, dass eine medizinische Behandlung zu einer Situation geführt hat, die sich keiner gewünscht hatte und die außerhalb der Ziele der Heilkunde liegt. Emotional zeigt sich, dass sowohl für Ärzte als auch für Angehörige eines Kranken oft der Entschluss schwerer ist, eine Sonde herauszuholen als sie nicht zu legen.6 Drittens gibt es die Option der palliativen Versorgung. Das ist im Allgemeinen nicht problematisch, aber auch Palliation kann Nebenwirkungen haben, die manchmal weitreichend sind. Der Körper kann sich an das Morphium gewöhnen, wodurch immer stärkere Dosierungen nötig sind, ganz abgesehen von möglichen Nebenwirkungen wie Benommenheit und Unruhe. Eine terminale Sedierung kann bedeuten, dass ein Mensch, wenn er keine Nahrung und Flüssigkeit zugeführt bekommt, (etwas) früher stirbt. Schließlich sind auch die rechtlichen, moralischen und emotionalem Seiten der „aktiven Sterbehilfe“ zur Genüge bekannt. Drei normative Rahmen Im Prozess von Fürsorge, Abwägung und Entscheidung gibt es drei normative Rahmen [16], denen Rechnung getragen werden muss. Zunächst einmal gibt es die „Normen aus der Gesetz- und Regelgebung und aus dem professionellen moralischen Kodex,“ die im Gesundheitswesen gelten. Gute, professionelle Versorgung eines Kranken wird als Fürsorgepflicht der Gesellschaft und als Recht jeden Bürgers angesehen. Auf Grund seines Selbstbestimmungsrechtes kann ein Kranker bestimmen, ob er von der angebotenen Versorgung Gebrauch machen will. Sowohl die Fürsorgepflicht der Gesellschaft, als auch das Recht der Verweigerung des Patienten sind wichtige gesetzliche Angelpunkte. Nicht alle guten Umgangsformen sind in Regeln und Gesetzen zu fassen. Beschlüsse müssen darum auch auf dem Hintergrund von oftmals „informellen moralischen Kodizes, die in einer Gesellschaft“ gelten, getroffen werden: die gesell6
Vgl. Teeuw, A.A.: Niet starten om staken te voorkomen? Een morele beoordeling van niet-starten en staken van sondevoedingstherapie bij CVA-patiënten in een verpleeghuis. Ridderkerk 2003.
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schaftliche und öffentliche Moral. Es geht dann um die Erwartungen, die Menschen an einander richten, aber auch um Normen und Werte, die in der Medizin- und Gesundheitsethik stets wiederkehren. Weil jeder auch seinen „eigenen Tod“ sterben können muss, ist es drittens auch wichtig, dass Entscheidungen zu der je „eigenen Lebensüberzeugung“ passen. Im weiteren Verlauf dieses Kapitels gehen wir vor allem auf die ersten beiden Rahmen ein. Das lebensanschauliche Element wird in den Kapiteln 5 und 6 ausgedehnt Aufmerksamkeit erhalten. 3.3 Wer entscheidet? Wie in vielen anderen Ländern ist auch in den Niederlanden für jede medizinische Behandlung die Zustimmung des Patienten nötig. Der Hilfeleistende wird angehalten, dem Patienten in deutlicher und verständlicher Weise Informationen zu geben und mögliche Alternativen aufzuzeigen. Jeder hat das Recht, Behandlungen zu verweigern, wie sinnvoll sie vielleicht auch sein mögen. Ein Beispiel: Bei einem sonst gesunden Menschen wird eine gut behandelbare Form von Krebs festgestellt. Der Patient verweigert diese Behandlung trotz der ernsthaften Möglichkeit, dass er dadurch sterben wird. Wie sehr es auch dem Berufsethos und den Gefühle eines Arztes widersprechen kann, er darf nicht dazu übergehen zu behandeln. Auch Familienmitglieder und andere Angehörige können daran nichts ändern. Gespräche, Beratungen, Überzeugungsversuche, das ist alles erlaubt, aber letztlich ist der Wille des Betroffenen Gesetz. Umgekehrt kann es sein, dass es für eine Erkrankung keine Behandlung gibt, aber der Patient doch eine Behandlung einfordert. So weit das Recht auf Verweigerung auch reicht, die Selbstbestimmung des Patienten geht nicht so weit, dass Behandlungen auch eingefordert werden können. Der Arzt hat eine eigene Verantwortung, um zu beurteilen, ob eine Behandlung nach medizinischen Maßstäben sinnvoll ist. Eine medizinische (Be-)Handlung, die nicht sinnvoll ist, kann durch einen Patienten nie erzwungen werden. Der Arzt muss auch nichts tun, was gegen sein Gewissen verstößt. Wenn jemand einwilligungsunfähig ist: der Vertreter Im Prinzip ist der Patient selbst die erste und wichtigste Person um Entscheidungen über Behandlung und Palliation zu treffen. Aber gerade in der letzten Phase des Lebens kann der Kranke in einem Zustand sein, in dem er nicht mehr zu einem Gespräch über schwierige Fragen im Stande ist, wie im Fall von Koma oder ernsthafter Demenz. Wenn jemand nicht im Stande ist, selbst zu entscheiden, geht die Verantwortung auf den gesetzlichen Vertreter über. Das sind, in dieser Reihenfolge: • der Vormund oder Betreuer (wenn er ernannt ist) • der schriftlich Bevollmächtigte (bei einer datierten und vom Patienten unterschriebenen Vollmacht)
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der Ehemann, die Ehefrau oder Lebenspartnerin/Lebenspartner ein Elternteil (wenn es um Kinder geht) ein erwachsenes Kind (wenn es um einen Elternteil geht) ein Bruder oder eine Schwester. Der gesetzliche Vertreter darf über das Ausführen oder Bleibenlassen einer medizinischen Behandlung, doch nie über aktive Sterbehilfe entscheiden; auch nicht, wenn eine Willenserklärung vorliegt. Wann ist jemand einwilligungsunfähig? Über den Begriff Einwilligungsunfähigkeit gibt es ausführliche juristische, ethische und medizinische Literatur. Das Feststellen von Einwilligungsunfähigkeit ist trotzdem noch lange nicht immer einfach. Wichtig ist, dass jeder einwilligungsfähig ist, bis das Gegenteil festgestellt wird. Die Beweislast liegt also nie beim Patienten selbst, sondern bei anderen. In manchen Fällen gibt es noch einige Unsicherheit und wird z.B. eine psychologische Untersuchung nötig sein. Für das Feststellen von Einwilligungsfähigkeit gibt es dann auch keine objektiven Kriterien. Man gebraucht dabei Umschreibungen wie: Einsicht in die Krankheit haben, das Begreifen von Informationen, das Vermögen, mit der Information umgehen und einen vernünftigen und realistischen Entschluss treffen zu können. Alle diese Umschreibungen beinhalten die Gefahr, dass die Auffassungen desjenigen, der die Einwilligungsfähigkeit feststellen soll, eine wichtige Rolle einnehmen. Aber es geht nicht um die Frage, ob andere finden, dass jemand die richtige Entscheidung trifft, sondern um die Frage, ob jemand die Reichweite seines Entschlusses übersehen kann. Mitunter kann die Familie oder der gesetzliche Vertreter anderer Meinung hinsichtlich der Einwilligungsfähigkeit des Patienten sein als der Arzt. Das kann zu Konflikten führen. Wichtig ist ferner, dass auch von partieller Einwilligungsunfähigkeit die Rede sein kann: Auf einem Gebiet kann jemand vielleicht sehr wohl Entscheidungen treffen, auf einem anderen nicht. So kann jemand im Stande sein, einfache alltägliche Entscheidungen zu treffen, doch Entscheidungen mit weit reichenden Folgen (Wohlbefinden, Leben und Tod) kann er vielleicht nicht übersehen. Wenn Einwilligungsunfähigkeit festgestellt ist Ist von Einwilligungsunfähigkeit die Rede, dann müssen die entsprechenden Vertreter soweit wie möglich davon ausgehen, was der Patient gewollt hätte. Dazu ist es notwendig, dass sie ein Bild vom Patienten und von seinen Auffassungen über Gesundheit, Krankheit, medizinische Forschung und Behandlungen und die Bedeutung der letzten Lebensphase haben. Es ist nicht auszuschließen, dass die Auffassungen der Vertreter andere sind als die des Kranken. Auch können Familienmitglieder oder Vertreter untereinander uneins darüber sein, was geschehen muss und was jemand gewollt hätte. Hier ist es vor allem die Aufgabe des Arztes, den Knoten zu entwirren und wenn möglich zwischen den Auffassungen und Glaubenssätzen
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der Vertreter und dem unterstellten Patientenwillen zu unterscheiden. Ebenso können andere Hilfeleistende – pflegende und versorgende, ein Psychologe, ein Sozialarbeiter oder ein Pastor – eine vermittelnde oder klärende Rolle spielen. Gleichwohl müssen auch sie sich ihrer eigenen Interpretation der Situation bewusst sein. Hilfeleistende sind immerhin auch Menschen mit Emotionen und mit eigenen Werten und Normen. Die Information, die sie geben, kann von einer bestimmten Ausrichtung her gefärbt sein. Bisweilen kann sogar von einem Argumentations-Reusen-Netz gesprochen werden: Diejenigen, die entscheiden müssen, werden mit der gelieferten Information in eine bestimmte Richtung (das Reusen-Netz) getrieben, aus der sie nicht mehr entkommen können. Es kann passieren, dass von vornherein die Option „bei so einem Krankheitsbild müssen wir sowieso nicht mehr behandeln“ festgelegt ist; aber auch umgekehrt: „wie klein die Erfolgschance auch ist, wir behandeln auf jeden Fall.“ Was will oder wollte der Kranke? Was hätte jemand gewollt? Manche Patienten, die nicht einwilligungsfähig sind, geben trotzdem Signale, die vor einer Entscheidung für ihre Vertreter von größter Bedeutung sind. Das erfordert eine genaue Interpretation der Äußerungen des Betroffenen (verbal und nonverbal) in dem Licht dessen, wie Menschen ihn gekannt haben. Manchmal ist auch nicht alles das, was es zu sein scheint: Wenn jemand z.B. Nahrung und Feuchtigkeit verweigert, kann es sein, dass er nicht mehr weiter will. Vielleicht liegt aber auch eine Mund- oder Rachenentzündung vor oder die Angst, sich zu verschlucken. In anderen Fällen gibt es keine solchen Äußerungen mehr, und wir sind im Licht des bisherigen Lebens des Betroffenen, seiner Werte und Normen, seiner Lebensanschauung auf eine Interpretation dessen angewiesen, was er gewollt hätte. Nicht selten können schriftliche (Willens-)Erklärungen helfen, Unsicherheit zu verhindern. Der Arzt bleibt für sein medizinisches Handeln verantwortlich, aber er muss seine Entscheidungen argumentativ vertreten und erklären können. Wichtig ist, wie gesagt, dass die gesetzlichen Vertreter zwar entscheiden können, ob eine medizinische Behandlung ausgeführt werden soll oder nicht, aber niemals über aktive Sterbehilfe, selbst wenn eine Willenserklärung vorhanden ist. 3.4 Wie kommen wir zu einem guten Entschluss? Ausgangspunkt ist also, was der Kranke selbst will oder – wenn er einwilligungsunfähig ist – gewollt hätte. Um zu einem guten Entschluss zu kommen, ist es wichtig, systematisch vorzugehen und sich nicht durch Emotionen überwältigen zu lassen. Dabei ist Offenheit eine wichtige Voraussetzung. Nicht allein ein Patient, sondern auch andere Betroffene können Zeit brauchen, bevor sie im Stande und bereit sind, dem Ernst und der Komplexität einer Situation in die Augen zu sehen. Es kann die Aufgabe des Arztes sein, dem Patienten und seiner Familie beim Erfassen der Wahr-
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heit über die Situation zu helfen, in der er sich befindet. Ein Pastor, ein Freund oder Partner kann das jedoch ebenso. Medizinische Entscheidungen im Umfeld des Lebensendes sind selten ausschließlich medizinischer Art. Meint ein Arzt, dass seine Entscheidung allein auf Grund seines medizinischen Sachverstandes getroffen wird, verkennt er die moralischen Aspekte der Arbeit. Es kann bei manchen Ärzten die Neigung geben, den Begriff „medizinisch sinnlos“ nicht nur im Sinne von „medizinisch ohne Wirkung“ (aussichtslos) zu gebrauchen, sondern auch im Sinn von „unmenschlich“ oder „unmoralisch“. Es kann sein, dass ein Arzt einen medizinischen Eingriff sinnlos nennt und damit eigentlich meint, dass, wiewohl die Behandlung wirksam ist, die Lebensqualität nach dem Eingriff unzureichend wäre. Auf diese Weise ist es möglich, dass medizinisch-professionelle und moralische Einschätzungen vermischt werden. Das ist nicht wünschenswert, weil ethische Einschätzungen oft von Person zu Person unterschiedlich sind. Dann ist es wichtig zu beobachten, was ein Arzt mit normativen Begriffen wie „Lebensqualität“ und „sinnvoll“ meint, und zu besprechen, ob alle Betroffenen sich in dieser Sichtweise wiederfinden können. Um eine Entscheidung sorgfältig zu treffen, können die folgenden medizinischen und ethischen Fragen gestellt werden: 1. • • • • • •
Sachfragen: Was sind die medizinischen Aussichten des Patienten? Gibt es Behandlungsmöglichkeiten? Welches Ziel haben die Behandlungsmöglichkeiten: Kurativ? Verzögern sie das Sterben und, falls das so ist, wie lange? Was haben die Möglichkeiten für Folgen für die Lebensqualität? Ist weitere Information verfügbar, um zu einem ausgewogenen Entschluss zu kommen? Was will der Patient oder was hätte er gewollt?
Ethische Fragen: • • •
• •
Wie ist die Gewichtung von Vor- und Nachteilen? Können wir hinnehmen, dass jemand von weiterer Behandlung absehen will, auch wenn das möglicherweise das Lebensende beschleunigt? Können wir hinnehmen, dass der Abbruch einer Behandlung im Interesse eines Patienten sein kann, auch wenn das möglicherweise das Lebensende beschleunigt? Ist eine palliative Behandlung auch dann gerechtfertigt, wenn sie das Lebensende vielleicht etwas beschleunigt? Kann jemand dergestalt leiden, dass aktive Sterbehilfe vertretbar sein kann?
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Zusammen entscheiden Zweifellos ist allen Parteien am besten mit einem Beschluss gedient, der in guter gemeinsamer Beratung zwischen dem Kranken, der Familie, dem Arzt und eventuellen anderen Pflegekräften getroffen wird. Das gibt Ruhe und Freiheit und kann dazu beitragen, dass die nahen Angehörigen und die Hilfeleistenden mit einem – soweit das möglich ist – „guten Gefühl“ auf den Entschluss zurückblicken können. Kapitel 4 Beispiele aus der Praxis (1)
Frau de Jong: „Sondenernährung bei einem einwilligungsunfähigen Patienten?“
Frau de Jong ist 69 Jahre alt. Sie wohnt nun seit zwei Jahren wegen einer frühen und stetig fortschreitenden Demenz in einem Pflegeheim. Im vergangenen Jahr hat sich ihr Zustand dergestalt verschlechtert, dass sie kaum noch aus dem Bett kommt. Steht sie dennoch auf, ist sie sich ihrer Umgebung kaum bewusst. Ihren Mann und ihre Kinder erkennt sie nicht mehr. Essen und Trinken fällt ihr schwer und sie verschluckt sich immer öfter. In der letzten Zeit nimmt sie fast keine Flüssigkeit und Nahrung schon gar nicht mehr zu sich: Die Demenz ist dermaßen fortgeschritten, dass sowohl die Schluckfunktionen als auch das Bewusstsein für das Schlucken beeinträchtigt sind. Dieser Prozess ist unumkehrbar. Es ist nicht zu erwarten, dass Besserung eintritt. Ohne Eingriff wird Frau de Jong wahrscheinlich innerhalb von ein paar Wochen sterben. Das wird auch ‚Sterbenlassen’ genannt. Nur durch künstliche Verabreichung von Flüssigkeit und Nahrung kann ihr Leben noch einige Zeit aufrechterhalten werden. Angesichts dieser Prognose lädt der Pflegearzt Herrn de Jong zu einem Gespräch ein und fragt ihn als den nächsten Betroffenen nach seiner Meinung. Er fragt ihn auch, ob er weiß, wie seine Frau, wenn sie noch bei vollem Verstand wäre, über Sondenernährung denken würde. Nach Herrn de Jong hat seine Frau in der Vergangenheit mehrmals erklärt, dass „an allerlei Schläuchen Liegen“ für sie keine Option ist. Zugleich erkennen sowohl der Arzt als auch Herr de Jong, dass sie an der Sichtweise seiner Ehefrau zwar einen Anhaltspunkt haben, dass aber die Entscheidung nun an ihnen ist. Die Verantwortung lastet schwer auf Herrn de Jong, wie er in einem Gespräch mit dem Pfarrer erzählt. Auf der einen Seite kann er seine Frau noch nicht entbehren: Auch so, wie sie nun ist, bedeutet sie ihm noch viel. Außerdem deutet wenig darauf, dass seine Frau ernsthaft leidet. Auf der anderen Seite gönnt er ihr ein würdiges Sterbebett. Aus seinem Glauben heraus ist für ihn die Frage wichtig: Darf ich eigentlich auf diese Weise über das Leben meiner Frau bestimmen? Der Pfarrer hört seinem Bericht zu und verabredet, dass sie morgen weiter darüber sprechen.
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Herr Bosma: „Keine Lungenentzündung mehr behandeln bei einem MSPatienten?“
Herr Bosma ist ein verheirateter Mann von 59 Jahren, der wegen einer fortgeschrittenen Multiplen Sklerose seit drei Jahren in einem Pflegeheim untergebracht ist. Er ist an beiden Beinen gelähmt und auch seine Arme und Hände kann er nicht mehr gut gebrauchen. Ihm muss bei allem geholfen werden. Tagsüber sitzt er in einem elektrischen Rollstuhl, den er mit Mühe selbst bedienen kann. Beim Essen und Trinken verschluckt er sich regelmäßig. Weil die Brustmuskulatur auch geschwächt ist, kann er nicht mehr gut abhusten. Unter anderem dadurch hat er bereits einige Male eine ernsthafte Lungenentzündung gehabt, die in diesem Fall mit Antibiotika bekämpft werden konnte. In der letzten Zeit verschlechtert sich sein Zustand auch geistig. In einem Gespräch, das Herr und Frau Bosma mit dem Arzt führen, erzählt er, dass er sich Sorgen über seine geistige Verschlechterung macht. Er weiß, wie der weitere Verlauf von MS sein kann: Um sich herum im Pflegeheim sieht er, wo das hinführen kann. Er hofft, dass er stirbt, bevor er auch so wird. Darum überlegt er, den Arzt zu bitten, bei der nächsten Lungenentzündung keine Antibiotika mehr zu verschreiben und nur die Atemnot und andere Beschwerden zu bekämpfen. Er möchte dann die Möglichkeit bekommen zu sterben. Das Ehepaar hat bereits zuvor darüber gesprochen. Frau Bosma ist voll von widerstreitenden Gefühlen. Einerseits kann sie ihren Mann noch nicht entbehren. Andererseits hat sie auch Angst vor dem Leiden, das ihrem Mann möglicherweise noch bevorsteht. Nach diesem Gespräch bitten sie um ein Gespräch mit dem Anstaltsseelsorger. Sie erzählen ihm telefonisch, dass sie vor allem über die Frage sprechen möchten, ob sie unter Berücksichtigung ihrer Glaubensüberzeugung den Streit um den Erhalt seines Lebens eigentlich wirklich so früh aufgeben dürfen. Bei guter Behandlung gibt es schließlich noch eine Chance auf Besserung. (3)
Frau Adriaans: „Terminale Sedierung bei fortgeschrittenem Krebs?“
Frau Adriaans ist 78 Jahre alt. Nach einem Aufenthalt im Krankenhaus, wo sie vor einer Woche operiert worden ist, wurde sie in der terminalen Abteilung eines Pflegeheims aufgenommen. Dort wurde ein großer Tumor im letzten Teil ihres Dickdarms festgestellt. Auch ihre Leber ist durch Metastasen angegriffen. Bei der Operation ist ein Stoma (ein künstlicher Darmausgang) gelegt worden, weil ein Darmverschluss drohte. Der Tumor selbst konnte nicht entfernt werden. Zwei Monate lang geht es ihr einigermaßen. Sie isst gut und nimmt sogar etwas zu. Allerdings hat sie zunehmend Schmerzen im Bauch, wogegen sie schmerzstillende Mittel bekommt. Anfänglich helfen gebräuchliche Schmerzmittel wie Paracetamol, aber schließlich nur noch Morphium. Sie wird auch mit einigem Erfolg gegen Juckreiz und Übelkeit behandelt. Sie liegt nahezu den ganzen Tag im Bett und ist etwas benommen. In dieser Periode hat sie bereits ein paar Mal mit dem Pastor über
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das nahende Ende gesprochen. Eines Abends hat sie plötzlich heftige Schmerzen in ihrem rechten Bein, weil sich ein Blutgefäß verschlossen hat. Eine weitere Erhöhung des Morphiums erleichtert ihre Schmerzen nicht. Es wird ein Gespräch organisiert, bei dem auch eine gute Freundin von Frau Adriaans anwesend ist. In diesem Gespräch, das wegen Frau Adriaans Schmerzes mühsam verläuft hat, bittet sie den Arzt, „einschlafen zu dürfen“. Der Arzt fragt sie, was sie damit meint. Sie sagt, dass die nicht bekämpfbaren Symptome für sie unerträglich seien. Außerdem habe sie nichts zu verlieren, sagt sie, da ihr Sterben doch nicht mehr weit sei. Sie sehnt sich nach dem Ende, auch wenn es dann schneller kommt als auf natürlichem Weg. Da der Arzt erwartet, dass Frau Adriaans höchstens noch eine Woche zu leben hat, bringt er die Möglichkeit terminaler Sedierung ins Spiel. Sie würde dann medikamentös in tiefen Schlaf versetzt. Es wird künstlich keine Nahrung und keine Flüssigkeit verabreicht werden. Direkt nach diesem Gespräch mit dem Arzt fragt Frau Adriaans den Pastor um Rat. Auch die Freundin, die Glied derselben Kirchengemeinde ist, sitzt dabei. Das Leiden ihrer Freundin geht ihr zu Herzen, aber ist die Verabreichung von terminaler Sedierung, ohne dass jemand Nahrung und Flüssigkeit bekommt, nicht eine Form von aktiver Sterbehilfe? In Kapitel 6 wird auf diese Fälle noch zurückgekommen. Kapitel 5 Moralische Überlegungen aus christlicher Sicht 5.1 Einleitung Wenn im Umfeld des Lebensendes entschieden werden muss: was kann uns dann Halt bieten? In § 3.2 haben wir drei normative Rahmen angedeutet: schriftliche und fest umrissene Normen aus dem Gesetz und der Berufsethik, die ungeschriebene gesellschaftliche Moral und die individuellen Lebensüberzeugungen. In diesem Kapitel schauen wir uns letztere näher an. In der Seelsorge wird auf die eine oder andere Weise nach Werten und Normen aus dem christlichen Glauben gesucht, die beim Treffen von Entscheidungen helfen können.7 Wir beginnen mit einigen Gedanken zur „Hauptsumme“ christlicher Ethik, gefolgt von einer Konkretisierung in Form von drei Grundsätzen (§ 5.2). Der Rest des Kapitels ist der Besprechung konkreter Entscheidungen gewidmet: behandeln oder nicht (§ 5.3), palliative Versorgung mit den eventuellen Nebenwirkungen (§ 5.4) und die Wahl zwischen Palliation und aktiver Sterbehilfe (§ 5.5). 7
Es ist vielleicht überflüssig anzumerken, dass es hier nicht um widerstreitende Kodizes geht: Oft sehen wir im christlichen Denken allgemein akzeptierte gesellschaftliche Normen und umgekehrt in der Gesetz- und Regelgebung wiederum den Einfluss von christlicher Tradition widergespiegelt. Trotzdem kann es vorkommen, dass eine christliche Ethik kritische Anmerkungen zu Gesetz und gesellschaftlicher Moral macht.
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5.2 Liebe in drei Gestalten Auf mehrere Arten wurde die Hauptsumme christlicher Moral im Lauf der Jahrhunderte umschrieben. Die wichtigste ist, und daran schließen wir uns an, dass es um eine Liebesethik geht. „Gott lieben und deinen Nächsten wie dich selbst – daran hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“ „Liebe und tue was du willst“, sagte der Kirchenvater Augustinus und er distanzierte sich damit von einer starren RegelEthik. Alles ethische Handeln muss aus der Liebe zu Gott und dem Nächsten kommen. Die Liebe ist der Ton, der die Musik macht, und der erklingt bei der Fürsorge für Menschen im Umfeld des Lebensendes, besonders nahe. Wir dürfen das Leben lieben, wir dürfen Menschen lieben – in all ihrer Gebundenheit, vom Kopf bis zu den Zehen und von Anfang bis zum Ende –, weil Gott uns zuerst geliebt hat (1Joh 4:19). Damit ist das Leben Gabe und Aufgabe zugleich. Es ist eine „Gabe“, deren Wert nicht von unserem immer wechselnden Urteil darüber abhängt, eine Gabe für die Gott bürgt, auch wenn diese durch Krankheit und Tod entwertet zu werden droht. Eine Gabe, die Gott geschaffen hat: „Und Gott sah, dass es sehr gut war“ (Gen 1:31). Eine Gabe, die Christus bekräftigt, in seinem Kommen als Mensch auf die Erde und in der Auferstehung seines geschundenen und getöteten Leibes, als erster von vielen. Eine Gabe, die für Gott wertvoll genug ist, um sie als „Tempel“ zu bewohnen. Das dreifache „Ja“ Gottes versetzt uns in die Lage zu lieben. Aber das Leben ist auch „Aufgabe“, weil es uns manchmal schwer fallen kann zu lieben. Lieben ist nicht nur ein Gefühl: Es ist auch eine bewusste Entscheidung, manchmal auch gegen das Fühlen. Es sagt schon genug, dass es in der Bibel ein Gebot ist: Offensichtlich muss es uns manchmal deutlich gesagt werden, denn nur etwas, wozu man sich bisweilen nur schwer zu überwinden kann, muss einem ans Herz gelegt werden. Das gilt auch für Situationen im Umfeld des Lebensendes. Die Zerbrechlichkeit des Lebens, der Ernst, die Dauer und die Unvorhersehbarkeit von Leiden können uns Streiche spielen. In solchen Momenten kann das Leben eher als Aufgabe denn als Gabe erfahren werden. Wie sieht das Liebesgebot in konkreten Situationen aus? Der Amerikanische Theologe Paul Ramsey spricht in diesem Zusammenhang von „in Grundsätzen gegossene Liebe“. Die Grundsätze sind die Angelpunkte, die helfen, die Liebe sichtbar und praktisch zu machen. Wir wollen hier drei Grundsätze nennen: Respekt vor Selbstbestimmung, Fürsorge für das Wohlbefinden und Respekt vor dem Leben.8 Respekt vor Selbstbestimmung Jemand hat das Recht, selbst zu bestimmen, was mit seinem Leben geschieht. Die moderne Ethik setzt dem zwei Grenzen: Man muss es gut überdacht haben und darf den Interessen von Anderen nicht unverhältnismäßig schaden. Zwei andere Begren8
Beauchamp und Childress sprechen über Selbstbestimmung, Wohltun/Nicht-Schaden und Gerechtigkeit, siehe Beauchamp, Tom L. und Childress, J.F.: Principles of Biomedical Ethics, 5. Auflage, Oxford: Oxford UP, 2001. Teeuw spricht von Wohlbefinden und Leben, siehe Teeuw, a.a.O.
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zungen werden in den letzten Jahren heftig diskutiert: Dass man jemanden in manchen Fällen gegen sich selbst schützen muss, wenn er sein eigenes Wohlbefinden zunichte zu machen droht, und dass andere nicht automatisch verpflichtet sind, seinen Wunsch zu bewilligen. Dass jemand z.B. eine Behandlung wünscht heißt noch nicht, dass der Arzt die Behandlung auch durchführen muss. Die christliche Ethik hat zu dieser Selbstbestimmung eine etwas zwiespältige Beziehung. Einerseits ist Selbstbestimmung eine Errungenschaft, von der Menschen profitieren und damit gut fahren. Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass das protestantische Denken ein wichtiger Faktor für die Erkenntnis der Selbstbestimmung gewesen ist. Luther sprach vom „Priestertum aller Glaubenden“. Er gründete seine Sicht unter anderem auf biblischen Aussagen, denen zufolge jeder Mensch selbst verantwortlich ist. Niemand kann die Verantwortung übernehmen, die ich für mein eigenes Leben habe. Es ist auch kein Zufall, dass Kant, der Begründer der modernen Selbstbestimmungs-Vorstellung, ein protestantischer Philosoph war. Auch Bonhoeffer sah in der Selbstbestimmung eine logische Folge der Reformation. Wir dürfen einander auf manche Verantwortungen ansprechen, aber ohne zu beherrschen oder zu moralisieren. Wenn also die moderne Gesundheits-Ethik davon ausgeht, dass die Entscheidung über die Behandlung zuallererst beim Patienten selbst liegt, ist dies für die christliche Ethik ein Segen und keine störende „Randbedingung“. Zugleich gibt es Gründe, den individualistischen und voluntaristischen Aspekten des modernen Selbstbestimmungsverständnisses kritisch gegenüber zu stehen. (Voluntarismus meint die Ansicht, dass der Inhalt der Begriffe „gut“ und „falsch“ durch die eigenen Willensentscheidungen bestimmt wird.) Selbstbestimmung ist in der modernen Zeit ein allzu einsames Abenteuer geworden. Menschen werden als losgelöst von der Gemeinschaft, derer sie ein Teil sind, und von dem Platz und der Verantwortung, die Gott ihnen zugedacht hat, vorgestellt. Wenn es in der christlichen Ethik um Selbstbestimmung geht, dann wird der Begriff auch vielfach im Sinne von „Verantwortung“ und „Verwalterschaft“ gebraucht.9 Der Theologe A.A. van Ruler gebraucht den Ausdruck „pneumatische Autonomie“: Wir entscheiden selbst, aber werden dabei von Gottes Geist geleitet. Fürsorge für das Wohlbefinden Liebe bekommt auch Form in tatsächlicher Anteilnahme am und in der Ausrichtung auf das Wohlbefinden eines Menschen. In der Bibel ist das allenthalben ein Hauptthema. Das Leiden anderer setzt uns in Bewegung. Ein Großteil des modernen Gesundheitswesens ist aus religiösen Initiativen entstanden. Außer auf dem Respekt vor der Selbstbestimmung baut die medizinische Berufsethik auf dem Wunsch auf, anderen Wohl zu tun. Auch in der modernen Gesundheitsethik spielen die Grundsätze von Wohltun und Nicht-Schaden eine hervorgehobene Rolle. Wir
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Vgl. Euthanasie und Pastoraat, S. 18.
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finden sie ebenfalls in Form gesetzlicher Bestimmungen wieder, die unsere Fürsorgepflicht regeln. Wenn menschliches Wohlbefinden in Bedrängnis gerät, müssen wir dagegen, wenn möglich, etwas tun, aber freilich mit einem möglichst geringen Schaden. Ein Beispiel ist die Amputation eines Beines bei jemandem mit Krebs. Schaden kann zugefügt werden, wenn jemand selbst einwilligt, wenn es die einzige Art ist, sein Wohlbefinden zu schützen, wenn der Schaden im Verhältnis zu dem (größeren) Nutzen steht, der damit erreicht wird, und unter der Voraussetzung, dass den schädlichen Wirkungen zumindest soweit wie möglich entgegen gewirkt wird. So kann in der Heilkunde sowohl Schaden als auch Wohltun in einem Atem mit Barmherzigkeit genannt werden. Respekt vor dem Leben Dann gibt es noch einen dritten moralischen Wert (oder Überlegung): Respekt vor dem Leben und die Pflicht, das Leben, insbesondere das menschliche Leben, zu schützen. Wenn wir nicht länger nach Lebenserhalt streben, wenn wir angesichts einer lebensbedrohenden Krankheit das Handtuch werfen oder wenn wir beschließen ein Leben zu beenden, dann treffen wir auf viele Widerstände: Widerstände psychologischer, juristischer, moralischer und theologischer Art. Das Leben ist ein Gut, das man normalerweise mit allen Mitteln schützt. Aber es ist wichtig „Respekt vor dem Leben“ von „Vitalismus“ abzugrenzen. Vitalismus ist die Ansicht, dass ein Menschenleben um jeden Preis aufrecht erhalten werden muss, losgelöst von der Frage, wie gesund jemand ist, wie ernsthaft er leidet, ob er terminal erkrankt ist, und losgelöst von seinem eigenen Wunsch, sterben zu dürfen. Vitalismus kann so eine Karikatur des Respekts vor dem Leben werden. In der Bibel wird in Worte gefasst, dass die Sterblichkeit eines Menschen eine unausweichliche Gegebenheit ist. Das setzt unserer Fürsorge für das Fortbestehen irdischen Lebens Grenzen. Es war niemals Teil christlicher Ethik, den Tod um jeden Preis abzuhalten. Ausgangspunkt dieser Handreichung ist der Glaube, dass ein Mensch in seiner Sterblichkeit auf das Versprechen von Gottes Nähe über die Grenzen des Todes hinaus zählen darf. Gott hat dem Leben des Kranken einen Sinn und einen Wert gegeben, die nicht vom menschlichen Urteil über dessen Qualität abhängig sind und die durch den Tod nicht zunichte gemacht werden. Deshalb müssen wir den Tod nicht als den größten Feind des Kranken betrachten, der bis zum Äußersten bekämpft werden muss. Das gibt uns den Raum, aus Barmherzigkeit zurückzutreten und dem Kranken die Gelegenheit zum Sterben zu geben. Genauso, wie wir aufpassen müssen, das Leben nicht um jeden Preis zu strecken, ist es jedoch ebenso wenig wünschenswert, unseren Widerstand gegen den Tod – einen Feind! – zu schnell zu überwinden. Selbstbestimmung und Fürsorge für das Wohlbefinden sind wichtige Grundsätze in Entscheidungen im Umfeld des Lebensendes. Aber ein Menschenleben hat daneben einen Wert, der auch unabhängig von unserer eigenen Wahl und von unseren eigenen Erfahrungen respektiert wer-
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den will. Es ist ein Mysterium, ein Geschenk, ein Wunder, das wir aus Gottes Hand empfangen. Dass das Wunder nahe am Lebensende bedroht und beeinträchtigt wird, nimmt nichts davon weg, dass es ein „Wunder“ ist, das bedroht wird. Respekt vor dem Leben bedeutet implizit die Erkenntnis, dass es einen Wert gibt, der unser eigenes Wissen, Können und Entscheiden übersteigt. Wenn Werte miteinander in Konflikt stehen Wir wollen auch in schwierigen Entscheidungssituationen, natürlich am liebsten alle Werte respektieren. Aber so manches Mal gelingt das nicht mehr, und es entsteht ein ethisches Problem: Jemand verweigert eine Chemotherapie bei einem behandelbaren Tumor, obwohl er mit einer Behandlung vielleicht noch lange leben könnte; Familienangehörige eines einwilligungsunfähigen Menschen wollen es am liebsten sehen, dass alles getan wird, um ihn am Leben zu erhalten, während er das selbst nie gewollt hätte; Kinder drängen einen Arzt zu aktiver Sterbehilfe, weil sie das Leiden ihrer komatösen Mutter nicht mehr mit ansehen können; ein Patient verlangt aktive Sterbehilfe, während es noch Mittel gibt, um sein Leiden zu erleichtern. Dass Menschen, auch gläubige Menschen, verschiedene Auffassungen darüber haben, was in diesen Fällen richtig ist, lässt sich oft nicht auf Uneinigkeit über die Werte zurückführen, die im Spiel sind. Man erkennt nämlich dieselben Werte an. Die Meinungsverschiedenheit betrifft die Frage, welche Werte in einer Konfliktsituation den Vorrang verdienen. Man ist nicht unterschiedlicher Meinung über die Notwendigkeit, die Selbstbestimmung des Patienten zu respektieren, nicht über den Wert des Wohlergehens und auch nicht über den unableitbaren Gabencharakter des Lebens. Man ist unterschiedlicher Meinung in der Frage, ob man manchmal den einen Wert dem anderen opfern darf. Und das bedeutet, dass wir zumindest hierin einer Meinung sein können: Dass wir, wenn möglich, danach trachten müssen, alle Werte, die im Spiel sind, so weit wie möglich zu respektieren: eigene Wünsche, das Wohlergehen und Leben der Betroffenen. 5.3 Behandeln oder nicht? In Kapitel 2 erwähnten wir bereits das weite Feld der medizinischen Entscheidungen im Umfeld des Lebensendes. Die wichtigsten davon sind: (1) die Entscheidung, mit dem Ziel der Verzögerung des Sterbens zu behandeln oder nicht, (2) die Entscheidung für palliative Versorgung, auch wenn das Leben des Betroffenen dadurch vielleicht verkürzt wird, und (3) der Entschluss zu aktiver Sterbehilfe. Bei jeder dieser Entscheidungen spielen die genannten ethischen Werte eine Rolle. Wir beginnen mit der Frage, ob behandelt werden soll oder nicht.
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Die schwierigste Situation: zwischen Hoffen und Bangen Soll mit einer Behandlung begonnen werden? Wenn man einmal begonnen hat, sollte man dann auch entscheiden können, die Behandlung zu beenden? In der Regel wird diese Art von Fragen durch die zu erwartende Wirkung bestimmt. Wenn eine Behandlung die Gesundheit fördert und seine Lebenserwartung erhöht, dann sprechen wir von einer medizinisch sinnvollen Behandlung. Wenn bei einem sonst gesunden Menschen ein beginnender, noch nicht gestreuter Tumor entdeckt wird, dann ist die Antwort schnell gefunden. Trotz des Angst vor dem Sprung ins kalte Wasser, die jemand bei einer medizinischen Behandlung haben kann, deutet alles darauf hin: Sie vorzugsweise anzuwenden. Das gilt mit einigen Nuancen auch, wenn eine medizinische Behandlung ziemlich schädliche Nebenwirkungen hat, so wie belastende Chemotherapien oder die Amputation eines Körpergliedes. Und die Behandlung erfolgt dann im Allgemeinen auch, mit vielen und segensreichen Wirkungen. Die negativen Nebenwirkungen werden dabei in Kauf genommen. Die Entscheidung zu behandeln ist dann schnell getroffen. Es gibt leider auch Situationen, in denen die Entscheidung, gerade „nicht“ zu behandeln, ziemlich schnell getroffen werden kann: Ein Mensch hat eine terminale Krankheit, der keine Behandlung gewachsen ist. Wie sehr sich ein Patient und seine Angehörigen auch an jedem Strohhalm festklammern und wie schwierig es für den Arzt manchmal auch sein kann sich zurückzunehmen, so ist dann die Antwort meistens ziemlich deutlich: Die Behandlung nicht einzuleiten. Zu behandeln ist dann nicht nur medizinisch, sondern auch moralisch nicht zu verantworten. Medizinisch sinnlos nennt man das. Man fügt dem Kranken damit nur Schaden zu. Dann geht es lediglich darum, die Symptome so erträglich wie möglich zu machen. Die schwierigsten Entscheidungen liegen irgendwo dazwischen: Mit einer medizinischen Behandlung kann vielleicht noch etwas erreicht werden, aber das Lebensende wird dadurch höchstens ein paar Monate, Wochen oder Tage aufgeschoben. Muss noch eine weitere Chemotherapie angefangen werden? Behandeln wir die soundsovielte Lungenentzündung noch medikamentös? Sollen wir, so wie in Beispiel 1 des vorherigen Kapitels, noch mit einer künstlichen Verabreichung von Flüssigkeit und Nahrung an jemanden beginnen, der nicht mehr schlucken kann und dessen Körperfunktionen weiter abnehmen? Es kann auch sein, dass eine Behandlung an sich zwar wirksam ist, aber im Zusammenhang einer ernsthaften, fortschreitenden, chronischen Erkrankung erfolgt, durch die der Betroffene oft eine Geschichte von einschneidenden medizinischen Behandlungen hinter sich hat. So kann ein Kranker mit Multipler Sklerose sich fragen, ob lebensbedrohliche Komplikationen doch immer wieder behandelt werden müssen, wie in Beispiel 2 beschrieben. Was ist dann weise? Wie fällt man als Kranker zusammen mit dem Arzt und den Angehörigen solch eine Entscheidung auf dem Hintergrund seines Glaubens und der Werte, die darin zentral sind?
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Die Extreme vermeiden Vielleicht ist es das Allgemeinste, das hier gesagt werden kann, dass in diesem Mittelfeld nur schwer in allgemeinen Aussagen gesprochen werden kann. Wenn es eine realistische Aussicht auf eine erfolgreiche Behandlung gibt, dann kann man noch sagen: sie vorzugsweise anzuwenden. Wenn eine Behandlung von vornherein medizinisch sinnlos ist, sagen wir: sie auf keinen Fall anzuwenden. Wenn wir vor der Option stehen, ein Leben noch einige Tage, Wochen oder Monate fortbestehen zu lassen oder gerade nicht, steht die Antwort weniger fest. Es gibt aber zwei Extreme, die, wenn es eben geht, vermieden werden sollen. Einerseits, dass wir einfach weiter und weiter behandeln. Es gibt in der Heilkunde einen „Aufwärtsdruck“ zu versuchen, die Grenze des Todes immer weiter zu verschieben. Oft haben auch ein Patient und seine Angehörigen Schwierigkeiten, der Realität des bevorstehenden Todes ins Auge zu blicken. Wie klein die Möglichkeit auch ist und wie schwer die Nebenwirkungen, alles wird versucht. Fast jeder kennt Beispiele aus seiner Umgebung, wo die letzte Zeit eines Lebens durch intensive und belastende Behandlungen gekennzeichnet war. Dabei gab es oft keine Zeit, um daran zu denken, dass der Tod unvermeidlich war. Von einer ruhigen Vorbereitung auf den Tod ist kaum die Rede gewesen. Es gibt die Ansicht, dass die Frage nach aktiver Sterbehilfe manchmal mit eine Folge der Tatsache ist, dass Menschen zu lange weiterbehandelt wurden. Wenn das der Fall ist, dann wurde die Grundregel des Wohltuns nicht ernst genug genommen. Es kann manches Mal sinnvoller sein, sich für ein paar letzte Wochen oder Monate ohne intensive Behandlungen zu entscheiden und sich auf die Lebensqualität, den Abschied von den geliebten Menschen, das BilanzZiehen und die Vorbereitung auf den Tod zu konzentrieren. Das andere Extrem ist, dass das Handtuch zu früh geworfen wird und das z.B. jede lebensbedrohliche Erkrankung von Menschen, die sonst einigermaßen gesund sind, als Möglichkeit ergriffen wird, um sterben zu können. Es ist ferner nicht undenkbar, dass in der Zukunft, wegen der Kosten der zunehmenden Vergreisung oder weil Menschen ein Leben in hohem Alter mit vielen Einschränkungen nicht lebenswert finden, eine Tendenz aufkommt, ab einem bestimmten Alter mit Behandlungen sparsam zu werden, trotz der Tatsache, dass diese Behandlungen ordentliche Erfolgsaussichten hätten. In diesen Fällen droht der Respekt vor dem Leben den Kürzeren zu ziehen. Die Abwägung: Der einwilligungsfähige Patient Wenn es auf die schwierige Entscheidung hinausläuft „behandeln oder nicht“, gibt es keine Rezepte, höchstens Anhaltspunkte: Ist klar, was jemand selbst will? Was sind die Vor- und Nachteile einer Behandlung? Liegen alle Alternativen auf dem Tisch? Gibt es genügend Offenheit, um über Alternativen zu sprechen? Wurde alles dafür getan, um dafür zu sorgen, dass ein Patient, seine Hilfeleistenden und seine Angehörigen in relativer Ruhe zu einer Abwägung und möglicherweise auch einem
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Abschied kommen können? Das alles braucht eine optimale Aufklärung über Symptome, noch unabhängig von einer Entscheidung, ob man eine Behandlungssequenz beginnt oder nicht. Die Entscheidung liegt, wie gesagt, zuallererst bei dem Patienten selbst. Jeder kann jederzeit beschließen, den Kampf um sein Leben aufzugeben. Das Recht hat er nach dem Gesetz und es ist auch ein moralisches Recht. Aber der Verweis auf das Selbstbestimmungsrecht ist oft nicht mehr als eine formale Lösung, mit der einem nur teilweise geholfen ist. Ein Mensch möchte nicht allein „entscheiden“, er will im Allgemeinen auch „wohl überlegt“ entscheiden, also auf dem Hintergrund der genannten Werte Selbstbestimmung, Wohlbefinden und Respekt vor dem Leben. Außerdem will er, wenn es irgend geht, nicht allein sondern „gemeinsam“ entscheiden. Die Familie des Patienten und Hilfeleistende werden vielfach eng in die Entscheidungsfindung einbezogen. Sie haben auch mit den Folgen seines Entschlusses zu tun. Selbstbestimmte Entscheidungen sollen vorzugsweise im Rahmen der Beziehungen des Betroffenen getroffen werden. Was beschlossen wird, kann sich von Mensch zu Mensch unterscheiden. Der eine mag sich noch für eine Behandlung entscheiden, der andere wird schneller davon absehen. Kranke können in der letzten Lebensphase so müde gekämpft sein, dass sie sich nur noch nach dem Lebensende sehnen. Wie sich jemand entscheidet, wird vielfach von seinen Lebensüberzeugungen abhängen, seiner Sicht auf das Leben als Gabe (und Aufgabe) und seinem Vermögen und seiner Bereitschaft, dem oft unbegreiflichen und scheinbar sinnlosen Leiden einen Platz zu geben. Es wird oft von der jeweiligen psychologischen Belastbarkeit abhängen; viel hängt auch von der Anwesenheit eines Netzwerkes von Menschen ab, die viel für den Betroffenen bedeuten und die die schwierigen Seiten einer Krankheit erträglicher machen können. An dieser Stelle finden sich bedenkenswerte Punkte für die Glaubensgemeinschaft, worauf wir im folgenden Kapitel ausführlicher eingehen werden. Der einwilligungsunfähige Mensch Was ist, wenn Menschen ihren Willen nicht erkennbar machen können? In § 3.3 wurde bereits angedeutet, wie in diesen Fällen die formalen Linien verlaufen. Immer mehr Menschen setzen vorab eine Erklärung auf, in welchen Fällen sie sich keiner lebensverlängernden Behandlung mehr unterziehen wollen. Ein Beispiel ist eine Nicht-Reanimierungs-Erklärung. Auch das Umgekehrte kommt vor. Menschen können in einer Lebenswunscherklärung angeben, dass ihr Leben so lang wie irgend möglich aufrechterhalten werden soll. Wenn bekannt ist, was der Kranke gewollt hätte, spielt zunächst dieselbe Abwägung wie zuvor angedeutet eine Rolle: die Abwägung zwischen Selbstbestimmung, Wohltun und Respekt vor dem Leben. Aber es kommt auch vor, dass wir nicht wissen, was ein Kranker wollen würde – weil Menschen sich davor nie geäußert haben oder weil es um Babys oder Kinder geht, die die Möglichkeit sowieso nicht hatten. In dem Fall kann man nicht mehr von Selbstbestimmung reden. Die Abwägung
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muss dann durch Ärzte und Vertreter des Kranken vorgenommen werden, mit den vornehmlichen Angelpunkten des Wohlergehens und Respekts vor dem Leben. Wenn nicht bekannt ist, was der Kranke will, ist der Arzt zunächst wegen seiner Fürsorgepflicht gehalten, dessen Leben weiterhin zu schützen. Das ist wichtig anzuführen, weil Angehörige manchmal am stärksten unter einer Situation leiden – sie müssen es mit ansehen und mit der Unsicherheit leben – und aus diesem Grund darum bitten, nicht zu behandeln. Wenn realistische Möglichkeiten auf eine wirksame Behandlung bestehen und der Wille des Kranken nicht bekannt ist, dann wird der Arzt in erster Instanz der Fürsorgepflicht Folge leisten müssen. Bei Entscheidungen muss das Interesse des Patienten den Ausschlag geben. Hier können schwierige Situationen entstehen, wovon wir zwei Beispiele nennen. Erstens kann eine Behandlung, die auf das Aufwachen aus einem Koma gerichtet ist, zwar recht wirksam, aber zugleich mit der realistischen Möglichkeit verbunden sein, dass der Kranke ernsthaft leiden wird, wenn er zu sich kommt. Das erwartete Leiden und die Beeinträchtigung können dann so gravierend sein, dass das Fortsetzen der Behandlung moralisch nicht vertretbar erscheint. Eine zweite Möglichkeit ist, dass das Leben eines Kranken in einem Koma oder vegetativen Zustand durch die künstliche Zuführung von Flüssigkeit und Nahrung und durch die Behandlung von Komplikationen in manchen Fällen noch Jahre aufrecht erhalten werden kann, aber dabei die Chance auf das Wiedererlangen seines Bewusstseins vernachlässigbar klein ist. Müssen wir so weitermachen? Oder dürfen wir in so einer Situation dem Kranken die Gelegenheit geben, zu sterben? Je weniger „Selbstbestimmung“ und „Wohlergehen“ Gründe sind, das Leben aufrecht zu erhalten, umso wichtiger ist die Frage, ob die übrig bleibende Grundregel, der „Respekt vor dem Leben“, schwer genug wiegt, um eine Behandlung zu rechtfertigen. 5.4 Palliative Versorgung Wenn der Entschluss, nicht mehr zu behandeln, einmal gefallen ist, dann wird die Priorität bei der palliativen Versorgung liegen. Diese ist auf den Patienten als ganzen ausgerichtet: Auf Versorgung und Pflege, die Erleichterung von Leiden und Beeinträchtigung und auf die spirituelle, psychologische und soziale Begleitung des Kranken und seiner Familie zum Lebensende hin. Sorgsame Aufmerksamkeit für den Kranken ist notwendig, um die Beschwerden, Ängste und andere Nöte zu erkennen und so angemessen wie möglich darauf zu reagieren. Das Wissen, dass gute palliative Versorgung geleistet wird, kann eine große Beruhigung für einen Kranken in seiner letzten Lebensphase sein. Ein wichtiger Teil der palliativen Versorgung ist die palliative Therapie: Medizinische Behandlungen, die auf die Bekämpfung von Symptomen wie Schmerz, Übelkeit, Atemnot, Müdigkeit und Unruhe ausgerichtet sind. Teilweise ist ein operativer Eingriff notwendig, um akutes ernsthaftes Leiden zu lindern.
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Eine besondere Form der palliativen Therapie, die in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit erregt hat, ist die Sedierung in der Sterbephase, auch palliative oder terminale Sedierung genannt. Nun werden Beruhigungsmittel und Schlafmittel wohl öfter verschrieben, um Unruhe und Angst zu bekämpfen. Mit terminaler Sedierung ist mehr gemeint: das Versetzen eines Patienten in einen tiefen Schlaf bis zum Sterben, so dass er das Leiden nicht mehr erlebt. In der Regel wird erst zu Sedierung übergegangen, wenn die Krankheitserscheinungen nicht mehr auf eine andere Weise zu bekämpfen sind. Palliative Versorgung kann in der Sterbephase ein Segen für Menschen sein, die sonst unerträgliche Schmerzen oder unzumutbares Leiden aushalten müssten. Das gilt für den Kranken, aber auch für seine Angehörigen und Hilfeleistenden. Zusehen zu müssen, wie jemand bei vollem Bewusstsein einen ungleichen Kampf gegen Schmerz, Übelkeit, Angst und Atemnot führt, mitunter für längere Zeit, hinterlässt bei vielen Menschen traumatische Eindrücke. Es verursacht oft auch Angst vor dem eigenen Sterben. Adäquate palliative Versorgung vermindert die Unruhe bei allen Beteiligten. Aber palliative Mittel können auch Nebenwirkungen haben. Manche Patienten reagieren nicht gut auf Morphium und werden dadurch verwirrt, ängstlich oder benommen und brauchen dafür dann wieder neue Medikamente. Morphium muss außerdem oft in steigender Dosierung verabreicht werden, wenn es noch die gewünschte Wirkung zeigen soll.10 Sedierung in der letzten Lebensphase hat zur Folge, dass Menschen ihr eigenes Lebensende nicht mehr bewusst mitmachen und für einige ist es das, was sie gerade möchten. Oft wird die Frage gestellt, ob terminale Sedierung nicht eine andere Art ist, Leben zu beenden. Ärzte sind sich einig, dass terminale Sedierung dafür nicht angewandt werden darf. Im Allgemeinen wird zu Sedierung übergegangen, wenn erwartet wird, dass der Kranke durch seine Krankheit innerhalb von Tagen, höchstens einer Woche, stirbt. Wenn dann davon abgesehen wird, Nahrung und Flüssigkeit künstlich zuzuführen, geschieht das durchgehend, weil jemand tatsächlich schon in der terminalen Phase ist und die künstliche Verabreichung von Nahrung und Flüssigkeit also medizinisch sinnlos ist (vgl. auch § 2.3). Der Todeszeitpunkt wird dadurch nicht oder kaum beeinflusst. Wird jemand jedoch in einem früheren Stadium sediert, dann stirbt der Kranke nicht am natürlichen Verlauf seiner Krankheit, sondern als Folge von Austrocknung. In diesem letzten Fall kommt Palliation in die Nähe aktiver Sterbehilfe, mit allen damit zusammenhängenden moralischen Fra-
10 Es ist die Frage, ob eine immer höhere Dosis Morphium, wie wohl gesagt wird, eine lebensverkürzende (Neben-)Wirkung hat. Palliatives Eingreifen kann gerade auch eine deutlich lebensverlängernde Auswirkung haben. Z.B. wenn bei einem Sterbenden, der zu ersticken droht, die Luftwege wieder frei gemacht werden, um das akute Leiden aufzuheben. Auch gibt es Anhaltspunkte, dass die Verabreichung von Morphium und Beruhigungsmitteln in einer Anzahl Fälle gerade einen schnellen Tod verhindert, weil der Kranke sonst durch seinen Schmerz, Schlafmangel, Unruhe etc. gestorben wäre.
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gen. Für das Handeln sind in diesem Fall die dazugehörigen Überlegungen und Sorgfaltskriterien wichtig. Gesetzt den Fall, dass Klarheit über die lebensverkürzende Wirkung einer bestimmten palliativen Behandlung besteht: wie ist das dann moralisch zu vertreten? Für die Antwort darauf ist es zunächst wichtig, ob die eventuelle Lebensverkürzung ein „Nebeneffekt“ der palliativen Behandlung oder ob sie sehr wohl mit das Ziel ist. Auch wenn es das eigentliche Ziel der palliativen Versorgung ist, das Leiden zu erleichtern, gibt es weitere Voraussetzungen: Jemand muss es so wollen (oder gewollt haben), die Art des Leidens muss einen Grund dafür bieten und die verwendeten Mittel dürfen nicht schwerer als nötig sein, um das Ziel, nämlich die Leidenserleichterung, zu erreichen. Wenn es eine gute Alternative ohne lebensverkürzende Wirkung gibt, ist diese zu wählen. Dass Angehörige das Sterben willkommen heißen, ist angesichts der Situation nachvollziehbar, darf aber bei der Entscheidungsfindung keine Rolle spielen. Im Nachhinein, wenn der Kranke gestorben ist, können Menschen sich fragen, woran er gestorben ist: An den direkten oder indirekten Folgen der palliativen Behandlung oder an der Krankheit? Oder hat der Kranke gerade als Folge der intensiven Schmerzbekämpfung und Sedierung noch etwas länger gelebt, weil er weniger litt und ruhiger war? Doch nicht alleine die Entscheidung für die eine oder andere palliative Therapie spielt bei der Antwort eine Rolle, sondern auch der Zustand des Kranken in dem Moment, zu dem sie verabreicht wird, und der natürliche Verlauf des Sterbeprozesses. Eine gute Erklärung für die Familie des Kranken kann notwendig sein, um Unsicherheit und Beunruhigung über die Wirkung der palliativen Therapie zu vermeiden. 5.5 Kann terminale Sedierung eine Bitte um aktive Sterbehilfe vermeiden? Terminale Sedierung und aktive Sterbehilfe gehören beide zu den letzen Entscheidungen, die im Umfeld des Lebensendes gewählt werden können, wenn ein Sterbender durch Schmerz, Übelkeit, Atemnot oder Angst unerträglich leidet und alle anderen Möglichkeiten zur Erleichterung des Leidens versagt haben. Zwar sind aktive Sterbehilfe und assistierter Suizid in den Niederlanden seit 2001 gesetzlich geregelt, aber sie sind noch immer eine belastete Angelegenheit. Viele Menschen haben Bedenken gegen das Überschreiten der Grenze zwischen „von Behandlung absehen“ und „Leben beenden“. Auch emotional kann aktive Sterbehilfe belastend sein: Für den Kranken, für seine Lieben, für die, die ihn versorgen und pflegen, und sicher auch für den Arzt. Das Leben eines Menschen zu beenden ist noch immer eine außergewöhnliche medizinische Behandlung, die an strenge gesetzliche Vorgaben gebunden ist und für die sich der Arzt umfassend verantworten muss. In früheren Handreichungen wurde bereits ausführlicher über die seelsorglichen und moralischen Seiten aktiver Sterbehilfe nachgedacht; ein Grund, warum wir das hier nicht tun. Allerdings wollen wir hier die Möglichkeit zur Diskussion stellen,
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dass terminale Sedierung die Bitte um aktive Sterbehilfe vermeiden kann. Obwohl empirische Informationen fehlen, gibt es doch viele Signale, die darauf hin deuten. (Übrigens sieht es danach aus, dass auch optimale palliative Versorgung ohne zu sedieren sowohl die Bitte um aktive Sterbehilfe als auch die Bitte um Sedierung abfangen kann.) Wenn der Arzt einen Kranken bezüglich der körperlichen Beschwerden beruhigen und angeben kann, dass unerträglicher Schmerz und Ersticken verhindert werden können, wenn er ununterbrochen den Finger am Puls hält und sich mit dem Kranken und seiner Familie berät, dann wird die Angst vor einem allzu schweren Tod geringer. Auf diese Weise gibt es vielleicht inmitten der Erfahrung von Leiden und Verschlechterung auch Raum für andere Erfahrungen. Wenn die Bekämpfung der Symptome auf diese Weise jedoch nicht möglich ist, kann der Arzt terminale Sedierung anwenden. Er kann sie bereits mit dem Kranken und seinen Angehörigen besprechen. Das kann an sich schon eine Beruhigung sein, so dass es nicht immer tatsächlich zu einer Sedierung kommen muss. Wenn wir die emotionalen Aspekte von terminaler Sedierung und aktiver Sterbehilfe vergleichen, dann gibt es Übereinstimmungen und Unterschiede. Wenn jemand in der Sterbephase unerträglich leidet, ist es für den Kranken und für die Familie möglicherweise einfacher, ein Schlafmittel zu erbitten, um das Leiden aufzuheben, als um das direkte und definitive Ende zu bitten. Wenn die Umstände es zulassen, kann bei der terminalen Sedierung (genauso wie bei der aktiven Sterbehilfe) ein Moment verabredet werden, zu dem der Kranke in Schlaf versetzt wird. Obwohl der Abschied auch dann emotional schwer sein kann, wird das allmähliche Einschlafen-Lassen des Kranken doch als natürlicher und weniger einschneidend empfunden als die Lebensbeendigung. Auch wenn keine Kommunikation mehr möglich ist, ist der Kranke noch immer anwesend. Auch in dieser Sterbensphase ist die intensive Begleitung der Familie notwendig. Es kann manchmal noch Tage dauern, bis der Kranke stirbt. Das Warten auf das Ende kann für die Angehörigen eine unsichere und ermüdende Zeit sein, gerade, wenn der Tod länger auf sich warten lässt als erwartet. Auch können einige äußerliche Anzeichen des Sterbens – z.B. Röcheln, das den Eindruck von Atemnot macht – die Angehörigen noch sehr verunsichern, auch wenn der Kranke dann selbst nicht mehr leidet.11
11 Wenn mit terminaler Sedierung begonnen wurde, ist übrigens die Möglichkeit von aktiver Sterbehilfe ausgeschlossen, weil der Richter definiert hat, dass ein Patient in tiefem Schlaf nicht unerträglich leiden kann. Gerade das unerträgliche Leiden ist eine Grundvoraussetzung, damit man zu aktiver Sterbehilfe übergehen darf.
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Kapitel 6 Seelsorgliche Überlegungen 6.1. Einleitung In den vorausgegangenen Kapiteln haben wir die wichtigsten medizinischen und ethischen Aspekte der medizinischen Entscheidungen im Umfeld des Lebensendes beschrieben. In diesem Kapitel fügen wir Anmerkungen hinzu, die speziell den seelsorglichen Kontext betreffen. Wir beginnen mit einigen biblisch-seelsorglichen Ausgangspunkten (§ 6.2), gefolgt von einigen konkreten Überlegungen (§ 6.3). Danach behandeln wir die in Kapitel 4 genannten Beispiele (§ 6.4) und schließen mit einigen losgelösten praktischen Hinweisen (§ 6.5). 6.2 Ausgangspunkte Seelsorge bei Entscheidungen im Umfeld des Lebensendes ist vor allem Seelsorge, die anwesend ist und sich Zeit nimmt. Es ist im Fürsorgesektor ein beinahe allgegenwärtiges Problem: die Hilfeleistenden sind in Eile, ihre Zeit ist begrenzt. Ärzte tun ihr Bestes, um sich bei einschneidenden Entscheidungen Zeit zur Beratung mit allen Betroffenen zu nehmen, aber sie sind dabei gebunden. Es kann auch Situationen geben, in denen es für Ärzte kaum Gründe gibt, nach einem Patienten zu sehen, z.B. wenn aus medizinischer Sicht nichts mehr getan werden kann. Wenn Hilfeleistende immer weniger tun können, dann ist menschliche Anwesenheit für den Kranken und seine Umgebung oft umso notwendiger. Darin liegt eine mögliche Aufgabe für den Pastor. Ein Entschluss wächst oft langsam in Menschen. Selbst wenn es augenscheinlich klar ist, welche die wünschenswerteste Option ist, sind der Kranke und seine Familie manchmal noch nicht bereit dafür. Da ist Seelsorge mit langem Atem notwendig. Bisweilen können ein oder zwei Gespräche genügen, aber manchmal ist es notwendig, öfter zurück zu gekommen. Für die seelsorgliche Anwesenheit nennen wir drei tröstliche theologische Gründe, Gründe, die damit zu tun haben, dass Gott auf drei Weisen bei uns ist. Erstens: Der Gott, der uns geschaffen hat, nennt sich selbst „Ich-bin-dabei“. Der Name Gottes, den wir Vater und Schöpfer nennen, wird in der jüdischen Tradition aus Respekt und Ehrfurcht nicht ausgesprochen, aber sein Name bedeutet: „Ich-Bin“, „Ich-bin-da“, „Ich-bin-dabei“ und „Ich-bin-für-dich-da“. Damit werden zwei scheinbar unvereinbare Aspekte aufeinander bezogen: Der Herr, der das Universum geschaffen hat, der Gott, dessen Name wir uns manchmal kaum auszusprechen trauen, nennt sich selbst der Nahe. Statt die Erde nach ihrer Schöpfung sich selbst zu überlassen, bleibt Gott mit jedem seiner Geschöpfe verbunden, vom Beginn ihres Lebens bis zum manchmal bitteren Ende. Der Pastor darf im Namen
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Gottes anwesend sein, der unser Leben geschaffen hat und ihm eine Bestimmung gegeben hat. Zweitens: Der Sohn, der Menschen erlöst, bleibt ihnen nahe bis zum Ende und darüber hinaus. In den Erzählungen der Evangelien darüber, wie Jesus mit Menschen umgegangen ist, zeigt sich seine Seelsorge intensiver Anwesenheit und Nähe. Was Jesus einst zu Zachäus sagte – „Heute muss ich in dein Haus einkehren.“ (Lk 19,5) – und zu den Blinden in Jericho – „Was wollt ihr, dass ich für euch tun soll?“ (Mt 20,32) – ist für unsere Seelsorge bestimmend, gerade wenn es um ernsthaft Kranke und Sterbende geht. Jesus versuchte den Anderen nicht erst auf seine Linie zu bringen, sondern suchte ihn da auf, wo er in diesem Moment war. Von dort machte Er sich mit ihm auf den Weg zu Kreuz und Auferstehung. Er nahm Menschen in ihrem Leiden ernst. Das meint auch Paulus, wenn er schreibt, dass Jesus sich selbst so vollständig hingegeben hat, dass bei Ihm aller Platz für andere entstand (Phil 2,5–7). Paulus verlangt, dass „wir so unter uns gesinnt sind, wie es Jesus war.“ Drittens: Der Geist, der in uns wohnt, lässt uns keinen Moment im Stich und will uns bei Entscheidungen über Leben und Tod leiten. Der Geist Gottes ist derjenige, der uns die gute Botschaft verständlich macht und sie uns zueignet. Auf dem ersten Pfingstfest fühlten Menschen, dass die Apostel sie verstanden und ihnen Heil und Heilung und Trost aus dem Evangelium zusprachen, weil sie ihre Sprache sprachen. Gottes Anwesenheit wird erst dann wirklich erfahren, wenn Menschen hinterher sagen können: Wir haben einander gut verstanden, denn „wir alle hörten sie in unserer eigenen Sprache über Gottes große Taten reden“ (Apg 2,11). In solch einer Seelsorge, in der sich der Pastor des Kraftfeldes des Heiligen Geistes bewusst ist, der ihn und auch andere Betroffene führt, werden Menschen sich verstanden und bis in ihr tiefstes Wesen erkannt wissen. Und auch Frieden finden in ihrer Entscheidung, z.B. das Sterben zuzulassen. Und das ist von größter Bedeutung in der letzten Phase unseres Daseins. Das Leben loslassen können Wir bereits in § 5.2 darüber: Das Leben ist wertvoll und verdienst Schutz, aber zugleich gibt es keinen Grund für Vitalismus: Weiterleben um jeden Preis. In der Bibel gilt die Sterblichkeit des Menschen als unausweichliche Tatsache: „Ein Mensch fährt dahin, wo er ewig bleibt“ (Pred 12,5). Jesus gibt seinen Jüngern eine Perspektive über die Grenzen des Todes hinaus: „In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen“, „Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten“ (Joh 14,2). In diesem Glauben ist es möglich, dass wir in bestimmten Situationen den Kampf um das Leben aufgeben. Für die, die diese Entscheidung treffen müssen, kann der Glaube an die Fürsorge Gottes durch Sterben hindurch und über die Todesgrenze hinaus ein Trost
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sein, wenn sie schließlich entscheiden einen geliebten Menschen loszulassen, wie schwierig das auch ist. Ein Mensch kann auch „lebenssatt“ sein (Gen 25,8). Nicht nur in „hohem Alter“, sondern teils schon früher, wenn Körper und Geist durch eine Krankheit unumkehrbar versagen. Wenn wir meinen, dass wir unser Leben loslassen dürfen und den brennenden Wunsch haben zu sterben, bedeutet das allerdings nicht immer, dass wir das dann auch tun müssen. Ein großes Verlangen, zum Herrn zu gehen, kann damit zusammengehen, dass wir noch am Leben hängen und an unserem Auftrag darin und an unseren Geliebten. Menschen können das oft unbegreifliche und unserer Einsicht nach sinnlose Leiden ertragen im Vertrauen auf die Kraft des Herrn, um noch einige Zeit durchzuhalten, auch wenn das nicht bis zum bitteren Ende nötig ist. Wir denken hier an das Ringen des Paulus im Gefängnis – den Tod durch Exekution vor Augen –, der dann an die Gemeinde in Philippus schreibt: „Denn Christus ist mein Leben und Sterben ist mein Gewinn. ... und so weiß ich nicht, was ich wählen soll. Denn es setzt mir beides hart zu: Ich habe Lust, aus der Welt zu scheiden und bei Christus zu sein, was auch viel besser wäre; aber es ist nötiger, im Fleisch zu bleiben um euretwillen“ (Phil 1,21–24). 6.3 Beachtenswerte Punkte für den Pastor Seelsorge bei Entscheidungen im Umfeld des Lebensendes richtet sich an den Kranken und seine Umgebung. Den Kranken selbst, der mit den schwierigsten Entscheidung und Beschlüssen seines Lebens konfrontiert sein kann. Wir denken zugleich an die seelsorgliche Begleitung von direkten Angehörigen. Sie leiden oft sehr unter dem Leiden eines geliebten Menschen. Wie auch immer letztlich entschieden wird, es verändert nichts daran, dass dies im Kontext des Abschiedes von einem geliebten Menschen geschieht. Ein langsamer oder schneller Abschied. Seelsorge im Umfeld schwieriger medizinischer Entscheidungen ist darum nicht allein eine Frage, „einen Knoten zu durchschlagen“. Das muss auch geschehen. Aber Menschen durchlaufen den ganzen Entscheidungsprozess oft mit einem Kloß im Hals. Das bedeutet, dass der Pastor, außer den Menschen aufklärend bei der ethischen Entscheidung zu helfen, die sie treffen müssen, auch einfach da ist um zuzuhören und zu trösten. Alle Entscheidungen im Umfeld des Lebensendes sind ein ungleicher Kampf, der wie auch immer mit einem Abschied endet. Im seelsorglichen Gespräch ist es wichtig, dass der Pastor sich ein Bild von der Lebenswirklichkeit des Kranken und seiner Angehörigen macht. Familienangehörige können dabei manchmal helfen, indem sie benennen, was ihn ängstigt, motiviert oder begeistert. Glaubt er an ein Leben nach diesem Leben? Gibt es Angst vor einem Urteil oder Vertrauen in Gottes Gnade? Vom Pastor kann erwartet werden, dass er sich durch seine seelsorgliche Ausbildung und Zurüstung einigermaßen mit den verschiedenen geistlichen Strömungen im Christentum auskennt, die ebenso viele Ausdrucksformen und Überzeugungen ihres Glaubens haben. Die jeweilige
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Sprache – z.B. die „Sprache Kanaans“ – kann ein Hinweis auf die geistliche Herkunft und Lebenswirklichkeit des Kranken sein: Lebt jemand „mit schwerer Hand“ oder zeigt ein Kranker eine optimistische Glaubensüberzeugung? Viele Perspektiven auf das Leiden Ein Pastor muss darauf bedacht sein, dass jedes Krankenbett seinen eigenen Schmerz und sein eigenes Leiden kennt. Dies gilt sowohl für den Kranken als auch für seine Angehörigen. Bei vielen Menschen spielen frühere Erfahrungen an einem Sterbebett eine wichtige Rolle. Nicht selten verbinden Menschen traumatische Erinnerungen damit: Dass ein geliebter Mensch viel zu lange weiterbehandelt wurde; dass jemand viel weniger palliative Versorgung bekam als notwendig; vielleicht auch, dass jemand für ihr Gefühl viel zu schnell aufgegeben wurde. Es ist wichtig, diese Vorgeschichten, die bei den Anwesenden auch sehr unterschiedlich sein können, aussprechbar zu machen. Sorgfältige Kommunikation kann die Angst vor einem übereilten Beschluss nehmen. Und Information über die stark verbesserten palliativen Methoden kann die Angst davor nehmen, dass das Sterbebett ein Ort von extremem Schmerz oder totaler Zerrüttung sein wird. Für die Betroffenen kann die Situation schwieriger sein, je weniger sie auf den deren Ernst vorbereitet sind. Dann erscheint es als schmerzliche Überraschung, wenn ein Mensch angibt, nicht mehr weiter zu wollen. Wenn eine terminale Situation unerwartet eintritt, kann es für die Familie belastend sein zu beschließen, denjenigen nicht länger zu behandeln (behandeln zu lassen), der ihnen so lieb ist. Umgekehrt kann es für Angehörige auch schwierig sein, mit einem Krankheitsverlauf leben zu müssen, der viel länger dauert, als die Zeit, auf die sie sich vorbereitet hatten. In diesen Fällen muss man die Erwartungen immer wieder anpassen. Es ist wichtig, dass der Pastor sich Übersicht über dieses Feld von Gefühlen verschafft. Auf dieser Basis kann er ihnen helfen, zu einer guten Abwägung zu kommen, auf dass sie Frieden mit der Entscheidung haben, auch im Nachhinein. Mit Bedacht abwägen Über die Basis, auf der solche Entscheidungen zu treffen sind, wurde in Kapitel 5 bereits einiges gesagt. Wir nannten den je eigenen Wunsch (die Selbstbestimmung), die Fürsorge für das Wohlergehen und den Respekt vor dem Leben. Aber eine kühle Abwägung von Argumenten, Wünschen und Tatsachen ist vor allem im seelsorglichen Zusammenhang nicht genug. Christen, die selbst auf dem Weg zum Lebensende sind, oder die andere dabei begleiten, dürfen auch im Gebet nach der Führung durch Gottes Geist suchen. Von diesem Geist wird gesagt, dass er uns „den Weg zur vollen Wahrheit leiten wird“ (Joh 16,13) und befähigt, selbst zu handeln und zu entscheiden. Der Apostel Johannes ermutigt seine Leser sogar mit der Versicherung: „Ihr seid gesalbt durch den Heiligen“ und „seine Salbung lehrt euch alles nach der Wahrheit“ (vgl. 1Joh 2,20.27). Dann ist die Rede von einem durch
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den Geist ausgerichteten selbständigen Handeln, die „pneumatische Autonomie“, wie wir sie in § 5.2 schon genannt haben. Die Aufgabe eines Pastors ist zu helfen, dass dieser Prozess stattfinden kann, indem er ihm von Augenblick zu Augenblick fragend folgt. Die Entscheidungsmöglichkeiten werden dadurch nicht weniger komplex: Gerade das Verlangen, Gottes Willen zu befolgen und durch den Heiligen Geist geführt zu werden, kann vor zu schnellen und unüberlegten Beschlüssen bewahren. Wir haben in § 3.3 bereits auf eine Reusen-Netz-Argumentation hingewiesen, in der Alternativen bereits von vornherein ausgeschlossen werden. Aber andererseits kann dieses Verlangen auch zur Überzeugung verhelfen, dass man in Gebet und Führung durch den Heiligen Geist in Verantwortung vor sich selbst als Krankem, gegenüber dem kranken Mitmenschen, gegenüber seinen Lieben und gegenüber Gott eine richtige Entscheidung getroffen hat. In einer christlich-ethischen und seelsorglichen Herangehensweise wird man – wiewohl die Entscheidung aus einer anderen Herangehensweise dieselbe sein kann – Entscheidungen um das Sterben in diesem Licht treffen und begleiten. Schriftworte, Rituale und Lieder Der Pastor kann, abgestimmt auf dem Hintergrund des Kranken, passende Schriftworte oder Psalm- oder Liedstrophen zur Ermutigung nennen oder Rituale wie Segnung und Krankensalbung gebrauchen. Auch das Gebet kann hier einen Platz haben. Das alles gilt, wenn der Kranke ansprechbar ist, aber auch, wenn das nicht der Fall ist. (Doch wer weiß das sicher?) Denn auch wenn der Kranke (möglicherweise) nicht hört, hört er – was wichtiger ist – doch den Einen, an den wir uns in seinem Namen richten. Auch wenn das Gebet mit dem Kranken nicht sinnvoll erscheint, bleibt doch immer das Gebet für den Kranken übrig, zu Ihm, der die „völlig retten kann, die sich durch ihn Gott nahen, weil er immer lebt, um sich für sie zu verwenden.“ (Hebr 7,25); also auch, wenn der Kranke nicht mehr bei Bewusstsein zu sein scheint. Gott ist in Christus „bei uns alle Tage“ (Mt 28,20), auch an den Tagen, an denen das Bewusstsein aus dem Leben gewichen ist. Daneben brauchen natürlich ebenfalls die Angehörigen des Kranken unser Gebet. Im Anhang ist ein Beispiel aufgenommen mit Vorschlägen für Gebete, Lieder und Rituale. 6.4 Zurück zu den Beispielen Wir gehen zurück zu den Beispielen aus Kapitel 4. Wir geben bei jedem Beispiel wieder, wie der Pastor in diesen Fällen präsent sein kann. (1)
Frau de Jong
Frau de Jong wohnt in einem Pflegeheim und befindet sich in einem fortgeschrittenen Stadium von Demenz. Ihr Ehemann muss entscheiden, ob der Arzt noch zu
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Sondenernährung übergehen soll und erfährt dies als eine schwere Wahl. Was kann der Pastor, der angefragt wurde, tun? [41] In einer Seelsorge der Nähe wird der Pastor Herrn de Jong zu verstehen geben, dass er dessen widerstreitenden Gefühle ernst nimmt, und nicht schnell Lösungen liefern: Im Namen des „Ich-Bin“ mit allem Raum und Aufmerksamkeit für das, was ihn aufwühlt. So kann der Pastor Schritt für Schritt auf dem schwierigen Weg mitgehen. Obwohl es hier auch um eine ethische Frage geht, ist es wichtig, dass der Pastor den Kontext dieser Frage im Auge behält: Ein Mensch ist dabei, seine Geliebte zu verlieren, und will wissen auf welche Weise Gott darin eine Rolle spielen kann: Rat gebend aber auch tröstend, Menschen in ihrer Gebrochenheit tragend. Wenn gewünscht können Schriftworte oder Lieder in diesem Zusammenhang vielleicht tröstlich sein. Es kann auch auf Schriftworte verwiesen werden, die Aussicht auf ein Zuhause geben, das seine Frau erwartet, und darauf dass „Gottes Liebe mehr ist als das Leben“ (Ps 63,4) oder es kann ein Lied zitiert werden: Gottes Güte ist zu groß/für das Glück allein,/sie geht in aller Not/durch das ganze Leben.//Sie kommt als fruchtbare Saat herunter/bis in die Grube hinab,/weil sie die nicht verlässt,/die im Grab verweilen (Liedboek voor de Kerken 223,2.3). Möglicherweise kennt der Pastor aus vorherigen Kontakten mit dem Ehepaar andere passende Worte und Lieder, die Ihnen vertraut sind.
Die Frage klären Wenn es konkret um die Frage „behandeln oder nicht“ geht, kann der Pastor versuchen, den Knoten zu entwirren, ausdrücklich ohne Herrn de Jong die Verantwortung abnehmen zu wollen. Der Pastor kann versuchen aufzuzeigen, dass Zögern und innerer Kampf nicht außergewöhnlich sind: Selbst große Menschen in der Bibel ringen mit schwierigen Entscheidungen. Er kann auch versuchen, den positiven Hintergrund seines Dilemmas aufzudecken: Dass er sie nicht entbehren kann, deutet auf die Liebe, die sie auch durch die Demenz hindurch teilen; aber dieselbe Liebe bedeutet auch, ihr zu gönnen, würdig zu sterben und beim Herrn zu sein, an den sie immer geglaubt hat. Des Weiteren ist es auch wichtig, dass der Pastor dabei hilft, den Inhalt der Entscheidung zu klären. Herr de Jong empfindet die Entscheidung über Sondenernährung als gläubiger Mensch als schwer. Denkt er, dass es sich um aktive Sterbehilfe handeln wird, die er aus seinem Glauben nicht verantworten kann? Der Pastor kann informieren, dass aktive Sterbehilfe nicht zur Diskussion steht, weil nach dem Gesetz bei Patienten mit fortgeschrittener Demenz weder der Arzt, noch der Vertreter die Entscheidung zu aktiver Sterbehilfe treffen darf. Er kann erklären, worum es eigentlich geht: Da seine Ehefrau nicht mehr isst und trinkt, bedeutet dies, dass sie bereits in der Sterbephase ist. Dann noch zu Sondenernährung überzugehen, wird die Sterbephase nur verlängern.
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Letztlich kann der Pastor versuchen, Herrn de Jong zu helfen, seinen Zwiespalt zu überwinden. Er wird sich bewusst davon zurückhalten, in eine bestimmt Richtung zu „schieben“, sondern ihm helfen, in aller Freiheit und allem Raum zu einer Entscheidung zu kommen. Der Pastor kann auch auf die Kraft des Gebetes um den Heiligen Geist verweisen, der uns bei den Entscheidungen, die wir treffen müssen, leitet. Er kann auch vorschlagen, zusammen mit ihm darum zu beten und ihm versprechen, das auch selbst für ihn zu tun. Dieses Letzte kann immerhin die Tragfläche für seine Entscheidung, die er treffen muss, vergrößern. Dabei können auch Bibelworte (z.B. Ps 119, in dem so häufig um Gottes Führung gebeten wird, um den richtigen Weg zu gehen) dem Gebet eine Richtung geben. Wie die Entscheidung auch ausfällt, Seelsorge bedeutet auch in der Folgezeit „Nähe“. Wenn Herr de Jong sich für Sondenernährung entscheidet, wird Frau de Jong erwartungsgemäß noch einige Zeit leben – eine Zeit des Wartens in der Palliation sehr wichtig ist, aber in der auch das Leiden von Herrn de Jong selbst – der langsame Abschied – Aufmerksamkeit verdient. Wird entschieden, keine Sondenernährung mehr zu geben und Frau de Jong, wenn noch nötig, lediglich sedierende Medikamente zu geben, dann wird der Tod erwartungsgemäß schneller eintreten. Wenn es gut läuft, wird mit dem Arzt zeitig verabredet, wann mit der Sedierung begonnen wird. In beiden Fällen ist es sinnvoll mit Herrn de Jong und der übrigen Familie einen Moment zu verabreden, zu dem mit seiner Frau noch eine Form von Kontakt möglich ist und bei dem würdig Abschied genommen werden kann. Es kann stärkend und tröstlich sein, dem Abschied eine passende Form zu geben. Siehe hierzu den Anhang. (2)
Herr Bosma
Herr Bosma (59) ist wegen Multipler Sklerose in fortgeschrittenem Stadium in einem Pflegeheim untergebracht. In einem Gespräch mit dem Pastor, zusammen mit seiner Frau, äußert er seine Sorgen über seine körperliche und geistige Verschlechterung. Er fürchtet vor allem das Leiden und die Beeinträchtigungen, die ihm möglicherweise bevorstehen. Er erwägt, den Arzt zu bitten, bei einer folgenden Lungenentzündung keine Antibiotika mehr zu geben und nur Beschwerden wie Atemnot zu bekämpfen, so dass er die Möglichkeit bekommt zu sterben. Zusammen wollen sie mit dem Pastor darüber reden. Die seelsorgliche Begleitung von Herrn und Frau Bosma wird im Wesentlichen dieselbe Haltung vom Pastor erfordern und dieselben Phasen durchlaufen, wie beim vorherigen Beispiel angegeben: Schritt für Schritt in naher Anwesenheit folgen und das strenge Ernstnehmen der Gedanken und Gefühle (bis zum Moment einer eventuellen Entscheidung ein Übereinstimmung mit dem Wunsch von Herrn Bosma). Aber es gibt auch Unterschiede zum vorherigen Beispiel. Der Kontakt findet mit zwei völlig einwilligungsfähigen Menschen statt, die außerdem untereinander unterschiedliche Sichtweisen haben. Frau Bosma kann den Gedanken an einen kom-
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menden Abschied noch nicht ertragen. Medizinisch gesprochen ist die Behandlung von einer Lungenentzündung durchaus wirksam. Aber Herr Bosma zweifelt bei der Frage, ob er, angesichts seiner immer weiter zurückgehenden Lebensqualität, noch weiter leben möchte. Wie ist damit seelsorglich umzugehen? Entscheidend ist, dass über ein paar Fragen Klarheit hergestellt wird. Wie viel Leiden kann Herr Bosma in dieser Phase noch aushalten? Welche Leiden fürchtet er und wie wahrscheinlich ist es, im Licht der vielfach stark verbesserten palliativen Versorgung, dass solche Leiden ihm tatsächlich bevorstehen? Wie viele belastende Behandlungen kann er körperlich und geistig noch verkraften? Wie stark hängt er an seinem Leben und an seiner Umgebung? Wie ist seine eigene Sicht auf den Sinn dieser Phase seiner Krankheit? Erfährt er in der Entscheidung, die er über seine Zukunft treffen muss, Gottes Führung und Trost? Der Pastor wird hiermit im Dialog mit beiden sorgfältig umgehen und mitunter eine Dolmetscher-Funktion erfüllen können, indem er hilft, immer wieder zu klären, was jeder gegenüber dem anderen wirklich fühlt und meint. Hier ist die sich selbst „entledigende“ Haltung des Pastors sehr wichtig, wenn er beiden allen Raum gibt, auch in Bezug zu einander. Wir denken daran, was Paulus schrieb: „Und ich bete darum, dass eure Liebe immer noch reicher werde an Erkenntnis und aller Erfahrung, sodass ihr prüfen könnt, was das Beste sei“ (Phil 1,9–10). Das gilt sowohl für den Pastor als für diesen Mann und diese Frau, um zu einem von beiden verantworteten Entschluss zu kommen, der ihnen Frieden und Ruhe gibt. Es kann der Moment eintreten, dass das Ehepaar Bosma im Gebet zu Gott – wobei der Pastor behilflich sein kann im Finden der richtigen Worte – auf die Entscheidung zugeht, bei einer neuen lebensbedrohlichen Situation das Sterben zuzulassen. Oder zu einem Entschluss, doch wieder zu versuchen zu überleben, um noch einige Zeit zusammen sein zu können. Es kann sinnvoll sein, nach so einem Entschluss zusammen das Heilige Abendmahl zu feiern, wenn gewünscht (vgl. hierzu den Anhang.) (3)
Frau Adriaans
Frau Adriaans (78) wurde nach einer Operation, bei der Krebs festgestellt wurde, in der terminalen Abteilung eines Pflegeheimes aufgenommen. Als es zu einer akuten ernsthaften Komplikation kommt, bittet sie den Arzt, einschlafen zu dürfen. Bei den Gesprächen während ihrer Aufnahme ist es wichtig, dass auch hier der Pastor nahe an der Situation bleibt, die sich nun stellt; dort wo sie wirklich ist. Das will sagen, dass er ihr darin folgt, was die medizinischen Fakten für sie bedeuten, was sie mit ihr machen, wie sie sie deutet: Was bedeutete die „schlechte Nachricht“ für sie, das Stoma, die Aufnahme in der palliativen Abteilung, der zunehmende Schmerz, Juckreiz, Übelkeit, Benommenheit? Wie geht sie damit um? Nicht nur, weil der Pastor ein besseres Bild von ihr haben will, sondern vor allem, weil sie selbst einen Weg finden soll, der gangbar ist.
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Ist auf diesem gemeinsamen Weg von Verstehen und Erkennen Vertrauen zwischen der Kranken und dem Pastor gewachsen, dann ist möglicherweise die Zeit gekommen, gemeinsam auf ihr Leben zurückzuschauen und voraus zu schauen auf ihr nahes Sterben. Hat sie diesbezüglich noch Wünsche oder Probleme? Gibt es Lebenssituationen, in denen sie versagt oder einen Mangel erlebt hat? Hat sie das Gefühl, etwas wieder gut machen zu müssen – mit anderen oder mit Gott? So vieles kann sich melden, je kürzer das Leben wird. Bei dem letzten Gespräch mit Frau Adriaans, bei dem auch ihre gute Freundin anwesend ist, kann der Pastor versuchen, auch hier die ethischen Fragen zu klären. Er wird dazu, genau wie der Arzt, zunächst weiterfragen müssen. Sie will einschlafen – doch was meint sie damit? Obwohl viele Menschen den Unterschied nicht sehen, ist es wichtig, zwischen aktiver Sterbehilfe und palliativer Sedierung zu unterscheiden. Bei aktiver Sterbehilfe ist es das Ziel, das Leben zu beenden; terminale Sedierung zielt darauf, das Leiden zu vermindern. Wenn terminale Sedierung dazu das einzige effektive Mittel ist, kann die Tatsache der damit eventuell verbundenen Lebensverkürzung in Kauf genommen werden.12 Die Beschreibung des Falles lässt vermuten, dass es hier um eine Frau geht, die ihr Leben lang sehr selbständig gewesen ist. Die Erfahrung zeigt, dass jemand in diesen Fällen in dem Wunsch nach direkter und aktiver Sterbehilfe ziemlich entschieden sein kann. Für manche ist terminale Sedierung nicht wünschenswert, weil sie so das Gefühl haben, nicht mehr bis zum Ende die Kontrolle zu haben. Mit diesem Wissen im Hinterkopf kann der Pastor bei Frau Adriaans weiterfragen: Wünscht sie sich eine Erleichterung der Symptome, dann ist terminale Sedierung eine geeignetere und auch für sie vertretbare Lösung; wünscht sie dagegen nicht die Erleichterung der Symptome, sondern den Tod, dann bittet sie faktisch um aktive Sterbehilfe. Der Pastor kann auf die moralischen und juristischen Seiten solch eines Ersuchens hinweisen und kann versuchen, zwischen ihrem Glauben und der Entscheidung, die sie nun trifft, eine Brücke zu schlagen. Der Pastor wird, wenn dabei um seine Mitwirkung gebeten wird, ihr dann auch helfen, dem Abschied von ihren besten Freunden Form zu geben. Ebenso wie bei den vorherigen Beispielen könnten dabei die Beispiele von Abschiedsritualen mit den gewünschten Anpassungen dienlich sein. 6.5 Weitere Überlegungen •
Bei dem ersten Treffen mit dem Kranken ist es wichtig, auf die Umgebung des Kranken zu achten: Fotos und kleine Gegenstände rund um das Bett, die bereits einen direkten Anlass zum Kennen-Lernen und zum Gespräch geben können.
12 Die KNMG (Königliche Niederländische Gesellschaft zur Förderung der Heilkunst, Ärztevereinigung in den Niederlanden) geht übrigens davon aus, dass bei einem korrekten Vorgehen das Leben nicht verkürzt wird.
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Diese Dinge können auch ein Bild davon geben, wie er oder sie „im Leben steht“. Der Gebrauch von Patientenakten im Krankenzimmer kann viel bedeuten und ist in etwa mit der medizinischen oder pflegerischen Dokumentation über den Zustand des Kranken zu vergleichen. Hierin können Pastoren – vor allem in Situationen, wenn der Kranke selbst nicht oder nur schwer kommunizieren kann – Berichte für die Familie hinterlassen und mit ihr fortlaufend in Kontakt bleiben. Achten Sie vor allem auf die Müdigkeit des Kranken: Halten Sie den Besuch kurz; besser öfter und kurz besuchen, als selten und lang. Auch in protestantischen Kreisen hat der Brauch der Krankensalbung hier und 13 da Eingang gefunden. Es wird öfter darüber geklagt, dass nach einer intensiven Seelsorge rund um das Sterben, die Seelsorge in der folgenden Trauerzeit zu wünschen übrig lässt. Es ist sinnvoll, dass der Pastor nach dem Sterben bei der Familie nachfragt, ob für die Verarbeitung Netzwerke oder Unterstützung zur Verfügung stehen. Eventuell kann er zusagen, für die Nachsorge bereit zu stehen. Wenn jemand in einer Pflegeeinrichtung untergebracht ist, dann kann manchmal von mehreren Seiten Seelsorge angeboten werden, abhängig von der Frage, ob jemand eine Heimatgemeinde hat (hatte) und ob es sich um einen längeren Aufenthalt handelt. Es ist möglich, dass sowohl der Pfarrer oder Seelsorger aus der eigenen Gemeinde (oder ein Presbyter oder anderer seelsorglicher Ehrenamtlicher) als auch der Anstaltsseelsorger in die Begleitung einbezogen werden. Das muss sich nicht beißen, solange es wechselseitige Rücksprache gibt. Der Vorteil des Einsatzes eines Anstaltsseelsorgers ist der Sachverstand, den er speziell auf diesem Gebiet hat, während die Verbundenheit aus der Heimatgemeinde oft wiederum wegen der Tatsache sinnvoll ist, dass der Kranke dort länger bekannt ist. Es muss auf jeden Fall klar sein, wer die seelsorgliche Betreuung am besten übernimmt. Wenn der Kranke zuhause gepflegt wird, dann wird der Gemeindepastor, falls nötig, bei einem Anstaltsseelsorger über die spezifisch seelsorglichen Aspekte in der Begleitung in diesen besonderen Situationen Rat einholen können. So soll vermieden werden, dass der seelsorglichen Begleitung aus der Gemeinde mehr Verantwortung aufgebürdet wird, als tragbar ist. Der Anstaltsseelsorger und der Pastor in der Situation zuhause können auch für das andere Versorgungspersonal – Ärzte, Krankenpfleger, Pflegehilfskräfte – eine Rolle als Notrufsäule und Gesprächspartner spielen. Auch sie kennen Momente der Verwirrung und Entschlussunfähigkeit. Der Pastor kann auch ihnen helfen, um zu unterscheiden, worauf es gerade ankommt. Er kann auch eine Mittlerrolle zwischen Familie und Arzt einnehmen.
13 Für deren Bedeutung und liturgische Ordnungen dazu siehe: Dienstboek Deel II voor de Protestantse Kerk in Nederland. Zoetermeer: Boekencentrum 2004, pp. 453–481. Auch für liturgische Ordnungen für Abendmahlsfeiern mit (ernsthaft) Kranken und Sterbenden siehe: Dienstboek II, 196–223.
Medizinische Entscheidungen im Umfeld des Lebensendes •
•
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Bei medizinischen Entscheidungen im Umfeld des Lebensendes ist ein gewisses medizinisches und medizinethisches Wissen des Pastors unentbehrlich. Es kann daher auch passieren, dass der Pastor nur Fragen stellt und vorschlägt, in einem späteren Gespräch hierauf zurück zu kommen, um sich in der Zwischenzeit besser über die Problematik informieren zu können. Seelsorgliche Begleitung kann, wenn gewünscht, auch gut funktionieren und Unterstützung und Fürsorge bieten, wenn Betroffene den christlichen Glauben nicht miteinander teilen. Hier wird besonders der breit und wissenschaftlich ausgebildete Anstaltsseelsorger in aller Feinfühligkeit im Miteinander Klärung darüber schaffen können, was jeder denkt oder glaubt oder nicht glaubt, so dass man sich in der jeweils eigenen Gedankenwelt verstanden weiß und verantwortete Entscheidungen getroffen werden können. Wenn gewünscht kann der Anstaltsseelsorger falls möglich an einen Pastor mit einem anderen religiösen oder lebensanschaulichen Hintergrund verweisen, der zu dem des Kranken und/oder der Familie passt.
Schließlich darf nicht vergessen werden, dass die Pastoren auch ihre eigenen Gedanken und Gefühle haben. Sie dürfen nicht ihre eigene Meinung vorherrschen lassen, aber sie brauchen sich nun auch wieder nicht so neutral darzustellen, dass ihre eigene Meinung und ihre Gefühle komplett verborgen sind. Die Meinungen und Gefühle des Pastors können je nach Situation unterschiedlich sein: Verständnis, Sich-schwer-Tun oder Zwiespalt. Es ist sinnvoll, sich den eigenen Ort klarzumachen und zu versuchen, – eventuell mit anderen Pastoren oder einem pastoralen Team – auf eine gute Weise damit umzugehen. Selbstverständlich darf ein Pastor die Betroffenen nie im Stich lassen, wenn er die Situation anders beurteilt und erlebt als sie.
Evangelische Kirche A. und H.B. in Österreich Einführung Konfession
evangelisch
Titel
Stellungnahme der Evangelischen Kirche in Österreich zum Thema „Sterbehilfe“
Verfasser
Theologischer Ausschuss der Generalsynode der Evangelischen Kirche Augsburgischen und Helvetischen Bekenntnisses in Österreich
Herausgeber
Evangelische Kirche A. und H.B. in Österreich
Veröffentlichungsjahr
1996
Adressatenraum
Österreich
Veröffentlichung
SAAT-Sondernummer 5a/1997. URL: http://www.evang.at/sterbehilfe.html
Die protestantische Stellungnahme aus Österreich wird 1996 von der Generalsynode der Evangelischen Kirche Augsburgischen und Helvetischen Bekenntnisses verabschiedet und vereint somit die lutherische und reformierte Tradition. Die Evangelische Kirche in Österreich sieht sich dreifach – in medizinischer, historischer und sozialer Perspektive – zu einer Stellungnahme herausgefordert: als Gründe nennt sie die zunehmend erschwerte verantwortliche Entscheidungsfindung angesichts der immer komplexeren medizinischen Entwicklungen, die mit den Bestrebungen zur Legalisierung aktiver Sterbehilfe entstehende Gefahr eines Dammbruchs analog zur nationalsozialistischen Euthanasiepraxis und schließlich das wachsende gesellschaftliche Interesse an einer Auseinandersetzung mit Sterben und Tod. Die österreichische Gesetzgebung verbietet aktive Sterbehilfe, doch gerät dieses Verbot in bestimmten Fällen in Konflikt mit dem parallel dazu bestehenden Gesetz über „Eigenmächtige Heilbehandlungen“, das die körperliche Autonomie der Behandelten gewähren soll. Die Stellungnahme setzt sich zum Ziel, gesellschaftlich eine „neue Kultur“ des Sterbens zu entwickeln. Dass diese neue Kultur keine pauschale Kritik an der gegenwärtigen Praxis bedeuten kann, lässt sich an der Sensibilität der Stellungnahme für Dilemma-Situationen und an der nicht einfach zu bewältigenden Komplexität der Entscheidungsprozesse ablesen. Als Zeichen der fehlenden einfachen Antworten kann u.a. die eher ungewöhnliche Kapitelzuordnung verstanden werden, die auch die verschiedenen Formen von Sterbehilfe unter dem Oberbegriff „Sterbebegleitung“ versammelt und damit der Tatsache fließender Übergänge zwischen beiden Optionen Rechnung trägt. Im Dienste einer möglichst weiten ge-
Einführung
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sellschaftlichen Überzeugungskraft verfolgt die österreichisch-evangelische Kirche in ihrem Text eine zweifache Argumentationslinie, indem sie neben theologischchristliche stets auch nicht-religiöse, allgemein nachvollziehbare Begründungen stellt.
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Evangelische Kirche A. und H.B. in Österreich
Stellungnahme der Evangelischen Kirche in Österreich zum Thema „Sterbehilfe“ I.
Ausgangslage
Die Tabuisierung des Todes in unserer Gesellschaft hat erfreulicherweise einem interessierten Fragen nach dem Tod Platz gemacht Menschliches Sterben vollzieht sich allerdings zunehmend in einem Umfeld ungeklärter Probleme und offener Fragen. Die Angst vor einem unwürdigen Sterbeprozess ist heute weit verbreitet und bewegt immer mehr Menschen. Besonders seit im Jahr 1993 in den Niederlanden aktive Sterbehilfe im Rahmen gewisser Verfahren nicht mehr strafrechtlich verfolgt wird, wurde auch im übrigen Europa und in Osterreich die Debatte um eine eventuelle Liberalisierung der Aktiven Sterbehilfe erneut aufgenommen. Die Debatte geht von folgender Ausgangslage aus: 1.
Schulmedizinischer Kontext
Die schulmedizinische Behandlung von kranken und sterbenden Menschen fordert im Bereich intensivmedizinischer Maßnahmen bewusste Entscheidungen, die sowohl Lebensqualität als auch Lebensdauer von Patienten/innen betreffen. Das „natürliche Sterben“ gibt es beim derzeitigen Stand der Medizin kaum mehr. Patienten/innen selbst sind oft auch gar nicht in der Lage sich zu artikulieren (Koma). Die Letztverantwortung liegt deshalb in der Regel bei den behandelnden Ärzten – eine Bürde, mit der diese vielfach überfordert sind. Erschwert wird die medizinisch-ethische Entscheidungsfindung durch einen Mangel an Ausbildung von ärztlicher Seite in diesem Bereich und durch eine Entwicklung der letzter 50 Jahre, bei der der menschlich-kommunikative Bereich zugunsten der Apparatemedizin vernachlässigt wurde – nicht zuletzt infolge eines insgesamt fragwürdig gewordenen Wertesystems in der pluralistischen Gesellschaft. In diesem Kontext werden Vereine gegründet, die das Recht auf würdevolles Sterben und den „letzten Willen“ von Patienten/innen einfordern wollen. 2.
Historischer Kontext
Der besondere österreichische Kontext bezüglich der Debatte um „Aktive Sterbehilfe“ zeichnet sich durch eine Geschichte aus, in der während des Nationalsozialismus tausende behinderte Menschen und andere, deren Leben als „unwert“ bezeichnet wurde, umgebracht wurden. Bis heute scheinen Ärzte auf freiem Fuß zu leben, die Mitschuld an diesem Verbrechen tragen. Eine solche geschichtliche Hypothek fordert besondere Sensibilität im Umgang mit dem Thema.
Stellungnahme der Evangelischen Kirche in Österreich zum Thema „Sterbehilfe“
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Zu Recht besteht Sorge vor einem neuerlichen „Dammbruch“ auf dem Gebiet der Euthanasie. Dennoch – bzw. gerade deshalb – ist es notwendig, den immer größer werdenden Bereich von Grauzonen medizinethischen Handelns nicht dem Ermessen des jeweils behandelnden Arztes allein zu überlassen, sondern öffentlich zu diskutieren. 3.
Neue gesellschaftliche Initiativen
Viele Gruppen in der Gesellschaft haben begonnen, verstärkt das Thema „Sterben – Tod – Trauer“ in das öffentliche Bewusstsein zu holen und der Tabuisierung zu entziehen. Der Auseinandersetzung mit dem Sterben gilt im publizistischen und medialen Bereich großes Interesse. Das Entstehen von Gesellschaften, Vereinen und die Ausbreitung der Hospizbewegung auch in Österreich zeigen großes Engagement im Bereich der Verbesserung einer neuen „Kultur“ des Sterbens.
II.
Sterbebegleitung
1.
Sterbebegleitung allgemein
Sterbebegleitung bezeichnet die menschliche Zuwendung dem Sterbenden gegenüber, die den ganzen Menschen in seiner leibseelisch-sozialen Dimension vor Augen hat. Die Alltagskompetenz der Sterbebegleitung ist aus Gründen der gesellschaftlichen Veränderung, vor allem aber durch die Ausdifferenzierung der Gesellschaft zunehmend verlorengegangen. Professionisten haben die Rolle der Familienmitglieder übernommen und leisten Sterbebegleitung in Organisationen (Krankenhäusern), die als Arbeitsziel Gesundung und Heilung im Programm haben. Die Probleme sterbender Menschen in unserer Gesellschaft werden durch die oben genannte Entwicklung verschärft. Eine „Neue Kultur“ im Bereich der Sterbebegleitung ist zu fordern, allerdings nicht abgehoben von der gesamten Betreuung von Patienten/innen in privaten und öffentlichen Einrichtungen. Der sterbende Mensch bat Anspruch auf persönliche Begleitung, auf eine menschenwürdige Umgebung und auf eine Behandlung, die Schmerzen weitgehend lindert. Die Ergebnisse gerontologischer Forschung müssen Eingang in da medizinische Alltagspraxis und das Denken breiter Bevölkerungsschichten finden. Es gilt, das Altern und Sterben als einen integrierten Teil des Lebens zu begreifen und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass dieser besondere Lebensabschnitt adäquat und individuell gestaltet werden kann. Insbesondere ist darauf zu achten, dass die Möglichkeiten der Selbstbestimmung der Patienten/innen weitgehend erhalten bleiben. Einen speziellen Bereich der Sterbebegleitung stellt die Sterbehilfe dar.
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Evangelische Kirche A. und H.B. in Österreich
2.
Sterbehilfe allgemein
2.
Definitionen
Die Begriffe der „aktiven“ und „passiven“ Sterbehilfe versuchen Handlungen zu ordnen. Diese (so wie auch die Erläuterungen) sind dem Kurzkommentar zum Österreichischen Strafgesetzbuch § 75, IV entnommen (herausgegeben von Egmont Foregger und Gerhard Kodek, 5 Auflage, Wien 1991): – Sterbehilfe ohne Lebensverkürzung – Sterbehilfe mit Lebensverkürzung – Unterlassung der Lebensverlängerung – Aktive Euthanasie Sterbehilfe ohne Lebensverkürzung „Diese auch „Hilfe im Sterben“ genannte Form besteht darin, dass einem Sterbenden die zu Erreichung eines erträglichen Zustandes nötigen Hilfen, vor allem Medikamente verabreicht werden. Die Übereinstimmung mit der Rechtsordnung ist nicht zu bezweifeln“ Sterbehilfe mit Lebensverkürzung „Die zur Beseitigung unerträglicher Schmerzen im letzten Stadium schwerer Krankheiten notwendig zu verabreichenden Medikamente können eine gewisse Lebensverkürzung zwangsläufig mit sich bringen. Überwiegend wird auch diese Art von Sterbehilfe als gerechtfertigt angesehen.“ Unterlassung der Lebensverlängerung „Diese Sterbehilfe wird auch passive genannt und besteht darin, dass eine nach dem Stand der Medizin möglich kurzfristige Verlängerung eines verlöschenden Lebens unterlassen wird. Dass dies auf ausdrücklichen Wunsch des Sterbenden geschehen darf, ist weitgehend anerkannt, ein anderes Verhaken wäre auch wohl eine eigenmächtige Heilbehandlung. Aber auch dann, wenn kein erklärter Wille vorliegt, wird die Lebensverlängerung um jeden Preis von der Rechtsordnung nicht verlang.“ Aktive Euthanasie „Darunter versteht man, dass ein unheilbar Kranker getötet oder der zu erwartende Tod durch aktives Tun beschleunigt wird. Die Strafbarkeit dieser Form von Sterbehilfe wird fast allgemein angenommen.“
Stellungnahme der Evangelischen Kirche in Österreich zum Thema „Sterbehilfe“
3.
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„Recht auf den eigenen Tod“?
Die obigen Definitionen ergeben sich aus der ihnen zugrundeliegenden Fragestellung „Ist es erlaubt, in irgendeiner Form (aktiv oder passiv) den Sterbeprozess eines Menschen zeitlich zu begrenzen?“ – Heute wird aber (wesentlich radikaler) oft auch umgekehrt gefragt „Hat die Gemeinschaft überhaupt das Recht, einem Menschen gegen seinen Willen das Leben aufzuzwingen?“ Mit anderen Worten: Ist nicht das „Recht auf den eigenen 'Tod“ ein Grundrecht des Menschen, das durch den Gesetzgeber gar nicht angetastet werden darf? Diese Fragestellung findet bisher noch keinen juristischen Niederschlag, muss aber mit bedarfst werden. Darum wird bei der „aktiven Euthanasie“ noch einmal zu unterscheiden sein zwischen einer unfreiwilligen aktiven Euthanasie und der freiwilligen „Tötung auf Verlangen“. 4.
Ethisches Dilemma
Im Bereich der Sterbehilfe geht es um ethische Entscheidungen, die meist Entscheidungen in einem Dilemma darstellen. Fast immer sind Güter- bzw. WerteAbwägungen nötig. Etwa: 1. Das Interesse des Patienten (z.B. auf lebensverlängernde Intensivbehandlung) – gegen das Interesse der Allgemeinheit (dieses Intensivbett wird gerade für einen aussichtsreicheren „Fall" gebraucht). 2. „Nach so und so langer erfolgloser Behandlung ist dieser komatöse Fall als aussichtslos anzusehen" – gegen „Es könnt ja doch noch Hoffnung geben!" 3. Leben mit schwerer Beeinträchtigung – oder Leidfreiheit durch Lebensauslöschung 4. Der Wunsch des Patienten/der Patientin („Ich will nicht mehr") – gegen die ethische Grundüberzeugung der Ärzte oder der Angehörigen.. Es ist wichtig festzuhalten, dass meist keine mögliche Entscheidung für sich beanspruchen kann, einer objektiven „Wahrheit“ verpflichtet zu sein, sondern immer bloß die Güterabwägung in Konsequenz einer bewusst aufgestellten Wertehierarchie darstellt Eine quasi fundamentalistische Festlegung auf bestimmte unumstößliche Positionen ist daher nicht wirklich hilfreich. In einem ähnlichen Dilemma meinte der Gesetzgeber in anderen Bereichen (wie etwa im Kriegsfall, bei Notwehr oder im Fall von Schwangerschaftsabbrüchen...), aus höher bewerteten Interessen heraus Ausnahmen von der grundsätzlichen Schutzwürdigkeit des menschlichen Lebens machen zu müssen. Bei aller Fragwürdigkeit der einzelnen Regelungen zeigt sich darin, dass allein die Festschreibung eines Prinzips für die äußerst komplexe Realität nicht ausreicht.
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Evangelische Kirche A. und H.B. in Österreich
Es ist aber unbedingt zu fordern, dass die jeweiligen Kriterien der Güterabwägung (Wertehierarchie) – im Allgemeinen wie im konkreten – offengelegt und damit diskutierbar gemacht werden. Wir legen im Folgenden die Handlungsgrundlagen dar, wie sie sich aus einer an der Bibel orientierten gründlichen evangelischen Theologie ergeben. 5.
Theologische Reflexionen
Die Bibel gibt dem Leben des Menschen dadurch Wert, dass sein Leben als Geschenk Gottes definiert wird. Damit ist es der völlig freien Verfügbarkeit entzogen und die Autonomie des Menschen begrenzt. Weil das Leben Geschenk Gottes ist, erwächst für den Menschen selbst und die ihn umgebenden Bezugs- und Betreuungspersonen die Verpflichtung, dieses Leben zu achten und zu schätzen. Menschliches Leben wird in der Bibel (anders als in der Naturrechtsethik) als Leben in Beziehung zu Gott definiert, die ihm eine besondere Würde gibt. Das „In-Christus-Sein“ kann allerdings den „natürlichen“ Wert des Lebens auch relativieren, weil es dieses nämlich nicht allein auf das biologische Dasein beschränkt. Daraus folgt, dass lebensverlängernde Maßnahmen sicher nicht um jeden Preis sinnvoll sind. In ähnlicher Weise haben die einzelnen Zustandsformen des Lebens (wie etwa „Glück“ oder „Leid“) für sich allein genommen keinen Eigenwert. Sie haben ihren Sinn lediglich als Teilaspekte des Ganzen und müssen sich von dorther jeweils auch kritisch hinterfragen lassen. Über aktive Sterbehilfe gibt es in biblischen Texten keine Aussage. Außerdem wäre der gesellschaftliche Kontext der biblischen Schriften von dem der westlichen Gesellschaft an ausgehenden 20. Jahrhundert zu unterscheiden. Eine „evangelische“ Ethik nun will dazu anleiten, auch in schwierigen Situationen verantwortungsbewusst zu handeln. Sie kann Grundlagen aufzeigen und Entscheidungskriterien benennen. Sie will aber weder den Anspruch erheben, alle Grenzfälle umfassend auflisten zu können – noch sieht sie sich in der Lage, den notwendigen Entscheidungs- und Abwägungsspielraum durch kasuistische Regelungen „vom grünen Tisch“ aus in exakt vorgegebene Verhaltensmuster umzuwandeln. Es ist klar, dass Entscheidungen in Konfliktfällen per Definition immer auch gute Argumente gegen sich haben und damit in gewisser Weise ein Element des Schuldig-Werdens in sich tragen. Sie können nur aus dem Geist eines verantwortlichen „Trotzdem“ heraus getroffen werden – Im Vertrauen auf Gottes Hilfe und Barmherzigkeit. Hier ist zu erinnern an ein Wort Luthers: „Pecca fortiter, sed crede fortius!“ (Sündige tapfer, aber glaube noch tapferer!)
Stellungnahme der Evangelischen Kirche in Österreich zum Thema „Sterbehilfe“
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Evangelische Ethik bezieht sich darum auf folgende – teilweise paradoxe – Grundsätze: 1. Das Leben des Menschen ist Gottes Geschenk. 2. Das Leben zu erhalten ist Verpflichtung 3. Der Mensch wird bestimmt durch einen Widerspruch zwischen Handeln in Freiheit und Verantwortung einerseits – und seine prinzipielle „Grundpassivität“ andererseits (Geboren werden und sterben, aber auch Gesundheit und Krankheit unterliegen einer nur eingeschränkte Verfügbarkeit) 4. Der Handlungs,pielraum beinhaltet sowohl Widerstand als auch Ergebung 5. Leiden an sich wird nicht glorifiziert, deshalb ist jedenfalls gegen den Schmerz anzukämpfen. 6. Umgekehrt ist das Ziel des Lebens nicht Leidfreiheit 7. Im Tod muss sich nicht unmittelbar der Wille Gottes manifestieren 3.
Sterbehilfe konkret
1.
Sterbehilfe ohne Lebensverkürzung
Diese Form der Sterbebegleitung stellt das geringste ethische Dilemma dar, obwohl de facto natürlich auch hier die Entscheidung bereits vorausgesetzt ist, keine lebensverlängernden Maßnahmen mehr zu setzen. Falls der Patient, die Patientin dabei allerdings auf schmerzstillende oder andere Medikamente verzichten will, ist dies wohl auch von ärztlicher Seite zu respektieren 2.
Sterbehilfe mit Lebensverkürzung
Ein größeres Dilemma bedeutet die Linderung des Leidens mit Hilfe von Medikamenten, die möglicherweise das Sterben beschleunigen können. Hier steht die Verpflichtung, Leben zu erhalten (bzw. nicht zu verkürzen) gegen die Verpflichtung, Leiden zu minimieren. Außerdem besteht ein weiteres Dilemma dann, gerade noch die Schmerzen zu lindern und gerade noch nicht den Tod direkt herbeiführen. Aus Angst vor dieser Gratwanderung werden oft zuwenig Schmerzmittel gegeben, sodass Patienten/innen auch heute noch mit Qualen sterben. Eine gerade im christlichen Bereich noch immer übliche Leidensverherrlichung leistet der Angst vor der Gabe zu großer Dosen auch noch Vorschub. Eine evangelische Ethik muss sich davon distanzieren und den Ärzten Mut machen, die Schmerzen ohne Zaudern in Übereinstimmung mit dem Patienten/der Patientin zu bekämpfen.
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Evangelische Kirche A. und H.B. in Österreich
Die Schmerzbekämpfung muss Priorität haben vor der Gefahr der Lebensverkürzung. 3.
Unterlassung der Lebensverlängerung
(Die klassische „non-treatment-decision“ = Verzicht auf therapeutische Maßnahmen, um die Qual des unausweichlich gewordenen Sterbens nicht zu verlängern.) In diesen Bereich der Sterbebegleitung fallen folgende Handlungen: 1. Der Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen bei Bewusstsein und mit Einstimmung des Patienten 2. Der Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen ohne Einstimmung des Patienten Das ethische Dilemma im ersten Fall kann unter anderem darin bestehen, dass der Patient/die Patientin den Wunsch hat, auf weitere Maßnahmen zu verzichten, das betreuende Team und der Arzt diesen Wunsch aber nicht akzeptieren können/wollen, da sie ihn bloß für den Ausdruck einer vorübergehenden Lebensunwilligkeit (infolge Schwächung) halten. Bei einer (aller Voraussicht nach) endgültigen Bereitschaft zum Abschiednehmen allerdings sollte der Wunsch des Patienten/der Patientin – seine/ihre Behandlung betreffend – prinzipiell maßgebend sein (Patientenorientierung). Es gehört zur Würde des Menschen, dass er nicht zum bloßen Objekt medizinischen Könnens degradiert werden darf. Vielmehr ist ihm das Recht zuzugestehen, ah einem bestimmen (unumkehrbaren) Stadium des Alterungs– bzw. Krankheitsprozesses sich nicht mehr auf einen Kampf um die Erhaltung seines Lebens einlassen zu müssen, sondern sich bewusst auf das eigene Sterben hin ausrichten zu dürfen. Eine solche innere Ausrichtung dürfte dann durch „Zwangsbeglückung“ in Form von lebensverlängernden Maßnahmen nicht mehr unterlaufen werden, im Gegenteil: sie sollte sogar Unterstützung finden durch das Verhalten der Begleitenden. Das ethische Dilemma im zweiten Fall, nämlich wenn der Patient/die Patientin nicht mehr verhandlungsfähig ist, stellt ein besonders großes Problem dar, da über den Willen des Patienten/der Patientin hinweg Entscheidungen über Leben und Tod getroffen werden. In der Erläuterung der Strafgesetzordnung ist dieser Fall bedauerlicherweise gar nicht aufgelistet. Prinzipiell sollte jedoch auch hier der Wunsch des Patienten/der Patientin seine Behandlung betreffend maßgebend sein (Patientenorientierung), auch wenn der Patient/die Patientin selbst nicht bei Bewusstsein ist und nur ein Testament (living will) vorhanden ist. Das ethische Dilemma für den Arzt besteht aber darin, dass er mit dem Patienten/der Patientin nicht kommunizieren kann und er sein Testament als aktuelle Information möglicherweise anzweifelt. Die Anfechtung einer ärztlichen Handlung bei bestehendem Testament ist zwar in Österreich noch nicht geschehen. Zweifellos zeigen aber die Bemühungen von Organisati-
Stellungnahme der Evangelischen Kirche in Österreich zum Thema „Sterbehilfe“
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onen (z B. IGSL lnternationale Gesellschaft für Sterbebegleitung und Lebensbeistand), die sich um die Durchsetzung des Patientenwillens kümmern, dass diese Fragen ethisch noch nicht entschieden sind. Einen besonderen Fall, der in den Erläuterungen ebenfalls nicht aufgelistet wird, stellt die Entscheidung dar, die medizinische Versorgung abzubrechen, ohne dass der Patient/die Patientin bei Bewusstsein ist („Abschalten der Maschinen“). Eine evangelische Ethik müsste hier sowohl die Interessen des Arztes als auch die des Patienten/der Patientin berücksichtigen. Das Handeln des Arztes ist jedenfalls nicht so zu interpretieren, dass er nun das Leben „Gott überlässt“, das er zuvor nicht Gott überlassen hat, sondern die Handlung stellt einen aktiven Akt dar, der den Tod herbeiführt. Dass über die Erlaubtheit gesellschaftlicher Konsens zu bestehen scheint, sagt noch nichts aas über die ethische Problematik: Deshalb wäre eine Ethikkommission vor Ort zu fordern, die beratend diese ethischen Entscheidungen an der Grenze des Lebens begleitet. Ihr sollte der zuständige Seelsorger unbedingt angehören. Auch sie kann zwar grundsätzlich dem Dilemma nicht entkommen. Aber sie kann durch das Aufzeigen und Abwägen einer breiteren Palette von Gesichtspunkten eher zu einet Entscheidung gelangen, die der konkreten Situation zumindest annähernd gerecht wird. Und sie kann den letztentscheidenden Arzt von seiner enormen (und oft auch überfordernden) Verantwortung etwas entlasten. 4.
Aktive Euthanasie– Tötung auf Verlangen
Obwohl zwischen dem letztgenannten Fall und die aktiven „Tötung auf Verlangen“ nur mehr ein gradueller Unterschied zu liegen scheint, wird damit eine letzte Grenze überschritten. Ihre Überschreitung muss aus christlicher Sicht grundsätzlich abgelehnt werden. Und zwar aus theologischen und praktischen Gründen. Zum einen: Leben als Gabe Gottes ist ein ständiger Reifeprozess. Er schließt – von der Geburt an bis zum Tod – die Bewältigung von schwierigen Situationen mit ein. Auch dem (mühsamen) Sterben kommt in diesem Rahmen eine eigene Dignität zu, bedeutet es doch nicht nur das schrittweise Abschiednehmen aus dieser Welt, sondern ebenso die allmähliche Vorbereitung auf eine andere Welt und die Vollendung bei Gott. Eine Freigabe der „Aktiven Euthanasie“ würde diese nicht nur als letzten Ausweg erscheinen lassen, sondern als Möglichkeit zwischen zwei scheinbar gleichwertige Optionen. Wobei die Angst vor dem unbekannten Weg des Sterbeprozesses Menschen sogar unter einen gewissen psychischen Druck setzen würde, zugunsten des relativ kalkulierbaren „kurzen Prozesses“ zu entscheiden. Dieser Angst nachzugeben könnte jedoch bedeuten, sich selbst um eine wesentliche Lebens- bzw. Sterbeerfahrung zu bringen – gleichsam ein Stück Menschenwürde vorzeitig aus der Hand zu geben. Hier bekommt das grundsätzlich Insistieren auf dem 5. Gebot
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Evangelische Kirche A. und H.B. in Österreich
(„Du sollst nicht töten“) als ethischem Grundwert auch eine wichtige Schutzfunktion für den Patienten selbst. Zum anderen: Eine legistische Öffnung der „Tötung auf Verlangen“ könnte – sogar hei anfänglich bester Absicht sehr rasch auch gesamtgesellschaftlich auf einen „slippery slope“ führen, auf dem sich mehr und mehr sachfremde Aspekte, insbesondere der Aspekt der Wirtschaftlichkeit, der Druck durch benötigte Spenderorgane oder der psychische Druck, den Erben nicht länger zu Last fallen zu dürfen, zu zusätzlichen Entscheidungskriterien heranbilden würden. Es soll nicht bestritten werden: Der Umgang mit sterbenden Menschen kann mitunter in derartig schwierige ethische Grenzsituationen führen, dass allen Beteiligten schmerzhaft bewusst wird, dass hier jede mögliche Entscheidung auch falsch sein kann. Dann werden die Verantwortlichen nicht umhin können, nach Abwägen aller Möglichkeiten sich für das „kleinere Übel“ zu entscheiden – ohne zu übersehen, dass ihre Entscheidung trotzdem Schuld sein und bleiben kann, für die sie sich auch zu verantworten haben. Wobei hier sowohl die Verurteilung wie auch der Freispruch durch irdische Instanzen in besonderer Weise nur den Charakter des „Vorläufigen“ haben können. Unsere tiefste und letzte Verantwortung bleibt die Verantwortung vor Gott. Sogar die niederländische Gesetzeslage sieht eitle Selbstanzeige des Arztes, der „Tötung auf Verlangen“ geleistet hat, zwingend vor. Das Gericht prüft dort aber lediglich die Einhaltung der vorgeschriebenen Formalia und sieht dann von einer weiteren Behandlung des „Falles“ ab. Zukunftsweisender für Österreich wäre eine Regelung, die Ärzte sehr wohl zur Rechenschaft zieht. Das bedeutet, dass in einem ordentlichen Prozess gegebenenfalls auch ein Freispruch für den behandelnden Arzt möglich sein kann. Nicht weil er in einem ethisch und juristischen Dilemma nachweisbar „richtig“ gehandelt hätte, sondern weil es eben Fälle gibt, die sich einer objektiven Beurteilung durch gängige juristische Kriterien entziehen. Selbst die implizierte Botschaft des Gesetzestextes muss aber „Tötung auf Verlangen“ als kalkulierbare Option dezidiert ausschließen. III.
Zusammenfassung
Das komplexe Feld der Begleitung und Hilfe beim Sterben entzieht sich allen allzu glatten Lösungsversuchen. Der Würde des Individuums muss letztlich auch ein individuelles Eingehen auf jede seiner Lebenssituationen entsprechen. Und Sterben ist nun einmal ein Teil des Lebens. Darum bedarf es einer gewissen „Grundsolidarität“ zwischen Gesellschaft, Ärzten und Patienten/innen, um die anstehenden Fragen einigermaßen befriedigend lösen zu können. Nur auf dem Boden eines solchen Grundkonsenses kann das unabdingbare Vertrauensverhältnis von den Patienten/innen zur Ärzteschaft und zum Pflegeperso-
Stellungnahme der Evangelischen Kirche in Österreich zum Thema „Sterbehilfe“
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nal hergestellt und ein konstruktives Gesprächsklima geschaffen werdest. – Die Letztverantwortung der Ärzte ist gewiss durch nichts zu ersetzen (wohl allerdings durch eine Ethikkommission zu ergänzen). . Die Patient/innen und ihre Angehörigen müssen ihrerseits aber darauf vertrauen können, dass die Betreuenden diese ihre Verantwortung (im Sinne des Grundkonsenses) auch wirklich wahrnehmen: Dass sie einerseits alles in ihrer Macht Stehende tun, um Leben zu schützen und zu erhalten – ohne dass sie andererseits versuchen, qualvolle Prozesse (nur um des bloßen Prinzips willen) sinnlos zu verlängern. Es ist hier noch einmal daran zu erinnern, dass gerade die Angst vor der anonymen Apparate-Medizin und vor einem Möglicherweise-nicht-in-Würde-SterbenKönnen“ zu den Hauptauslösern der gegenwärtigen Euthanasie-Diskussion gehört hat. Mindestens gleich wichtig ist weiters, dass auch in der Öffentlichkeit wieder ein Grundkonsens darüber erzielt wird, dass nicht nur junge, gesunde, schöne und glückliche – sondern ebenso alte, kranke und gebrechliche Menschen ihren festen Platz in der Gesellschaft haben. Ärzte und Patient/innen müssen darauf vertrauen können, dass jedes Leben seinen Wert hat – und der Gesellschaft auch etwas wert ist Finanzielle Erwägungen sind kein an gemessenes Erwägungen für die Sinnhaftigkeit medizinischer Behandlungen. Betroffene und ihre Angehörigen sollen wissen, dass die Gesellschaft das grundsätzliche Recht auf Leben auch im Einzelfall nicht aus Kostengründen in Frage stellt. Der andere Auslöser für die gegenwärtige Euthanasiedebatte ist ja wohl in der Idealisierung von Gesundheit und Jugendlichkeit zu suchen, sowie in der Gleichsetzung von „lebenswert“ ist „möglichst leidfrei“. Diesem (nach biblischen Verständnis) falschen Menschenbild muss eine sich auf das Evangelium berufende Ethik entschieden entgegentreten. An dieser Stelle wissen sich übrigens die christlichen Kirchen (theoretisch und praktisch) auch selbst in besonderer Weise in die Pflicht gerufen, ihren Beitrag zu leisten. Zu fragen ist abschließend: Wie menschlich ist eigentlich eine Gesellschaft, in der mehr und mehr Menschen nur noch im freien Verfügungsrecht über ihren Tod die Möglichkeit sehen, ihre Menschenwürde und die ihres Lebens und Sterbens zu wahren? Gefordert ist eine Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse, die dem Leben als Gabe Gottes Raum bis zu seinem Ende lässt und die sein Geheimnis im Leben wie im Sterben achtet.
Kirche von England Einführung Konfession
anglikanisch
Titel
Assisted Suicide and Voluntary Euthanasia – A Briefing Paper from the Mission and Public
Verfasser
Rat für Mission und öffentliche Angelegenheiten der Kirche von England
Herausgeber
Kirche von England
Veröffentlichungsjahr
2005
Adressatenraum
England
Veröffentlichung
Mission and Public Affairs Council: Assisted Suicide and Voluntary Euthanasia (General Synod Report), London 2005. URL: http://www.cofe.anglican.org/info/ socialpublic/science/euthanasiaandsuicide/ assistedsuicidegs1575.pdf
In Vorbereitung der Generalsynode veröffentlicht der Rat für Mission und öffentliche Angelegenheiten der Church of England 2005 unter dem Titel „Assisted Suicide and Voluntary Euthanasia“ (Assistierter Suizid und freiwillige Sterbehilfe) ein Informationspapier, das die weiteren Diskussionen zum Umgang mit dem Lebensende sowohl auf der Synode als auch in Politik und Gesellschaft um christliche Perspektiven bereichern soll. Im Hintergrund steht eine mehrjährige politische Debatte um die Legalisierung von aktiver Sterbehilfe und assistiertem Suizid – im anglophonen Sprachgebrauch üblicherweise unter „assisted dying“ zusammengefasst – in England, in die sich die Church of England mehrfach eingeschaltet hat. Wiederholt hat das House of Lords Gesetzentwürfe abgelehnt, die eine Liberalisierung des britischen Rechts forderten, wie der 2004 von Lord Joffe eingebrachte Antrag (Assisted Dying for the Terminally Ill Bill). Der Text des Mission and Public Affairs Council versteht sich weniger als eine neue Stellungnahme, denn als Zusammenfassung und Bekräftigung verschiedener vorausgehender Positionierungen, die nochmals als Appendices angefügt sind: eine gemeinsam mit der römisch-katholischen Kirche verfasste politische Eingabe, ein Artikel des Erzbischofs von Canterbury und eine Resolution der weltweiten Anglikanischen Gemeinschaft. Auf diesen Dokumenten aufbauend werden in einem theoretischen Abschnitt die Definitionen der Sterbehilfe formuliert und die zentralen moralischen Argumente der Befürworter
Einführung
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und Gegner skizziert, im Besonderen das der „rutschigen Ebene“. Die verschiedenen möglichen praktischen Umgangsformen mit dem Lebensende kommen in Form der Palliativmedizin und der Hospizbewegung sowie der Gesetze verschiedener Länder zur Legalisierung von Sterbehilfe und assistiertem Suizid zur Darstellung. Deutlich geprägt wird der Text durch die angloamerikanische Philosophie: Wie bereits der Titel verdeutlicht, liegt der argumentative Schwerpunkt auf der Autonomie-Frage. Die Formen nicht-freiwilliger oder unfreiwilliger Sterbehilfe sind von der Diskussion ausgeschlossen. Außerdem rücken stärker vernunft- und nutzenorientierte Argumente, wie die Frage nach dem Gemeinwohl oder nach der Verhältnismäßigkeit der medizinischen Mittel ins Zentrum der Überlegung. Es gehört zu den besonderen Aufgaben der Church of England, aus ihrer Geschichte heraus, stets einen Mittelweg, die „via media“, zwischen der protestantischen und römischkatholischen Tradition zu suchen und für die daraus resultierenden unterschiedlichen theologischen Ausrichtungen im Sinne der „comprehensiveness“ möglichst große Spielräume zur Interpretation kirchlicher Positionen offen zu halten. „Assisted Suicide and Voluntary Euthanasia“ spiegelt dies in der eher diskussionseröffnenden als -abschließenden Darstellung der Argumente und der faktenorientierten Vorstellung der praktischen Alternativen im Umgang mit dem Lebensende, die keine Antworten vorgeben, sondern weitere Meinungsbildung verlangen.
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Kirche von England
Assisted Suicide and Voluntary Euthanasia A Briefing Paper from the Mission and Public Affairs Council Introduction 1) The issues of euthanasia and assisted suicide are subject to increasing public debate, with the likelihood of legislation to permit assisted dying being introduced again to Parliament in the near future. The purpose of this debate at General Synod is to allow members to express their views and to endorse, as a basis for the Church’s public advocacy, the joint statement produced by the Church of England House of Bishops and the Roman Catholics Bishops’ Conference of England and Wales for the House of Lords Select Committee on Assisted Dying for the Terminally Ill, the Private Member’s Bill introduced by Lord Joffe in 2004 (para. 5 and Appendix I). 2) This background paper consists of: definitions of euthanasia; outlines of the fundamental moral principles at stake; consideration of the "slippery slope" argument; a definition of palliative care and some account of the hospice movement; a description of the situation in those parts of the world where some form of euthanasia has been legalised, namely the State of Oregon in the USA, the Netherlands, Switzerland and Belgium; and an account of research into UK attitudes on euthanasia. The joint Bishops’ submission is at Appendix One, an article written by the Archbishop of Canterbury for the Times in January 2004 is at Appendix II and the 1998 Lambeth Conference Resolution on Euthanasia at Appendix III. 3) This paper is intended to equip Synod members with sufficient background information for the debate. It is not an in-depth study of the issues. Background 4) In 1994 the House of Lords created a Select Committee to investigate the issue of euthanasia in the light of the Bland case (Tony Bland was a patient in a persistent vegetative state, whose artificial feeding and hydration were withdrawn after a ruling from the House of Lords: Airedale NHS Trust v Bland, 1993). That Select Committee concluded that there should be no change in the law on euthanasia. Ten years later, three members of the Select Committee had changed their minds. In the light of this and of a perceived change in public opinion on 1
1
HL 21-I, House of Lords Select Committee on Medical Ethics, London: The Stationery Office 1994, Ltd.
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the matter, Lord Joffe, a lawyer with a track record of championing human rights in South Africa, agreed to sponsor a Bill through Parliament. 5) In 2004, Lord Joffe introduced his Assisted Dying for the Terminally Ill Bill in the House of Lords. In its own words, the Bill sought to: Enable a competent adult who is suffering unbearably as a result of a terminal illness to receive medical assistance to die at his own considered and persistent request; and to make provision for a person suffering from a terminal illness to receive pain relief medication. 6) Following a debate on the Bill, a Select Committee of the House of Lords was established to scrutinise the Bill and make recommendations. The membership of the Committee was as follows: The Earl of Arran, The Lord Carlile of Berriew, The Baroness Finlay of Llandaff, The Rt Hon Baroness Hayman, The Rt Hon Baroness Jay of Paddington, The Lord Joffe, The Rt Hon Lord Mackay of Clashfern,. Professor Lord McColl of Dulwich, The Lord Patel, The Rt Rev Lord Bishop of St Albans, The Lord Taverne, The Baroness Thomas of Walliswood, The Lord Turnberg 7) The Church of England House of Bishops submitted evidence jointly with the Roman Catholic Conference of Bishops of England and Wales, together with a covering letter from the Archbishop of Canterbury and the Cardinal Archbishop of Westminster (see Appendix I). In January, 2005, Revd Professor Robin Gill gave oral evidence to the Select Committee on behalf of the Church of England. 2
th
8) The Report of the Select Committee was published on 4 April, 2005. It did not conclude for or against changing the law on euthanasia. It made recommendations as to how a future bill, were it to be introduced, might be improved. It is likely that the issue will remain a live one for Parliament for the immediate and foreseeable future. Hence it is important that Synod debate the issue now. Terminology 9) For the sake of clarity, it is proposed that the definitions adopted by the Select Committee be adhered to in this paper and in the debate. The Committee preferred to use the term assisted suicide rather than assisted dying to be understood as making available to a person the means by which s/he can end his or her own life; and voluntary euthanasia to be understood as deliberately ending the life of another who has requested it but who is physically unable to commit suicide. Non-voluntary euthanasia, in which a person’s life is taken without his or her consent because s/he is not competent, and involuntary 2
HL 86-II, , Assisted Dying and Terminally Ill Bill: Evidence. London: The Stationery Office 2005, Ltd., p. 492ff.
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euthanasia, in which a person’s life is taken against his or her wishes , are not treated in this report as they did not form part of the Bill nor of the Select Committee’s considerations. 3
Moral principles at stake 10) The sanctity of human life: This principle is crucial to Christians. It encapsulates their belief that life is in and of itself sacred because it is given by God. Life has an inherent value, not just a conditional one. The principle is enshrined in law in the form of an absolute prohibition on the intentional killing of innocent human beings. It is not normally taken to mean that any life ought to be preserved at all costs. But it does "protect each one of us impartially, embodying the belief that all are equal" (quoted by the Archbishop and the Cardinal from the 1994 Select Committee’s report, included in Appendix I). 11) For a Christian, this principle also encapsulates the simple belief that God owns my life, not I, and I have, therefore, no right to end it. 12) Critics of this principle dislike the word "sanctity" because it suggests a religious prohibition that is inappropriate in a secular society. 13) The common good: The meaning of a human life is inextricably bound up with others. The strenuous requests of a small group of strong-minded individuals for assisted suicide or voluntary euthanasia are not made in isolation. They will have friends or family who will be affected; their request places demands on others, who have to accept the decision as valid and act on it; and finally their requests have wide repercussions for law and culture, as the Archbishop points out in his article to the Times (Appendix II). A change in the law must be based upon the common good, not on the needs or wishes of a few or of an individual. 14) To what extent would legalising euthanasia/assisted suicide hurt the vulnerable? Some disabled groups reported their concern to the Select Committee that disabled people might experience subtle pressures to avail themselves of the options of assisted suicide and voluntary euthanasia. Others, however, saw no threat in the Bill; rather it was inconsistent to support autonomy for the disabled in every other area of life than in ending it. Many more were concerned at the effect such legislation would have on the elderly who believe themselves to be a burden already. Indeed, evidence from Oregon and the Netherlands showed 4
3 4
N. Biggar: Aiming to kill: the ethics of suicide and euthanasia, London: Darton, Longman and Todd, 2004. HL 86-I, Report from the Select Committee on the Assisted Dying and Terminally Ill Bill, London: The Stationery Office 2005, Ltd., p. 50f.
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that people over 80 years of age tended not to opt for assisted suicide or voluntary euthanasia. 5
15) Autonomy: This word means, literally, "self-rule". The principle of respecting an individual person’s autonomy has gained headway in the last two decades, particularly in the medical profession, where it has replaced traditional "paternalism". Hence doctors are now much more likely to ask their patients whether or not they wish to have treatments, and indeed to choose between treatment options, than they are to give "doctors" "orders" and assume these will be obeyed by their patients. That patients should give properly informed consent to treatment goes without saying. To what extent, however, does the principle permit a patient to request treatment? The limits of the principle are not clear: Respecting someone’s autonomy is most often a matter of not preventing them from doing something. For society to respect autonomy in matters of religion is to allow people to build churches, synagogues and mosques as they please and to allow them to practice their religion unimpeded. It does not require society or anyone else to assist them in worship or to provide them with facilities. On the other hand, providing facilities such as wheelchair access is often seen as required by respect for the autonomy of people with disabilities. 6
16) The law as presently understood is that the patient has no right to demand treatment but that the doctor would be in breach of his or her duty to care for the patient if s/he failed to offer clinically appropriate treatment without reasonable excuse. The current case of Leslie Burke questions this legal principle, as he is requesting, through the courts, a specific treatment, namely artificial nutrition and hydration. At the time of writing this briefing paper, judgement has not been given. 7
17) One argument for legalising assisted suicide and voluntary euthanasia from the point of view of respect for autonomy is that those who are capable of taking their own lives and do so are not acting illegally: this is the force of the Suicide Act 1961, by which suicide (or attempted suicide) was no longer a criminal act. However, those who cannot kill themselves, either because they do not have the material wherewithal or because they are physically incapable, would be asking others to act illegally if they helped them in some way. Some would argue that this is an anomaly, since it is normally only illegal to aid and abet an act that is inherently illegal. On the other hand, to recognise that this destructive act is not best dealt with by the criminal process is not equivalent to recognising that the act is acceptable. The fact that aiding and abetting suicide remains a crimi5 6 7
HL 86-I., 52. Centre of Medical Law and Ethics, HL 86-II, Assisted Dying and Terminally III Bill: Evidence, London: The Stationery Office 2005, Ltd., p. 26. R. Burke v General Medical Council, 2005, Q.B. 425.
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nal act signals that the law does not regard suicide as a matter of social indifference. 18) Autonomy does not have to be understood in a narrow, individualistic way. Kant’s account of autonomy placed it as a means by which a person can be expected to behave reasonably. That is to say, we owe rational beings the right to exercise their autonomy so that they can determine what is the reasonable course of action, not so that they can demand what they want for themselves. Onora O’Neill has more recently referred to this as "principled autonomy", quoted by Professor Gill: A proper understanding of autonomy, an understanding of autonomy which goes back to Kant, [is that] the rights of the individual always go hand in hand with the duty of the individual to other people. 8
9
19) Proportionality: This principle recognises that a point may be reached in a patient’s care when further life-prolonging treatment would be both futile and burdensome. At this point care switches from acute to palliative and a patient is allowed to die. Allowing someone to die is distinguished from killing. Administering doses of pain-relieving drugs that have the foreseen consequence of accelerating death is not intentional killing, if the actual intention is only to relieve pain. 20) It could be argued that the distinction between killing and letting die is not clear: what is the difference between an act and omission if the consequence is the same? The moral difference may be found in the intention behind the act. A doctor can allow a patient to die, not because s/he wants the patient’s death, but because measures to prevent death have become futile or disproportionate. By contrast a person can allow another to die, even though the person’s life could be saved, because s/he hates him/her. 21) Can a consequence that is foreseen really be unintended? A fictional example may help to clarify this question. In the film Master and Commander, a ship finds itself in a terrible storm with its mast blown overboard. The mast remains tied to the ship by its rigging and its drag on the boat is putting everyone’s life in danger. The captain is advised to cut the ship free from the wrecked mast but there is a sailor clinging to the end of the mast for dear life. To cut the ship free, therefore, would almost certainly cause the sailor to drown. The captain nevertheless orders another sailor to cut the rigging. The sailor so ordered is the best friend of the man hanging on to the mast. He obeys his captain with tears streaming from his eyes. 8 9
C. Foster: The Ethics of Medical Research on Humans. Cambridge: Cambridge University Press 2001, p.54. Revd Professor R. Gill: HL 86-II, Assisted Dying and Terminally III Bill: Evidence, London: The Stationery Office 2005, p. 493.
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22) It would not be appropriate to say that the sailor intended to kill his best friend. He was performing an act that would save the ship. The fact that he foresaw his friend’s death was what made him perform the act with manifest reluctance. His friend’s death was accepted but not intended, and the acceptance was proportionate, in that risking the death of one man was justified to save hundreds of other men, in the absence of any viable alternative. 23) Preventing avoidable suffering: Although many Christians and others can attest to the strengthening effect of going through periods of suffering themselves, no one would argue in favour of inflicting suffering on others or refusing to prevent it if possible. However, there will be different views on what is possible. What means are needed to eliminate suffering and what are their costs (in the widest sense)? The Bill included a clause requiring palliative care to be offered, but receiving information about palliative care is one thing and the actual experience of it is entirely different. Legalising assisted suicide or voluntary euthanasia may have the effect that ending a life becomes a "treatment option" for the symptom of unbearable suffering. 24) Respect for dignity: This principle can be interpreted as respecting a person’s wish not to face incontinence and other forms of loss of control, or it can be understood to require absolute respect for innocent human life. 25) In its Report the Select Committee observed that the demand for assisted suicide is particularly strong among individuals whose suffering derives from the fact of their terminal illness, not its symptoms. Hence better palliative care would not change their minds. Moreover, such people have "strong personalities and a history of being in control of their lives". A consultant in palliative care argued on the basis of his own experience that those requesting assistance to end their lives tended to be: people who wish to be in control … people who are not willing or prepared to engage the issues that may underlie the problems that arise. 10
11
26) Respecting their dignity would require, in his view, a range of support services to enable patients to face their fears. "The slippery slope” 27) There are several ways in which legalising assisted suicide and/or voluntary euthanasia could be seen as starting down a slippery slope. One is that incremental extensions may occur to the legislation: as currently worded, it applies only to the terminally ill, but the Bill accepted the principle that ending life is an ap10 HL 86-I, Report from the Select Committee on the Assisted Dying and Terminally Ill Bill, London: The Stationery Office 2005, Ltd., p.83. 11 HL 86-I, 23.
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propriate way to deal with unbearable suffering, and there is therefore no reason in principle to exclude any person from its application. 28) It could be argued that such legislation sets doctors on a slippery slope away from their traditional tasks of healing and palliating disease towards active assistance in dying and ultimately taking life. 29) Another concern is that the legislation, once enacted, may be subject to elastic interpretation, in the same way as the Abortion Act has been. 30) There may be hidden pressures if terminally ill people know that assisted suicide or voluntary euthanasia are among their options; they may choose to end their lives because they believe that is what those around them want. What people want is informed and shaped by what others want, and a person may want to die because others have ceased to care for him/her. 31) The law may be abused. If it is the case that voluntary euthanasia and assisted suicide are currently being practised illegally, then this legislation may push the boundaries of practice out still further. 32) Finally, there may follow a paradigm shift in which ending a person’s life comes to be seen as a therapeutic option to deal with unbearable suffering alongside other treatments. Palliative care and the hospice movement 33) The World Health Organisation defines palliative care thus: Palliative care is an approach that improves the quality of life of patients and their families facing the problems associated with life-threatening illness, through the prevention and relief of suffering by means of early identification and impeccable assessment and treatment of pain and other problems, physical, psychosocial and spiritual. 12
34) Clinicians argue that when a person is dying, treatment is not withdrawn or withheld, but rather it is changed to suit the changed circumstances. Dr. Nathanson of the British Medical Association observed: It is a very important reassurance to give, to say that we do not abandon people, that we will always look for what else we can do; and sometimes those solutions are high technology, but very often they are low technology and are about reassurance. 13
12 HL 86-I, 32f. 13 HL 86-I, 33.
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35) It is widely recognised that hospices usually provide the best setting for palliative care, where the emphasis is placed upon ensuring that the patient’s journey to death is as comfortable and pain-free as possible. Most hospices have a Christian foundation and can often provide profound spiritual care as well as physical care. 36) An important conclusion of the Report is that people need not only to know about palliative care but also to have experienced it if they are to make a realistic choice about voluntary euthanasia or assisted suicide. Unfortunately, even though the UK has led the world in palliative care and the hospice movement, provision remains patchy, particularly for patients facing non-cancer deaths. Currently, at least 100 posts for consultants in palliative care medicine remain unfilled. More research – and dissemination of research results – into pain relief is urgently needed. 14
Legislation on voluntary euthanasia and assisted suicide in other countries 37) In countries that have legalised euthanasia, the law takes different forms. 38) Oregon: The Oregon Death with Dignity Act has been in force since 1997. It applies only to people who have reached the age of majority and are terminally ill. It does not make the requirement that their suffering is unbearable, and it only offers assisted suicide (in the means by which to kill themselves) in the form of oral medication. Uptake has so far been low: in 1998 the deaths of only 16 people were due to assisted suicide under the Act. Since then the numbers have risen a little, and in 2003, out of a total of 30,000 deaths in the State, 42 died this way. In total since the Act was passed there have been 265 prescriptions of lethal drugs, of which 117 were actually taken. 15
39) If replicated in the UK on a pro rata calculation there could be around 650 deaths from assisted suicide. 16
40) The Netherlands: The Termination of Life on Request and Assisted Suicide (Review Procedures) Act was passed in 2002, but the criminal and supreme courts have since 1973 adjudicated on a number of cases where defendants have invoked, usually successfully, the defence of necessity against a charge of murder. Hence the 2002 Act was a codification of already existing practices built up on the basis of case law.
14 HL 86-II, Assisted Dying and Terminally Ill Bill: Evidence, London: The Stationery Office 2005, Ltd., p. 135. 15 HL 86-II 54f. 16 HL 86-I, Report from the Select Committee on the Assisted Dying and Terminally Ill Bill. London: The Stationery Office 2005, Ltd., p. 83.
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41) The Dutch law permits voluntary euthanasia as well as assisted suicide. The law explicitly forbids the ending of a person’s life without his or her consent. The law is not limited to adults and the applicant does not have to be terminally ill, but he or she must be experiencing "hopeless and unbearable suffering". Sixteen million people live in the Netherlands, of whom about 140,000 die each year. About 9,700 requests for euthanasia are made annually, of which 3,800 are met. Of that 3,800, only 300 are assisted suicide. 17
42) If replicated in this country the Dutch experience could lead to around 13,000 deaths a year, of which some 12,000 would result from voluntary euthanasia. 18
43) Switzerland: Article 115 of the Swiss Penal Code prohibits incitement to and assistance with suicide if the guilty party acts from self interest but exempts those who act from entirely honourable motives, such as assisting suicide in order to bring an end to suffering. Anyone, not just doctors, may legally give assistance from such non-selfish motives. Article 114 of the Penal Code makes the killing of a human being upon their earnest request (in voluntary euthanasia) a criminal offence punishable by imprisonment. These laws were written in 1937 and introduced in 1942. The law does not restrict assisted suicide to persons living in Switzerland, hence the practice of "death tourism". 44) Most of the people who receive assisted suicide in Switzerland are not directly supervised by doctors but are members of the growing number of "suicide organisations". Up until 1993, EXIT assisted about 30 cases a year, and since then it has dealt with about 100 cases a year. DIGNITAS declared three cases in 2000, 37 or 38 cases in 2001, about 55 cases in 2002 and 91 cases in 2003. 19
45) Belgium: The Belgian Act on Euthanasia was passed in 2002. It defines euthanasia as "intentionally terminating life by someone other than the person concerned at the latter’s request". Assisted suicide is not included. The patient should have attained the age of majority, the request should be voluntary, wellconsidered and repeated, and the patient should be "in a futile medical condition of constant and unbearable physical or mental suffering that cannot be alleviated". The Act requires the doctor to satisfy him-herself of the durable nature of the patient’s request, and must obtain a second medical opinion. At least a month’s cooling off period is required. 46) From 23 September 2002 to 31 December 2003 there were 239 recorded cases of euthanasia in Belgium, approximately 17 per month. In 2004, 347 cases were reported. 20
17 18 19 20
HL 86-I, 60f. HL-I 83. HL 86-I,70f. HL 86-I, 73f.
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UK attitudes to assisted suicide and voluntary euthanasia 47) These figures are all taken from the Select Committee Report. Basic public attitudes have shown a general support for some form of assisted suicide or euthanasia in incurable, unbearably painful circumstances, rising from approximately 70% to approximately 80% between 1987 and 2004. Some correlation is found between views of assisted suicide/euthanasia and certain personal characteristics: 21
– – – – – –
Regular church attendance – more opponents Race – proponents mainly white United Kingdom nationality – more opposition in Scotland Able-bodied – more likely to oppose Education – proponents often more educationally qualified Links with other moral issues – opponents are more likely to oppose abortion and to some extent capital punishment
48) In 1995, 70% of Members of Parliament were opposed to legalising euthanasia; in 2004 the opposition had risen to 79%. MPs, arguably, are more accustomed to take into account the wider social implications of changes in the law. 49) Research on the medical profession carried out by the Right to Life organisation in 2003 indicated that 22% would favour legalising euthanasia, while 61% would be opposed. Research commissioned by the Voluntary Euthanasia Society in 2003 and 2004 showed 33% of doctors might favour a change in the law, with support for euthanasia waning between the two years. 50) The Select Committee’s own post bag, which was considerable, was nearly equally balanced for and against legalising euthanasia, with a slight majority in favour. 51) In 2003 surveys by the Nursing Times indicated that two-thirds of nurses would favour a change in the law. 52) However, the Select Committee quotes the conclusions of Market Research Services, that "research up to this point into public and health sector attitudes to the legalisation of euthanasia is limited in value and cannot be accepted as an authentic account of opinion within the United Kingdom". 22
Conclusion 53) There is clearly scope for more qualitative and quantitative work to be done on the issue of assisted suicide and voluntary euthanasia. In addition, there are re21 HL 86-I, 76ff. 22 HL 86-I, 79.
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Kirche von England
sources within the Christian tradition that could be made available more widely. The resolution before Synod allows for the development of the principles and arguments contained in the joint submission and would enable further Anglican contributions to the debate and resources for all those concerned with developments in the UK, in particular for those Christians who are directly involved in the legislative process. +Tom Southwark Vice Chair: Public Affairs Mission and Public Affairs Council June 2005
Anglikanische Gemeinschaft – Lambeth Konferenz Einführung Konfession
anglikanisch
Titel
The 1998 Lambeth Conference Resolution on Euthanasia (Resolutions I.14)
Verfasser
Lambeth Konferenz 1998
Herausgeber
Lambeth Konferenz
Veröffentlichungsjahr
1998
Adressatenraum
weltweit
Veröffentlichung
in: The Official Report of the Lambeth Conference 1998: Transformation And Renewal July 18August 9, 1998, Lambeth Palace, Canterbury, England , Harrisburg 1999.
In der Lambeth Konferenz versammeln sich in etwa zehnjährigem Turnus auf Einladung des Erzbischofs von Canterbury die Vertreterinnen und Vertreter der weltweiten Anglikanischen Gemeinschaft, um sich über kirchlich- und theologischstrittige Fragen zu beraten und möglichst gemeinsame Antworten zu finden. Trotz der Autonomie jeder nationalen anglikanischen Kirche haben die Resolutionen der Versammlung wenn auch keinen kirchenrechtlich bindenden, so doch einen hohen moralisch Verpflichtungsgrad. Nach dogmatischen Fragen sind zunehmend ethische und soziale Themen Gegenstand der Lambeth Konferenzen geworden, wie auch die Diskussion zur Sterbehilfe beweist, die 1998 innerhalb der Sektion „Called to Full Humanity“ geführt wird. Obwohl allein die kurze Resolution offiziell verabschiedet worden ist, verweist sie selbst zur intensiveren Einführung auf den ausführlicheren Report, der die Grundlage und den Verlauf der Diskussion dokumentiert. Darin konstatiert die Verfassergruppe der Sektion fünf „bedrock-principles“, „Grundprinzipien“ der Sterbehilfedebatte, die im wechselseitigen Spannungsverhältnis gehalten werden sollen. Diese fünf Grundpfeiler bekräftigen kurz zusammengefasst 1. die Heiligkeit des gottgegebenen Lebens, 2. die verantwortungsvolle Beziehung des Menschen zur Umwelt, 3. die trotz Sünde verbliebene Fähigkeit zur freien Entscheidung. 4. den Sinn und Zweck menschlichen Lebens in der Gottesbeziehung, in Freiheit, Selbstkenntnis und zwischenmenschlichen Beziehungen und. 5. die ultimative Erfüllung der Existenz in der Ewigkeit.
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Anglikanische Gemeinschaft – Lambeth Konferenz
The 1998 Lambeth Conference Resolution on Euthanasia The 1998 Lambeth Conference report from Section I Called to Full Humanity contains an extensive consideration of the issues around euthanasia. These are found on pages 101–106 of The Official Report of the Lambeth Conference 1998. They provide the background to the following resolution passed by the Conference. "In the light of current debate and proposals for the legalisation of euthanasia in several countries, this Conference: 1
a) affirms that life is God-given and has intrinsic sanctity, significance and worth; b) defines euthanasia as the act by which one person intentionally causes or assists in causing the death of another who is terminally or seriously ill in order to end the other’s pain and suffering; c) resolves that euthanasia, as precisely defined, is neither compatible with the Christian faith nor should be permitted in civil legislation; d) distinguishes between euthanasia and withholding, withdrawing, declining or terminating excessive medical treatment and intervention, all of which may be consonant with Christian faith in enabling a person to die with dignity. When a person is in a permanent vegetative state, to sustain him or her with artificial nutrition and hydration may be seen as constituting medical intervention; and e) commends the Section Report on euthanasia as a suitable introduction for study of such matters in all Provinces of the Communion."
1
Morehouse: Harrisburg PA, 1999.
Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten Einführung Konfession
adventistisch
Titel
Konsenserklärung zum Thema Sterbehilfe
Verfasser
Generalkonferenz der Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten
Herausgeber
Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten
Veröffentlichungsjahr
1992
Adressatenraum
weltweit
Veröffentlichung
in: Generalkonferenz der Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten: Erklärungen, Richtlinien und andere Dokumente, Lüneburg 1998; URL: http://www.stanet.ch/apd/news/archiv/ 5677.ml.html
Mit der 1992 vom Exekutivausschuss der Generalkonferenz der Siebenten-TagsAdventisten verabschiedeten „Konsenserklärung zum Thema Sterbehilfe“, die in dem Sammelband „Erklärungen, Richtlinien und andere Dokumente“ zu verschiedenen ethischen Fragestellungen veröffentlicht wurde, haben die Adventisten sich als eine der wenigen Freikirchen ausführlich und offiziell zur Sterbehilfeproblematik geäußert. Auch wenn sich die Siebenten-Tags-Adventisten selbst als Freikirche verstehen, werden sie bislang aufgrund ihrer Lehren von der Naherwartung und der Sabbatheiligung noch der Kategorie der Sondergemeinschaften zugerechnet. Mit der wachsenden Überzeugung, dass es sich damit um keine bekenntniswidrigen oder außerbiblischen Sonderlehren handelt, werden die Adventisten allerdings in jüngerer Vergangenheit immer stärker in ökumenische Dialoge integriert. Ethische Stellungnahmen, wie die zur Sterbehilfe, betrachtet die Generalkonferenz der Siebenten-Tags-Adventisten als Reflexionen innerhalb der bleibenden Herausforderung der Nachfolge. Darum schließt die Kirche weder die Veränderbarkeit noch die Irrtumsfähigkeit der darin geäußerten Ansichten aus. Inhaltlich entspricht die Stellungnahme zum Umgang mit dem Lebensende eher dem deutschen Titel „Konsenserklärung zum Thema Sterbehilfe“ als dem englischen Originaltitel „Consensus on Care for the Dying“, insofern weniger allgemeine Aspekte der Sterbebegleitung als die spezifischen Fragen nach Euthanasie, nach ihren Formen oder den Entscheidungsprozessen, im Mittelpunkt stehen. Die sieben Abschnitte des Hauptteils legen – jeweils mit biblischem Rückbezug – Prinzipien für die rechte Sorge um das
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Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten
körperliche, geistige und geistliche Wohl der Sterbenden dar und behandeln nacheinander die Frage nach Wahrheit, Freiheit, Entscheidungsfindung, Verhältnismäßigkeit der Behandlung, Ablehnung von aktiver Sterbehilfe und assistiertem Suizid, Leidenslinderung sowie nach der besonderen Fürsorge für Schwache und Abhängige. In ihrer Argumentation verweisen die Siebenten-Tags-Adventisten im Rahmen der allgemein-gesellschaftlichen Diskussion sehr häufig, inhaltlich hingegen kaum ausgeführt auf einzelne Bibelverse. Durch diese Verknüpfung entsteht der Eindruck einer weit reichenden Übereinstimmung von biblischem Zeugnis und den adventistisch theologisch-ethischen Überzeugungen sowie mit den von ihnen gesellschaftlich-rechtlich geforderten Konsequenzen.
Konsenserklärung über die Betreuung Sterbender
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Konsenserklärung über die Betreuung Sterbender Für Menschen, die sich von der Bibel geleitet wissen, ist die Wirklichkeit des Todes ein Teil des normalen menschlichen Daseins, das durch die Sünde beeinflusst wird (1 Mo 2,17; Rö 5; Hbr 9,27). Denn „geboren werden hat seine Zeit und Sterben hat seine Zeit“ (Pred 3,2). Obwohl allen Menschen, die die Erlösung durch Jesus Christus annehmen, das Geschenk des ewigen Lebens verheißen ist, erwarten treue Christen das Geschenk der Unsterblichkeit erst beim zweiten Kommen Jesu (Jo 3,36; Rö 6,23; 1 Ko 15,51– 54). Während sie auf die Wiederkunft Jesu warten, sind Christen dazu aufgerufen, sich um Sterbende zu kümmern und auch ihrem eigenen Tod ins Auge zu sehen. Kein Mensch bleibt von Schmerz und Leid verschont. Körperliche, geistige und emotionale Traumata gibt es überall. Dennoch hat menschliches Leiden keine Bedeutung für die Qualität der Frömmigkeit einer Person und verleiht ihr keine Verdienste. Die Bibel lehrt, dass keine Summe oder Intensität menschlicher Leiden Sünden wegnehmen kann. Nur das Leiden Jesu Christi vermag das. Die Heilige Schrift ruft den Christen auf, in Bedrängnis nicht zu verzweifeln und Gehorsam (Hbr 5,7–8), Geduld (Jak 1,2–4) und Standhaftigkeit in Prüfungen (Rö 5,3) zu lernen. Die Bibel bezeugt auch die überwindende Kraft Jesu Christi (Jo 16,33) und lehrt, dass der Dienst an leidenden Menschen eine wesentliche christliche Aufgabe ist (Mt 25,34–40). So sah das Beispiel und die Lehre Jesu aus (Mt 9,35; Lk 10,34– 36) und das ist auch sein Wille für uns (Lk 10,37). Christen freuen sich auf den Tag, wenn Gott das Leid für immer beenden wird (Offb 21,4). Die Errungenschaften der modernen Medizin haben Entscheidungen im Hinblick auf den Dienst an Sterbenden noch schwieriger gemacht. In der Vergangenheit konnte relativ wenig getan werden, um das Leben des Menschen zu verlängern. Aber die Möglichkeiten der modernen Medizin zur Lebenserhaltung haben schwierige moralische und ethische Fragen aufgeworfen. Welche Einschränkungen dieser Möglichkeiten ergeben sich durch den christlichen Glauben? Wann sollte das Ziel, den Tod hinauszuzögern, durch das Ziel der Erleichterung von Schmerzen am Lebensende abgelöst werden? Wer kann überhaupt eine solche Entscheidung treffen? Welche Grenzen – wenn es denn welche gibt – sollte die christliche Liebe der Beendigung menschlichen Leidens setzen? Im Allgemeinen werden diese Fragen unter dem Stichwort „Euthanasie“ (Sterbehilfe) diskutiert. Über diesen Begriff gibt es viele Unklarheiten. Die ursprüngliche und wörtliche Bedeutung war „guter Tod“. Heute wird der Ausdruck für zwei offensichtlich ganz verschiedene Wege benutzt. Oft wird Euthanasie auf „Sterbehilfe“ bezogen. Das bedeutet, einem Patienten das Leben zu nehmen, um ihm ein qualvolles Sterben und seiner Familie oder der Gesellschaft eine schwere Bürde zu ersparen.
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Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten
(Das ist die sogenannte „aktive Euthanasie“.) Aber der Begriff Euthanasie wird auch – nach adventistischer Auffassung zu Unrecht – verwendet, wenn es um das Zurückhalten oder Beendigen von medizinischen Maßnahmen geht, die das Leben künstlich verlängern, damit ein Mensch auf natürliche Weise sterben kann. (Die sogenannte „passive Euthanasie“.) Siebenten-Tags-Adventisten glauben, dass es ein moralischer Unterschied ist, ob man auf lebensverlängernde medizinische Maßnahmen verzichtet, die nur das Leiden verlängern und den Tod hinauszögern, oder ob man eingreift mit dem Ziel, das Leben des Patienten aktiv zu beenden. Siebenten-Tags-Adventisten versuchen, mit den ethischen Fragen zum Thema Lebensende so umzugehen, dass ihr Glaube an Gott als den Schöpfer und Erlöser deutlich und offenbar wird, wie Gottes Gnade sie zu Taten der Nächstenliebe befähigt. Sie betonen, dass Gott menschliches Leben erschaffen hat, ein wunderbares Geschenk, das es wert ist, geschützt und erhalten zu werden (1 Mo 1.2). Sie sind auch überzeugt von Gottes wunderbarem Geschenk der Erlösung, durch das die, die glauben, ewiges Leben erhalten (Jo 3,15; 17,3). Daher unterstützen sie die Anwendung moderner medizinischer Möglichkeiten, um menschliches Leben in dieser Welt zu verlängern. Doch diese Möglichkeiten sollten auf eine mitfühlende Art und Weise eingesetzt werden, die Gottes Leid lindernde Gnade offenbart. Weil sie Gottes Versprechen ewigen Lebens auf einer erneuerten Erde besitzen, brauchen Christen nicht mit aller Macht am irdischen Leben festzuhalten. Es ist auch nicht nötig, alle nur möglichen medizinischen Behandlungen anzubieten oder zu akzeptieren, die lediglich die Dauer des Sterbens verlängern. Weil sie sich zum Dienst am ganzen Menschen verpflichtet fühlen, sorgen sich Siebenten-Tags-Adventisten um das körperliche, seelische und geistliche Wohl der Sterbenden, und zwar auf der Grundlage folgender, biblisch begründeter Prinzipien: 1) Ein Mensch, der dem Ende seines Lebens nahe und noch bei vollem Verstand ist, hat ein Recht darauf, die Wahrheit über seinen Zustand, die in Frage kommenden Behandlungsmethoden und ihre möglichen Wirkungen zu erfahren. Die Wahrheit sollte nicht verschwiegen, sondern dem Patienten und seinen Angehörigen liebevoll und einfühlsam mitgeteilt werden (Eph 4,15). 2) Gott hat den Menschen die Freiheit der Entscheidung geschenkt und möchte, dass sie diese Freiheit verantwortungsvoll nutzen. Siebenten-Tags-Adventisten sind der Überzeugung, dass diese Freiheit sich auch auf Entscheidungen über medizinische Maßnahmen bezieht. Nach der Bitte um göttliche Führung, der Berücksichtigung der Interessen der von der Entscheidung Betroffenen (Rö 14,7) und nach medizinischer Beratung sollte eine Person, die entscheidungsfähig ist, überlegen, ob sie lebensverlängernde medizinische Maßnahmen in Anspruch nehmen möchte oder nicht. Niemand sollte gezwungen werden, sich einer medizinischen Behandlung zu unterziehen, die er für nicht akzeptabel hält.
Konsenserklärung über die Betreuung Sterbender
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3) Es ist Gottes Plan, dass für Menschen im Verbund einer Familie und einer Glaubensfamilie gesorgt wird. Entscheidungen über menschliches Leben werden am besten innerhalb gesunder familiärer Beziehungen und nach dem Einholen medizinischen Rats getroffen (1 Mo 2,18; Mk 10,6–9; 2 Mo 20,12; Eph 5–6). Wenn ein Sterbender nicht in der Lage ist, sich zu medizinischen Maßnahmen zu äußern, sollten solche Entscheidungen von einer Person getroffen werden, die der Sterbende vorher ausgewählt hat. Wenn niemand ausgewählt wurde, sollte jemand entscheiden, der dem Sterbenden nahesteht. Abgesehen von Fällen mit außergewöhnlichen Umständen sollten Ärzte oder Juristen die Entscheidung für einen sterbenden Menschen denen überlassen, die diesem Menschen am nächsten stehen. Wünsche oder Entscheidungen des Betroffenen sollten möglichst schriftlich formuliert werden und mit bestehenden gesetzlichen Verordnungen in Einklang stehen. 4) Christliche Liebe handelt praktisch und verantwortungsvoll (Rö 13,8–10; 1 Ko 13; Jak 1,27; 2,14–17). Eine solche Liebe verleugnet den Glauben nicht. Sie verpflichtet uns aber auch nicht, medizinische Maßnahmen anzubieten oder anzunehmen, deren negative Folgen größer sind als der mögliche Nutzen. Wenn zum Beispiel die medizinische Behandlung nur die reinen Körperfunktionen erhält ohne die Hoffnung, dass ein Patient wieder zum Bewusstsein kommt, ist sie nutzlos und kann guten Gewissens zurückgehalten oder beendet werden. Genauso können lebensverlängernde medizinische Anwendungen weggelassen oder beendet werden, wenn sie nur das Leiden des Patienten vergrößern oder den Sterbeprozess ohne Notwendigkeit verzögern. Jedes Vorgehen sollte allerdings rechtlich abgesichert sein. 5) Obwohl die christliche Liebe dazu führen kann, medizinische Maßnahmen, die Leiden vergrößern oder das Sterben verlängern, zurückzuhalten oder zu beenden, praktizieren Siebenten-Tags-Adventisten jedoch nicht „barmherziges Töten“ oder Hilfe zum Selbstmord (1 Mo 9,5–6; 2 Mo 20,13; 23,7). 6) Die christliche Barmherzigkeit schließt Hilfe für Leidende ein (Mt 25,34–40; Lk 10,29–37). Beim Dienst an Sterbenden gehört es zur christlichen Verantwortung, Schmerzen und Leiden so weit wie möglich zu lindern. Das schließt jedoch nicht die aktive Euthanasie ein. Wenn es klar ist, dass medizinisches Eingreifen einen Patienten nicht (mehr) heilen kann, sollte es erstes Ziel sein, das Leiden zu lindern. 7) Das biblische Gerechtigkeitsprinzip schreibt vor, dass den Schwachen und Abhängigen besondere Fürsorge gelten soll (Ps 82,3–4; Spr 24,11–12; Jes 1,1–18; Mi 6,8; Lk 1,52–54). Weil sie so schwach sind, sollte besonders dafür gesorgt werden, dass sterbende Menschen mit Achtung vor ihrer Würde behandelt und nicht diskriminiert werden. Sorge für Sterbende sollte an ihren geistlichen und
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Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten
medizinischen Bedürfnissen und ihren ausdrücklichen Wünschen ausgerichtet sein, unabhängig von ihrem sozialen Wert (Jak 2,1–9). Während Siebenten-Tags-Adventisten versuchen, diese Prinzipien zu erfüllen, schöpfen sie Mut und Hoffnung aus der Tatsache, dass Gott auf die Gebete seiner Kinder antwortet und auf wunderbare Weise für ihr Wohlergehen sorgt (Ps 103,1– 5; Jak 5,13–16). Sie wollen dem Beispiel Jesu folgen und beten darum, in allen Dingen den Willen Gottes anzunehmen. Sie sind zuversichtlich, dass sie sich auf Gottes Hilfe verlassen können, wenn sie sich um die körperlichen und geistlichen Nöte leidender und sterbender Menschen kümmern. Sie wissen, dass Gottes Gnade sie befähigen wird, auch Widerstände zu ertragen (Ps 50,14.15). Sie glauben, dass das ewige Leben im Triumph der Liebe Gottes allen sicher ist, die an Jesus glauben.This consensus statement was approved and voted by the General Conference of Seventh-day Adventists Executive Committee at the Annual Council session in Silver Spring, Maryland, October 9, 1992.
Evangelisch-Methodistische Kirche Einführung Konfession
evangelisch-methodistisch
Titel
Soziale Grundsätze (Art. 161, 13.14)
Verfasser
Generalkonferenz der EvangelischMethodistischen Kirche
Herausgeber
Evangelisch-Methodistische Kirche
Veröffentlichungsjahr
2005
Adressatenraum
weltweit
Veröffentlichung
in: Verfassung, Lehre und Ordnung der Evangelisch-methodistischen Kirche, auf Beschluss der Zentralkonferenz in Deutschland, hg. v. Medienwerk der Evangelisch-Methodistischen Kirche, Frankfurt a. M. 2005. URL: http://www.emk.de /fileadmin/unserekirche/soziale-grundsaetze-zk-2005.pdf
Die Auseinandersetzung mit ethischen Herausforderungen hat in der EvangelischMethodistischen Kirche (EMK) eine lange Tradition: Als Reaktion auf die Nöte der Industrialisierung wurde 1907 das erste „Soziale Bekenntnis“ verabschiedet, das sich vielen individuellen und sozialen Fragen widmet. Dem Inhalt angemessen sind die Artikel mittlerweile umbenannt in „Soziale Grundsätze“, an deren Ende ein kurzes liturgisches „Soziales Bekenntnis“ steht und die, um den sich wandelnden Herausforderungen gerecht zu bleiben, im vierjährigen Rhythmus überarbeitet werden. Die sozialen Grundsätze, die Teil der „Verfassung, Lehre und Ordnung der Evangelisch-methodistischen Kirche“ sind, formulieren nach deren Selbstverständnis keine Gesetze, sondern Leitlinien, die den Kirchenmitgliedern verantwortliches und schriftgemäßes Handeln ermöglichen sollen. Trotz einer grundlegend eher wertkonservativen Haltung hebt die Freikirche in den „Sozialen Grundsätzen“ stets die mit den ethischen Herausforderungen verbundenen Konflikte und die fehlenden einfachen Lösungen hervor. Entsprechend unterstreicht sie umgekehrt wiederholt die unbedingte Zuwendung Gottes zu allen Menschen. Mit diesem Tenor antwortet die evangelisch-methodistische Kirche innerhalb des Artikels 161 „Die menschliche Lebensgemeinschaft“ in zwei Abschnitten auf die Fragen im Umgang mit dem Sterben und Tod: Unter der Überschrift „Menschenwürdiges Sterben und Sterbebegleitung“, würdigt die Freikirche die modernen Möglichkeiten der Lebensverlängerung, auch wenn sie zugleich auf die bleibende Notwendigkeit hinweist, Sinn und
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Evangelisch-Methodistische Kirche
Zweck der Behandlungen abzuwägen. Der Abschnitt „Suizid“ formuliert die Ablehnung von Formen des selbstbestimmten Sterbens. Auch wenn die EMK den Selbstmord als eine dem Leben unangemessene Form des Sterbens ablehnt, kritisiert die Kirche jede Verurteilung derjenigen, die Suizid begangen haben, sowie derer Angehörigen. Die Frage nach Sterbehilfe wird explizit nur äußerst knapp thematisiert; der Euthanasiebegriff kommt allein im Kapitel über den Suizid vor. Mögen aus der Milde gegenüber Suizidwilligen und deren Angehörigen möglicherweise Fehlschlüsse im Sinne einer Akzeptanz der Sterbehilfe gezogen werden, so konstatiert die EMK abschließend dem entgegen unmissverständlich die Ablehnung dieser Option.
Soziale Grundsätze
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Soziale Grundsätze1 Art. 161. Die menschliche Lebensgemeinschaft Vorbemerkungen In der Gemeinschaft kann sich der Mensch voll entfalten, denn er ist auf Gemeinschaft angelegt. Es gehört daher zu unseren Aufgaben, neue Formen von Gemeinschaft zu entdecken, zu fördern und weiterzuentwickeln, die der persönlichen Entfaltung dienen. Nach unserem Verständnis des Evangeliums sind alle Menschen schon deshalb wertvoll, weil sie von Gott geschaffen und in Christus geliebt sind, und nicht erst dann, wenn sie Bedeutendes geleistet haben. Wir unterstützen deswegen ein soziales Klima, in dem menschliche Lebensgemeinschaften gedeihen und sich entfalten können. Wir ermutigen alle, sich auch im Gebrauch ihrer Sprache durch die Achtung der anderen leiten zu lassen. Abfälliges Reden über andere Menschen lässt solche Achtung vermissen und widerspricht dem Evangelium. 13. Menschenwürdiges Sterben und Sterbebegleitung Wir begrüßen alle Bemühungen, die Leiden und Krankheit verhüten und lindern und menschliches Leben erhalten. Wir glauben, dass Leben ein Geschenk Gottes ist und halten darum Fürsorge und Begleitung von Sterbenden für eine wichtige Aufgabe. Wenn es nur den Einsatz medizinischer Möglichkeiten zur Lebensverlängerung gibt, ist eine sorgfältige Entscheidung darüber nötig, ob diese Maßnahmen einem Menschen wirklich entsprechend helfen oder nur den Sterbeprozess verlängern. Sterbende haben ein Recht, mit zu entscheiden, ob eine Behandlung begonnen, weitergeführt oder beendet wird. Wir empfehlen nachdrücklich, dass solche Entscheidungen von allen Verantwortlichen gemeinsam mit dem Sterbenden mit Sorgfalt und im Gebet getroffen werden. Selbst wenn ein Mensch mit seinem Leben abgeschlossen hat und sich im Sterben befindet, hört die Verpflichtung von Kirche und Gesellschaft nicht auf, für gute Pflege, Schmerzlinderung, Leidensminderung, menschlichen Nähe und geistlichen Beistand zu sorgen.
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Auszüge
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Evangelisch-Methodistische Kirche
14. Suizid Wir glauben, dass menschliches Leben nicht durch Selbsttötung enden sollte. Darum ist die Kirche verpflichtet, alles ihr Mögliche dafür zu tun, dass Menschen in Not seelsorgliche, psychotherapeutische und medizinische Hilfe finden. Das gilt auch schon bei Gefühlen der Ausweglosigkeit, bei Selbstwertkrisen, bei depressiven Entwicklungen und beim inneren Zwang zur Selbstbeschädigung. Wir ermutigen die Kirche, vor allem in der pastoralen Fortbildung Informationen und Hilfestellungen zur Verfügung zu stellen, damit das Problemfeld Suizid aus biblischer, theologischer und ethischer wie aus sozialer, psychologischer und medizinischer Perspektive besser erkannt und der Gefährdung besser begegnet werden kann. Vor jeder Bewertung der Selbsttötung steht die Gewissheit, dass nichts – auch nicht der selbst zugefügte Tod – einen Menschen von Gottes Liebe trennen kann (Römer 8,38f.). Deshalb missbilligen wir jede Verurteilung von Menschen, die sich das Leben genommen haben oder es versuchten. Wir halten jede Stigmatisierung der Betroffenen, ihrer Freunde und Familie für nicht gerechtfertigt. Wir ermutigen die Pastoren und Pfarrer, sich dieses Themas in Predigt und Lehre anzunehmen. Suizidgefährdete, Überlebende, ihre Familien und Freunde sollen seelsorglich begleitet werden. Wir missbilligen die Beihilfe zur Selbsttötung. Wir distanzieren uns von allen Angeboten aktiver Sterbehilfe insbesondere durch Angehörige solcher Berufsgruppen, die dem Leben dienen sollten.
Selbstständig Evangelisch-Lutherische Kirche Einführung Konfession
selbstständig lutherisch
Titel
Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen. Zum Umgang mit Sterben und Tod heute.
Verfasser
Ständige Kommission der SELK zur Erarbeitung von Stellungnahmen zu aktuellen Fragen der Gegenwart (Ethikkommission)
Herausgeber
Ethikkommission der Selbstständig EvangelischLutherischen Kirche
Veröffentlichungsjahr
2006
Adressatenraum
Deutschland
Veröffentlichung
in: Lutherische Orientierung 3, Hannover 2006; URL: http:// www.selk.de/download/Lutherische_Orientierung3.pdf
Die Selbständig Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK) gehört zu den freikirchlichen lutherischen Bekenntniskirchen, deren Ursprünge in der Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts in Preußen liegen. Ihrem theologischen und kirchlichen Selbstverständnis nach beansprucht die SELK bis heute, die intensive Bindung an Schrift und Bekenntnis sowie die Unabhängigkeit vom Staat zu wahren. In ihrer jetzigen Form entstand die SELK durch einen Zusammenschluss mehrerer Freikirchen: 1972 vereinten sich die altlutherische Kirche, die Evangelisch-Lutherische Freikirche und die Selbständig Evangelisch-Lutherische Kirche; 1976 trat noch die Evangelisch-Lutherische Bekenntniskirche bei. Die SELK lehnt eine Zugehörigkeit zur Vereinten Evangelisch-Lutherischen Kirche ab, doch ist sie ökumenisch als Vollmitglied der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen engagiert. Etwa seit dem Jahr 2000 hat sich die SELK verstärkt ethischen Fragestellungen zugewandt. Dazu hat sie 2002 eigens eine Ethikkommission eingesetzt, die auch für das vorliegende Themenheft zum Umgang mit dem Lebensende verantwortlich zeichnet. Die siebenköpfige Kommission, die offiziell den Namen der „Ständigen Kommission der SELK zur Erarbeitung von Stellungnahmen zu aktuellen Fragen der Gegenwart“ trägt, beabsichtigt, ihren Gemeindegliedern Impulse und Orientierung zu eigenverantwortlichen Entscheidungen in Gegenwartsfragen statt letztverbindlicher Antworten zu geben. Wegen der geringen Resonanz der Gemeinden auf
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Selbstständig Evangelisch-Lutherische Kirche
die ethischen Dokumente, die als offizielle Verlautbarung aus dem Raum der SELK gelten, wird die Kommission seit 2008 nur noch im Falle konkreter Fragen vonseiten der Kirchenleitung aktiviert. Die vorliegende Stellungnahme hat sich an die Erarbeitung einer Position zur Bioethik allgemein (Lutherische Orientierung 1, 2004) angeschlossen. Je unterschiedliche Mitglieder der Ethikkommission haben die sieben Kapitel verfasst und ihre verschiedenen wissenschaftlichen, z.B. medizinischen oder rechtlichen Expertisen, eingebracht. Dies erklärt die intensive Berücksichtigung von Fakten und den starken Praxisbezug sowie auch die gewissen inhaltlichen Verdopplungen oder manch fehlende Verknüpfung. Die theologische Grundlage, auf der die anderen Kapitel verstanden werden sollen, eröffnet das Themenheft. Auch wenn die SELK die grundlegenden deutschen Regelungen zum Umgang mit Sterbehilfe unterstützt, lesen sich die zu Beginn skizzierten biblisch-christlichen Zugang zu Sterben und Tod und die daraus gewonnenen ethischen Maßstäbe vornehmlich als Kontrast zu den Beschreibungen der gesellschaftlichen Entwicklung: Gegenüber dem dort dominanten „säkularen“ Menschenbild mit dem Wunsch nach völliger Selbstbestimmung und der zunehmenden Beeinflussung des Sterbens durch die Medizin müssten Christen ihren „eigenen ethischen Anspruch“ vertreten.
Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen
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Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen Zum Umgang mit Sterben und Tod heute Vorwort Stefan Süss Das Sterben als Teil des Lebens zu begreifen gehört wohl zur schwierigsten Herausforderung für die Lebenden. Trotz unserer langen Aufklärungsgeschichte auch über die Ursachen des Todes ist es uns heute nicht leichter geworden, damit umzugehen. Im Gegenteil, die „Furcht vor dem Tod“ (Hebr. 2, 15) ist Teil unserer Lebenswirklichkeit. Die Diskussionen für einen angemessenen Zugang und Umgang mit dem Sterben, dem Tod und der Trauer sind in Europa insbesondere durch die bedingte Zulassung der aktiven Sterbehilfe in den Niederlanden 2001 in eine neue Phase getreten. Neue Bestattungsrituale beginnen sich durchzusetzen, wie das neue Bestattungsrecht Nordrhein-Westfalens mit der Schaffung von Friedwäldern zeigt. Grenzgänger wie der umstrittene Heidelberger Anatom Gunther von Hagens mit seiner Ausstellung „Körperwelten“ reizen die gesetzlichen Grenzen der traditionellen Sterbekultur aus und zwingen zu neuen ethischen Positionierungen. Neben diesen aktuellen Veränderungen ist es wesentlich, dass gerade die Kirchen mit ihrer langen Erfahrung im Umgang mit Sterben und Tod und ihrer Lebensbotschaft nicht nur sinnstiftende Antworten anbieten, sondern auch ethische Orientierung in dem Dschungel der Meinungsvielfalt ermöglichen und konkrete Hilfen geben für diese schweren Phasen jedes Lebens. Die Ethikkommission der SELK hat sich deshalb nach ihrer Veröffentlichung zu Fragen der Bioethik 2004 in den zurückliegenden beiden Jahren intensiv mit dem Themenkreis Sterben und Tod beschäftigt und in einem längeren Prozess den vorliegenden Themenaufriss erarbeitet. Dabei sind wiederum die aktuellen Veröffentlichungen gesellschaftlich relevanter Gruppen und Institutionen in der Bundesrepublik Deutschland berücksichtigt worden. In bewährter Weise sind die Themen von einzelnen Autoren der Kommission bearbeitet worden und mussten sich dem Diskurs innerhalb der Ethikkommission stellen. Das Ergebnis sind nun aufeinander abgestimmte Einzelbeiträge, die die Autoren verantworten und von der Kommission gebilligt wurden. Die Kirchenleitung der SELK hat einer Veröffentlichung zugestimmt. Anliegen der Kommission ist es, neben Informationen zum Thema und rechtlichen Klärungen vor allem zu ermutigen, die Frage des Sterbens und des Todes in der persönlichen Debatte, in den Familien, in Gemeindekreisen, in sonstigen ge-
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Selbstständig Evangelisch-Lutherische Kirche
sellschaftlichen Zusammenhängen zum Thema zu machen. Das genau ist jene Klugheit, die sich der Psalmbeter erbittet. Nur eine Gesellschaft, die sich ihrer Sterblichkeit bewusst ist, sich deshalb den gesetzlich gesicherten Schutzraum für einen angemessenen Umgang mit der Sterblichkeit schafft und diesen auch aktiv ausgestaltet, ist klug und wird gerade dadurch menschlich bleiben. Guben, Sonntag Invokavit 5. März 2006 A
Sterben und Tod aus biblischer Sicht „Mitten wir im Leben sind, vom Tod umfangen“ (ELKG 309)
Die mittelalterliche Antiphon „Media vita in morte“ aus dem 8. Jahrhundert drückt aus, was wir bis heute empfinden: Der Tod ist Teil des Lebens. Er erwartet uns nicht nur am Ende eines langen Lebens. Er greift oft bizarr und unberechenbar mitten ins Leben ein. „Plötzlich und unerwartet“ heißt es dann in Todesanzeigen und das selbst dann noch, wenn ein hohes Lebensalter erreicht wurde. Der Tod gehört zwar erfahrungsgemäß mitten ins Leben, aber er ist gerade dort der Störfaktor des Lebens. Er zerstört das Leben, weil er alle Beziehungen zerschneidet. Der Tod führt in die Einsamkeit und in die Ungewissheit. „Wir sind alle für den Tod bestimmt. Und es wird keiner für den anderen sterben, sondern jeder wird in eigener Person für sich mit dem Tod kämpfen. In die Ohren können wir wohl schreien. Trotzdem muss jeder für sich selbst vorbereitet sein in der Zeit des Todes, denn es kann geschehen, dass ich dann weder bei dir bin, noch du bei mir bist.“1 Mit diesen Sätzen hat Luther 1522 seine berühmt gewordenen Invokavitpredigten in Wittenberg eröffnet. Er thematisiert die Kernfrage des Sterbens: die Vereinsamung, die der Tod mit sich bringt und die die Menschen bis heute fürchten. Zugleich thematisiert er aber auch die Verantwortlichkeit des Menschen vor dem lebendigen Gott. Das Mittelalter kann noch Antworten geben, wie man dem unausweichlichen Tod vorbereitet begegnen kann. Bis heute bedenkenswert und hilfreich sind die Hinweise, die Martin Luther in seinem „Sermon von der Bereitung zum Sterben“ gegeben hat. Neben den praktischen Empfehlungen, das Erbe zu ordnen und Versöhnung anzustreben, zieht er für die persönliche Vorbereitung einen bis heute hilfreichen Vergleich: „Wenn so jedermann Abschied auf Erden gegeben ist, dann soll man sich allein zu Gott richten, wohin der Weg des Sterbens sich auch kehrt und führt. Und hier beginnt die enge Pforte, der schmale Steig zum Leben. Darauf muss sich jeder getrost gefasst machen. Denn er ist wohl sehr eng, er ist aber nicht lang. Und es geht hier zu, wie wenn ein Kind aus der kleinen Wohnung in seiner Mutter Leib mit Gefahr und Ängsten geboren wird in diesen weiten Himmel und Erde, das ist unsere Welt: ebenso geht der Mensch durch die enge Pforte des Todes aus diesem Leben. Und obwohl der Himmel und die Welt, darin wir jetzt leben, als 1
M. Luther: Invokavitpredigten, Bd. 3, 1991, 86.
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groß und weit angesehen werden, so ist es doch alles gegen den zukünftigen Himmel so viel enger und kleiner, wie es der Mutter Leib gegen diesen Himmel ist. Darum heißt der lieben Heiligen Sterben eine neue Geburt. Aber der enge Gang des Todes macht, dass uns dies Leben weit und jenes eng dünkt. Darum muss man das glauben und an der leiblichen Geburt eines Kindes lernen, wie Christus sagt: „Ein Weib, wenn es gebiert, so leidet es Angst. Wenn sie aber genesen ist, so gedenkt sie der Angst nimmer, dieweil ein Mensch geboren ist von ihr in die Welt.“ (Joh. 16, 21) So muss man sich auch im Sterben auf die Angst gefasst machen und wissen, dass danach ein großer Raum und Freude sein wird.“2 Sterben im Bild der Geburt – das kann für die Menschen hilfreich sein, die dem Tod die biblische Hoffnung von der Auferstehung zum Leben entgegensetzen können. 1.
Der Tod als unnatürliches Lebensende
Der biblische Schöpfungsbericht spricht zunächst nicht von der Vergänglichkeit, sondern nur von der Entstehung des Lebens (Gen. 1 und 2). Die Bibel schildert Gott als den, der das Leben stiftet. Der Tod wird lediglich warnend als Folge eines möglichen Ungehorsams erwähnt (Gen. 2, 17). Tod und Sterben haben damit eine anders zu begründende Ursache. Nicht der biologische Alterungsprozess oder das unvermeidliche Schicksal definieren den Tod, sondern das menschliche Streben nach Unabhängigkeit von Gott wird zur Ursache für seine Vergänglichkeit und letztlich zum Grund der Ausweisung aus dem Paradies. Dieser menschliche Ungehorsam hat Konsequenzen für die gesamte Schöpfung. Vergänglichkeit erscheint als eine Folge des Sündenfalls und ist gleichsam als „Infektion“ auf die gesamte Schöpfung gelegt. Seitdem ist der Tod und damit die Vergänglichkeit die „normale“ Vorfindlichkeit des Lebens. Das Sterben markiert die letzte Lebensetappe eines weithin selbstbestimmten Lebens und damit das unumkehrbare Ende in biologischer Hinsicht. Im Tod endet individuelles Leben organisch. Das biologische Lebensende ist jedoch nach biblischem Verständnis nicht das Ende eines Lebens vor Gott. Hoffnung auf ein Leben nach und trotz des Todes durchzieht bereits das Alte Testament. Bedeutendstes Beispiel ist Hiob, der angesichts der erfahrenen „Hiobsbotschaften“ die Hoffnung festhält: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt.“ (Hiob 19, 25) Auch „Daniel in der Löwengrube“ formuliert die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod in unterschiedlicher Qualität: „Und viele, die unter der Erde schlafen liegen, werden aufwachen, die einen zum ewigen Leben, die anderen zu ewiger Schmach und Schande.“ (Dan. 12,2). Psalm 139 beschreibt die Grenzenlosigkeit göttlicher Nähe auch über die Grenze des Todes hinaus: „Führe ich gen Himmel, so bist du da; bettete ich mich bei den Toten, siehe, so bist du auch da.“ (Ps. 139, 8) Die biblische Betrachtung setzt dem Leben und auch dem Sterben einen größeren Rahmen als 2
M. Luther: Sermon zur Bereitung zum Sterben, zit. in Ev. Erwachsenenkatechismus, Bd. 2, 530, 4 1982.
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nur das individuelle Leben. So wie das individuelle Leben lange vor seiner Zeugung von Gott gewollt war, so endet es auch nicht im individuellen biologischen Tod. Gott wird als Herr über Leben und Tod respektiert. In der theologischen Wertung nimmt Paulus im Römerbrief diese Betrachtung auf. Er sieht die Sterblichkeit des Lebens als vererbte Sünde („Erbsünde“) des ersten Sündenfalls. Er stellt der Sterblichkeit des Lebens theologisch folgerichtig die Auferstehung von Jesus Christus als Kontrapunkt gegenüber: „Wie nun durch die Sünde des Einen die Verdammnis über alle Menschen gekommen ist, so ist auch durch die Gerechtigkeit des Einen für alle Menschen die Rechtfertigung gekommen, die zum Leben führt.“ (Rö. 5, 18) Ostern hat deshalb eine so zentrale Bedeutung in der Kirche. Seitdem sind sowohl das Leben als auch der Tod neu zu definieren. Der Tod hat nicht mehr nur die Dimension einer „natürlichen“ Vergänglichkeit, sondern wird als „Sold der Sünde“ (Rö. 6, 23) markiert und erhält damit den Charakter einer selbstgewählten Strafe. Trennung von Gott (Sünde) wird damit die letzte Ursache der Vergänglichkeit des Lebens überhaupt. Versöhnung mit Gott dagegen verheißt todüberwindendes Leben (Auferstehung der Toten) trotz des Sterbens. Die Offenbarung des Johannes schildert – unabhängig von der Erfahrung des individuellen Todes – das Ende von Zeit und Welt und verspricht den „neuen Himmel und die neue Erde“. Gott werde letztlich den Tod vernichten: „… und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid und Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.“ (Offb. 21, 4) Neben dem individuellen Tod (erster Tod) ist die Vernichtung des Todes der sogenannte „zweite Tod“. Erst damit ist der neue (alte) paradiesische Zustand wiederhergestellt. 2.
Leben mit dem Tod
Weil wir nun „mitten im Leben vom Tod umfangen sind“, müssen wir mit der Vergänglichkeit leben. Erschwerend für die gegenwärtige Generation ist der Verlust einer überindividuellen Betrachtung des eigenen Lebens. Die zunehmend eindimensionale biologische Bewertung des Lebens seit der Aufklärung hat uns auch die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod genommen. Bereits Blaise Pascal hat die Stimmungslage wie folgt erfasst: „Da die Menschen unfähig waren, Tod, Elend, Unwissenheit zu überwinden, sind sie, um glücklich zu sein, übereingekommen, nicht mehr daran zu denken.“ Der Tod wird verdrängt und gesellschaftlich tabuisiert. Die gewachsenen Möglichkeiten moderner Medizin haben zudem eine Angst vor der Leidverlängerung am Ende des Lebens hervorgebracht. Gepaart mit dem grundsätzlichen Recht auf Selbstbestimmung des Lebens steht auch die Frage eines selbstbestimmten Sterbens neu auf der Tagesordnung. Selbstbestimmter Suizid und die Forderung nach Zulassung aktiver Sterbehilfe gelten deshalb als moderne Ansprüche an das Selbstbestimmungsrecht. Die kirchliche Tradition ver-
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weist zu Recht darauf, dass das Leben weder selbstbestimmt begonnen wird, noch autonom gelebt werden kann. Immer stehen wir in Beziehungen zu anderen, denen wir das Leben verdanken und mit denen wir das Leben leben. Durch die Kette der Generationen hat der Gott des Lebens das menschliche Leben gestiftet und durch seine Menschwerdung und sein erlösendes Handeln am Kreuz besonders gewürdigt. Selbstbestimmtes Sterben als Suicid oder durch aktive Sterbehilfe negiert diese Beziehungszusammenhänge und ist nach kirchlichem Verständnis eine Zuspitzung menschlichen Autonomiestrebens seit dem Sündenfall. Die Ehrfurcht vor der Individualität des von Gott gestifteten menschlichen Lebens gebietet auch den würdevollen Umgang in der Phase des Sterbens, bei und nach dem eingetretenen Tod. Die Kirche hat einen reichen Schatz seelsorgerlicher Kompetenz anzubieten, bewährte liturgische Rituale und eine Botschaft, die mit dem Tod umgehen kann. Das Gesangbuch bietet dabei eine unschätzbare Hilfe. Nicht nur in den Liedern (ELKG 308-331/542-544 unter der Rubrik „Tod und Ewigkeit“) finden sich bewährte Texte. Auch im Anhang des Gesangbuches finden sich Gebetshilfen und der Valetsegen (ELKG S. 1222-1229). Auch Psalmtexte wie z.B. der 23. Psalm (ELKG 609) sind ebenso volkstümlich wie hilfreich. Selbstbestimmung des eigenen Lebens geschieht nie losgelöst von dem Gott, der das Leben zuerst geschenkt hat. Leid und Leidbewältigung sind ebenso Teil des Lebens und stellen eine Herausforderung an die dar, die davon (noch) nicht direkt selbst betroffen sind. Die Krankenhausarbeit, die Betreuung von alt gewordenen Menschen, Förderung der Palliativmedizin und die stationäre wie ambulante Hospizarbeit sind deshalb wesentliche Handlungsfelder diakonischer Verantwortung der Kirchen. Sterbende zu begleiten gehört zu den sieben Tugenden der Barmherzigkeit (Mt. 25, 35-36) und geschieht nicht nur hauptberuflich. Begleitete ehrenamtliche Mitarbeit in der Evangelischen Krankenhaushilfe („Grüne Damen und Herren“) oder der ambulanten Hospizarbeit sind hervorragende Aufgabenfelder für Christen. Die Regelung individueller Selbstbestimmung für die Sterbephase des Lebens mit den Mitteln einer Patientenverfügung, einer Vorsorgevollmacht oder einer Betreuungsverfügung stellen eine mögliche Hilfe dar. Sie dürfen nur in ihrer Wirkung nicht überschätzt werden. Wichtiger noch als schriftliche Verfügungen sind die offenen Gespräche in der eigenen Familie. Die sollten zu den Zeiten bereits geführt werden, die noch vor einer Sterbephase liegen. 3.
Folgerungen für den Umgang mit dem Tod
a) Der Tod ist biblisch gesehen nicht natürlich. Er erscheint als Anomalie des Lebens und wird so auch persönlich wahrgenommen. Alle Kreatur sehnt sich nach Leben. Dennoch müssen wir mit dem Tod leben. Er ist die existentielle Herausforderung für Lebende (Psalm 90,12 und Hebr. 2,15).
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Selbstständig Evangelisch-Lutherische Kirche
b) Der eingetretene Tod ist nicht das Ende des ganzen Lebens. Lediglich der verwesliche Leib endet. Es gibt ein qualitativ anderes Leben nach dem Tod. (1. Kor. 15, 42-44) c) Gott will das Leben, nicht den Tod. (Joh.14,19) Deshalb hat er in die Überwindung des Todes investiert, hat seinen Sohn geopfert und hat mit dem Ostermorgen ein neues, todesresistentes Leben (ewiges Leben) gestiftet. Die Bibel hat eine „lebendige Hoffnung“ für das sterbliche Leben und erwartet die endgültige Vernichtung des Todes und einen neuen Himmel und eine neue Erde. (Offb. 21, 3-5) d) Sterben ist Teil des Lebens und muss deshalb begleitet werden. Formen der Sterbebegleitung sind weiter zu entwickeln und auszubauen. Aktive Sterbehilfe ist keine zulässige Form der Sterbebegleitung, da sie nicht das Sterben begleitet, sondern mit der Herbeiführung des Todes das Sterben aktiv beendet. Sie ignoriert, dass Gott als Schöpfer des Lebens auch der ist, der dem Leben seine Zeit setzt. Unsere Zeit aber „steht in deinen Händen.“ (Ps. 31, 16) 4. • • • • • •
Literaturempfehlungen: Ev.-Luth. Kirchengesangbuch (ELKG), 21988, Verlag SELK Leben bis zuletzt – Sterben als Teil des Lebens; Materialheft der Woche für das Leben 1996 Die Würde des Menschen am Ende seines Lebens; Materialheft der Woche für das Leben 2004 Martin Luther, Sermon von der Bereitung zum Sterben, in: Ev. Erwachsenenkatechismus, Bd. 2, S. 530, Gütersloh 41982 Sterben hat seine Zeit – Überlegungen zum Umgang mit Patientenverfügungen aus evangelischer Sicht; EKD-Texte 80, Hannover März 2005 Vom christlichen Umgang mit dem Tod – Beiträge zur Trauerbegleitung und Bestattungskultur, hrsg. von Klaus Grünwaldt, Lutherisches Kirchenamt, Hannover 2004 (Pfarrer Stefan Süß, 04.03.2006)
B
Sterben und der Tod in der Gegenwart
1.
Einleitung
Sterben und Tod sind unausweichlich. Alle Menschen, die vor uns gelebt haben, haben irgendwann vor der Herausforderung des Sterbens gestanden. Wer wir auch sind, was wir auch tun oder getan haben: alle – ohne Ausnahme – sind dem Vorgang des Sterbens und des Todes ausgeliefert. Sterben ist alles andere als eine geringfügige Herausforderung: Beim Sterben handelt es sich um die existentiellste, persönlichste und zugleich fremdeste Herausforderung.
Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen
257
Sterben und Tod sind immer mit Sorgen und Ängsten einhergegangen und zu keiner Zeit leicht zu ertragen gewesen. Dennoch sind in den verschiedenen Zeiten und Gesellschaften Menschen in recht unterschiedlicher Weise damit umgegangen. Was bedeuten uns in der heutigen Zeit Tod und Sterben? Wie gehen Menschen heute mit Sterben und Tod um? 2.
Sterben und Tod vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Veränderungen
Sterben gilt bis weit ins 18. Jh. als ein Vorgang, dem eine hohe Aufmerksamkeit zukommt und bei dem Familie, Freunde, Nachbarschaft und nicht zuletzt der Pfarrer 3 eine große Rolle spielten. Insbesondere im 20. Jh. seit der Nachkriegszeit haben sich die gesellschaftlichen Bedingungen und Strukturen sehr verändert. Die alten Primärgruppen wie Großfamilie und Nachbarschaft sind endgültig zerfallen. Der familiäre Rahmen ist aufgebrochen und auseinander gefallen. Die Großfamilie ist zur Kleinfamilie geschrumpft. Die Zahl der Kinder hat sich deutlich verringert. Viele Ehen werden geschieden. Die Zahl der Singlehaushalte steigt beständig an. Die Generationen leben für sich: junge und alte, aber auch gesunde und kranke Menschen leben in zumeist weitgehend getrennten Bereichen. Diese Veränderungen in der Gesellschaftsstruktur haben enorme Auswirkungen auf Sterben und Tod. Kennzeichnen lässt sich diese Entwicklung als eine „Privatisierung“ von Sterben und Tod. Für den Sterbenden hat sich die Bedeutung von Angehörigen und auch Nachbarschaft im Sterbeprozess deutlich verringert. Ein übergroßer Teil der Sterbenden stirbt nicht mehr zu Hause, sondern in Kranken- und Pflegeinstitutionen.4 Viele Menschen sterben außerhalb ihrer vertrauten Umgebung und sind häufig weitgehend auf sich selbst gestellt. Im öffentlichen Bewusstsein wird Sterben und Tod an den Rand der Wahrnehmung gedrängt. Ein „verbotener Tod“ kennzeichnet den Geist unserer Zeit. Menschen haben immer weniger und immer später im Leben Primärerfahrungen mit Sterbenden. Eine Thematisierung von Sterben und Tod findet zwar allenthalben statt; so richten beispielsweise verschiedene empirische Wissenschaften ihr Augenmerk auf die letzte Lebensphase des Menschen, etwa um Gesetzmäßigkeiten im Sterbeprozess zu erfassen; die Medien inszenieren den Tod auf vielfältige Weise. Und dennoch findet kein persönliches Erleben, keine persönliche Begegnung statt. Der Mensch bleibt in der Rolle des Zuschauers und erlebt den Tod als einen vorgespielten, fernen Tod. Eine reale Auseinandersetzung mit dem Ende des menschlichen Lebens stellt sich dagegen selten, und dann erst sehr spät. Ein Tod wird häu3 4
Vgl. U. Eibach: Sterbehilfe – Tötung aus Mitleid? Eine theologisch-ethische Stellungnahme zu der Euthanasie, 44. Im Durchschnitt sterben heute über 75%, in Großstädten bis über 90%, der Menschen in Krankenund Pflegeinstitutionen. Vgl. Ebd., 41.
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fig geleugnet und sogar gegenüber Sterbenden verschwiegen. Sterben „tun“ nur die anderen: Menschen werden nicht eher mit Tod und Sterben konfrontiert, bis es 5 sie selbst trifft. Die Verbannung des Sterbens aus dem eigenen Gesichtsfeld hat zur Folge, dass eine Einübung von Sprache und Verhaltensweisen, um mit Sterbenden angemessen kommunizieren zu können, kaum noch möglich werden kann. Die fehlende Begegnung mit Sterbenden lässt die Fähigkeiten, Sterbebeistand zu leisten, unterentwickelt bleiben. Dabei ist die Begleitung am Lebensende eine besondere Herausforderung, sowohl für den Patienten als auch für die Angehörigen, für den Arzt, für das gesamte therapeutische Team und für alle Umgebenden. „Gesunde“ sind durch die unheilbare Krankheit und den unabwendbaren Tod von Mitmenschen oft tief verunsichert und sprachlos, bewusste und oder unbewusste Abwehrmechanismen bestimmen ihr Verhalten gegenüber Todkranken. Die Begegnung mit dem Sterbenden löst Ängste aus. Eigene uneingestandene Todesängste werden virulent. Um sich selbst zu schützen, werden tiefer gehende und offene Gespräche mit den Todkranken vermieden. Es kommt zur Entfremdung auf beiden Seiten. Nur eine reife umfassende Kommunikation vermag die Isolierung und Vereinsamung des Sterbenden aufzubrechen und zu vermindern. 3.
Sterben und Tod in der säkularen Gemeinschaft
Religiöse Bindungen können im Sterben Sinn und Kraft vermitteln. Sterben und Tod aus christlichem Selbstverständnis heraus bedeutet, sich mit der eigenen Autonomie der Fürsorge Gottes (und auch der Fürsorge von Menschen) übergeben zu können. Es ist die christliche Hoffnung, dass Gott den Menschen auch durch schwere Etappen begleitet und durch das Sterben hindurch führt. Der Lebensweg Jesu ist hier Leitbild und gibt Grund zur Zuversicht. Durch Jesus Christus wird dem Tod eine neue Hoffnung zugewiesen. Die vorherige Deutung des Todes als Sold der Sünde wird nun aufgebrochen und um einen neuen Horizont erweitert. Der Tod wird zu einem Übergang in ein neues, ewiges Leben, in ein Leben, in dem Leid, Krankheit, Tod keinen Platz mehr haben, in dem vielmehr eigenes Leben von Gott zur Vollendung geführt wird. In der modernen Zeit sind christliche Orientierungen und Bindungen vielfach nicht mehr vorhanden. Mit der Aufklärung wurde die Vorstellung von der Autonomie des Menschen zu einer Leitidee des menschlichen Selbstverständnisses. Der moderne, säkularisierte Mensch versteht sich als autonom und unabhängig von Gott.6 Eine Loslösung in diesem Sinne ist mit einer veränderten Bewertung und 5 6
Vgl. J. Schuster: Der Tod aus theologischer Sicht, 36, in: V. Schumpelick: Klinische Sterbehilfe und Menschenwürde, 35-40. Säkularisierung zielt auf eine Eliminierung Gottes aus Welt und Alltag sowie auf eine Ersetzung aller religiösen Leitideen durch nichtreligiöse Gesichtspunkte. Die Frage nach dem Grund der Herrschaft wird zugunsten einer Selbstherrschaft des Menschen entschieden. Im Zustand der Säku-
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259
einem veränderten Erleben von Sterben und Tod verbunden. Im Hinblick auf die letzte Lebensphase scheint ein wesentlicher Unterschied zu sein, dass eine Inanspruchnahme des Beistandes, des Trostes und der Hilfe Gottes im Sterben keine Option darstellt und mithin nicht möglich werden kann. Gleichwohl kann die außergewöhnliche Lebensphase des Sterbens und die damit verbundene existentielle Lebensbedrohung es auslösen, dass die Frage nach Gott plötzlich neu/wieder entdeckt und gestellt wird und eine neue Sehnsucht nach einem Gespräch mit Gott entstehen kann. Auch die Einstellung zum Tod steht in einem veränderten Rahmen. Der Tod wird nunmehr sehr viel stärker als biologischer Prozess, als ein Naturgeschehen verstanden, ... im Zuge dessen das Herz zu schlagen aufhört, die Zellen sich entwässern, der Mensch sich quasi auflöst. Das wissenschaftliche Verständnis des Todes wird zu einer wichtigen Grundlage für das Verständnis des Todes. Der Tod, der nunmehr als Ende des Lebens verstanden wird, wird gleichsam zu einem Feind des Lebens und kommt einer Vernichtung des persönlichen Lebens gleich. Das säkulare Verständnis vom Menschsein bildet die Basis für eine Forderung nach einem vollständigen Selbstbestimmungsrecht über das eigene Leben. Bezogen auf das Lebensende leitet sich der Anspruch ab, das eigene Sterben nach eigenen Vorstellungen beherrschbar zu machen. Der Mensch solle sich selbst den Tod geben dürfen, wenn das Leben für ihn sinnlos, wertlos, lebensunwert erscheint, wenn es als unnötiger Heroismus anmutet, unheilbare Krankheit und Siechtum bis zum Ende zu ertragen, wenn es als unerträgliche Zumutung empfunden wird, den Tod bewusst zu erleiden, die Entmächtigung der Persönlichkeit im Sterben, die Überwältigung des Ichs durch die Krankheit zu ertragen. 4.
Sterben und Tod angesichts der modernen Medizin
Der Vorgang des Sterbens wird heute in hohem Maße durch die moderne Medizin beeinflusst. Den Errungenschaften der Medizin ist zu verdanken, dass (zumindest in den Industriestaaten) der frühzeitige Tod weitestgehend verbannt werden konnte. Wir erleben nur selten, dass junge Menschen sterben, die meisten Personen sterben als alte Menschen. Die Fortschritte der wissenschaftlichen Forschung haben es darüber hinaus möglich gemacht, dass selbst schwere Krankheiten/Verletzungen, wo zuvor der Tod unabwendbar gewesen war, geheilt werden können und eine Gesundung erfolgen kann. Im Hinblick auf die letzte Lebensphase des Menschen sind vor allem die palliativmedizinischen Entwicklungen von besonderem Wert, erreichen sie doch
larität gilt die Diesseitigkeit und Autonomie des Menschen; Gott ist von vornherein ein ausgeschlossener, vergessener Faktor. Vgl. z. B. Bockmühl, K.: Säkularismus und christlicher Glaube. Herrschaft Gottes – Selbstherrschaft des Menschen?.
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mit dem Ziel einer Schmerzlinderung eine deutlich verbesserte Lebensqualität von 7 Sterbenden. Die moderne Medizin ist in ihrem Grundansatz auf Gesundung und Gesundheit ausgerichtet. Im Hinblick auf die letzte Lebensphase kann sich diese Zielrichtung als problematisch erweisen. Wenn medizinisches Handeln auch noch im Sterben darauf zielt, den unheilbar Kranken mit den verfügbaren medizinisch-technischen Optionen – mit dem Ziel einer Gesundung – zu behandeln, übersieht es die Notwendigkeit, Sterbende als solche wahrzunehmen und die besonderen Bedürfnisse von Sterbenden zu respektieren. Der sterbende Mensch droht zu einem Objekt einer medizinischen Spezialisierung und Maschinerie zu werden, die seine besonderen Bedürfnisse am Lebensende hintenan stellt und den Sterbeprozess unverhältnismäßig beeinflusst. Auch die Strukturen und Abläufe in den Krankenhäusern können in diesem Sinne fehlgreifen, wenn Tod, Sterben und die damit verbundenen tiefen seelischen Konflikte nur ungenügend Beachtung finden, wenn eine Einübung von Formen der Sterbebegleitung in Ausbildung und Praxis nur unzureichend erfolgt. Eine Vereinnahmung des Sterbenden seitens der Medizin unterstützt die bereits aufgezeigte Tendenz einer Verlagerung des Sterbens in Krankenhäuser und Intensivstationen. Die Vorrangstellung der technischen Medizin lässt ‚natürliches‘ Wissen der Sterbenden wie der Angehörigen darüber, welche veränderten Bedürfnisse im Sterben entstehen und welche besondere Formen einer Kommunikation erforderlich sind, verblassen. Die Professionalisierung und Bürokratisierung in Krankenhäusern und Pflegeheimen kann zu einer Entfremdung zwischen Sterbenden und Angehörigen beitragen. Die hoch technisierte Medizin ruft bei vielen Menschen Ängste hervor. Befürchtet wird, als Sterbende einer künstlichen Lebens- und Leidensverlängerung ausgesetzt zu sein, nicht in Würde sterben zu können, wider den eigenen Willen künstlich am Leben erhalten zu werden, an Apparate angeschlossen zu sein, sinnlos zu leiden und einen menschenunwürdigen Tod zu sterben. Das weit verbreitete Unbehagen an medizinischen Behandlungsformen am Lebensende und die in den letzten Jahren zunehmend geäußerte Kritik an einer mit allen Mitteln gegen den Tod ankämpfenden Medizin hat eine sehr offene und breite Diskussion über medizinisches Handeln ausgelöst. Zunehmend war der Ruf nach einer „anderen“ Medizin zu vernehmen, die einem ganzheitlichen Ansatz folgt. Eine Umorientierung scheint sich indessen abzuzeichnen. Wahrnehmbar ist ein Wertewandel, der die Schattenseite des medizinisch-technischen Fortschritts aufarbeitet und der die Vorstellungen vom menschenwürdigen Sterben neu ins Zentrum rückt. Die uralte Frage nach dem guten Tod – nach dem euthanatos – meldet sich in neuer Form wieder. Der Gedanke des Sterbenlassens – also die Vorstellung, an dem natürlichen Ablauf des Sterbegeschehens Maß zu nehmen – gewinnt zu7
Eine ausführliche Darstellung der Palliativmedizin erfolgt in Kapitel F, 48ff.
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261
nehmend an Plausibilität. Die Mündigkeit des Patienten scheint gegenüber einem ärztlichen Paternalismus gestärkt zu werden. 5.
Sterben und Tod im Kontext eines einseitigen Nützlichkeitsdenkens
Sterben und Tod befinden sich offenkundig in einem Widerspruch zu den Zielen einer Gesellschaft, die in ihren Grundfesten einseitig auf Leistung/Jugend/Vitalität ausgerichtet ist. Sterbende werden bei einer nützlichkeitsorientierten Denkstruktur konsequenterweise zum Störfaktor. Richtet sich das Selbstverständnis einseitig an Kriterien wie Leistung, Leistungsfähigkeit, Nützlichkeit aus, werden bei stringenter Anwendung Sterbende zu „nicht-leistungsfähigen/unnützen“ Menschen. Als wertlos/belastend eingeschätzt, werden Sterbende abgeschoben, an die Medizin delegiert, weitgehend Dritten überantwortet und gesondert behandelt. Fortgesetzt wird dieser Argumentationsansatz von dem australischen Ethiker Peter Singer. Seine Überlegungen seien hier erwähnt, da sie weltweit Verbreitung fanden und ihnen in der aktuell geführten Auseinandersetzung eine große Aufmerksamkeit zukommt. Singer entfaltet seine Ethik vor dem Hintergrund eines Weltbildes, welches die christlich-theologische Grundannahme von der Heiligkeit des Lebens, die auf metaphysischen Prämissen beruht, negiert. Personsein ergibt sich bei Singer aus der Summe der Fähigkeiten und Eigenschaften. Nicht die Zugehörigkeit zur Gattung Mensch mache den Menschen zu einer Person, sondern erst die charakteristischen Eigenschaften des Selbstbewusstseins, der Selbstkontrolle, des Sinns für Vergangenheit und Zukunft, die Fähigkeit Beziehungen zu knüpfen, sich um andere zu kümmern, in Kommunikation zu treten und Neugier zu zeigen. Der Wert eines Wesens richte sich ausschließlich nach den Fähigkeiten und Qualitäten des einzelnen Exemplars dieser Gattung. Vor dem Hintergrund dieses Menschenbildes beginnt die moralisch relevante Basis des Lebensschutzes für Singer erst dort, wo ein Wesen aktiv Interessen verfolgen kann. Bezogen auf ethische Fragestellungen am Lebensende tritt Singer mithin nicht nur für die freiwillige sondern auch für die nicht-freiwillige Euthanasie ein. Nichtfreiwillige Euthanasie wird als die Tötung von Menschen verstanden, bei denen die Kriterien des Personseins nicht vorliegen, d.h. z. B. bei unheilbar kranken oder schwer behinderten Säuglingen, bei Menschen, die durch Unfälle, Krankheit oder hohes Alter auf Dauer die Fähigkeit verloren haben, Entscheidungsprobleme zu realisieren, z.B. komatöse Patienten. Die Ethik Singers steht unzweifelhaft in einem deutlichen Gegensatz zur christlich- ethischen Lebensauffassung. Im christlichen Spektrum ist jeder einzelne Mensch Selbstzweck und besitzt eine unantastbare Würde. 6.
Sterben und Tod unter dem Vorzeichen der aktiven Sterbehilfe
Die Ablehnung einer aktiven Sterbehilfe impliziert in ihrem Grundverständnis, Sterben als Bestandteil des menschlichen Lebens anzusehen und zu respektieren.
262
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Eine in diesem Sinne ausgerichtete Gesellschaft spricht allen Gliedern – dem Sterbenden ebenso wie dem Nicht-Sterbenden – unabhängig von Krankheit, Leiden, Demenz etc. eine ungebrochene Wertschätzung zu. Unverrückbar gilt die Gewissheit, dass niemand ‚vorzeitig‘ aus der Gemeinschaft ausgestoßen wird. 8 Eine legalisierte aktive Sterbehilfe lässt für das Sterben ein verändertes gesell9 schaftliches Umfeld entstehen. Als gravierende Veränderung wird hier angesehen, dass mit der aktiven Sterbehilfe für den Sterbenden ein sozialer und psychischer Druck entsteht, der darauf 10 ausgerichtet ist, sich für eine Beendigung des eigenen Lebens zu entscheiden. Durch unausgesprochene Erwartungen aus dem sozialen Umfeld, durch ein entsprechendes gesellschaftliches Klima kann ein (verborgener) Druck entstehen, wonach behinderte/unheilbar Kranke/alte Menschen es für anständig halten müssen, um den Tod zu bitten, damit sie den Angehörigen, die (vermeintlich) unter der Last der Krankheit leiden, nicht länger zur Last fallen, damit sie die Gemeinschaft entlasten, da Pflege und medizinische Behandlung überaus aufwendig sind, damit 11 sie sich selbst befreien, da vom Leben nichts mehr zu erwarten sei. 7.
Perspektiven von Sterben und Tod in einer überalternden Gesellschaft
Perspektivisch sind in unserem Zusammenhang vor allem zwei Entwicklungen von Interesse: Aufgrund des gesellschaftlichen Fortschritts hat sich das Lebensalter kontinuierlich erhöht. Es ist zu erwarten, dass die Lebenserwartung weiterhin ansteigen wird und damit die Menschen immer älter werden. Aufgrund der demographischen Entwicklung wird sich die Altersstruktur unserer Gesellschaft verschieben und der Anteil älterer Menschen (bezogen auf die Gesamtbevölkerung) deutlich ansteigen. Beide Entwicklungen werden sich in gravierender Weise auf unsere Gesundheits- und Rentensysteme auswirken. Unabwendbar ist, dass die ökonomischen 8 9
Zur Definition der aktiven Sterbehilfe siehe Kapitel D. Vorreiter im Hinblick auf eine legalisierte aktive Sterbehilfe innerhalb der EU sind die Niederlande und Belgien. 10 Bundespräsident Rau (in seiner Berliner Rede/im Mai 2001/‚Wird alles gut? Für einen Fortschritt nach menschlichem Maß‘) erwartete von der aktiven Sterbehilfe als gesellschaftliche Folge, dass Sterbenden eine Rechenschaftspflicht auferlegt wird: „Wo das Weiterleben nur eine von zwei legalen Optionen ist, wird jeder rechenschaftspflichtig, der anderen die Last seines Weiterlebens aufbürdet.“ Zitiert nach Kutzer, K.: Aktive und passive Sterbehilfe, Tötung auf Verlangen, assistierter Suizid, 153, in: Schumpelick, V.: Klinische Sterbehilfe und Menschenwürde – Ein deutschniederländischer Dialog, 144-155. 11 Es gibt viele Wege, Druck auszuüben und jemandem zu suggerieren, es sei richtig und anständig, das eigene Ende zu verlangen: Wird z. B. ein schwer pflegebedürftiger Mensch lange gepflegt, vielleicht unter Einsatz der Freizeit und Vernachlässigung eigener Interessen, könnte eine Straffreiheit der Tötung auf Verlangen den Pflegenden dazu verleiten, dem Kranken die Aussichtslosigkeit seiner Situation klarzumachen. Dem Patienten könnte ein schlechtes Gewissen entstehen, dass er die Möglichkeit zu einem selbstbestimmten Sterben noch nicht ergriffen hat, wodurch er den anderen doch entlasten könnte. Er könnte den Eindruck gewinnen, er sei es seiner Umgebung schuldig, angesichts der von ihm verursachten Belastungen die erlösende Willenserklärung abzugeben.
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263
Zwänge im Gesundheitssektor zunehmen werden. Ein Drittel bis die Hälfte der gesamten Gesundheitsausgaben entsteht im Alter ab 65 Jahren; mit zunehmendem Lebensalter wird sich dieser Anteil weiter erhöhen. Die sich verschiebende Altersstruktur wird den Anteil der Beitragszahler deutlich verringern. Die Notwendigkeit, eine sich zuspitzende Mangelsituation bewältigen zu müssen, wird insgesamt den Maßstab der Wirtschaftlichkeit aufwerten und ökonomischen Effizienzkriterien eine höhere Bedeutung zuschreiben. Vor diesem Hintergrund könnte sich eine zunehmende Akzeptanz der passiven Sterbehilfe einstellen. Eine Behandlung nicht zu beginnen, wenn der Prozess des Sterbens eindeutig und unaufhaltsam ist, einen Menschen „sterben“ zu lassen und den Sterbeprozess technisch nicht zu überfremden, könnte im öffentlichen Diskurs wie auch in der medizinischen Praxis größere Selbstverständlichkeit erlangen. Vice versa würde z.B. eine künstliche Lebensverlängerung, insbesondere wenn sie unter hohem Aufwand geschieht, immer mehr in Frage gestellt werden. In einer Gesellschaft mit einem unter Druck geratenen Gesundheitssystem und einer steigenden Zahl betagter, pflegebedürftiger Menschen könnte der Ruf nach aktiver Sterbehilfe lauter und deutlicher werden. Das verwendete Begründungsmuster würde dabei stärker ökonomische Erwägungen einbeziehen und bspw. die aktive Sterbehilfe als einen einfacheren und kostengünstigeren Weg darstellen als aufwendige Verfahren z. B. der Palliativmedizin oder Dauerpflege. Kritische gesellschaftliche Entwicklungen können damit verbunden sein, dass verstärkt gesellschaftliche Kräfte sich der Problematik annehmen und freigesetzt werden. Bezogen auf unsere Betrachtung könnten in diesem Sinne soziale Bewegungen, Interessengruppen, Hospiz- und Sterbehilfegruppen etc. entstehen und an Bedeutung gewinnen. 8.
Fazit
Die gesellschaftlichen Bedingungen zu Leben, Krankheit, Sterben, Tod haben sich im vergangenen Jahrhundert deutlich verändert. Zwei Entwicklungen sind dabei herausragend: Zum einen eine sog. „Privatisierung“ und Tabuisierung von Sterben und Tod, zum anderen eine deutliche Beeinflussung des Sterbevorgangs durch die moderne Medizin. Prognostizierte Entwicklungen in Form einer alternden Gesellschaft einerseits sowie einer steigenden Lebenserwartung andererseits werden den Gesundheitssektor in hohem Maße belasten. Das Bestreben nach einer menschenwürdigen Sterbebegleitung wird vor diesem Hintergrund dringlicher aber nicht einfacher werden. Krankheit, Leiden und Tod bleiben auch unter veränderten gesellschaftlichen Verhältnissen eine beständige Anfrage und Herausforderung an menschliches Verhalten. Christliche Nachfolge verlangt es, den ihr eigenen ethischen Anspruch zu artikulieren, zu leben und dafür in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung einzustehen.
264
9. • • • •
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Literaturempfehlungen Eibach, Ulrich (1998): Sterbehilfe – Tötung aus Mitleid? Eine theologischethische Stellungnahme zur Frage der Euthanasie; Wuppertal Kreß, Hartmut (1999): Menschenwürde im modernen Pluralismus. Wertedebatte – Ethik der Medizin – Nachhaltigkeit; Hannover Rest, Franco (1997): Sterbebegleitung statt Sterbehilfe – Damit das Leben auch im Sterben lebenswert bleibt; Freiburg im Breisgau Schumpelick, Volker (Hrsg.) (2003): Klinische Sterbehilfe und Menschenwürde – Ein deutsch-niederländischer Dialog; Freiburg im Breisgau (Dr. Silke Bremer, 10.03.2006)
C
Medizin am Ende des Lebens
1.
Woran wir sterben
In der Todesursachenstatistik der Bundesrepublik Deutschland rangieren die Herzund Gefäßerkrankungen an erster Stelle vor den bösartigen Neubildungen (Krebs). 12 Unfälle sind selten und liegen noch hinter der Häufigkeit der Selbsttötung (Tabelle 1). Tab. 1: Gestorbene und Todesursachen 2003 (Bundesrepublik Deutschland) Ursache
Anzahl
%
Alle Verstorbenen 2003
843.946
100,0
Krankheiten d. Kreislaufsystems
396.622
46,4
Bösartige Neubildungen
209.255
24,5
Krankheiten d. Atmungssystems
58.014
6,8
Krankheiten des Verdauungssystems
42.263
4,9
Verletzungen/Vergiftungen (davon Verkehrsunfälle: ca. 7800)
34.606
4,1
Selbsttötung
11.150
1,3
102.036
11,9
Andere Krankheiten Quelle: Statistisches Bundesamt
Etwas weiter aufgeschlüsselt und nach Geschlecht ergibt sich folgendes Bild (Tab. 2):
12 Todesursachenstatistik des statistischen Bundesamtes unter www.destatis.de
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265
Tab. 2: Die 10 häufigsten Todesursachen 2003 (Bundesrepublik Deutschland nach Geschlecht) Frauen Ursache
Anzahl
Rang
Chronische Herzkrankheit
54.202
1
Herzinsuffizienz (Schwäche)
40.197
2
Akuter Herzinfarkt
29.550
3
Schlaganfall
24.562
4
Brustkrebs
17.173
5
Lungenentzündung
12.071
6
Bluthochdruck
11.438
7
Lungenkrebs
10.634
8
Darmkrebs
10.618
9
Zuckerkrankheit
10.393
10
Anzahl
Rang
Männer Ursache Chronische Herzkrankheit
38.571
1
Akuter Herzinfarkt
37.679
2
Lungenkrebs
28.652
3
Herzinsuffizienz (Schwäche)
18.920
4
Schlaganfall
13.017
5
Sonst. Lungenkrankheiten
12.961
6
Prostatakrebs
11.510
7
Darmkrebs
9.307
8
Lungenentzündung
8.817
9
Alkohol. Lebererkrankung
7.752
10
2.
Sterben unter unerträglichem Leid − Probleme der Palliativmedizin
Die Palliativmedizin beschäftigt sich mit der Verbesserung der Lebenssituation von Menschen, deren Erkrankung nicht mehr heilbar ist. Sie befasst sich mit der Verbesserung der Lebensqualität und der Beherrschung von Komplikationen des
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Grundleidens. Dabei ist die Dauer der verbleibenden Lebensspanne kein Wert an sich. An dieser Stelle muss auf das Problem hingewiesen werden, dass alle mit dem Leiden und Sterben eines Menschen Befassten vor dem Hintergrund der eigenen Erfahrungen, Prägungen, Wünsche und Ängste handeln und behandeln. Dies gilt unabhängig von der Professionalität als Pflegende oder Ärzte. Es ist stets zu fragen, ob das (angestrebte, geforderte oder tatsächlich erfolgte) Handeln am Kranken uns selbst (und damit unseren Ängsten, Wünschen und Vorstellungen etc.), den Angehörigen (und damit deren Leiden) oder wirklich und zuerst dem Kranken gilt. 3.
Leben im Ungleichgewicht – Unsere Organfunktionen – Schwebezustände
Generell haben wir eine zunehmende Lebenserwartung; allerdings gelangen dadurch immer häufiger einzelne Organsysteme an ihre biologischen Grenzen. Unter unseren Lebensbedingungen entwickeln sich Alterung und Verschleiß in der Regel nicht harmonisch und gleichmäßig in allen Organbereichen. Geschädigte Organfunktionen können heute oft teilweise wiederhergestellt oder gar ersetzt werden. Auch dies ist nicht in allen Bereichen gleich gut möglich. So führt unsere verlängerte Lebenserwartung nicht automatisch zu einer Verlängerung der Lebenszeit, in der wir voll und ganz leistungsfähig sind. Unsere Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit wird meist durch das schwächste System bestimmt. Die Zeit, in der wir auf die Stützung oder den Ersatz bestimmter Körperfunktionen oder Hilfe oder Pflege angewiesen sind, wächst schneller als unsere absolute Lebenszeit. 4.
Intensivmedizinisches Eingreifen im akuten Notfall – Handlungsprinzipien – Das Problem der Prognose
Im Kern – und dies ist unser eigentliches Thema – geht es hierbei jedoch um Zustände, die zu einem großen Teil erst durch die Erfolge der modernen Medizin und der modernen Pflege entstanden sind. Wenn wir in einem lebensbedrohlichen Notfall medizinisch eingreifen, können wir zu diesem Zeitpunkt kaum abschätzen, wie das Ergebnis unseres Handelns am Ende auf Dauer aussehen wird. Wir sind in der Notfallsituation also nicht in der Lage, zweifelsfreie medizinische Prognosen zu stellen und können vorab nicht beurteilen, ob und wie derjenige, dem wir helfen, überleben wird. Akute Notfälle erfordern aber rasches Handeln. Aufgrund allgemein anerkannter und zwingender ethischer Handlungsanweisungen steht es uns auch nicht an, über Leben als Wert oder Unwert zu urteilen. Zusätzlich haben wir die Schwierigkeit, Helfen im Leidensprozess einerseits und das Leiden verlängernde Intervention andererseits klar und sauber auseinander zu halten. Zu den genannten Zuständen zählen der Hirntod, das Wachkoma (apallisches Syndrom) (beides infolge von Unfällen wie auch nach Schlaganfällen, Herzinfarkten, Wiederbelebungsmaßnahmen u.ä.), langzeit-intensivmedizinische Behandlung als Folge
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von medizinischen Eingriffen, aber auch bestimmte Pflegezustände chronisch Kranker, Demenzkranker und bei neuromuskulär degenerativen Erkrankungen (z.B. Multiple Sklerose). Der Hirntod ist ein Zustand des nicht aufhebbaren Komas; der Mensch ist dauerhaft nicht erweckbar. Das gesamte Gehirn unter Einschluss der tief liegenden Zentren im Hirnstamm ist endgültig untergegangen. Dadurch sind die organischen Orte und Repräsentationen der Persönlichkeit wie Bewusstsein, Erinnerung, Gefühl, Sinneswahrnehmung, aber eben auch die zentralen Regelvorgänge für z.B. Temperatur, Herzfrequenz, Atmung, Wasserhaushalt usw. unwiederbringlich ausgefallen. (Die Feststellung dieses Zustandes folgt einem verbindlichen Protokoll der Bundesärztekammer ) Durch intensivmedizinische Maßnahmen wie Beatmung, Infusionstherapie, Medikation, Temperierung usw. kann für einen kurzen Zeitraum – i.d.R. wenige Tage – eine begrenzte Erhaltung der Körperfunktionen erzielt werden. Das komplexe Zusammenspiel der verschiedenen Funktionen kann jedoch durch medizinische Maßnahmen auch nicht annähernd vollständig abgebildet werden. Zudem sind Eingriffe in den Körper (Infusionszugänge, Intubation, Magensonden, Blasenkatheter u.a.) notwendig, die eigene erhebliche gesundheitliche Risiken mit sich bringen. Dadurch kommt es immer nach einer gewissen Zeit zu einem zunehmenden Organversagen und zum Tode des restlichen Körpers. Dies ist auch in einer Vielzahl von Veröffentlichungen aus der Transplantationsmedizin dokumentiert, in denen belegt wird, dass die Dauer des Zustandes „Hirntod“ einen großen Einfluss auf die Verwendbarkeit von Spenderorganen zur Transplantation und den Zeitpunkt sowie die Rate der Funktionsaufnahme hat. Mit einer geschätzten Häufigkeit von ca. 3500-4500 Fällen pro Jahr handelt es sich um ein vergleichsweise seltenes Ereignis.14 Die Situation beim Wachkoma (apallisches Syndrom – auch coma vigile oder persistent vegetative state genannt) liegt grundsätzlich anders: Hier sind die Hirnstammfunktionen erhalten und nach Stabilisierung der Akutsituation kann ein solcher Mensch ohne Intensivmedizin lange Zeit überleben. Es reicht die externe Nahrungszufuhr (z.B. über eine Magensonde ), die Pflege zur regelmäßigen Stuhlund Harnentleerung sowie die Vermeidung von Druckgeschwüren (Decubiti). Die Prognose ist auf lange Sicht oft schwer zu stellen. Diese Menschen sind nicht hirntod und sind grundsätzlich keine Organspender. Das Apallische Syndrom aus verschiedener Ursache wird für den Großraum Wien mit 1,9 Fällen/100000 Einwohnern/Jahr angegeben. Aus einer deutschen Studie werden nach Schädel-Hinverletzungen Apalliker mit einer Frequenz von 213
13 Deutsches Ärzteblatt 95 (30), A - 1861 ff. 14 Abschätzung nach Daten aus der Drucksache des Deutschen Bundestages 15/4542 vom 16.12.2004 (Antwort der Bundesregierung zu einer Großen Anfrage der Abgeordneten Julia Klöckner, Thomas Rachel, Andreas Storm et al. zur Organspende).
268
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8/100000 Einwohner/Jahr erwartet. Dies entspricht einer Häufigkeit von etwa 15 4000 Fällen im Jahr. Die vorgenannten Zustände sind nahezu vollständig auf die moderne Intensivmedizin zurückzuführen. Erst mit der Möglichkeit der Intubation und kontrollierten Beatmung und durch medikamentöse Stützung von Körperfunktionen konnten Menschen nach Wiederbelebung mit schwersten Hirnschädigungen und Ausfall von Körper-(regel-) funktionen eine gewisse Zeit überleben. Im Falle des Hirntodes mit Überleben des wiederbelebten Körpers sprach man daher früher vom „dissoziierten“ Hirntod. Ursache dieser Zustände sind regelhaft schwere Hirnschädigungen z.B. durch Trauma, Sauerstoffmangel (Zustand nach Wiederbelebung bei Herzstillstand, Ertrinken, Erstickungstod usw.), Hirnschwellung (Folge vorgenannter Schädigungen sowie nach Schlaganfall und Vergiftungen etc.). Da es sich durchweg um akut eintretende Schäden handelt, erfolgt durch die herbeigerufenen Notärzte meist eine standardmäßige Reanimation (Wiederbelebung), da die Vorgeschichte meist nicht verfügbar ist und die Prognose zum Zeitpunkt der Hilfeleistung nicht abschätzbar ist, der bedrohliche Zustand aber sofortiges Handeln erzwingt. Die Prognose schwerer Hirnschädigungen lässt sich meist erst nach mehreren Tagen intensiver Beobachtung klären. Dazu kann es erforderlich sein, zunächst eingeleitete Maßnahmen zur Schonung des Hirns, wie z.B. eine tiefe Narkose durch starke Schlafmittel (Barbiturate), zurückzufahren. Dann aber ist der körperliche Zustand des Geschädigten meist stabilisiert. Bei akuten Ereignissen lässt sich Nutzen und das Ergebnis intensivmedizinischen Handelns nicht voraussehen, im Sinne des Gebots Leben zu erhalten können die Maßnahmen nicht diskutiert werden. 5.
Grenze der Intensivmedizin bei Todkranken
In anderen Bereichen werden der Erfolg und die Möglichkeiten der Intensivmedizin erheblich überschätzt: Bei Patienten, die aufgrund von lebensbedrohlichen Infektionen, nach Operationen mit und ohne Komplikationen oder nach Unfällen, akuten Ereignissen (s.o.) in intensivmedizinische Behandlung geraten und im Verlauf ein Versagen mehrer Organsysteme entwickeln, sind die Möglichkeiten langfristig das Leben zu erhalten begrenzt. Bei einem Drei-Organ-Versagen (z.B. Beatmungspflichtigkeit + medikamentöser Stützungsbedarf des Herzens + Nierenversagen) liegt die Wahrscheinlichkeit daran zu versterben bei 99%. Ebenso kann bei einem Tumorkranken im Endstadium das nacheinander eintretende Organversagen nicht verhindert, ja häufig nicht einmal verzögert werden. Auch komplizierende Ereignisse, wie z.B. eine schwere Infektion, die eine intensivmedizinische 15 P. Grossmann, K. Hagel: Post-traumatic apallic syndrome following head-injury. Part I: clinical characteristics; Disabil Rehabil 18 (1) 1996, 1-20/Ch. Stepan, G. Haidinger, H. Binder: Prevalence of persistent vegetative state/apallic syndrome in Vienna; Eur J Neurol 11 (7) 2004: 461-6.
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Behandlung notwendig machen, werden von Tumorkranken meist nicht überlebt. Tumorleiden schädigen nicht allein durch aggressives Wachstum den Organismus, sondern gehen auch mit Störungen der Immunabwehr und der Verwertung von Nahrungsstoffen auf allen Ebenen des Stoffwechsels einher. Auch kann die Zerstörung z.B. der Lunge oder der Leber durch Metastasen oder die Verlegung der Darmpassage durch Tumorwachstum ebenfalls meist nicht medizinisch kompensiert werden. „Apparate-Medizin“ kann letztlich keinen Krebskranken langfristig am Leben halten. Ihr Einsatz wird zudem normalerweise stets vor dem Hintergrund der Prognose des Grundleidens unter Betrachtung der erreichbaren Lebenserwartung und Lebensqualität erwogen. Dies geschieht nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund eines vernünftigen Umgangs mit den zur Verfügung stehenden Mitteln. Bei begrenzten Mitteln hat dies eben auch eine ethische Dimension. „Apparate-Medizin“ (Beatmung, Dialyse, Reanimation usw.) wird aber sicher dann zum Einsatz auch beim Tumorkranken kommen, wenn dies im Rahmen z.B. einer palliativen operativen Maßnahme aufgrund von noch behebbar erscheinenden Komplikationen erforderlich ist und dem Ziel des mit dem Patienten besprochenen Eingriffs dient. Dabei können im Einzelfall ähnlich wie bei der Versorgung von Akutnotfällen unerwünscht Grenzsituationen wie die oben beschriebenen auftreten. Sie entstehen dann aber in der Regel vor dem Hintergrund einer ähnlichen Entscheidungsproblematik. Mit dem starken Abheben auf die Abwehr unerwünschter „Apparate-Medizin“ treffen daher viele Patiententestamente und -verfügungen nicht die Wirklichkeit. 6.
Die Intervention bei Patienten in Langzeitpflege und Demenzkranken
Problematischer ist allein schon aufgrund der hohen Zahl die Versorgung von Zuständen, die in der Folge von Demenzerkrankungen unterschiedlicher Ursache sowie bei neuromuskulär-degenerativen Erkrankungen entstehen. Wir müssen in der Bundesrepublik von z.Zt. ca. 950.000 Demenzkranken und über 200.000 Neuerkrankungen jährlich ausgehen.17 Es handelt sich in der Regel um Erkrankungen, die oft sehr langsam fortschreiten und bei denen keine medizinisch-therapeutischen Möglichkeiten i.S. einer grundlegenden Besserung oder gar Heilung bestehen. Hier sind in der Regel die eigentlichen Vitalfunktionen (Atmung, Herz-Kreislaufregulation, Verdauung, Nierenfunktion) (noch) nicht wesentlich geschädigt, jedoch ist eine eigenständige Versorgung nicht mehr möglich. Es sind hier die pflegerischen Maßnahmen (Nahrungsaufnahme, Mundpflege, Hautpflege, Stuhl16 G. Maschmeyer., F.L. Bertschat, K.T. Moesta: Outcome analysis of 189 consecutive cancer patients referred to the intensive care unit as emergencies during a 2-year period; Eur J Cancer 39 (6) 2003, 783-92. 17 Aus: www.alzheimerinfo.de [10.2009].
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regulation, Urinableitung etc.) und im gewissen Umfang krankengymnastische Verfahren, die ein Langzeitüberleben der Kranken und Pflegebedürftigen ermöglichen. Dabei schreiten oft andere den Kranken belastende Zustände unaufhaltsam fort, wie z.B. die Ausbildung von schmerzhaften Muskelschrumpfungen (Kontrakturen). Einige Maßnahmen haben allein unterstützende Wirkung (z.B. Haut- und Mundpflege, Stuhlregulierung u.a.) und sollen die Lebensqualität heben und zusätzliche Schäden (z.B. Decubitus) vermeiden; andere sind bereits invasiv, wie das Legen eines Blasenkatheters, sie sind aber allgemein akzeptiert, da sie keines besonderen operativen Aufwandes bedürfen und sie die Pflege erleichtern (hier: z.B. Vermeiden ständigen Einnässens), Beschwerden lindern können (hier: Blasenkrämpfe bei gestörter Entleerung) und Folgeschäden vorbeugen (hier: Störung der Nierenfunktion). Ein positiver Nettoeffekt ist regelhaft vorhanden, da die Nutzen (s.o.) die Eigen-Risiken (z.B. Infektionen) dieser Maßnahmen meist überwiegen. Der Ausfall einer geregelten Nahrungsaufnahme, sei es durch Schluckstörungen, sei es durch Fehlen zielgerichteten Handelns, sei es durch Lähmung, wird oft durch das Legen von Ernährungssonden (PEG = Perkutane Endoskopische Gastrostomie; meint: Das Legen einer Ernährungssonde in den Magen durch die Haut unter Kontrolle einer gleichzeitigen Magenspiegelung) behoben. Dabei ist dieser Vorgang keineswegs mit dem Legen eines Blasenkatheters vergleichbar: Es handelt sich tatsächlich um einen operativen Baucheingriff, und je nach Technik ist eine Allgemeinnarkose und eine stationärer Krankenhausaufenthalt (meist sind die Patienten nicht mehr in der Lage den Eingriff zu verstehen und mitzuarbeiten) notwendig. Das Legen von Ernährungssonden über ein Gastrostoma (künstlicher Zugang durch die Bauchdecke) hat zwar nur eine eingriffbezogene Komplikationsrate von ca. 2%, dennoch besteht eine erhebliche Kurzzeit-Sterblichkeit (es wird eine 30-Tage-Mortalität von 28% genannt,18 wobei diese vom Grundleiden und vom Zustand des Patienten abhängt. Die Langzeitkomplikationen liegen zwischen 50% und 70% ). Dabei kann wider Erwarten nicht einmal generell ein positiver Effekt auf die Ernährungssituation des Patienten mit entsprechenden positiven Nebenwirkungen wie der Vermeidung von Decubiti, als bewiesen gelten. Es gibt daher in der Fachliteratur eine zunehmend kritische Diskussion um das Legen von Magensonden, zumal es sich doch um einen erheblich invasiven Eingriff handelt und nicht um eine einfache pflegerische Maßnahme. Dabei ist die Frage nach der Lebensqualität des so Ernährten noch gar nicht gestellt. 19
18 D.S. Sanders, M.J. Carter., J. D’Silva, G. James, R.P. Bolton, P.J. Willemse et al: Survival analysis in percutaneous endoscopic gastrostomy: a worse outcome in patients with dementia; Am J Gastroenterol 95 2000: 1472-5 T.S. Dharmarajan., D. Unnikrishnan, C.S. Pitchumoni.: Percutaneous gastrostomy and outcome in dementia; Am J Gastroenterol 96 (9) 2001: 2556-63. 19 Ebd.
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Zudem ist zu berücksichtigen, dass Patienten in den genannten Zuständen, v.a. auch Alte, keineswegs bei unzureichender Ernährung an Hunger- und Durstgefühl leiden müssen. Noch weitergehende Maßnahmen, wie die Langzeitbeatmung oder die chronische Hämodialyse sind sowohl bei Tumorpatienten im Endstadium wie auch in der Endphase der erwähnten neuromuskulär degenerativen Erkrankung sowie der Demenzerkrankungen kein Gegenstand ernsthafter medizinische Handlungsstrategien. Umfragen und wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass die meisten Menschen in unserem Kulturraum für sich selbst die Anlage einer PEG bei Demenz ablehnen. Dies kann jedoch häufig nicht über ein Patiententestament verhindert werden, da hier Situationen vorausbedacht werden müssen. Dies ist detailliert und treffend häufig nicht möglich. Wirksamer scheint die Vorsorgevollmacht zu sein, die einer eingesetzten Vertrauensperson entsprechenden Handlungsspielraum lässt. 7.
Palliative Intervention
Ein weiterer Problembereich ist die Indikationsstellung für medizinische Maßnahmen bei Patienten mit eingeschränkter Lebenserwartung. Hier müssen Abwägungen zwischen Lebensqualität, erreichbarer Lebensdauer und Belastung durch einen Eingriff an sich sowie Belastungen, die sich aus dem Eingriffsergebnis ergeben, getroffen werden. Es handelt sich einerseits um palliative Maßnahmen (z.B. Metastasenchirurgie, Anlage eines künstlichen Darmausgangs bei Darmverschluss u.ä.) oder um Maßnahmen zur Behandlung einer mit der Grundkrankheit nicht in Zusammenhang stehenden Störung. Hier geht es um Wirkungen und Nebenwirkungen medizinischen Handelns und deren Akzeptanz durch Patienten und deren Umfeld. Allerdings wird hier der Patient häufig noch selbst der maßgebliche Entscheidungsträger sein. 8.
Planungshilfe
Alle medizinischen und pflegerischen Entscheidungen am Lebensende sollten danach schauen, welche Belastungen sie für den Betroffenen mit sich bringen. Sie müssen sich daran orientieren, ob sich bei fehlender Heilungsaussicht die Lebensqualität erhalten bzw. verbessern lässt. Die absolute Lebensspanne spielt eine eher nachgeordnete Rolle. Das wesentliche Problem ist nicht der Einsatz der Intensivmedizin, sondern der Eintritt der Pflegebedürftigkeit bei Nachlassen oder gar Verschwinden der eigenen Entscheidungsfähigkeit. Diese Zustände sind von der Anzahl der Betroffenen wie von der Zeitdauer der zu regelnden Zustände her bei weitem das größte Problem. Wenn der letzte Lebensabschnitt dem eigenen Willen nach gestaltet werden soll, muss dies erkannt
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werden. Die eigene Einstellung zu Leben und Sterben muss mitgeteilt und sichtbar werden. Zudem ist es oft wichtiger, eine vertraute Person mit der Wahrnehmung der eigenen Interessen rechtzeitig zu betrauen, als jede denkbare Situation am Lebensende durch schriftliche Verfügungen abdecken zu wollen. Der gewünschte Ausschluss z.B. einer Wiederbelebung kann nur durchgesetzt werden, wenn die Lebenserwartung deutlich verkürzt ist und behandelnden Ärzten und Pflegekräften dieser Wunsch bekannt geworden ist. Hierzu sollte man nach Möglichkeit selber informieren. Wichtiger als Detailfragen sind in der Praxis die innere Schlüssigkeit einer Verfügung und deren Mitteilung. (Dr. Rüdiger Klän, 21.03.2006)
D
Wann ist Sterbehilfe erlaubt?
I.
Einleitung
Die politischen Parteien in Deutschland standen dem Thema der aktiven Sterbehilfe lange Zeit nahezu einhellig ablehnend gegenüber. Hintergrund hierfür war wohl in erster Linie das Euthanasie-Programm der Nationalsozialisten, dem ca. 100.000 geistig oder psychisch kranke Menschen zum Opfer fielen. Gesetzesänderungen in den Niederlanden und in Belgien haben die Diskussion jedoch auch in Deutschland erneut angestoßen. Beide Länder haben in den vergangenen Jahren die aktive Sterbehilfe gesetzlich zugelassen. In der Schweiz wird derzeit über ärztlich assistierten Selbstmord gestritten. Diese Entwicklungen habe bei uns Wirkung gezeigt – umso mehr als hierzulande (außer für die aktive Sterbehilfe) klare gesetzliche Regelungen bisher fehlen. Aber auch wenn ein entsprechendes Gesetz erlassen werden sollte, werden viele Fragen offen und weite Bereiche – wie bisher – dem Ermessensspielraum der Justiz überlassen bleiben. Die Rechtsprechung hat bisher in manchen Fällen eher zur Verwirrung als zur Klärung der rechtlichen Situation beigetragen. Die Gerichte der unteren Instanzen haben nicht immer einheitlich entschieden und selbst die Urteile des Bundesgerichtshofes sind umstritten und teilweise widersprüchlich. Der von der Vorgängerregierung vorgelegte Gesetzesentwurf, der hier Klarheit schaffen sollte, erwies sich als politisch und gesellschaftlich nicht konsensfähig und wurde nicht weiterverfolgt. Ob eine neuerliche Gesetzesinitiative hier Klarheit schaffen wird, ist derzeit nicht absehbar. II.
Was ist Sterbehilfe?
Bei der Frage, wann und unter welchen Voraussetzungen Sterbehilfe erlaubt ist, sind vier Fallgruppen zu unterscheiden:
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1.
273
Aktive Sterbehilfe
Aktive Sterbehilfe ist die gezielte Tötung eines Menschen oder die Beschleunigung des Todeseintritts. Bittet der Kranke ausdrücklich um seine Tötung, so wird derjenige, der ihn aufgrund dessen tötet, wegen Tötung auf Verlangen bestraft (§ 216 Strafgesetzbuch). Fehlt es an einem ausdrücklichen und ernsthaften Verlangen des Getöteten, kommt eine Strafbarkeit wegen Totschlags (§§212, 213 StGB) oder wegen Mordes (§211 StGB; wie beispielsweise bei den Tötungen im Rahmen des NSEuthanasie-Programms) in Betracht. Diese Fälle der aktiven Sterbehilfe sind also stets strafbar. 2.
Indirekte Sterbehilfe
Unter indirekter Sterbehilfe wird die Schmerzlinderung mit lebensverkürzender Wirkung als Nebenfolge bezeichnet. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat ausdrücklich anerkannt, dass ein Arzt einem Kranken in der letzten Phase seines Lebens schmerzstillende Medikamente auch dann verabreichen darf, wenn diese als unbeabsichtigte, aber in Kauf genommene Nebenfolge den Todeseintritt beschleunigen können. 3.
Passive Sterbehilfe
Ergibt die medizinische Prognose zur vollen ärztlichen Gewissheit, dass eine ursächliche Leidensbekämpfung nicht möglich ist, so braucht der Arzt eine solche nicht zu beginnen und ist auch nicht verpflichtet, in den natürlichen Ablauf der Dinge weiter durch lebensverlängernde Maßnahmen einzugreifen, sofern dies dem Patientenwillen entspricht. Der Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen wie z.B. Beatmung, Bluttransfusionen oder künstliche Ernährung ist also für den Arzt straffrei, wenn – so die bisherige Rechtslage – das Grundleiden einen irreversiblen tödlichen Verlauf genommen hat. Diese Einschränkung hat in der Praxis wiederholt zu Unklarheiten geführt. Denn ein entscheidungsfähiger Patient kann selbstverständlich jederzeit jede denkbare Behandlung ablehnen und zwar auch dann, wenn sein Grundleiden keineswegs zwangsläufig tödlich verläuft. Er muss sich – auch bei noch so guten Heilungschancen – keiner Therapie unterziehen. Ist der Patient jedoch zum Zeitpunkt der anstehenden Entscheidung über eine Therapie nicht mehr selber entscheidungsfähig, so hat der BGH in einem Beschluss aus dem Jahre 200320 entschieden, dass ein Behandlungsabbruch nur dann zulässig ist, wenn das Grundleiden unumkehrbar ist und der Tod in kurzer Zeit eintreten wird. Vorher müsse jedoch – so der Bundesgerichtshof – eine Genehmigung des Vormundschaftsgerichts eingeholt werden. Dies sollte nach dem äußerst umstrittenen Beschluss auch dann gelten, 20 BGH, NJW 2003, 1588.
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wenn der Patient in einer Patientenverfügung eine anderweitige Festlegung getroffen hat (in diesem Fall hatte der Patient bestimmt, bei irreversibler Gehirnschädigung die künstliche Ernährung einzustellen). Eine neuere Entscheidung aus dem 21 Jahr 2005 zeigt dagegen eine etwas liberalere Tendenz. Nach diesem Beschluss soll eine Entscheidung des Vormundschaftsgerichts nur dann erforderlich sein, wenn zwischen dem behandelnden Arzt und dem Vertreter (Betreuer oder Bevollmächtigter) des entscheidungsunfähigen Patienten Uneinigkeit über einen Abbruch der medizinischen Behandlung besteht. 4.
Mitwirkung am Selbstmord
Die Selbsttötung ist nach deutschem Recht straflos. Deshalb wird auch derjenige nicht bestraft, der zu einem freiverantwortlichen Suizid anstiftet oder Beihilfe leistet. Allerdings kann schon das bloße Geschehenlassen des Suizids strafbar sein, wenn sich ein Kranker selbst tötet, der – beispielsweise wegen psychiatrischer Befunde – den Entschluss zum Selbstmord nicht freiverantwortlich fassen konnte. Derjenige, der eine sog. Garantenpflicht hat (also eine besondere Verpflichtung gegenüber dem Getöteten, beispielsweise wegen enger persönlicher Bindung, Verwandtschaft oder als Arzt), kann sich der Tötung durch Unterlassen strafbar machen (§§ 212, 213 StGB); wer nicht Garant ist, kann wegen Unterlassener Hilfeleistung (§ 323 c StGB) belangt werden. Nach der Rechtsprechung besteht aber auch bei einem freiverantwortlichen Selbsttötungsversuch von dem Zeitpunkt an, wo der Suizident handlungsunfähig wird, die Pflicht, ihn zu retten. Ein Arzt muss also eingreifen, wenn er seinen Patienten, der eine Überdosis Schlaftabletten eingenommen hat, bewusstlos auffindet und noch die Möglichkeit zur Rettung besteht. III.
Fallbeispiele
1.
Aktive Sterbehilfe
1.1 Tötung auf Verlangen Der 54-jährige M. leidet seit 8 Jahren an amyotropher Lateralsklerose. Die unheilbare Nervenerkrankung führt zu fortschreitender Muskel- und Atemlähmung. Seit einem halben Jahr kann M. nur noch den Kopf bewegen. Der gut informierte und klar denkende M. weiß: Bald wird er wahrscheinlich ersticken. Deshalb bittet er seinen Arzt mehrfach um eine todbringende Spritze. Sein Wunsch findet Gehör. Der Arzt injiziert ihm ein tödliches Gift. Wenige Minuten später ist M. tot. 21 BGH, NJW 2005, 2385.
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In Deutschland hätte sich der Arzt strafbar gemacht. Aktive Sterbehilfe ist nach § 216 des Strafgesetzbuches (StGB) verboten. Der Strafrahmen für diese „milde“ Form des Totschlags (milde, weil das Opfer um die Tötung gebeten hat) liegt zwischen 6 Monaten und fünf Jahren Gefängnis, im Falle einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von bis zu 2 Jahren ist auch eine Bewährungsstrafe möglich.) In Europa ist aktive Sterbehilfe nur in den Niederlanden und in Belgien unter strengen Auflagen erlaubt. Nach offiziellen Angaben starben in den Niederlanden im Jahr 2003 1815 Patienten auf diese Weise. 1.2. Mitleidstötung im Krankenhaus Eine Krankenschwester versorgt eine 72-jährige, bettlägerige Patientin. Die Patientin hat mehrere Schlaganfälle erlitten und ist halbseitig gelähmt. Doch die lebenslustige Frau äußert nie, dass sie sterben möchte. Nach einem weiteren Schlaganfall und anschließender Wiederbelebung liegt sie nun seit drei Wochen im Koma. Die Krankenschwester kann „dieses Leiden nicht länger mit ansehen“ und gibt ihr eine tödliche Dosis Kaliumchlorid in die Infusion. Eine Stunde später ist die Patientin tot. Vor Gericht müsste sich die Krankenschwester wegen Totschlags (§ 212 StGB) oder wegen Mordes (§ 211 StGB) verantworten. Eine mildere Bestrafung wegen Tötung auf Verlangen (aktive Sterbehilfe, § 216 StGB) käme nicht in Betracht. Die Patientin hat vor ihrer Bewusstlosigkeit weder erklärt noch angedeutet, dass sie getötet werden wolle, sollte sie in diese Lage kommen. Die Einwilligung der Patientin in die Tötung fehlt also – und das ist für die Frage, ob ein Tötungsdelikt als aktive Sterbehilfe zu qualifizieren ist, entscheidend. 2.
Indirekte Sterbehilfe
2.1. Tod als Nebenwirkung einer Behandlung mit Einwilligung des Patienten Der 46-jährige S. leidet an fortgeschrittenem Kehlkopfkrebs. Ihn quälen starke Schmerzen, Atemnot und Vernichtungsängste. Der Tumor hat den Hals bis zur Halsschlagader infiltriert. S. droht an einer chronischen Sickerblutung zu sterben. Die Ärzte raten zur Gabe von hochdosiertem Morphium, S. willigt ein. Nach Anhängen des Tropfs wird er ruhiger, atmet langsamer, fällt in einen Dämmerzustand und stirbt zwei Tage später. Die Ärzte haben den sterbenden S. „terminal sediert“: Morphium beseitigte seine Schmerzen, Atemnot und Unruhe, führte aber auch zu einer verminderten Atmung und damit möglicherweise zu einem schnelleren Tod. Die Ärzte haben legal gehandelt, auch wenn sein Tod durch die Gabe von Morphium beschleunigt worden ist. Denn sie nahmen den Tod nur in Kauf, beabsichtigten ihn aber nicht. Die Grenzziehung zwischen Absicht und Inkaufnahme mag im Einzelfall fließend sein. Manch ein Arzt mag angesichts schier unerträglichen Leidens durchaus auch hof-
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fen, dass die Gabe des symptomlindernden Medikaments zu einem schnelleren Tod führt. Entscheidend ist, dass die Gabe von Morphium hier medizinisch sinnvoll (nämlich geeignet zur Bekämpfung der Leiden des Patienten) war und dass dies auch das erste Ziel der Behandlung war: Das Medikament sollte die Leiden lindern. 2.2. Tod als Nebenwirkung einer Behandlung, Patient ist bewusstlos Nach einem Motorradunfall liegt ein 44-Jähriger im künstlichen Koma. Im Krankenhaus zieht er sich eine Lungenentzündung zu. Diese führt zu einer Sepsis. Mehrere Organsysteme drohen zu versagen. Die Ärzte müssen starke Antibiotika einsetzen. Sie wissen, dass dies die ebenfalls verletzte und durch die Sepsis weiter geschädigten Nieren des Patienten belastet. Der Therapieversuch scheitert: Das Multiorganversagen schreitet fort, der Patient stirbt letztlich an Nierenversagen. Wie im vorangegangenen Beispiel bekämpfte die Behandlung hier nicht nur die Symptome, sondern barg das Risiko, das Leben des Patienten zu verkürzen. Die Ärzte haben auch in diesem Fall rechtmäßig gehandelt. Denn die Behandlung war medizinisch indiziert. Der Patient war zwar bewusstlos, alles spricht aber dafür, dass die Behandlung in seinem Sinne war. 2.3. Tod als Nebenwirkung einer Behandlung gegen den Widerspruch des Patienten Ein Gebärmuttertumor hat sich überall im Körper einer 34-jährigen ausgebreitet. Die Patientin liegt im Sterben. Um ihre Schmerzen zu lindern, wollen die Ärzte hochwirksame Schmerzmittel geben. Die Patientin lehnt ab. Sie wolle nicht „wegdämmern“, sondern „klar im Kopf“ bleiben und die verbleibende Zeit mit ihrer Familie verbringen. Die Ärzte geben ihr dennoch unbemerkt Morphium, weil sie das für medizinisch richtig halten. Die Frau verliert langsam das Bewusstsein und stirbt wenig später. Wie in Fall 2.1. haben die Ärzte die Frau „terminal sediert“ und dabei als Nebenwirkung ihren schnelleren Tod in Kauf genommen. Doch anders als in dem oben zitierten Fall lehnte die Patientin die Behandlung ausdrücklich ab. Deshalb haben sich die Ärzte der Körperverletzung (§ 223 StGB) strafbar gemacht. Gegen den Willen des Patienten dürfen Ärzte nicht behandeln. Dies gilt ausnahmslos für alle Maßnahmen, auch für solche, die medizinisch sinnvoll sind. 3.
Passive Sterbehilfe
3.1. Begrenzung oder Nichtaufnahme einer Behandlung, weil der Patient es so wünscht Der 29-jährige J. stürzt mit dem Fahrrad und wird ins Krankenhaus eingeliefert. Diagnose: mehrere Rippenbrüche, Nierenriss, Schädelbasisfraktur. Um die inneren Blutungen zu stoppen müssen die Ärzte sofort operieren. J. lehnt die Operation und die Gabe von Bluttransfusionen aus religiösen Gründen ab. Es sei den Men-
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schen nicht gegeben, „Gottes Werk zu verändern“. Nach einer halben Stunde ist J. verblutet. Lebensverlängernde Behandlungen abzubrechen oder sie gar nicht erst aufzunehmen ist zulässig, wenn der Patient dies will. Das gilt auch dann, wenn wie im Fall J. die Behandlung medizinisch sehr sinnvoll und auch erfolgversprechend ist. Es wäre den Ärzten sogar verboten gewesen, J. gegen seinen Willen zu behandeln. Das Recht eines Patienten, eine Behandlung abzulehnen – und mag sie auch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer vollständigen Heilung führen – ist Ausdruck seines Selbstbestimmungsrechts, seines Rechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 2 Grundgesetz) und letztlich seiner Menschenwürde (Art. 1 GG). 3.2. Begrenzung oder Nichtaufnahme einer Behandlung gemäß Patientenverfügung Ein 69-jähriger erleidet im November 2000 einen Herzinfarkt, der zu einem hypoxischen Hirnschaden führt. Seitdem liegt er im Wachkoma und wird über eine Magensonde ernährt. Der Sohn des Patienten, der zugleich sein gesetzlicher Betreuer ist, verlangt die Einstellung der Ernährung. Er verweist auf eine Patientenverfügung seines Vaters, in der dieser festlegt, im Falle „irreversibler Bewusstlosigkeit“ und „schwerer Dauerschäden des Gehirns“ nicht mehr ernährt werden zu wollen. Der Patient stirbt schließlich. Mit diesem Fall befasste sich der Bundesgerichtshof im März 2003. Er entschied: Bei bewusstlosen Patienten müssen medizinisch sinnvolle, lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben, wenn dies dem zuvor geäußerten Willen des Patienten entspricht. Eine mögliche Dokumentation des Patientenwillens ist die Patientenverfügung, die der Vertreter des Patienten durchsetzen soll. Der BGH legte zudem fest, dass das „Grundleiden“ einen „irreversiblen tödlichen Verlauf“ genommen haben muss und im Falle eines Konflikts zwischen Arzt und Betreuer über den Willen des Patienten das Vormundschaftsgericht eingeschaltet werden müsse. Beides ist heftig umstritten. 3.3. Begrenzung oder Nichtaufnahme einer Behandlung gemäß mutmaßlichem Willen 1990 erleidet die 70-jährige E. einen Herzstillstand. Sie wird wieder belebt und trägt einen irreversiblen Hirnschaden davon. E. ist nicht mehr ansprechbar und wird mit einer Magensonde ernährt. Ihre Vitalfunktionen bleiben stabil. Ihr Sohn und ihr Arzt wollen 1993 die künstliche Ernährung einstellen lassen. Seine Mutter, sagt der Sohn später, habe früher geäußert, sie wolle nicht als Schwerstpflegefall enden. Das Pflegepersonal weigert sich. Der Fall durchläuft die Instanzen. Frau E. stirbt im Dezember 1993 an einem Lungenödem. 1994 entschied der BGH, dass ein Behandlungsabbruch auch in einem solchen Fall zulässig sein kann. Dieser Fall ähnelt dem vorangegangenen Fall. Unterschied: Es gab keine Patientenverfügung, deshalb musste der mutmaßliche Wille
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der Patientin ermittelt werden. Aber wie? Nach dem Gerichtsurteil kommt es auf „frühere mündliche und schriftliche Äußerungen“, „religiöse Überzeugungen“ und „persönliche Wertvorstellungen“ an. Führe das nicht zu einem Ergebnis, „so kann und muss auf Kriterien zurückgegriffen werden, die allgemeinen Wertvorstellungen entsprechen“. Wie der mutmaßliche Willen zu ermitteln ist, ist umstritten. Im Fall E. entschied das Landgericht Kempten, dass der Behandlungsabbruch dem mutmaßlichen Willen der Patientin entsprochen hätte. 3.4. Begrenzung oder Nichtaufnahme einer Behandlung gegen den Patientenwillen Vor drei Jahren bekam H. die niederschmetternde Diagnose: Lungenkrebs. Seitdem hat sich sein Zustand verschlechtert. Eine Lungenoperation konnte ihn nicht heilen. Der Tumor hat in das Gehirn, die Leber und die Knochen gestreut. H. verlangt eine weitere Operation an der Lunge. Die Ärzte verweigern dies. Angesichts von H.’s Zustand ist ihr Therapieziel nicht mehr die Heilung, sondern die Symptomlinderung. Einen weiteren Eingriff halten sie für nicht mehr indiziert. Tatsächlich dürfen die Ärzte eine Behandlung ablehnen oder abbrechen, wenn sie diese für nicht (mehr) sinnvoll halten. Kein Arzt kann dann zu einer Behandlung gezwungen werden – der Wille des Patienten spielt dabei – streng genommen – keine Rolle. Anders herum gilt aber: Ist eine Behandlung medizinisch indiziert und verlangt der Patient nach ihr, dann müssen die Ärzte behandeln. 4.
Mitwirkung am Selbstmord Beihilfe zum Selbstmord: der Hackethal-Fall
1984 besorgt der Arzt Julius Hackethal Zyankali für seine Patientin Hermy Eckert. Die Frau leidet an Tumoren im Gesicht und in der Oberkieferhöhle. Eckert hat schwere Gesichtsschmerzen und kann kaum noch essen. Ihre Krankheit hält man für unheilbar. Mehrfach äußert sie den Wunsch zu sterben. Hackethal stellt Eckert das Gift zur Verfügung. Sie nimmt es ein und stirbt. Hackethal wird angeklagt, aber nicht verurteilt. Der Arzt, entscheidet das Gericht, habe Eckert bei ihrem Selbstmord nur geholfen. Die frei verantwortet Tat habe sie selbst begangen. Weder Selbstmord noch die Beihilfe zum Selbstmord sind in Deutschland strafbar. Doch die heutige Rechtslage ist verworren. Ärztlich assistierter Suizid bleibt keineswegs immer straflos. Ein Arzt dürfte u. U. einem Selbstmörder den Giftbecher reichen, aber sobald dieser das Bewusstsein verliert, müsste er ihm wieder helfen. Ärzte können sich, je nach Situation, eines Tötungsdelikts oder unterlassener Hilfeleistung strafbar machen. Standeswidrig handeln sie nach der Auffassung der Bundesärztekammer in jedem Fall. (Uta Lehmann, 10.03.2006)
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E
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Patientenrechte – Patientenverfügung
Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung I.
Problemstellung
In seiner Erzählung „Die Scheintoten“ beschreibt E.A. Poe die im 19. Jahrhundert offenbar verbreitete und nicht unbegründete Angst davor, lebendig begraben zu 22 werden. Heute fürchten sich die Menschen vor einem Scheinleben. Die großen medizinischen Fortschritte der vergangenen Jahrzehnte und die zunehmende Bedeutung von Medizintechnik haben auch ihre Schattenseiten. Angesichts der vielfältigen Möglichkeiten der modernen Medizin wird es immer schwieriger, die Grenzen für den sinnvollen Einsatz dieser Errungenschaften wahrzunehmen und zu akzeptieren. Viele Menschen haben deshalb Angst davor, in der Endphase ihres Lebens, in der sie selber ihre Wünsche möglicherweise nicht mehr artikulieren können, gegen ihren Willen durch Einsatz der so genannten „Apparatemedizin“ am Leben erhalten zu werden. Sie fürchten, auf diese Weise künstlich in einem Körper gefangen gehalten zu werden, den das Bewusstsein schon längst verlassen hat. Eine beängstigende Vorstellung für unsere Gesellschaft, in der Selbstbestimmung und Unabhängigkeit einen hohen Stellenwert genießen. II.
Die Bedeutung der Willensfähigkeit des Patienten
1.
Der willensfähige Patient
Solange ein Patient willensfähig ist, entscheidet er grundsätzlich allein über Art und Umfang seiner ärztlichen Behandlung. Der behandelnde Arzt ist zur umfassenden Aufklärung und Beratung über Möglichkeiten, Risiken und Chancen einer Behandlung verpflichtet. Die Entscheidung darüber, ob überhaupt eine ärztliche Behandlung durchgeführt wird und wenn ja, welche, liegt aber allein bei dem Patienten. Grundsätzlich ist jede ärztliche Maßnahme ein Eingriff in die körperliche Integrität des Patienten und wird in strafrechtlicher Hinsicht als Körperverletzung angesehen. Sie ist nur dann gerechtfertigt und bleibt daher straflos, wenn der umfassend informierte Patient ihr zustimmt. Dies gilt selbst für lebenserhaltende Maßnahmen:23 Ein schwer nierenkranker Patient kann daher die lebensnotwendige Dialyse verweigern, auch wenn dies seinen sicheren Tod bedeutet. Ebenso kann ein Patient die Einstellung der künstlichen Beatmung verlangen. Auch die künstliche Ernährung eines Patienten über eine so genannte PEG-Sonde (eine Ernäh22 So die treffende Formulierung von T. Wagenitz: Finale Selbstbestimmung, FamRZ, 2005, 669. 23 BGHR, Bd. 154, 205, 215.
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rungssonde, die direkt durch die Bauchdecke in den Magen gelegt wird) ist nur solange zulässig, wie dieser damit einverstanden ist. Das bedeutet, dass ein Patient, der in der Hoffnung auf baldige Besserung seines Zustandes seine Zustimmung zur Versorgung mit einer PEG-Sonde erteilt hat, dadurch für die Zukunft nicht gebun24 den ist. Verbessert sich seine gesundheitliche Situation nicht oder hat er es sich aus welchen Gründen auch immer anders überlegt, kann er jederzeit die Entfernung der Sonde und die Einstellung der künstlichen Ernährung fordern. Das gleiche gilt für einen Patienten, bei dem ein bösartiger Tumor festgestellt wurde. Auch wenn seine Chancen auf Heilung noch so gut stehen, muss er sich nicht operieren lassen. Er muss weder einer Chemotherapie zustimmen noch einer Bestrahlung. Aber auch wenn er einer Therapie zunächst zugestimmt hat, kann er jederzeit deren Abbruch verlangen. Allerdings hat auch die Entscheidungsbefugnis des Patienten ihre Grenzen: Zwar bedarf jede medizinische Maßnahme der Zustimmung des Patienten. Dies bedeutet jedoch nicht umgekehrt, dass der behandelnde Arzt verpflichtet ist, jedem Behandlungswunsch des Patienten nachzukommen. Er ist hierzu nur insoweit verpflichtet, als die gewünschte Behandlung medizinisch sinnvoll, also indiziert ist.25 Die Patientenautonomie dient also dazu, ungewollte Behandlungen abzuwehren, begründet aber keinen Anspruch auf eine bestimmte ärztliche Behandlung. Daher kann ein Arzt beispielsweise eine von einem krebskranken Patienten gewünschte Operation oder Chemotherapie ablehnen, wenn diese Maßnahmen aus medizinischer Sicht nicht sinnvoll erscheinen. 2.
Der willensunfähige Patient
Die Fähigkeit eines Patienten, Entscheidungen zu treffen und diese zu artikulieren, ist in rechtlicher Hinsicht von großer Bedeutung. Muss ein nicht ansprechbarer Patient ärztlich behandelt werden, stellen sich zunächst zwei Fragen: Nämlich erstens, wer entscheidet über Art und Umfang der ärztlichen Behandlung und zweitens, auf welcher Grundlage werden diese Entscheidungen getroffen. 2.1. Entscheidungen in Notfällen Wird eine nicht ansprechbare Person als Notfall in die Klinik eingeliefert, ist die rechtliche Situation relativ unproblematisch: Der Arzt entscheidet darüber, welche medizinischen Maßnahmen eingeleitet werden. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Ehepartner oder ein volljähriges Kind den Patienten begleitet. Angehörige oder andere dem Patienten nahe stehenden Personen werden nicht automatisch mit dessen Unfähigkeit, seinen eigenen Willen zu äußern, zu dessen gesetzlichem Vertreter. Hierzu bedarf es vielmehr 24 V. Lipp: Sterbehilfe und Patientenverfügung, FamRZ 2004, 317, 318 25 BGHR 154, 205, 224, Lipp FamRZ 2004, 317, 319.
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eines gerichtlichen Beschlusses, durch den eine bestimmte Person, ein sog. Betreuer, als Vertreter für den Patienten eingesetzt wird. Da in Notfällen für eine solche gerichtliche Bestellung keine Zeit bleibt, kann nur der Arzt entscheiden. Dabei hat er den mutmaßlichen Willen des Patienten zugrunde zu legen. Er muss sich also fragen, was der Patient, wenn er denn seinen Willen äußern könnte, gewollt hätte. Da in Notfällen weder für lange Überlegungen noch für ausführliche Gespräche mit Angehörigen die Möglichkeit besteht, wird der Arzt im Zweifel alles tun, um das Leben des Patienten zu retten und ihn bestmöglich medizinisch zu versorgen. Dabei gibt es natürlich auch Situationen, in denen sich der Arzt gegen eine Ausschöpfung aller medizinischen Möglichkeiten entscheiden kann: Erleidet beispielsweise ein 97-jähriger, austherapierter Krebskranker, dem bereits ein Lungenflügel entfernt wurde und der eine schwere Lungenentzündung hat, einen Unfall, bei dem er sich einen Schädelbasisbruch mit massiven Hirnquetschungen zuzieht, wird sich der Arzt wahrscheinlich gegen eine Maximaltherapie entscheiden. Anders dagegen bei einer 21-jährigen Frau, die sich die gleiche Schädelverletzung bei einem Motorradunfall zugezogen hat. Grundsätzlich gilt jedoch für Notfallsituationen, dass der Arzt als mutmaßlichen Willen des Patienten eine Entscheidung für das Leben unterstellen und auf dieser Grundlage die notwendigen medizinischen Maßnahmen einleiten wird. Auch bei Notfällen gibt es jedoch Konstellationen, in denen nicht in jedem Fall der Arzt entscheidet: Zunächst gilt dies für Minderjährige. Kinder, die das siebente Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sind geschäftsunfähig. Minderjährige, die das siebente, nicht aber das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, sind beschränkt geschäftsfähig. Gesetzlicher Vertreter Minderjähriger sind die Eltern. Im Rahmen ihrer elterlichen Sorge haben sie über die ärztliche Behandlung ihres Kindes zu entscheiden, wobei sie je nach Alter und Reife die Interessen und Wünsche des Kindes zu berücksichtigen haben. Für eine Notfallsituation bedeutet dies folgendes: Wird ein sechsjähriges Kind schwer verletzt in die Klinik eingeliefert, muss der behandelnde Arzt vor einem Eingriff grundsätzlich die Zustimmung der das Kind begleitenden Eltern einholen. Sind die Eltern aber nicht erreichbar und bedarf es einer schnellen Entscheidung, kann diese – wie auch bei einem Erwachsenen – von dem behandelnden Arzt getroffen werden. Eine Besonderheit bilden die Fälle, in denen Eltern die Zustimmung zu lebensnotwendigen ärztlichen Maßnahmen für ihr Kind verweigern. Hier ist zu klären, ob die verweigerte Zustimmung einen Sorgerechtsmissbrauch darstellt. Das ist dann der Fall, wenn die Entscheidung der Eltern nicht dem Wohl des Kindes dient. Dann nämlich kann die notwendige Zustimmung durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt werden. Handelt es sich um einen Notfall, kann wiederum der Arzt ohne Zustimmung der Eltern die notwendigen medizinischen Maßnahmen vornehmen, die dann nachträglich durch das Gericht genehmigt werden. Zur Klarstellung: Lehnen Eltern beispielsweise bei einem ansonsten gesunden Kind die Zu-
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stimmung zur Operation des unmittelbar vor dem Durchbruch stehenden Blinddarms ab, so wird es sich in der Regel um einen Sorgerechtsmissbrauch handeln. Anders stellt sich die Situation dagegen bei einem krebskranken Kind im Endstadium dar, das mit einer schweren Lungenentzündung eingeliefert wird. Hier kann es durchaus dem Wohl des Kindes entsprechen, den Infekt nicht mehr mit allen Mitteln zu bekämpfen. Im Zweifel handelt es sich hier um eine Situation, in der die Eltern besser als jeder Mediziner beurteilen können, was ihrem Kind noch zugemutet werden soll. Die zweite Konstellation, in der der behandelnde Arzt über notfallmedizinische Maßnahmen nicht ohne weiteres alleine entscheiden darf, ist die, in der der Patient bereits durch einen von dem Patienten zuvor persönlich bevollmächtigten Vertreter (Vorsorgebevollmächtigter) oder einem gerichtlich bestellten Vertreter (Betreuer) vertreten wird. Es sind dies Fälle, in denen der Patient schon vor der jetzt akuten Notfallsituation nicht mehr selber über seine Angelegenheiten entscheiden konnte, beispielsweise weil er geistig schwer behindert ist oder unter Altersdemenz leidet. In diesen Fällen ist bereits ein Vertreter für den Patienten vorhanden. Hier gilt dann im Wesentlichen das gleiche wie bei Minderjährigen: Ist der Betreuer oder Vorsorgebevollmächtigte anwesend, bedarf es für jede medizinische Maßnahme seiner Zustimmung. Ist der Vertreter nicht bekannt oder nicht erreichbar, entscheidet wiederum der Arzt nach bestem Wissen und Gewissen im Interesse des Patienten. 2.2. Entscheidungen über nicht akute medizinische Maßnahmen Auch außerhalb von Notfallsituationen gibt es viele Fälle, in denen eine Person medizinisch behandelt werden muss, die nicht in der Lage ist, ihren Willen zu äußern. Ob dies nun die 80-jährige an Alzheimer leidende Patientin ist, die an einer Grippe erkrankt ist, der 20-jährige Patient, der nach einem Autounfall seit drei Monaten im Wachkoma liegt und nun eine Mandelentzündung hat oder der geistig schwer behinderte 40-jährige Mann, der sich einen komplizierten Splitterbruch eines Unterschenkels zugezogen hat. In all diesen Fällen muss entschieden werden, ob und welche medizinische Behandlung eingeleitet oder abgebrochen wird und es stellt sich wieder die Frage, wer diese Entscheidung auf welcher Grundlage treffen soll. Dauert die Unfähigkeit eines Menschen, einen eigenen Willen zu bilden und/oder diesen zu äußern länger an, muss eine andere Person als Vertreter eingesetzt werden. Dies kann zum einen ein vom Vormundschaftsgericht eingesetzter Betreuer sein. Als Betreuer kann das Gericht Angehörige oder andere dem Betroffenen nahe stehenden Personen einsetzen. Bei geistig behinderten Erwachsenen sind es häufig die Eltern, bei alten, unter Demenz leidenden Menschen oft ein Kind oder der Ehepartner. Findet sich kein geeigneter Angehöriger, kann das Gericht
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aber auch eine völlig fremde Person, einen sog. Berufsbetreuer bestellen. Ist ein Betreuer bestellt, entscheidet dieser als gesetzlicher Vertreter für den Patienten. Gegenüber Arzt und Pflegepersonal hat der Betreuer die gleichen Rechte wie ein entscheidungsfähiger Patient. Durch seine Bestellung zum Betreuer tritt er quasi in die Rechte des Betreuten ein und übt diese im Außenverhältnis zu Ärzten und Pflegepersonal aus. Über die Art und Weise, wie der Betreuer seine Betreuungsfunktion ausübt, ist er Ärzten und Pflegern keine Rechenschaft schuldig. Sie können ihm 27 in seine Entscheidungen nicht hineinreden. Trotzdem ist der Betreuer in seinen Entscheidungen nicht frei: Im Verhältnis zu dem Betreuten – hier also dem Patienten – ist er verpflichtet, dessen wirklichen 28 oder mutmaßlichen Willen umzusetzen. Woher soll aber der Betreuer wissen, was der wirkliche oder mutmaßliche Wille des Betreuten ist? Der Betreute kann sich zu seiner Situation nicht mehr äußern. Hat der jetzt Betreute nicht zu einem früheren Zeitpunkt für den Fall seiner Willens- bzw. Äußerungsunfähigkeit Vorsorge getroffen und seine Vorstellungen schriftlich in einer sog. Patientenverfügung niedergelegt, ist es für den Betreuer sehr schwierig, Entscheidungen zu treffen. Wird der Ehepartner zum Betreuer bestellt, wird er die Vorstellungen und Überzeugungen seines Ehepartners vielleicht so gut kennen, dass er tatsächlich in seinem Sinne entscheiden kann. Handelt es sich bei dem Betreuer um einen anderen Angehörigen, mag er sich vielleicht noch an Gespräche mit dem Betreuten erinnern, in denen dieser etwas über seine Vorstellungen geäußert hat. Gleichwohl bleiben solche Äußerungen eine äußerst fragwürdige Grundlage für Entscheidungen darüber, ob und wann beispielsweise die künstliche Ernährung eines Komapatienten abgebrochen werden soll. Wie durchdacht war das, was der jetzt Betreute damals gesagt hat? Wie schnell sagt ein kerngesunder 20-jähriger Sportler, wenn er von dem schweren Autounfall eines Bekannten erfährt, der nun querschnittsgelähmt ist, „dann lieber gleich tot, so ein Leben ist doch nicht mehr lebenswert.“ Ob er dies als selbst Betroffener immer noch so sehen würde, ist fraglich. Aber selbst wenn die frühen Äußerungen des nunmehr Betreuten nicht nur spontan in einer emotional aufgeheizten Diskussion hingeworfene Sätze, sondern fundierte Überlegungen waren, wie zuverlässig ist die Erinnerung des Betreuers an dieses Gespräch? Und wenn er selbst nicht beteiligt war, wie zuverlässig ist die Erinnerung der nachträglich befragten Angehörigen und Bekannten? Schildern zwei Augenzeugen unabhängig voneinander eine von ihnen beobachtete Begebenheit, kommen oftmals zwei sehr unterschiedliche Geschichten dabei heraus. Keiner der beiden Augenzeugen muss dabei lügen. Vielmehr nimmt jeder Mensch meist nur 26 Angehörige oder andere dem Betreuten nahe stehende Personen übernehmen diese Aufgabe ehrenamtlich. Sie haben lediglich Anspruch auf Auslagenerstattung. Sog. Berufsbetreuer haben zusätzlich einen Vergütungsanspruch. Die Vergütung ist (ebenso wie die Auslagenerstattung) aus dem Vermögen des Betreuten, bei Mittellosigkeit aus der Staatskasse zu zahlen. 27 BGHR 154, 205, 211; BGH, NJW, 2005, 2385. 28 § 1901 Abs. 2, 3 BGB.
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das aus seinem subjektiven Blickwinkel Wesentliche wahr. Dem Betreuer kann die Unabhängigkeit im Verhältnis zum medizinischen Personal einerseits und die Verpflichtung zum Betreuten andererseits dann eine schwere Verantwortung aufbürden, wenn der vermutete Wille des Betreuten und die medizinisch indizierte Maßnahme auseinander fallen: Das ist dann der Fall, wenn der Betreuer glaubt, der Betreute würde, wenn er sich denn noch äußern könnte, eine ärztlicherseits empfohlene, lebenserhaltende oder lebensverlängernde Maßnahme ablehnen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes29 kann sich der Betreuer in einem solchen Fall zwar gegen den Rat der Ärzte entscheiden und eine medizinisch lebensnotwendige Maßnahme für den Patienten ablehnen. Er bedarf hierfür jedoch der Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht. Das Vormundschaftsgericht hat dann die Aufgabe zu prüfen, ob die Entscheidung des Betreuers, die notwendige medizinische Behandlung abzulehnen, dem (wirklichen oder mutmaßlichen) Willen des Patienten entspricht. Damit hat nun das Gericht die schwierige Frage nach dem Patientenwillen zu klären. Es steht dabei, soweit keine schriftlichen Erklärungen vorhanden sind, wiederum vor der bereits oben dargestellten Schwierigkeit, die Zuverlässigkeit von Aussagen Dritter über die Lebenseinstellung des Patienten, seine ethischen Werte und eventuelle konkrete Äußerungen zu seinen Wünschen im Falle seiner Entscheidungsunfähigkeit zu beurteilen. Für den nicht (mehr) willens- oder äußerungsfähigen Patienten bedeutet dies, dass die Entscheidung über sein weiteres Leben oder sein Sterben im Wesentlichen fremdbestimmt ist. Auch wenn Grundlage der Entscheidung über diese Frage rechtlich sein Wille ist, sind es andere, die diesen ermitteln und interpretieren. Damit stellt sich die Frage, welche rechtlichen Möglichkeiten für einen entscheidungsfähigen Menschen bestehen, für seine mögliche spätere Entscheidungsunfähigkeit Vorsorge zu treffen. Wie kann sichergestellt werden, dass seine Vorstellungen von einem lebenswerten Leben und würdigen Sterben auch tatsächlich beachtet werden? III.
Rechtliche Möglichkeiten
Es gibt drei rechtliche Instrumente, die es ermöglichen, für den späteren Fall einer Entscheidungsunfähigkeit Vorsorge zu treffen: Patientenverfügung, Betreuungsverfügung und Vorsorgevollmacht. In einer Patientenverfügung kann der Verfasser für den Fall seiner späteren Entscheidungs- oder Äußerungsunfähigkeit bestimmen, welchen medizinischen Maßnahmen er zustimmt und welche er untersagt. Betreuungs- und Vorsorgevollmachten dienen dem Zweck selbst zu bestimmen, wer im Falle der eigenen Entscheidungs- oder Äußerungsunfähigkeit für einen entscheiden soll. Sie 29 BGH NJW 2003, 1588
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unterscheiden sich insofern, als der Vorsorgebevollmächtigte – anders als der Betreuer – grundsätzlich nicht der Kontrolle durch das Vormundschaftsgericht unterliegt. Zur Klarstellung: Diese drei rechtlichen Instrumente ermöglichen es, in gewissem Rahmen im Voraus darüber zu entscheiden, was medizinisch unternommen wird und wer über die jeweilige medizinische Maßnahme entscheidet. Einzeln oder in Kombination können sie deshalb einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dem tatsächlichen Willen des nunmehr entscheidungsunfähigen Patienten Geltung zu verschaffen. Eine Gewähr für die Selbstbestimmung eines Menschen bis zu seinem Lebensende sind sie gleichwohl nicht und können es auch nicht sein. Zum einen ist die rechtliche Bedeutung der Patientenverfügung nach wie vor nicht eindeutig geklärt. Zum anderen sind aber auch nicht alle möglichen medizinischen Entscheidungen vorhersehbar und im Voraus regelbar. Auch kann niemand sicher voraussehen, ob er das, was er heute als gesunder Mensch für richtig hält und schriftlich festlegt nicht völlig anders beurteilen wird, wenn er dann tatsächlich erkrankt. Schließlich gibt es auch keine Gewähr dafür, dass eine Person, der jemand heute vertraut und die er deshalb als zukünftigen Bevollmächtigten oder Betreuer einsetzt, diese Verantwortung später wahrnehmen kann und will und auch in der Lage ist, den tatsächlichen Willen des Betreuten zu ergründen. Im Einzelnen: 1.
Patientenverfügung
Mit einer Patientenverfügung erklärt eine Person schriftlich, dass sie die Vornahme medizinischer Maßnahmen wünscht oder untersagt, falls es später einmal zu einer Beeinträchtigung der Willens- und Äußerungsfähigkeit kommen sollte. Der Verfasser kann sich in der Verfügung darüber äußern, ob und welche medizinische Behandlung er insbesondere bei einer aussichtslosen Erkrankung wünscht, ob er beispielsweise Wiederbelebungsversuchen zustimmt oder diese ablehnt. Er kann auch bestimmen, dass im Falle schwerster Hirnschädigungen oder des Ausfalls lebenswichtiger Körperfunktionen eine intensivmedizinische Behandlung und eine künstliche Ernährung unterbleiben sollen. Der Verfasser kann also in der Verfügung hinsichtlich einer ärztlichen Behandlung all das bestimmen, was er bestimmen könnte, wenn er zum Zeitpunkt der anstehenden medizinischen Maßnahme seinen Willen äußern könnte. Die Grenzen seiner Verfügungsbefugnis bildet einerseits die medizinische Indikation. Auch eine Patientenverfügung kann einen Arzt nicht verpflichten, medizinisch nicht sinnvolle Behandlungen durchzuführen. Außerdem wird die Verfügungsbefugnis durch die rechtliche Zulässigkeit der gewünschten medizinischen Maßnahme begrenzt. Das bedeutet: In einer Patientenverfügung kann nicht wirksam aktive Sterbehilfe verlangt werden, weil aktive Sterbehilfe in Deutschland nach der derzeitigen Rechtslage verboten ist.30 Wenn der 30 Vgl. zum Thema Sterbehilfe Kapitel D.
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Verfasser einer Patientenverfügung dies gleichwohl in seine Verfügung hineingeschrieben hat, ist die entsprechende Regelung (nicht die gesamte Patientenverfügung) unwirksam. Aber wie verbindlich sind die rechtlich zulässigen Bestimmungen einer Patientenverfügung? Kann sich der Verfasser sicher sein, dass sich Ärzte, Betreuer oder Vorsorgebevollmächtigter daran halten und seinen niedergelegten Willen zuverlässig umsetzen? Diese Frage, nämlich ob und in welchem Umfang eine Patientenverfügung gegenüber Arzt und Betreuer/Bevollmächtigten rechtliche Bindungswirkung entfaltet, ist leider nicht eindeutig zu beantworten. Die Patientenverfügung ist bislang gesetzlich nicht gesondert geregelt.31 Deshalb sind es die Gerichte, die die für die derzeitige Rechtslage entscheidenden Kriterien für die Verbindlichkeit von Patientenverfügungen entwickelt haben. Das Problem bei diesem Richterrecht (im Gegensatz zu Gesetzesrecht) besteht darin, dass die Gerichte anhand eines Einzelfalles Entscheidungskriterien entwickeln. Diese können, je nach Besetzung des Gerichts und Besonderheit des zu entscheidenden Falles sehr unterschiedlich ausfallen. Das wiederum führt zu einer unübersichtlichen Rechtslage und trifft auch auf den Bereich der Patientenverfügung zu: Im Grundsatz sind sich die Gerichte darüber einig, dass eine Patientenverfügung verbindlich ist.32 Der Bundesgerichtshof hat in der zitierten Entscheidung aus dem Jahr 2003 ausdrücklich betont, dass das Selbstbestimmungsrecht des Patienten aus der Menschenwürde folgt. Aus diesem Grunde müssten – so das Gericht – lebenserhaltende Maßnahmen einschließlich einer künstlichen Ernährung des Patienten unterbleiben, „wenn dies seinem zuvor – etwa in Form einer Patientenver33 fügung – geäußerten Willen entspricht“. Gleichzeitig hat der Bundesgerichtshof jedoch in derselben Entscheidung die Wirksamkeit von Patientenverfügungen – im Verhältnis zu der Entscheidungskompetenz eines willenfähigen Patienten – ganz erheblich eingeschränkt: Ein Behandlungsabbruch selbst bei irreversibel tödlichem Verlauf soll nämlich nur dann zulässig sein, wenn zuvor eine Genehmigung 34 des Vormundschaftsgerichts eingeholt wurde. Die bislang neueste Entscheidung 35 des Bundesgerichtshofes zu diesem Themenkreis weist dagegen in eine andere Richtung. Nach diesem Beschluss soll eine Entscheidung des Vormundschaftsgerichts nur dann erforderlich sein, wenn der behandelnde Arzt eine lebenserhaltende oder –verlängernde Maßnahme für medizinisch geboten oder vertretbar erach31 Zwar hat das Bundesjustizministerium im November 2004 einen Gesetzesentwurf zum Thema Patientenverfügung vorgelegt, dieser wurde jedoch nach massiver Kritik u.a. der beiden großen christlichen Kirchen nicht weiterverfolgt. Die Parteien einigten sich dann darauf, dass „aus der Mitte des Parlaments“ (also parteiübergreifend) ein neuer Entwurf erarbeitet werden sollte, hierzu ist es aber bislang nicht gekommen. 32 Zuletzt BGH NJW 2003, 1588. 33 BGH a.a.O. 34 BGH a.a.O. 35 BGH, NJW 2005, 2385.
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tet und sie deshalb „anbietet“, der Betreuer dieses Angebot aber ablehnt. Die Einzelheiten der verschiedenen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes, ihre Hintergründe und jeweilige Bedeutung für die Praxis zu erörtern, würde hier den Rahmen sprengen. Eine solche Erörterung führt auch nicht weiter, da mangels eindeutiger gesetzlicher Regelungen eine endgültige Klarheit nicht zu gewinnen ist. Für jemanden, der sich jetzt Gedanken über eine Vorsorge für den Fall seiner späteren Entscheidungsunfähigkeit macht, ist vielmehr die Feststellung wichtig, dass eine Patientenverfügung verbindlich ist, soweit ihr Inhalt rechtlich zulässig ist (keine aktive Sterbehilfe) und die aktuell in Frage stehende Entscheidung (beispielsweise über einen Behandlungsabbruch oder die Einstellung der künstlichen Ernährung) von dem Inhalt der Patientenverfügung gedeckt ist. Damit ist auch schon das Hauptproblem der Patientenverfügung angesprochen, dass nämlich nicht jede nur denkbare Erkrankung mit allen eventuell auftretenden Komplikationen oder auch positiven Entwicklungen im Zusammenhang mit der dann bestehenden Lebenssituation eines Menschen vorhersehbar ist. Ob und in welchem Umfang ein Mensch bereit und körperlich in der Lage ist, beispielsweise eine extrem belastende Krebstherapie auf sich zu nehmen, hängt nicht nur von seinem Alter ab. Hat der Patient kleine Kinder, ist die Bereitschaft, alle medizinischen Möglichkeiten auch für eine nur begrenzte Lebenszeitverlängerung auszuschöpfen, möglicherweise größer als bei einem Alleinstehenden. Ein rüstiger, glücklich verheirateter 70-Jähriger, der seinen Ruhestand genießt, kann einen sehr viel stärkeren Lebenswillen haben als eine depressive 40-Jährige. Eine Patientenverfügung wird daher nicht ohne Verallgemeinerungen auskommen. Um die ganze Vielfalt möglicher Erkrankungen, Krankheitsstadien und medizinischer Maßnahmen abzudecken, müssen diese unter Oberbegriffen (beispielsweise Hirnabbauprozess, unmittelbare Sterbephase oder lebenserhaltende Maßnahmen) zusammengefasst werden. Ob die in der Patientenverfügung allgemein umschriebene Situation dann tatsächlich auf die konkrete Situation, in der die Patientenverfügung nun relevant wird, zutrifft, wird daher in vielen Fällen eine Frage der Interpretation und Auslegung der Verfügung sein. Das Ergebnis der Auslegung hängt nicht nur wesentlich von der inhaltlichen Qualität der Patientenverfügung ab, sondern auch von der Person, die diese Auslegung vornimmt. Dies ist neben den behandelnden Ärzten in erster Linie der gerichtlich bestellte Betreuer oder eine von dem nunmehr entscheidungsunfähigen Patienten vorab für diese Situation Bevollmächtigter. Das bedeutet: Eine Patientenverfügung ist eine sinnvolle Möglichkeit, Dritten (also Ärzten und Vertretern des Verfügenden) mitzuteilen, ob und in welchem Umfang eine schwerwiegende Erkrankung des Verfügenden medizinisch behandelt werden soll. Genauso wichtig, wenn nicht noch wichtiger ist es jedoch, die Person zu bestimmen, die den Verfügenden im Falle seiner Willensunfähigkeit vertritt. Es ist daher sinnvoll, zusätzlich zu einer Patientenverfügung hierfür Bestimmungen in Form einer Betreuungs- oder Vorsorgevollmacht zu treffen.
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Betreuungsvollmacht und Vorsorgevollmacht
Wie bereits eingangs dargestellt, ermöglichen es Betreuungs- und die Vorsorgevollmacht selber frühzeitig zu bestimmen, wer im Falle der eigenen Willens- und Entscheidungsunfähigkeit für einen handeln und entscheiden soll. Die Bedeutung dieser rechtlichen Instrumentarien beschränkt sich dabei nicht nur auf die Auslegung einer Patientenverfügung. Die Person des Betreuers oder Bevollmächtigten spielt noch eine viel größere Rolle, wenn keine Patientenverfügung vorhanden ist, oder aber eine vorhandene Patientenverfügung auf die konkrete Situation keine Anwendung findet, weil sie keine entsprechende Regelung enthält. In diesen Fällen, in denen der tatsächliche Wille des Patienten nicht bekannt und nicht ermittelbar ist, ist es Aufgabe des Betreuers/Bevollmächtigten, dessen mutmaßlichen Willen zu ergründen. Wie gut einem Bevollmächtigten das gelingt, hängt nicht nur von seiner Persönlichkeit, sondern auch davon ab, wie gut er den Patienten und dessen Werte und Lebenseinstellung kennt. Ob eine Betreuungs- oder eine Vorsorgevollmacht sinnvoll ist, ist – kurz gesagt – eine Frage des Vertrauens: Gibt es eine Person, der Sie vollständig vertrauen, dann ist es sinnvoll, diese Person als Vorsorgebevollmächtigten einzusetzen. Vertrauen bedeutet in diesem Fall nicht nur, dass die Person Ihre besonderen Lebensumstände und persönlichen Wertvorstellungen kennt, sondern dass sie diese auch respektiert. Ein Bevollmächtigter muss bereit und in der Lage sein, die Vorstellungen und Wünsche des Vollmachtgebers eigenverantwortlich, möglicherweise auch gegen den Willen und die Vorstellungen anderer Angehöriger, Freunde, der betreuenden Ärzte und des Pflegepersonals, zu vertreten und durchzusetzen. Es ist daher sinnvoll, den gewünschten Bevollmächtigten bereits bei der Abfassung der Vollmacht mit einzubeziehen und mögliche Konfliktsituationen anzusprechen. Der Vollmachtgeber überträgt seine Rechte (für den Fall, dass er sie selber nicht mehr wahrnehmen kann) auf den Bevollmächtigten. Der Vorsorgebevollmächtigte tritt dann in die Rechte des Vollmachtgebers (des Patienten) ein und übt diese wie eigene Rechte aus. Er unterliegt – im Gegensatz zu dem Betreuer – grundsätzlich keiner gerichtlichen Kontrolle. Nur für außergewöhnliche Entscheidungen, wie die über eine medizinische Maßnahme, die lebensbedrohlich ist (komplizierte Herzoperation) oder bei der mit einem andauernden Gesundheitsschaden (Amputation) zu rechnen ist und bei freiheitsbeschränkenden Maßnahmen (Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung, Anbringung von Bettgittern, Fixierung im Bett) benötigt er eine Genehmigung des Vormundschaftsgerichts. In allen anderen Fällen, insbesondere wenn es um die Ablehnung einer – möglicherweise lebensrettenden oder lebensverlängernden – medizinischen Maßnahme geht, braucht der Bevollmächtigte keine gerichtliche Genehmigung. Das Gericht wird sich nur dann einschalten, wenn ihm (etwa durch medizinisches Personal oder Angehörige) Umstände bekannt werden, die auf einen Missbrauch der Vollmacht hindeuten. Es kann dann beispielsweise
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einen Kontrollbetreuer einsetzen. Der Vorteil der Vorsorgevollmacht gegenüber der Betreuungsverfügung besteht in erster Linie in der größeren Entscheidungsfreiheit und Flexibilität des Bevollmächtigten. Ein verantwortungsvoller Bevollmächtigter wird wichtige Entscheidungen im Sinne des Vollmachtgebers treffen, ohne hierfür bürokratische Hürden, wie eine gerichtliche Genehmigung, überwinden zu müssen. Er ist auch nicht darauf angewiesen, bei Ent- scheidungen über eine medizinische Maßnahme oder deren Abbruch einen Konsens mit den behandelnden Ärzten herbeizuführen. Gleichzeitig bedeuten das Recht und die Pflicht, für einen anderen Menschen über Maß und Grenzen medizinischer Behandlungen – und damit u.U. über dessen Weiterleben oder Sterben – zu entscheiden eine große Verantwortung und eine schwere Bürde für den Bevollmächtigten. Gibt es in Ihrem Familien- oder Freundeskreis niemandem, dem Sie zutrauen, Ihre Vorstellungen und Wünsche in dieser Weise verantwortungsvoll und konsequent umzusetzen, bietet sich eine Betreuungsverfügung an. Sie enthält die Bestimmung, wer im Bedarfsfall als Betreuer eingesetzt werden soll. Natürlich setzt auch sie voraus, dass Sie dem gewünschten Betreuer vertrauen und davon überzeugt sind, dass er seine Entscheidungskompetenz in Ihrem Sinne ausübt. Eine Betreuungsverfügung kann auch festlegen, welcher Angehörige, Freund oder Bekannte keinesfalls mit der Betreuung beauftragt werden soll. Ein Betreuer verfügt über einen im Gesetz festgelegten, klar umgrenzten Aufgabenbereich. Er kann je nach Umfang der Hilfsbedürftigkeit des Betreuten für einen oder mehrere Aufgabenbereiche eingesetzt werden. Es können auch unterschiedliche Personen für die einzelnen Bereiche bestimmt werden (beispielsweise die Ehefrau für Gesundheitsangelegenheiten und der Sohn für Vermögensangelegenheiten). Der Betreuer wird vom Gericht eingesetzt. Existiert eine Betreuungsverfügung, wird die darin benannte Person (sofern sie dazu in der Lage ist) von dem Gericht als Betreuer eingesetzt. Anders als der Vorsorgebevollmächtigte unterliegt der Betreuer einer strengen Kontrolle durch das Vormundschaftsgericht. Er ist verpflichtet, dem Gericht in regelmäßigen Abständen Rechenschaft über seine Tätigkeit abzulegen. Diese gerichtliche Kontrolle, die gegen einen Missbrauch der Betreuerrechte schützen soll, geht einher mit einer gewissen Schwerfälligkeit der Entscheidungsprozesse in wichtigen Angelegenheiten und einem nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand für den Betreuer. Gleichzeitig bedeutet sie aber für den Betreuer, dass er die Verantwortung bei schwerwiegenden Entscheidungen nicht alleine zu tragen hat. Gerade in Familien, in denen innerhalb der engsten Angehörigen des nunmehr Willenunfähigen sehr unterschiedliche Lebenseinstellungen herrschen oder in denen es ernsthafte Familienstreitigkeiten gibt, kann die gerichtliche Kontrolle für den betreuenden Angehörigen eine Hilfe und Entlastung bedeuten. Wie bereits oben angesprochen können weder Patientenverfügung noch Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung die Selbstbestimmung eines Patienten bis in die letzte Phase seines Lebens garantieren. Bei vielen Menschen, die
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am Ende ihres Lebens nicht mehr in der Lage sind, einen eigenen Willen zu bilden oder diesen zu artikulieren, werden andere für sie entscheiden müssen. Damit aber diese anderen Menschen die notwendigen Entscheidungen so weit wie nur irgend möglich im Sinne des nunmehr willensunfähigen Patienten treffen, sind die drei genannten rechtlichen Instrumente eine große Hilfe: Die wahrscheinlich größte Bedeutung kommt dabei der Vorsorgevollmacht zu. Sie gibt der bevollmächtigten Vertrauensperson ein großes Maß an Unabhängigkeit und Entscheidungsbefugnissen, die diese im Sinne des Patienten ausüben kann. Existiert zudem eine Patientenverfügung kann der Bevollmächtigte die darin enthaltenen Bestimmungen in den meisten Fällen ohne bürokratischen Aufwand umsetzen. Soweit eine Situation eintritt, die nicht speziell in der Patientenverfügung geregelt ist, bietet diese gleichwohl eine Orientierung für die Ermittlung des mutmaßlichen Willens des Patienten. Gibt es im persönlichen Umfeld des Verfügenden niemanden, dem er vollständig vertraut, ist es in jedem Fall sinnvoll, im Wege einer Betreuungsverfügung auf die Bestellung des künftigen Betreuers Einfluss zu nehmen. Auch hier ist eine Kombination mit einer Patientenverfügung zu empfehlen, an die der Betreuer (wie selbstverständlich auch der Vorsorgebevollmächtigte) gebunden ist. IV.
Zusammenfassung und praktische Hinweise
Danach ist eine Vorsorgevollmacht für jedermann sinnvoll. Jeder Mensch kann in die Situation kommen, in der er selber keine Entscheidungen mehr treffen kann. Da es nach deutschem Recht keine automatische Stellvertretung durch Ehepartner oder andere Angehörige gibt, ist die Vorsorgevollmacht ein geeignetes Mittel, um die Person des Stellvertreters selber zu bestimmen. Als Vorsorgebevollmächtigter sollte jedoch nur eine Vertrauensperson eingesetzt werden. Fehlt es an einer solchen Vertrauensperson ist die Betreuungsverfügung das geeignete Mittel, um über die Person des Stellvertreters selber zu entscheiden. Eine Patientenverfügung ist dann sinnvoll, wenn jemand eine Therapiebegrenzung oder aber eine Ausschöpfung aller Therapiemöglichkeiten auch dann wünscht, wenn eine Heilung nicht mehr möglich erscheint oder die Heilungschancen gering sind. Unabhängig davon kann eine Patientenverfügung für einen Vorsorgebevollmächtigten oder Betreuer eine große Hilfe sein, weil sie die persönlichen Wünsche und Vorstellungen des nunmehr Entscheidungsunfähigen dokumentiert. Für jemanden, der nun eine Patientenverfügung und/oder Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung verfassen möchte, bieten sich verschiedene Möglichkeiten an:
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Individuelle Verfügungen
Zum einen besteht die Möglichkeit, einen auf das Gebiet der Patientenverfügung spezialisierten Rechtsanwalt (häufig sind dies Anwälte, die auf Erbrecht spezialisiert sind) aufzusuchen und diesen zu beauftragen, die gewünschten Verfügungen auszuarbeiten. Vorteilhaft an dieser Vorgehensweise ist die individuelle und persönliche Beratung durch den Anwalt. 2.
Verfügungsformulare und Textbausteine
Als Alternative dazu bieten die Kirchen und eine Vielzahl von privaten Organisationen und staatlichen Institutionen Formulare für Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung an. Dabei handelte sich zum Teil um Formulare, in denen der Aussteller vorformulierte Bestimmungen ankreuzen. Insbesondere über das Internet werden außerdem Textbausteine angeboten, die der Verfasser individuell kombinieren und zusammenstellen kann. Diese Textbausteine beinhalten zwar eine große Auswahl unterschiedlicher Regelungsmöglichkeiten. Für einen medizinischen und juristischen Laien dürfte es jedoch schwierig sein, die rechtlichen und praktischen Konsequenzen der vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten zu überschauen. Die praktikablere Lösung bieten daher die Formulare, in denen der Verfasser die von ihm gewünschten Bestimmungen ankreuzt. Aus den derzeit über 180 verschiedenen Formularen soll an dieser Stelle eines herausgegriffen werden, das sich durch seine klaren inhaltlichen Bestimmungen und seinen besonders übersichtlichen Informationsteil auszeichnet: Es ist dies die von dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz herausgegebene Broschüre „Vorsorge für Unfall, Krankheit und Alter“.36 Sie enthält neben Vordrucken für Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung einen Fragenkatalog, in dem alle wichtigen im Zusammenhang mit den Verfügungen auftauchenden Fragen beantwortet werden. Hervorzuheben ist dabei neben der sehr übersichtlichen Gestaltung, dass alle Fragen klar und für jedermann verständlich beantwortet werden. In diesem Zusammenhang noch eine Bemerkung zu der von der Deutschen Bischofskonferenz gemeinsam mit dem Rat der EKD herausgegebenen Christlichen Patientenverfügung: Der Anwendungsbereich dieser Verfügung ist sehr eng gefasst: Der erste Satz der Verfügung lautet: „Für den Fall, dass ich meinen Willen nicht mehr bilden oder äußern kann, verfüge ich: An mir sollen keine lebensverlängernden Maßnahmen vorgenommen werden, wenn nach bestem ärztlichen Wissen und Gewissen festgestellt wird, dass jede lebenserhaltende Maßnahme ohne Aussicht auf Besserung ist und mein Sterben nur verlängern würde.“ Damit betrifft diese Verfügung nur die letzte Sterbephase, eine Phase also, in der jede lebensver-
36 Erschienen im Verlag C. H. Neck, ISBN 3-406-53063-X.
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längernde Maßnahme ohnehin schlechte Medizin wäre. Sie enthält damit nicht mehr als die Bestätigung dessen, was ohnehin selbstverständlich sein sollte. Auf die Situation eines Wachkomapatienten trifft die Verfügung ebenso wenig zu wie auf die Situation eines dementen Menschen oder eines Patienten mit schwersten irreversiblen Hirnschäden – ohne dass diese ansonsten lebensbedrohliche Erkrankungen hätten. Für jemanden, der auch in diesen Fällen und nicht nur in der unmittelbaren Sterbephase eine Begrenzung der medizinischen Behandlung wünscht, ist die christliche Patientenverfügung daher nicht geeignet. Die in der Broschüre außerdem abgedruckten Formulare einer Betreuungsverfügung und Vorsorgevollmacht enthalten alle juristisch wichtigen Bestimmungen und können daher uneingeschränkt empfohlen werden. Abschließend sei auf drei Punkte hingewiesen, die für alle Patientenverfügungen von Bedeutung sind: • Vor der Abfassung einer Patientenverfügung sollte ein ausführliches Beratungsgespräch mit dem Hausarzt (oder einem anderen Arzt) stehen. Er kann nicht nur die einzelnen in den Verfügungsformularen enthaltenen Bestimmungen noch einmal erläutern, sondern auch auf Besonderheiten hinweisen, die sich möglicherweise aus dem individuellen Gesundheitszustand des Verfassers ergeben. Darüber hinaus dient ein solches Gespräch auch als Beleg dafür, dass sich der Verfasser mit dem Inhalt und den Konsequenzen der Verfügung intensiv auseinandergesetzt hat. Der Arzt sollte außerdem am Ende der Patientenverfügung mit Datum und Unterschrift bestätigen, dass ein Beratungsgespräch stattgefunden hat und dass der Verfasser zu diesem Zeitpunkt im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte war. Damit kann späteren Auseinandersetzungen über diese Frage vorgebeugt werden. • Die meisten Patientenverfügungen enthalten die Empfehlung, die Verfügung regelmäßig durch eine erneute Unterschrift zu bestätigen (so auch die oben angesprochene). Diese Empfehlung ist nicht ohne Risiko: Bestätigt der Verfasser in drei aufeinander folgenden Jahren durch erneute Unterschrift jeweils im Januar die Aktualität der Verfügung und vergisst er dies im vierten Jahr, so kann daraus der Schluss gezogen werden, dass die Verfügung nicht mehr seinem derzeitigen Willen entspricht, also keine Gültigkeit haben soll. Auch wenn er in mehr oder weniger unregelmäßigen Abständen unterschreibt, besteht die Gefahr, dass der Abstand einmal etwas länger ausfällt und damit Zweifel an der Aktualität des dokumentierten Willens begründet werden. Vor diesem Hintergrund ist zu bedenken, ob nicht in ausdrücklicher Hinweis darauf, dass die Verfügung weder in regelmäßigen noch in unregelmäßigen Abständen erneut unterschrieben wird, sinnvoll ist. Ein solcher Passus könnte beispielsweise folgendermaßen lauten: „Ich habe die Verfügung nach reiflicher Überlegung und ausführlichen Gesprächen mit … (Familienangehörigen, Freunden, Rechtsanwalt, Arzt) verfasst. Sie dokumentiert meinen aktuellen Willen. Ich werde dies 37 So ein Arzt in einem Vortrag zu diesem Thema.
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nicht durch erneute Unterschriften, weder regelmäßig noch unregelmäßig, erneut bestätigen. Sollte ich meinen in der Verfügung dokumentierten Willen ändern, werde ich die Verfügung vernichten oder entsprechende Änderungen einfügen.“ Viele Formulare sehen Raum für eine freie Darstellung der persönlichen Werte und der Lebenseinstellung des Verfügenden vor. Eine solche Zusammenfassung der für das eigene Leben wichtigen Überzeugungen ist sinnvoll. Sie kann eine wertvolle Hilfe bei der Auslegung der Verfügung sein. Tritt eine Situation ein, zu der die Verfügung keine ausdrückliche Regelung enthält, bietet sie Anhaltspunkte für die Ermittlung des mutmaßlichen Willens. Informationsmaterial und Musterformulare „Vorsorge für Unfall, Krankheit und Alter“, herausgegeben vom Bayerischen Staatsministerium der Justiz, Verlag C. H. Beck, 9. Aufl., Sept. 2005, (3,90 €), ISBN 3-406-54052-X, zu beziehen über den Buchhandel oder das Internet unter beck.shop.de Matthias Winkler, Vorsorgevollmachten, Verlag C. H. Beck, 2. Aufl. 2005, (14,90 €) T. Klie, J.-C. Student, Die Patientenverfügung, ISBN 3-451-05044-78 Formulierungshilfe Patientenverfügung des Bundesjustizministeriums, www.bmj.bund.de (Uta Lehmann, 10.03.2006)
F
Palliativversorgung und Hospizarbeit
I.
Einführung
In unserer Gesellschaft greift zunehmend die Angst um sich, vereinsamt, unter sinnlosem Leiden und ohne Kontrolle über die Rahmensituation zu versterben. Manche Menschen möchten dem durch rechtliche Vorausverfügungen vorbeugen. Anderen scheint nur eine Legalisierung der aktiven Sterbehilfe (Tötung auf Verlangen) eine ausreichende Garantie zu sein, selbstbestimmtes Leben durch ein selbstbestimmtes Sterben zu vollenden. Bei allen Kontroversen um die aktive Sterbehilfe besteht jedoch meistens Einigkeit darüber, dass es das Beste wäre, nach Möglichkeit Rahmenbedingungen zu gewährleisten, die den Wunsch nach aktiver Sterbehilfe gar nicht erst entstehen ließen. Dies ist es, was Palliativversorgung (der Grundbegriff „palliativ care“ geht über die übliche deutsche Übersetzung „Palliativmedizin“ eigentlich weit hinaus) und Hospizarbeit erreichen wollen.
294
II.
Selbstständig Evangelisch-Lutherische Kirche
Palliativversorgung
Palliativversorgung findet in verschiedenen Bereichen statt: 1. der Symptomkontrolle bzw. medizinischen Komponente: Schmerzlinderung, Behebung körperlicher Beschwerden wie Atemnot, Übelkeit usw. 2. der sozialen Komponente: Sterben sollte in möglichst vertrauter Umgebung, d.h. wenn der Wunsch danach besteht möglichst zu Hause und in Gegenwart vertrauter Menschen ermöglicht werden 3. der psychischen Komponente: es soll ermöglicht werden, wichtig erscheinende Dinge abzuschließen, zu Ende zu bringen 4. der seelischen/religiösen Komponente: der Sterbende soll in seiner Suche nach dem Sinn seines Lebens bzw. Sterbens unterstützt werden ohne ihn zu bevormunden. Das bedeutet vor allem, aushalten zu können, wenn der Sterbende frühere Überzeugungen in Frage stellt, ohne voreilige Antworten zu geben oder davonzulaufen.38 Ganz wichtig ist es zu wissen, dass die heutige Medizin bei nahezu allen Schmerzzuständen in der Lage ist, die körperliche Komponente des Schmerzes erträglich zu gestalten. Hierbei kann in Extremfällen die Hinzuziehung eines Schmerzspezialisten erforderlich sein. Genauso wichtig ist es aber, dass der erlebte Schmerz nur zu einem geringeren Anteil körperlich bedingt ist. Der größere Anteil des Schmerzes ist durch die psychischen, spirituellen und andre Begleitumstände bedingt: Gelingt es, diese Nöte zu beheben, wird auch der körperlich empfundene Schmerz deutlich gelindert.39 III.
Hospizarbeit
Unter Hospiz versteht man heute ein Konzept der Fürsorge für sterbende Menschen und ihre Angehörigen, das die Bedürfnisse und Wünsche der Betroffenen ganz ins Zentrum stellt. Geleistet wird diese Arbeit durch Hauptamtliche unterschiedlicher Berufsgruppen (insbesondere durch Pflegekräfte, Ärzte und Sozialarbeiter) sowie durch freiwillige Helferinnen und Helfer. Letztere tragen in besonderem Maße dazu bei, das „normale“ Leben in die Sterbesituation zu integrieren und umgekehrt. Wichtigste Aufgabe ist die Behandlung von körperlichen und seelischen Beschwerden (s.o.). Hospize haben nicht das Ziel, den Sterbeprozess zu verzögern oder zu beschleunigen. Die Nachsorge für die Angehörigen in der Zeit der Trauer ist integraler Bestandteil der Arbeit. Wichtigstes Ziel der Hospizarbeit ist es, den Menschen ein Sterben zu Hause zu ermöglichen. Falls dieses nicht mehr möglich ist, gibt es auch stationäre Hospizangebote.40 Das erste moderne (stationäre) Hos38 J.-C. Student: Sterben, Tod und Trauer, 90ff. 39 J.-C. Student: Referat vor dieser Kommission am 9.4.2005. 40 T. Klie, J.-C. Student: Die Patientenverfügung, 19.
Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen
295
piz nach dieser Idee wurde 1967 in London gegründet. In Deutschland kam der Hospizgedanke erst in den 70er Jahren auf und führte 1986 zur Gründung des ersten stationären Hospizes in Aachen und parallel der ersten ambulanten Arbeits41 gruppe in Hannover. Die ambulanten Hospizdienste stellen idealerweise eine psychosoziale Begleitung betroffener Familien zur Verfügung (einschließlich einer 24-Stunden-Rufbereitschaft) mit sorgfältiger Beachtung des körperlichen Befindens und der Fähigkeit, fachkundige Hilfe für die palliativmedizinische Betreuung hinzuzuziehen. Bei ambulanten Diensten, die dieses Niveau nicht erreichen, spricht man von HospizInitiativen. Es gibt auch ambulante Palliativ-Care-Teams, die palliative Pflege oder eine Palliative-Care-Beratung anbieten. Stationäre Hospiz-Einrichtungen sind entweder Pflegeeinrichtungen ohne Anbindung an eine größere Institution oder Palliativstationen, die fest in eine Klinik eingebunden sind. Bisher kaum in Deutschland vorhanden sind die teilstationären Hospize, die entweder als Tageshospize oder als Nachthospize Sterbende zu bestimmten, für diese notwendigen Zeiten aufnehmen, um auf diese Weise eine dauerhafte Einweisung zu vermeiden.42 Die Finanzierung der stationären Hospize erfolgt als Mischfinanzierung aus Krankenkassen, Pflegekassen und 10% Eigenanteil, der vor allem durch ehrenamtliche Arbeit und Spenden gedeckt wird. Für ambulante Hospizdienste ist ein Zuschuss der gesetzlichen Krankenkassen vorgesehen, der jedoch aufgrund bestimmter Auflagen (z.B. mindestens 15 ehrenamtliche Mitarbeiter) insbesondere für kleinere Initiativen nicht 43 zugänglich ist. Im ambulanten Bereich wird in Deutschland noch der größte Entwicklungsbedarf gesehen. Sterbebegleitung bietet auch immer die Gefahr, eigene Vorstellung vom Sterben anstelle der des Sterbenden in den Vordergrund zu rücken. Hospize sind sich dieser Gefahr bewusst und versuchen ihr durch besondere Schulung der Mitarbeiter zu begegnen: „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Hospizen sollten in ganz besonderer Weise um die eigenen Ängste angesichts von Sterben, Tod und Trauer wissen. Sie werden deshalb darin geübt, diese eigenen Ängste angesichts derjenigen von Sterbenden nicht zu verdrängen, sondern mit der nötigen Wachheit wahrzunehmen. Sie wissen, dass diese Fähigkeit zur Bewältigung eigener Ängste ihnen nicht in den Schoß fällt, sondern immer wieder auf neuen, kreativen Wegen erworben werden muss. Hierbei soll Bildungsarbeit sie unterstützen.“44
41 42 43 44
Enquete-Kommission Ethik und Recht der modernen Medizin, BT-Drs. 15/5858, 29. J.-C. Student: Sterben, Tod und Trauer, 90ff. Enquete-Kommission Ethik und Recht der modernen Medizin, BT-Drs. 15/5858, 33. J.-C. Student: Fünf Thesen zur Fortbildung von SterbebegleiterInnen, www.hospiz-stuttgart.de [10.2009].
296
Selbstständig Evangelisch-Lutherische Kirche
IV.
Einstellung der Hospizbewegung zu weiteren Strategien zur Bewältigung der letzten Lebensphase
1.
Patientenverfügung/Vorsorgevollmacht
Wenn wir an das Ziel einer Patientenverfügung als Vorsorge für das Lebensende denken, haben wir meistens konkrete Situationen, z.B. einen Schlaganfall oder was wir sonst besonders fürchten, vor Augen. Aber wie viele der Varianten des Lebens und der Krankheit, die uns treffen können, lassen sich wirklich in unseren Überlegungen vorwegnehmen? Und haben wir wirklich vor einer möglichen Erkrankung dieselben Vorstellungen, wie sie sich in der Erkrankungssituation entwickeln würden?45 Möglicherweise liegt der größte Wert einer Patientenverfügung nicht in ihrer rechtlichen Wirkung sondern darin, dass ich dadurch gezwungen bin, mir selbst über meine Wünsche und Vorstellungen bezogen auf mein Lebensende Klarheit zu gewinnen. Dies kann in einem ersten Schritt am besten über die eigene Formulierung, nicht über die Orientierung an Vordrucken geschehen. Über diese Vorstellungen sollte dann auch unbedingt das Gespräch gesucht werden: Einerseits mit dem Hausarzt, der auf diese Weise Einblick in die eigenen Wünsche gewinnt und umgekehrt vielleicht auch wertvolle Hinweise auf individuell bedrohende Erkrankungen geben kann. Andererseits mit Personen des eigenen Vertrauens, Verwandte oder enge Freunde. Dies ist wichtig, damit diese Personen später einmal für einen eintreten und ggf. auch entscheiden können. An den Auseinandersetzungen in diesen Gesprächen haben die eigenen Vorstellungen die Chance zu reifen und konkrete Gestalt zu gewinnen. Welche juristische Form ich dann letztlich für meine Verfügung wähle, ist wieder ein eigenes Thema. Rechtliche Vorsorge kann jedoch die soziale Vorsorge nicht ersetzen. In Phasen der Abhängigkeit, in schwerer Krankheit und im Sterben ist man auf soziale Unterstützung angewiesen, auf Menschen, die für einen eintreten, die ggf. eine Vorsorgeverfügung zur Geltung bringen oder sonst einen Beitrag dazu leisten, dass ich verstanden werde, dass ich mich verstanden fühle der man mich zu verstehen sucht. Es ist bekannt, dass sich Menschen besonders in Krisensituationen neue Sichtweisen erschließen. Schwere Krankheit und Sterben gehören zu den größten vorstellbaren Krisensituationen. Aus diesem Grund wird von Vertretern der Hospizarbeit auch eher die Vorsorgevollmacht der Patientenverfügung vorgezogen – wenn sich auch sicher beide ergänzen können. Ein Mensch, dem ich besonders am Herzen liege, mit dem ich wesentliche Wertvorstellungen über Leben und Sterben teile und der bereit ist, mich in einem Krankheits- und Sterbeprozess zu begleiten, ist wahrscheinlich der beste Garant dafür, dass im Ernstfall auch wirklich meinen aktuellen Wünschen Rechnung getragen wird.46 45 T. Klie, J.-C. Student: Die Patientenverfügung, 23. 46 Ebd., 144.
Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen
2.
297
Aktive Sterbehilfe
Oberflächlich gesehen scheinen sich Palliativversorgung und aktive Sterbehilfe nicht auszuschließen. Es wird immer Situationen geben, in denen Menschen trotz palliativer Versorgung nach aktiver Sterbehilfe verlangen. Der Legalisierung aktiver Sterbehilfe stehen trotzdem gewichtige Argumente entgegen. 1. Nach aller Erfahrung hat der Wunsch eines todkranken Menschen „Ich möchte sterben“ am häufigsten die Bedeutung: „Ich fühle mich einsam, ich möchte über das Thema Sterben mit dir ins Gespräch kommen.“ Er ist damit ein 47 Kommunikationsmotiv, das als solches verstanden werden muss. 2. In anderen Fällen bedeutet der Ruf nach aktiver Sterbehilfe – ähnlich wie bei anderen Formen der Suizidalität: „Ich möchte so nicht weiterleben.“ Hier ist in erster Linie an Schmerzen zu denken, aber auch an andere körperlich und see48 lische Belastungen in solch einer Zeit. Der vermeintlich leichtere Weg der aktiven Sterbehilfe kann und wird dazu führen, dass im Einzelfall weniger intensiv nach Lösungsmöglichkeiten für persönliche Krisensituationen gesucht wird. 3. Der Selbsttötung – dem Suizid – steht in aller Regel unser instinktiver Überlebenswille entgegen. Deshalb wird er am ehesten realisierbar, wenn auf unseren Wunsch ein anderer die Tötung durchführt. Dabei ist es möglicherweise so, dass eine Art „Beziehungs-Automatismus“ einsetzt, der zu wenig Platz für die Abkehr von einem Selbsttötungswunsch in letzter Minute lässt.49 Letztere Überlegung deckt sich mit der Beobachtung, dass Menschen, die aktive Sterbehilfe im Ausland in Anspruch nehmen, in der Regel durchaus körperlich in der 50 Lage wären, ihrem Leben selbst ein Ende zu setzen. Ebenfalls kommt es öfters vor, dass sterbenskranke Menschen zwar den dringenden Wunsch äußern, getötet zu werden, aber die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten 51 nicht nutzen. 4. Bei aktiver Sterbehilfe endet die Beziehung zwischen dem Sterbenden und seinem „Helfer“ in einer bestenfalls einvernehmlichen, aber dennoch gewaltsamen Zerstörung. Dies kann erhebliche psychische Folgen für den überlebenden „Helfer“ haben, die letztlich auch eine Gesellschaft, die solches akzeptiert 52 oder sogar billigt, nicht unverändert lassen werden.
47 48 49 50 51 52
Ebd., 107. Ebd., 107. J.-C. Student: Sterbehilfe und Palliativmedizin, http://www.hospiz-stuttgart.de [10.2009], 4. J.-C. Student: Referat vor dieser Kommission am 9.4.2005. T. Klie, J.-C. Student: Die Patientenverfügung, 108ff. Zu gesellschaftlichen Auswirkungen aktiver Sterbehilfe s. Beitrag B.
298
V.
Selbstständig Evangelisch-Lutherische Kirche
Die schwierige Frage künstlicher Ernährung
Bei der Frage nach künstlicher Ernährung und Flüssigkeitszufuhr, insbesondere durch das Legen einer Ernährungssonde durch die Bauchdecke (sog. PEG53 Sonde), müssen in der Palliativversorgung drei Situationen unterschieden werden: 1.
Ernährung am Lebensende
Aus Sicht der Hospizarbeit wird einem Todkranken, der nicht mehr „genügend“ isst oder trinkt, viel zu oft ohne langes Nachdenken und ohne intensive Aufklärung über die ethischen Folgeprobleme eine Ernährungssonde angeboten. Insgesamt lässt sich sagen, dass die Entscheidung, wie Ernährung und Flüssigkeitszufuhr erfolgen soll, im ausdrücklichen Willen des sterbenden Menschen liegt. Seine Wünsche zu achten, auch wenn uns dies unbequem erscheint, sichert ihm im Sterben seine Würde. Das Austrocknen eines Patienten in diesem Zusammenhang zuzulassen, erfordert freilich ein hohes Maß an pflegerischem Können, um unangenehmen Begleiterscheinungen vorzubeugen, und einen besonders sensiblen Umgang mit den Angehörigen.54 Auch die langsam abnehmende Flüssigkeits- und Nahrungszufuhr bei Patienten, deren Bewusstsein in der letzten Lebensphase eintrübt, halten Vertreter der Hospizarbeit für einen sehr natürlichen Vorgang. Wenn der Patient nicht ausdrücklich etwas anderes zu Zeiten wachen Bewusstseins angeordnet hat, ist davon auszugehen, dass jetzt das Unterlassen jeder forcierten Flüssigkeits55 zufuhr seinem Willen und Interesse entspricht. 2.
Ernährung bei bewusstseinsgetrübten Patienten ohne tödliche Krankheit im engeren Sinne
Die Haltung der Hospizarbeit lebt von dem Gedanken, dass ein Mensch ein Recht darauf hat, am Lebensende (womit jetzt nicht nur die letzten Lebenstage gemeint sind) verantwortliche Entscheidungen für sich und seinen Weg zu treffen. Sie geht davon aus, dass die Äußerungsmöglichkeiten eines Menschen auch bei erheblichen hirnorganischen Beeinträchtigungen noch sinnvoll interpretierbar sind, wenn Menschen liebevoll darauf zu achten vermögen. Als Vorsorge für die Entscheidungen, die in solchen Situationen zu treffen sind, erscheint es auch hier am sinnvollsten, mit vertrauten Menschen wieder und wieder über solche Möglichkeiten schon in gesunden Tagen zu sprechen– ohne an dieser Stelle alle Eventualitäten regeln zu wollen. Für die Gesellschaft aber lohnt es sich, einmal darüber nachzudenken, welche Werte wir vielleicht verschenken, wenn wir gedankenlos den 53 Siehe Beitrag C. 54 T. Klie, J.-C. Student: Die Patientenverfügung, 52f. 55 Ebd., 48f.
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299
verwirrten Menschen ins Abseits stellen und den Wert eines Menschen weitgehend 56 an der Leistungsfähigkeit seines Gehirns entscheiden. 3.
Ernährung bei tiefer Bewusstlosigkeit (z.B. Wachkoma)
Bewusstlosigkeit ist eine Seinsweise unserer menschlichen Existenz, die wir uns per definitionem nicht vorstellen können. Denn wenn wir bewusstlos sind, hören ja gerade jene Überlegungen, Einstellungen und Wertvorstellungen auf, die unser Wachbewusstsein prägten. Natürlich ist es in einer Gesellschaft, die schon das „Unbewusste“ mit Skepsis betrachtet, kaum vorstellbar, dass Bewusstlosigkeit sinnvoll sein könnte. Es gibt aber eine Reihe von Indizien, die es wenigstens wahrscheinlich machen, dass die Zeit der Bewusstlosigkeit nicht weniger „belebt“ ist als der Wachzustand. Befragungen von Koma- und Wachkoma-Erfahrenen haben ergeben, dass inneres Wahrnehmen und traumartiges Erleben möglich sind. Es handelt sich dabei gewissermaßen um ein „Leben auf einer anderen Frequenz“. Was Menschen offenbar in diesen Zeiten der Bewusstlosigkeit gut tut, das ist, wenn sie die Nähe eines vertrauten Menschen spüren, dessen Zuwendung wahrnehmen. Dass Angehörigen, Ärzten und Pflegepersonal nach einer langen Zeit der Bewusstlosigkeit eines Kranken und der damit leider oft verbundenen Beziehungslosigkeit zu ihm Zweifel daran kommen, ob die Fortführung der Ernährung „sinnvoll“ ist, erscheint verständlich. Aber gerade in der Bewusstlosigkeit, einer Zeit also, in der übliche Maßstäbe von Zeit und Raum ihren Sinn verlieren, ist die Länge eines „Zustandes“ wohl das untauglichste Argument für eine Handlung. Im Zweifel sollten wir uns stets für das Leben entscheiden und darüber nachdenken, wie es lebenswertgestaltet werden kann. Dass unsere Kenntnisse hierüber so dünn gesät sind, spricht für die bedauerliche Vernachlässigung dieses Lebensgebietes.57 VI.
Zugang zu Hospizdiensten
Informationen sowie eine Suche von Hospizdiensten nach Postleitzahlen bieten: www.hospize.de (Internetseite der Deutschen Hospiz Stiftung, Europaplatz 7, 44269 Dortmund, Tel: 0231-73 80 730) und www.hospiz.net (Internetseite der Bundesarbeitsgemeinschaft Hospiz, Am Weiherhof 23, 52382 Niederzier, Tel: 02428-802937. Einzelne Hospizeinrichtungen sind auch im telefonischen Branchenverzeichnis („Gelbe Seiten“) eingetragen.
56 Ebd., S. 87ff 57 T. Klie, J.-C. Student: Die Patientenverfügung, 70ff/J.-C. Student: Sterben, Tod und Trauer, 127.
300
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G
Häusliche Sterbebegleitung
I.
Sachdarstellung
1.
Sterben
Sterben ist ein Teil unseres Lebens und der letzte Abschnitt vor Eintritt des Todes. Diese letzten Tage und Stunden muss jeder selbst durchstehen. Die Umstände, die zum Tode führen, variieren in der Regel sehr stark. Dementsprechend kann auch der Ablauf des Sterbens und das Erleben des Sterbens bis zum Eintritt des Todes von Mensch zu Mensch sehr verschieden sein. Das Sterben beginnt, wenn eine Heilung bzw. Genesung nicht mehr erwartet werden kann und das Lebensende bevorsteht. Es kann in zwei Phasen gesehen werden: die eigentliche Sterbephase (Terminalphase) und die Phase, in der sich der bevorstehende Tod manchmal längerfristig ankündigt, wie bei einer unheilbaren Krankheit, die früher oder später direkt zum Tode führt. Somit variiert auch die Zeitspanne des gesamten Sterbevorganges bis zum tatsächlichen Ableben erheblich. Häufig wird ein Sterbevorgang durch ein plötzlich auftretendes akutes Ereignis wie Kreislaufversagen oder Unfall ausgelöst. Meistens ist damit eine Einlieferung ins Krankenhaus zur schnellen Hilfe und Lebensrettung verbunden. Häufig tritt hierbei der Tod sehr schnell ein. Demgegenüber können unheilbare schwere Krankheiten oft einen länger andauernden Sterbevorgang verursachen. Manch ein Begnadeter schläft friedlich in den Tod hinein, während ein anderer vielleicht unsägliche Leiden bis zum Ende durchstehen muss. 2.
Sterbebegleitung
Unter Sterbebegleitung versteht man, dass Menschen Sterbenden auf ihrem letzten Weg beistehen und sie begleiten. Hierbei soll erreicht werden, dass die Würde des Menschen bis zum letzten Atemzug gewahrt bleibt, wobei Huber58 die Achtung der Menschenwürde in diesem Zusammenhang wie folgt sieht: „Der Respekt vor der Würde des Menschen schließt die Achtung seiner Individualität und Unverwechselbarkeit, damit aber auch die Achtung seiner Endlichkeit und Begrenztheit ein. .... Der christliche Glaube tritt für ein Menschenbild ein, das den Menschen ganzheitlich als von Gott geliebte Person wahrnimmt.“ Dieses Verständnis der Menschenwürde motiviert zum liebevollen Umgang mit sterbenden Menschen. Dabei ist es gleichgültig, in welcher Position und Beziehungsform der Begleiter zur sterbenden Person steht, ob die Begleitung im Rahmen einer Berufstätigkeit oder 58 W. Huber: Vortrag: Diakonisches Profil, Fachtagung im Berliner Haus der Kirche am 17.10.2003, Veranstaltungs-Dokumentation Diakonisches Profil Teil 1 www.diakonie-portal.de/Members/Kotnik/ Downloads/DiakonischesProfil.pdf/viev [10.2009], 7ff.
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II.
Sterbebegleitung zu Hause
1.
Voraussetzungen und Anforderungen
301
Der Wunsch vieler Menschen, zu Hause in vertrauter Umgebung sterben zu dürfen, setzt allerdings voraus, dass auch Menschen da sind, die sie dann begleiten können und die in der Lage sind, die Anliegen der sterbenden Person nach ihrer Vorstellung zu erfüllen. Möglich wird dies am ehesten, wenn Familienmitglieder da sind, die, soweit die Kräfte reichen und etwaige berufliche Verpflichtungen es zeitlich ermöglichen, die notwendig gewordene Pflege und Sterbebegleitung im häuslichen Umfeld übernehmen können. Beim Beginn einer notwendig gewordenen Sterbebegleitung ist meistens noch nicht absehbar, welcher Pflegeaufwand im weiteren Verlauf der Sterbephase bis zum Eintritt des Todes tatsächlich erforderlich werden wird. Daher ist bei der Übernahme der Betreuung eine möglichst realistische Einschätzung des Pflegeaufwandes, des körperlichen und geistigen Zustandes der sterbenden Person unter Zuhilfenahme von Fachleuten dringend anzuraten. Aber auch der zur Betreuung bereite Mensch sollte entsprechend seines Alters, seiner körperlichen und seelischen Verfassung sein Leistungsvermögen richtig einschätzen, um eine unter Umständen längerfristige Begleitung sachgerecht vorausplanen und organisieren zu können. 2.
Aufgabenbereiche einer Sterbebegleitung
Bei einer häuslichen Sterbebegleitung sind nachfolgend aufgezeigte Aufgabenbereiche abzudecken: • Zunächst sind die täglichen Pflegedienste zu erfüllen, durch die die elementaren Grundbedürfnisse wie Hunger, Durst, Hygiene, Wärme und Ruhe zu befriedigen sind. Auch ist im Tagesablauf der richtige Umgang mit Hilfsmitteln zur Erleichterung der Pflege und die Verabreichung von Medikamenten z.B. zur Schmerzlinderung zu überwachen. • Einen hohen Stellenwert kommt der seelischen Begleitung zu, wobei eine liebevolle Zuwendung bei der zu pflegenden Person Vertrauen schafft. Eine Förderung seiner Selbstwertschätzung unter Beachtung geäußerter Wünsche entspricht der Würde des sterbenden Menschen. Wichtig sind auch Hilfestellungen in seelischer Not wie Angst, Sorge oder Lebensmüdigkeit. • Hier sollte die geistliche Versorgung nicht zu kurz kommen. In Abstimmung mit dem Schutzbefohlenen sollten Pfarrer und Arzt einbezogen werden, um dem Sterbenden Gewissheit, Trost und Zuspruch zuteil werden zu lassen. Regelmäßige Andachten, Gebete und Gesang können Gelassenheit, Zuversicht und innere Ruhe vermitteln.
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•
Wirtschaftliche und organisatorische Aufgaben sind darüber hinaus zu bedenken und im Sinne der sterbenden Person zu erfüllen. Hierzu zählt beispielsweise die Ausrichtung der Beerdigung, Hinweise zum Öffnen eines Testamentes, Kontaktaufnahme mit Versicherungen und Banken oder die Benachrichtigung bestimmter Personen wie Arzt, Pfarrer oder anderer Persönlichkeiten. Solche und ähnliche Entscheidungen sind in Abstimmung mit der betroffenen Person und deren nächsten Angehörigen oder aber im Rahmen einer Vorsorgevollmacht zu treffen. In der häuslichen Sterbebegleitung sind diese Aufgaben keineswegs immer nur allein von der hauptamtlich betreuenden Person zu bewältigen. Wünschenswert ist es, wenn mehrere Personen in die Betreuung eingebunden werden können, um bei Bedarf eine Begleitung rund um die Uhr zu sichern. Im täglichen Pflegeablauf können durch den Einsatz geeigneter Hilfsmittel z.B. von Gehhilfen, eines verstellbaren Krankenbettes und der Verwendung von Fertiggerichten oder der Bestellung von Essen auf Rädern Erleichterungen in der Pflege und Betreuung erzielt werden. 3.
Fremddienste und Hilfen zur Unterstützung der Pflege
Für ambulante Pflegedienste stehen heute Sozialstationen zur Verfügung, die sowohl von der öffentlichen Wohlfahrtspflege wie auch von freien Wohlfahrtsverbänden getragen werden. Darüber hinaus gibt es private Pflegedienste. Unter öffentlicher Wohlfahrtspflege versteht man Dorfhelferinnen und Sozialstationen, die Kommunen für ihre Bürgerinnen und Bürger eingerichtet haben. Wer häusliche oder pflegende Hilfe benötigt, wendet sich also an seine Gemeinde. Telefonnummern sind im örtlichen Telefonbuch zu finden. Freie Wohlfahrtsverbände sind: • Arbeiterwohlfahrt • Deutscher Caritasverband, z.B. angeschlossen der Malteser Hilfsdienst • Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband, z.B. angeschlossen der ArbeiterSamariter-Bund • Deutsches Rotes Kreuz • Diakonisches Werk der EKD, z.B. angeschlossen die Johanniter-Unfallhilfe • Zentralwohlfahrtsstelle der Juden Die meisten freien Wohlfahrtsverbände sowie ihre angeschlossenen Institutionen und auch viele Krankenhäuser verfügen über Sozialstationen, die in der Regel alle Leistungen anbieten, die ein selbst bestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden ermöglichen. Sie reichen von der Beratung zur Pflegeplanung und Vermittlung von Hilfsdiensten wie z.B. „Essen auf Rädern“ oder die Installation eines Hausrufes über Einkaufs-, Hol- und Bringdienste bis hin zur hauswirtschaftlichen Versorgung
Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen
303
sowie Betreuung bei Pflegebedürftigkeit. Manchen Sozialstationen sind so genann59 te Mobile Soziale Hilfsdienste (MSHD) zugeordnet. Eine wichtige Unterstützung bei der häuslichen Sterbebegleitung können Hospize leisten, soweit sie auf eine ambulante Versorgung Sterbender eingerichtet sind. Dem Hospizwesen und der Palliativmedizin, deren Zielsetzung es ist, Sterbende würdevoll zu begleiten, wurde in der letzten Zeit auch öffentlich eine größere Aufmerksamkeit und Bedeutung beigemessen, so dass in allen Bundesländern mehrere Hospiz- und Palliativstationen vorhanden sind. Man findet Adressen im örtlichen Telefonbuch auf den Gelben Seiten bzw. im Branchenbuch oder im Internet, www. hospiz.net bei der „Bundesarbeitsgemeinschaft Hospiz zur Förderung von ambulanten, teilstationären und stationären Hospizen und Palliativmedizin e.V. (BAG)“ Geschäftsstelle der BAG Hospiz, Am Weiherhof 23, 52382 Niederzier, Tel. 02428/802 937 (Vgl. auch F, S. 54.) Die Leistungen der sozialpflegerischen Dienste werden refinanziert durch Krankenkassen, Pflegekassen, Selbstzahler und Sozialhilfe. Um Unterstützungen durch die Pflegeversicherung zu erhalten, muss ein Antrag an die Pflegekasse gestellt werden. Dann erfolgt die Feststellung der Pflegebedürftigkeit durch einen Gutachterbesuch. Daraufhin ergeht ein Bescheid über die Einschätzung der Pflegebedürftigkeit und über die angemessene Pflegestufe. Es gibt drei Pflegestufen. Um eine sachgerechte Einstufung zu erreichen, ist es sehr hilfreich, wenn eine genau nachvollziehbare Aufzeichnung der täglichen Aufwendungen an Zeit und Leistungen vorliegt. Im Anhang befinden sich ein Musterformular für die Eintragung der täglich erbrachten Leistungen (Tabelle 1) und Tabelle 2, aus der ersichtlich wird, nach welchen Kriterien die Einstufung der angemessenen Pflegestufe vorgenommen wird. III.
Vorsorgemassnahmen
1.
Wie bereitet man sich selbst auf ein angenehmes Sterben vor?
Die meisten Menschen wünschen, wie bereits ausgeführt, die letzten Tage und Stunden ihres Lebens in Begleitung lieb gewordener Menschen, frei von quälenden Schmerzen in vertrauter Umgebung zu verbringen. Somit wird der häuslichen Sterbebegleitung aus der Sicht der Sterbenden ein hoher Stellenwert beigemessen. Um dies zu verwirklichen, ist es wichtig, fürs eigene Lebensende rechtzeitig Vorsorge zu treffen und Angehörige, wie Lebenspartner, Kinder oder sonst vertraute Menschen in die Vorüberlegungen einzubeziehen, um zu klären, welche persönlichen Wünsche im Ernstfall bedacht werden sollten hinsichtlich des letzten Aufenthaltsortes, einer erforderlich werdenden Pflege und der seelischen Begleitung (wel59 Fakten & Tipps (Finanzen, Rechte, Lebensqualität) Pflegedienste Kapitel 10a, Akademische Arbeitsgemeinschaft Verlag GmbH A Wolters Kluwer Company Mannheim.
304
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che Personen), hinsichtlich einer ärztlichen Versorgung (z.B. Patientenverfügung s. E, S. 40ff), der geistlichen Versorgung (welcher Pfarrer), aber auch hinsichtlich wirtschaftlicher Anliegen (z.B. Erteilen von Vollmachten) und organisatorischer Regelungen (z.B. Beerdigung). Ferner sollte der letzte Wille möglichst in Form eines Testamentes hinterlegt werden und jemand mit der Verwaltung der wirtschaftlichen Dinge handlungsfähig betraut sein. Die Vorbereitung auf ein menschenwürdiges Sterben sollten Gedanken über die letzten Dinge, über Sterben und Tod nicht verdrängen, sondern sie bewusst zulassen und sie als einen Teil unseres Lebens verstehen. Dies wird leichter, wenn man sich als Christ vergegenwärtigt, dass das Leben mit Christus über den Tod hinaus weitergeht und lediglich der Leib stirbt und vergeht. Um diesen Trost auch im Sterben gegenwärtig zu haben, ist eine rechtzeitige und nachhaltige geistliche Zurüstung hilfreich und tröstlich. 2.
Wie bereitet man sich auf eine Sterbebegleitung vor?
Nach Student ist Sterbebegleitung in erster Linie Alltagshandeln, wobei jeder Mensch in dem Sinne zur Sterbebegleitung befähigt ist, indem er zur Kontaktaufnahme, zum Beziehungsaufbau, zu einfühlsamen mitmenschlichem Verhalten befähigt ist. Grundsätzlich sollte auch jeder, der für sich selbst sorgen kann, in der Lage sein, für andere zu sorgen und somit eine gewisse Voraussetzung für eine Sterbebegleitung mitbringen. Hierzu bedarf es keiner speziellen Ausbildung. Es ist aber ratsam, bei der Übernahme einer Sterbebegleitung seine körperliche und seelische Verfassung richtig einzuschätzen und danach das Maß der zu übernehmenden Aufgaben auszurichten, so dass möglichst noch genügend Freiräume für eigene Entlastungen bleiben. Zur Pflege gehören neben der Nähe auch die Fähigkeit zur Distanz und Fähigkeit zur Selbstreflexion. Gerade dies ist aber in der Pflege engster Angehöriger oft besonders erschwert. Unabhängig von der grundsätzlichen Befähigung zur Sterbebegleitung sind darüber hinaus ohne Zweifel Fachkenntnisse in der Krankenpflege und im Umgang mit schwerkranken und bettlägerigen Patienten für eine Sterbebegleitung sehr von Nutzen. Sie können helfen, die eigenen Kräfte effizienter einzusetzen. Sie sind andererseits aber nicht unabdingbare Voraussetzung für die Übernahme einer Sterbebegleitung. Wichtiger für die Pflegenden ist es, bei der Durchführung ihrer Pflege auf sachkundige Hilfe zurückgreifen zu können. Hier kann man sich an Sozialstationen kirchlicher, kommunaler oder privater Trägerschaften wenden. Solche sachkundige Hilfe wird benötigt, wenn die pflegenden Menschen Ängste verspüren, Fehler in der Pflege zu begehen oder bei unerträglichen Schmerzen des Kranken hilflos zu sein oder psychisch der Belastung nicht mehr gewachsen zu sein.60
60 Woche für das Leben: Um Gottes willen für den Menschen – Die Würde des Menschen am Ende seines Lebens, www.ekd.de/woche/2004/ [10.2009].
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Wir Menschen tragen in der Regel einen vitalen Überlebenswillen, wenngleich wir wissen, dass wir eines Tages sterben müssen. „Die Begegnung mit sterbenden und trauernden Menschen ist stets Begegnung mit der eigenen Angst vor dem eigenen Tod. Diese Angst ist offenbar ein typisch menschliches Phänomen und sie ist unabwendbar ... Bei Menschen, die beruflich oder freiwillig sterbende Menschen begleiten, wird immer und immer wieder an diese Angst gerührt ... Das heilsame Hinschauen auf die Angst ist aber ein wesentlicher Schlüssel zu ihrer Bewäl61 tigung.“ „Es ist erlösend, zu begreifen, dass angesichts von Leid, Sterben und Tod wir alle nur hilflose Helfer sein können und dürfen. Schlimm und wirklich hilflos sind nur solche Begleiter, die meinen, ihre Hilflosigkeit überspielen oder verstecken zu 62 müssen.“ 3.
Erfahrungen mit der Sterbebegleitung
Die Vielfältigkeit der Sterbensabläufe erlaubt es nicht, allgemein gültige Patentrezepte für die häusliche Sterbebegleitung aufzustellen. Ob z.B. ein alter Mensch nach erfülltem Leben oder eine Person im blühenden Alter oder vielleicht sogar ein Kind unheilbar krank wird und den früher oder später nahenden Tod vor Augen gestellt bekommt, kann bei den Angehörigen und Hinterbliebenen ein unterschiedliches Maß an Trauer auslösen und somit die Sterbebegleitung erheblich beeinflussen. Die Trauer um den Verlust eines geliebten Menschen beginnt in der Regel nicht erst mit dem Eintritt des Todes, sondern vielmehr mit der Nachricht vom zu erwartenden Lebensende, dem Beginn der Sterbephase, wobei häufig die zum Tode führende Ursache wohl erkannt ist, jedoch die Länge der Zeitspanne bis zum Eintritt des Todes ungewiss bleibt. Dies kann zu einer zusätzlichen seelischen Belastung bei der Übernahme einer Sterbebegleitung führen. Die Situation der Pflege, das Erwarten des Sterbens und des Todes kostet oft alle Kräfte. Das Miterleben des Sterbens und die Zeit der Begleitung sind für alle Beteiligten aber auch eine Chance: Man kann Nähe spüren und Sinn finden, und man lernt, sich mit den Grundgegebenheiten des Lebens, zu denen der Tod gehört, auseinanderzusetzen. Dem Sterbenden kann aus der Annahme des unausweichlichen Endes eine innere Kraft zuwachsen, welche es ihm ermöglicht, die letzte Strecke des Weges innerlich ruhig und gefasst zu durchleben. Manche sprechen sehr ausführlich darüber, was sie nach ihrem Tod von den Zurückgebliebenen erwarten – manchmal sind es nur wenige Gesprächsfetzen. So belastend solche Gespräche für die Angehörigen sein können, helfen sie dem Kranken doch, loszulassen und seinen Widerstand gegen das Sterben aufzugeben. 61 J.-C. Student: Fünf Thesen zur Fortbildung von Sterbebegleitern, www.hospiz-ettlingen.de/fortbildung.html, 4. These. 62 R. Hintzen.: Nichts ist selbstverständlich. Alles ist eine Geschenk, in: D. Michel-Schmist: „Was glauben eigentlich Sie?“, 87/88.
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Wenn bei dem Sterbenden die Durchblutung der lebenswichtigen Organe nicht mehr ausreicht, beginnt der Sterbevorgang. Die Sinnesfunktionen versagen, allerdings nicht gleichzeitig, daher sollte man sich an einem Sterbebett so verhalten, als könnte der Sterbende alles hören, sehen und empfinden. Liebe und Zuwendung kann man ihm am besten mit körperlichen Berührungen zuteil werden lassen. Streicheln, Abwischen des Speichels oder des Schweißes, das Benetzen der Lippen oder einfach nur die Hand halten lässt die Verbindung nicht abreißen, wenn Worte den Sterbenden nicht mehr erreichen. Die Unruhe wird geringer, wenn eine vertraute Person am Bett sitzt. 4.
Schlussbetrachtung
In der häuslichen Sterbebegleitung hat sich in den zurückliegenden Jahrzehnten ein deutlicher Wandel vollzogen. Durch die Veränderungen in der Familienstruktur in Deutschland, dadurch, dass der Anteil an Großfamilien stark zurückgegangen ist und immer mehr Frauen berufstätig wurden, blieb immer weniger Freiraum für eine familiäre Betreuung pflegebedürftiger Menschen und für ein Sterben zu Hause. Parallel dazu nahm die Anzahl der Menschen, die ihren letzten Lebensabschnitt im Krankenhaus oder in einem Pflegeheim verbrachten, deutlich zu. Bei der derzeitigen angespannten Personalsituation im öffentlichen Pflegedienst bleibt aber immer weniger Zeit für individuelle Zuwendungen und für eine angemessene Sterbebegleitung. Erfreulich ist demgegenüber, dass in den letzten Jahren das Hospizwesen und die Palliativmedizin für eine stationäre und auch ambulante Sterbebegleitung im Umfang und in der Bedeutung deutlich zugenommen haben. Diese Entwicklung und auch andere Angebote für die häusliche Pflege und Betreuung geben dem Sterben zu Hause in vertrauter Umgebung wieder größere Chancen.
Ökumenischer Rat der Kirchen in Österreich Einführung Konfession
ökumenisch (multilateral)
Titel
Eine Erklärung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich zum menschenwürdigen Sterben
Verfasser
Ökumenischer Rat der Kirchen in Österreich
Herausgeber
Ökumenischer Rat der Kirchen in Österreich
Veröffentlichungsjahr
2000
Adressatenraum
Österreich
Veröffentlichung
in: Ordensnachrichten 39/2 (2000), 54f. URL: http// www.kirchen.at/dokumente/ mwuerdsterben.htm
Zu den wenigen kirchlichen Gremien auf nationaler und multilateraler Ebene, die zur Sterbehilfe Stellung genommen haben, zählt der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ), der 1958 nach Vorbild des Ökumenischen Rates der Kirchen gegründet wurde. Im Jahr 2000 veröffentlichte der österreichische Rat die gemeinsame „Erklärung des ÖRKÖ zum menschenwürdigen Sterben“. Die offizielle Verabschiedung des Textes wurde ermöglicht durch die großen inhaltlichen Übereinstimmungen der Mitgliedskirchen. Zugleich erschien sie dem österreichischen ökumenischen Rat auch notwendig angesichts der gesellschaftlichen Dringlichkeit der Fragestellung. Die Stellungnahme zum Lebensende bildet neben wenigen anderen eine Ausnahme innerhalb des ÖRKÖ. Grundsätzlich lehnt der Rat nämlich aus zwei Gründen die Entwicklung eigener Stellungnahmen ab: zum einen versucht er damit der Gefahr zu entgehen, als ein so großes kirchliches Gremium nicht tagesaktuell genug arbeiten zu können und seine Stellungnahmen somit zu spät oder ohne die Berücksichtigung neuster Entwicklungen veröffentlicht zu müssen; zum anderen nimmt er die ökumenische Situation ernst, dass seine verschiedenen Mitgliedskirchen in ethischen Verlautbarungen unterschiedlichen Verbindlichkeiten unterliegen. In seiner Stellungnahme zum menschenwürdigen Sterben unterstützt der Rat die Beibehaltung der eher konservativen österreichischen Rechtslage. Aktive Sterbehilfe ist demnach verboten. Problematisch ist der bisweilen auftretende Widerspruch zum die Patientenautonomie stärkenden Gesetz über „Eigenmächtige Heilbehandlungen“. Der ÖRKÖ konstatiert in seinem Text zunächst die möglichen Ängste der
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Ökumenischer Rat der Kirchen in Österreich
Sterbenden, die gesellschaftlich immer wieder zum Ruf nach einer liberaleren Gesetzgebung führen. Anschließend begründet der ÖRKÖ seine Ablehnung aktiver Sterbehilfe und die Unterstützung passiver Sterbehilfe. Alle dazu herangezogenen Argumente und Überlegungen werden in den Horizont der grundlegenden christlichen Überzeugung von der letzten Geheimnishaftigkeit des Lebens und der bleibenden Treue Gottes gestellt. Die Frage nach der Autonomie des Menschen bildet für den ÖRKÖ das Zentrum der Diskussion um Sterbehilfe. Darum konzentriert sich seine Erklärung vor allem auf die Frage nach der Reichweite, den Möglichkeiten und Begrenzungen der Selbstbestimmung in der Phase des Sterbens.
Erklärung des ÖRKÖ zum menschenwürdigen Sterben
309
Erklärung des ÖRKÖ zum menschenwürdigen Sterben Angesichts einer in vielen Ländern Europas sich zuspitzenden Diskussion zum Problem des menschenwürdigen Sterbens wenden sich die im Ökumenischen Rat der Kirchen in Österreich vertretenen christlichen Kirchen mit der folgenden Erklärung an die Öffentlichkeit: 1) Das eigene Sterben und der Tod von Angehörigen wird in unserer Gesellschaft vielfach verdrängt und ist zugleich mit großen Ängsten belastet: – – – – –
Mit der Angst, unerträgliche Schmerzen leiden zu müssen, mit der Angst, den Angehörigen und der Gesellschaft zur Last zu fallen, mit der Angst, im Sterben alleingelassen zu werden, mit der Angst, ausgeliefert und der Würde beraubt zu werden, mit der Angst, auch gegen den eigenen Willen einen unnötig verlängerten Sterbeprozess erleiden zu müssen, – mit der Angst, dass das Leben verkürzt wird durch mangelnde medizinische und pflegerische Hilfe oder gar durch Tötung. – Überzeugt von der Würde des Menschen treten wir ein für eine neue Kultur der Solidarität mit den Sterbenden. 2) Leben, Leiden und Sterben rühren an ein letztes Geheimnis. Für uns Christen sind sie eine Aufgabe, die wir bewusst annehmen im Vertrauen auf die Treue Gottes und in der Hoffnung, dass er uns im Leben, im Leiden und im Sterben nicht verlässt. 3) Christen bekennen sich zu der unveräußerlichen und unteilbaren Würde eines jeden Menschen während der gesamten Dauer seines Lebens. Aus den leidvollen Erfahrungen, dass diese Würde des Menschen durch die Geschichte hindurch bis heute auch von Christen auf schreckliche Weise missachtet wird, erwächst die Einsicht in die Notwendigkeit allgemein geltender Menschenrechte. Die europäische Menschenrechtskonvention hält mit völkerrechtlicher Verbindlichkeit in Art. 2 fest, dass jeder Mensch ein Recht auf Leben hat und dass niemand absichtlich getötet werden darf. 4) Angelpunkt der Diskussion über menschenwürdiges Sterben ist das Verständnis von der Autonomie des Menschen. Unbestritten gehört zur Würde des Menschen das Recht auf Selbstbestimmung, die aber ethisch begründet und begrenzt ist. Daher darf das Prinzip der Autonomie nicht verabsolutiert werden, sondern schließt die Verantwortung für sich und andere ein. Die besondere Hilfs- und Schutzbedürftigkeit von Sterbenden kann ein abstrakter Autonomiebegriff nicht wahrnehmen.
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Ökumenischer Rat der Kirchen in Österreich
5) Aufgrund dieses Verständnisses von Selbstbestimmung sind persönliche Überzeugungen und Werthaltungen zu achten und der ausdrückliche Wille eines Menschen, was seine medizinische Behandlung betrifft, zu respektieren. Gegen seinen ausdrücklichen Willen darf niemandem, der entscheidungsfähig ist, eine medizinische Behandlung aufgezwungen werden. 6) Willenserklärungen, wie sogenannte Patientenverfügungen, in denen jemand bereits in früheren Lebensphasen für sein Sterben bestimmte medizinische, lebensverlängernde Maßnahmen ablehnt, sind innerhalb ethischer Grenzen voll zu respektieren. Das gleiche gilt für Vorsorgevollmachten, in denen jemand für eine solche Situation eine Person des Vertrauens zur Entscheidung benennt. Die Fürsorgepflicht und die Verantwortung des Arztes für den Einsatz medizinisch sinnvoller Mittel bleiben bestehen. 7) Im Prozess des Sterbens hat der Mensch unter Umständen noch persönliche Entscheidungen zu treffen, hat die Möglichkeit, sich mit seinem zurückliegenden Leben als Ganzem auseinanderzusetzen und dieses Leben mit seiner Unvollkommenheit und Schuldbeladenheit anzunehmen und loszulassen. Gerade bei dieser entscheidenden Lebensaufgabe ist der Mensch auf Hilfe angewiesen. Unterstützung brauchen aber auch all jene Personen, die Sterbende begleiten, insbesondere ist die Gesellschaft insgesamt zur Solidarität mit Ärzten und Pflegenden verpflichtet. 8) Eine besonders dringende Aufgabe der Gesellschaft ist der Ausbau und die Förderung der Palliativmedizin. Deren Aufgabe ist es, die physischen, psychischen und sozialen Leiden zu lindern und spirituellen Beistand zu leisten. Die Palliativmedizin hat wissenschaftlich mittlerweile einen sehr hohen Standard erreicht, der leider viel zu wenig in die Praxis umgesetzt wird. Selbst wenn durch schmerzstillende Maßnahmen eine Lebensverkürzung möglicherweise in Kauf genommen wird, ist dies kein Grund, die Schmerzstillung zu unterlassen. Modellhaft ist diese Medizin in der Hospizbewegung, die sich aus christlichen Wurzeln speist, verwirklicht. Generell ist in Krankenhäusern und Pflegeheimen für eine würdevolle Sterbebegleitung personell, räumlich und einrichtungsmäßig vorzusorgen. 9) Zur Annahme des Lebens gehört auch der Respekt davor, dass jeder Mensch unwiderruflich an sein Ende kommt; daher ist dem Sterben Raum und Zeit zu geben und die Begrenztheit ärztlicher Handlungsmöglichkeit zu akzeptieren. Handlungen, die den Sterbeprozess eines Menschen unnötig verlängern, anstatt das Sterben zuzulassen, sind daher abzulehnen. 10) Abzulehnen sind aber auch Handlungen und Entscheidungen, die direkt die Beendigung des Lebens zum Ziel haben. Solche Maßnahmen wenden sich nicht gegen das Leiden, sondern gegen die Person des Sterbenden. Die Zubilligung
Erklärung des ÖRKÖ zum menschenwürdigen Sterben
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einer solchen Handlungsweise hätte für das Ethos der Ärzte und der heilenden Berufe unabsehbare Folgen. An der derzeit gültigen Rechtslage in Österreich ist daher unbedingt festzuhalten. Wien, 14. Jänner 2000 . © 2000 – Eine Information des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich
Konferenz Europäischer Kirchen Einführung Konfession
Ökumenisch (multilateral)
Titel
Contribution for the Euthanasia debate in the Council of Europe
Verfasser
Konferenz Europäischer Kirchen / Kommission für Kirche und Gesellschaft
Herausgeber
Konferenz Europäischer Kirchen / Kommission für Kirche und Gesellschaft
Veröffentlichungsjahr
2004
Adressatenraum
Europa
Veröffentlichungsort
in: epd-Dokumentation 18 (2004), 13f. URL: http://www.cec-kek.org/content/ euthanasia.shtml
Der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) gehören 125 orthodoxe, protestantische, anglikanische und altkatholische Kirchen aller europäischen Länder sowie 40 assoziierte Organisationen an. 1999 wird innerhalb der Abteilung „Church and Society“ eine Arbeitsgruppe zur Bioethik eingesetzt und damit beauftragt, das bioethische Engagement des Europarates, der Europakommission und des Europaparlaments zu begleiten, dazu Stellung zu nehmen und die KEK darüber zu informieren, sowie als Beobachter an der Steering Commission des Europarates teilzunehmen. Mit der „Contribution for the Euthanasia debate in the Council of Europe“, schaltet sich Church and Society 2004 in die im Europarat geführte politische Diskussion zur Sterbehilfe ein: Nachdem das Parlament des Europarates 1999 den Ministern empfohlen hat, die „Empfehlung zum Schutz der Menschenrechte und der Würde Sterbenskranker und Sterbender“ (1418), in ihren jeweiligen Ländern zu implementieren und damit die Palliativmedizin und die Selbstbestimmung am Lebensende mit Ausnahme der aktiven Sterbehilfe zu stärken, legt der Schweizer Parlamentarier Dick Marty als Berichterstatter 2003 einen Antrag auf Legalisierung von freiwilliger, aktiver Sterbehilfe vor. Nach Beratung durch das „Social, Health and Family Affairs Committee“, viermaliger Diskussion und trotz der durchgeführten Veränderungen des Textes (Doc. 10455: „Assistance to patients at end of life“) lehnt die Parlamentarische Versammlung den Antrag letztlich mit großer Mehrheit am 27.4.2005 ab. Die Stellungnahme der KEK ist auf der Basis von Meinungsbei-
Einführung
313
trägen der Mitgliedskirchen entstanden, wobei die Diversität der Positionen nicht nivelliert, sondern gerade in den daraus entstehenden Konflikten thematisiert wird. Zahlreiche Fragen erachtet die KEK noch für unbeantwortet, wie etwa die nach der Verantwortung oder Natürlichkeit des Sterbens, bzw. nach der Regelung passiver Euthanasie. Dem entgegen interpretiert die Arbeitsgruppe der KEK die Aussagen ihrer Mitgliedskirchen dahingehend als einig, dass sie die vorsätzliche Tötung von Leidenden und Sterbenden als Sünde verurteilen.
314
Konferenz Europäischer Kirchen
Contribution for the Euthanasia debate at the Council of Europe With the question of euthanasia being on the European political agenda at the Parliamentary Assembly of the Council of Europe, the CSC sought opinions of member churches of the CEC on this issue. Responses have been received from several member churches from Orthodox and Protestant traditions. Although on first sight these responses show diverging positions – from an absolute rejection of euthanasia to a carefully worded permission under strict conditions and in exceptional cases – none are in favour of active euthanasia. In the cases where there is a certain permissive attitude it is a question of ultima ratio – a last resort. We summarise some of these considerations and arguments, in the hope that it may contribute to the discussions. The first, and perhaps a priori, consideration relates to the definition of (active) euthanasia, the question of what we are talking about. We note the definition in the Report of the Social, Health and Family Affairs Committee of the Parliamentary Assembly of the Council of Europe: "Euthanasia" means "any medical act intended to end a patient’s life at his or her persistent, carefully considered and voluntary request in order to relieve unbearable suffering", perhaps completed by "and/or in his/her obvious interest" after the word "request". The point we want to make is not to promote this definition but to say that defining carefully what we are talking about precedes the evaluation of it. All churches agree that the deliberate killing of suffering and dying human beings is a grave sin. All churches underline the need for the maintenance of good terminal care, including offering of pastoral care. The problem of euthanasia normally comes up in a situation where, at least, two important principles of medical ethics collide or at least are at odds: protection of human life and the alleviation of pain and distress. Even if we underline the need for the promotion of palliative medicine, we have to admit that in a small percentage of cases this palliative medicine fails. Moreover, refusing or resigning from further medical treatment and restricting oneself to the alleviation of pain and distress may result in a shortening of life or, rather, of the process of dying. In that case we enter into a "grey area" where good terminal care may imply the abbreviation of life. Recent research (The Lancet, August 2003) shows that about 50% or more of end of life decisions result in an abbreviation of life. This is the situation where the problem of euthanasia comes in. It is also possible to discuss the issue of euthanasia in a more extended way, for instance as a means to prevent suffering and deterioration, but in practice we see it as an issue in the context of terminal care. There is a broad agreement in the churches that there is no virtue in the prolongation of dying by means of medical "high technology" and that there is no theological difficulty in allowing a terminal patient to die naturally. Christian faith im-
Contribution for the Euthanasia debate at the Council of Europe
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plies that we trust in God who is with us in life and death. Belief in resurrection means that the "sting" of death is removed (I Cor. 15,54ff). It is, however, important to emphasize that medical technology itself may entail difficult end of life decisions, for instance in the case of tube-feeding treatment to stroke patients with dysphagia (swallowing disorder). If no tube treatment is given, the patient may die a natural death, but without having a chance of the improvement of his/her situation. However, if the tube is removed after it has become clear that it has had no therapeutical value at all, the patient will die. The question remains if we can call it a natural death. A more general issue would be the place of the concept "natural" in medical ethics, given the fact that medical care is often very "unnatural". One important aspect in the debate is the principle of human autonomy, although this principle is based on and limited by other fundamental principles such as human dignity and the protection of life. Human dignity is taken to be inviolable, and autonomy does not mean that we can freely dispose of (our own) life and death. Life, in the Christian tradition, is seen as a gift of God. Therefore we prefer to use the word "responsibility" instead of "autonomy", in order to underline the fact that human life should be characterized in terms of relationship to one another and to God. This responsibility may in exceptional cases lead to the sacrifice of our life for our neighbours or in the service of God. It might also lead to a request for euthanasia in exceptional cases, when pain and distress become unbearable. But the challenge is if this is still a question of the free disposal of our responsibility or just a cry for help when there is no more medical aid available. The importance of the value of human dignity as a basic human (and therefore Christian) value is linked up with (the protection of) biological life, but we have to face quality of life aspects as well. In Christian anthropology, human dignity is more than a biological category. It is linked to the commitment for granting quality of life, although the definition differs depending on the cultural context. In the light of what has been said above, that end of life decisions enter easily into a grey area where abbreviation of human life is likely, one could ask whether it would not be wise to have some adequate regulation about these decisions. The question is, if on the basis of the recommendation 1418 (1999) of the Parliamentary Assembly further regulations can be found which do not imply a right to euthanasia but help to protect the above values, giving assistance to suffering human beings and those who are responsible for their support. January 2004 Contact address: Revd Richard Fischer, Conference of European Churches 8 rue du Fossé des Treize, F-67000 Strasbourg T : +33 3 88 15 27 60 ; Fax : +33 3 88 15 27 61; e-mail : [email protected] www.cec-kek.org
Kirche von England / Römisch-Katholische Kirche von England und Wales Einführung Konfession
Ökumenisch (anglikanisch und römischkatholisch)
Titel
Joint Submission from the Church of England House of Bishops and the Roman Catholic Bishops’ Conference of England and Wales
Verfasser
The House of Lords Select Committee on the Assisted Dying for the Terminally Ill Bill
Herausgeber
Bischofskonferenz der Kirche von England/Römisch-katholische Bischofskonferenz von England und Wales
Veröffentlichungsjahr
2004
Adressatenraum
England
Veröffentlichung
in: Mission an Public Affairs Council: Assisted Suicide and Voluntary Euthanasia – A Briefing Paper from the Mission and Public Affairs Council, London 2005. URL: http://www.cofe.anglican.org/info/social public/science/euthanasiaandsuicide/assisted suicidegs1575.pdf (S. 21-29)
Die Römisch-Katholische Kirche in Großbritannien und die Church of England eint nicht nur ihr reges ökumenisches Interesse an Lehrgesprächen, sondern auch ihr sozialethisches Engagement. Im Zuge der Legalisierungsbestrebungen von aktiver Sterbehilfe und assistiertem Suizid haben sie sich mit gemeinsamen Eingaben an das House of Lords gerichtet. 1993 reagieren die Kirchen damit auf die Bitte des Medizinischen Komitees des House of Lords um Stellungnahmen zu einer möglichen Gesetzesänderung, die nach einem umstrittenen Urteil über die Beendigung künstlicher Ernährung eines Wachkoma-Patienten angedacht, letztlich aber negativ beschieden wurde. 2004 wenden sich die Kirchen erneut, diesmal unaufgefordert im Zuge der Diskussion um einen neuen Legalisierungsantrag (Assisted Dying for the Terminally Ill Bill) an das House of Lords. Da die Kirchen ihre alten Argumente weiterhin für gültig erachten, behalten sie den Wortlaut der ersten Eingabe in Teilen schlicht bei. Im Vergleich zur ersten Eingabe reduzieren die Kirchen allerdings deutlich ihre biblischen, theologischen und kirchlichen Referenzen im Text. So
Einführung
317
wurde bspw. das Autonomie-Argument 1993 noch unter der Überschrift „The sanctity of life and the right to personal autonomy“ erörtert. Stattdessen konzentrieren sich die Kirchen in der jüngeren Erklärung auf pragmatische und vernunftorientierte Argumentationen, womit sie einer Tendenz der Tradition angloamerikanischer Philosophie nachkommen. Trotz enger ökumenischer Beziehungen, wie sie etwa die langjährig bestehende „Anglican/Roman Catholic International Commission“ (ARCIC) dokumentiert, stehen neben der Amtsfrage auch ethische Differenzen zwischen den beiden Kirchen. Während die Römisch-Katholische Kirche bspw. die Absolutheit einiger Ge- und Verbote betont, können diese für Anglikaner im Dienste des Rechts in bestimmten Situationen den kontextuellen Bedingungen untergeordnet werden. Auf der Ebene der Entscheidungsfindung widersprechen sich zudem die Offenheit der anglikanischen Ethik für divergierende Urteile einerseits und die Offizialität und Autorität von Lehrmeinungen in der römisch-katholischen Tradition andererseits. In der gemeinsamen Eingabe an das House of Lords ermöglicht indes gerade die Breite und Comprehensiveness anglikanischer Urteilsbildung, die protestantische wie katholische Positionen zu akzeptieren mag, dass sich stärker römisch-katholische Argumente durchsetzen, wie etwa die Charakterisierung der Sterbehilfe als „intrinsisch illegal und moralisch falsch“.
Joint Submission from the Church of England House of Bishops and the Roman Catholic Bishop’s Conference of England and Wales Foundations
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1) The arguments presented in this submission grow out of our belief that God himself has given to humankind the gift of life. As such, it is to be revered and cherished. 2) Christian beliefs about the special nature and value of human life lie at the root of the Western Christian humanist tradition, which remains greatly influential in shaping the values held by many in our society. These beliefs are also shared in whole or in part by many people of all faiths and none. 3) All human beings are to be valued, irrespective of age, sex, race, religion, social status or their potential for achievement. 4) Those who become vulnerable through illness or disability deserve special care and protection. Adherence to this principle provides a fundamental test as to what constitutes a civilised society. 5) The whole of humankind is the recipient of God’s gift of life. Life is to be received with gratitude and used responsibly. Human beings each have their own distinct identities but these are formed by and take their place within complex networks of relationships. All decisions about individual lives bear upon others with whom we live in community. 6) For this reason, the law relating to euthanasia is not simply concerned either with private morality or with utilitarian approaches. This is one of the issues – relatively few in number but fundamental in importance – on which justice calls for a limit to moral or ethical pluralism. A positive choice has to be made by society in favour of protecting the interests of its vulnerable members even if this means limiting the freedom of others to determine their end.
1
In 1993 we made a joint submission to the House of Lords Select Committee on Medical Ethics considering the question of euthanasia. In presenting some arguments specific to this Bill, we have drawn on and restated a number of principles set out in that original submission, which we believe are just as valid today, and apply equally to the Bill being considered by this Select Committee.
Joint Submission
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Two arguments for legalising euthanasia 7) There are two considerations which are often appealed to in defence of euthanasia – individual autonomy (the so-called "right" to die at a time of one’s choosing) and welfare (the view that at beyond a certain point some lives are not worth living). 8) In recent years there has been an increasing emphasis on individual rights and self-determination. In the world of medicine, this has had its impact with patient autonomy being accorded an ever higher priority in medical ethics. In the Assisted Dying for the Terminally Ill Bill, the emphasis on autonomy is evident in the way that “unbearable suffering” is given a purely subjective definition: it is suffering “…which the patient finds so severe as to be unacceptable..”. The Bill requires the patient to be informed of alternative responses including palliative care, but the patient must then be helped to die if this is his or her settled wish. The Bill does however restrict its scope to those who are terminally ill, where death is likely to result “within a few months at most.”, but if the principle of autonomy is being invoked to justify the Bill it is difficult to see how this restriction could be defended. The suffering caused by a non-terminal chronic illness, whether mental or physical, may equally be “so severe as to be unacceptable” to those affected. Why should euthanasia not be made available to them too? 9) At this point the second consideration – welfare – comes in. If it is not enough simply for the patient to want euthanasia, then the justification often given is that it is in his or her best interests to die. It is argued that in some situations life has no value, especially if the patient cannot look forward to any improvement and faces a slow and lingering death. But if this is the justification, there is once again no basis for restricting the scope of euthanasia to the terminally ill, or indeed to those making a voluntary request. 10) Both autonomy and welfare considerations can lead in practice to much more widespread euthanasia than was originally envisaged. The submission to this Committee from the Linacre Centre for Healthcare Ethics contains ample evidence of this in the case of the Netherlands where, as they point out “we see both an extension of euthanasia to those who are mentally ill or "tired of life" and its extension to those who are unable to consent such as infants and young children”. The limits of autonomy 11) Neither of our Churches insists that a dying or seriously ill person should be kept alive by all possible means for as long as possible. On the other hand we do not believe that the right to personal autonomy is absolute. Patients should not
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Kirche von England / Römisch-Katholische Kirche von England und Wales
be overtreated, and may reasonably refuse particular treatments as too burdensome. Having said this, life should be respected, whether in oneself or in another; the aim of giving or refusing treatment should never be to make the patient die. 12) The exercise of personal autonomy necessarily has to be limited in order that human beings may live together in reasonable harmony. While at present people may exercise their legal right to refuse treatment (although this may be overridden in special but strictly limited circumstances), the law denies that there is a legal right to die at a time of one’s own choosing. The consequences which could flow from a change in the law on voluntary euthanasia would outweigh the benefits to be gained from more rigid adherence to the notion of personal autonomy. But in any case we believe (para 6) that respect for the life of a vulnerable person is the overriding principle. 13) The right of personal autonomy cannot demand action on the part of another. Patients cannot and should not be able to demand that doctors collaborate in bringing about their deaths, which is intrinsically illegal and morally wrong. 14) A serious consequence of introducing euthanasia would be to undermine the relationship of trust between doctors and patients. The value attaching to human life implies that the primary duties of doctors caring for those with terminal illness are to ensure their patients are as free from pain as possible, given the information they and their carers request or require to make informed choices about their future lives, and are supported through the personal challenges which face them. But if doctors were allowed in some circumstances to kill their patients rather than care for them, this would inexorably lead to an undermining of trust. Medical treatment would come to be regarded by the vulnerable person as potentially life threatening rather than as conferring benefit. 15) A change in the law to permit assisted dying would also change the cultural air we all breathe, and affect attitudes to older people and those with chronic illness. For example, the law permitting abortion has profoundly changed society’s attitude towards the status of the foetus. Protection of the vulnerable 16) Doctors are rightly concerned to do the best they possibly can for the actual patients in front of them, and so are the families and friends of those who are ill. It is hard to stand back from the trauma of the individual suffering and look at the wider picture; to think about the long-term implications of decisions made under the pressure of individual need. This is why the law has to play its part in providing a framework within which the medical profession can operate. A
Joint Submission
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foundational guiding principle of the current legal framework is that we should not deliberately kill each other. Palliative care and burdensome treatment 17) Behind many of the arguments in favour of euthanasia lie powerful fears, and in particular the fear that the alternative to euthanasia might be a lingering and painful death, exacerbated by futile and burdensome medical treatment. 18) When death is imminent or inevitable, the withholding or withdrawing of medical treatment that is judged futile or burdensome is both moral and legal today as in the past. Doctors do not have an overriding obligation to prolong life by all available means. Treatment for a dying patient should be "proportionate" to the therapeutic effect to be expected, and should not be disproportionately painful, intrusive, risky, or costly, in the circumstances. Treatment may therefore be withheld or withdrawn, though such decisions should be guided by the principle that a pattern of care should never be adopted with the intention, purpose or aim of terminating the life or bringing about the death of a patient. Death, if it ensues, will have resulted from the underlying condition which required medical intervention, not as a direct consequence of the decision to withhold or withdraw treatment. 19) The hospice movement developed from a concern that people should be helped to die with dignity (that is, to live with dignity until they die). This work has enriched not only the lives of terminally ill people but also their carers, volunteers, and health professionals, who have found that caring for those who are dying can be a great source of blessing. Friendship, companionship and above all love are the key characteristics of a good death. Helping people to die well in this way is not the preserve of any particular faith. It is a profoundly compassionate and humane response to the reality of death which we all eventually face. 20) We are concerned that the lessons learned in hospices about pain control, and emotional and spiritual support should be applied throughout the health service to all dying people. This requires that medical personnel remain aware of how advice on pain control may be obtained, seek specialist help where necessary, and that adequate resources are made available for the care of sick and elderly people. 21) We believe that deliberately to kill a dying person would be to reject them. Our duty is to be with them, to offer appropriate physical, emotional and spiritual help in their anxiety and depression, and to communicate through our presence and care that they are supported by their fellow human beings and the divine presence.
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Kirche von England / Römisch-Katholische Kirche von England und Wales
Conclusion 22) It is deeply misguided to propose a law by which it would be legal for terminally ill people to be killed or assisted in suicide by those caring for them, even if there are safeguards to ensure it is only the terminally ill who would qualify. To take this step would fundamentally undermine the basis of law and medicine and undermine the duty of the state to care for vulnerable people. It would risk a gradual erosion of values in which over time the cold calculation of costs of caring properly for the ill and the old would loom large. As a result many who are ill or dying would feel a burden to others. The right to die would become the duty to die. 2
23) The Bill is unnecessary. When death is imminent or inevitable there is at present no legal or moral obligation to give medical treatment that is futile or burdensome. It is both moral and legal now for necessary pain relief to be given even if it is likely that death will be hastened as a result. But that is not murder or assisted suicide. What terminally ill people need is to be cared for, not to be killed. They need excellent palliative care including proper and effective regimes for pain relief. They need to be treated with the compassion and respect that this bill would put gravely at risk. 2. September 2004
2
It is noteworthy that the 1994 House of Lords Select Committee members came back from the Netherlands deeply disturbed that some doctors there were not following required procedures. The committee was finally not persuaded that "it is possible to set secure limits on voluntary euthanasia" and remained "concerned that vulnerable people – the elderly, lonely, sick or distressed – would feel pressure, whether real or imagined, to request early death... the message which society sends to vulnerable and disadvantaged people should not, however obliquely, encourage them to seek death, but should assure them of our care and support." [paras 238–9].
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Register Bibelstellenregister 1. Altes Testament Gen 1 Gen 1,27 Gen 1,31 Gen 2 Gen 2,17 Gen 2,18 Gen 2,7 Gen 3,19 Gen 3,3 Gen 9,5–6 Gen 9,6 Gen 23,11–18 Gen 25,8 Gen 25,9–10 Gen 35,29 Gen 49,29–32 Gen 50,25 Ex 20,12 Ex 20,13 Ex 23,7 Dtn 5,17 Dtn 6,2 Dtn 30,15 I Sam 2,6 Jes 1,1–18 Jes 26,19 Mi 6,8 Ps 22,2 Ps 23 Ps 30,10 Ps 31,16 Ps 36,10 Ps 50,14 Ps 50,15 Ps 63,4 Ps 82,3–4 Ps 90,12 Ps 91,18 Ps 103,1–5
242, 253 48 190 242, 253 241, 253 243 70 70 70 243 70 70 70, 203 70 70 70 70 97, 243 57, 97, 124, 243 243 57 49 49 124 243 50 243 50 255 49 256 70 244 244 206 243 146, 255 70 244
Ps 119 Ps 139 Ps 139,8 Ps 145,4 Ps 146,4 Hi 3,20–26 Hi 12,10 Hi 19,25 Hi 21,3a Hi 23,5 Hi 34,14–15 Prov 24,11–12 Koh 3,19–20 Koh 3,2 Koh 12,5 Koh 12,7 Dan 5,23 Dan 12,2 I Chr 29,28 Sir 30,17 Weish 1,13 Weish 2,24 Weish 3,1 Weish 3,2–8 Weish 4,7–16 Weish 15,11
207 253 253 123 123 49 70, 124 253 161 161 70 243 157 241 202 70 70 253 70 117 70 70 70 70 70 70
2. Neues Testament Mt 4,4 Mt 6,19–21 Mt 6,32 Mt 9,35 Mt 10,8 Mt 20,32 Mt 25,34–40 Mt 25,35–36 Mt 25,36 Mt 25,40 Mt 27,34 Mt 27,46
53 157 73 241 50 202 241, 243 255 51 42, 99, 123 40 50
Bibelstellenregister
Mt 28,20 Mk 1,15 Mk 10,45 Mk 10,6–9 Mk 15,34 Lk 1,52–54 Lk 10,25–37 Lk 10,29–37 Lk 10,34–36 Lk 10,37 Lk 10,9 Lk 12,20 Lk 19,5 Lk 23,46 Joh 1,4 Joh 1,9 Joh 3,15 Joh 3,16 Joh 3,36 Joh 5,26 Joh 10,10 Joh 11,25 Joh 13,1 Joh 13,36 Joh 14,19 Joh 14,2 Joh 14,20 Joh 14,27 Joh 14,6 Joh 15,13 Joh 16,13 Joh 16,21 Joh 16,28 Joh 16,33 Joh 16,5 Joh 17,13 Joh 17,24 Joh 17,3 Joh 18,36 Joh 21,18–19 Act 2,11 Röm 3,23 Röm 5 Röm 5,18 Röm 5,3 Röm 5,6–8 Röm 6,23
205 157 71 243 50 243 160 243 241 241 157 123 202 71 50, 70, 71 72 242 54 241 71 50 71, 157 71 71 256 71, 202 71 71 71 71 204 253 71 241 71 71 71 242 157 71 202 157 241 254 241 71 241, 254
Röm 6,2–5 Röm 8,38 Röm 8,38–39 Röm 13,8–10 Röm 14,7 Röm 14,7–8 Röm 14,8 I Kor 3,23 I Kor 6,19 I Kor 13 I Kor 15,20–22 I Kor 15,42–44 I Kor 15,51–54 I Kor 15,53–55 I Kor 15,54 I Kor 15,54–55 II Kor 1,7 II Kor 2,9 II Kor 4,14 II Kor 5,14–15 Gal 4,4 Gal 5,13a Gal 6,2 Gal 16,17 Eph 4,15 Eph 5–6 Phil 1,20 Phil 1,21–24 Phil 1,23 Phil 1,9–10 Phil 2,5–7 Phil 3,10 Kol 1,24 Kol 3,1–4 I Thess 4,13–14 I Thess 5,10 II Tim 2,11 Hebr 2,15 Hebr 2,18 Hebr 5,7–8 Hebr 7,25 Hebr 9,27 Jak 1,2–4 Jak 1,27 Jak 2,14-17 Jak 2,1–9 Jak 3,2
331
72 248 73 243 162, 242 71 37 162 162 243 72 256 241 51 315 157 135 73 72 71 157 157 124 117 242 243 37 203 118 208 202 135 54 73 73 71 71 251, 255 50 241 205 241 241 243 243 244 157
332
Register
Jak 5,13–16 I Joh 1,1–2 I Joh 2,2 I Joh 2,20 I Joh 2,27 I Joh 4,19
244 71 157, 204 204 204 190
I Joh 5,11–12 Apk 21,3–5 Apk 21,4
71 256 241, 254
Sachregister Abhängigkeit 65, 74, 75, 159, 164, 167, 181, 296 Abschiednehmen 67, 88, 220, 221 Absicht (s. auch Intention) 19, 21, 28, 38, 55 – 58, 79, 81, 162, 179, 222, 275 Alter 28, 36, 39, 54, 75, 129, 130, 147, 148, 155, 179, 195, 203, 261, 263, 281, 287, 291, 293, 301, 305 amour (s. auch Liebe, love) 94, 98, 141, 143 Angehöriger 17, 19, 30, 36, 41, 43, 46, 52 – 56, 68, 74, 75, 78 – 88, 90, 123, 124, 130, 135, 147, 153, 166, 168, 176 – 183, 187, 194 – 205, 217, 223, 242, 246, 248, 257 – 262, 266, 280 – 283, 288 – 290, 294, 298 – 306, 309 Anglikanische Kirche, anglikanisch (s. auch Church of England) 26, 224, 237, 312, 316, 317 Angst 17, 27, 29, 39, 54 – 56, 59, 66 – 68, 73, 79, 81, 87, 132, 133 – 136, 146, 159, 162, 179 – 181, 185, 188, 194, 197 – 204, 214, 219 – 223, 252, 254, 257 – 260, 266, 279, 293, 295, 302 – 305, 307, 309 Anthropologie (s. auch anthropology) 26, 29, 134 anthropology (s. auch Anthropologie) 111, 315 Archbishop of Canterbury 226, 227 ars moriendi (s. auch Kunst des Sterbens) 65 assisted death (s. auch Tod, assistierter) 19 assisted dying (s. auch Sterben, assistiertes ) 19, 224 – 227, 320 assisted suicide 117, 226 – 235, 322 Auferstehung 37, 50, 72, 190, 202, 253, 254 Autonomie, autonom (s. auch autonomy, Selbstbestimmung) 22, 26, 64, 69, 144, 153 – 156, 160, 165, 167, 191,
205, 212, 218, 225, 237, 255, 258, 259, 308, 309, 317 autonomy (s. auch Autonomie, Selbstbestimmung) 107, 115, 228 – 230, 315, 317 – 320 Barmherzigkeit 38, 51, 86, 123, 124, 160, 192, 193, 218, 243, 255 Bedürfnis,-se 45 – 47, 52 – 56, 61, 129, 130, 244, 260, 294 Behandlung 20, 28, 45 – 48, 52 – 57, 78, 81, 85, 90, 130, 136, 147, 149, 151, 160, 167, 174 – 199, 208, 214 – 217, 220 – 223, 240 – 243, 246, 247, 262, 263, 266, 268, 271 – 278, 279 – 285, 289, 292, 294, 310 Beichte 59, 88 Beihilfe zum Suizid 19, 24, 62, 77, 82, 83, 89, 109, 134, 144, 150 Belastung 39, 42, 56, 78, 81, 85, 160, 169, 262, 271, 297, 305 Belgien, belgisch 24, 262, 272, 275 Belgium 111, 226, 234 Berufsethik 47, 52, 57, 189, 192 Bewusstsein (s. auch conscience) 23, 28, 37, 40, 42, 47, 48, 75, 84, 91, 124, 127, 136, 147, 159, 169, 187, 197, 198, 205, 215, 220, 221, 243, 257, 267, 276, 278, 279, 298 Charta Oecumenica 31 Church of England (s. auch Anglikanische Kirche) 32, 224, 226, 227, 316, 318 compassion (s. auch Mitleid) 94, 98, 99, 117, 322 confiance (s. auch espérance, Hoffnung) 97 conscience (s. auch Bewusstsein) 96 – 99, 118, 119, 141 Dammbruch (s. auch slippery slope, schiefe Bahn) 28, 212, 215 Definition, -en 18 – 21, 76, 216 – 218, 224, 262 Depression, depressiv 56, 151
334
Register
Deutschland, deutsch 21, 27, 30, 125, 130, 245, 249, 251, 264, 265, 272, 275, 278, 285, 295, 306 Dignitas 62 Druck (s. auch pressure) 22, 30, 53, 78, 81, 131, 151, 167, 221, 222, 262, 263, 267 Einsamkeit 39, 67, 160, 252 England, englisch 21, 224 – 227, 237, 316, 318 espérance (s. auch confiance, Hoffnung) 94, 99 euthanasia (s. auch Sterbehilfe) active 119, 314 involuntary 227 voluntary 227 – 235, 320, 322 Evangelische Kirche, evangelisch (s. auch Protestantische Kirche) 25, 27, 30, 125, 133, 138, 144, 171, 212, 214, 245 Exit 62, 84 Familie 38, 42, 56, 85, 91, 148, 161, 181, 184 – 187, 196 – 201, 204, 207, 210, 211, 241, 243, 248, 251, 255, 257, 276, 289, 295 Fegefeuer 73 foi (s. auch Glaube) 94, 99 Fragmentarität 144, 159 Frankreich, französisch 90, 138, 168 freedom (s. auch Freiheit, liberté) 111, 118, 318 Freiheit (s. auch freedom, liberté) 22, 23, 53, 73, 75, 128, 134, 135, 150, 153, 156 – 158, 164, 165, 181, 187, 207, 219, 237, 240, 242 Freikirche, -n 239, 249 Freitod (s. auch Suizid, Selbstmord) 38, 68, 83, 130 Fürsorge (s. auch Sorge) 46, 50, 53 – 56, 59, 123, 144, 147, 152 – 154, 166, 169, 182, 190 – 193, 202, 204, 211, 240, 243, 247, 258, 294 Gabe 45, 48, 51, 60, 157, 161, 190, 196, 219 – 223, 275, 276 Gebet 54, 73, 76, 86 – 88, 110, 124, 172, 204 – 208, 244, 247, 302 Geduld 26, 123, 241
Gesellschaft 17, 19, 23 – 25, 28 – 32, 36, 38, 43 – 48, 52, 53, 56 – 61, 64, 67, 78, 89, 121, 124, 129, 130, 133, 135, 138, 146 – 148, 152, 153, 158 – 160, 163, 165, 168 – 170, 182, 183, 209, 214, 215, 218, 221, 222, 223, 224, 241, 247, 252, 257, 261 – 263, 279, 293, 297 – 299, 309, 310, 312 Gesetz 21, 24, 26, 29, 35, 49, 57, 75, 90, 100, 109, 124, 130, 132, 135, 139, 168, 179, 182, 183, 189, 190, 196, 206, 212, 225, 245, 272, 289, 307 -gebung (s. auch legislation, législation) 17, 25, 29, 135, 212, 308 - göttliches G. 39, 57 Gesetz (s. auch law, loi) 21, 24, 26, 29, 35, 49, 57, 75, 90, 100, 109, 124, 130, 132, 135, 139, 168, 179, 182, 183, 189, 190, 196, 206, 212, 225, 245, 272, 289, 307 Gesundheitswesen 28, 42, 44 – 47, 51 – 53, 59, 60, 126, 130, 171 – 174, 182, 192 Gewissen 39 – 42, 60, 135, 163, 183, 243, 262, 282, 291 Glaube (s. auch foi) 22, 26, 27, 31, 37, 39, 42, 50, 53, 63, 73, 121, 127, 132, 157, 188, 189, 192, 195, 202, 203, 206, 209, 211, 241, 242, 243, 259, 300 Gnade 54, 133, 134, 137, 158, 203, 242, 244 Gottebenbildlichkeit (s. auch image of God) 22, 23, 127 Grenze 17, 18, 25, 29, 55, 75, 79, 90, 130, 131, 136, 148, 151, 156, 158, 163 – 169, 172, 191, 192, 195, 199, 202, 221, 241, 251, 253, 266, 268, 279, 280, 285, 289, 310 Grenzsituation 131, 133, 137, 222, 269 Griechenland, griechisch 24, 26, 30, 109 Grundbedürfnis 84, 86, 301 Heiligkeit (s. auch sacredness, sanctity) 26, 35, 63, 70, 237, 261
Sachregister
Hoffnung (s. auch confiance, espérance) 37, 41, 49, 66, 72, 73, 84, 86, 137, 157, 217, 243, 244, 253 – 258, 280, 309 hospice, h. movement (s. auch Hospiz) 104, 108, 226, 232, 233, 321 Hospiz, H.bewegung (s. auch hospice) 24, 29, 60, 61, 85, 130, 132, 136, 149, 161, 215, 225, 263, 294 – 296, 299, 303, 310 human dignity (s. auch Menschenwürde) 102, 315 II. Vatikanische Konzil 36, 72, 74 image of God (s. auch Gottebenbildlichkeit) 111 Information 15, 124, 125, 136, 183 – 186, 200, 204, 220, 248, 251, 299, 311 informed consent 151, 153, 165, 229 Intention (s. auch Absicht) 20, 38, 62, 125, 136, 171 Italien, italienisch 30, 36, 133, 134 Johannes Paul II 25, 34, 36, 42, 49, 52, 55 – 60, 64, 72 Katechismus der katholischen Kirche 64, 78 – 80 Klugheit 40, 252 Konferenz europäischer Kirchen 31 Konflikt 18, 22, 133, 154, 168, 181, 184, 193, 212, 245, 260, 313 Krankensalbung 54, 59, 61, 73, 87, 205, 210 Kreuz 50, 51, 71, 202, 255, 302 Kultur des Lebens 59, 60 Kultur des Todes 25, 34, 60 Kunst des Sterbens (s. auch ars moriendi) 65 Lambeth Konferenz 237 law (s. auch Gesetz, loi) 226 – 235, 318, 320, 322 Leben, -s -ende 15, 16 – 19, 22, 26 – 29, 34, 43, 44, 62, 76, 77, 90, 109, 121 – 124, 125, 129, 130, 133, 138, 144, 146, 150 – 153, 156, 158, 161 – 165, 168, 171, 172, 175 – 178, 186, 187, 193 – 198, 204, 224, 239 –
335
242, 246, 249, 253, 258 – 261, 271, 272, 285, 296, 298, 300, 303, 305, 312 - ewiges L. 241, 242, 256, 258 - Heiligkeit des L. (s. auch sacredness, sanctity) 26, 35, 63, 70, 261 -qualität (s. auch quality of life) 45, 47, 53, 79, 130, 147, 149, 160, 182, 186, 195, 208, 214, 260, 265, 269, 270, 271, 303 -schutz 22, 23, 129, 144, 153, 154, 155 -verkürzung 21, 77, 80, 124, 130, 149, 199, 209, 216, 219, 220, 310 -verlängerung (s. auch prolongation of life) 90, 131, 180, 216, 220, 245, 247, 263 Legalisierung 17, 29, 62, 82, 100, 109, 124, 168, 172, 212, 224, 293, 297, 312 legislation (s. auch Gesetzgebung, législation) 102, 226, 228, 231, 232, 238 législation (s. auch Gesetzgebung, legislation) 98, 142 Lehre 27, 33, 34 – 39, 45, 55, 60, 73, 121, 239, 241, 245, 248 Leiden (s. auch souffrance) 24 – 30, 36, 39, 43, 46, 49, 50, 54, 64, 65, 77, 79, 82, 87, 100, 123, 124, 132, 134, 135, 146, 151, 155, 158, 161, 162, 164, 166, 169, 174, 178 – 181, 188 – 190, 192, 193, 196 – 200, 202 – 204, 207 – 209, 219, 241 – 243, 247, 262, 263, 266, 275, 293, 300, 309, 310 - L. Christi 26, 39, 54, 134 liberté (s. auch freedom, Freiheit) 95 Liebe (s. auch amour, love) 27, 30, 37 – 39, 45, 50 – 53, 59, 71, 73, 123, 125 – 128, 132, 190, 192, 206, 208, 241 – 244, 248, 306 loi (s. auch Gesetz, law) 98, 140 – 143 Lord Joffe 224 – 227 love (s. auch amour, Liebe) 102, 113 – 120, 321 Luxemburg, luxemburgisch 24
336
Register
meaning (s. auch Sinn) 106 – 108, 112, 113, 118, 228 Menschen guten Willens 34, 37, 48, 59, 60 Menschenbild, -er 18, 26, 32, 35, 82, 132, 158, 223, 250, 261, 300 christliche, -s 159 Menschenwürde 21 – 23, 43, 63, 74, 79, 81, 160, 221, 223, 258, 262, 264, 277, 286, 300 meurtre (s. auch Mord, murder) 141 Mitleid (s. auch compassion) 80, 81, 91, 124, 133, 257, 264 Moral 32, 40, 41, 78, 183, 189, 190, 228 Moralisierung 160 Mord (s. auch meurtre, murder) 21, 36, 38, 68, 76, 81, 109, 121, 124, 174, 273, 275 murder (s. auch meurtre, Mord) 117, 233, 322 Nächstenliebe 69, 242 Nationalsozialismus, nationalsozialistisch 214 Natur, natürlich 36, 38, 39, 56, 66, 81, 129, 136, 146, 176, 193, 205, 219, 255, 281 nature, natural 93, 103 – 106, 112 – 119, 234, 315, 318 Netherlands (s. auch Niederlande) 103 – 106, 116, 226, 228, 233, 234, 319, 322 Niederlande, niederländisch (s. auch Netherlands) 16, 24, 25, 30, 81, 83, 100, 105, 109, 171 – 175, 178, 183, 199, 209, 214, 251, 262, 272, 275 Normen 34, 36, 40, 42, 48, 80, 144, 153, 160, 163, 168, 182 – 185, 189 Nutzen 20, 28, 39, 42, 55, 57, 82, 176, 181, 192, 243, 268, 270, 304 Öffentlichkeit 23, 48, 53, 135, 153, 168, 223, 309 Ohnmacht 124, 136, 146, 158, 169 Ökumene, ökumenisch 16, 26, 28, 31 – 33, 239, 249 Ökumenischer Rat der Kirchen 307 Oregon 226, 228, 233 Orthodoxe Kirche, -n 30, 121
griechisch-o. 26, 109, 110 Österreich, österreichisch 21, 25, 27, 212 – 215, 220, 222, 307, 309, 311 Palliative care 103 – 105, 232, 321 Palliativmedizin, palliativmedizinisch 19, 24, 29, 44, 55 – 57, 61, 84, 90, 100, 105, 131, 132, 138, 225, 255, 260, 263, 265, 293, 297, 303, 306, 310, 312 pastoral care (s. auch Seelsorge) 106, 107, 314 Patient, -en 17, 20, 28, 30, 43 – 47, 52 – 60, 76 – 85, 90, 109, 124, 135, 136, 151, 152, 159 – 161, 165, 166, 175 – 180, 183 – 188, 191 – 201, 206, 214 – 223, 241 – 243, 258, 261, 262, 268 – 278, 279 – 289, 292, 298, 304, 316 -verfügung 21, 76, 78, 84, 130, 152, 155, 167, 255, 274, 277, 279 – 299, 304 - Wille des P. 78, 278, 288 Pflegekräfte 43, 153, 294 Pflicht, -en 38, 40, 79, 80, 124, 154, 160, 164, 170, 182, 192, 223, 274, 289 Pius XII 36, 40, 77 – 79 Politik 18, 24, 44, 56, 75, 153, 224 pressure (s. auch Druck) 108, 320, 322 prolongation of life (s. auch Lebensverlängerung) 103 – 105, 118, 119 Protestantische Kirche, protestantisch (s. auch Evangelische Kirche) 16, 171, 173 quality of life (s. auch Lebensqualität) 103 – 106, 113, 232, 315 Recht 17, 36 – 38, 40, 41, 60, 64, 72, 90, 123, 124, 129, 131, 136, 137, 150, 153, 156, 163 – 169, 179, 182, 183, 191, 196, 214, 215, 217, 220, 223, 224, 242, 247, 254, 274, 277, 283, 288, 290, 295, 298, 303, 309, 317 Rechtfertigung 22, 27, 127, 134, 138, 161, 254 recommendation 102, 227, 315 responsabilité (s. auch responsibility, Verantwortung) 92, 98, 99, 141, 143
Sachregister
responsibility (s. auch responsabilité, Verantwortung) 315 Römisch-katholische Kirche, römischkatholisch 25 – 32, 34, 35, 43, 62, 90, 100, 133, 138, 224, 316 sacrament (s. auch Sakrament) 119 sacredness (s. auch Heiligkeit, sanctity) 111, 117 Sakrament (s. auch sacrament) 54, 59, 61, 73, 87, 88 sanctity (s. auch Heiligkeit, sacredness) 108, 228, 238, 317 Scheitern 27, 157, 159 schiefe Bahn (s. auch Dammbruch, slippery slope) 135 Schmerz-stillende Mittel 39, 40, 189 -therapie 84, 149 Schöpfung 22, 26, 50, 51, 70, 201, 253 Schuld 27, 39, 88, 124, 133, 159, 172, 222 Schweiz, schweizerisch 24, 25, 62, 64, 79, 82, 85, 86, 144, 147, 148, 166, 167, 272 Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften 76, 80, 83 Sedierung 28, 43, 57, 58, 172, 178 – 180, 188, 189, 198 – 200, 207, 209 - palliative S. 178 - terminale 44, 57, 58, 175, 178 – 180, 182, 198– 200, 209 Seele (s. auch soul) 38, 58, 70, 123, 124, 158, 159, 162 Seelsorge (s. auch pastoral care) 87, 88, 161 – 163, 171 – 174, 189, 201 – 203, 206, 207, 210 Selbstbestimmung (s. auch Autonomie, autonomy) 17, 19, 20, 22, 62, 64, 68, 74, 76, 78, 83, 128, 131, 147, 153, 167, 175, 183, 191 – 193, 196, 197, 204, 215, 250, 254, 255, 279, 285, 289, 308 – 310, 312 Selbstmord (s. auch Freitod, Suizid) 19, 25, 36, 38, 42, 57, 82, 83, 150, 243, 246, 272, 274, 278 sin (s. auch Sünde) 106, 112, 118, 314
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Sinn (s. auch meaning) 20, 24, 26 – 29, 36, 38, 44, 46, 50, 54, 56, 62 – 66, 69 – 73, 76 – 81, 84 – 87, 100, 130, 145, 149, 154, 156, 157, 160, 161, 164, 177, 186, 191, 192, 208, 218, 223, 225, 237, 245, 258, 260 – 263, 268, 276, 283, 289, 290, 294, 298, 299, 302 – 305 Skandinavien 43 slippery slope (s. auch Dammbruch, schiefe Bahn) 222, 226, 231, 232 Solidarität 64, 82, 88, 152 – 154, 163, 165, 169, 309, 310 Sorge (s. auch Fürsorge) 41, 73, 84, 88, 123, 145, 160, 161, 188, 207, 215, 239, 244, 257, 281, 302 souffrance (s. auch Leiden) 94 – 97, 140, 143 soul (s. auch Seele) 58, 106, 112, 117, 118 Sterbebegleitung 18, 19, 62, 64, 74, 84, 86, 87, 130, 136, 148, 149, 156, 165 – 168, 174, 212, 215, 219 – 221, 239, 245, 247, 256, 260, 263, 264, 295, 300 – 306, 310 Sterbehilfe (s. auch euthanasia) aktiv 20 – 26, 30, 77 – 80, 89, 109, 130 – 133, 164, 171 – 175, 178 – 180, 184 – 187, 193, 199, 200, 206, 209, 212, 214, 218, 255, 262, 263, 272, 275, 285, 287, 293, 297 freiwillig 21, 77, 224 indirekt 21, 34, 35 passiv 20, 77, 90, 149, 262 unfreiwillig 21 Sterben assistiertes (s. auch assisted dying) 19 friedliches 17 -lassen 20, 21, 24, 76, 90, 173, 177, 187 - Verdrängung des S. 68 Sterbeprozess 46, 56, 60, 75, 76, 83, 130, 131, 149, 177, 214, 217, 243, 247, 257, 260, 263, 294, 296, 309, 310 Strafe 24, 69, 254 Strafrecht 82, 83
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Register
Suizid (s. auch Freitod, Selbstmord) 19, 26, 62, 77, 82, 109, 150 – 152, 159, 164, 173, 178 – 180, 199, 224, 240, 245 – 248, 254, 262, 274, 278, 297, 316 Sünde 57, 87, 124, 237, 241, 254, 258, 313 Sünder 51, 71 Taufe 50, 63, 72, 74 Tod assistierter (s. auch assisted death) 19 guter 241 Tötung 19, 20, 57, 64, 68, 76 – 84, 89, 109, 126, 131, 132, 134, 136, 149, 150, 217, 221, 222, 257, 261 – 264, 273 – 275, 293, 297, 309, 313 Tötungsverbot 62, 70, 74, 80, 153 Tradition 45 – 48, 52, 55, 56, 88, 134, 139, 169, 177, 189, 201, 212, 225, 245, 254, 317
Trost 42, 54, 59, 74, 86, 124, 135, 162, 175, 202, 208, 259, 302, 304 ultima ratio 82, 314 Urteil 29 – 32, 37 – 41, 151, 158, 163, 164, 190, 192, 203, 316 Urteilsbildung 15, 17, 27, 31, 32, 125, 134, 144, 171, 317 Urteilsfähigkeit 17, 152, 164, 165 Verantwortung (s. auch responsabilité, responsibility) 24, 26, 31, 39, 42, 47, 52, 54, 60, 75, 125, 133, 146, 147, 152, 156 – 159, 165 – 169, 183, 184, 187, 191, 205, 206, 210, 219, 221 – 223, 243, 255, 284, 285, 289, 309, 310, 313 Vernunft, vernünftig 22, 27, 30 welfare 319 Werte 18, 36, 42, 48, 49, 53, 60, 64, 82, 160, 183, 185, 193 – 196, 217, 284, 288, 293, 298 World Health Organisation 103, 104, 232